ARCHIV
FÜR
SLAVISCHE PHILOLOGIE
UNTER MITWIRKUNG
VON
A. BRÜCKNER, J. GEBAÜER, C. JIRECEK, A. LESKIEN,
BERLIN, PRAG, WIEN, LEIPZIG,
W. NEHRING, ST. NOVAKOVIÖ, A. \YESSELOFSKY,
BRESLAU, BELGRAD, ST. PETERSBURG,
HERAUSGEGEBEN
V. J A G I C.
SIEBENUNDZWANZIGSTER BAND. J
53QRGG
BERLIN, V^^TT^
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.
1905.
^
1 1 u
Inhalt.
Abhandlungen. Seite
Noch einmal t und l in den altkirchenslavischen Denkmälern, von
A. Leskien 1
Slavisclie Wortdeutungen, von K. Strekelj 41
Zur Geschichte der serbischen Deklination, von G. Iljinskij, mit
Bemerkungen von V. Jagic 73
Slavische Fragmente aus der Bibliothek S. Giacomo dclla Marca in
Montepiandone, von Ludwig v. Thallöczy und V. Jagic . 79
Die grossrussische Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 —
1901), von N. Durnovo 91
Zur glagolitischen Schrift, von A. Leskien 161
Eine alt-russische Schrift, von V. Gar dthauscn 168
Le prix normal du ble ä Constantinople pendaut le moyen äge et le
Code de Stephan Dusan empereur des Serbes, par St. Nova-
kovic 173
CoKK et coKajii.HHKB ds la Serbie du moyen äge, par St.Novakovic 175
Die Echtheit der Mönchsreden desKyrill vonTurov, von L. K. Goetz 181
Zum Accente im Gailthalerdialekte, von Ivan Grafenauer . . . . 195
Die slavische Vertretung von indogerm. o, von PaulKretscbmer 228
Einige Hypothesen über die Sprache der Skythen und Sarmaten, von
A. Sobolevskij 24^0
Cech (lext) und Cach (qax-B), von A. Sobolevskij 244
Ein Schreiben des Patriarchen Gennadios Schoiarios an den Fürsten
Georg von Serbien, von E. von Dobschütz 246
Eine altbosnische slavisch-griechische Inschrift, von M. Resetar . 258
Poln. Glossen aus dem Anfang des XV. Jahrb., von Kaluzniacki. 265
Die Zeitrechnung und die Monatsnamen der Huzulen, von Kaiuz-
niacki 269
Die Sonnwendlieder der westgaliz. Kleinrussen, von Kaiuzniacki 273
Die Vokale "b, b in den Codices Zographensis und Marianus, von
A. Leskien 521
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens, von P. A.
Lavrov 350
Zwei Lobreden, vielleicht von Klemens geschrieben, von P. A. L a v r o v 373 --^
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens, von
V. Jagic 384 '''
IV Inhalt.
Seite
Noch einmal Klagenfurt-Celovec, von P. Lessiak 412
Ein Grigorovic'sches Menaeum-Blatt aus dem XII. Jahrhundert, von
Gr. Iljinskij, mit Zusatz von V. Jagic 424
Die Vokale x und B im Codex Suprasliensis, von A. Las kien . , . 481
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko, vonl.Werchratskij 513
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben, mit besonderer
Berücksichtigung des Gedichtes »Zähorovo loze«, von Jaroslav
Sutnar 527
Die Vorlage zur Komödie «0 BpcMa!« von Katharina II., von D.Pro-
haska 563
Kritischer Anzeiger.
CiszewskijUeber Feuerherd, ethnologische Studie, angez. von Pivko 126
Surmin, Die kroatische Wiedergeburt, angez. von V.Jagic . . . . 133
Ozwald, Dialect von Polstrau, angez. von J. Grafenauer 138
Breyer, Bio- und bibliographische Beiträge, angez. von M. Resetar 140
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft, verfasst von
M. Hrusevskyj 279
Iljinskij, Ein Fall der gramm. Analogie, angez. von M. Resetar . . 299
v. Utaszyn, Die Entpalatalisirung, angez. von WI. N ehr in'g . . . . 300
A.Trstenjak, Die Slovenenim Somogyer Komitat, angez. von V. Jagic 303
Puskin's Onjegln in polu.Uebersetzung, ang. vonWl. Nakonieczny 433
Neueste Publikationen (Vondräk, Grunskij) über Kijever Blätter,
angez. von V.Jagic 441
Jevsejev, Das Buch des Proph. Daniel, angez. von V. Jag iö . . . 447
Michajlov, Altes Erbe in kroat.-glagol. Kirchenbüchern, angez. von
V.Jagic 454
Baudouin de Courtenay, Sprachwiss. Skizzen, angez. von V. Jagiö . 458
Benni, Zur poln. Wortbildung, angez. von V. Jagic 460
Petruszewicz, lieber die älteste arische, insbes. slavische Familie,
angez. von V. Jagic 461
Dezelic, Biographie des Bischofs M. Vrhovac, angez. von D. Prohaska 463
Lukjanenko, Der Kajdialekt, angez. von V. Jagic 578
Hosek, Böhm. -mähr. Dialekte, II. Theil, angez. von V. Jagic . . . 586
Ignatii Georgii Vitae, herausg. von P. Popovic, angez. von V. Jagiö 587
Drei Gedichte Vetraniö's, herausg. von Kolendic, angez. von J. N a g y 596
Die Zeitschrift des kroat. Laudesarchivs, angez. von V. Jagic . . . 598
Jermolov, Die landwirthschaftl. Volksweisheit, angez. von V. Jagic 600
Kleine Mittheilungen.
Der Ausdruck bxc&ä-b in altkirchenslavischen Denkmälern, von A.
Sachmatov, mit Zusatz von V. Jagic 141
Ein Nachtrag zu Bd. XXVI, S. 571, von E. Sievers 142
Ljudevit Stur's slovak. Monatsbezeichnung, von Dr. Fran Ilesic . 142
Inhalt. V
Seite
Nochmals Klagenfurt-Celövec, von J. Schein igg 146
Kollär'sAntheil an politischen Broschüren, von Dr. Josef Karäsek 154
Beiträge zur Geschichte der slav. Philologie, von Prof. ©. Surmin . 304
Spolari — Spolarich, von V. Jagiö 313
Zur Etymologie von »presustvo«, von L. Pin tar 314
Nachtrag zum Aufsatz »Eine altrussische Schrift« (S. 169 — 172), von
Z. Kuziela 326
Sloven. -5tm, von F. Lorentz 465
Preuss. lüMiri, von F. Lorentz 467
Slovinz.^rt^M^sc und verwandtes, von F. Loren tz 469
Urslav. fz6 »Schlange«, von F. Lorentz 475
Preuss. Bevölkerung auf dem linken Weichselufer, von F. Lorentz 470
Bemerkungen zu den in päpstlichen Urkunden überlieferten ostsee-
wendischen Namensformen, von F. Lorentz 474
Zwei briefliche Aufzeichnungen P. J. Safarik's, mitgetheilt von Wl.
Nehring, mit Zusätzen von V. Jagid 476
Ein Brief V. Oblak's an St. Novakovid, mitgetheilt von St. Nova-
kovic 477
^VBeuÄHJa, von St. Novakoviö 480
Serbokroat. ÄaZos", (rothe) Tulpe', von M.Rese tar 608
Serbokroat. zSr ,num, forsan', vonM. Resetar 609
Ueber die slavische Philologie an den Universitäten Deutschlands,
von der Redaction d. Arch. f. slav. Phil 610
Eine typographische Thorheit, von der Redaction d. Arch.f.sl.Ph. 610
Zur Bekehrung Wladimir's L, von H. Krebs 611
Der kluge Knabe. Ein kroatisches Märchen aus dem Kreis »Die kluge
Dirne«, vonV. Jagic und G. Polivka 611
Nekrologe (Alexander Nikolajevic Pypin f, Milivoj Srepel f , Ivan
Tkalcicf, Gregor Krek f , Uarion Ruvaracf, Polychronios
Syrku f, Alex. Iv. Smirnov t), von V. Jagic 630
Sach-, Namen- und Wortregister, von A. Brückner 637
Noch einmal Ti und b in den altkirchenslavischen
Denkmälern.
\
I. Das Sava-Evangelium.
Die Behandlung der Vokale t»,, k ist eine der schwierigsten
Aufgaben der altkirchenslavischen Grammatik. Es ist zwar ver-
hältnissmässig leicht festzustellen, wo ursprünglich 'K und k ge-
standen habeo. Die Möglichkeit geben einzelne altkirchenslavische
Denkmäler selbst, das Ostromirsche Evangelium, die Kiever Blätter,
dazu das Altrussische und die Vergleichung der slavischen Sprachen.
Aber anders steht es, wenn man die übrigen grossen Denkmäler,
Cod. Zogr., Mar., Assem., Psalt. sin.. Euch, sin., Cloz., Supr., Sav.
kn. vornimmt. In keinem von diesen ist der ursprüngliche Zustand
unverändert geblieben : allgemein ausgedrückt kann o für t^, e für
k eintreten: Tv steht an Stelle von altem k, k an Stelle von altem 'k ;
Ti, k sind ganz weggefallen. Die Ursachen sind Einflüsse der
Lokaldialekte, denen die Schreiber der Handschriften angehörten,
und, auch bei etwa gleichem Dialekt, die Weiterentwicklung der
Sprache von der Zeit ihrer ersten Aufzeichnung bis zur Periode
unsrer Handschriften, die mindestens 150 Jahre umfasst. Bei einer
Untersuchung dieser Veränderungen müssen Mar., Psalt, Assem.,
Cloz. zunächst bei Seite stehen, Supr. kommt erst in zweiter Linie
in Betracht, Zogr. und Sav. kn. müssen die Grundlage der Betrachtung
bilden; auf das Euchologium komme ich unter H. zu sprechen. Das
Zographos-Evangelium hat Jagic in den bekannten »Studien über
das altslovenisch-glagolitische Z.-E.« (Archiv I und II, auch nach
dieser Richtung genau behandelt, die Sav. kn. Scepkin in »Pascy-
atÄenie o üstiKi CaBBiiHoß Kunrn« (Petersb. 1S99).
Da ich in der nächsten Zeit Veranlassung habe, mich eingehend
mit altbulgarischer Grammatik zu beschäftigen, liegt es mir ob, die
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 1
2 A. Leskien,
Denkmäler, namentlich in Bezug auf 'k, h, wieder durchzugehen
und die neueren Schriften darüber aufs neue zu prüfen, zumal ich
gegen die Richtigkeit der Methode, nach der solche Untersuchungen
in neuester Zeit angestellt wurden, starke Bedenken habe. Wenn
ich zuerst das Sava-Evangelium vornehme, so geschieht es, weil in
Scepkin's Buch eine bestimmte Methode scharf zum Ausdruck
kommt, mit der man sich einmal auseinandersetzen muss, um —
kurz gesagt — nicht ganz konfus zu werden.
Bei der Betrachtung der Sav. kn. habe ich die naheliegende
Vergleichung mit andern Quellen fast ganz unterlassen, denn diese,
da sie aus andern Orten, andern Dialekten und andrer Zeit stam-
men können, konnten auf den Dialekt des Schreibers der Sav. kn.;
wenn er seine Mundart wirklich getreu wiedergegeben hat, keinen
Einfluss üben, und wenn die Ueberlieferung hier eine lebendige
Sprache wiedergibt, muss diese sich aus der Handschrift selbst
systematisch darstellen lassen.
Scepkin nämlich drückt seine Bewerthung des Denkmals kurz
so aus (Vorrede zu seiner Ausgabe, Petersb. 1903): «In der Reihe
der altslavischen Denkmäler gibt die Sav. kn. am allerdeutlichsten
die lebendige Sprache des XL Jahrh. wieder und erscheint in dem
Problem der Halbvokale i^, l in dieser Beziehung als Haupt-
auktorität«. PascyatA- S. I heisst es: »die Sprache der Person, die
die Sav.kn. aus diesem glagolitischen Original i) abgeschrieben hat,
gehörte einem bestimmten andern altslavischen Dialekt an, wobei
der Schreiber bei der Abschrift seine heimatliche Mundart mit sol-
cher Kühnheit und Genauigkeit ausdrückte, wie kein einziger von
den Schreibern der übrigen altslavischen Denkmäler. Dank dieser
besonderen Klarheit der Mundart hat die Sav. kn. auch besondere
Bedeutung für die Beurtheilung der übrigen altslavischen Denk-
mäler, da sie sehr oft die Frage entscheidet, was in diesen letzteren
der lebendigen Mundart der Schreiber, was der graphischen Tra-
dition oder dem Original angehört. Deswegen bildet die Erfor-
schung der Sprache der Sav. kn. gewissermassen nothwendig den
Ausgangspunkt für die Erforschung der altslavischen Dialektologie
überhaupt«.
1) Scepkin's Ansicht ist, der Sav. kn. liege ein Original in glagolitischer
Schrift zu Grunde.
Noch einmal x und l in den altkirchenslaviscben Denkmälern. 3
Er hat in PasyacA- 0 as. C. kh. einen erstaunlichen Scliarfsinn
darauf verwendet, alle und jede Schreibung der Silben mit altem
1», h aufzuklären, um so ein sichres und genaues Bild des altbul-
garischen Dialekts zu gewinnen, dem der Schreiber der Handschrift
angehört hat. Ich will im folgenden zeigen, dass das Unternehmen
nicht gelungen ist und nicht gelingen konnte. Setzen wir aber zu-
nächst voraus, es sei gelungen, so handelt es sich um die Begrün-
dung und Erklärung der sehr zahlreichen Abweichungen von einem
rein lautlich bestimmten Idealbilde des Dialekts, die der Codex in
der Wiedergabe der i».-, k-Silben aufweist. Die Ursachen davon
können sein: 1) zufällige Versehen, Verschreibungen, wie sie
überall bei handschriftlicher Ueberlieferung vorkommen, aber für
das Urtheil über die Sprache gleichgiltig sind; 2) einfaches Ab-
schreiben der dialektisch vielleicht anders gefärbten oder einem
älteren Zustand der Sprache angehörenden Vorlage, sei es mecha-
nischer, gedankenloser "Weise, sei es absichtlich aus irgend welchen
äusseren Gründen, z. B. zur Ausfüllung der Zeile, der Deutlichkeit
wegen 0. a. 3) Die lautliche Folgerichtigkeit des dialektischen
Idealbildes kann dadurch gebrochen sein, dass sogenannte Analogie-
bildungen eingetreten sind; auf den vorliegenden Fall angewendet,
dass Tk, k an bestimmten Stellen eigentlich schwinden sollten, aber
nach Formen, wo sie erhalten bleiben mussten, wieder eingefügt
oder festgehalten sind; dass aus Formen, die nach den Regeln des
Dialekts t^ haben sollten, k wieder eingetreten oder bewahrt ist
nach andern Formen, die k nach den geltenden Regeln normal
haben, und umgekehrt.
I. Völliger Schwund von ^k, k.
Zur Veranschaulichung wähle ich zunächst zwei Beispiele
aus: es kommen vor 31 Fälle verschiedener vom lufinitivstamm
des Verbums ntcaTH abgeleiteter Formen, stets ncarn geschrie-
ben, daneben von der Silbengestalt ntc- nur drei Beispiele, ver-
schieden geschrieben: ncH (canes), ms.coM'K, nbcoM'K. Es finden
sich 48 mal Formen des Präsens- und Infinitivstammes von nocK-
-\aTH, ohne Ausnahme mit 'k geschrieben, daneben 6 Beispiele mit
sonstiger Silbe CbA-, cka-, deren Schreibung schwankt: OCAd ocaa
OCAH, OCKAT». ocKAA ockAA (S. 1 24, 1 25). Natürlich wird jeder den
Schluss ziehen: der Schreiber hat rcath gesprochen. Nun scheinen
1*
4 ' A. Leskien,
aber die Bedingungen bei ni^caTH HankcaTH und nocKAaTH ganz
gleich, auch in der Betonung, der Hochton fiel auf die dem nkc-,
CTkA- folgende Silbe. Warum wird also in einem Falle der schwache
Vokal regelmässig ausgeworfen, im andern ebenso regelmässig
bewahrt? Scepkin's Erklärung lautet so (S. 147): »Die vollständig
konsequente Erhaltung des Halbvokals im Verbum nock/iaTH kann
nur durch Analogiewirkung erklärt werden. Wir haben oben ge-
sehen, dass die Verba Kfp;^ KparH und hhuj;^ ncaTH den Halb-
vokal auf lautlichem Wege verloren haben in den vom Infinitiv-
stamm abgeleiteten Formen; in diesen Verben konnte deswegen
keine grammatische Analogie auf die Erhaltung des Halbvokals
wirken, weil der Stamm Ki^p-, nkc- allein stand; eine Entsprechung
zwischen Präsens- und Infinitivstamm fand nicht statt, und in dieser
Beziehung berührten sich beide Verba mit koaki^ kaath, eopi;^
KpaTH, die in der Gruppe ka, Kp nie einen Halbvokal hatten; ckaiä
CKAATh dagegen, das die gleiche Wurzelgestalt in beiden Stämmen
hat, berührte sich mit opiT^ opaTH, ctchür cTfHaTH und der
ganzen Masse der Verba derselben Klasse, die gleichen Wurzel-
vokal in beiden Stämmen haben; der Einfluss dieser Analogie
wurde verstärkt durch das Vorhandensein von ckat^ nocKAT^ mit
einem 'K, das lautlich nicht ausfallen konnte«. Mir kommt das auf-
fallend vor: die Correspondenz der Vokale in opKSv opaTH u. a. soll
die Beibehaltung desselben Verhältnisses in ckahr ckaath be-
wirkt haben; aber wenn nun der Dialekt seiner offenbaren Neigung
zum Auswerfen der schwachen Vokale hier nachgegeben und ein
CAi* nocAi^f;, CAATH nocAATH hervorgebracht hätte, so war ja die
Gleichheit der Wurzelgestalt (ca-) in Präsens- und Infinitivstamm
ebenfalls vorhanden, oder besser ausgedrückt, ohne die Heran-
ziehung einer fiktiven Wurzel: caitR caath, nocAi^ nocAarH
stellen ein ebenso normales Verhältniss dar wie opix>, opaTH u. ä.
Die Hülfe von ckatj. iiockat». nützt nichts, denn woher will man
wissen, dass gerade diese Formen wirken mussten und nicht etwa
die obliquen Casus, in denen nocAa für nccKAa u. s.w. gesprochen
sein kann. Ein ähnliches Verhältniss wie zwischen ncaTH und
CKAATH wiederholt sich in hto und dem Verbum miiT;*^ (S. 125):
95 mal ist hto geschrieben, sicher der schwache Vokal nicht ge-
sprochen, 7 mal steht hts.to, dagegen in 9 Fällen von MkTAi ist der
Vokal stets vorhanden, wird S. 145 als gesprochen angenommen.
Noch einmal i. und t in den altkirchenslavischen Denkmälern. 5
und hier soll die Analogie von mcx^ hicth, nMTx^ rakth u. ä.
die Beibehaltung des k bewirkt haben, also nach demselben Prinzip
wie oben bei CTs.AaTH. Aber ganz gleich sind diese Fälle nicht,
denn die Vokalverhältnisse sind nicht dieselben: in cfluf. opaTH,
CTvA»^ c'KAaTH haben beide Stämme den gleichen Vokal, in HKT;si
MHCTH aber nicht; trotzdem sollen die Sprechenden nicht den nahe-
liegenden Anschluss von mlt;^ an mhcth suchen, um ein *hhtä;
zu bilden (vgl. den umgekehrten Fall Inf. nHcarn statt nkcaTH
nach dem Präs. nHUj;^), sondern nehmen Hfc;i^ hccth. Mir scheint
es an sich misslich, aus den 9 Fällen von HkT- etwas sicheres
schliessen zu wollen; so gut die 9 Beispiele von ht^to aus der
Vorlage übernommen sind, kann das bei dem neunmaligen MkT-
der Fall sein. Aber ich will davon absehen und auf einen andern
Punkt kommen. Betrachtet man das Verzeichniss Scepkin's (S. 115
bis 126), so könnte es scheinen, als ob von den dort verzeichneten
Verben (die Beispiele SHaTH, kaath, lUip'tTH gehören selbstver-
ständlich nicht dahin) überhaupt nur Infinitivstämme auf a den
schwachen Vokal verlieren und nur dann, wenn das Präsens einen
Vollvokal hat: KpaTH (zu Kfp;^; für EkpaTH K'kpaTH) 18 mal,
neben K'kpaTH 4 mal; thath (für r'knaTH; zu iKeH;s^) 9 mal, rk-
HATH einmal; pas-AP^^TH (zu A^P^i = A^^P^^th, A'^P^^t'") ein-
mal; CTk-SA^^TH (zu 3HJKA^) Zweimal, neben c'k3'kA<*'T" einmal;
ncaTH (für nkCATH, zu nHUj;^) 31 mal. Dagegen haben die Verba
mit durchgehendem schwachen Vokal und mit Infinitivstamm auf
t, so wie ckAATH, bei gleichem Vokal in beiden Stämmen die
schwachen Vokale bewahrt: CkAKR ckaath 48 mal, lUikHHK Mk-
HtTH 23 mal, 3kpHR Skp-kTH (s'kp-) 42 mal. Man könnte also
versucht sein, eine irgendwie dann zu begründende Regel aufzu-
stellen: die Infinitivstämme auf a lassen einen schwachen Vokal
der Wurzelsilbe dann schwinden, wenn der Präsensvokal verschie-
den ist; dagegen alle Verba, die im Präsensstamm das gleiche w
oder 1%. haben, behalten es. x4.ber das wäre eine Täuschung, die
Thatsachen stimmen dazu nicht, denn es heisst neben 30 b;^ stets
STvBATH (30 mal, nie 3ßaTH). Dass 3'kßaTH in dem genannten
Verzeichniss Scepkin's nicht steht, kommt nur daher, dass er
Fälle von erhaltenem t», k nicht aufnimmt, wenn die Conso-
nantengruppe, die durch den Ausfall entstehen würde (hier3B),
sonst in Folge dieses Wegfalls nicht vorkommt; daher fehlt dort
6 A. Leskien,
auch KT^^IvTH (BkA'feTH), ebciiso cTvr'KH;Rß'K, weil es vereinzelt
ist, hätte aber mit H3rnaTH rkHaujA parallelisirt werden müssen,
da die Lautverhältnisse bei r'KHaTH und r'KH;¥;TH ganz gleich
sind. Was kann es Überhaupt nützen, gerade vorhandene Parallelen
consonantisch gleicher Lautgruppen herauszuheben und nicht die
Gesammtheit aller Fälle, in denen Gelegenheit zum Ausfall der
schwachen Vokale gegeben war, im Zusammenhang vor Augen zu
haben? Wenn man so verfährt, ergibt sich folgendes Bild: in
Verben ist der schwache Vokal erhalten ausser in den schon oben
angegebenen 1 22 Fällen in sikBaTH 30 mal, E'k;i,'KTH (Bk;i,-) 9 mal,
Präsensformen von j^ti, K'K3-, HS-hü;^ ausnahmslos ca. 30 mal mit
Tk oder h; Präsensformen von math: hj-, bt^-hiih;^ (-mt^h-) 8 mal,
AOßi^AeTi», 2 mal. Präsensformen von >katm, jkkh- jk'kh- 3 mal,
CTbpe (-T'Kpf) 2 mal, nocTKAaiUA 1 mal; Formen des Präsens
pAc-nkH;^ (-nikH-) 13 mal, c'Kr'kH;i^ß'K 1 mal, Präsens ckrh- (der
Infinitivstamm von C'knaTH kommt zufällig nicht vor) 8 mal, dazu
o^fC'Kne 2 mal (3. sg. aor. zu c>YC'kH;ixTH), Präsens TkAHTi». 3 mal,
o^nTvEaTH 2 mal. Also zu jenen 122 kommen noch HO Fälle hinzu;
diesen in runder Zahl 230 Beispielen der Erhaltung von Tv, k in der
Wurzelsilbe von Verben stehen ca. 70 des Schwundes gegenüber,
darunter 31 allein von ncarii, 18 von BpaTH, 9 von rHaTH. L'gend
ein Zufall darf nach Scepkin's Auffassung in diesen Verhältnissen
nicht walten, und er findet sich in der That mit allen Fällen ab.
Ich setze die Stelle (S. 143) zur Charakteristik seiner Methode und
Darstellungsweise hierher: »In den Formen des Verbums MkHi^
MbriHUiH luikH'kTH (immer mit k) konnte sich der Halbvokal laut-
lich nicht halten, offenbar hat auf die Bewahrung des k auch hier
irgend eine Analogie wirksam sein müssen. Wir haben oben ge-
sehen, dass das Verbum skpii^ skpHuiH Skp'KxH (STkp-) ebenfalls
niemals den Halbvokal verliert, unten werden wir neben den Formen
HTO, HtHTO, HHHTOJKf die kouscqueute Schreibung HkT;i^ MkTEiuH
(mtvT-) finden. Von einer orthographischen Manier kann im ge-
gebenen Falle nicht die Rede sein: die konsequente Schreibung
MkHiT^ MkH'RTH, Skp-STH, HkT;^ fiudcu wir auch im Dialekt des
Zographos-Evangeliums (Archiv I, 35—38, 47—48) i). Vielleicht
1) Was die Anführung des Zogr. hier soll, ist mir unverständlich; dessen
Schreib- oder Sprechweise hat doch mit der lebendigen Sprache des Schrei-
Noch einmal t und b in den altkirchenslavischen Denkmälern. 7
hat in den angeführten Formen zu einer Zeit die Sprache versucht,
die alte Silbenzahl dieser Klasse zu bewahren, d. h. z. B. in 3Kp;?;
3kp1iTH nach Analogie von ropi^ix rop'kTH, in HkT;^ mhcth unter
dem Einfluss von n^fT/i; nAtCTH. In der ersten Verbalklasse
wirkten diese Analogien offenbar am stärksten: in der Sav. kn.
finden wir noch k^ksath — ijt».3'kiii;r BkS'kMfiUH KkSKimeTTvu.s.w.,
K'kHATH — K'KH'KHeT'k KkSkNETT». ßkMkH;^T'k, HaMATH — HaMk-
HtUIH HaHkHfT'k U. S. W., JKATH — JK'kH/RT'K >KkHAI, paCRATH
pacnkH;^ u. s. w., Schreibungen ohne den wurzelhaften Halbvokal
kommen nicht vor; so finden wir auch in der zweiten Abtheilung
der I. Kl. soKfT'k — S'KKaY;«; 3T»,Ka 3'kKaT'T\ u. s.w. In allen die-
sen Fällen darf man Analogiewirkuug annehmen. In andern Verbal-
klassen waren die Bedingungen andere und der Halbvokal der
Wurzelsilbe fand keine so starke Stütze; so wurden z. B. neben
nHiii;^ tkih;^ die auf lautlichem Wege gewonnenen Formen ncaTH
THaTH, neben ßep;^ das KpaTH deswegen festgehalten, weil neben
KOAK^ Kopii^ die Formen KAaTH KpaTH ohne Halbvokal bestanden ;
aber auch in dieser (dritten) Klasse finden wir in Sav. kn. nocKAi^
(== MX.) nocKAATH, cTvnaTH c'KHHT'k, in den Fällen, wo in beiden
Stämmen der Wurzelvokal derselbe ist (dagegen neben c'k3H>KA;R
ein c'k3'TkA<*TH und c'K3A*»th). Zu dem Auftreten der Form Mp;^
Mp£iiiH mit ausgefallenem k konnte der zweite Stamm wirken in
seiner Form np-tTH ohne Halbvokal; in den Formen des Verbums
CTp'tTH wirkte dieselbe Analogie, npocrpH Sav. 74 statt npocTkpn,
aber andrerseits finden wir auch npocrp'k 58 neben npocTkplJ 74;
solcher Weise wurden beide Stämme vermischt, vertraten einer den
andern; npocTkp'k. 33, 41, 75b und OTkpkiuH 81 haben das k in
einer Stellung, die den lautlichen Verlust des Halbvokals nicht ge-
stattete. In OTkpf ist der alte Präsensstamm bewahrt, in orivpe
finden wir den Uebergang von k in t». gegen ein Lautgesetz der
Sprache der Sav. kn. ; die Schwankungen tragen auf diese Weise
einen Charakter, wie er sich in den Formen des Verbums ivip;*^ wpeiuH
nicht findet. Das bringt auf den Gedanken, dass das Verbum Tkp;si
Tp-kTH in der lebendigen Rede des Schreibers nicht mehr existirte
und die Schwankungen entweder ausschliesslich graphische Be-
deutung haben oder dem Original der Handschrift angehörten«,
bers der Sav. kn. nichts zu schaffen; mag jener gesprochen haben wie er will,
dieser kann sich darnach nicht gerichtet haben.
8 A. Leskien,
Zu meiner und vielleicht aucli zu des Lesers Erleichterung
stelle ich deutlich neben einander, was alles von Verfahrungs-
weisen einem und demselben Lautverhältniss gegenüber dabei
herauskommt :
1) 3kp;^ Sbp'feTH u. ä. sollten nach der Entwicklungstendenz
der Mundart eigentlich den schwachen Vokal verlieren, behalten
ihn aber, um zu Liebe von ropKR rop'feTH die alte Silbenzahl zu
bewahren.
2) RhcaTH BkpdTH n^HaTH verlieren 'k, k, weil der Präsens-
vokal ein anderer ist, zu Liebe von koaijR KAaTH.
3) 30b;^ S'kßaTH, das den gleichartigen Unterschied von
Präsens- und Infinitivstamm hat, kehrt sich daran nicht, sondern
S'kßaTH bleibt, während man doch vermuthen möchte, sok;?. als
im Vokal gleich mit koah^ Bopi^ könnte eher dem KAaTH EpaTH
ein sßaTH an die Seite stellen, als das im Vokal ganz verschiedene
RHUj;^ sein ncaTH. Man wird doch nicht annehmen sollen, dass
die Einth eilung der Verbalklassen in unsern Grammatiken für die
Sprechenden bestimmend gewesen sei?
4) cka;^ (ckaijR) ckAATH behält das "k, weil es sich anlehnt
an opKR cpaTH und alle die Verba derselben Klasse, die einen
vollen Wurzelvokal haben und ihn also nicht ausfallen lassen
können.
5) Mp;^ verliert k, weil es sich nach Mp'kTH richtet.
6) npocTpH hat sich nach -ctp'Sth gerichtet, daher kein k,
aber npocTkp'k muss sein k aus dem Präsens -CTkp;^ bezogen
haben; der Schreiber hat demnach npocTp;^ gesprochen, wenn ihm
gerade npocrp'kTH dunkel ins Bewusstsein kam, npccTkp-STH,
wenn ihm gerade npocTkp;^ vorschwebte, es kam ihm also nicht
darauf an, bald npocTkp;^ bald ußo^crp^, das eine mal npocTk-
p'tTH, das andre mal npocxp'KTH zu sprechen.
7) Ein wahres Unglück ist CTkpe OT'kpe (3. sg. aor.), dem ist
mit den bisherigen Erklärungsversuchen nicht beizukommen. Was
bleibt übrig? Die verzweifelte Annahme, das Verbum Tkp;s; TptLTH
habe wohl in dem Dialekt des Schreibers überhaupt nicht existirt ;
dann konnte er es ja ruhig buchstäblich aus seiner Vorlage ab-
schreiben.
Aber mit den Verben darf man sich nicht begnügen ; verbale
und nicht verbale Bestandtheile der Sprache unterliegen ja den
\
Noch einmal x und l in den altkirchenslavischen Denkmälern. 9
gleichen lautgesetzlichen Verhältnissen, der gleichen geschichtlichen
Lautentwicklimg der Sprache. Während in den überaus häufigen
Formen von KkCk (onmis) und seinen Ableitungen mit ein paar
Ausnahmen der schwache Vokal beständig fehlt, ebenso in kt^to
(107 mal KTO, 3 mal K'kto), steht er ausnahmslos in K^kUHra und
K'kHASk mit ihren Ableitungen (fast 50 mal). Warum bleibt er
hier? Auf S. 118 werden die wenigen Fälle aufgezählt, in denen
die Präposition bt». (kk) vokallos geworden ist: k cek'K 10 mal (ßk
ceKt: einmal), ß cfAlv\"k einmal; Formen von B'kCfAHTH zeigen
6 mal ßCf/\-, einmal ß'kCfA-, dann werden noch angeführt einmal
vorkommendes ßk chaIj, zweimaliges ßk chi*, dazu der Zusatz :
»die übrigen Beispiele« (nämlich der Lautgruppe ßkc-) »haben nach
c einen Consonanten«. Aus den Gesammtfällen wird S. 126 der
Schluss gezogen: »die Gruppe ßkc- hat offenbar im Dialekt der
Sav. kn. ihren Halbvokal nicht nur in den Grenzen eines und des-
selben Wortes verloren, sondern verlor ihn auch im Sandhi« (ge-
meint ist in Wortgruppen wie ß c6/\'Rx"k). Was berechtigt einen
aber., die paar Fälle, in denen ßi». (ßk) gerade vor c steht, loszu-
trennen von den sonstigen Verbindungen der Präposition mit anders
anlautenden Wörtern? Wie unterscheidet sich denn B'KcaAHTH
B'kCHraTH, ß'k-(ßk-) ckcTH, die im Codex ihr t^ bewahren, von
B'k-(Bk-)cfAHTH? Warum fällt das Tv (k) von bt». (ßk) vor keinem
andern Consonanten als c aus ; was kann den, der bccahth spricht,
hindern bsäth statt ß'kSATH (ßkSATH) zu sprechen und warum
lässt er hier t». (k) bestehen? Ferner, die Formen von ckTßOpHTH
werden 90 mal CTßop-, nur zweimal CkTBop- geschrieben; in Folge
davon heisst es S. 149: »die Gruppe CkTßO- hat ihren Halbvokal
verloren; die vereinzelten Schreibungen cts.tbc»p;r cnkTBCpfi müssen
graphisch erklärt werden, als phonetische Schreibung erscheint für
den Dialekt der Sav. kn. ctb-«. Es wird natürlich kein Mensch
annehmen, der Schreiber der Handschrift habe noch ckTßopHTH
gesprochen. Nach Scepkiu hat er aber nur hier das i». nicht mehr
gehabt, in allen andern Verbindungen das t* von Ck gesprochen.
Ich frage mich dabei vergeblich, was denn die Lautgruppe ct^tbo-
eigentlich für innere Eigenschaften habe, dass gerade sie das 1%.
fallen lassen muss, während noch dazu die Anlautsgruppe ctb- in
der Sprache fast nicht vorkommt. Der sonderbare Schreiber muss
CTBopHTH sprechen, aber CkßfCTH, CkKasdTH, ckAliCTH, ck-
10 . A. Leskien,
nacTH, CTs.p'feCTH spricht er mit 'K, nicht ckecth, cKasATH u. s.w.,
obwohl CB CK CA cn cp der Sprache geläufige Anlautsgruppen sind.
Auf das oben schon erwähnte KkCk (omnis) muss ich noch in
andrer Beziehung eingehen. Nahe an 250 mal wird ßc- geschrieben,
nur 12 mal steht bkc- (bt^c-; einmal b'cl); unter den Fällen sind
15 Beispiele von bcl (= nom.-acc. BkCk). Aus ßkck konnte nach
den sonst beobachtbaren gleichen Lautverhältnissen der erste
schwache Vokal nicht ausfallen, Scepkin bemüht sich aber (S. 128),
ein BCk als gesprochene Form glaubhaft zu machen: »bck anstatt
der alten regelrechten Form ßhCh könnte angesehen werden als
graphische Variante oder Verschreibung, entstanden unter dem Ein-
fluss der obliquen Casus mit bc-; aber die Rechtschreibung der
Sav. kn. ist ganz und gar frei von graphischer Bedingtheit und für
Verschreibungen sind die in Betracht kommenden Formen zu zahl-
reich. Man kann daran denken, dass die Form BCk = Ttäg, yMiurja
(BkCk xcüiit] wird nämlich in den 5 vorkommenden Fällen auch BCk
geschrieben) »wirklich unter dem Einfluss der obliquen Casus ent-
stand, aber nur in der lebendigen Rede. Solche Neubildung wie
BCk ist vollständig möglich auf Grund der Annahme, dass aus-
lautende 'k, k im Dialekt der Sav. kn. noch konsequent ausge-
sprochen wurden, und am Ende eines einsilbigen Wortes, wie wir
gesehen haben, sich sogar der vollvokalischen Gestalt näherte : o
und (((. Dies bezieht sich darauf, dass neben Ck ck (33 mal) auch
5 mal c( an Stellen vorkommt, wo nach dem griechischen Text Ck =
o'öTog erwartet wird (S. 102); nur an einer Stelle Bl. 46'' (= Matth.
21. 42) kann man sicher behaupten, dass das Masc. gemeint ist, an
den andern kann das Neutrum gemeint sein, es sind Stellen, in
denen o^vög eari stark deiktisch steht; aber ich gebe ruhig zu,
dass an allen fünf Stellen ovrog zu verstehen ist. Leider findet
sich nun nicht neben solchem c£ auch ein *BCf = jtäg Tcavxa. Auch
dieser Schwierigkeit wird Scepkin Herr: »wenn sich in der Sav.
kn. neben c« ovrog die Schreibung bc« rcäg nicht findet, so erklärt
sich das wahrscheinlich daraus, dass das Wort Ttäg fast nicht im
Stande war, den starken logischen Accent zu bekommen, unter dem
sich das hinweisende otxog nicht selten befindet«. Ich habe im
Gegentheil die Empfindung, dass an einer ganzen Anzahl von
Stellen, wo BCk steht, ein starker Nachdruck daraufliegt, vgl. z.B.
93'' (Joh. 13. 10) TAdroAa eiuio^ iccyct».- HSM'KBfH'Ki He rp'feEoycT'k
Noch einmal t uud l in den altkirchenslavischen Denkmälern. 1 1
T'KKMO HC»3'R OYM'KITH, tCTTv KO BCb MHCT^K, b leloVl-LeVOg Ol)
XQslav %%eL /; tohg Ttödag viipaad'aij äXX' eoriv -/.ad-ctQog oXog ;
mehr Nachdrücklichkeit kann man doch nicht verlangen; oder 44
(Matth. 18. 30) ßf,A,'k i KT^ca^XH Bk TkiiikHHii,;si, A^^m^A^^^f ktv3-
yVacT'k KCk ^VATvr-k CKOi, wo die slavische Uebersetzung sogar
gegen den griechischen Text (ewg änodCü rb dfp£il6f.ievov) das KkCk
eingesetzt hat, offenbar mit starker Betonung der ganzen Schuld.
Die Schreibung ßck ohne Vokal ist weiter nichts als eine Abbre-
viatur des häufigen und im Zusammenhange ohne weiteres ver-
ständlichen Wortes, und steht ganz auf einer Linie mit K'k (Kon»,),
HßCK'kl (HEKfCkCK'kl), HBCH'ki (HfKf CkH'kl), J^Uh ^'^Hk (AI*MI^)-
Scepkin kommt zu solchen weithergeholten Erklärungsver-
suchen durch seine ganze statistische Methode. Kommt die Weg-
lassung des 'k, k in einem bestimmten Worte regelmässig oder fast
regelmässig oder sehr häufig oder überwiegend vor, so schliesst er,
und wo es sich nicht etwa um Abbreviaturen handelt, wie bei ßCk
^Hk, mit Kecht, die Vokale seien nicht mehr gesprochen worden,
die wenigen Fälle der Erhaltung lassen sich dann einfach als Nach-
ahmung der Vorlage erklären. Sind die Beispiele von Erhaltung
und Verlust an Zahl wenig verschieden oder gleich, so tritt natür-
lich eine Verlegenheit ein, z. B. bei st^ati mit seinen Formen und
Ableitungen: 10 mal 3a-, 10 mal S'kA- (3kA-). Ein weniger scharf-
sinniger Mensch wäre vielleicht thöricht genug zu meinen : ein Mann,
der 10 mal 3a- schreibt und so gesprochen hat, kann in den andern
10 Fällen auch nur so gesprochen haben; wo er noch bimx- (3kA-)
schreibt, hat er eben seine Vorlage abgeschrieben. Nicht so Scep-
kin, er stellt eine viel feinere Erwägung au (S. 138): »in der Gruppe
3'kA- bietet die Sav. kn. bedeutende Schwankungen, wie' man sie
bei dem Schreiber unsers Denkmals im Falle vollkommenen Schwin-
dens des Halbvokals nicht erwarten würde. Man muss bemerken,
dass die Wörter 3A0Ba saoa'^h immer ohne t». geschrieben werden
und man nur in den Formen des Adjektivs S'kA'k, des Substantivs
3'kAO und des Adverbs 3kA'k Schwanken findet; vielleicht
wurde der Halbvokal in diesen Formen durch grammatische Ana-
logie gestützt: nehen 3'kA'k blieben 3'kAA 3'kAO 3kA'K bewahrt,
weil neben B'KA'k AP^^'^'i»' tlie zweisilbigen Formen b'Sao AP**'''^?
neben A'^Kp'k a^^kP'^ vorhanden wäre Man sieht, diese Leute des
XL Jahrh. sind nie verlegen, wenn sie gegen ihre natürliche
12 A. Leskien,
NeiguDg, den schwachen Vokal auszuwerfen, eine Hilfe brauchen,
in irgend einer Sprachecke finden sie immer etwas, das ihnen aus
der Verlegenheit hilft.
In den Worten, die einen an sich möglichen Ausfall von 'k, k
in der Schrift überhaupt nicht zeigen, wird angenommen, der Vokal
sei gesprochen worden, mögen die Widersprüche gegen analoge
Fälle, wo 1%, h in der Schreibung der Sav. kn. nicht steht, in laut-
licher Beziehung noch so gross sein. Wenn man so, wie Scepkin es
thut, alles vereinzelt, die analogen Fälle nicht im Zusammenhang
betrachtet, kommt ein Dialekt heraus, den ich in dieser Gestalt für
eine bare Unmöglichkeit halte. Von welchen Zufälligkeiten übri-
gens seine Bestimmungen zuweilen abhängen, davon noch ein Bei-
spiel: S, 119 werden 14 Fälle des Vorkommens von OBki^a und
seinen Formen genannt, alle mit k ausser einmaligem OB'ki^A;
dazu S. 129 die Bemerkung: »in der Gruppe -Kku,- ist der Ausfall
des k von Jagic zweimal im Zogr. angemerkt, in den übrigen Fällen
wird im Zogr. nur k geschrieben, ein Beweis einer bestimmten
Weichheit des folgenden ii,; in der Sav. kn. gibt es keinen Aus-
fall in dieser Gruppe« u. s. w. Das ganze Gerede ist hinfällig,
wenn Scepkin's Ausgabe zuverlässig ist, denn da steht 125*' wirk-
lich Oßll^A.
Mir kommt die Lösung der Frage nach dem Ausfall der
schwachen Vokale, wenn ich die gesammte Beschaffenheit der
Quelle betrachte, ziemlich einfach vor :
1 ) Der Schreiber hat im allgemeinen in seiner täglichen Rede
die schwachen Vokale in offenen Silben nicht mehr gesprochen.
Dabei gebe ich selbstverständlich zu, dass in einer Anzahl von
Fällen aus bestimmten Gründen, z.B. wegen der Schwierigkeit der
durch den Ausfall entstehenden Consonantengruppe, der Vokal er-
halten bleiben konnte. Aber aus der Ueberlieferung der Sav. kn.
lässt sich nichts derart mit irgend einer Sicherheit erkennen.
2) Wo er die schwachen Vokale schreibt an Stellen , die den
Ausfall erwarten lassen — und die Erwartung ist in einer Masse
von Fällen berechtigt — ist er seiner Vorlage gefolgt. Ein Schrei-
ber des XI. Jahrh. hatte sicher nicht die Absicht, den Evangelien-
text seiner Vorlage in seinen Dialekt umzusetzen, sondern wollte
ihn wiedergeben, wie er ihn vorfand; wenn sich also ältere Sprach-
formen älterer Denkmäler unverändert bei ihm finden, kann man
Noch einmal t und t in den altkirchenslavischen Denkmälern. 13
daraus an sich, aus seiner Handschrift heraus, niemals schliessen,
dass er sie in seinem Lokaldialckt noch gehabt hat.
3) Dabei besteht noch die Möglichkeit, dass Erscheinungen,
die in der Sav. kn. vorkommen und etwa für eine dialektische
Eigeuthümlichkeit ihres Schreibers gelten könnten, schon in seiner
vielleicht ebenfalls dialektisch gefärbten Vorlage standen und von
ihm so wie sie da standen, abgeschrieben wurden, also für seinen
eigenen Dialekt nichts beweisen.
4) Betrachtet man unbefangen die wirklich vorkommenden
Fälle der Weglassung von Tv, k, so stellt sich folgendes heraus:
In dem Verzeichniss Scepkin's habe ich in runder Zahl 880 Fälle
gezählt (die Beispiele von koah>k;i,o zählt er nicht alle auf, es wird
mit Ausuahme von zwei Fällen immer ohne 'k, k geschrieben), da-
von entfallen in runder Zahl 710 auf 7 Wörter und ihre Formen:
B(k)cbL (omnis) 247, kto 107, lUiHon», 100, mto 95, CTßopHTH 90,
MH-K MHOii^ 49, TTiKiuio 22. Dabei habe ich die Fälle nicht be-
rücksichtigt, wo statt der schwachen Vokale über dem Consonan-
ten "^ steht (z. B. lUi'^Hli ca. 50 mal), weil man nicht wissen kann, ob
der Schreiber nicht aus eigner Absicht oder aus seiner Vorlage das
Abbreviaturzeichen gesetzt hat, gesprochen hat er selbstverständ-
lich in diesen 50 malen so gut nur mh'R wie in den 40, wo er das
Zeichen *^ nicht anwendet. Von den angeführten Wörtern sind die
Formen von kkck, k'kto, yKHor-K, MkTO, iuiiiHIj, M'kHOiif; solche, die
in der täglichen Rede ungemein oft vorkommen, wie sie denn auch in
der einfachen Sprache der Evangelien alle Augenblicke stehen. In
diesen so gewöhnlichen Wörtern gibt der Schreiber seiner Sprach-
gewohnheit nach. Mit CKTKopiTf», einem ebenfalls sehr oft ge-
brauchten Worte, wird es sich nicht anders verhalten, zumal die
Bedeutung des Ck- (mit) hier völlig verblasst und das Wort nur
noch Perfektiv zu tkophth ist. Bei den übrigen ca. 170 Fällen
kann man allerlei Betrachtungen anstellen, warum so und nicht
anders geschrieben wird. Schwankt die Schreibung zwischen Er-
haltung von Tk, k und Weglassung, so wird man in den meisten
Fällen sagen müssen, es ist reiner Zufall, ob der Schreiber etwas
sorgfältiger in der Befolgung der alten Vorlage gewesen ist oder
ob er der Aussprache seiner Zeit folgte. Er schreibt die Formen
von STkAT». 10 mal ohne 'k (k), 10 mal mit ihm, die Formen von
KkpaTH (KT^p-) 18 mal KpaTH, 5 mal kt^path, Formen von ^kHk
14 A. Leskien,
12 mal A"-j 15 mal A"^"- (am häufigsten A^\i-, was hier nicht in
Betracht kommt), von ockatv viermal oca-, dreimal oc'ka- cckA-
u.s.w. Wie können solche Zahlen irgendwelche Bedeutung haben?
Wenn er den schwachen Vokal konsequent weglässt, so kann man
auch da Vermuthungen haben, warum es geschieht. Es wird ge-
schrieben npas^i^HTi, natürlich weil hier überhaupt h nicht aus-
fallen konnte, dagegen beständig (11 mal) npasH'Ki npasHH u.s.w.
npasHHK'k (das S. 123 verzeichnete npdSAHHKd ist ein Druckfehler).
Selbstverständlich hat er in allen Formen, wo dem alten h ein
voller Vokal folgte, das h nicht mehr gesprochen, so entstand aus
npasAH'Ki mit Wegfall des a das npasH'ki u. s. w. Der Fall ist
charakteristisch : der Schreiber lässt in den zahlreichen Adjektiven
auf -KHik den schwachen Vokal {h, unter Umständen 'h) so gut wie
niemals weg, in dem ganzen Denkmal finden sich nur ein paar ver-
einzelte Beispiele; npaskHiü npaskHH u.s.w. konnte er aber nicht
schreibeu, weil das neben npasAi^Hi^ gar keine mögliche Sprach-
form ist, offenbar waren für seine Empfindung npaSHa npasHOif
npasHH u. s. w. die normalen Formen zu npasAi^HTv.. Scepkin
hätte sich eigentlich wundern müssen, dass bei der Vorliebe für
weit hergeholte Analogiebildungen, einer wahren Analogiesucbt,
die er dem Manne zuschreibt, dieser gar nicht darauf verfallen ist,
nach der gewiss naheliegenden Analogie von npasAt^Hiv auch ein-
mal npasA^HTü zu sprechen und zu schreiben. Bei der konsequen-
ten Schreibung ncaTH kann es so liegen, dass der Schreiber in
seinem Dialekt nur RHcarH kannte, das ja früh in den südslavi-
schen Sprachen auftritt und endlich nkcaTH ncaTH ganz verdrängt
hat; fand er nun in seiner Vorlage nkcaTH, das er ncaTH las, und
ncaTH, so konnte er diese ihm ungewöhnliche Form beständig
schreiben, wie er sie las. Auf der andern Seite mochte er beständig
nocKAaTH durchführen, weil er vielleicht statt nocTkaaTH schon
nocAATH (aus nocTAATH) hatte und eine Schreibung nocaaTH =
nocTvAATH daher undeutlich war. Ich gebe auf derlei Vermuthun-
gen weiter nichts, man mag sie annehmen oder verwerfen ; es ist
mir genug, dass aus der Betrachtung des Denkmals für den Dialekt
des Schreibers nichts weiter hervorgehen kann als der oben unter
1) ausgesprochene allgemeine Satz.
Noch einmal t und b in den altkirchenslavischen Denkmälern. 15
II. Der sogenannte Umlaut des i»., k.
In den »Studien über das altslov.-glagol. Zographosev.« hat
Jagic einen eigenthtimlichen Vorgang, die Vertretung von i». durcli
b, von k durch 'k unter bestimmten Bedingungeu, beobachtet und
genau behandelt. Das Resultat kann man, von allen Einzelheiten
und Abweichungen und allen weiteren Fragen, die sich daran
knüpfen, einmal abgesehen, auf die Formel bringen: steht eine
Silbe mit ursprünglichem T\ vor einer Silbe mit weichem Vokal, so
geht Ti in k über; steht eine Silbe mit ursprünglichem k vor einer
Silbe mit hartem Vokal, so geht k in i^ über. Das gleiche Ver-
fahren zeigen auch andere Denkmäler in grösserem oder geringe-
rem Grade, darunter Sav. kn. Dies Denkmal hat Scepkin auch in
Bezug auf den »Umlaut« untersucht (S. 186 — 209); eine Einleitung
dazu bildet der allgemeine Abschnitt »Die Gesetze der Verände-
rung der Halbvokale in den slavischen Sprachen« (S. 169 — 186);
hineinzuziehen ist in die Betrachtung auch das Kapitel »Verände-
rung des Lautes k nach s- und s- Lauten« (in jk h qj jka c 3)
S. 150—169. Die Thatsachen sind nach den Angaben Scepkin's
mit einigen Ergänzungen folgende :
1 . Nach lu n; H jk ^ i|i wird ursprüngliches k im Auslaut wie
in inneren Wortsilben so überwiegend durch Ti vertreten (ca. 270 mal
!>>, ca. 60 mal k, vgl. namentlich LU'kA'^ 101 mal gegen nur vier-
maliges mk^i.'k), dass kein Zweifel sein kann, der Schreiber habe
hier 'k gesprochen. Da es nun hierbei gleichgiltig ist, ob die folgende
Silbe harten oder weichen Vokal hat (z. B. a^i^^t^""*^t^j btsJiutx-
HH^T^, s- S. 150), fallen alle Beispiele, wo altes t», nach m u.s. w. statt
k vor folgender harter Silbe steht, aus der Betrachtung des Umlauts
heraus. Scepkin erklärt S. 156 die Erscheinung aus der Organ-
stelluug bei ä u. s.w., die zur Labialisirung führe; ganz richtig, nur
möchte ich bemerken, dass es sich nach meiner Meinung dann nur
um hartes s u. s. w., nicht um erweichtes 6'' u. s. w. handeln kann.
Doch es kommt mir hier nichts darauf an, die Thatsache genügt.
Anders steht die Sache bei 3 und c. Was 3 betrifft, so kann
unter den S. 153 aufgezählten Fällen das einmal vorkommende ck-
3'k;i,aTH nicht in Betracht kommen, da ja hier t». aus k wegen der
folgenden harten Silbe entstanden sein kann; KAH3'k hat ebenfalls
keine Bedeutung, denn es kann ursprünglich so gelautet haben ;
16 A. Leskien,
ferner wenn viermal k'khas'K, dreimal KT».HA3k, zweimal n-SHASk,
einmal CKkAASiiL geschrieben wird, so kann man solchem Zahlen-
verhältniss nichts entscheidendes entnehmen. Alle andern Bei-
spiele beschränken sich auf Formen von Skp-RTH und von B'k3-,
hs-lm;?»: 35 mal steht Skp'tTH, 8 mal ST^-p-kTH; das spricht doch
nicht gerade für den angenommenen Lautvorgang; von ß'KS-,
H3T».iui;^ werden zwar 19 Beispiele aufgezählt, aber davon haben 7
die betreffende Silbe vor folgender harter Silbe, können also nichts
entscheiden, den verbleibenden Fällen stehen aber andere 10 mit
k gegenüber. Dazu kommen mit h K03kAHL|Jk K03kAA 4 mal,
CKBASkHra (116) 2 mal. Man kann hier doch im Ernst nicht reden
von einem Uebergang des k in t». in Folge der Stellung des k nach
3, und die Erklärung des Vorgangs aus einer Aussprache des 5, z
mit vorgestülpten Lippen ist ein schwacher Nothbehelf, denn wie
will man diese Aussprachsart je nachweisen. Wenn man annimmt,
dass der Schreiber 3p'tTH u. s. w. sprach, so konnte es ihm auch
leicht passiren, dass er bei seiner Gewohnheit, die schwachen Vo-
kale gemäss seiner Vorlage zu schreiben auch wo er sie nicht
sprach, in einer massigen Zahl von Fällen den falschen Vokal
setzte. Noch misslicher steht es mit s (S. 154): Formen von KHC'kp'K
dreimal nur so; Formen und Ableitungen von K'bckH'K zweimal mit
tk, einmal mit k. Formen von ockA'K einmal mit 1%, einmal mit k
(oc'kA'k ist auszuschliessen, weil eine Silbe mit hartem Vokal folgt).
Also alles vereinzelte Beispiele; für mich beweist übrigens das
fünfmalige oca- (ocAa u. s. w. S. 125) klar, dass der Schreiber das
k in den offenen Silben nicht sprach, so dass eine Entgleisung
ockAA statt ockAA gar nichts verwunderliches hat. Uebrig bleibt
noch, dass 6 mal CK^e geschrieben wird gegen 4 mal Ck^c, 12 mal
CK (== o'ÖTog) gegen 27 mal ck, wobei das fünfmalige Cf nicht mit-
gezäblt ist, obwohl das auch nur auf ck beruhen kann. Wenn wirk-
lich eine Neigung bestand, die Silben mit ck- in ct».- umzuwandeln,
warum geschieht es nie in dem IS mal vorkommenden BkCk. Da-
bei ist noch zu bedenken, dass es barer Zufall ist, wenn wir nicht
noch viel mehr ck- finden; die beiden häufigen Adjektiva HCKfCkCKiv
HEBfCkHiv (beinahe 50 mal) werden immer abgekürzt geschrieben:
HECK- HKCH-, aber 56'' steht wirklich einmal im Text HBCkHiviA.
Für mich ist Ck^f nichts weiter als getreue Abschrift älterer Vor-
lage, gesprochen aber vom Schreiber sde und deswegen gelegentlich
Jfoch einmal -h und b in den altkirchcnslavischen Denkmälern. 1 7
auch mit einem ebensowenig gesprochenen "k geschrieben. Nicht
anders steht es mit ck ; derselbe Mann schreibt auf derselben
Seite 148 die Wendung oövög kori dreimal Tcrschieden: ck jct'k,
CK fCT'k, cf ecTTi, und ich kann es nicht im entferntesten für mög-
lich halten, dass er in seiner täglichen Rede alle drei Formen
brauchte.
2. Der Uebergang von k in Tv vor folgender harter
Silbe (S. 200), wobei die Stellung nach in u. s. w. natürlich ausser
Betracht bleiben muss. Ich behaupte, dass sich aus der Ueber-
lieferuDg der Sav. kn. nicht entnehmen lässt, dass der Dialekt des
Schreibers diesen Uebergang gekannt hat. Möglicher Weise hat
er so gesprochen, darauf kommt es hier nicht an, sondern nur
darauf, dass seine Schreibweise das nicht beweisen kann. Da
hier Scepkin keine durchgeführten Listen der in Betracht kommen-
den Fälle gibt, gehe ich von meiner eignen Beobachtung aus:
A. Ich zähle von Beispielen des Suffixes -khi». vor folgender
harter Silbe 92. Was steht mm dem gegenüber? KpkKTkHa einmal,
daneben einmal KpkKHO; k'Kcts.H'ki s'Sc'KHOi'iTRiIJa zweimal, da-
neben einmal K'^ckHoyK»; HCß'tp'h.H'ki zweimal, daneben zweimal
HEB'kpkH'ki und die Formen K'RpkH'k B'KpKH'ki 6 mal: no^OKTvHO
einmal (131b), daneben 7 mal no,\,c>KkH- vor harter Silbe; einmal
npHCKOkB'KHa neben npHC!;pkRkMa und npHCKpkEkH'k; c;?;-
KOT'KfrkJ 5 mal nur so ; i^pKß'kHara einmal. Das sind im ganzen
14 Beispiele, davon alle bis auf die beiden letzten in der Schrei-
bung zwischen 'K und k schwankend.
B. Suffix -kCK'k: 29 Beispiele mit k vor folgender harter Silbe,
denen gegenüber 5 Fälle mit t*.: HCKapHOT'kCK'Ki HCKapHOTT»,-
CKO\'Mov' (daneben zweimal HCKapacTkCKTvi), pov'M'kCK'Ki pHnn^-
CK'KIMH, CTpaYCT'kCKOJTf».
C. Suffix -kCTBO : 29 Beispiele, alle mit k ; die 6 Fälle mit
-'kCTKO haben vorher m oder jk (mhojk'kctko, ßaa^'^iHivCTBO u.a.).
Man wird wohl einräumen, dass die unter A — C besprochenen
Fälle keine Handhabe geben für die Annahme, der Schreiber habe
vor harten Silben t». statt k gesprochen. Aber zugegeben, er habe
es gethan, dann sind die 150 Fälle mit k gegenüber den vereinzel-
ten mitT». Fehler vom Standpunkt des Dialekts, natürlich sind
sie ganz richtig als Abschrift einer älteren Vorlage, die hier überall
k hatte. Es ist wirklich erstaunlich, dass der Schreiber in den
Archiv für slavische Philologie. IXVII. 2
lg • A. Leskien,
häufigen Wörtern auf -kH^k, -kck'k, -h,CTBO so selten in seinen
Dialekt verfallen sein soll. Scepkin ist diese Schwierigkeit nicht
entgangen, aber das Prinzip muss gerettet werden, und er versteht
sie glänzend zu lösen (S. 206): »In der Sav. kn. wird ausser einer
unbedeutenden Zahl von oben erwähnten Fällen das k des Suffixes
-kH- der Verwandlung zu t». in Abhängigkeit von folgender harter
Silbe nicht unterworfen. Es ist die Annahme unumgänglich, dass
im Dialekt der Sav. kn. die ursprüngliche Form des Suffixes im
gegebenen Falle durch Analogie gestützt wurde. Die Fälle, wo das
k des Suffixes -kH- sich zu voller Kürze entwickelte i), sind zu
wenig zahlreich, als dass man annehmen könnte, die Analogie sei
ausschliesslich von ihnen ausgegangen (n. sg. m., g. pl. auf -kHiv);
es bleibt die Annahme, dass die Analogie von solchen Gruppen
ausging, wo die umgebenden Consonanten noch das k des Suffixes
-kH- vor verstärkter Irrationalität bewahrten und damit zugleich
vor der Neigung zu i». vor harter Silbe; so konnten z. B. alle die
Gruppen wirkeu, in denen wir nicht ein einziges mal die Schrei-
bung T^ statt k finden: -KkH-, -AkH-, -HkH-, -CTkH-. Ausserdem
konnte die Sprache bei den Adjektiven auf -kHT». -wha -kno unter
dem Einfluss der Adjektiva und Participia auf -«ht». -HH'k -aH'k
nach Bewahrung einer bestimmten Silbenzahl streben. Oben hatten
wir mehrmals Gelegenheit einzuräumen, dass im Dialekt der Sav.
kn. die verschiedenartigen und verwickelten im Schicksal der Vo-
kale 'k und k beobachtbaren Erscheinungen nicht ausschliesslich
durch die Wirkung von Lautgesetzen erklärt werden können (c u.s.w.
Mir werden diese Leute immer räthselhafter; sie haben die Ten-
denz, vor harten Silben k in 'k zu wandeln, bethätigen sie auch in
bestimmten Fällen (z. B. Ki^paTH, s. u.), aber bei dem Suffix -kHii
lassen sie es nicht dahin kommen, sondern in ihrer ungeheuer
feinen Empfindung für Erhaltung von Gleichmässigkeiten in der
Sprache lassen sie sich bestimmen, dem natürlichen Drange zu
widerstehen, und zwar von mehreren Seiten zugleich. Warum ihnen
nun eigentlich nom.-acc. sg. wie K'SpkH'K roac'KI^h'k u. s. w., die
doch als Satzprädikate in der täglichen Rede recht oft vorkommen
1) Gremeint ist die Entwicklung des »irrationalen« i. an Stellen, wo es
nicht ausfüllen kann, zu normaler Kürze, in welchem Falle es auch in e über-
gehen kann.
Noch einmal x und b in den altkirchenslavischen Denkmälern. l9
mussten, nicht dazu genügten, um auch BtkpbHa u. s. w. festzu-
halten, verstehe ich nicht. Genug, es war ihnen nicht hinreichend,
es müssen noch auf sie wirken Gruppen wie -ki^h-, -akh-, -Hkti-,
-CTkH-, in denen nach Scepkin der Vokal nicht ausfällt. Man
könnte hier noch die Zwischenfrage aufwerfen, woher Scepkin
weiss, dass z. B. in der Lautgruppe -CTkH- das h vor gesteigerter
Irrationalität bewahrt blieb; er kann es ja nur wissen aus dem
Denkmal selbst. Es ist zwar richtig, dass hier k niemals ausfällt,
aber das Niemals bezieht sieh auf die beiden allein vorkommenden
Beispiele pacno^cTkNivi und OKpkCTkHA/Ä. Doch wenn man alle
Fragen, die einem bei Scepkin's Verfahren aufstossen, wirklich
stellen wollte, käme man nie zu Ende, und ich lasse das auf sich
beruhen. Die Wirkung der Gruppen -Kkii- u. s. w. genügt aber auch
noch nicht, die Sprechenden empfinden zu Liebe von Adjektiven oder
Participien wie SfAfH'k, EiXATKüHs,, cecrpHH'k, KOJKaHT»,, ^\1vaaH'K,
fem. stAiHA u. s. w. noch das Bedürfniss, in ß1ipkna u. s. w. zu
K'fepkH'k keine Silbe verloren gehen zu lassen. Ich verstehe nur
nicht, warum sie dieser Silbenerhaltungstrieb abhalten soll, das k
in Tk. vor harter Silbe zu verwandeln, ßljpTkHa u.s.w. hätten ja die
gleiche Silbenzahl, Soweit meine Erfahrung in Sprachen reicht,
ist ein Dialekt, wie ihn Scepkin konstruirt, in Sprachgeschichte und
Sprachpsychologie ein unicum, ich empfehle ihn den Psychologen
ganz besonders.
Bei den Formen von -kCKi». versagt die beliebte Analogie an-
derer Formen. Aber man darf doch nicht annehmen, der Schreiber
habe in den 29 Fällen seine Vorlage abgeschrieben. Hier muss er
vielmehr (S. 203) die oben angeführten Fälle mit t». aus dem Urtext
kopirt haben. Und warum? > Obwohl nur das erste von ihnen (t
(den Beispielen) »den lautlichen Bedingungen des Dialekts der
Sav. kn. widerspricht i), kann man vermuthen, dass sie alle vom
Schreiber übernommen sind in der Form, die sie im Original hatten;
in den Suffixen wurde das stark irrationale k im Dialekt der Sav.
kn. hartnäckig gehalten durch Analogie, und es wäre unl)egreiflich,
warum nur in den angeführten sechs Buchwörtern, die fremde geo-
graphische Namen enthalten, t^ geschrieben wird; natürlicher ht es
anzunehmen, dass der Schreiber diese Wörter eben deswe -cn ohne
1) Gemeint ist epÄaHT>cutn, weil es t statt b vor weicher Silbe hat.
2*
20 A. Leskien,
Veränderung aus seinem Original kopirte, weil es Buch Wörter warem.
Nun will es aber das Unglück, dass doch in einigen Ableitungen von
fremden geographischen Namen k steht: zweimal HCKapHOTkCKid,
je einmal rtpkrecHHbCK'kiA, HasapfTbCKa, H{p^aMkCK;fkH^. Aber
auch dagegen kann der geübte Scharfsinn eine Hilfe finden : »Wir
haben schon Gelegenheit gehabt zu bemerken, dass der Schreiber
der Sav.kn. ein gutes Gehör besass und mit Erfolg die Laute seines
heimischen Dialekts in der Schrift ausdrückte, dass er aber dabei
keine gründliche Kenntniss der Buchsprache besass. Im Worte
ipA'iHkCK'k finden wir Schwanken zwischen 'k und i%, aber in
rfpkPECHHh.CK'K, HasapfTLCKTv nur k« (NB., die Wörter kommen
überhaupt im ganzen Text nur einmal vor), »vielleicht aus dem
Grunde, dass dem Schreiber aus dem Evangelientext die Substan-
tiva HfpA'iH'K, HasapfT'k, d. pl. rep^recHHOMT». gut bekannt sein
mussten, von denen er dann die Adjektiva auf -kCK^k gemäss sei-
nem Dialekt ableitete«. Also das wahrlich im ganzen Osten all-
gemein bekannte Wort phm'k poymtsl (Rom) kannte dieser Mann
nicht, konnte daher auch nicht seinem Dialekt gemäss pHMkCKHk
poYMkCK'K bilden, sondern musste aus seiner Vorlage -TkCKT». ab-
schreiben. Ueber dies Erklärungskunststück mag ich kein Wort
mehr verlieren.
D. Die übrigen in Betracht kommenden Fälle sind einzelne
Wörter: Ki^paTH viermal neben gewöhnlichem cpaTH; c'ks'ka^t'M
einmal neben zweimaligem c^kS^aTH ; ockAT». neben cca- viermal;
Formen und Ableitungen von npaßkA^» vor harter Silbe dreimal
mit 'k, einmal mit k ; Formen von Tkiuia bei folgender harter Silbe
5 mal nur mit t».; B'k/i^OKa B'k^OKH^a 9 mal nur so. Bekanntlich
ist K'kpaTH ß'k,A,OKa die stehende Schreibung auch in andern
Quellen, darunter Zogr., und ich bestreite gar nicht, dass es sich
hier um einen lautlichen Vorgang handelt ; was ich bestreite, ist.
dass aus den paar Fällen irgend ein Schluss auf den Dialekt des
Schreibers der Sav. kn. gezogen werden kann, er kann sie sämmt-
lich aus der älteren Vorlage übernommen haben. Er hat an 11
Stellen Formen von Mk3A<», alle mit zweiter harter Silbe, und
schreibt alle mit k, während im Zogr. ebenso konsequent t». steht ;
da haben wir also die verlangte Form. Aber der Schreiber der
Sav.kn. darf lUikSA^ ßicht aus seiner Quelle haben, sondern (S.202)
»man kann annehmen, dass dank der Consonantengruppe m-zd das
Noch einmal x und b in den altkirchenslavischen Denkmälern. 21
k dieses "Wortes noch nicht zu einem beträchtlichen Grade der
Irrationalität gelangt war und seine Neigung zu i». deswegen nicht
so stark war(f. Bei alledem kommt noch ein Umstand hinzu: es
findet sich 'k statt altem h auch vor folgenden weichen Silben.
Aus dem Text habe ich angemerkt: Formen von ß'KS-, HS-kM;^
(HS'kMST'k U.S.W.) 12 mal mit t*, dazu 3 mal c'kHT4.MHtjie; Formen
von 3kp1vTH 8 mal 3'kp- (oAfS'kpHiJUH u. a.) neben sehr zahlreichen
3kp-; pacJi'KHH einmal neben mehrmaligem pacnkHH; CK^e 6 mal
neben Ck^e 4 mal; T'kiui'k 2 mal neben Tkiui'K einmal; ockaa ein-
mal neben einmal ockAA und zweimal ocaa; npdß'K^'k einmal
neben einmal npaKk^'fe; ß'KCk (omnis) einmal; mviiieHHU,;^ ein-
mal; p'kH'RTa einmal neben pki^'tTa pki^'kT« pku,H 9 mal; OT'kpe
einmal neben OTkpe; HHonAEiuiEH'kHHK'K wacA'fe^^'KHHK'K je ein-
mal; OK'Ku.Ä einmal neben OBki^A 8 mal; MtT'ktp'kMH einmal. Es
mögen vielleicht noch ein paar Einzelheiten dazukommen, die ich
übersehen haben kann, bei der geringen Zahl der Fälle (42) gegen-
über der Menge des vor weichen Silben richtig erhaltenen k kommt
nichts darauf an. Wenn man annimmt, der Schreiber habe überall
vor weichen Silben altes k als solches gesprochen, so sind jene Ti
für seinen Dialekt nichts als Fehler, mögen sie nun aus Nachlässig-
keit entstanden sein oder aus buchstäblichem Abschreiben einer
Vorlage, die an der betreffenden Stelle t». hatte. Die Erklärung
genügt vollkommen, auch Scepkin nimmt sie im ganzen an, aber
ohne Spitzfindigkeiten geht es wieder nicht ab (S. 201); ockaa ist
doch möglicher Weise so gesprochen worden und zwar nach Ana-
logie von oc'kA'k. Der Hergang soll dabei der sein: ockAii hat
sein k in T». verwandelt wegen der folgenden harten Silbe oder der
iabialisirenden Wirkung von c oder aus beiden Ursachen, dann
wird das ocka- übertragen in Formen mit folgender weicher Silbe,
daher ockAA. Ich kann mich eines gewissen Mitleids mit dem
armen Schreiber der Sav. kn. nicht erwehren ; was hat der Mann
mit seiner Sprache für Mühe gehabt, ehe er alles in den richtigen
Schick brachte: ockAA sollte er nach dem Gesetz des Dialekts
eigentlich sprechen, thut das auch wohl, denn er schreibt einmal so,
kann sich aber durch oct^ats. bewegen lassen, auch ockAA zu
sagen, dabei schreibt er zweimal ocaa (dazu ocaa ocah), nichts
hinderte ihn natürlich auch so zu sprechen (ockAA cckAA ocaa
stehen auf derselben Seite 84 neben einander); am Ende muss er
22 A. Leskien,
sich in hoffnungsloser Verlegenheit befunden haben, wie er im
täglichen Leben seinen Esel, falls er einen besass, eigentlich be-
nennen sollte.
3. Wandlung von 'k in b vor folgender weicher
Silbe (S. 186 fg.).
Es handelt sich dabei in der Sav. kn. hauptsächlich um die
ausserordentlich zahlreichen Fälle von ßh- Bk3-, von ßk vor Casus.
Von Fällen des kt», vor Casus mit erster weicher Silbe zählt Scepkin
210 Kk, 155 BT^; von bk- bks- in Zusammensetzungen zähle ich
nach dem Verzeichniss S. 192 (mit Abrechnung von 4 Fällen, wo
Bk- vor harter Silbe steht, z. B. b^ko^chth, und den Beispielen
von BkRHTH und BkH'k, die keine Präposition enthalten) in runder
Zahl 260, von erhaltenem bt».- BTkS- ca. 25 (davon kommen 9 auf
Formen von bt^sath, die andern sind vereinzelt). Ferner wird
beständig geschrieben BkOHTH (rufen; konsequent daneben b'ks'k-
nHTH, davon unten) 12 mal, dazu BknAk zweimal; KkH-b (zu btvH'k)
viermal nur so. Was ausserdem vorkommt, ist in der Schreibung
schwankend oder ganz vereinzelt: Formen von K'k^'feTH mit k
7 mal, mit t». 2 mal; einmal SkA'fe, daneben je einmal s^KAli st^ah:
CKpkrkqjA einmal; ck HHiuik dreimal, Ck icoMik einmal, neben zahl-
losen CK vor Casus und in der Zusammensetzung; dazu CkHkMHiyk
3 mal neben CTvHkiui- 11 mal; AWKkBe AiOBkBH 5 mal (vgl. dazu
HcnAC»;\,'kBH; die Formen von u.pkKTü werden alle abgekürzt ge-
schrieben); einige Male im Participialsuffix -kiu- statt -'kiu- (im
ganzen etwa 10 mal), während sonst in der überaus häufigen Form
Tk festgehalten wird.
Es bedarf keiner Versicherung, dass bei dem oben angegebe-
nen Zahlenverhältniss die Schreibungen Bk, BkS kein Zufall sind,
sondern einen bestimmten Grund haben. Die Frage liegt aber so:
kann man aus den sämmtlichen in Betracht kommenden Fällen, wo
statt T». vor weichen Silben k geschrieben steht, für den Dialekt des
Schreibers schliessen, dass er ganz allgemein so gesprochen hat?
Ich leugne das. Weur mau alle Beispiele weglässt, wo t». vor s z c
k zd steht, also die regelmässige Schreibung a^^u^th npuT-KHa
u. s. w., die Participia auf -'kiu-, weil man hier annehmen könnte,
die Consonanten seien hart gesprochen und daher die Wirkung auf
'k nicht eingetreten, so bleiben doch bei jener allgemeinen An-
nahme eine Anzahl Erscheinungen unaufgeklärt. Es wird beständig
Noch einmal i. und t in den altkirchenslavischen Denkmälern. 23
BkHHTH, dazu ßkriAK (^ K'kfiAk) geschrieben, ebenso beständig
aber B'k3'KnHTn; warum hier denn nicht BT^SkiiHTH oder ßk3k-
nHTH ? Die Berufung auf eine angeblieh labialisirende Wirkung
des 3 nützt, wie schon oben ausgeführt, nichts. Man kommt dabei
doch nothwendig auf den Gedanken, der Unterschied von ßknHTH
und ß'k3'KnHTH beruhe darauf, dass dem letzten das ß fehlt.
Ferner muss man die Frage aufwerfen, wie es komme, dass das
auslautende 'k andrer Präpositionen, Ck K'k, die Wandlung vor
weichen Silben nicht eintreten lässt, die paar Beispiele von ck HHMk
und CkHkiiiHL[Jk können doch nichts beweisen, und ein Kk kommt
gar nicht vor. Nun kommt zwar neben 6 mal K'k/k,« ziweimal Kk^e
vor, das gleichartig gebildete ck^f (mit altem k) erscheint 4 mal so,
6 mal als ct%.j^(. Wenn man in diesem Falle von labialisirender
Wirkung des c reden will, so labialisirt doch k nicht, warum denn
niemals Kk hhhi'k u. dergl.; in derselben Lage ist kt^hmta mit
seinen Ableitungen (über 30 Fälle), es wird aber nur kt^h- ge-
schrieben, ebenso K-kHASk mit Ableitungen (12 mal). Das Präsens
nocKAtäR hat nie k; wenn man hier nicht die allgewaltige Analogie
von nctCKAaTH anrufen will, bleibt das unverständlich. Die 8 For-
men des Präsensstammes ckrh-, die 6 Formen von CKTkHHKiv
und c'kT'feX'T^ sind ebenso hartnäckig in Bewahrung des 'k. Der
6 mal vorkommende Lokativ zu c'KH'k heisst immer c'KH'k; hier
ist ein Vergleich mit ß'kH'K (14 mal) und ßkH'6 (4 mal) lehrreich;
dem ß-kH-k hat die Beziehung zu bt^ht». nicht geholfen sein 'k zu
erhalten, die Sprechenden folgen hier ihrem natürlichen Drange
und sprechen BkH-k; in CKWk halten sie Tv fest, weil sie daneben
CKHik haben? weil ihr c labialisirt? Ich unterlasse es, weitere
V
Einzelheiten anzuführen; erklären kann man sie nach Scepkin's
Grundsätzen alle; man hat ja die Wahl: .buchstäbliches Abschrei-
ben der Vorlage, Analogiebildungen der mannigfachsten Art, la-
bialisirende Consonanten, verschiedene Grade der Irrationalität von
Tk, k, endlich — aber das darf nur im äussersten Nothfall ange-
nommen werden — Schreibfehler oder Nachlässigkeiten.
Wenn ich die Ueberlieferung der Sav.kn. betrachte ohne andre
Quellen hineinzumischen und ohne irgendwo gewonnene Theorien,
so komme ich zu folgendem Resultat: 1. abgesehen zunächst von
Bk, Bk3 können die Fälle der Handschrift von ^k statt k vor harten,
von k statt T», vor weichen Silben nicht beweisen, dass in dem Dialekt
24 -^- Leskien,
des Schreibers so gesprochen wurde. 2, ßb, Bk3 sind gesprochene
Formen gewesen, aber ob der Schreiber der Sav.kn. sie gesprochen
hat oder der Schreiber seiner Vorlage, von dem er sie nur übernom-
men hätte, so sprach, lässt sich aus dem Text der Sav. kn. nicht
ausmachen.
III. T., h am Wortende (S. 224 fg.).
Es gibt bestimmte Formenkategorien, bei denen der Schreiber
zwischen t*. und k am Ende schwankt: instr. sg. (urspr. -Mk): -wk
und -mk; loc. sg. pron. (urspr. -Uh): -mt». und -Mh; dat. pl. (urspr.
-wk): -mtv und -Uh; 1. sg. praes. (urspr. -Mh): -wk und -mk; also
sämmtlich Formen mit ursprünglich auslautendem -mt». oder -Mk,
Dazu kommen einige Fälle der 3. sg. praes. auf -Tk (14 Fälle, da-
runter 4 mit Korrektur des -Tk in -ttv) gegenüber der Unmasse
der Beispiele mit dem gewöhnlichen altkirchenslavischen -tt». der
3. sg.pl. praes. Was bleibt, ist wenig genug, fast lauter vereinzelte
Fälle mit t». für altes k: mpkK'kBT». 3 mal (2 mal i^pkK'kßk), einmal
KTs. H;RTp'k, K'kHAST». 4 mal (K'kHASk 3 mal), dazu einmal R'Khas'k
(n'SHASk 2 mal), je einmal bt». ht^. Ha ht». (dagegen Hk = Hk
15 mal), einmal luiaTepT^ (MaTfpk 3 mal). Diese Zahlenverhältnisse
sind zu gar nichts verwendbar, ebensowenig die Zufälligkeit, dass
einmal EAacTT». (gegen 14 mal BAacTk), einmal B'ScT'k neben ein-
mal B'tCTk geschrieben ist, da die alten «-Stämme im ganzen Denk-
mal, wo nicht 6' z U.S.W, vorangeht (Hoqi'k) das k konsequent fest-
halten (rocnoA«*, n;RTk, nAi^Tk, MACTk, ;i,kHk u.s.w., z. Th. sehr
oft vorkommende Wörter). Die fast regelmässige Schreibung H'k-
capT». (17 mal neben viermaligem u.'tcapk) erklärt sich aus der
Verhärtung des p, vgl. gen. n'Kcapa, gen. c;fknkpa zu c;^nkpk;
sonst halten die alten jo-Stämme, wo nicht s z u. s. w. in Betracht
kommt (m;^^;!*, HaiUT») das k konsequent fest: OTki^k ^-feaaTfAk
V
u. s. f. Scepkin zählt dann S. 229 noch die Fälle auf, in denen am
Ende k für t», steht; es sind abgesehen von den biblischen Eigen-
namen (nerpk neben njTp'k, Hasape^k u. dergl.) ein paar verein-
zelte Beispiele, so dass das zufällig nur einmal in der unbestimmten
Form vorkommende A'^kP'i^ als A^^^Pi^ erscheint, einmal ca"M*»
(34 mal mit i^) u. a. d. A., alles ganz gleichgiltige Fehler, die der
Schreiber, wenn er gerade Acht gegeben hätte, ebenso gut hätte
korrigiren können, wie er z. B. OT'kB'SiiJaBk in -ei%. verbessert hat.
Auch die Beispiele von -Tk neben -tt^ sind für mich irrelevant.
Noch einmal i. und l in den altkirchenslavischen Denkmälern. 25
Man kann sehr wohl annehmen, dass das Slavische in der 3. sg.pl.
praes. zwei Formen hatte, auf -n"k und auf -Tk, und diese Doppel-
heit verschieden erklären, aber aus den wenigen Beispielen von
-Tb in der Sav. kn. kann man die Existenz dieser Form für den
Schreiber nicht ableiten. Gerade dass er mehrmals ein schon ge-
schriebenes -Tk in -T'k verbessert, spricht dafür, dass die andern
paar Fälle ibm nur aus Versehen entschlüpft sind.
Die ganze Frage beschränkt sich also auf die Formen mit der
Endsilbe -mt». oder -Mk. Auffallend selten erscheint der dat. pl.
statt des ursprünglichen -M'k mit -Mk; aufgezählt werden (S. 227)
1 0 Fälle gegenüber der grossen Masse von richtigem -mi'k ; auch diese
verlieren alle Bedeutung, wenn man sieht, dass der Schreiber in
ebenso viel Fällen ein geschriebenes -JJik in -wk korrigirt hat. Die
1. pl. auf -WK schreibt er (nach S. 228) bei den wi- Verben einmal
-Mk (ecMk) gegen 12 mal -M'k (ßlvM'k, hlum'k), bei allen andern
Verben einmal npliM^-feMk 138 (in einem Falle ist die Lesung un-
sicher), sonst in den sehr zahlreichen Fällen nur -wk. Von einer
Vertretung des -wk durch -Mk kann also nicht die Rede sein; was
wirklich in Betracht kommt, ist nur die Ersetzung von -Mk durch
-M'K im instr. sg. und im loc. sg. pron., ferner die 1. sg. praes.
Von -M'k statt -Mk in den Casusendungen zählt Scepkin (S. 230)
122 gegen 225 mit altem -Mk; S. 228 stehen von der 1. sg. pr. mit
-Mk 67, mit -M'k 14 Fälle; zählt man alles zusammen, so ergeben
sich 136 -M'K, 292 -Mk. Die sehr zahlreichen Fälle des -M'K statt
-MK sprechen dafür, dass dem Schreiber der Sav.kn. das -M'K eine
normale Form war, die er überall hätte schreiben können, jedoch
nur in einer Minderzahl von Fällen, aber in einer absolut genommen
hohen Zahl, wirklich geschrieben hat, während er in der Mehrzahl
das -Mk seiner Vorlage abschrieb. Das -M'K kann an sich ver-
schieden gefasst werden. Falls die schwachen Vokale am Ende
überhaupt nicht mehr gesprochen wurden, war es gleichgiltig, ob
er -M'K oder -mk schrieb. Die konsequente Bewahrung des -k im
nom. acc. der i-Stämme lässt sich dagegen nicht geltend machen,
denn da handelt es sich um eine bestimmte Wortkategorie, bei der
auch einen Schreiber, der im täglichen Leben z. B. vlast statt
ßAacTK sprach, das grammatische Bewusstsein, die aus der Schrift-
sprache entnommene Erfahrung, dass zu den Casusformen auf -h,
-ki^ -HHR, -kMHk u. s. w. ein Nom. -Acc. auf -k gehört, dazu führen
26 A. Leskien,
konnte, regelmässig diese Formen mit k zu schreiben (vgl. Supr.).
Die Casusformen auf -Uh, 1. sg. pr. -OK stehen aber ausserhalb
aller solcher Beziehungen. Nimmt man dagegen an, die "k, k am
Ende seien noch gesprochen worden, so muss man schliessen, -mk
sei aus irgend einer Ursache in -M'k übergegangen. Möge man das
nun erklären können oder nicht, die Thatsache wäre da. Das ist
V
aber Scepkin viel zu einfach; S. 231 fg. werden über das Schwan-
ken von -mt». und -Mb merkwürdige Ansichten vorgetragen. Aus-
gegangen wird von dem Satze: weil wir wissen, »mit welcher
Konsequenz der Schreiber der Sav. kn. seine dialektische Redaktion
dem abgeschriebenen Text aufgelegt hat, müssen wir einräumen,
dass beide Endungen, -wk und -mk, in seiner Sprechweise gehört
wurden«. Wenn also beides da war, muss diese Sonderbarkeit er-
klärt werden. Den Ausgangspunkt bildet die Annahme: »lautlich
konnte die Variante -M'k nur im Instrumental entstehen« i). Der
Instrumental muss demnach die Analogie abgegeben haben für die
sonstige, nicht lautliche, Umbildung von -Uh. zu -yk. Nun be-
obachtet Scepkin, dass -mt». im loc. sg. pron. sehr selten ist (S.227):
7 Beispiele (davon. 5 vom Pronomen, 2 vom bestimmten Adjektiv)
mit -lUiTv gegen 115 -mk (96 vom Pronomen, 19 vom best. Adj.).
Hören wir den Grund: offenbar unterlag dieser Casus »fast nicht
oder gar nicht der Analogie von Seiten des Instrumentals«, man
müsse voraussetzen, die wenigen Formen mit -wk seien vom Schrei-
ber mechanisch aus seiner Vorlage übernommen. Nun will es aber
das Schicksal, dass auch im Instrumental der Pronomina (auf
altes -Mk), wo man doch entschieden die Wirkung der Analogie des
nominalen Instrumentals erwarten müsste, da die Formen ja auch
in der Bedeutung ganz gleich sind, das -wk selten ist: nach S. 226
vom eigentlichen Pronomen 10 Beispiele mit -wk gegen 51 mit-MK.
Darüber heisst es: »das führt auf die Annahme, auch hierher seien
sie« (die -mtv) »nur durch Analogie aus der Nominaldeklination
verschleppt« (^xo h ciOAa oni saneceHii jehuii. anajiorien nst nMen-
Horo cKJioHeHiH). Ich verstehe das so: die dem Dialekt normale
Form des instr. pron. war -mk; wo von dem Schreiber -li'k gesetzt
1) Mit Beziehung auf Fortunatov, JIcKuiu no *0HeTHKi ciapocjaBaHCKaro
K3MKa S. 212. Da diese Vorlesungen, so viel ich weiss, nicht gedruckt sind,
kann ich Fortunatov's Begründung nicht kennen ; selbst kann ich keine Ur-
sache finden, warum -mi. gerade im Instr. entstehen inusste.
Noch einmal t und i. in den altkirchenslavischen Denkmälern. 27
ist, kam ihm durch seine Gewohnheit die nominale Form mit -mtv
zu schreiben, dies auch beim Pronomen einigemale in die Feder ;
oder meint Scepkin, die gewöhnliche Sprechweise sei hier -mk ge-
wesen, gelegentlich habe der Schreiber aber nach Analogie des
nominalen Instrumentals auch einmal -wk gesprochen ? Einerlei,
jedenfalls meint er, dass -Mk im instr. sg. pron. zu den gesproche-
nen Formen gehört. Das wird weiter noch folgendermassen begrün-
det: »Man muss seine Aufmerksamkeit darauf richten, dass in der
Deklination der Pronomina -iuik in beiden Casus ohne die Variante
-WK in den Fällen erscheint, wo die Formen aus der Verbindung
mit den übrigen Casusformen ausgeschieden waren, nämlich in den
adverbiellen Ausdrücken tIvMkikj und noToyk . . . offenbar wur-
den T-kiuikJKf und noTOMk in der Sprache nicht mehr empfunden
in der Eigenschaft von Casusformen, sondern ausser Verbindung
mit ihnen in der Eigenschaft von unveränderlichen Wörtern 'c. Es
ist mir ganz räthselhaft, was eigentlich damit begründet werden
soll. Zugegeben, T'feiuik>Ke, noTOiuik hätten selbständiges Leben
gewonnen und T'KuwA^t sei dadurch vor der Wirkung des -iuitv im
Instrumental der Nomina bewahrt geblieben, so hätten doch um so
eher die nicht adverbiell gewordenen Instrumentale wie Hiuik HHMk
(so kommt es 27 mal vor gegen 4 mal hmt». HHiui'k) dem Zuge nach-
geben können; sie thun es hartnäckiger Weise nicht. Wir sind
aber mit den Schwierigkeiten noch lange nicht zu Ende. Der loc.
sg. der bestimmten Deklination des Adjektivs hat 19 mal -Mk, nur
zweimal -mt*; das ist einfach: »der Lokativ der zusammengesetz-
ten Adjektiva hängt in der Verwendung der Endung -Mk vollständig
vom Lokativ der Pronomina ab«. Schön, wir haben aber gesehen,
dass auch der Instrumental der Pronomina sich von der Analogie
des nominalen Instrumentals auf -MT». nicht bezwingen lässt, also
— sollte man denken — verhält sich so auch das bestimmte Ad-
jektiv. Durchaus nicht, sondern die S. 226 gegebenen Beispiele (14)
haben alle -mt*, mit -Mk kommt keins vor. Auch dafür muss ein
Grund gefunden werden, und er findet sich (S. 232): »der Instru-
mental der zusammengesetzten Adjektiva dagegen unterwirft sich
der Analogie der Nominaldeklination, d. h. die Endung -mt». im
Instr. sg. A^^^p-kiHMT». A'^Ep'kiMT». u. s. w. verbreitete sich nach
Analogie der nominalen Form derselben Worte, a^^eP^^i^t*; ^uf die
gleiche Weise übten die Formen KfAHfMT». rAdroA;RijjfM'k ihren
28 A. Leskien,
Einfluss auf Hfri\c;^i4JHü'K rAtirc»A;i^niHLn»,(f. Wem bei diesem
Hin und Her von Analogiebildungen der Atem noch nicht ausge-
gangen ist, verliert ihn vielleicht, wenn die letzte kommt. Scepkin
beobachtet, dass bei den harten o-Stämmen der Instr. sg. in 70
Fällen -om'k, in 18 -ouk hat, dass dagegen bei den weichen o-
Stämmen und den «'-Stämmen das Verhältniss ein sehr anderes ist :
22 mal -iWK -bMiv, 42 mal -tMk -h.Mi^. Was die Trennung der
beiden Kategorien eigentlich für einen Sinn hat, ist mir verborgen.
V
Genug, Scepkin trennt sie, und da nun der Schreiber bei den wei-
chen Stämmen vorwiegend -uk schreibt, muss er auch so ge-
sprochen haben — nach Scepkin's Grundsätzen. Ich hätte nicht
geglaubt, dass menschlicher Scharfsinn für diese Absonderlichkeit
einen sprachlichen Grund finden könnte, aber zu meinem Er-
staunen findet Scepkin einen : » das starke Vorherrschen der Endung
-eyk über -cmtv in der Nominaldeklination kann erklärt werden
durch Einfluss des Lokativs auf-SMk (pronominale Deklination) (f.
Begreifen kann ich das nicht, aber ich verstehe jetzt, was es heisst,
ein Prinzip zu Tode reiten.
Bleibt endlich noch die 1. sg. praes. auf -Mk, -mt»,. Hören wir
auch da Scepkin selbst (S. 233): »In der 1. sg. und pl. der zweiten
Conjugation sind keine Fälle einer Korrektur von -fJk in -MTk vor-
handen. Oifenbar existirten beide Lautformen gleichzeitig im Dia-
lekt der Sav.kn. Auf Bl. 40'' ist das Schluss-k des Wortes KMk auf
einer Kasur geschrieben; wenn mau voraussetzen darf, dass die
Kasur gerade t». löschte, so kann man einen Schluss aus dieser
Thatsache nur machen für das Verbum tCMk (fCMk H'KcLik 56 mal,
tCMTv einmal; andre Verba -ink 11 mal, -mtv 13 mal), in dem der
Wechsel der Endungen -mt». und-Mk im allgemeinen beträchtlich
schwächer ist als bei den Verben ;i,dMk, raiuk, HMaMk«. Wer es
für möglich hält, dass der Schreiber in seinem Dialekt sowohl -Mk
wie -MTs. hatte, wird sich vielleicht höchlich wundern, dass der Mann
bald A^<^i^; B'KMk, HMar.ik, bald ^aM^k, B'bM'k, HMdM'k sprach (bei
HMaMk ist er fast unDarteiisch : 6 mal -ük, 5 mal -mts.), dagegen
dem so sehr häufigen scMk liebevoll sein altes -k belässt.
Man spricht in Deutschland seit mehreren Jahren viel vom
V ^
papiernen Stil. An den Ausdruck werde ich bei Scepkin's Buch
lebhaft erinnert; das ist papierne Sprachforschung und ihr Resultat
ist ein papiernes; eine solche wirklich von Menschen geredete
Noch einmal i. und i. in den altkirchenslavischen Denkmälern. 29
Sprache hat es nie gegeben und kann es nicht geben. Scepkin ver-
kennt die Lage eines altbulgarischen Schreibers des XI. Jahrh.
völlig. Gegeben war ihm ein Text, der, mag er auch schon allerlei
Abweichungen von seiner Grundlage, dem Evangelientext der Zeit
Konstantins und Methods, gehabt haben, jedenfalls auf der zu
deren Zeit festgelegten Schriftsprache beruhte. Diese vor Ablauf
des IX. Jahrh. geschatfene Schriftsprache ist für alle Schreibenden
die Literatursprache gewesen. Sie mochten sie vollkommner oder
unvollkommner handhaben, dialektische Eigenthiimlichkeiten und
Formen ihrer Zeit einfliessen lassen, aber dass es ihnen einfallen
konnte, ihre Vorlagen in einen nicht literarisch fixirten Lokaldialekt
mit bewusster Absicht umzusetzen, ist ganz ausgeschlossen. Wenn
sie aber in einer überkommenen Schriftsprache schrieben, so war
ihre Schreibweise, wie sie auch im täglichen Leben gesprochen
haben mögen, in hohem Grade konventionell, wie das in jeder
Schriftsprache der Welt so ist. Und wie in jeder Schriftsprache der
Welt setzen sich auch gewisse grammatische Normen fest, nach
denen die Schreiber sich richten, auch wenn etwa ihr eigner Dialekt
sie nicht ohne weiteres ergibt, wie ich schon oben beispielsweise
auf die konsequente Bewahrung des k im Auslaut des nom.-acc.
der «-Stämme hingewiesen habe. Keine Beurtheilung handschrift-
licher Ueberlieferung kann ohne diese und andre philologische
Betrachtungen auskommen. Wer die nicht anstellt, nichts oder fast
nichts Konventionelles anerkennt, muss dann freilich beliebige Vor-
kommnisse in einer beliebigen Handschrift alle oder fast alle für
sprachliche Realitäten aus Zeit und Dialekt des Schreibers halten
und wohl oder übel die Aufgabe lösen, alle Sonderbarkeiten und
Widersprüche als normale sprachliche Entwicklungen zu erklären.
Und man kann das auch, wenn man unbedenklich aus der grossen
Rüstkammer abstrakter Möglichkeiten bald die eine , bald die
andre, bald die dritte und vierte beliebig herausgreift und auf den
einzelnen Fall anwendet, ohne jede Rücksicht auf Folgerichtigkeit
und auf die Erfahruog einer nicht papiernen Sprachforschung, dass
keine lebendige Sprache der Welt je so verfahren ist und verfährt.
Noch eins muss ich hinzufügen: auf die Ausführungen Scep-
kiu's über das Verhältniss neubulgarischer Mundarten zu dem von
ihm angenommenen Dialekt der Sav. kn. bin ich nicht eingegangen.
Er spricht sich darüber auch in BB 26, 165 aus, in einer Wider-
30 A. Leskien,
legung von Vondräk's Anzeige seines Buelies im Arcbiv XXII:
»Mein Buch hat eine einheitliche wissenschaftliche Aufgabe, welche
Vondrak gänzlich verschweigt: an der Hand einer Sprachqiielle,
welche mit grösster Klarheit eine lebende altslovenische Mundart
des XI. Jahrh. zumfAusdruck bringt, unternahm ich einen histori-
schen Vergleich des Altslovenischen mit den heutigen Mundarten
des Bulgarischen, um auf Grund der gewonnenen Thatsachen den
Verwandtschaftsgrad beider Sprachen festzusetzen« (es folgt dann
eine kurze Angabe des gewonnenen Kesultats). Diese Tendenz des
Buches liegt auf der Hand, allein ich meine, es handelt sich bei
Scepkin's Buche doch nicht um eine einheitliche wissenschaftliche
Aufgabe, sondern um zwei verschiedene Dinge. Das eine ist die
Aufsuchung von Kennzeichen und Spuren altbulgarischer Dialekte
in der altbulgarischen Ueberlieferung und deren Vergleich mit den
heutigen Mundarten. Ich lasse es dahingestellt, ob bei dem jetzigen
Stande der bulgarischen Dialektologie eine solche Vergleichung zu
einigerraassen sichern Resultaten führen kann. Jedenfalls ist es
sehr dankenswerth, solche Untersuchungen anzustellen, und ich
bin weit entfernt, gegen Arbeiten dieser Art ein prinzipielles Be-
denken zu haben und das Verdienst Scepkin's in dieser Beziehung
zu verkennen. Etwas ganz anderes aber ist es, aus einer bestimm-
ten Handschrift heraus, hier aus der Sav. kn., einen gerade so, wie
es da geschrieben steht, gesprochenen Dialekt erweisen zu wollen.
Diese Aufgabe hat nichts zu thun mit irgend einem Verhältniss zu
irgend welchen neubulgarischen Mundarten, sondern muss allein
aus der Handschrift selbst gelöst werden. Gegen die Methode, die
Scepkin dabei anwendet, musste ich mich aussprechen, weil ich der
Ueberzeugung bin, dass sie auf Irrwegen geht und in die Irre führt.
IL Das Euchologiam Sinai ticum. i)
Die Behandlung des t». und h. ist hier viel einfacher und klarer
als im Savaevangelium. Ich gebe zunächst die Thatsachen. Wenn
Geitler's Ausgabe zuverlässig ist, lassen sich folgende Erschei-
nungen beobachten.
1) Ich kann leider auf die Abhandlung von Prok. Lang, Jazykovedecky
rozbor Euchologia sinajskeho (Programm des Gymnasiums in Pribram lSS8f.),
nicht Rücksicht nehmen, da mir nur die Theile, die die Formenlehre behan-
deln, bekannt geworden sind.
Noch einmal t> und l in den altkirchenslavischen Denkmälern. 31
1. Die gänzli che Weglassung- von 'k, k beschränkt sich
auf das häufige MHor^K, daneben furKHonv m'hop'k m'hojk'ctko
und dergl. ; eine Aufzählung aller Fälle ist unnütz, denn es ist doch
nur ein Zufall, ob ein paar mal mehr oder weniger niHorTv oder
M'Hon». -oder iH'kHor'K geschrieben steht; ferner auf Formen von
BkCK (omnis), sehr selten ausgeschrieben, z. B. kkcKkokr, ge-
wöhnlich b'c- (auch K'ck), einige mal ohne alles Zeichen, z. B.
KCfro u. dergl., die Aufzählung hat auch keinen Werth. Wie ß'c-
steht auch fast regelmässig k'tc» m'to (neben k'Kto mkto). Alles
andere sind vereinzelte Beispiele, einige mal fehlt der Vokal beim
Suffix -kH-, KTsJmHHH\'T»., BUUJHHHMk, HerK>CT'lvl,V,HOMk, KfSa-
KOHHOV'ü^wipHH 74b (in ähnlichen Fällen steht sonst ', z. B. nenpU-
CTaH'HO, hcthh'hov'Moy, HfnopoM'HC»); AHM) und js,nh., dies selbst-
verständlich nur abgekürzte Schreibung, vgl. a'h"^ 73 b; KC»Hi;a, vgl.
KC>H'u,a 64a, np-KHua 82a, mhUth 20b, HfSAOBHt 97a, vereinzelt
-'AiA,c> (neben -jk'ka«^); r'ccah 30, BCfAfHidiA 10a; bk bt», wird
immer ausgeschrieben, vereinzelt erscheint b' cf/\t:\"k 64 b, b' cfKü
67a, vgl. k' TOLioy 51b; öfter iuih'K, mnoi?^ und die der Quelle
eigeuthümliche Genitivform mh« (neben m'h«). Rechnet man die
Fälle, in denen das Zeichen ' steht, ab, so bleibt sehr wenig übrig
und die Handschrift ist also in diesem Punkte recht alterthümlich,
so fehlt in K-KpaTH, ni^paTH, ST^.^aTH, S'KBaTM, n^HaTH, kk-
A'feTH, si^ptiTH u. ä. nie das nk, k.
2. 'K, h nach m m; h m jk^- Es ist eine bemerkenswerthe
Eigenthümlichkeit der Handschrift, dass sie nach h ijj >ka das alte
k unverändert bestehen lässt: von ^h nach m finde ich nur das eine
Beispiel naaMi^ 106b (neben mehrmaligem naank), sonst im Aus-
und Inlaut nur k, gezählt habe ich gegen 100 Fälle, z. B. im Auslaut
HAaMk, KAHHk, M6Mk, HAOßliHk, im lulaut Immer MkTO, so auch die
zum Präs. MkT;*^ gehörigen Formen, so saMkH;*^, immer BlinkHiv,
BkcfeHkCKTvi u. s. w. Hervorzuheben ist dabei, dass der Vokal der
folgenden Silbe gleichgiltig ist, k steht sowohl vor folgender wei-
cher wie vor harter Silbe, vgl. cp'KAi*MkH'feH,pa3aHMkH'R, HCTOMk-
HHKTv mit Cp'KAf^l^HOf, MAOB'fcMkCTBC», pa3i\HHkH0, p;S^MkH'klbÄ.
Nach HJ ist mir ein is. überhaupt nicht begegnet, es heisst c;Ri|jk-
CTBO nfi|jk Hoqjk H0i|JkH;i^t7^. OKpaqjk oyKponikUjeM'K u. s. w.
Ebenso gut kann man sagen, dass Tv auch nach jk^ nicht steht,
denn die beiden Fälle poH^^T^uja 32 b, B«CTO\^;KAT^nc>f 69a müssen
32 A. Leskien,
der Masse der übrigen gegenüber als Versehen gelten, es steht
sonst immer k, z. B. KH;K4,k, OYTBp'K:K;i,k, pojka^^ctko poJKA'*-
CTH'K, H;^JK4,h,H0, 3aGA;f»JKAkLuaaro u.s.w., eine Silbe mit folgen-
dem harten Vokal übt gar keinen Einfluss. Nach u, bleibt eben-
falls k, der Fall ist nur vereinzelt vorhanden, oi^hTa (gen. sg.)
42b, oi^KTCFiik 50b; die häufigen Formen von OTku,k werden
abgekürzt geschrieben.
Anders steht die Sache bei m, jk. Im Auslaut habe ich ein-
mal nach ui ein k notirt, UTvimk, sonst steht nur i\, z. B. immer in
dem ca. 80 mal vorkommenden Haiu'k, ausserdem in mehr ver-
einzelten Fällen : gen. pl. ^k.ovui'K (6 mal), B'kKovm'k, oyKpam'k,
CkKpo^iu'k, OTTi.Kp'kr'km'k; im Inlaut steht in einer geringen
Zahl voü Fällen (gezählt habe ich 12) -uik-, z. B. rp-kiukHaaro.
KTiKormkUJe, MkHHmkCKaaro, uikCTBOKaTH 33b, 34a (darüber
s. u.), dagegen in über 70 Beispielen -iut^- und zwar, was wichtig,
ebensogut vor folgender weicher wie vor harter Silbe, vgl. z. B.
K'kim'kH'k'K, rp'bui'kHHH rp'SiU'kHHK'k rp'Kiu'kH'K, nocaoyuu'k-
AHRT»., CTpauu'k.H'KMk, M'kiLU'ki^Eti^, Hcnpouj'kiiu, pa.s^pOYm'k-
mHiyi\ — rp-Rm-kHOiT^, CTpaiu'kH'ki\"k, Epam'kHO, UkHurniv-
CKTvi, c'krp'Sm'kuja. Man kann also ohne weiteres aussprechen,
dass Ts. nach m das normale ist. Etwas schwankender ist die
Sache bei >k: im Auslaut finde ich nur -'a^k, z. B. Fui;^»;k,
-AOJKk, oij'MTkHon^k, nocAOY^Kk, derartige Worte sind überhaupt
nicht häufig; im Inlaut habe ich 26 Fälle mit ->Kk- verzeichnet,
z. B. »ctJKkK;^^*;, K'ksrJio^KkHO, M;^2KkCKa, noAOJKkma, nojKk-
HKfiT'k U.S.W., dagegen ca. 40 Fälle mit -jkt».- und zwar in einigen
Wörtern ganz oder fast durchgehend, so in -jkt^^o, caov^jK'kEa,
M;RHi'kCTC, vgl. ferner TA^K'kKO, ßpaiKT^^a, nocTHHi'kHa, npH-
AfJK'kHo, ß'kSMOiK'kKO, AA'kJK'kH;^!?^ ; der Vokal der folgenden
Silbe ist auch hier ohne Belang, vgl. MH^K'kHHHMH (daneben 2b
HH^KkH'ba), nOJK'kp'RTf, KTvHHJK'kHHK'k, ;fw>K'kHHK'k, T/ft>K'kllJ/ftkÄ,
caov'/K'kS'S. Man wird nicht zweifeln dürfen, dass jk dem m ganz
parallel läuft, dass auch hier t^ die eigentliche Norm ist.
3. Der Umlaut. A. Die Vertretung von k durch Tv bei
folgender harter Silbe ist ungemein regelmässig durchgebildet.
Von Beispielen des Suffixes -kH- vor harter Silbe habe ich 350
-ivH-, 70 -kH- angemerkt. Dass hier der Prozentsatz des -kH-
ziemlich gross ist, liegt natürlich in der ausserordentlichen Häufig-
Noch eiumal i. und i. in den altkirchenslavischen Denkmälern. 33
keit dieser Bildungen. Es wäre ganz unnütz, nach besonderen
Consonantengruppeu zu fahnden, die etwa altes h gestützt hätten,
gegenüber andern, die der Wandlung kein Hinderniss bereiteten,
denn es kommen alle möglichen Verbindungen und Silbengestalten
vor; ich führe von jeder Art ein paar Beispiele an, die Hunderte
von Fällen alle aufzuzählen, wäre ganz müssig; k — h: ro^oktiHO
AOK'KHOi npHCKpiiKTvHa noTp'kKTvHO L^'kAfK'kHaarc»; B — h: faa-
BTiHO ^».p'k/KaB'kHOI* npOTHET^HaarO ^•^VV*^^''*^"'^ LtpivKOBIv-
HioMb, vgl. vi.oifY^^ß'^"'»^'^'* ^pKBkHaa; a — ^'- ctvH'S^i.'kho
ep'SAT»^"'* o^roAikHO Ka;R;i,'kHa nQAß(ji,'KHis. boat^htj, vgl.
BOAi^H'Ki CBOBO;\,i^naa; AP — ^- KfAPT»^n<>) vgl. f/k,"M*5'^^APi^HC»:
3 — h: OBpasTiHO rpc»3TkH0f, vgl. noAfSkH'Ki; 3A — h: npasAT»^-
H0\"f*T1».; A H: CHAlvHC KaAH/\'kH;«;>il^ B£3HaH/ftA1vH'Kl (im
ganzen 8 Fälle), dagegen häufiger -ak- (im ganzen 19 mal), Formen
von BOAkHK (1 mal), BOAh,HT». (4 mal), BE3HaHMAbH'K (6 mal), J!l,C>-
KpOA'feTfAkH'K (1 mal), C'KA'liTfAkH'K (1 mal), H3BaBHTEAkH'K
ncMAAkH'K (2 mal), coAkH^k cEAkH'k pa3A't:AkH'k ncndB-tAkH-k
C'knp'kcTOAkH'k (je 1 mal) ; auf das Verhalten nach a komme ich
unten zurück; m — h: 3EM'kHa pa30YMT»,H0 TtU'kHa, vgl. 3fMk-
HTüYlv paSOYMkHTvl TflUkHIüMk; H — H: HCTHHT4.H'kl OrH^kHa
CTpaH-kHTvI CKBp'KH'kH'kl Bp'SM«H'kH;Rlili nOBHHT».H;S\ HEH3ApC-
MfH'kHOlTR, Vgl. OrHkHOMk np'^KAOHkH'kl BOA'bSHkHlvI ; R — H:
Kcyni^HO npHCT;Rn'kH;R, vgl. BoroA'KnkHOE; p — h: B'Rp'kH'ki
sascp'KHO H«AHU,fiii'Sp'KH;i; u. SO oft, Beispiele mit -pk- scheinen
zu fehlen, doch vgl. fAHM<>*J'*AP'^H'5; c — a: ckMucA'kHC» beijjh-
CAliHOE, vgl. CkM'klCAkHO HEHl|JHCAkH;^i;i;; C — H: HCBEC11.H0C,
T'KAfC'kH'kl CACBfCKHOt KBaCkHOE KpaCTvHO; CT H: MtCTTiHO
u. andere Formen des sehr häufigen Wortes, KpcT'kHoe, vgl. obaa-
CTkHC H3BlvCTkH0 M/ÄCTkHaa ; CTB — H: BO/Kf CTB-kHOf BOH^C-
CTBTvH'kl, Vgl. BO/KfCTBkNIÜ pOJKA« «^TBkHOlJR ; T H: paBOTliHaa
KeC'kyp'kT'kH'kl COyjT'kHaa RA'kT'kHa JKHBOT'KH'kl, vgl. BAa-
rOA'KTkH'kl RAkTkNUMk; TB — H: MOAHTB'KHTvI.
Von Suffix -kCK- kommen 35 Beispiele als -t»,ck-, 6 als -kCK-
vor, z. B. at^A'KCK;^i7R HAOA'kCKaro co^OM-kCKiü H^EH-kCKa mo-
P'kCKCe HAkT-kCKaarO U. S. W., vgl. AWAkCKIvIbÄ AlOAl^CKTklYT».
rocnoA'«^CKo\f BAHkcKaaro n;RTkCKOYLic»Y HEnpHra3HkCK'kibft. Die
consonantischen Verhältnisse vor dem -kCK- sind auch hier gleich-
giltig.
Archiv für slavische Philologie. XSVII 3
34 A. Leskien,
Vom Suffix -KCTßO 25 Beispiele mit 'k, 7 mit k, jene bei allen
verschiedenen Lautverbindungen, z. B. a'^b'^^tbo M;ft/i,p'KCTKO-
BdTH np'liSOp'kCTBO fCTT^CTKO RpdTpivCTßO RA'tH'KCTBO JKfH'K-
CTKO u. S.W., demgegenüber KaAkcrßO (2 mal), roYKHTfAbCTBO
poAHTfAkCTKo (2 mal), 3aB'k;k,'KT«AiiCTKoy6T'K, diese 6 Beispiele
also alle mit -Ah-, dazu noch ein anderes: po^kCTBC» (10b).
Von anderen Suffixen mit k: immer CB'kT'kA-, CB'kA'kAO
cB'kT'KAOCTK u. s. w. (12 mal); immer npaB'kA** npaB'kA^TH
(18 mal); tat'kb'ki (2 mal); cbatt^ba (2 mal; daneben i^'kAkKd
H'^Ah.KIf^).
Wurzelsilben mit altem k. Die Verba, deren Infinitiv-
stamm ursprünglich -kpa- enthält, haben immer -'Kpa-: K'kpaTH
(17 mal); pasAT^P'» (1 mal); m^paTH (3 mal); statt 3k;i,aTH immer
ST^A^TH (9 mal); dazu noch vereinzelte Fälle: B'kS'KMaTH katv-
H;^L|j/f^hfi 89b, sanAT^BaiUA (vgl. aber sanAkBauü/tv 50a, HSKAk-
BAA^k, EAkBOTHHTü). Nomina: immer TT^ua (12 mal), MivSA^
(3 mal), so auch m^coy n'KCOM'k (je einmal, vgl. dazu n. pl. n'cH
103a), B'KAC»BOKR B'k^OBHl^/Ä, CATi.3a.
Im ganzen habe ich von t», für k bei folgender harter Silbe in
runder Zahl 500 Fälle gezählt, von verbleibendem k in derselben
Lage HO.
Besonders zu bemerken ist, dass vor m qj '^ji, das k bei folgen-
der Silbe mit hartem Vokal unverändert bleibt, z. B. ckKOHknaTH;
dasselbe ist der Fall, wenn dem k ein i; folgt: KONki^a, TBopki^a
U.S.W, und wenn k vor 3 = dz steht: CTkaaniv = urspr. sthd'zanvb.
Es ist das keine Ausnahme, sondern das k bleibt normaler Weise,
weil M i|i JK^ i; 3 (= s) absolut weiche Laute sind, die mit ihnen
anlautende Silbe also als ca-, s't'a- u. s.w. anzusetzen ist. Die Er-
haltung des k begegnet aber auch vor m : H3BaBAkiijaaro npH-
cT;^nAkiuaaro, BkAiOBAkma (in diese Picihe gehört auch o^upii-
ijjBkUjaaro), BOAkmaa, ncKACHkma; der Grund liegt hier darin,
dass A und h = a" h sind, absolut weiche Consonanten. Dann
kommt noch vor noAC>M;kLiia, B'k3B'biiJkma, ckTBOpkujaaro, aber
dies sind nicht die normalen Formen, vgl. daneben ckrp'kiij'kuia
(s. oben 1 .
B. Vertretung von 'k durch k vor folgender weicher
Silbe. Die Erscheinung tritt hervor bei Bk, vor Casus und in Zu-
sammensetzung, 130 mal, bei Bk3- 90 mal. Von konsequenter
Noch einmal i. und i. in den altkirchenslavischen Denkmälern. 35
Durchführiing ist keine Rede, die Fälle von kti kt^s- bei folgender
weicher Silbe sind ausserordentlich zahlreich ; sie anzuführen hätte
keinen Sinn, denn es ist natürlich reiner Zufall , ob ein paarmal
mehr oder weniger btv kt^s- oder kk kks- geschrieben wird; eben-
sowenig hätte es einen Nutzen, alle Fälle von Rk Rk3- anzugeben,
es genügen einige Beispiele : Bk hh^Tv, Kk Hk, Kk HfMk, Bk K-kpt:,
Bk BlvK-K, Bk ^xpIvBO, Bk^lv (legte hinein) Bk^f}K;k,H, Bk tIjao,
Bk TA, Bk BfMMX., Bk REMaAM, Rk TH'tB'fe, Bk nHTkH, RkHHTH.
BkHHMaTH, Bk Ck MdCk, Bk Bp-feM/Ä — BkCH/ATk, BkS^BHrUH,
Bk3BE;l,H, BkCn<\IOH;^B'k, BkCKpIvlUaMV, Bk3EMA<ftH, BkSHCKaB'K,
Bka/ÄAT», BkSBfCfAHM'k, BkBHrpaiJR.T'k, BkSkp'RB'k, BkSAlOBAk,
Bk3iiHKH;^, Bk3B'Ki[ji7f;. AUes was man sonst aus der Handschrift
anfuhren kann , tritt dagegen zurück, wenn auch die Fälle selbst
wichtig sind: es heisst regelmässig BkHHTH (11 mal; B'KnHiJK 3a);
dagegen KkS'knH Bk3'knH{M'k B'kS'KiiHfM'K 43b, Bk3'KnHBTi-
maarc» 50b); zweimal steht BkHli, Formen von K'k^'kTH nur mit
Kk^i,- (11 mal); mehrmals HAT^Tk als HAkTk mit Casus und Ablei-
tungen (10 Fälle), z. B. HAkTk RAkTH nAkTkHaa BknAkqjkiua;
dazu kommen ferner AioskBk (6 mal), AiockBE (2 mal), AK»ckBH
(1 mal), i;1vAkBk (1 mal), i^'tAkBg (2 mal); endlich einige vereinzelte
Fälle: ^vk>K;i,k AkH^4,£BkHHH 2a, OAi»>KA<»»j*^T'k ib. (o^'kjkA'»"
100a), nkTHi^A (n'KTHU/A 54 b), Kp'Snki^HH 77b (vgl. ^'kc'k^'k la],
OKp'knkTHTH 88b, OMkBCHHI€Mk 33a, npHTkMiTR 106a, Ai^H'fe
36b (loc. zu ^kHa oder A^^^^'* Kolik, instr. daneben at^H'J»'*)-
Die Formen von ^OBkAliTH kann man nicht ganz sicher hierher-
rechnen, da das k ursprünglich sein kann. Sonst bleibt überall 'k
vor folgender Silbe mit palatalem Vokal, daher z. B. 3'kA't n-k-
c'Ki^'fe, rAackMk (i.sg.), ;i,ap'KMH (i.pl.), Kp'kße, ra-kth, H3K'kiT'k-
HkCTBO^fMk, BTkC'kAfM'k (= -AfM-k), ROCkAH (= -AH), OKp'kCTk
B'k3-(Bk3-)'knHTH, r;Rr'kHHB'K (28a), K'kHHra, Kl^H/ftSk, K'KJi^i,
npHKp'kBEHi^, oycTp'kMAeHHf, ©Yc^kRH (impcr.), ckn/ftifj/fv, noPAi».-
4IfH0, m^THl^/Ä, nOT'klllHyTi,, TTvIIJ«, AT^JKA, AOKTvJKtT'k,
o;i,'kJKAH 100a. Die Participien auf -'kiu- behalten stets, auch
bei weichem Vokal der folgenden Silbe das 'K, ebenso die Prä-
positionen Ck KTv und andre mit t». auslautende.
Der entgegengesetzte Fall ist, dass k statt 1%. vor harten, iv
statt k vor weichen Silben erscheint.
A. k statt T», vor harten Silben kommt in ca. 20 Fällen
3»
36 A. Leskien,
Tor: einigemal KkSBpaTHTH, KkH;^Tpk, sonst vereinzelt, z. B. bk
npaBk^t,'^, Kk HCCHA'KX'T*, Kk n;SiTk, Bk3A0H;H, Bk3AP<iCTH.
CAa^i^KTü, SkAOKkio; es sind vom Standpunkt des Denkmals an-
gesehen offenbare Fehler.
B. 'k statt k vor weichen Silben tritt in einigen Fällen
regelmässig ein, so im Imperativ von ptKX,.: ß'wu,» p'ki^'kM'k pT»,-
H'kTt (9 mal; Hapki^H 40a), ebenso in den betreffenden Präsens-
und Imperativformen von -kM;s;: BlvH'kMH BTkHTvMlvrJn»., HS'kMH
HS'kMtT'k, BTiSTiMH B'kS'kMIT'K B'kS'kM'kM'k U.S.W. (13 mal .
Sonstige Fälle sind: cb'St'ka'K begegnet 5 mal; statt -kH- erscheint
16 mal -TiH- vor folgender weicher Silbe, B'kp'kHe B-fip-kHHH, npa-
Rf/i,'^""" npaBe^V'kHHHY'k, TliAcckH-KH, heobh;v,'i^"'^i^i^7 cßapT^-
HHKa, KICKBp'kH'kH'k, Y'^aA'^H'S, Oy'^P'^"'*^'^ > BJHfp'kH/MA,
l\(H3Ji,p(^(H'KHH^(, /KfCTOKCtA'traHTvHHK'k U.S.W.; feiHer RH'KH'k-
CTBlk !3 mal), ecT'kCTB'k; crap^kUH (2 mal), CA'kH'ku.t 50b, kov'-
UHpiiCi;1iH, apYtiA'kCl^HH; HtT'kipTkMH; C'kTBOp'kIJJfM'k, CkBAA-
^H'kLUHHM'k, OCKBp'kH'klUHlMk, OCKBp'KH'kUJH 21b; KAT^HeTTi
mehrmals, KA'kMfT'k 45a (vgl. KAfMkUJi* 44a), Kp'ki^jfHHie, ck-
T'kptT'k; T'kM't (viermal); Ck^i,« 37a unmittelbar folgend vier-
mal Ck^f), C'kpiBpO C'kpEBpkHHK'k, M'kLjJ»:^ 82b; T'klJ.'KM'k 98a
(cT^».Tk^H 53b); dazu die Formen von rpTvCBATU 63a, 93 a, 96b.
3. Der Ersatz von k durch e. In jeder beliebigen Silbe
mit altem k, wenn sie die vorletzte Wortsilbe ist und das Wort auf
1%., k auslautet, oder wenn ihr folgen eine Silbe mit t^, k und eine
weitere mit vollem Vokal, wird regelmässig k durch t vertreten,
z. B. in Casusformen HMEHEMk rcA;*iEfMk BfUJm (g. pl.) awa^w^
aanoB-SAfYT^; cm (= syt), ckTBopeH, \-0/K4,eH, bjaih {=-hjh);
-IH-: yi.OCTOfH'k, npaBk/^CH'k, CKBp'kHEH'k CTpaHIHTk, BfSHaMA-
AiHTk, HsrAaroAaHfH'k, noycTCUJfHTi CTpamtHTv, OBeHT»,, cpa-
uifH'kg.pl. BpauucHki^E BpaiUEHii,a, npasAfH'kCTBOY; -ecK-: ^»'fe-
TtCKTk IUi;^>KECK'1». /KtHECK'k H^l.OAfCK'k; -iU,-: aPHfl^k TfAflJ^k
c;^Mtij^k, Mp'kHtMkCKa; -ktb-: BO^KECTBkH'ki nc>A<?BfCTBkK> po-
^K^ecTBkHoi^; -«A-- npaßtAi^H'feMk; -sa-: cB'tTfA'k; -fB-: u'k-
AfE'kHaaro; in Wurzelsilben z. B. JKfSAk, ntck, BkSfMTs., npc-
nfH'kUJHHY'k,OCAfn'klUfM'k,OyMfp'kUJ/S\t*Ä, TfMkHTklMk, AKfpkMH,
BfCk, HfCTk MfCTTiHOe, npHlUfATi npHUJf ^T^lUa npHlUfCTBHf,
CKptJKkUJfT'k, KpfCTk'kH'k, CM3^ (g. pl., daneben cA'ksa).
4. Ersatz von altem 'k durch o, unter den gleichen Be-
Noch einmal i. und t in den altkirchenslavischen Denkmälern. 37
dingungen wie bei i» — ( unter 3., im ganzen spärlich; in Wurzel-
silben: BOHTi, HtAOJK'KHC, Kf CflAOT'KH'KlY'K , COHTv, OYCOllTi-
UJHHM'k, COTkHHK'K, TOKT^MO (TOK'MO); in Suffixeu AWKOKIi
mehrmals), AWKOßkfi^ aK)R0Bhi;i^ (mehrmals), h.'Saokk i^-bAOßHi^
l^'RAOß'kHaa, KpOBKKR, M/f^KOK'K RCCA'fc^i.OK'K KpOTOK'h. CAd^OKTi,
HoroTk; einigemal ko, co: coBiipaujA co3'ka<*M'^' coa'KA'*""^
(mehrmals) co mhoü^ co ßCkMh. co MH'fe 78a (1. mhc = ukh(); ko
BCKKOMk BO BCkYT». BO B'ctMk BO Hk 46a; Vgl. nOCh CBATOH
== -Vk) 17a, RAO^o-ck 14a, a<»P<>V»^ (= -'^X'^^j 98b.
5. Tv und k im Wortauslaut. Abgesehen von dem Tv für
altes k nach m kommen ein paar Fälle vor, wo statt -Mk instr. loc.
-MT». steht, statt -in'k dat. pl. -Mk, aber gegen die ungeheure Zahl
von richtigem -Mk und -wk gerechnet offenbare Versehen, aus
denen man gar nichts schliessen kann. Die 1. sg. praes. kommt
mehrmals als tcWK vor, dagegen H'bcMk 66b, HcnoBtiMk 77b.
Ausserdem ein paar vereinzelte Fälle von 'k statt k : ck = ck 14a,
Bc-k BfCK (= Bkck omnis) 100a, 42b, nacTTüp-k 80b, 82b (vgl.
aber MdHacT-kipk 92a, 104b), i^p-k 93a (vgl. ij,tcapA ib., MTviTdpa
86 a), daneben auch i^'kcapk. Umgekehrt steht k für ii in CKAPh^
47a, fCTk 69b; in dem häufiger vorkommenden btv (Bk) CA't/k.k
wird das k ursprünglich sein, vgl. nocA'6/k,k, oder es ist dem no-
CAU^k nachgebildet. Man kann also sagen, dass, abgesehen von
-ui'k, ev. -JK'K, sonst i^, k im Auslaut regelmässig in alter Weise
erhalten sind.
Das die Thatsachen, aus denen man nach meiner Meinung weit
eher einen bestimmten einheitlichen Dialekt entnehmen könnte als
aus der Sav. kn.; allein ich versuche das nicht, denn auch das
Euchologium bietet keine gerade so gesprochene Mundart. Ich
möchte vielmehr einige der beobachteten Erscheinungen sprach-
geschichtlich deuten und beginne mit der Vertretung von k durch (,
die unter den bekannten Bedingungen so gut wie durchgeführt ist.
Wenn man die wenigen Fälle, in denen eine schwierige Conso-
nantenverbindung den Ausfall eines k gehindert hat, wie npH-
ujfCTBHf poH;;i,fCTBkHoi*, ausscr Acht lässt, handelt es sich
durchweg um die Verbindungen : Silbe mit k vor wortauslautender
Silbe mit is., k im Auslaut, oder um Silbe mit k -f- Silbe mit k, t^ -f-
Silbe mit vollem Vokal: TfAei;k = TfAki^k, Beck := BkCk, npa-
BEAh.HHK'k = npaBk.^kHHK'k. Die Ansicht ist ganz richtig, dass
38 A. Leskien,
das Gewicht der ersten Silbe mit k so weit verstärkt ist, dass statt
des schwachen k ein volles ( eintrat. Man kann die Erscheinung
als eine Art Ersatzdehnung auffassen, die den Quantitätsverlust
einer folgenden Silbe als Plus auf die vorhergehende überträgt.
Dabei kann man zweifelhaft sein, wie z. B. in einem Falle wie
TkiuikHHL^d der Hergang war: ob zunächst das k der zweiten Silbe
so schwach artikulirt ward (ich will es mit ' bezeichnen), dass sein
Quantitätsverlust auf das k der ersten Silbe übertragen, zuerst ein
etwas gedehntes, volleres k (hier mit ^ bezeichnet) hervorbrachte.
TkiLi'HHi^a, daraus nach Schwund des ganz schwachen Vokals
TkLUHHi^a, endlich bei der e-Natur des k ein TtMHHi^a hervorging;
oder ob aus Tku'Hij^a noch vor dem Schwinden des mit ' bezeichneten
Vokallautes schon Tfiui'HHi^a entstand, daraus dann TtMHHi^a. Es
läuft das ziemlich auf eins hinaus, denn in einem wie im andern
Falle kann man die Silbe, in der ( entstand, als geschlossen an-
setzen. Eins aber ist dabei unzweifelhaft : in keinem Falle kann
das k, aus dem t hervorgeht, vorher t^ gewesen sein. Es wurde
oben (unter 1) hervorgehoben, dass nach in so gut wie regelmässig
Tk steht, dass dies auch nach tk als Norm anzusehen ist; trotzdem
heisst es cTpameH'k 99a, ^V'^'t»^^^"'^ 67b, mtn-kTaHHC 91b; im
ganzen Denkmal kommt kein ui'k/i.'k m-kai». vor, nur uue^'K mfai».
(vereinzelt k in uikCTBOBaTH 33b, 34a); gen. pl. EpaiufH'k 8Sb,
BpaujEHku^E 103a, KpaiufH'i^a 104b. Vergleicht man damit die
regelmässigen Schreibungen Bpam'kHO Gpaiu'kH'S, CTpaiu'k.HTü
CTpaiiiTvH'fe, SO ergibt sich ein Widerspruch, der gelöst werden
muss. Wenn man das 'k in Kpaiu'kHC» und so überall in alten
offenen Silben für einen zur Zeit der Entstehung der Handschrift
noch gesprochenen Vokal hält, muss man geschichtlich so kon-
struiren: in der Periode, als k in e überging, gab es noch keinen
Wandel von k in Tv nach m, daher z.B. lUfAT^» g-pl- KpameH'k aus
iiik/i,'k, cpatukH-k. Die Bedingungen, unter denen KpaujkHO und
eparnkHi». stehen, sind was die Härte der letzten Silbe betrifft;
ganz dieselben, es kann aber kein Kpam'kH'k gegeben haben, denn
das ergäbe nie EpaiueHTs., also die Einwirkung des m auf folgendes
k (zu Bpam'kHO) ist jünger als der Wandel von k in t. Dasselbe
trifft zu bei dem Umlaut von k in 'k vor folgenden harten Silben :
ein cTpaHfH'k cKKp'kHCH'k, A'kTecK'k ^keheckii, CBtLTfA'k, neck
U. S. W. (neben CTpaHT^HTsJ CKBp'kH'kH'kl, ^KEHliCKa, CB'feT'kAO,
Noch einmal -h und t in den altkirchensiavischen Denkmälern. 39
n'kcoM'K) kann kein "k enthalten haben, sondern nur k. Ebenso
klar ist, dass in den Fällen, wo ktv durch ko vertreten ist, ko
BC'tY'K, ßo Hk U.S.W., dies bo nicht bei vorgegangen sein kann aus
dem sonst in der Handschrift erscheinenden ek, ßk Bck^'K ßk Hk,
sondern nur aus ßi*.
Der Gegensatz von h ijj jk,v auf der einen, 111 jk auf der andern
Seite, bei jenen regelmässig verbleibendes k, bei diesen t*, kann
sich nur erklären aus der Annahme, dass ui tk hart geworden waren,
H, lii, JK4, wie auch i;, 3 (= s) erweicht als c, st', zd\ c', d'z
gesprochen wurden, so dass eine folgende Silbe mit an sich
hartem Vokal nicht zur Wirkung kommen konnte. Man kann
gegen die Härte von uj h; die Schreibungen -mw -mi* einwenden,
die ja dem widersprechen, allein solche Schreibungen können aus
der Vorlage übernommen sein; wenn ich richtig beobachtet habe,
kommt kein -mli = -sa vor, nur ^oyiiia u. dergl., dagegen z. B.
MUc'k na;k,6^;k,'k. Die absolute Weichheit von Ä h hat, wie oben
(S. 34) hervorgehoben, auch nach diesen k gehalten, vgl. dazu die
Beispiele S. 33 HSCaßHTEAkH'k, rOYEHTEAkCTßO pO;k,HTf/\kCTBO
3aB'6;k,1iT«AkCTßOYeT'k, wo A = A, caHkCKaaro, wo h = h. Es
bleiben dabei immer noch ziemlich viel Beispiele übrig, wo -ak-,
dessen a = /, vor harter Silbe bleibt, und es mag sein, dass / vor
palatalen Vokalen ziemlich stark erweicht war, so dass die Wirkung
der folgenden Silbe deswegen nicht so leicht eintrat.
Es ergab sich (s. 0. 2. B), dass ausser bei ßk ßks, BknHTH,
Ek^-KTH, die Vertretung von altem t», durch k vor weichen Silben
wenig hervortritt; etwas stärker vertreten sind nur noch die For-
men der Tü-Stämme: awKkßk 9b, IIa, 18a, 88b (2 mal), awßkßf
9b, 90b, AhdRkßH Ha (daneben awROBk 72b, 81b, 92b, 90b, aw-
KOßkh^ IIa, 81b, awKOBHKi^ 10b, 86b, 92b, 105b); i^-Kakßk 36a,
i^'kakßE 39a (neben n'ka'kBk 47b, ^'kaoBk 33b, i^'taoßHiiR 33a,
i^-kaoB-kiiaa 41b; vgl. auch acKT^ßn 54b, cmokobh 54b). Dass
derselbe Mann nicht dieselbe Form dreifach verschieden gesprochen
hat: i^tA'kßk u.'kakßk n-kaoßk, liegt auf der Hand; es sind Nieder-
schläge verschiedener zeitlich oder dialektisch auseinander liegen-
der Entwicklungen; i;'kaoßk aioBOßk setzte nothwendig i^'ka'kßk
AiOB-kßk voraus. Betrachtet man, bei Ausschluss der wenigen oben
S. 35 angemerkten verstreuten Einzelfälle, die sonstigen Vorkomm-
nisse, so fällt auf, dass in ßk bks-, BknHTH, BkH'K, Kk^-kTH, aw-
40 A. Leskien, Noch einmal t nnd b in den altkirchenslav. Denkmälern.
KkBk, also in der tibergrossen Zahl der Fälle, dem alten t^ ein
Labial vorangeht. Es ist doch vielleicht der Gedanke nicht von
der Hand zu weisen, dass die Wirkung der weichen Silbe auf die
vorhergehende irgendwo und irgendwann unter der Bedingung
stand, dass diese Silbe labial anlautete; das ständige B'KS'knHTH
neben BknHTH, Bk Bks- neben stets bleibendem ck kt». ist und
bleibt auffällig. Ferner möchte ich noch bemerken, wenn i^'bAkBk
i^'KAkBC vorkommt, so erinnert das an die ziemlich oft erscheinende
Schreibung HAkTk (s. o. S. 35), man kann allenfalls daraus ent-
nehmen, dass ein at^ der Wirkung einer folgenden weichen Silbe
weniger Widerstand entgegensetzte, vgl. dazu das oben S.39 über l
Bemerkte.
Dass der Imperativ von pf k;r so gut wie regelmässig als p^ki^H
u. s. w. erscheint, kann mit dem Hartwerden des p erklärt werden ;
dagegen bleibt auffallend das konsequente B'KH'kMH, HSTiUfTT».
u. s. w. (s. 0. S. 36). Berufung auf Analogiebildung aus B'kb'KM;^
mit 'K wegen der folgenden harten Silbe führt zu nichts, denn es
ist nicht einzusehen, warum jemand, der B'Sp'kHa B'kpkHt u. s.w.
wechseln lässt, den Wechsel in B'kH'kMift BivHkMH, b'ks'km;^ bti-
3kMH aufheben sollte. Ich unterlasse es aber jetzt, weitere Be-
trachtungen darüber anzustellen, da das besser geschehen kann in
Verbindung mit der Untersuchung der andern noch zu behandeln-
den Quellen, auf die ich später kommen werde.
A. Leskie7i.
41
Slavische Wortdeutungen.
1 . Cech. csceta, ckeia, sketa, cJceta ; slov. scetovait, scetiti^ sketiti, sketljw
(slov. osabe?i, aksl. osajati, ositi s^).
Gebauer vergleicht im Slovnik stc, I. 194 das alte, czftc^ta 'ca-
bella' d. h. 'caballa', welches er csceta liest, mit ahd. stuot. Diese Zu-
sammenstellung ist wegen e unwahrscheinlich, weil ein wo, u nie in e
übergeht. Nachdem das Wort schon im Bohemarins maior vom J. 1397
vorkommt, müsste jedenfalls zumindest von der mhd. Form auszugehen
sein, aber auch so könnte man zu jener Zeit zu keinem sti, ste als
Grundlage von csceta gelangen, da nicht abzusehen ist, warum die
Sprache nicht bei stu mit s (nicht *■ !) hätte stehen bleiben sollen. Und
wie soll man sich dann die Erweichung des t erklären ? Wir dürfen von
csceta die anderen altcech. Wörter für 'caballa' nicht trennen, weil
sie von unserem Worte auch der Form nach nicht weit abstehen; es
sind dies sketa^ cketa 'zvire, Thier, bestia; kün, kobyle, Pferd, Stute;
zbabelec, Feigling: knez se je . . . neudatne czkety (jemu) dävati: du
bist ein blodiz tyr; byl s' vse sve dni neudatna czketa: alle dm tage
bist du blöde gewesin (Dalimil)'; desgleichen geben die Wörterbücher
der neueren Sprache die Formen cketa^ cketa, sketa, sketa als 'wildes
Thier, Pferd, Feigling, Tölpel' wieder.
Das Wort ist offenbar formell stark entstellt; die angeführten
Stellen aus Dalimil machen hinreichend ersichtlich, dass cketa, cketa
nur als Schimpfwort 'Thier' bedeutet, also gleich ist einem modernen
Schimpfworte 'Vieh, Bestie', beim Pferde 'Schindmähre'. Es ist offen-
kundig damit ein Thier gemeint, von dem man keinen Nutzen, sondern
nur Plage hat: ein solches Thier bringt aber, wie der Feigling im Kriege
und der blöde Mensch im Leben, da doch alle wie die nützlichen Ge-
schöpfe ernährt werden müssen, eigentlich nur Schaden, ihr Sein ist
Nichtigkeit, geradeso wie vom Utilitätsprincip aus das eines wilden
Thieres, welches ja nur Schaden zufügt, zumal wenn man es bei Existenz
von Jagdprivilegien nicht einmal frei jagen darf. Es ist daher nicht
auffallend, solche Thiere mit dem Worte für 'Schade' bezeichnet
zu finden, geradeso wie ein Mensch, der mehr Schaden als Nutzen
anrichtet, den Namen 'Schade, Skoda' erhalten hat. Man muss also für
42 K. Strekelj,
csceta etc. von dem Worte für 'Schade' ausgehen. Dieses Wort lautet
aksl. Usteta, serbokr. Heta von der Wurzel t^sk. Urcech. lautete es
tsceta, cceta. Wie wir naeh § 438 der Historicka mluvnice I. von Ge-
bauer aus placcivü ein placscivi/, aus kcice ein kscice mit eingeschobe-
nem s gewinnen, so aus cceta ein csceta. Andererseits konnte cceta^
d. i. tstseta, dem ungewöhnlichen Anlaut auch dadurch ausweichen,
dass das s der ersten Affricata schwand und dann t vor der zweiten
Aflfricata zu k gewandelt wurde, ein zwar ungewöhnlicher Vorgang, der
aber hier mit Rticksicht auf die zwei nachfolgenden t^ das t der unmittel-
bar folgenden Affricata und das t der nächsten Silbe, infolge der Häufung
der /-Laute leicht begreiflich ist. Durch diese Dissimilation erhalten wir
"^kceta^ eine im Slavischen ungewöhnliche Lautfolge, die durch Metathese
der anlautenden Consonanten behoben ward, so dass man zu cketa ge-
langte. Aus dem Anlaut ck (= tsk) ward wieder t eliminirt, was die Form
sketa zur Folge hatte. Der häufige Wechsel von 6^• mit sk erzeugte end-
lich die Form sketa^ worin wieder 5 in c überging und so cketa ergab,
für welche Erscheinung uns Gebauer im § 40.t. 2 a des L Bandes seiner
Historicka mluvnice hinreichende Beispiele anführt, die noch aus an-
deren slavischen Sprachen (z. B. dem Serbokroatischen: ckneti^ ckvara,
ckzrna^ cmilj\ cmrkati u. s. w.) vermehrt werden könnten.
Das alte t^steta (serbokr. steta) treffen wir in etwas veränderter
Gestalt, die aber theilweise an die Wandlungen im Cechischen erinnert,
auch in mehreren slovenischen Wörtern an. Nach Havlik's Gesetz vom
Schwunde derHalbvocale musste daraus im Slovenischen * tsceta, *cceta,
*sceta werden. Von diesem ist zunächst ein Verbum scetovati se ab-
geleitet, das in Unterkrain (Krsko) setcati se gesprochen wird und 'sich
enthalten' bedeutet : setvati sejedi m pij'ace. Für sc tritt nämlich heute
auch in Unterkrain manchenorts schon s ein, wie in Oberkraiu und
Steiermark; dieser Zug muss auch das Unterkrainische schon früh er-
fasst haben, da wir bereits in der protest. Periode schon allgemein s
für sc mjesce [se, ise) finden. Die Bedeutung von setovati se entwickelte
sich durch die Mittelstufen: sich Schaden zufügen — sich Abbruch thun
— sich enthalten. Die Anschauung, dass sich einer, der sich einer Sache
freiwillig enthält, sie nicht seinem Genüsse zuführt, sich selbst schädigt,
ist gewiss eine unchristliche. Das Objekt steht wie bei ähnlichen Verben
und beim zugrundeliegenden Adjektiv tbsth im Genitiv.
Ein zweites auf thsteta beruhendes slov. Verbum ist das in Unter-
krain, Innerkrain und im Küstenlaude vorkommende scetiti, sketiti 'eine
Slavische Wortdeutungen. 43
Sache so verbrauchen und verarbeiten , dass man davon keinen Nutzen
hat, sie verschwenden'; auch hier war nämlich die erste Bedeutung
'schädigen, zu Grunde richten'. Levstik, der dieses Wort nur in der
Bedeutung 'spälteln' kennt, will es im Letopis slov. Mat. 1882/83. 253
vom mhd. schiff ahd. seit 'Scheit' ableiten. Nachdem jedoch im Görz-
schen das Wort in Verbindungen vorkommt, wo man an ein 'Spälteln,
Scheite machen' gar nicht denken kann (z. B.: vse zito, ves pridelek so
posketili, zdaj pa nimajo ob cem ziveti), kommt mir die Entlehnung
nicht glaubhaft vor. Die Ableitung von tsceta^ bceta (mit Schaden ver-
wenden = verschwenden = verwirthschaften) ist natürlicher. Bei An-
nahme einer Ableitung von seit wäre auch die Nebenform sketiti^ die
sowohl am Karst wie in Unterkrain (Lasce) gebraucht wird, neben sce-
titi^ das in Innerkrain gesprochen wird, wo indess die secundäre slove-
nische Palatalisation nicht bekannt ist, nicht begreiflich, während wir
es aus tsceta durch *ksceta — *kceta^ *cketa^ *i>keta leichter ableiten ;
vgl. auch slov. veksi aus vecsi durch vetsi (c. vetsi), bezüglich der Meta-
these aber puska aus puksa. Natürlich trat diese Metathese sowohl im
Cechischen wie im Slovenischen erst zu einer Zeit ein, wo k vor e nicht
mehr nothwendigerweise erweicht zu werden brauchte. — Reflexiv
gebraucht bedeutet das Verbum scetiti^ sketiti 'sich sträuben, sich
weigern', es hat also eine Bedeutung, die man ganz gut mit t^steta
in Einklaug bringen kann. Hier hat das davon abgeleitete Verbum.
welches ähnlich wie scetovati se anfänglich 'sich Schaden zufügen —
sich Abbruch thun — sich enthalten' bedeutete, im Bedeutungswandel
nur einen Schritt weiter gethan: wer sich einer Sache enthält, der
weigert sich, sträubt sich, sie anzunehmen, zu geniesseu; daher nahm denn
das Wort scetiti se, sketiti se die Bedeutung 'sich sträuben, sich weigern'
an, woraus sich weiter die von 'widerspänstig, stutzig sein' entwickelte ^).
1) Aehnlich wie sketljiv 'widerspänstig', stutzig' aus sketiti se (von Hsteta)
urspr. 'sich schädigen, sich enthalten', entwickelte sich aus savati se cesa,
osavati se 'sich einer Sache weigern, verschämt thun, bevor man sie annimmt'
(savati se jedi all pijace: in Unterkrain und Kärnten gebräuchlich, fehlt bei
Pletersnik), ksl. osajati, osavati se 'sich enthalten', durch das daraus abgelei-
tete Nomen *osaba das nsl. osahen 'stolz, hochmüthig'. Osaben war zunächst
jener, der sich der vorgelegten Speisen etc. enthielt, sie verschmähte, sich
ihrer weigerte ; dass 'hochmüthig' und 'trotzig, widerspänstig' verwandte Be-
griffe sind, zeigt auch c. purny^ zpurny, welches beides bedeutet. Auch bei
osajati 8Q scheint die Grundbedeutung, aus welcher sich später 'sich enthalten'
entwickelte, die von 'sich schädigen' zu sein. Das Wort gehört wohl zu einer
44 ■ K. ätrekelj,
Ist aber dem so, dann ist anch slov. sketljiv 'stutzig' (von Pferden) kein
Lehnwort, und demgemäss sowohl Levstik's Ableitung dieses Wortes
aus ital. stitico (Letopis 1. c), als auch die meinige vom d. stettig (Archiv
XII. 469) als unpassend und unnöthig zurückzuweisen; bei beiden wäre
überdies der unmittelbare Uebergang des st vor einem Vocal in sk im
Slovenischen erst nachzuweisen.
2. Kroat. galte^ glotun\ glotimija.
Das Wort gälte f. pl. bedeutet 'Schlund, Kehle'. Budmani, der es
im Rjecnik III. 97a aus einem Schriftsteller des XVIII. Jahrh. (Andr.
Vitalic aus Lissa) und aus dem Wörterb. StuUi's [galta 'fauces, gula,
guttur') belegt, erklärt es daselbst für unbekannten Ursprungs. Sieht
man indess, dass man auch kalk (neben käk im Istrischen bei Nemanic,
Cak.-kroat. Studien I. 16) für kuk 'femur', halm neben hlam für hum
'coUis' besitzt, so muss man unwillkürlich an die cakavische Wiedergabe
Wurzel che, cha, die wir auch in chabaii, chabiti haben. Für diese letzteren
Wörter nimmt Miklosich (Et.Wtb. 84a,b) gar drei Basen an: chaba- (nsl.habati
se 'abstinere'), chabi- 1 (ksl. chabiti 'pessumdare', nsl. habiti, shabiti, pohabiti
'beschädigen', bulg. ishabja 'to spoil in making, to duir, serb. habati 'panum
deterere', haba 'noxa', cech. ochabiti 'kraftlosmachen', chäbnoutl 'schlaff wer-
den', klr.oxaöHTu 'verderben', gr. noxä6iiTB 'verwöhnen') und chabi-2 (ksl. chabiti,
ochabiti se 'abstinere', cech. ochabiti se, slov. habati 'schonen'). Indess zeigt un-
sere obige Auseinandersetzung über slov. scetovati se, scetiti se klar, dass wir
es hier mit einer gleichen Bedeutungsentwickelung zu thun haben und dass
die drei Basen Miklosich's eigentlich nur eine einzige repräsentiren. Unklar
ist ihr Verhältniss zu chajati 'curare', ochajati 'non curare', das indess für sich
eine besondere Basis zu bilden scheint. Hingegen entwickelte sich ein an-
deres aksl. Verbuni, welches 'abstinere' bedeutet, nämlich osibq se, ositi se,
osibati sf, wohl aus einer anderen Grundbedeutung heraus. Die Verbalwurzel
lautet wohl sib und es gehört zu ihr auch das von Miklosich, Et. Wtb. 339
unter si-2 angeführte nsl. presinoft, welches ja der Bedeutung nach dem p7-e-
sunoti gleichkommt: simoti ist 'stossen, schlagen, einen Schlag versetzen';
dasselbe bedeutet aber auch sib-\ vgl. klr. BtiuiHÖciH 'ausstossen', ksl. umöaxu
'virgis caedere', gr. uiHöaTB 'schlagen', slov. osinoti 'mit einem langen Gegen-
stand einen Schlag versetzen'. Das ksl. ositi sf, osibati s§ 'abstinere' geht auf
eine, von sib- 'schlagen', siba 'Ruthe', nsl. sibek 'schwank', usibniti se 'sich
krümmen' — die elastische Ruthe biegt sich beim Versetzen eines Schlages
damit: »Ona mi bo podala zohko sibico, da se bo mi ovila okoli mojih mla-
dih kostic, spricht ein slov. Kind von der Stiefmutter — abgeleitete Bedeutung
,3ich krümmen, biegen' zurück, woraus dann 'ausweichen' und zuletzt 'sich
enthalten' ward; vgl. ogniti se, ogibati se 'sich biegen — ausweichen, meiden'.
Slavische Wortdeutungen. 45
des slavischen silbenbildenden / durch al sich erinnern, über welche uns
Milcetid (Archiv f. 3I. Ph. XI. 364 f.) und Oblak (Archiv XVI. 199 f.) be-
richteten: gälte ist daher nichts anderes als glte = gut^ ksl. rAivTii,
russ. rojTt, slov. golt., cech. hlt u. s.w. — Während für 7 in Altserbien
und in älteren Urkunden bisweilen auch lu zu finden ist (Oblak, 1. c.
207, 208), hat eine Ableitung des soeben angeführten glt, das kroat.
gütun 'Kropf, im Istrocakavischen lo für altes silbenbildendes /: glotün^
gloiünac 'guttur avium' (Nemanic 0. c. I. 41, 52, 53). An der slavischen
Genuität des Wortes ist nicht zu zweifeln: un wird vielfach zur weiteren
Ableitung von Wörtern, die 'Kehle, Schlund, Kropf bedeuten, ange-
wandt, vgl. slov. golzun 'Kropf, golzunec id. von golza^ golm 'Kropf,
serbokroat. gusa, bulg. rptKjiyH, rpti^jy« 'Kehle'. An ghU angefügt
sehen wir im auch im cech. hltnun, hyrtuü neben Jdton 'Schlundkopf,
poln. krtunic siq 'sich würgen' ; das verwandte an finden wir im slov. gol-
tanec^ cech. hlta7i in derselben Bedeutung, ksl. rp-LTanL, russ. ropxaHi.,
slov. grtayiec^ cech. lirtdn^ poln. krtan u. s. w., was alles dafür spricht,
dass *ghtu)Vb eine genuinslavische Bildung ist. Merkwürdig ist nun
die vereinzelte Erscheinung des lo für / im cakav. glotün\ sie ist nicht
anders erklärbar, als durch Annahme von Contamination mit anderen
lo enthaltenden Wörtern. Sachlich könnte zur Noth das einheimische
glötina 'Gemisch verschiedener Getreidearten, Weizen ausgenommen;
pomijesano i necisto zito (Ragusa)', welches ja das Hauptfutter des
Hausgeflügels ist und im glotun verarbeitet wird, in Betracht kommen.
Doch haben wir ein passenderes Wort, welchem die Aenderung zuge-
schrieben werden muss; es ist dies das fremde glötün 'prozdor' ('koji
Ijubi kuhinje, zove se glotun') aus dem, dem slav. gl^t^ stammver-
wandten ital. gliioitone 'Vielfrass' [glutönem) ^ ghiotto 'Schlemmer'
{*gluttus)j inghioftire ^schlucken, schlingen^ {glutüre): zur Aehnlich-
keit der Laute trat die Aehnlichkeit des Begriffes hinzu (Vielfrass =
Giermund). Dass man im serbokroat. glotun 'prozdor' lo für das er-
wartete lu hat, indem ja dem alten romanischen u wohl in der Regel u
im Serbokroatischen entspricht, beruht darauf, dass schon im Romani-
schen neben glu auch glo sich findet (friaul. gloti neben gltitt), indem
für schriftlat. glu schon früh glü eingetreten war. — Ob kroat. glotu-
nija 'prozdorstvo, Gefrässigkeit' einheimische Bildung aus dem fremden
glötün 'Schlemmer' sei, wie Budmani annimmt, weil im Ital. nur glutto-
neria^ ghiottoneria gesagt wird, vermag ich bei der Existenz eines engl.
gluttony neben frz. gloutonnerie nicht zu entscheiden; vielleicht
46 K. Strekelj,
existiite doch auch auf roman. Boden ein *glutto7üa, welches durch Bil-
dungen auf arla verdrängt ward.
3. Cech. hoch^ d. Hache.
Als Bedeutung des cech. hoch wird 'Junge, Bursche, Kerl' ange-
geben; diminut. hosek^ hosik\ das Femininum zu hoch ist hochna 'junge
Dirne'. Weil das Wort in diesen Formen den tlbrigen slavischen Sprachen
abgeht, vermuthete Matzenauer. Cizi slova 3S8, fremden Ursprung und
zog, wie schon vor ihm der geniale Schmeller beide Wörter verbunden
hatte (Bayr. Wörterb.2 I. 1041), das d. Hach ^ Hache zur Verglei-
chung heran. Dieses bedeutet nach dem Deutschen Wörterb. (Grimm)
IV. A. 96 — 9S ganz das nämliche, wie das cechische Wort: 'junger
Mensch, Bursche im allgemeinen : Knapheus, Knap, Knab oder sechsisch
ein Knaph heisst ein junger Gad oder Hach., oder den die Ungarn ein
Jonaken {^= s\a.y.Junak^), wir einen Gesellen heissen' Mathesius, Sarepta,
nun bei Göpfert 29). Belegt ist d. Hache, Hach im D.Wtb. ausser aus
Mathesius in formelhafter Verbindung (mit jung, frei, wild) noch aus
Kaisersberg, Fischart, H. Sachs, Schönsleder, Hütten, Böcking und Uh-
land's Volksliedern. Aus Mathesius wird auch die Form Hock angeführt :
'Philippi Son der Wundermann, welchen Daniel ein freier Hock nennet
(wie man die alten Kriegsfürsten Kerl oder freie Hachen oder Habicht
nennet)'. Ferner gibt das D.Wtb. aus Matthiae d.-lat.Lex.(1716) Hach
in der Bedeutung 'junger, läppischer, grober und tollkühner Mensch',
aus Rondeau d.-frz.Wtb. (1740) als terme injurieux 'cheval de carosse'
und aus Zelneri sententiae (1718) den Spruch 'An tollem Lachen er-
kennt man einen Hachen' an. In Mitteldeutschland, besonders Hessen,
bedeutet es nach Vilmar jetzt einen habsüchtigen, groben Menschen und
wird auch als Schelte angewandt. Das Femininum Hache bedeutet
'Dirne, grobes und leichtfertiges Weib'. Ueber die Etymologie des
Wortes kann das D.Wtb. nur Vermuthungen bieten. Zunächst wendet
es sich gegen Frischens und Schmellers Deutung aus Habicht (aufge-
stellt unter Anlehnung an die oben angeführte Stelle aus Mathesius)
und zieht den ahd. Namen Hahho, Hahcho, Hecho, Heccho, Hecko
zum Vergleich heran, muss aber hinzufügen: »Die genaue ursprüngliche
Bedeutung des Wortes aufzudecken fällt schwer«, »vielleicht würde man
es mit hacken zu vermitteln haben, insoferne hacken auch das Schlagen
und Kämpfen gegen den Feind bedeutet«. Diese Erklärung halte ich
für ebensowenig wahrscheinlich wie deren Aufsteller selbst; es ist
Slavische Wortdeutungen. 47
immerhin misslich, ein junges dunkles Wort durch einen nicht minder
dunklen, wenn auch alten Personennamen erklären zu wollen; ausser-
dem heisst es nirgends, dass Hache geradezu 'Kämpfer, Krieger' be-
deute, wenn es auch als 'tollkühner Mensch' gedeutet wird. Ganz sicher
ist das eine, dass das deutsche und das cech. Wort sowohl der Form
wie der Bedeutung wegen zusammengehören. — Hat sich nun Matzenauer
(und nach ihm Gebauer, der sich im Slovnik starocesky 450a auf ihn
beruft und das deutsche Wort sogar zum «altd.« macht) in der Annahme
von Entlehnung nicht geirrt? Im Cechischen ist hoch als Eigenname,
wie Gebauer angibt, bereits aus dem J. 1379 und 1429 nachgewiesen,
hochna 'Dirne' (neochotnä, nevlidna i neprivetivä hochna) im XVI. Jahr-
hundert gebräuchlich, kommt also in dieser Beziehung, insoferne es
sich um den Nachweis des Alters handelt, dem d. Worte zumindest
ziemlich gleich.
Ich glaube, dass hoch slavisch ist und kann es aus dem Öechischen
auf eine sehr einfache Weise erklären. Bekannt ist, dass im Slavischen
bei der Bildung der Hypokoristika (Kosenamen) und der damit zu-
sammenhängenden Diminutiven oft ganze Silben gegen das Wortende
zu unterdrückt werden und an den übrigbleibenden Wortstummel be-
stimmte Suffixe angefügt werden. Von gospödär, jezik, medvjed, pö-
bratim, trbuh z. B. wird im Serbokroat. das Hypokoristikon dadurch
gebildet, dass nur die erste Silbe mit einem oder zwei Konsonanten ver-
bleibt und daran a, o gefügt wird : gösa, jeza, medo, pöbro, tfba. In
anderen Fällen wird vom Stammworte alles weggelassen, was auf den
ersten Vokal folgt, und auf den verbleibenden Wortrest verschiedene
Konsonanten wie c, c, c, h, j\ k^ l, s mit einem der Vokale a, 0, e ge-
fügt: Dorotija-Döca, Katarina-Käca, zlotvor-zloco, Radosav-Räho, De-
simir-Ddho u.s.w. (siehe Maretic, Gramatika 361 — 363). Etwas diesem
letzteren Falle ähnliches finden wir nun im Öechischen, und zwar ist
dort als Suffix für Hypokoristika r]t beliebt: für kmofr haben wir
kmoch, für hratr — brach und brächa] besonders häufig ist dies natür-
lich in Taufnamen zu finden : Petr-Pech, Väcslav- Vach, od. Vächa,
Sta?iislav-Sfach, Boleslav-Bolech, Zikmund-Zich^ Simon-Sich und
Sicha, MateJ-Mach und Mächa, Havel-Hach^ Jenik-Jerh^ Bartolo-
mej-Bartoch^ Bartocha\ anf diese Weise entpuppt sich manch deutsch-
österreichischer Familienname auf -<"/* (z. B. Pech, Stach, Mach) als Spröss-
ling cechischer Vorfahren. Natürlich können davon weitere Ableitungen
gebildet werden : Pech-Pesek^ PeUk, Pisek, Pisa, Peska (vgl. Gebauer^
48 K. Strekelj,
Mluvnice skolskä I. § 82). Wie nun kmotr zu kmocJi, hratr zu hrach
oder komin zu koch^ so ward holek^ hohe 'Knabe, Bursche' zu hoch
und durcli das Suffix 7ia erhielt man daraus hochna. Hoch ist also ur-
sprünglich ein Hypokoristikon, welches bei einem Worte wie holek sehr
leicht begreiflich ist ; die dem Hypokoristikon vielleicht anfangs inne-
wohnende diminutive Bedeutung verlor sich allmählich und verblasste
ganz (vgl. slov. detic^ hlapec 'Knecht', ursprüngl. Demin. von *detb^
chla^n), so dass die Bedeutung 'Bursche, Knabe', die holek., holec ur-
sprünglich besass, weiter in Kraft blieb. Holek^ holec selbst beruht be-
kanntlich 2Mi goh (vgl.Miklosich, Et.Wtb. 71) 'der Bartlose' ; wir finden
das Wort nicht bloss im Öech. und Sorb., wie es Miklosich 1. c. angibt,
sondern auch im Slov. [golec 'bartloser Junge") und Serbokroat. [golac
'impubes' neben 'noch unbefiederter Vogel', istrocak. golcina 'iuvenis',
Milcetic im Rad 121 ^ 130, Nemanic II. 39). Auf dem Ausdruck für
'Knabe' ('der Bartlose') beruhen dann die Ausdrücke für Mädchen : c.
etc. holka^ kroat. slov. golica.
Nach dieser Erklärung muss nun d. Hach^ Hache als Lehnwort
aus dem Slavischen, d. h. Cechischen, angesehen werden, geradeso wie
das aus demselben Stamm goh durch cech. holomek ins Deutsche ge-
langte Halunke., welches von allen Germanisten für slav. Lehnwort
angesehen wird : wie in diesem, ergab auch in hoch das anlautende ho
im Deutschen A«, im Auslaut aber ward e an Hach nach Analogie an-
derer Substantiva auf e angefügt.
4. Kroat. hust., gusc und host., hustolina; slov. hlastina etc.
Im Istrocakavischen (vgl. Nemanic I. 10) bedeutet hüst m. ausser
'frutex, Gebüsch' auch 'cannabis degener (nee mas nee femina)'.
In der ersteren Bedeutung ist das Wort nichts anderes als das Mas-
culinum des sonst feminin gebrauchten kajk.-kroat. husta^ slov. hosta
'das Dickicht', welches seinerseits auf urslav. chvostu, verwandt mit d.
quast 'Laubbüschel', zurückgeht, das im cech. chvost 'Besen, Ruthe,
Badequast', c/iüos^ma 'Wedel, Busch', c/^üOÄ^a^* 'schlagen', poln. c7«z<?os^ad
id., der ursprünglichen, im eben augeführten deutschen Wort noch er-
haltenen Bedeutung am nächsten kommt, während es in der Bedeutung
'Schweif im Kirchenslav., Kroat. u. s. w., davon schon etwas entfernter
ist. Das Wort hvosta 'Dickicht', hvost 'Gebüsch' ward im Slov. zu
■hosta., im Kroat. zu husta., bzw. hust durch Anlehnung an gost^ gust
(ksl. r;fiCT'K) 'dick', also 'Dickicht' xar' e^oxrjv. Das dem anlauten-
Slavische Wortdeutungen. 49
den h nachfolgende v schwand wahrscheinlich wegen der Labialisirung
des nachfolgenden o, indem wie in gvozd, zagvozda aus vo zunächst
vuo^ 110, 0 ward ; andererseits konnte v durch w zu i, l entwickelt wer-
den, was man im Slovenischen in einigen Dialekten findet: zaglojzda,
wie auch slatati aus svatati, hlatati aus hvatati, hlastati aus Jwastati
und ähnl.
In der Bedeutung 'cannabis degener (nee mas nee femina)' ist kroat.
hust auf eine ganz andere Wurzel zurückzuführen, resp. daraus durch
Formübertragung zu erklären, nämlich chlash (aus urslav. cholsiü),
russ. xojiocTLiri 'unverheirathet, ledig', xoiiocTHTt 'verschneiden, castri-
ren' (s. Miklosich, Et.Wtb. SSa; vgl. Pedersen's Ausführungen in den
IF. V. 64): hl/st ist also ein für sich allein stehender, im ledigen Zu-
stande befindlicher, gleichsam castrirter Hanf, der weder befruchten
noch befruchtet werden kann. Der Weg von cJdastb — das Wort
müsste im Serbokroatischen hlast lauten — führt über c/wasi^ aus
chiast^ durch Anlehnung an chvost zu diesem über, mit welchem es
die weiteren Wandlungen, wie sie im voranstehenden Absatz dargelegt
wurden, theilte. Dass dem so ist, beweist uns die istrocak. Neben-
form gusc, welche desgleichen (wie auch pohustelj\ Nemanic I. 68)
'cannabis degener (nee mas nee femina)' (Nemanic I. 13), daneben aber
auch *faex' bedeutet, also mit ksl. r;i^iJJTa 'faex', slov. gosca 'dicker
Bodensatz, Hefe, Dickicht' etc. sich gekreuzt hat, was uns die Ein-
wirkung von gqst^ auf urslav. c/wostü und chlastü im Istrocakavischen
zur Evidenz ergibt.
Aehnlich wie c/wostü ^Laubbusch' im Kroatischen zu hust 'Ge-
btisch' wurde, erlag den gleichen Einwirkungen dasselbe Wort in der spä-
teren Bedeutung 'Schweif in den verschiedensten Formen. Es entwickelte
sich aus chvost 'Laubbusch', 'Schweif (vgl. namentlich den buschigen
Schwanz des Fuchses) auch die Bedeutung 'abgebeerter Trauben-
kamm', für welchen ausser r^ep 'Schweif, grozdovina (von grozch), ozo-
bina (von zobati, ozobati 'abbeeren'), sipurina auch die Formen hüsto-
Una, hustovina, host, hostine (Rjecnik HI. 737b), hlostina ('racemus
baccis nudatus', Nemanic H. 39) und hvostina (so habe ich es in Triest
von einem Istrianer Kroaten gehört) vorkommen; im Sloven. haben wir
hläst 'abgebeerte Traube', hlastina und hvost in derselben Bedeutung.
In diesen Formen finden wir, dass theilweise v vor o schwand oder zu
/ ward [host, hostine — hlostina), theilweise aber hust für Jivost ein-
geführt ward [hustovina, hustoUna). Hustovina Hesse sich als Bildung
Archiv far slavische Philologie. XXYII. 4
50 K. Strekelj,
nach grozdovina erklären ; das geht aber bei hustolina nicht, da ein
*huiitol, *hustola nicht erwiesen ist. Wir müssen da wieder eine merk-
würdige Kreuzung von ]iust und *hlostovi7ia aus hvostovina in der
Weise annehmen, dass in *hlostovina zunächst die Umstellung von l
und V ^hviostolina]^ und daraus nach Einführung des hust die Form
hustolina zu Stande kam. Im slov. hlast^ hlastina scheint wegen a
Kreuzung mit Jdastati 'gierig essen', hlästniti^ hldstiti 'schnappen' vor-
zuliegen. Das slovenische hlastina ist also etymologisch von chlastb
'solus' zu trennen; es vermischte sich damit nur durch Kreuzung.
Diese Entstellungen des ursprünglichen chvost^, chlastb haben
natürlich dort stattgefunden, wo die Wörter in deren älteren Bedeu-
tungen abhanden gekommen sind oder nur in Ableitungen vorkommen,
in welchen die ursprünglichere Bedeutung verdunkelt ist.
5. Slov. Tiurec^ kurica\ kuriti
[pica, serbokr. koJca).
Das slov. kiirec 'membrum pudendum viri', kroat. kurac 'penis'
(bei Filipovic, Nemanic I. 20) geht auf ku7•^ 'Hahn' zurück und hat
nichts mit poln. kurcz^ slov. k7'c etc., womit es Linde zusammenbringt,
zu thun. Der Ausdruck km•^ 'gallus' ist im Serbokroatischen heute un-
bekannt, im Slovenischen ist er aber noch nicht ganz vergessen; doch
ist das davon abgeleitete Diminutiv in seiner angeführten Bedeutung
ganz verdunkelt, was häufig bei Gegenstandswörtern, die von Thiere
bedeutenden Wörtern hergenommen sind, aus dem Grunde geschehen
ist, weil heute bei ersteren der Accusativ dem Nominativ, bei letzteren
aber dem Genitiv gleich ist. Im Polnischen bedeutet kurek heute noch
'Hähnchen', 'Fasshahn' und 'penis' (cf. Siownik jezyka polskiego von
Kariowicz-Krynski-Niediwiedzki); in einer poln. Wiedergabe eines
litauischen Märchens (Brugmann-Leskien, Volkslieder und Märchen 469),
die J. Karlowicz in der Wisia III. 2 75 veröffentlichte, antwortet der
Tölpel auf die Frage der Königstochter: »A gdyby kurek (Hahn des
Fasses) wypadl?« mit den Worten: »To bym wstawil möj(f. Die Wie-
dergabe des membrum virile durch den Ausdruck 'Hahn' kennt auch
das Deutsche: im D.Wb. IV 2 findet man Sp. 164 Hahn als 'membrum
virile' aus Frisch 1, 397 a angeführt und dazu angemerkt, dass diese Be-
deutung öfters auch die Verkleinerungsform i?ä//wc/^ew und Fiphahn be-
sitzt. Dieser letztere Ausdruck (=Hahn an derPipe), sowie das sloven.
cep in der Bedeutung 'Zapfen' und 'mentula' weisen darauf hin, dass
Slavische Wortdeutungen. 51
die Vermuthung M. Heyne's im D.Wtb. 1. c, es beruhe diese Metonymie
auf der geschlechtlichen Tüchtigkeit und Geilheit des Hahnes, keines-
wegs der Wahrheit entsprechen dürfte; eher hat man sie an den Hahn
als Bezeichnung jener Vorrichtung zu knüpfen, die zur Herauslassung
der Flüssigkeit durch eine an ein Fass gesteckte Röhre dient oder viel-
mehr überhaupt aus der scheinbaren Aehnlichkeit der Sache mit dem
Vogel abzuleiten, zumal in bestimmten Gegenden für die mentula kleiner
Knaben der Ausdruck Vogel (Wien), im Slov. ticek 'Vöglein' ge-
braucht wird.
Nachdem sich einmal kurec aus kur als 'penis' festgesetzt hat, hat
man zu Zeiten, als das Wort noch immer daneben auch in der ursprüng-
lichen Bedeutung gebraucht wurde, dazu aus dessen Gegenstück kura
'gallina' ein kurica 'muliebria' gebildet; letzteres findet sich im Slove-
nischen und im Niedersorbischen, in welch letzterem indess das ent-
sprechende Masculinum sammt seinem Grundworte in Vergessenheit
geratheu ist. Hat man aber das membrum pudendum feminae einmal
mit einem Namen belegt, welcher durch Motion aus einem Wort für
•Hahn' hervorgegangen ist, so wurden im Anschlüsse daran auch andere
Ausdrücke für 'Henne' zur Bezeichnung derselben Sache verwendet,
sodass sie in der Sprache sowohl in ihrer eigentlichen , wie in dieser
accessorischen Bedeutung gang und gäbe sind. So findet man im SIo-
venischen und Kroatischen in beiden Bedeutungen ('gallina' und 'vulva')
2nca, picka^ abzuleiten von pita 'Henne' mit dem Suffix ftra, verwandt
mit puta^ worüber meine Ausführungen in der Abhandlung »Zur slav.
Lehnwörterkunde« s.v. zu vergleichen sind; pirka nahmen auch die
Magyaren auf [picska] und machten daraus nach Abwurf des Diminutiv-
suffixes ka \\\v picsa 'vulva', das von magy. pina zu trennen ist. Hier-
her rechne ich ferner serbokroat. koka 'muliebria infantium', das nichts
mit ital. cocca^ ngr. -/.ö'/xt 'Kerbe, Einschnitt' zu thun hat, sondern zu
ital. cocca 'gallina' stimmt, wo^on sich das Hypokoristikon köka von
kokos nur durch den Accent unterscheidet; die Unterscheidung kann
indess nur secundär sein, um die beiden Bedeutungen auseinander zu
halten. Zu beachten ist, dass diese beiden Worte auch 'Traubenkern,
Nusskern' bedeuten, was auch bei anderen Ausdrücken für 'Henne' der
Fall ist, z. B. slov. puta^ ciha, womit auch kokot 'Nusskern' zu ver-
gleichen ist M.
1) Als ich diesen Artikel schrieb, lair mir Belic's Bemerkung in den
HsBicTia H. otä^.!. Bd. Vlll. Heft 2. pg. ^96 noch nicht vor.
4*
52 K. ^trekelj,
Mit der in Gegenden, wo kurec^ kurac bekannt ist, Läufigen An-
wendung dieses Wortes, nm damit eine verächtliche Verneinung oder
Abweisung auszudrücken (= gar nicht, gar nichts), ist der gleiche Ge-
brauch des ital. cazzo 'membro virile': un cazzo = cica, niente, niente
affatto, no, mainö (Boerio 156) zu vergleichen. In dieser Verwendung
kennen kurac auch die Serben, denen es sonst nicht bekannt sein soll.
Bei Küzmic (I. Kor. XI. 16) kommt ein von Pletersnik nicht beach-
tetes kuriti se in der Bedeutung 'zanken, streiten' vor : ci se pa sto sce
kuriti = ei de rig doY-sl (piLhvw/Mq eivai. Es ist wohl von kuriti
'heizen', c. kour, kür 'Rauch', os. kur 'Rauch, Staub' zu trennen, da
es dann die Bedeutung 'sich einheizen, sich Rauch machen' haben
mtisste, während seine jetzige Bedeutung, wenn man es mit ku7'o 'Hahn'
verbindet, sich unschwer ableiten lässt: 'sich benehmen wie ein Hahn,
der keinen Genossen neben sich duldet und sofort mit ihm in einen
Kampf sich einlässt, wenn er ihm zu nahe kommt'.
6. Loza.
Das Wort loza ist meines Wissens bis jetzt unerklärt. Boz. Raic
versuchte im Archiv I. 620, ihm von der Wurzel leg aus beizukommen,
ohne anzugeben, wie er sich die Entwickelung der Bedeutung daraus
vorstellt. Aus dieser Wurzel Hesse sich höchstens 'die sich anlegende,
anschmiegende Pflanze' herausschälen, was allerdings einigermassen
nicht unpassend wäre; doch hat Raic sicherlich nicht daran gedacht,
weil ihn die Weinkultur der ihm bekannten Länder darauf wohl nicht
schliessen liess. Raic's Versuch ist indess lautlich missglückt, indem
sich daraus das z des Wortes nicht erklären lässt, da es (wegen o in
der Silbe vor der ursprünglich betonten Schlusssilbe) nicht zu jenen
gehört, wo g nach dem von J. Baudouin de Courtenay (Idg. Forschungen
IV. 46 f.) gefundenen Palatalisationsgesetze zu z werden müsste, bei
Annahme eines Suffixes Ja [ia] aber aus gja ein za entstehen würde.
Miklosich behandelte das Wort, ohne weiter darauf einzugehen, im
Lexicon pal.-gr.-lat. p. 343 s. v., wo er unpassend lit. lauzas 'abge-
brochener Ast' zur Verorleichung heranzieht, Avas wegen au nicht angeht
und wohl zu läuziu, läuzti 'brechen' gehört, dann im Et. Wtb. 174 f.,
wo er (175a) lit. läza 'Schaft' zur Vergleichung anführt, das jedoch,
wie schon Brückner (Lituslav. Studien I. 102) erkannt hat, aus poln.
ioze ist: loze w strzelbi 'Schaft einer Flinte' [= das Holz, in welchem
das Gehäuse und der Lauf des Gewehres eingebettet ist). Nehring
Slavische Wortdeutungen. 53
zählt (Idg. Forschungen IV. 402) das Wort loza unter jenen auf, deren
z noch nicht erklärt ist.
Das Wort hat in den slavischen Sprachen, in welchen es vorkommt,
verschiedene Bedeutungen. Im Kirchenslavischen bedeutet A03a:
1. Gerte Reis -/.Ifi^ia palmes, 2. Reisig y.lrjßarlg palmites, 3. Weinrebe
ai-iTcelog vitis, 4. an Bäumen in die Höhe gezogener Weinstock ava-
devÖQctg vitis arbustiva; die Ableitung JiosHie bedeutet: 1. Reiser /.Irj-
aava palmites, 2. Triebe, Schösslinge ßlaazol germina; 3. Weinreben
tcuTceloL vites, Weingarten ujUTtekiov vinea, 4. dürres Strauchwerk
fpQvyava sarmenta; die letztere Bedeutung hat auch das Derivat Jio-
3Hinne. Das Bulgarische kennt Jiosa 'Weinstock' und jiosiie 'Wein-
garten'. Im Serbokroatischen bedeutet loza 'Zweig, Schössling, Rebe,
Weinrebe, Schossrebe, Wald, Baumaterial'; lözovac ist 'Reis, dünner
Zweig, Rebe', lözovan 'voller Ranken oder Weinblätter', loznac und
loznica 'Art Erbsen, Fisolen, die sich hinaufrankt', loziti se 'sich hinauf-
ranken'; loznica 'wilde Rebe'. Im Slovenischen ist löza zunächst
'Ranke, Weinrebe', dann auch 'Wald, besonders der Niederwald', ferner
'Hain'. Im Slovakischen haben wir loza als 'Weinrebe zum Setzen'.
Das Grossruss. kennt .i03a als 'Ruthe, Reis, Zweig', BimorpuAHaa Jiosä
'Weinrebe'; jro3nHa, jioaoBmia = Jiosa, ji03fce 'Reisig' (gegenüber
Ji63be 'Weinreben' aus dem Kirchenslav.), jiosaHt 'Hieb mit der Ruthe'.
Im Kleinruss. findet sich .i03a als 'Zuchtruthe' und 'Korbweide, Ufer-
weide (Salix viminalis/; BiiHHa Ji. 'Weinrebe', Bepöojiis 'Lorbeerweide'.
Ausser in der Bedeutung 'Ruthe, Gerte, Birkenruthe, Zweig' und
'Strauch, Busch, Weinstock' kennt das Wort ioza in der Bedeutung
'Weide, namentlich Wasserweide oder Bachweide (siler)' auch das Pol-
nische, das auch loziyia 'Wasserweide' und 'Gebüsch, Gesträuch' be-
sitzt. — Welche dieser Bedeutungen ist die ursprüngliche? Ich glaube
von 'Ranke, Rebe' ausgehen zu müssen, wobei allerdings 'Rebe' noch
nicht im Sinne von 'Weinrebe' aufgefasst werden darf, welche Ein-
schränkung sicherlich erst später hinzugetreten ist. Aus 'Ranke, Rebe'
specificirte sich nämlich einerseits 'Weinrebe', andererseits entwickelte
sich daraus mit Bezug auf ihre technische Verwendbarkeit als Flecht-
und Bindemittel die Bedeutung 'Trieb, Zweig, Gerte, Reis, Ruthe'. In-
dem nun diese Gruppe entweder die technisch wichtigere Bedeutung
behielt, entstand daraus 'Weide', da dieser Baum oder Strauch bekannt-
lich am besten für das Flechten verwendbar ist, oder es ward, indem
die technische Bedeutung mehr in den Hintergrund trat, loza zu
54 K. ^trekelj,
'Ruthengesträuch, Strauch' in lebendem, 'Reisig, dürres Strauchwerk'
in abgestorbenem Zustande. Aus 'Ruthengesträuch, Strauch' haben wir
dann endlich den mit Schlingpflanzen zwischen Gesträuch und Bäumen
durchzogenen 'Niederwald', woraus zuletzt 'Wald' und 'Baumaterial'
(cf. Jitci.) ward.
Die Grundbedeutung ist also aller Wahrscheinlichkeit nach
'Ranke, Rebe'; die dem Worte für diese Bedeutung zugrunde liegende
Wurzel ist slav. lez (idg. legh)^ die wir in leza^ lesti 'klettern, steigen,
aufsteigen, kriechen" besitzen: demnach ist das daraus durch Ablaut
und das Suffix a gebildete loza 'die [mittelst Luftwurzeln oder Ranken
an anderen Pflanzen als Stützen] emporsteigende, kletternde'. Die
Erbse, die Fisole, welche in gleicher Weise an der Stütze emporsteigt,
heisst deswegen im Serbokroatischen loznac loznica, d.i. die loza-artige.
loza-ähnliche ; 'wie eine Rebe emporsteigen, sich hinaufranken' heisst
loziti se. Aus loza 'Ranke, Rebe' konnte sich bei den Südslaven loza
'Weinrebe' entwickeln, weil diese gleichfalls wild im Walde vorkommt,
hingeschlungen auf Sträuchern und Bäumen; bei den Nordslaven be-
schränkt sich das Wort aus begreiflichen Gründen mehr auf die Bedeu-
tungen 'Ruthe' und 'Weide'. Die Entwickelung der Bedeutung 'Ranke,
Rebe' zu 'Weinrebe', wie wir sie in loza sehen, findet sich auch anderswo,
wo die Weinrebe wie eine Art Liane die Bäume umzieht und ohne
Kultur Früchte hervorbringt. Schrader will daher das Wort 'Wein'
selbst auf die ursprüngliche Bedeutung 'Ranke, Rebe' zurückführen, in-
dem er vhium oivog vom armen, (/ini ans geni (aus *voinio) ableitet,
worin die im lat. vieo^ vhtiefi, slav. vith vorkommende Wurzel vei, vi
'sich winden' steckt, zu der griech. vir]Vj viöv rrjv äf.i7rsloj', viöv
avaÖEvd.Qäda (Hesychius), lat. vitis 'Weinstock' und die Bedeutungen
für 'Weide' griech. flrla gehören, so dass das armen. *voino (wovon
*voimo] ursprünglich den Sinn von "rankendes Gewächs, Weinstock'
gehabt hat, dann aber, als man gelernt hatte, ans den Früchten der-
selben ein berauschendes Getränk herzustellen, eine Ableitung davon
dieses Getränk selbst bezeichnet hat (Reallexikon 944). Aehnlich
haben die Deutschen ihr Hebe, mhd. rebe, ahd. reba specificirt, welches
auf eine Wurzel reb/t, deren Begriffskern 'Windung, Umschliessung' ist,
zurückgeführt wird (siehe Kluge, Etym. Wtb. s. v.). Ob nicht auch
griech. cifiTtsXog her gehört? Man bringt es jetzt (s. Prellwitz, Etym.
Wtb. der griech. Sprache S. 20; Lewy, Die somit. Lehnwörter im
Griech. 24) als ^anquelos zu ay-Avlog 'krumm', aind. ancati 'biegt',
Slavische Wortdeutungen. 55
ankuräs 'Spross, junger Schoss'. Aber warum sollte *cmquelos bald
t({.iTtsXog bald ay/.v)<.og ergeben? Ist nicht auTislog zunächst 'die sich
drehende, hinauf bewegende Pflanze' von dva und TtekofiaL 'sich drehen,
sich hin und her bewegen'? — Dass im Russischen und Polnischen die
Ruthe als Züchtigungsinstrument mit loza 'Rebe' bezeichnet wird, dazu
haben wir eine hübsche Parallele bei den Alten, indem die römischen
Centurionen statt des Stockes eine vitis mit sich führten und sie als
Züchtigungswerkzeug gebrauchten. Vgl. auch got. wlizjan 'züchtigen',
welches zu sAx.ßesc 'Ruthe, Gerte', slav. Uska 'Haselruthe' gestellt
wird; Cnrtius hat bekanntlich auch lat. verhera mit lit. vifbas 'Reis,
Ruthe' verglichen (Grundzüge ^ 351).
Formell ist die Annahme einer Wurzel lez als Basis von lezq-Usti,
laz^-laziti so zu beurtheilen, wie eine Wurzel sed als Basis für slav.
sed [sesti), sad^-sadiii oder ed als Basis für slav. ed^jed^jad.
Das bulgarische ji03HHi];a ^/J.lua^^ (Miklosich, Et. Wtb. 166a sub
lez) ist meiner Ansicht nach ein Derivat von loza 'Rebe, Ranke' : ur-
sprünglich war es wohl eine aus Reben oder Wieden geflochtene Leiter,
vielleicht nur eine Art Wiedenseil aus Schlingpflanzen mit durchge-
steckten Holzspriessein, kaum aber den heutigen Seilleitern vergleich-
bar. Es gehört im Etym. Wtb. unter lez-^ weil auch dessen Basis loza
hingehört.
7. Serbokr. mozdatiik, slov. moznik etc.
Serbokr. mozdanik 'Spundnagel, Radfelgennagel, der eine Felge
mit der anderen zusammenhält, Döbel', slov. moznik 'Döbel', moznikar
'Döbelbohrer', zamozka 'Radnagel', mozgaj 'Stückschlägel der Wag-
ner', cech. mozek 'u koläre dreveny hreb, kterym loukotl v ostrihu u
vnitr k sobe piipojeny jsou', poln. mozdzen 'kolek z twardego drzewa,
w obudwu koncach scienczony, ktörym si^ spajaja z soba dzwona köi u
wozu, tybel; embolus; swider do wiercenia otworöw w dzwonach kölr':
diese Wortgruppe (ohne das cech. Wort) lässt Miklosich im Etym. Wtb.
203b unerklärt. Nachdem solche Holznägel, wie Zapfen überhaupt,
zumeist aus dickeren Ruthen oder Zweigen, oder aus dünneren Aesteu
und sogenanntem Prügelholz verfertigt werden, denke ich, dass die
slavischen Wörter, die ein *mozgh voraussetzen, zu griech. /.looxog
'Spross, Zweig, Schössling, Ast' zu stellen sind, welch letzteres Hirt
(Ablaut 649, S. 132) auf ein *omozgho 'Spross' zurückleitet; vgl. be-
treß's des griech. Wortes auch die Ausführungen Osthoff"s in den IF.
56 K. ätrekelj,
VIII. 17. Lautlich lässt sich gegen die Zusammenstellung kaum etwas
einwenden: mozdanik beruht auf mozg-en-ikh , in moznik ist g wie
sonst in der Lautgruppe zgn (cf. brizniti, zdruzniti) geschwunden.
Was den Bedeutungswandel betrifft, so mache ich darauf aufmerksam,
dass auch das d. Stift 'Nager zu lat. stipes, welches 'Pfahl', aber auch
'Baumzweig' bedeutet, gestellt wird (cf. Kluge ^ s. v.).
8. Slov. ornica.
Dieses Wort wird mit 'Cynanchum vincetoxicum, Schwalbenschwanz^
gedeutet. Pletersnik hat es aus Letopis Mat. slov. 1882/83, S. 295, wo
es Erjavec (aus Bolc und Pluzna) mitgetheilt, Levstik aber mit aksl.
orhJiica 'geackertes Feld' verglichen hat, welches doch, der Bedeutung
wegen, ganz und gar nicht dazu passt. Das Wort ist in dieser Form
nur falsch erschlossen, indem der Aufzeichner dem dialektischen Worte
eine literarische Form geben zu müssen glaubte. Gehört hat er wohl
wrnica^ uPrnica (mit ^r für r), das nichts mit orati zu thun hat, son-
dern auf aksl. vred^ zurückgeht: unbetontes re der Formel tert-tret
wird, wie häufig in slovenischen Dialekten, zu r, das d fiel zwischen r und
n aus. Demnach würde die eigentliche literarische Form vrednica 'zel,
ki cell vred' lauten, ein Wort, welches in der That auch noch in dieser
Form vorkommt, aber nur für die Pflanze Veronica filiformis bezeugt
ist. Doch ist die Bezeichnung auch der Pflanze Cynanchum vincetoxi-
cum mit vrednica durch die Thatsache sichergestellt, dass das Masculi-
num davon, vrednik^ sowohl für Veronica wie für Cynanchum vorkommt.
Dem Cynanchum vincetoxicum, der Asklepias des Dioskorides, benannt
nach Asklepios, dem Gotte der Heilkunde, welcher zuerst die Heilkraft
dieser Pflanze entdeckt haben soll, werden seit alters giftbezwingende
Eigenschaften beigelegt, und früher war die Brechen erregende, und
daher bei Vergiftung geschätzte, schweisstreibende Wurzel (Giftwurz)
officinell (vgl. Leunis, Synopsis der Pflanzenkunde ^ 786, 787).
9. Serbokroat. piriti 'blasen'.
Miklosich hat im Et. Wtb. 247a, wo er serb. napiriti 'aufblasen',
pirkati 'pirka vjetar' anführt, über die Etymologie des Wortes nichts
angegeben und das Wort als sui generis im Wörterbuch figuriren lassen.
Doch hat es meines Erachtens etliche bekannte Verwandte. Warum
soll zunächst jömYe 'durchwehen, blasen, fächeln' von pyr-i (Et. Wtb.
Slavlsche Wortdeutungen. 57
269 b) bezüglich des Ausdrucks nozdrama razpyrenama 'mit schwellen-
den, d. h. aufgeblasenen Nüstern' getrennt werden? Und andererseits,
wenn man ein öech. pureti, poureti, pouriti se 'sich aufblasen', püra,
vzpoura 'Stolz, Anmassung', purtii/, zpurmj 'hochmüthig, trotzig, wider-
spänstig' findet, wo ofienkundig dieselbe Anschauung wie bei cech.
pycha, slov. napuh, serb. naclutost, d. Aufgeblasenheit (vgl. auch lit.
papüres 'aufgedunsen') vorliegt, ist es in der That nicht abzusehen,
weshalb man dieses Wort, obwohl es in den angeführten Formen nicht
in allen Sprachen auf derselben Ablautstufe erscheint, durchaus trennen
müsse von der Sippe cech.^?/r, pijr 'glühende Asche, pyreti 'schamroth
werden', poln. perz^ pyrzyna 'Loderasche' . . ., nachdem ja doch das
Compositum vpiriti im Serbokroatischen 'entzünden', pirjan 'gedämpf-
tes Fleisch', pyric aber im Oberserb. 'heizen' bedeutet. Das Entzünden
oder Anfachen des Feuers ist ja doch eine Folge des piriti 'blasen', ohne
welches ein Feuer, wenn man nicht moderne Zündmittel zur Hand hat,
nicht ins Leben gerufen werden kann: das Anzünden ist ja ursprünglich
ein Anblasen (= Anfachen) des durch Reibung erweckten Gluthkernes :
cf. nsl. upihati ogenj = zanetiti ogenj. Es steht demnach unser piriti
so ziemlich auf derselben Stufe wie ein griech. TtvQÖio 'anzünden, an-
stecken', und gehört demnach auch zu derselben Wurzel, wie die dem
griech. rtvQ, iimhr. pir, ahd.y^^^r, arm.//^7r, ir. ür 'Fackel' entsprechen-
den, bei Miklosich, Et. Wtb. 269b unter pyr-2 erwähnten slavischen
Ableitungen, z. B. : nsl. pit^ih 'Osterei', zapiriti se 'erubescere', c. py-
riti 'schamroth werden', pyj- 'glühende Asche', slovak. ^^yrewz'ce 'polu-
spälenä släma zo striech slamou krytych v cas poziaru vetrom zana-
senä', poln. perz 'Loderasche', os. pyric so 'im Gesichte glühend sein',
pyricky 'ribes rubrum' (nach der rotheu Farbe). Wie wir aber bei joe-
riti {:= *pyriti) in der Bedeutung 'blasen' im Slavischen auch eine Stufe
mit u vorgefunden haben (cech. pura, vzpoura, poureii . . .), so haben
wir neben upiriti 'anzünden' im Serbokroatischen auch ein puriti 'rösten
[Kukuruzkörner]', welches Miklosich im Et. Wtb. 276b als selbständige
Basis anführt und bei pyr-2 auf sie nur hinweist. Mit Rücksicht auf
das eben Gesagte ist diese Scheidung nicht nothwendig, da 'rösten'
[puriti) — namentlich wenn dies in einer eisernen Pfanne geschieht,
welche dabei glühend wird — und 'glühend sein' {os.pyric so, slov. zapi-
riti se, cech. pijriti) dieselben oder doch nahe verwandte BegriflFe sind.
Ueber Feuer-nvQ-pyr etc. vgl, Johannes Schmidt (Vocalismus 11.273 f.)
und Hirt (Ablaut 109, S. 39).
58 K. ätrekelj,
10. Serhokr. praska^ sloY. pt^ascika.
Das slov. prascika s. f. bedeutet den spitzblättrigen, wildwachsen-
den Spargel (asparagus acutifolius) ; neben prascika wird auch brscika
gesprochen (Letopis slov.Mat. 18S2/S3, S. 288). Levstik will an letzter
Stelle das Wort mit russ. 6opii],i., polu. barszcz^ slov. brsc etc. (siehe
unten unter szczudio] in Verbindung bringen. Dem widersteht die an
erster Stelle angeführte Form, die tiberdies im Wörterbüchlein Alasio
Sommaripa's aus dem J. 1607 auf Bl. 28a 'asparago prafchiche' bezeugt
ist. Da die beiden Pflanzen mit einander keine besondere Aehnlichkeit
zeigen, kann brscika wohl nur volksetymologische Umänderung von pra-
scika, eine durch Anlehnung an brsc. oder brst entstandene Form sein.
Sulek scheint in prascika den Stamm pras- (porcus : prastcfc, prase) zu
vermuthen, nachdem er das poln. prosinka 'Hypochoeris, Ferkelkraut',
eine gleichfalls mit prascika gar nicht verwandte Pflanze, vergleicht,
was auch deswegen nicht angeht, weil ja prascika kein eigentliches
oder Lieblingsfutter der Schweine ist. Wegen gänzlicher Verschieden-
heit der Pflanzen kann auch an eine Ableitung des Wortes \on praskva,
braskva 'Amygdalus persica' nicht gedacht werden. Es könnte indess
anderweitiger fremder Ursprung vermuthet werden, indem ja -ika auch
an Lehnwörter antritt, vgl. slov. lovorika, oljika, serbokr. motrika.
Hierbei könnten nur die ital. frasca und brasco in Betracht kommen :
ersteres bedeutet einen belaubten Ast, letzteres 'Art Besen aus Mäuse-
dorn' (Ruscus aculeatus, auch bruscus\ brascaglio Dorngebüsch, friaul.
brascaj). Gegen das erstere spricht der Umstand, dass Asparagus
acutifolius keine eigentlichen Blätter hat, indem diese mehr Fichten-
nadeln gleichen; gegen das zweite aber lässt sich die Thatsache an-
führen, dass unsere Pflanze, deren Name dort vorkommt, wo auch
die Slovenen gleich den Romanen den Mäusedorn zu Besen verwen-
den, niemals eine solche Verwendung erfährt, weil die nadeiförmigen
Blätter eines abgeschnittenen Zweiges sehr schnell abfallen und die
Pflanze selbst für eine solche Verwendung ganz unpassend ist ; übrigens
würde auch bei dieser Annahme der anlautende Consonant unerklärt
bleiben. Ich erkläre deswegen prascika als genuine Bildung, abgeleitet
von *prask^, praska^ welche Wörter wir im Serbokroatischen in der
Bedeutung 'Schössling, Sprössling' [prasak m.,praska{., prasce) finden
und die sm? pras knqti, pras kati ^krache-n, platzen, knistern, prasseln,
aufschiessen, anbrechen, plötzlich hervorbrechen, plötzlich erscheinen'
zurückzuführen sind ; das Verbum praskati in der Bedeutung 'kratzen'
Slavische Wortdeutungen. 59
ist, glaub icb, bei Seite zu lassen, wiewohl die Pflanze ausgewachsen
etwas kratzt. Einen Beweis für die Richtigkeit der angeführten Ab-
leitung finde ich in der Analogie des griechischen Namens derselben
Pflanze, do:rc(Qayog. Dieses ist nach Hirt mit a(paQaylof.iai 'mit lau-
tem Knalle zerplatzen, prasseln, zischeln', acpctQayog 'Geräusch', lit.
spragü, sprageti 'prasseln, platzen', ai. sphürjati 'brummen, dröhnen,
prasseln, von verschiedenen Geräuschen, z. B. dem des Feuers, auch
hervorbrechen, plötzlich erscheinen', ahd. sprähha^ lett. spregstu^ spregt
'platzen, bersten' verwandt (vgl. Hirt, Ablaut 253, S. 85 : spereg 'platzen',
bersten''). Sowohl aartccqayoq (vgl. auch ajraQydoj 'sprossen', äoTtä-
Qayog -/.Qccußi^g 'Kohlspross') als prascika sind demnach 'Sprösslinge,
Stocktriebe'. Da der Spargel sehr schnell wächst, gleichsam über Nacht
hervorbricht, ist er passend mit Ableitungen von Verben bezeichnet
worden, die 'bersten, plötzlich hervorbrechen, anbrechen' bedeuten.
11. Poln. szczudio, c. stidlo^ serbokr. stula^ scule
{p.szczehiel, c,. Hebel] slov. brst, c. hrost] p. harszcz etc., ksl. hljusth etc.).
Einige slavische Sprachen besitzen zur Bezeichnung des Begriffes
'Stelze' und 'Holzbein' neben mehreren anderen fremden und einheimi-
schen Ausdrücken auch ein Wort, welches urslav. stjudlo lauten
würde, gemeiniglich aber als Lehnwort angesehen wird. Im Polnischen
haben wir szczudlo 'hölzernes Bein, ein Mensch mit einem Holzbein,
Stelzengänger', szczudla n. pl. 'Stelzen', szczudlak^ szczudlik 'der
Vogel Himantopus' (wohl Neologismus) ; in Schlesien bei Troppau be-
deutet scudleJi^ scudlina jetzt 'Klee", scudlecisko 'Kleefeld' (Kott III.
851), während im Altcech. scidlo 'Stelzfuss', im Neucech. scidla^ stidla^
stihla, stihla^ stihla 'Stelze, Krücke', htidly^ study f. pl. 'Stelzen',
scidläk^ stidläk^ stihläk 'der Stelzentreter, Stelzuer, Stelzfuss (Pferde-
krankheit)' bedeutet (Kott passim). Im Serbokroatischen finden wir
(stokavisch) stula 'hölzerner Fuss', sttile f. pl. 'die Stelzen, grallae, ho-
dulje' (Vuk s. v.), (kajkavisch) scule 'hodalke ili stange rasohaste, na
keh se crez vodu ili blato prehagja, grallae' (Belostenec). Das klr.
myAJia n. pl. 'Stelzen' zeigt schon durch das (7, dass es aus dem Polni-
schen entlehnt ist.
Matzenauer (Cizi slova 320) vermuthet Entlehnung unseres Wortes
aus dialektischem südd.iS^M^/e/, xak^. studel, stuodel^ ahd. studal, stuo-
dal 'Unterlage, Pfosten, Säule", skand. studlnll 'Stütze"; den unbe-
greiflichen Uebergaug des st in sc [st) stützt er mit poln. szczehel, cech.
60 K. Strekelj,
Hebel, das er — allerdings zweifelnd — auf d. Stapel 'Stufe' zurück-
führt, sowie auf den Namen Szczepayi, Sfepan aus Stephanus. Miklo-
sich, der VG. I. 541 Matzenauer zugestimmt hatte, schweigt sich im
Etym.Wtb. 343 b sub studio über den Ursprung des Wortes aus, ja, er
erwähnt nicht einmal die schon bei Matzenauer angeführte stokavische
Form. In der Annahme fremden Ursprungs des Wortes folgte Matzen-
auer auch Korbut durch die Aufnahme des Wortes in seine Abhandlung
»Wyrazy niemieckie w jezyku polskim« (Prace filol. IV). Er stützt seine
Ansicht auf die Geschlechtsänderungdes Wortes (S. 495), die indess kaum
ein hinreichender Grund ist, nachdem sich dafür nur noch ein einziges
ähnliches Wort pudel-pucUo anführen lässt und nachdem das deutsche
Wort im Mhd. selbst nach Angabe der Wörterbücher ebensosehr als
Neutrum wie als Masculinnm gebraucht wird, wobei andererseits nicht
zu vergessen ist, dass auch ein einheimisches Wort, besonders wenn es
etymologisch unklar wird, leicht einem Geuuswechsel unterliegt. Eine
zweite Stütze für seine Ansicht findet Korbut merkwürdigerweise gerade
in dem unerklärlichen Uebergang des st in sc und führt dafür folgende
Analoga an, die ich in zwei Gruppen vertheile: Szczepan, szczygiel,
szczebiel — harszcz, hluszcz, moszcz, proboszcz.
Auf die zuerst genannten drei Wörter (Gruppe I) kann man sich
indess nicht mit Fug berufen, da ja vor ihrem palatalen Vokal nach Er-
weichung des t eben nichts anderes entstehen konnte, wie Korbut selbst
durch das Citat aus Baudouin's »0 ApeBHe-nojfcCKOM'L hbbik'S« § 113
zugibt : was von Szczepan, gilt doch auch von den beiden anderen Wör-
tern. Hierbei will ich gar nicht die Meinung unterdrücken, dass ja szczy-
giel einheimische Bildung sein kann, wiewohl mir nicht unbekannt ist,
dass jetzt Einige das früher aus dem Cechischen [stehlec, steJdik) abge-
leitete Wort als genuindeutsch ansehen, indem sie es — was ja stets
auch vom slavischen Wort geglaubt wurde — von dem Gesang oder Ge-
zwitscher des Vogels ableiten, aus welchem die Deutschen ein stichlit
oder ziflit herauszuhören meinen, wie Delbrück (Grundfragen der Sprach-
forschung 81) nach Winteler berichtet. Zugegeben, es sei dem so und
es seien aus d. stigeliz rieht bloss die von Miklosich, Et.Wtb. 342 an
zweiter Stelle angeführten slav. Wörter (nsl. stiglec, strglinec, kroat.
steglic u. s. w.), sondern auch das poln. szczygiel, wr. mHreüi,, klr.
mjeröji, grr. ni,er6jrx abzuleiten, so wäre doch die Abwerfung der Silbe
iz in den letztgenannten Sprachen auffallend, da ja dadurch das Wort
gerade an seinem Lautbilde verlöre, wiewohl Schlusssilbeu, die in den
Slavische Wortdeutungen. 61
entlehuenden Sprachen als Diminutivsuffixe aufgefasst werden, nicht
selten abgestreift werden. Ein polnisches *szczygliec wtirde, mein ich,
doch den Gesang des Vogels Carduelis elegans viel lautnachahmender
wiedergeben als szrzygiel\ daher dürfte denn die letztere Form die ur-
sprünglichere sein : der Slave hörte aus dem Gesang des Vogels ein sceg
heraus ; poln. szczygiel verhält sich hinsichtlich des Wurzelvokals zu
ii^eröji-B wie szczrjpka zu azczcpka 'Holzscheit'. Mag indess das ono-
matopoetische Wort auf slavischem oder deutschem Boden entstanden
sein, für unsere Frage hinsichtlich »6^ wird sc« bleibt es, eben weil es
onomatopoetisch ist, irrelevant.
Noch unsicherer ist der fremde Ursprung von poln. szczebiel
'Sprosse, Leitersprosse, Stufe', welches man von d. Staffel ableiten
will. Die Schwierigkeit liegt hier in dem e der Wurzelsilbe für das er-
wartete a\ solange dieses nicht aufgeklärt ist, darf mau das Wort nicht
als Beweismittel für sc = st im Polnischen anführen. Ich glaube mit
Miklosich, Et.Wtb. 320b, überhaupt nicht, dass szczebiel entlehnt sei;
es gehört vielmehr wie cech. stebel 'Leitersprosse' neben '■stebel 'Wagen-
leiter' zu einem alten stebVh. Im Cechischen entwickelte sich aus letz-
terem *stebl, *stebel^ *stebel, *stiebel, sciebel (in Mähren scebl 'sprysel,
spryncle') neben stebel^ stebel; gleicherweise ging im Polnischen nach
Erweichung des t vor dem Palatalvokal e die Lautgruppe st in sc über.
Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes 'das Feststehende, die Stütze,
der Stamm, Halm' unterlag verschiedenen Variationen, je nach der
Sache: 'Pfahl, Holzstück, Sprosse'. Von derselben Wurzel haben wir
kroat. spica, zbica aus "^sttbica 'virgula', slov. spica 'Holzstück, Split-
ter, Radspeiche', cech. stpice, stpice 'Radspeiche' ^), es. stpica^ stvnca
'Radspeiche', bulg. cnHu;a 'Radspeiche', russ. cnHii;a 'Speiche, Pfahl,
Pallisade, Splitter'. Hierher gehört auch os. slik 'Leitersprosse': es ist
entstanden aus *sthblik : als Uebergangsstufen haben wir anzunehmen
*sfblik, *sfwlik, "^sfwUk, *sticltk, *stclik, slik'^). Hinsichtlich des
1) Gebauer's Ansicht, Hist. ml. I. § 447. 1, dass cech. st'ptce aus d. Spitze
mit Anlehnung an scpieti sei, halte ich demnach für unrichtig; richtig ist viel-
mehr, dass sieh im Cech. das entlehnte sjnce aus d. Spitze an stpice 'Speiche'
anlehnte und die Form stpice, scpice annakm.
2) Hingegen dürfte o?>ox\). stabrtj: po stabrach khodzic 'auf Stelzen gehen'
(Pfuhl) kaum direkt zu steh- gehören, da hier der Wurzelvokal nicht ganz klar
ist; es heisst zwar nsl. steh^r 'Pfeiler, Stütze', ksl. CToeopi. 'Säule', welche Be-
deutungen genügende Anhaltspunkte für diese Ableitung böten; vgl. indess
die deutschen Wörter unter Staffel, Stapel und Stab bei Kluge, Et.Wtb.^;
62 K. Strekelj,
BedeutuDgsüberganges von 'Stamm, Pfahl, Balken, Holzstück' in 'Leiter-
sprosse' vgl. *lemez^^ acecli. lemiez 'tignum^, osorb. lemjaz 'Sprosse in
der Leiter und in der Futterraufe', nsorb. lemjas, remj'as id., was Mi-
klosich zu lit. lemenys^ lemü 'Baumstamm' stellt. Von 'Leitersprosse'
zu 'Stufe' ist der Uebergang ganz natürlich; aber auch 'Stelze' (poln.
szczehli heisst auch 'Stelzen') ist aus der ursprünglicheren Bedeutung
'Stamm, Pfeiler, Stütze' leicht abstrahirbar : die Stelze ist eben eine
Stütze, Treppe für den Fuss: Hus schalt die Prager, dass sie die Stelzen
nach deutscher Weise trepky (= Treppe) statt chody nannten.
Die von Korbut angeführten Wörter der I. Gruppe stützen dem-
nach seine Ansicht nicht, da ihr sc vollkommen berechtigt ist: sie bieten
kein Analogen für das anlautende sc aus st in dem angeblichen Lehn-
worte szczudlo. Aber auch die Wörter der IL Gruppe lassen sich nicht
dazu verwenden, abgesehen davon, dass wir in ihnen das sc im Auslaute
und nicht im Anlaute haben. Altes deutsches st ergab im Slavischen
wie im Anlaut, so auch im Auslaut gleichfalls st [st^]^ wie yva.'s, post
[posth]^ ahd. yas/fo, cech. mest aus vihsth (mustum), slov. mastiti für
fmstit/\ Ihsih für list zeigen; späteres deutsches st ergab (ausser ge-
legentlichem st im Sorb.) nur st: cech. angrest^ hanfest, hynst, kunst,
most, probosf, rest, rost, trost\ poln. areszt, fryszt, herszt, koszt,
kunszt, laszt, maszt, oberszt, reszta, 7'oszt, leberworszt, przezworszt ;
s\oY. ßrsf, frist, grust, kunst, most, rest, trost\ osovh.fersta, khumst,
most, röst, trost und utrö'st u. s. w. Diese Regel wird im Polnischen
durch zwei Wörter durchbrochen : moszcz aus d. Most und prohoszcz
aus d. prohost 'praepositus'; die ursprünglichen poln. Formen müssen,
nach den übrigen zu schliessen, moszt und proboszt gewesen sein.
Einen physiologischen Grund für den Uebergang des st in sc gibt es
nicht; dieser kann nur auf der Ueberführung des Wortes in die ?o-Dekli-
nation oder auf der Uebertragung aus Formen der Casus obliqui in den
Nominativ sg. beruhen. Die erstere Annahme ist nicht wahrscheinlich,
da man dann die Worte für bedeutend älter ansehen müsste als sie es
sind und man zugleich eine solche Wandlung auch in andern slavischen
Sprachen finden müsste. Es bleibt uns also nur der zweite Ausweg
wir haben also in stabry eher eine Koutamination eines entsprechenden
einheimischen Wortes, etwa *stebr'b mit d. Stab 'Stütze' vor uns. Ein anderes
osorb. Wort itela 'Leitersprosse, Radspeiche' gehört wohl zu d. Stelle neben
Stall, vgl. Kipjstall, gewöhnlicher Kipf stell (bayr. Wald) 'der Rungen stock
am Wagen (Schmeller-Frommann IL 745).
Slavische Wortdeutungen. 63
übrig, d. h.: diese Nominative entwickelten sich nach dem Lokal sg.,
resp. Vokativ sg. und Nominativ pl. ; im Lokal musste aus stc im Pol-
nischen scie, 6ce werden.
Anders als bei moszrz und prohoszcz steht die Sache bei den bei-
den anderen Wörtern der II. Gruppe, bei harszcz und hluszcz. Diese
kann man nicht auf die gleiche Stufe mit moszcz und prohoszcz stellen,
weil alle übrigen slavischen Sprachen, denen sie bekannt sind, im Aus-
laut ein ic, resp. darauf zurückgehendes s^, sl! besitzen. Diese Ueber-
eiustimmung aber beweist, dass die Lautentwickelung schon alt ist, dass
wir demnach im Auslaut mit Recht ein altes io zu suchen haben. Was
wir indess vor diesem ip anzusetzen haben, ist ungewiss, denn beide
Wörter sind bis jetzt etymologisch noch unklar. Bei harszcz zieht Mi-
klosich das d. hörst zur Vergleichung, als slavische Grundform nimmt
er (Et.Wtb. IIa) herstjü an, scheint also das Wort für einheimisch zu
halten. Auch Jagic (Archiv V. 692) hat sich für den slav. Ursprung
des Wortes erklärt und leitet es von *br^st^ 'Spross' ab. Dem wider-
spricht indess die klr. Form des letzteren: öpoext, für welche man,
wenn wirklich harszcz dazu gehörte, *borsth erwartete. Und merk-
würdigerweise finden wir auch im Cechischen hrost neben brofik 'puky
na listnatych stromech', für welch letzteres schon Matzenauer (Cizi
slova 119) d. Brofi^ mhd. hro^^ ahd. />ro^ 'Sprosse. Knospe, Blüthen-
knospe' angezogen hatte ; noch besser aber beleuchtet uns slav. hrost
— falls es nicht genuin ist, was ich indess momentan nicht sehr
glaube — das bayr. Alberbroßt neben Alherhroß 'junge Sprossen
der Alber (Pappel)', braßten neben broßen 'sprossen, hervorbrechen",
brotzen germinare (Schmeller-Frommann I. 365); das germanische
Wort hat übrigens auch ins Romanische Eingang gefunden, cf. Körting 2
S. 169, Nr. 158S (ital. Z/ro^za, frz. brout u.s.w.). Wir werden demnach
*br^st^ *brost von harszcz trennen müssen. Das slav. harszcz^ russ.
öopn],i), slov. hrsc^ cech. brst\ worin wir auch die regelrechte Vertretung
des silbenbildenden r (für altes ^r) sehen, wird zu d. borst, ahd. barst,
purst um so leichter gestellt werden können, weil noch heute d. Porst
dieselbe Pflanze bezeichnet wie das slav. Wort, nämlich 'Heracleum
sphondylium' (allerdings werden so auch andere Pflanzen benannt:
Ledum, Andromeda, Myrica gale). Nur ist im Slav. das Wort in die
{o-Declination übernommen worden. KarJowicz, Wyrazy obcego po-
chodzenia s. v,, denkt, da bei der bekannten Barszczsuppe noch andere
Pflanzen, sei es neben Heracleum sphondylium oder als Surrogat des-
64 K. Strekelj,
selben, so namentlich Brassica und Borrago, verwendet werden, auch
an Einmischung von bayr. Barsche 'Brassica napus' und d. Boretsch
'Borrago'. Dürfte eine solche Einmischung angenommen werden, waü
gar nicht nothwendig ist, so liönnte mau wenigstens fürs Cechische und
Slovenische, wo indess keine Barszczsuppe gegessen wird, eher auf bayr.
Berschkohl 'Brassica oleracea sabellica' (Schmeller-Frommann I. 280)
hinweisen. Auffallend ist das c der klr. Form öopyeBKa 'ßärenkraut'
für öopmeBKa; hier wird wohl eine Kontamination mit ßöpKii 'Backen-
bart', öopqacTHir 'behaart', slov. serbokr. brk 'Barthaar' den Wandel
verursacht haben ; beachte die Verwandtschaft des d. borst mit börste ;
Kluge 6 53b vergleicht dieses mit ai. bhrs-ti 'Spitze, Zacke, Ecke'; die
Pflanze hat spitze Blätter.
Was bluszcz betrifft, will es Karlowicz gleichfalls als Entlehnung
ansehen und vergleicht (Wyrazy obc. poch. 57 a) damit das d. blust.
mhd. bluost 'ßlüthe', wobei ihm allerdings der Bedeutungswandel nicht
klar ist; aber gerade auf diesen kommt es an. Das slavische Wort be-
zeichnet verschiedene Pflanzen: ein »asl.« ö.iiomTt wird im Lexicon
pal.-sl. mit 'Hedera helix' erklärt ;wie alt und woher das Denkmal ist,
kann man aus dem Cilat nicht entnehmen); slov. bljasc bedeutet die-
selbe Pflanze, daneben auch 'Bryonia alba' und 'Tamus communis';
serbokr. bljust^ cak. bljusc ist Tamus (Nemanic I. 9), kajk. bJju'sc er-
klärt Belostenec als 'Asparagus silvestris', womit wohl Tamus gemeint
ist; ns. blisc (aus bljuschc^ vgl. slov. blJus^c 'Bryonia', serbokr. bljusac
id. aus bljustac nach dem Genitiv bljusca aus bijustca) 'Epheu'; klr.
ÖJiiou];, grr. 6jiiou;tj neben njiiomi. 'Hedera helix', welch letztere Form
nach Miklosich, VG. II. 74, als 'plantae genus' auch nsl. vorkommen
soll, wo man für Tamus communis auch Ijusc spricht, wenn die Auf-
zeichnung richtig ist (Letopis Mat. slov. 1894. 23). Daraus ersieht
man, dass es namentlich drei Rankengewächse sind (Hedera, Bryonia
und Tamus), die mit blju'sth im Slavischen bezeichnet werden. Die
Blüthe des ersteren ist grünlich, die des zweiten grünlichgelb, die des
dritten grünlich, der Farbe nach also eigentlich gar nicht von der Blatt-
farbe verschieden, daher doch nicht auffallend. Ist es nun glaublich,
dass die Slaven ein fremdes, 'Blüthe' bedeutendes Wort sich zur Be-
zeichnung von Pflanzen ausgeliehen hätten, deren Blüthe so unscbein-
lich ist? Auf rora, welches in einigen Sprachen nach dem dial. d. Rose
die Blume überhaupt bedeutet, kann man sich da doch nicht berufen,
denn es werden damit doch immer nur auffällige Blumen und Blüthen
Slavische Wortdeutungen. 65
bezeichnet. Der hluost ist also nur dem äusseren Klang nach mit un-
serem Worte verwandt, beide Wörter haben mit einander ebensowenig
zu thun, wie etwa slov. mula 'Art Blutwurst' mit d. male 'Maul'.
Nachdem Tamus offenbar mit dem Namen bljustb erst nachträglich
wegen seiner Aehnlichkeit mit Bryonia (wie dies auch im Deutschen
der Fall ist, wo Bryonia als 'weisse Zaunrübe', Tamus als 'schwarze
Zaunrübe' bezeichnet wird) belegt wurde, und weil die beiden erst-
genannten Gewächse Hedera und Bryonia gütig sind, könnte man bei
hijusth an eine Ableitung von bVhvati., lit. blüvü^ Wzl. hhleu 'speien'
denken; doch ist dabei nicht zu vergessen, dass alle diese Gewächse
kletternde, sich windende Pflanzen sind ^). Mag nun die Etymologie
welche immer sein, das Wort gehörte schon in alter Zeit in die /o-De-
klination, kann also nicht mit Entlehnungen auf i^ oder mit moszcz,
proboszcz auf eine Stufe gestellt werden.
Hiermit wären alle von Korbut für sc aus 6^ vor u in szczudlo vor-
gebrachten Momente als gar nicht beweiskräftig abgelehnt. Andere
sichere Beweise dafür lassen sich kaum auftreiben ; denn auf aksl. stap^,
neben welchem auch ein stap^ vorkommt, darf man sich dabei nicht be-
rufen ; schon Zubaty hat im Archiv XVI. 4 1 4 gezeigt, dass das erstere
genuinslavisch aus *skepo ist, während das zweite als ein german.
Lehnwort angesehen werden muss. Slov. scap^ kroat. scap bei Ve-
rantius, auch Nemanic), kann indess nur dem ersteren, nicht aber diesem
letzteren entsprechen, das sein sf, resp. jüngeres st bewahren müsste.
Einzelne sonstige Fälle mit U für st im Cechischen und Slovakischen
beruhen auf Einwirkung der vielen s^'-Gruppen, in welchen dieses
berechtigt ist, und tauchen erst in neuerer und neuester Zeit auf, haben
daher keine Beweiskraft für 6c, st in szczudio^ scidla^ stula, scule^ wo
das sc [st] eben nicht auf eine einzige Sprache beschränkt ist. In-
folgedessen muss denn auch unser Wort anders erklärt und kann nicht
als Entlehnung aus d. Studel angesehen werden, wenngleich es mit
demselben aufs engste verwandt ist. Gegen die Entlehnung spräche
theilweise auch der Ausfall des d im Serbokroatischen, welches man, da
die Entlehnung sonst als sehr alt gelten müsste, wie in sekundären
1) Nachträglich ersehe ich, dass sich mit der Erklärung des Wortes
Berneker in den IF.X. 151 beschäftigt hat, der es in der That auf eine Wurzel
hheug (k) (ai. hhujdti, got. hiugan) zurückführt: *bheuktio 'sich biegendes, win-
dendes Gewächs. »Im Klr. steht neben bfusc auch bVus aus *hhetikio 'Solanum
dulcamara, Bittersüss', bekanntlich ebenfalls eine rankende Pflanze.«
Archiv für slavische Thilologie. XXVII. 5
66 K. Strekelj,
Gruppen nicht missen sollte; doch will ich darauf kein zu grosses Ge-
wicht legen, da man ja auch ein slov. und eak. välje 'sofort, direkt' aus
X)^ dhlje hat. Meines Erachtens haben wir szczudto und dessen sla-
vische Verwandten auf urslavisches *stjudlo zurückzuführen, welches
regelrecht einem idg. * stheu-dhlom von der Wurzel stliu entspricht :
'das Mittel, etwas zum Stehen zu bringen, es zu stützen. Stütze'. Aus
der gleichen Wurzel haben wir, allerdings auf verschiedenen Ablauts-
stufen, ai. sthüläs = sthüräs 'stark, dick, mächtig, gross', griech. orv-
Xog 'Säule, Pfeiler' von ormo (wie avrjkrj von ora, sthä stehen), ferner
aind. sthüna, avest. stüna 'Säule'; aus dem Germanischen gehört hier-
her nhd. stützen, ahd. (untar) studen, aisl. stydj'a 'feststellen, stützen',
wozu ags. stuäu, studu 'Pfosten', engl, stud, Schweiz, stud, an. stod^,
mit -^7o-Suffix an. studtll 'Stütze', mit -^/-Suffix av. stufhli, ahd. stollo
aus stulla von stud^lo 'Stollen', stollon 'fundare', stulla 'Haltepunkt',
Stullen 'sistere', gistullen 'stehen bleiben' gestellt wird; vgl. Sievers in
den IF. IV. 338 f., Hirt in den IF. XH. 195 f.. Kluge ^ s. stützen.
Schliesslich bemerke ich, dass allen deutschen Wörtern die Bedeutung
'Stelze', die sich allerdings hätte daraus entwickeln können, heute we-
nigstens abgeht. Auch slavisch *stJud,lo scheint diese Bedeutung nicht
von Haus aus gehabt zu haben. Wir haben oben gesehen, dass die Be-
deutung 'Stelze' auch bei slav. Wörtern eintritt, die auf stebh, stehVh^
sthhlh beruhen, deren ältere Bedeutung ausser 'Pfeiler, Ständer' auch
'Stamm' und 'Halm' ist. Das gleiche scheint nun auch bei *stjudlo der Fall
gewesen zu sein ; wenigstens weist die Bedeutung des Wortes scudlek in
Schlesien als 'Klee', scudlecisko als 'Kleefeld' darauf hin; ich sehe
nämlich darin nichts anderes als die Pflanze, die zwischen den scudla,
den Halmen des abgemähten Getreides, den Stoppeln, aufwächst, indem
bei einer rationellen Kleekultur der Klee zwischen das Getreide gesäet
wird und dann erst nach der Getreideernte zum Vorschein kommt.
Der Grund dafür, dass *sfjudlo im Cechisclien und Serbokroatischen
feminin geworden ist, ist in der Verknüpfung des Wortes mit dem femi-
ninen BegriflF wo^a 'Bein' zu suchen, indem es jetzt als 'Holzbein, drevenä
noha' eben am häufigsten angewendet wird. Der üebergang von scidla,
stidla in scihla erklärt sich dadurch, dass das Wort nach Verdunkelung
des Etymons unklar und nach Aenderung des Genus nicht mehr von den
c/Zo-Formen gestützt ward; vergleiche über ähnliche, auch in anderen
slavischen Sprachen nicht ungewöhnliche Lautabwechslungen Gebaner,
Historickä ml. I. § 323. 3.
Slaviflche Wortdeutungen. 67
12. Bulg. sep^ (mena); südslav. mka.
Miklosich setzt im Et.Wtb. 338 a für bulg. sep^ 'Handvoll' eine
Grundform seynpa an, indem er im Bulgarischen einen Nasalvocal ver-
muthet, gestützt auf die im Bellum troj. vorkommende Form uja^R'ki
(Starine III. 102: aSTv a^^mt^ eiuioy TpH ^voAid 3AaTa . . . noKa3d
HiuiTv rpH iij;!^^^ pA^Ko;^ = dabo ei tres valles(?) auri . . . ostendit
eis ter volam manus, TpH /v,c>A'ki = TpH ui^^n'Ki); vgl. auch Lexicon
palaeosl. gr.-lat. 1139 sub uj/^na. Das jetzt dafür im Bulgarischen
gebräuchliche Wort lautet sep^ (mena). Wie haben wir uns dieses,
wie Hi;i^nnvi des Bellum troj. zu erklären? Liegt wirklich im Worte ein
Nasalvokalreflex ? Das Wort ist, was Miklosich entgangen ist — wahr-
scheinlich eben wegen der Ansetzung des Nasalvokals — auch sonst den
Südslaven bekannt, allerdings hat es in deren Sprachen nicht den für
altes q erwarteten Reflex f, sondern nur a nach s. Die Slovenen sagen
scqy 'Handvoll'^), säpniti 'z roko udariti (mit der Hand schlagen),
schlagen überhaupt', sapati 'sanft schlagen, am Tage der unschuldigen
Kindlein schlagen' (davon das kärnt.-d. tschäp'n id.); ferner kennen
die Slovenen auch, sowie die Serbokroaten säpta 'Pfote', wobei zu be-
merken ist, dass 'Pfote' und 'Hand' im Grunde dieselben Begriffne sind
(cf. bair. Pfotschen^ Pfuetschen 'Pfote, Hand' bei Schmeller-From-
mann 1.455); auch noga war ursprünglich nur 'Kralle': skr. tiakhö^
lit. nagas 'Kralle', was noch theilweise in noghth 'Nagel' vorliegt.
Wir finden also im Serbokroatischen und Slovenischen für Miklosich's
vermeintlichen Nasalvokal in den der Bedeutung wegen unleugbar zum
bulg. sep^ gehörigen Wörtern ein a\ dieses könnte zwar in einigen
wenigen slov. und kroat. Dialekten , nirgends aber auf serbischem Ge-
biete auf e beruhen, daher man annehmen muss, dass auch im bulgari-
schen Worte der Vokal a das ursprüngliche ist und man auch dort,
entsprechend der serbischen Betonung säjia, eiust sapä gesprochen hat.
Unbetontes a ergab nun dort den unbestimmten Vokal (e = ?.), welcher
mit bulg. ;^ zusammenfiel, daher denn die Schreibung iij;i^n'ivi (ge-
sprochen s^pi) im Bellum troj. Wie kommt man aber von sapä zum
heutigen sep^ ? Nach Zurückziehung des Accentes, die wir annehmen
1) Die Zusammenstellung Pletersnik's mit oscapeÄ; 'Prise' ist unrichtig;
dieses beruht auf skhp, stbp-, was scepec, scepek beweist, 'was mit den Fingern
erfasst werden kann', cak. scäpac 'quod extremis digitis comprehendi et te-
neri potest': die 'extremi digiti' sind noch lange keine 'Handvoll'.
5*
68 K. ^trekelj,
müssen, ward aus mpä zunächst säpa, dieses aber ergab — wie aca-
^locTb : >Kijioc, BO;i;'£Hiwäpfc : Bo;i,enHqtp, OBtqapL : OB^ip, mäpaH'L :
mipan, mäpKa : m^pKa — zunächst seap^ (mlna), daraus im nom. plur.
vor hellem Vokal der nächsten Silbe memi, und endlich ward e aus dem
Plural auch in den Singular {>ep^ (mena) übertragen. Ueber die Ety-
mologie des Wortes kann ich, nachdem slov. sapniti, sapitt, sapati'^)
in der Bedeutung 'fassen, erfassen, schnappen, haschen, nach etwas
langen' zu ksl. chapiti^ chopiti 'amplecti, prehendere' im gleichen Ver-
hältniss zu stehen scheint, wie osahen, osavati, osajati zu cJiahiti (vgl.
oben die Fussnote bei Nr. 1), nur die Vermuthung aussprechen, dass
sapa zu chapiti^ chopiti zu stellen sei. Die Bedeutung wäre dann 'das
ergreifende, packende Glied'; vgl. rqka^ welches zu lit. renkii 'sammle,
lese auf gestellt wird. Von dem gleichen sap-^ welches dem sapa zu
Grunde liegt, lässt sich mit Suffix ka^ vor welchem p ausfallen musste,
dann auch mka 'Handvoll, manipulus' ableiten, das in den südslavischen
Sprachen vorkommt.
13. Slov. ternjak^ tirnik.
Heute bedeutet das im Küstenland gebräuchliche Wort 'Brot aus
gemischtem Getreide' und 'Brot aus Speltweizen'. Dass keine dieser
Bedeutungen die ursprüngliche sein kann, ist augenscheinlich, denn was
immer für ein Stamm dem offenbar mit j'aki abgeleiteten Worte zu
Grunde liegen mag, nirgends lässt sich einer finden, der 'Mischgetreide'
oder 'Speltweizen' oder etwas ähnliches bedeutete. An Entlehnung des
Wortes lässt sich kaum denken, auch Ableitung aus einem Lehnworte
ist mit Suffix ya^'* nicht leicht möglich. Meines Erachtens bedeutet das
Wort ursprünglich 'Kleienbrot', und da könnte man allerdings bei der
Beschränktheit des Wortes auf den slovenischen Westen an Entlehnung
aus dem Ital.-Friaul. denken und etwa an ital. intiero, friaul. intir 'in-
tegro, che ha tutte le sue parti' verfallen, also gleichsam ein Brot, das
alle Bestandtheile des gemahlenen Getreides, d. h. Mehl sammt Kleien
enthält, ein semucan hieb 'ex farina varia, non cribrata', wie ihn der
Kroate Istriens (Nemanlc HI. 4, = vsemucan) nennt. Bezeichnender
für die Sache ist jedoch, wenn deren Name zugleich das Hauptcharak-
teristikon enthält, und das hat ternjak, tirnik^ ohne dass man eine Ent-
I
') Davon ist natürlich das küstenländische cdpiti, 6dpiti aus ital. dial.
ciapare, friaul. chaj)d [capere) zu trennen.
Slavische Wortdeutungen. 69
lebnung anzunehmen braucht: das Charakteristikon der farina non cri-
brata sind die Kleien, die durch das Mahlen nur zum Theil verrieben,
zum Theil aber als schärfere oder spitzige Splitter und Spreu im Mehl
verblieben sind, als tirine [terne\ tirme [terme) von tira^ tera aus der
Wurzel ter (ksl. twq^ treti)^ lat. ter^re 'zerreiben'; vgl. slov. fcrnira
'Spreu winkel auf der Dreschtenne', terki 'Spreu', terinje 'Brechelsplitter,
Heuicht, Heublumenbrösel', welchen die Kleien besonders im Spelt-
weizen- und llaferbrot sehr nahe kommen : »Oh ceren, ceren je zares,
Iz njega gleda polno rös« sang von letzterem unser Valjavec, als er
noch dichtete und nicht ausschliesslich philologisirte.
14. Serbokroat. ti^om.
Nach Vuk Karadzic bedeutet das Wort 'schwerfällig, tardus, gravis',
andere Lexica umschreiben es mit 'träge, faul, schwerfällig' oder mit
'träge, lass, lässig, schwerfällig, phlegmatisch'. Die eigentlichen Slo-
venen kennen das Wort nicht; bekannt und allgemein in der Bedeutung
'faul, träge' verbreitet ist es hingegen bei ihren unmittelbaren Nach-
barn, den Kajkavci. In Miklosich's Vgl. Gramm, II. und im Et. Wtb.
wird es nicht erklärt, soviel ich ersehen konnte. Daniele, Osnove 27.
leitet es auf eine Wurzel tram 'drhtati' (tremere) zurück. Diese Ablei-
tung kann kaum ernst genommen werden ; schon die Bedeutung spricht
dagegen : ein fauler, träger, schwerfälliger Mensch hat ja nicht das
Charakteristikon des Zitterns an sich. Das Wort ist anderen Slaven
unbekannt; der Grund davon wird in seiner Form zu suchen sein.
Meines Erachtens haben wir darin ein part. praes. pass. TKpCM'K von
Tbp;^, Tp'kTH vor uns: 'der gerieben, gedrückt wird', daher 'schwer-
fällig' und weiter 'lässig', zuletzt 'träge'. Das part. praes. pass. wurde
von den Slaven bekanntlich fast ganz aufgegeben; zumeist haben
sich nur Trümmer davon erhalten, natürlich jetzt in der Geltung von
Adjektiven (cf. pitom, lakom, vedom, vidom, znam etc.); ein solches
Truram ist auch unser trom. Der Schwund des * ist ganz regelrecht,
sekundäre Erneuerung nach praes. tärem etc. konnte nicht eintreten,
weil das Gefühl des Zusammenhangs von trom mit der Wz. ter früh
verloren gegangen war. — Das irische trom 'schwer, drückend', tromme
'Schwere' ist trotz der ähnlichen Bedeutung von unserem Wort fern zu
halten, da es auf ^truchmos beruht (Stokes-Bezzenberger, Urkeltischer
Sprachschatz 139); der Gleichklang ist nur zufällig.
I
70 K. Strekelj,
15. Slov. tvestij tvezem.
Das Wort tvesti, tvezem^ welches Miklosich im Et.Wtb. 366 a als
selbständige Bildung angeführt, weiter aber nicht erklärt hat, bedeutet
'binden, heften, knüpfen, anhängen, anheften : tvezti se na koga, na
izprijene zenske', ferner 'albernes Zeug reden'; tvezati 'hängen' (srce
na kaj das Herz an etwas h.); tvezeti 'hangen, angebunden sein: vol
tvezi'; fvez 'das Holzband, der Gürtel, die Borte, der Streifen; breitere
Spitzen in die äussere Seite der Frauenärmel eingenäht'; tveza 'das Band,
das Hängeseil ; tveze = cipke Spitzen, eitles Geschwätz (bes. etwas, was
man einem anbinden will)'; pretvesti 'an einem andern Ort oder anders
anbinden', 'vorschützen, vorwenden'; pritvesti 'anbinden', natvesti
'anbinden' (srce na kaj, sein Herz an etwas hängen; natv. komu kaj
jemandem etwas anbinden, anhängen, zuschreiben); otvesti 'umbinden,
anhalsen, mittelst eines Seiles oder einer Kette anbinden'; otvezen pes
'Kettenhund', otvesti koga nase 'jemanden ins Schlepptau nehmen';
otvQza 'Seil, das einem Thiere um den Hals gelegt wird' (Pletersnik).
— Das Wort ist etymologisch nichts anderes als das ksl. KAS;?», K/äcth
'befestigen, firmare ftrjypvvai: rH'R3^i,C» iiTHi^a BA.SfT'K, serbokr.
vesti, vezem 'sticken' (eig. anbinden, anknüpfen) etc., also die dem ge-
meinslavischen vezati^ v^znqti, vezeti zu Grunde liegende Form. Schon
die Grundbedeutung 'anbinden = befestigen', die in allen Ableitungen
und Kompositen fort und fort wiederkehrt, sollte vor der Aufstellung
eines selbständigen tvesti im Etym. Wörterbuch warnen. Miklosich
nahm offenbar Anstoss an dem anlautenden t. Dieses ist aber (wie b im
serbokroatischen biskati 'Läuse absuchen', oder im slov. bimckati aus
obimckati = obimati 'umarmen', oder im cech. bafmiti 'lammen' aus
obahniti^ oder wie ,d in dresiti 'die Garben auflösen' aus od-resiti oder
raz-d-resiti) der Auslaut eines Präfixes : aus otvezem wurde otvesti,
indem nur o, nicht aber of als Präfix angesehen ward, das" t zum Stamme
geschlagen und so statt vez nun tvez als Stamm angesehen, wovon dann
weiter pritvesti, natcesti, vtvesti, pretvesti abgeleitet, ja durch Kreu-
zung das t sogar in alie Bildungen vez, veza, ovoza hineingebracht
wurde: tvez, tveza, otvoza. Diese Bildungen mit t im Stammesanlaut
traten offenbar erst auf, als das selbständige ot~o durch Analogie von
nad, pred, pod u. s. w. schon längst zu od geworden war und ot in
otvesti (wie in otrok) nicht mehr als 'los', 'weg' (losbinden), sondern
nur als o 'um' (umbinden, ein Seil umwerfen) gefühlt ward.
Slavische Wortdeutungen. 71
16. ZUU.
Das Wort geht auf ein urslavisches *zelh%^ resp. *gelbü zurück,
was die ganz übereinstimmenden Formen der slavischen Sprachen be-
weisen: ksl. ^KA'tK'k 'canalis'; slov. zUb 'Rinne, Vertiefung zwischen
zwei Flächen; Krippe im Stall; Furche zur Ableitung des Wassers,
Mulde, Kanal; längliches Thal zwischen zwei Bergen, Bergschlucht',
zlebiti 'mit einer rinnenartigen Vertiefung versehen, auskehlen', zlebnik
'Hohlziegel, Falzhobel'; serbokr. zlij'eb^ zdlijeb 'Rinne; Rille, Spur;
Kehle, Winkel; Mahlrinne', zljehiti 'aushöhlen, kehlen'; cech. zlab (bis
zum XIV. Jahrh. noch zleb)^ zlibek, zläbek 'Rinne, Wasserrinne, Wasser-
leitung, Röhre, Kanal; Quelle; Trog, Krippe im Stalle; enges Thal,
Mulde, Thalschlucht, kleiner Hohlweg', üzlebi, üzlabi 'Wasserkanal,
Rinne, Flussthal, Hohlweg', zlabiti 'höhlen, falzen, kehlen, zlabina
'Viehtrog', zläbkovec 'Kehlhobel'; russ. ate.ioöx, acojioö'B 'Rinne, Gosse;
Krippe'; 2Ke.io6HHa 'Vertiefung, Aushöhlung'; »tejiHX, ato.iH'B, jk6joh%
'Krippe, Viehtrog' (aus ate-iÖHt : 7>, h, v fiel vor n und überhaupt Con-
sonanten aus, cf. gynqti aus g^bnqti, konh aus kobnh\ das zweite o in
atojOHi. ist durch Analogie hervorgerufen), acsjioÖHTfc 'auskehlen';
klr. aiojroö 'Krippe, Rinne, kleiner Brunnen, Bach', atdoduTH
'meisseln, aushöhlen', acojroöima 'Rinne, Bett des Flusses'; poln.
zlöb^ zlobek 'etwas nach der Länge Ausgehöhltes, Ausgekehltes,
Rinne; Mahlrinne; Kerbe; hohler Einschnitt ; wgJebienie na boku gory ;
Krippe', ilobkowac^ ztowic (für zlobic) 'aushöhlen, auskehlen' ; os. zlob
'Rinne, Riefe; Vertiefung; Thalgrund; Krippe, Trog', ziobic 'rinnen-
förmig aushöhlen' ; ns. ziob 'Krippe'. Miklosich, Et. Wtb. 407 b, theilt
diese Gruppen in zwei Abtheilungen, in solche, die auf zelbii, und in
solche, die auf zolb7> zurückgehen, ein Vorgang, der nach den heutigen
Kenntnissen von dem Schicksale der Lautgruppe zeit nicht am Platze
ist. Das cech. Hab gibt keinen Stützpunkt dafür, da es verhältnissmässig
erst jung, aus zleb entstanden ist (vgl. Gebauer, Hist. mluvn. I.
§ 157. 3); andererseits ist das von Miklosich angeführte poln. Heb
(statt ziöb) meines Eruchtens nur aus einem alten Lokal zlebie er-
schlossen. Bei Linde finde ich kein Heb verzeichnet. Aus Miklosich's
Schlusssatze I.e. »Man vergleiche d. kerbe Einschnitt und beachte poln.
karb Hobkoivaty hohler Einschnitt« wäre man geneigt zu schliessen,
dass Miklosich hiermit eine Verwandtschaft des slav. Wortes mit dem
d. Kerbe vermuthet habe. Da jedoch dieses auf eine Wurzel mit an-
72 K. ^trekelj, Slavische Wortdeutungen.
lautendem h [kerf^ ags. cyrf 'Einschnitt', engl, carve 'schneiden') zu-
rückzuführen ist, passt dazu die slav. Urform *gelh% nicht. Wohl aber
entspricht dieser ein anderes d. Wort, nämlich mhd. Harn, gen. klammes,
'Krampf, Beklemmung, Fessel, Klammer, Klemme, Einengung, Klamm,
Bergspalte, Schlucht, Giessbach in Felsspalten', klambe 'Klemme,
Fessel'. Diese deutschen Wörter gehen nach Hirt (Ablaut 275, S. 87)
auf eine idg. Wurzel g^^eleb 'umfassen, helfen' zurück, welche wir auch
im lit. gelbu, yelheti 'helfen', in anderer Ablautform glebiu, glöhiu 'mit
den Armen umfassen' finden, wozu Hirt 1. c. auch ahd. clüd,ftra 'Mass
der ausgespannten Arme' stellt. Aus g^eleb entwickelte sich im Slavi-
schen, indem nach Hirt's Lehre e in die Schwundstufe trat, ganz regel-
recht gelb, die Wurzel unseres *gelb^. Unser zleb^ bedeutete also zu-
nächst 'die Umfassung', 'das von Seitenwänden eingeschlossene', 'die
Einengung' ; zur Bedeutung des d. Wortes 'Klamm, Bergspalte, Schlucht,
Giessbach in Felsspalten' — vgl. auch cymr. ty7io 'Thal' aus *[s)tenovo,
womit orevög, oreivög 'eng, schmal', xa oxeivh 'Engpässe' zu-
sammengestellt wird — stimmen ja die slavischen Bedeutungen wie :
'längliches Thal zwischen zwei Bergen, Bergschlucht, Thalschlucht,
Flussthal, Hohlweg, Wasserrinne' vollständig, indem 'die Thalschlucht,
der Hohlweg' das natürlichste Wasserrinnsal bildet, wobei andererseits
eine solche Wasserrinne den kürzesten Weg aus der Ebene ins Gebirge
zeigt und ihre Bezeichnung häufig dann den Begriff 'Gebirgsweg, Ge-
birgspfad' annimmt: vgl. hw\g, poteka 'Pfad' (n;RTfKa, siehe Asböth
im Archiv XXV. 576 ff".), lit. täkas 'Pfad' zu tekü 'laufe, fliesse'. Um-
gekehrt können aber auch Bezeichnungen für den Begriff 'Weg, Pfad'
in den Begriflf 'Rinnsal' umschlagen: vgl. alb. vi, vije 'Rinne, Furche'
aus lat. via] slov. klanec bedeutet nicht bloss 'Hohlweg, Dorfgasse',
sondern auch 'Rinnsal eines Baches, Bachfahrt', und wenn im Serbo-
kroatischen klanac ausser der Bedeutung 'Engpass' auch die von 'Koth'
hat, so ist diese letztere nur dadurch erklärbar, dass im Engpass eben
Wasser rinnt, wodurch das Erdreich darin zu Koth gewandelt wird.
Graz. K. Strekelj.
73
Zur Geschichte der serbischen Deklination.
Unter den slaviscben Sprachen nimmt die serbische mit ihrer De-
klination eine besondere Stellung ein. Während die Geschichte der
Casusformen anderer slaviscben Sprachen hauptsächlich in der gegen-
seitigen Beeinflussung, in dem Wechsel der Casustypen besteht, zeigt
die serbische Sprache neben dem Wechsel nach Analogie noch eine
Reihe anderer Processe, durch welche ganz neue, in keiner übrigen
slaviscben Sprache bekannte Casusendungeu hervorgehen, die der
Sprache einen originellen Charakter verleihen. Das sind die Anhängsel
-/, -e, -a. Die beiden ersten Anhängsel wurden in den altserbischen
Denkmälern (XIV. saec.) beinahe für alle Casus angewendet, in der
modernen serbischen Sprache hat sich -e erhalten nur in D, L^, D^.
Wie damals die Anhängsel -/ und -e, so hat in der Gegenwart das An-
hängsel -e nicht ganz die normalen Casusformen zu verdrängen ver-
mocht. Dagegen hat das Anhängsel -a, vom XIV. Jahrh. angefangen,
stufenweise sich der Position der Endung -^ bei den nominalen o- und
a-Stämmen bemächtigt, bis diese Endung zuletzt ausschliesslich wurde.
Diese neuen Formen gaben schon öfters den Forschern Anlass,
nach dem Grunde ihrer Erscheinung zu fragen. Das Anhängsel -e ver-
suchten einige (z. B. Majkov, Hcxop. cep6. «3. 684) durch die auf dem
Suffix -ML ruhende Betonung, andere iz. B. Jagic, Podmiad. vokaliz.
Rad IX. 125 — 126) durch besondere Bedingungen der sogenannten
sekundären Vokalisation, die dritten (z. B. Sobolevskij, Hscji^a- Bt 06.1.
pyccK. rpaM. 49 flf., iIeKii,iH 2 140) zum Theil durch Betonung, zum Theil
durch die Aufstellung einer urslav. Endung *me, die vierten (z.B.Oblak,
Die Halbvocale, Afsl. Phil. XVI. 183) durch das Bestreben, die Harmonie
der Silbenzahlen zwischen den verschiedenen Casusendungen herzu-
stellen, die fünften (z. B. Resetar, Primorski lekcionari S. 79) durch
das Bestreben, die alte Betonung an ihrer Stelle zu bewahren, die
sechsten (z.B. Belic, üpHjtomi^H HCTop. caan. jesHKa, T^iac LXII, 210 flf.)
durch eigenthümliche Beeinflussung seitens der Partikel -re zu erklären.
Wahrscheinlich infolge ihrer geringeren Verbreitung lenkte die Endung
-mi (also mit dem Anhängsel i) nicht in gleichem Masse die Aufmerk-
74 G. Iljinskij,
samkeit der Gelehrten auf sich, dennoch auch diesbezüglich wurden
verschiedene Ansichten laut, Resetar a. a. 0. nahm die Analogieüber-
tragung von 13 an, Belic a. a. 0. suchte den Grund in der Beeinflussung
seitens der Form des Pronom. tcij^ ovaj. Was das Anhängsel -a des
Gen. plur. (G^) anbelangt, mag auf die Erklärung Hattala's (Pocetne
skupine, Rad IV. 158): aus dem indogerm. -säm^ Schleicher's (CKJiOHe-
Hie ocHOBi) Ha -m, S, 11): aus der Flexion L^, Jagic's a.a.O. 154 — 156:
aus der sekundären Vokalisation, Baudouin de Courtenay's (Recens. auf
Jagic's Abhandlung S. 16 — 17): aus dem betonten -x, Brandt's (Ha-
^epTanie ciias. AKii,eHTOJioriH S. 101): aus der Beeinflussung der se-
kundären steigenden Betonung, Möhl's (MSL VI. 187 — 193): aus der
Analogie G^ der Nominalstämme -i. und -o, Oblak's (Zur Gesch. der
nomin. Dekl. im Slovenischen Arch. f. sl. Ph. XII. 439 — 440): aus der
Wechselbeziehung dreier Faktoren : 1) der Einsilbigkeit der Formen G*"',
2) der Betonung am Schluss des Wortes, 3) der Beeinflussung von -ma
in D^ P L3, endlich Resetar's a. a. 0. 122 — 123: aus dem Bestreben
der Sprache, die alte Betonung auf der Endsilbe zu wahren — ver-
wiesen werden, um zu zeigen, dass auch die Frage über die Genitiv-
endung -a noch immer nicht gelöst ist.
Wir wollen nicht jeden einzelnen der aufgezählten Erklärungsver-
suche einer Prüfung unterziehen, betreffs der Anhängsel -i und -e unter-
zog sich dieser Aufgabe vor kurzem Prof. Belic. Wir möchten nur be-
merken, dass uns auch sein Erklärungsversuch nicht einleuchten will.
Er glaubt nämlich, dass infolge des fortwährenden Wechsels zwischen
re und rh sich im Bewusstsein des Sprechenden die Vorstellung gebildet
habe, es sei die kürzere Form ursprünglicher als die volle -re und es
habe die Auffassung der Partikel re als aus r -\- e entstanden Platz ge-
griffen. Der Partikel re habe sich die Sprache vorbildlich bedient, als
sie das Bedürfniss fühlte, die Silbenzahl der einsilbigen (resp. zwei-
silbigen) Casus mit derjenigen der zwei- (resp. drei-; silbigen auszu-
gleichen.
Gegen diese, mir sehr künstlich vorkommende Erklärung lässt sich
nach meinem Dafürhalten folgendes einwenden: 1) Wenn die Erklärung
Belic's richtig wäre, so würden wir die den serbischen ähnlichen An-
hängsel auch in anderen slav. Sprachen erwarten, da der Wechsel zwi-
schen ze und z auch sonst üblich ist. 2) Sehr unwahrscheinlich ist die
Annahme der Auflösung des ursprünglichen re im Bewusstsein des
Sprechenden in r -\- e. In der serbischen Sprache kommen ja auch an-
Zur Geschichte der serbischen Deklination. 75
dere Wechsel vor: re : ra, -de : di : f?, te : ta u. s. w., und man be-
greift nicht, warum das Bewusstsein des Sprechenden nicht auch andere
Partikel in solche Elemente aufgelöst hätte. 3) Wenn die Sprache
wirklich die gleiche Silbenzahl durch alle Casus durchzuführen
»wünschte«, so würde sie kaum solche Kürzungen wie D* tom^ G^ kog
zugelassen haben. 4) Nach der Erklärung Belic's fällt die Entstehung
der Endung auf -e mit jener der Endung auf -i nicht zusammen; allein
zieht man in Betracht, dass beide Anhängsel schon in der ersten
Zeit ihres Aufkommens ineinemfort abwechseln, so fällt es schwer
zu glauben, dass dieser Wechsel rein zufällig wäre, wie es die Hypo-
these Belic's glauben machen will. Man muss diesen letzteren Fehler
in der Hypothese Belic's um so mehr bedauern, als er bezüglich der
Erklärung des Anhängsels -i nach unserem Dafürhalten sehr nahe der
Wahrheit kam, und er brauchte nur noch einen Schritt zu thun, um
vom Standpunkt des Anhängsels -i auch das Anhängsel -e zu erklären.
Auf Grund eines reich gesammelten Materials aus den Urkunden zwi-
schen 1387 und 1485 hat Belle klar dargethan, dass das Anhängsel -i
zu allen Endungen der Pronomina OBt, oiit, tl, cl hinzutreten kann
(S.214). Wenn das so ist, wenn man die Einheitlichkeit der Entstehung
z. B. des G^ Toran und G^ xixH nicht in Abrede stellen kann, so ist
man berechtigt, auf dieselbe Quelle auch die Form P thmh zurückzu-
führen. Allerdings kann uns die Erklärung der Endung -i in den Casus
obliqui, wie sie Belle gibt, nicht befriedigen, allein die Frage selbst
scheint richtig gestellt zu sein : es ist kaum zweifelhaft, dass die Formen
TOH(Nin), ToraH(Gi), TOMyH(Di), thmh(II) in einer innigen Beziehung
mit der Form xän sich befinden, die gleichzeitig mit ihnen aufkam.
Von dieser letzteren Form ausgehend wollen wir im Nachfolgenden
eine andere Erklärung der in Frage stehenden Formen auf i und e in
Vorschlag bringen. Was stellt die Form täj\ oväj yot? Sie ist augen-
scheinlich nichts weiter, als eine Zusammensetzung der Pronomina mit
dem Affix u (^), mag diese Zusammensetzung syntaktisch (was minder
wahrscheinlich ist) oder analogisch, nach dem Vorbild anderer zu-
sammengesetzter Pronomina (z. B. khj, ^hj, was wahrscheinlicher ist)
zu Stande gekommen sein. Von dem Grade des organischen Zusammen-
wachsens der beiden Pronominalelemente hängt die weitere Flexion
der zusammengesetzten Pronomina ab. Sie kann zweierlei sein. War
das Zusammenwachsen innig, fest, so bildeten beide Bestandtlieile ein
Ganzes sowohl in der Bedeutung wie in der Form. In der Deklination
76 G- Iljinskij,
wurde nur der zweite Bestandtheil flektirt, der erste aber bloss als
Stamm gefühlt. Als Beispiel eines solchen organischen Zusammen-
wachsens können die Pronomina ^kyjh und '^cijh dienen (vergl. S. 48
unserer Schrift »CjoacHBiK MicTOHMenia h OKOHianiK G^ iiejiH'iHtix'B
MicTOHMeniH Myat. h cp. p.y). Wenn dagegen das Zusammenwachsen
nicht genug innig und nicht beständig war, dann bewahrte das zweite
Pronomen die ursprüngliche Funktion des einfachen Affixes oder De-
terminativs nicht bloss in N, sondern auch in allen Casus obliqui. Ein
schönes Beispiel solcher Deklination liefert das altsl. KtatLAO (N), ko-
roa:i>ÄO (G), KOMoyatLAO (D) u. s. w. oder xtacAe (N), xoroatA© (G ,
TOMoyastAe (D) u. 3. w., wo die Affixe acL^o und ac^e schon darum nicht
mit jedem einzelnen Casus eine innigere Verbindung eingehen konn-
ten, weil sie selbständig gar nicht im Gebrauch waren. Doch auch in
dem Falle, wenn ein lebendiges Pronomen als Suffix verwendet wurde,
war die Flexion nach diesem Princip möglich. Vergl. altböhm. tet (wo-
für heute ^ew^o), tohoto, tomuto u. s.w. und daneben das kleinrussische
TOT, TOToro, TOTOMy u. s. w. ; oder vergl. das heutige böhmische kdos^
kogoh^ komm u. s. w. und daneben das altbulg. ohlcb, oiitcero, OHt-
ceMy u. s. w.
Wie wurden die serbischen Pronomina bnäj, ÖBaj, caj, Taj dekli-
nirt? In altserbischen Denkmälern wechseln diese Formen ineinemfort
mit T und Ta, ob und ona, c und ca, oh und oiia ab (cf. Daniele, IIcTop.
oöji. 149, BejHh a.a.O. 217), darum ist es gestattet zu vermuthen, dass
die zweite Form das Anhängsel/ verhältnissmässig spät annahm, nach
der Analogie von Koj. Das Zusammenwachsen war nicht besonders
innig, die Flexion geschah nach dem Typus von k-bh-Läo. So entstanden
die Formen Toran, Toiyn, thmh u. s. w., die sich zu Tora, Toxy, tdm
u. s. w. so verhalten, wie die zusammengesetzten zu den einfachen.
Daraus ergibt sich nach unserer Auffassung : 1 ) die Erklärung, warum
in anderen slav. Sprachen solche Formen, wie im Serbischen, nicht be-
gegnen: in denselben kommen die zusammengesetzten Formen *%ft,
*omJ'b entweder äusserst selten vor (wie in den westslav. Sprachen) oder
sie werden infolge eines besonderen Zusammenwachsens beider Bestand-
theile nach dem Typus von *kyjh deklinirt wie z. B. im grossruss.
Tfciero, Tfciearjr u. s. w. oder bulg. thh) ; 2) auch die Erklärung der Be-
ziehung des Anhängsels -i zu -e. Da nämlich die Form I^ twn mit der
entsprechenden nominalen Form I^ zusammenfiel, so erwachte in der
Sprache sehr früh das Bestreben, ihr Suffix durch ein anderes zu er-
Zur Geschichte der serbischen Deklination. 77
setzen. Als Ersatz des Affixes -i erschien das Neutrum /e oder nach
der Verhärtung desselben e (vergl. serbokr. cre neben jere), das etymo-
logisch mit j'c in koj'e identisch ist. Daraus ergibt sich, dass die For-
men Tii.Me, THxe nach dem Bildungsprincip noch näher sich dem ko-
roHCbAO, KOMoyatBAO u. s. w. anschliessen oder dem böhm. tohoto, tomuto
U.S.W, als die Formen Toran, TOM-yn: im ersten Falle ist das Affix neutr.
gen., im letzteren masc. gen. Die Formen thmhjb, rixHJe sind Kon-
tamination der beiden Anhängsel, auf -i und auf -e. Demnach finden
die »neuen« serbischen Formen ihre verhältnissmässig einfache Er-
klärung im Bereich und der Beleuchtung der zusammengesetzten Pro-
nomina des Typus der lateinischen ruiusque, ciiique u. a.
Was die dritte Endung betrifft (mit dem Anhängsel -a), sie bleibt
auch nach diesem Gesichtspunkt räthselhaft.
G. Iljinskij.
Zusatz der Redaktion. Es ist selbstverständlich, dass wir auch
solchen Erklärungsversuchen in unserer Zeitschrift Raum gönnen, die
wir selbst nicht verantworten oder unterschreiben möchten. Wenn die
bisherigen Erklärungsversuche der serbischen Casusformen mit den An-
hängseln -i und -e bei Herrn Iljinskij keine Gnade fanden, so ist stark
zu befürchten, dass auch sein vorliegender Vorschlag nicht besser fahren
wird. Es ist schon desswegen bedenklich, das Anhängsel -i auf gleiche
Linie zu stellen mit den zusammengesetzten Pronominen khh, ^ran, weil
die Flexion ganz divergirt: dort Koiera, ^miera, hier Toraj, ceraj. Also
im letzteren Falle schwebte dem Bewusstsein des Sprechenden h nicht
mehr als Pronomen vor. Die Formen wie ovi, oni (für ov, on) zeigen
deutlich, dass auch bei ti, taj (statt ta) die zusammengesetzte Form der
Adjektiva mitwirkte, um auch hier die Endung auf -i (resp. -«*, -j) zu
erzeugen. Die Form tajx'iei dann ^o/ hervor, ebenso entstand onaj\ onoj\
weiter die übrigen Casus : togaj\ tomiij. Chronologisch ist das i in t'Sxh
vielleicht älter und nicht damit in unmittelbarem Zusammenhang, eher
wohl als Analogiebildung zum Nom. plur. th aufzufassen. Wenn aber in
allen diesen Fällen von i als einem gefühlten Pronomen masc. gen. abzu-
sehen ist, so liegt nicht die geringste Wahrscheinlichkeit für die Annahme
vor, dass e ein dem i entsprechendes Pronomen neutr. gen. sei. Der
Parallelismus, den Herr Iljinskij zu Stande bringen möchte, lässt sich
also kaum aufrecht erhalten ; man hat ja auch kein *toe^*fogae^ *tomue,
womit man ihn stützen könnte. Dem Bestreben Belic's, die Partikel re-7'
78 G. Iljinskij,
dabei mitspielen zu lassen, lag der gewiss beaehtenswerthe Gedanke
zugrunde, dass das Anhängsel e zunächst auf das Gebiet der Pronomina
beschränkt war, wo auch die Partikel re ihre Hauptrolle spielt. Und
doch steht auch für mich diese Erklärung nicht so fest, dass man sich
nicht nach einer anderen umsehen dürfte. Man vergesse nicht, dass
wir auch in der l.Pers. sing, ein e finden in Verben wie vime (^B^Mb).
Meine Bemerkungen bekam der Verfasser zur Einsichtnahme und
er vertheidigt seinen Erklärungsversuch unter der üebersehrift »Pro
domo sua« mit folgenden Worten:
»Ich kann selbstverständlich dem Akad. Jagic für seinen , Zusatz',
der wie immer schätzbar und belehrend ist, nur aufrichtig danken.
Leider kann ich seine Einwendungen nicht gelten lassen darum, weil
sie das, worauf das Hauptgewicht in meiner Beweisführung fällt, näm-
lich die Zusammenstellung der altserb. Formen Toran, ceran mit altbulg.
KOro;^i>ÄO, KOMyÄtAO, ausser Acht lassen. Jagic hat recht, wenn er sagt,
dass in taj dem Sprechenden u nicht mehr als Pronomen vorschwebte.
Eben darum und aus keinem anderen Grunde musste taj in
den Casus obliqui nicht nach dem Typus kbih oder ^ihh, sondern nach
dem Typus KtJKtAO oder Ti-at^e flektirt werden. Alle Forscher sind,
glaub' ich, darin einig, dass die Formen KoroKbAO, KOMyacb^o ganz
normale Paradigmen der pronominalen Deklination desjenigen Typus
darstellen, nach welchem nicht der zweite (affixive), sondern der erste
Bestandtheil des Wortes flektirt wird, vergl. cuiusque^ cuique u. s. w.
Aehnlich der Hypothese Belic's geht auch meine von Pronominen aus,
doch während die erste die wunderbare Gesetzmässigkeit (saKono-
M^pHOCTb) der Erscheinung in altserb. Denkmälern nicht erklärt, er-
scheint sie von meinem Gesichtspunkt aus geradezu als unumgänglich
nothwendig. Die von J. für t^xh angenommene Erklärung durch die
Analogie von th halte ich für unmöglich schon darum, weil die Bedeu-
tung von TH mit der Bedeutung von Tixu nichts gemeinsames hat.
Ueberhaupt die Beeinflussung von L. durch N. wäre in der ganzen Ge-
schichte der indoeurop. Sprachen beispiellos. Meine Hypothese wird
auch durch die unbelegten Formen ^togae^ *tomue nicht widerlegt, sie
sind zur Vermeidung des Hiatus zu togaj\ tomuj geworden (vergl. alt-
serb. SKBHOBb aus *a:eHoy).(f
So H. Iljinskij. Ich will dazu nur das bemerken, dass wenn er mir
recht gibt, dass h im Bewusstsein der Sprechenden nicht
Zur Geschichte der serbischen Deklination. 79
mehr als Pronomen gefühlt wurde, dann eigentlich die Meinungs-
verschiedenheit zwischen uns jede raison d'etre verlieren sollte. Es geht
doch nicht an, in einem Athemzug zu behaupten, taj sei wie K-Batt^o
flektirt worden und doch -n und -e seien Pronomina masculini und
neutrius generis gewesen. Wenn man in diesen Anhängseln sogar den
Genusunterschied herausgefühlt hätte, dann würden wir wohl auch die
Flexion derselben erwarten. Ob xfen wobei ich an Gen. plur. dachte)
f. gerade unter dem Einfluss des Nom. plur. th das Affix annahm, das
mag man glauben oder nicht. Wir liaben ja im Bulgarischen für acc.
plur. rn offenbar aus sing, ro hervorgegangen mit dem Auslaut des
pluralischen Casus generalis. Und im Russischen Nom. plur. xi nach
den Casus obliqui. Also gegenseitige Beeinflussung der Casusformen ist
sehr gut möglich. Den Zusammenhang der Formen xan, xoh, xoran,
xoMoyn mit dem Pronomen h hat bekanntlich schon Danicic gelehrt.
Neu ist also bei dem Erklärungsversuch des H. IL eigentlich nur sein
»Neutrum« e, das er weder als *t'oe noch als *togae oder '^tomue nach-
weisen kann, und zu einer Vermeidung des Hiatus Zuflucht nehmen
muss. V. J.
I
Slavische Fragmente aus der Bibliothek S. Giacomo
(lella Marca in Montepraudone.
Etwa 10 km von S. Benedetto del Tronto am westadriatischen
Meeresstrande erhebt sich in wildromantischer Gegend das Felsennest
Montepraudone, der Geburtsort des berühmten Hussiten- und Bogomilen-
inquisitors Dominik Gangala, allgemein unter seinem Mönchsnamen als
Giacomo della Marca 'Jacobus de Marchia bekannt.
Geboren im Jahre 1391 (1393 hütete er bis zu seinem 9. Lebens-
jahre in den wilden Bergschluchten die Schafe der Familie, bis ein
Oheim seine Fähigkeiten entdeckte und ihn zuerst in Ascoli, dann in
Perugia studiren Hess. Im Jahre 1416 trat nun Dominik Gangala unter
dem Namen Jakob in den Franziskaner-Orden. Im Jahre 1426 hebt seine
Missionsthätigkeit in Böhmen gegen die Hussiten an. 1432, 1435*),
*J Fr. Jacobus de Marchia verweilte 1435 auch in Canali bei Ragusa,
einer Landschaft, welche die Ragusaner kurz zuvor erworben hatten, und
80 Ludwig V. Thallöczy,
1451, 1452 wirkt er in Bosnien, Ungarn, Oberitalien, überall muthig und
mit Zähigkeit den Katholicismus vertheidigead und die Hussiten, Bogo-
milen fanatisch bekämpfend. Er starb am 28. Nov. 1476 in Neapel i).
Fra Giacomo repräseutirt in der Geschichte des Franciskanerordens
den Glaubensstreiter mit dem schweren Rüstzeug. Es fehlte ihm der
elektrische Funke, der seinem grossen Ordensbruder Johann von Ca-
pistrano innewohnte und die verschiedenen Nationen : Deutsche, Ungarn,
Südslaven, Italiener in der flammenden Idee des Glaubenskrieges zu
vereinigen wusste. Dagegen war Giacomo mit dem Gesammtwissen
seiner Zeit bewappnet, beseelt von der Mystik Dante's und ein grosser
Hasser aller antikatholischen Bestrebungen. Ein gediegener Redner
schöpfte er aus literarischen Quellen und sammelte selbst eine stattliche
Bibliothek, die er dem Franciskaner-Convente (Convento d. S. Maria
delle Gra?.ie' in Monteprandone testamentarisch überantwortete. Die-
selbe wurde im Laufe der Zeit beträchtlich vermehrt, jedoch kam viel
abhanden, und die werthvolleren Handschriften wurden leihweise in die
Vatikanische Bibliothek gesendet, von wo sie erst auf Befehl Gregor XVI.
wieder zurückgestellt wurden.
Das erste Verzeichniss der Biblothek wurde im J. 1647 auf Befehl
des Ordensgenerals verfasst, die erste Beschreibung der Werke (6 1 Stück,
hatte Streitigkeiten mit dem dortigen serbischen Popen Niksa. Am 7. Juni
d. J. beschloBS das Consilium Eogatorum, den Rector mit dem Consilium mi-
nus zu bevollmächtigen: »respondere litteriB fratris Jacobi de 3Iarchta, exi-
stenti in Canali, prout sibi videbitur, non facieudo tamen pro nunc nouitatem
siue molestiam uel vim aliquam contra presbyterum Nixam es fide greca.
Captum per omnes«. Am 21. d. M. beschloss derselbe Rath mit 26 gegen 5
Stimmen: »quod supradictus presbyter Nixa fidey grece non possit nee debeat
amplius habitare super terreno deceni fratrum minorum S.Georgii; set possit
Stare in alio loco contrate Caualis«; die Minorität wollte, »quod debeat
exire totam contratam Canalis, et nichilominus jus suum sibi sit reseruatum«.
C. Jirecek.
1) Im J. 1876 publicirte D. Giacinto Nicolai eine Biopraphie Giacomo's :
Vita storica di San Giacomo della Marca dei minori, protettore della cittä e
diocesi di Napoli, scritta pel IV. Centenario dflla sua morte del suo coucitta-
dino. Bologna. Tipografia Pontificia Mareggiani. 1876. XX + 329. Die Bio-
graphie hat wenig absoluten Werth und ist eine enthusiastisch gehaltene
Paraphrase der bekannten Werke [Wadding, Civezza, Farlati, Muratori,
Cautü, Raynald, Michaud. Er benützt sehr unkritisch die Biographien Gia-
como's von Arcangelo della Fratta und Gasparo de Montesanto). In biblio-
graphischer Beziehung, speciell die Bibliothek des Heiligen betreffend, bietet
die Studie jedoch manch werthvoUen Fingerzeig.
Slav. Fragra. aus d. Bibliothek S. Giacouio della Marca in Monteprandone. 8 I
davon 15 beschrieben) lieferte Marchese Filippo Rafifaelli, Bibliothekar
von Fermo.
Vor Aufhebung des Franciskanereonventes war der Schlüssel der
Bibliothek beim Guardian und dem Vorstande des Munizipiums ver-
wahrt. Derzeit ist die Bibliothek in einem hübschen Kasten im Muni-
zipalgebäude untergebracht.
Das Munizipium Hess die Handschriften von Prof. Amadeo Cri-
vellucci (Pisa) bibliographisch beschreiben. Der Titel dieses brauch-
baren Wegweisers ist:
/ codici della libreria raccolta da S. Giacomo della Marca nel
contento di S. Maria delle Grazie presso Monteprandone. Livorno.
Tip. di Raffaele Giusti libraio-editore. 1SS9. 8 -\- 110.
Der rühmlichst bekannte Bischof Fraknoi, Stifter des ung. histo-
rischen Institutes in Rom, bekam im Vorjahre Kenntniss von der Biblio-
thek Giacomo de Marchias und erhoffte dort eventuell auf Ungarn be-
zügliche Handschriften zu finden. Dies war zwar nicht der Fall, jedoch
machte er mich aufmerksam, dass in einem der Codices zwei slavische
Texte zu finden seien. Bei Gelegenheit einer Studienreise in den Marken
machte ich mir diesen Fingerzeig zu Nutzen.
Sub Nr. 18 fand ich den von Bischof Fraknoi erwähnten Codex,
welchen Crivellucci (o. c. S. 48 — 49) in folgender Weise beschreibt:
»Xr. 18. Pergamentcodex vom Anfang bis zur Hälfte — abgesehen von
den ersten vier den Index enthaltenden Papierblättern ; ein dritter Theil be-
steht sowohl aus Papier- wie Pergamentblättern ivon Pergament sind die
äusseren Blätter, die erste und letzte, und die innersten, die beiden mittleren
der Sexternen, alle anderen sind von Papier), schliesslich kommen wieder
ausschliesslich Pergamentblätter. Er ist 16 zu 12 cent. hoch, zählt 263 Papier-
blätter, von denen 8 unbeschrieben sind, einschliesslich von 4 Vorsteckblät-
tern, 2 am Anfang und 2 am Schluss; er ist von mehreren Händen geschrie-
ben, in zwei Colonnen, 25—40 Zeilen in der Colonne. Schrift saec. XV. Auf
dem Rust steht zu lesen: Conclusiones super decretales; auf dem Titelblatt
ist der Titel hinzugefügt: Margaritarum. Auf fol. 233 steht: Explicit marga-
rita[rum] decretorum a fratre Martine domini pape penitenciario et eappel-
lano compilata per alphabetum.
Den Anfang macht ein auf 4 Papierblättern von der Hand des h. Jacob
geschriebener Index, der folgendermassen beginnt: Liber decretorum distinc-
tus in tres partes quarum prima vocatur uistinctiones, secunda cause, tertia
de consecracione. Der Schluss lautet: explicit liber decretorum continens
summam tarn textus quam glossarum.
Der Text der Margarita beginnt: Inter alia quecumque ad fidelium
christianorum doctrinam scripta u. s. w. und auf das Wort Caritas folgt: Ab-
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 6
S2 Ludwigf V. Thallöczy,
bas, quod abbas non ab episcoporum sed a monacorum congregatione eligitur
11. s. w. Abel, aborsus, Abraain, absolutio, abominatio, absolutio u. s. w. bis
zum Nameu Zacheus.
Fol. 234 beginnt mit Abbatibus, absolutio, absolvere u. s. w. bis Uxoreni
ein zweites kürzeres Wörterverzeichniss auf 25 Blättern von anderer Hand.
Den Schluss macht die gewohnte Erklärung des Heiligen.
Der Codex ist in lederüberzogene Deckel gebunden. An die Innenseite
der Deckel sind zwei in slavischen Charakteren beschriebene Pergament-
blätter angeklebt.«
Als ich die beiden, den Einbandtafeln eingeschalteten Pergament-
blätter genauer ansah, musste ich mit Bedauern konstatiren, dass ich in
Ermangelung der notbwendigen Behelfe, ohne Schädigung der Einband-
tafeln und besonders der Texte an eine Auflösung des ledernen Ein-
bandumschlages nicht denken konnte. Es muss daher eine in natür-
licher Grösse der Originalien augefertigte photographische Aufnahme
genügen, welche leider nicht den ganzen Text veranschaulicht. Ich
muss daher sowohl die Ergänzung, wie die sprachlich-textliche Würdi-
gung meinem geehrten Freunde Hofrath Dr. V. Jagic überlassen.
Den Historiker iuteressirt bezüglich dieser Fragmente in erster
Reihe die Frage der Provenienz. Der Codex, in dessen Einbanddeckel
die beiden Fragmente eingeheftet sind, befand sich zweifellos im Be-
sitze Giacomo's. Die Fragmente können daher entweder im Besitze des
Inquisitors selbst gewesen sein, der diesen schismatischen Text in dieser
Weise verwerthete, oder es wurde dieses handschriftliche Colligat erst
nach dem Todesjahre des Heiligen (1478) von seinen Ordensbrüdern in
der päpstlichen Mark besorgt. In diesem Falle rühren die Fragmente
von den im XV. Jahrb. in bedeutenderer Zahl eingewanderten und im
Anconitanischen (Recanati etc.) angesiedelten slavo-albanesischen Ele-
menten her. Schon Makusev i) hat in dieser Hinsicht manches publicirt,
bz. angedeutet, ein interessantes Culturbild bieten uns die Fonti per Ja
Storia delle Marche (veröffentlicht von der Deputazione Marchigiana
di Storia Patria, mir Statuti IS!) 6 pub. 1 — 280 bekannt). Im Detail
instruktives Material bietet der Index des Archives in Recanati, vom
berühmten italienischen Schriftsteller Leopardi verfasst. Leider fehlen
die Bücher und Acten und nur einige für diese Materie recente Proto-
kolle sind vorhanden.
') Mon. Slav. mer. I. S. 195 — 204: Universitas Slav. habitantiuui in Marca
Anconitana 1379. 1394. 1397. 1439. 1458. Sciavi de provintia Slavoniae 1510.
S. 204 — 210. Coloniae Albanensium in Marca itana. Die intensive
Einwanderung geschah c. 1459.
Slav. Fragm. ans d. Bibliothek S.Giacouio della Marca in Monteprandone. 83
Es bietet immerhin einige Anhaltspunkte, wenn diese Leopardi'-
schen Extracte aus den verlorenen, oder verlegten Originalbücbern ver-
öflfentlicht werden, und ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich diese
im Zusammenhang mit der Provenienzfrage dieser Fragmente publicire:
Elenco Leoparcliano.
Albanesi.
a) p. 114*) (anno 1137, 9 Ag.).
Molti albanesi si erano diffusi nel nostro contado, e si presero delle
providenze sul loro conto.
b) p. 147 (a. 1451, 18 Gen.).
Si trattö di adattare qualclie misura contro gli Albanesi, attesa la
loro malignitä, e fii risoluto che venissero tntti descritti, e avessero un
mese di tempo a prendere impiego o servizio. Alle spirare del mese
sloggiassero tntti dal nostro territorio, eccettuati i maestri d'arte e li
battuali (?) o famuli del cittadini e degli altri abitatori.
c) p. 164 (a. 1456, 17 Gen.).
Per evitare possibilmente il flagello della Peste, si decretö che non
potessero riceversi li Schiavoni e Albanesi e si espellessero quelli venuti
da natale in poi. Le recenti vittorie delli Tnrchi in Levante rendivano
forse piü frequente la emigrazione di quelli infelici.
d) p. 177 (a. 1460, 2 Giugno).
Peste manifestata di nuovo; disposizioni contro gli Schiavoni ed Al-
banesi ai quali si attribniva la frequenza de' contagj. La Peste fii piü
micidiale del solito.
e) p. 226 (a. 1478, 24 Marzo).
Agli Schiavoni ed Albanesi fu proibito d'immischiarsi in alcune fun-
zioni nelle fraternitä dei cittadini.
f) p. 231 (a. 1479, 6 Giugno).
Essendovi nuovi sospetti di Peste, si adattarono varie missure e
venne decretato che in caso di contagio la Fraternitä degli Albanesi vi-
starebbe e spellirebbe gli Albanesi, quella delli Schiavoni gli Schiavoni,
e r una e l'altra gli Italiani.
Aus dem Original-Protokolle ex 1479:
Die X VII Jatiuarii.
Consilio M. d. p. Antianorum viginti qiiatuor et ducentorura de po-
pulo. comunis et horainum civitatis Kacaneti more solito congrcfiato in
quo fuit propositum quid placebat dicto consilio providere super infra-
scriptis propositis.
*) Bedeutet die Seitenzahl der Protokolle, welche wie bemerkt nicht
mehr vorhanden sind.
6*
84 Ludwig V. Thalloczy,
Tertio si placet dicto consilio facere aliquam provisionem pro evitatione
morbi.
Super quibus Marinus Nicoli Dei nomine invocato dixit . . . super facto
morbi evitandi fiat bannum quod nemo audeat receptare aliquem scla-
vum neque Albanum qui istuc concessisset a festo nativitatis citra pena
X librarum receptanti et venienti X tractarum funis et quolibet possit
predicto amisare (?) et . . . quartam partem dictarum X librarum; et si
qui reperirentur venisse .... dicta civitate.
Conclusio ottentiva: . . . pro evitando morbi: fiat bannum quod quicum-
que receptaret aliquem venientem de terra morboso mereret penam X li-
brarum tarn receptans quam receptatus et ultra dictam penam receptatus
habeat de facto quatuor tractos funis et qui amisaret contra funentes,
habeat medietatem diete pene et quilibet sclavus seu Albanus qui ve-
nisset iatuc a Kalendis Juniis citra, debeat dis orasse civitatem sub
dicta pena.
Die II junii Consilio etc.
Secundo de provisione fienda contra pestem. Ser Leopardus dei no-
mine invocato .... supra provisione pestis dixit quod per d[ominos]
p[riores] eligatur et constituatur locus extra civitatem ad quem omnes
sclavi et Albani morbo infecti in civitate Recanati deferantur et consti-
tuantur ibi custodes et curatores qui debeant perscruptari diligenter per
civitatem et infectos referre dominis prioribus sub aliqua pena.
Jacobus Janini super provisione pestis dixit quod primo inveniatur
locus et quod hospitale sancte Lucie extra portam maris esset locus
ydoneus et quod illuc deferrantur sclavi et albani infecti et ibi curentur.
Ser Antonius Politi dixit ut supra dixerat Jacobus, sed de hoc ha-
beatur colloquium cum d« episcopo.
Gaspar Jacobi dixit super provisione pestis quod hospitale sancte
Lucie de quo supra dictum est non est locus aliquo modo ydoneus cum
ibi per singulos dies et horas conversatur prope accessum ad sanctam
Mariam de Varano quapropter queratur pro alio loco.
Petrus Jeronimi dixit super facto pestis prout supra dixit Ser Anto-
nius Politi hoc addito remictuntur custodes ad portas prout erant prius
et deputentur eis salarium expensis comitatinis.
Petrus Thome dixit ut supra dixit Petrus Jeronimi hoc addito quod
recludantur alique dictarum portarum.
Ser Johannes Francisci de iufectis dixit ut supra dixerunt alii hoc
addito quod de cetero non dimictantur intrare in civitatem albani neque
sclavi.
Reformatum fuit et conclusum Constituatur locus pro infectis videlicet
hospitale sancte Lucie ut supra dictum est in quo deputentur curatores
l
Slav. Fragm. aus d. Bibliothek S. Giacomo della Marca in Montepiandone. 85
infirmorum quibus sit cura diligenter curare infinnos et constituatur aro-
inatarius a quo accipiantur necessaria pro dictis infirmis sumptibus comi-
tatinis et omnes Albani et sclavi infecti illuc deducantur. Item remictan-
tur custodes ad portas prout erant prius cum salario sibi persolvendo
de pecuniis coraunis extrahendis de mundinis proxiinis et hoc pro tempus
duorura luensiura. '
Ludwig v. Thallöczy.
Der Inhalt der beiden an die Buchdeckel angeklebten Pergament-
blätter cyrillischer Schrift ist uns in so kümmerlicher Weise zugänglich,
das3 es derzeit kaum möglich ist, etwas Näheres über denselben zu
sagen. Die beiden Blätter sind ja mit je einer Seite ihres Textes an die
Deckel angeklebt und vor ihrer Loslösung von den Deckeln zunächst
für uns so gut wie nicht vorhanden. Ob es bei Anwendung der grössten
Vorsicht möglich wäre, die Blätter von den Deckeln so loszulösen, dass
der Inhalt der jetzt zugedeckten Seiten gelesen werden könnte, das ver-
mag ich nicht zu sagen. Aber auch die oberen, unseren Augen und
dem Licht des Photographen zugänglichen Seiten haben in doppelter
Weise gelitten. Einmal findet man den Text der linken Kolumne an
vier Stellen durch Lederspangen so beschädigt, dass überall mehrere
Buchstaben für uns verloren gehen. Nicht überall ist es möglich, die
Lücken durch sichere Konjekturen zu ergänzen. Dann aber wurde
auch die rechte Kolumne durch den Lederumschlag des Einbandes in
ihrem grösseren Theil so zugedeckt, dass sie für unser Auge und auch
für den Photographen nicht erreichbar ist. Es hat sich also von den
acht Kolumnen des Textes dieser zwei Pergamentblätter nicht einmal
der vierte Theil (d. h. zwei Kolumnen) vollständig erhalten.
Und doch gestattet uns selbst dieser kümmerliche Rest allerlei Be-
trachtungen anzustellen. Vor allem könnte man dem grossen Bedauern
Ausdruck geben, dass die Ungunst der Zeiten und der religiöse Eifer
der mönchischen Missionäre so unglimpflich mit den Denkmälern der
slavischen literarischen Thätigkeit umgingen. Doch trifft den Fra Ja-
cobus de Marchia keine grössere Schuld den bosnischen Denkmälern
gegenüber, als sie in Böhmen und Polen den Eiferern für die Reinheit
des katholischen Glaubens und die sprachliche Einheit (Latein) vorge-
worfen werden kann. Also sentimental soll man nicht sein, es würde ja
auch nichts nützen. Aber das dürfen wir schon sagen, dass der Verlust,
den unsere Einsicht in die bosnische mittelalterliche Literatur durch
diese Schädigung und Zerstörung erleidet , in der That sehr gross ist.
86
V. Jagic,
Fragra. A.
miLH
..^ f f tiiii^ tlN ffi 1 nrnn
HäaSS^
Es handelt sich nicht etwa uiu n-eudwelche Bestandtheile der Bibel,
die wir ja auch sonst haben und kennen, sondern um Texte homiletischen
oder katechetischen, vielleicht gar bogomilischen Inhaltes, die einzig da-
stehen und in keiner Weise ersetzt werden können. Und zwar gestatten
uns diese zwei kümmerlichen Ueberreste von zwei Handschriften zu reden,
weil jedes Blatt eine andere Hand und ganz verschiedene Schriftzüge re-
Slav. Fiagm. aus d. IJibliotbek S. Giacorao della Marca in Montcpraudo.if. 87
Fragm. B.
präsentirt. AUerdmgs ist das Format der beiden Codices imgefähr gleich
gross gewesen, auch die äussere Ausstattuug (in zwei Kolumnen) ganz
gleich gehalten, so dass am Ende auch an zwei verschiedene Schreiber
derselben Handschrift gedacht werden könnte. Nichts hindert uns je-
doch anzunehmen, dass das zwei kleine handschriftliche Büchlein
waren, in kleinem Format geschrieben, in der Art, wie das noch spater,
,
88 V. Jagic,
als die Drucke aufkamen, gerade bei den ältesten bosnischen Büchlein
katholischen Inhalts und cyrillischer Schrift sehr üblich war.
Dass diese Ueberreste Bosnien (eventuell nördliche Theile von
Dalmatien inbegriffen) angehen, dafür spricht die Orthographie und
Sprache, von der Graphik gar nicht zu reden. Das Blatt A macht durch
seine Schriftzüge, die ganz auf alter Unciale beruhen, entschieden älteren
Eindruck, als das Blatt B. Dennoch möchte ich beide Blätter, nach
sonstigen Merkmalen, in das XV. Jahrh. versetzen, und zwar eher in
die erste als in die zweite Hälfte desselben. Auf beiden Blättern hat
der Buchstabe K noch die übliche Gestalt, ß noch nicht die spätere
Quadratform; in beiden ist h noch schalenförmig; in beiden fungirt
ausschliesslich H, kein "i; in beiden vertritt den u-Laut das Zeichen ^:
in A findet man K> zweimal, in B zwar auch K> zweimal, doch auch das
blosse S, z. B. ßOiiS CBOK», Ai?,i,n (für ak«,i,h), -R steht für a : H3 pa'k,
(C BacKpriiufHUlv (3 mal so), 'KKO B, ^HliBO (wohl Aa oder eine an-
dere Casusendung zu ergänzen) A; es bleibt auch ein unjotirtes a: po-
AHTfAa (A), norÖKAaTf (B); ebenso c tCH, ecT. Auch kein w, son-
dern nur h: khth (statt kkith), th (statt tki), kh (statt kwh), H(-
KfCKH, CHHOK(f) A, KH (für BkICTk), TH (für TW), KH^' (für BKI^k),
THAKHHIir (für -HKlMh.) B.
Beachtenswerth als Tradition der volksthümlichen Schreiberschule
ist das Fehlen des schwachen Vocals: BEpHaAa;^,, cnantaa, ^\,HUJ,Haui,
HlTcHY, HCnORH,i,aiU, HfKfCHY, IKHBOT (A), CRpH;jH, C HfKa, BH\-,
Bac Bauj Tpö^k,, THAfCHHM', B anoKaAHncHH, TfAfc, Haii.r, pasSM,
^UJOM (B). Nur als Abbreviatur liest man in B dreimal k: AV^^ anAb
und c\'k (wahrscheinlich HC^k). Der Ersatzlaut a ist nachweisbar in
Bac (für BkCk), BacKpHLUCHH'k (dreimal), Ba BcaKO Bpne (A), 3f-
MaAHa (B).
Der Dialekt ist entschieden ikavisch, weist also nach Nordwest-
bosnien mit Einschluss des nördlichen Dalmatien hin. Man vergl. hao-
BHMf, ;i,HiiJ für A'Si€11Jh), hmhk> (für h LI 'S h? oder HM'SK'Tk), rpH
(wohl die erste Silbe von rpH)C etc. und die Kasusendungen TfBH.
C«KH, HEECCHY (in A), AHTHHCTBi>f, CKpOSH, BaCKpHUIEHHt: (3mal),
THA6CHHM', THAfCA (allerdings einmal auch Tf AfC), pasÖMHHT«, npH(
(wenn für np'feJKAf ?) in B. Die volksthümlichen Wendungen haben
vor den kirchenslavischen Sprachformen und -Wendungen den Vorzug :
KH, KO statt HJKf, i€>Kf, CKpoSH KÖ, 3 /i,iiJ<tM als lustrum. neben boaS
Slav. Fnigui. aus d. Bibliothok S. Giacomo della Marca in Montepiandoue. 89
CBOic (wenn letzteres für BOAieic ckoi€io), Genit. Tora ßAJi,» und
vielleicht einmal (Mojfra. In der Konjugation: K^A*» HMa, ,i,huj,
HcnoBH;i,i\iiJ, npaßH, c8 (für ci>Tk); die Form ;k,HTHHCTK8e könnte
auch Particip sein. In B ist hto deutlich, daneben vielleicht auch
aan, doch ist diese Lesart unsicher. Kirchenslavisch klingen die For-
men: KS^XfUJH, noBH^aiUH (in A) und tKO, wenn es Konjunktion ist
(in B).
Auf den Inhalt kann ich hier (in Abbazia), entblösst von allen
Hilfsmitteln, nicht näher eingehen. Er erinnert an ähnliche Sachen in
der kroatischen glagolitischen Literatur. Wenn es eine üebersetzung
ist, so lässt sich die lateinische Vorlage voraussetzen, worauf auch das
Citat KaKO npaßH cth BepHaaa^v, hinweist. Im ersten Fragment ist
deutlich der Sinn, dass das menschliche Leben nach dem Vorbild und
Willen des himmlischen Vaters eingerichtet werden soll: C> naOKHHf.
Ka;i,a th ^y\ui- om« Haiu kh «ch Ha HeptcHy h HcnoKH;V,auj ^a
HMaujH pct^HTf/xa Ha HtBECHY BaKO <^^ä, h Ka,\a noBH;i,aujH
CfKH- HMHK>, Ji,H, Ol^a Ha HEBECHJC, HOKa^H HCBfCKH '^KHEOT H
yOTfHf (nicht ganz sicher) OU^a. Diesen Passus kann man in gutem
Zusammenhang lesen. Was vorausgeht, ist schon lückenhaft; noch
mehr, was folgt. Im zweiten Fragment wendet sich ein Sprechender an
das Volk (Tora pa^H Ai>^i,H paaSMHHTe), es ist von der Auferstehung
die Rede, wird zwischen der Vertreibung des Teufels aus dem Himmel
und des Menschen (» A"") aus dem Paradies eine Parallele gezogen. Der
anonyme Autor citirt die Apokalypse, erwähnt auch einmal einen Apostel
(ungewiss welchen, wohl Paul?). Der Inhalt dieses Blattes könnte eher
etwas Bogomilisches enthalten, als das Blatt A; dafür sprechen auch
die Schriftzüge des B-Fragmentes, die in ihrer schmalen Gestalt ent-
schieden bogomilischen Charakter verrathen. Dieser Ansicht ist mein
Freund, der serb. Akademiker Ljubomir Stojanovic, dem ich das Facsi-
mile der beiden Blätter zeigen konnte. Leider kann man auf B nicht
einmal so viel im richtigen Zusammenhang herauslesen, wie auf A.
Um den Text genau zu veranschaulichen, geben wir ihn nach der
von einem Photographen (C. Cameli in Sambenedetto del Tronto) ge-
machten Aufnahme in genauer Reproduktion wieder. Fragm. A lese
ich so:
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Im Fragm. B :
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Slav. Fnigiu. aus d. Bibliothek S. Giacomo della Maica in Montepraudone. 91
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{A,)Uii HfK« ____<.
A^M • • • •
Ich fühle mich angenehm verpflichtet, dem Herrn Sections-Chef
V. Thallöczy für das Interesse, das er diesen zwei Fragmenten ent-
gegenbrachte, öfifentlich den Dank auszusprechen. V. Jagte.
Die grossrussisclie Dialektologie in den letzten fünf
Jahren (1897-1901)*).
In dieser kritischen Uebersicht will ich über die Erfolge der
gross russischen Dialektologie (die kleinrussische berühre ich nicht,
die Weissrussische nur bibliographisch, ohne auf Vollständigkeit An-
spruch zu erheben) seit dem Erscheinen des Buches Sobolevskij's »OnwT'B
pyccKOH AiajieKTOjroriii« (1897) berichten. Sobolevskij verwerthete in
seinem bedeutenden Werke beinahe das ganze bis dahin erschienene
Material, darüber aber nochmals zu reden wäre überflüssig. Dagegen
seit 1897 machte die grossrussische Dialektologie grosse Fortschritte.
Im Jahre 1896 wurde in der russischen Abtheilung der kaiserl. Akade-
mie der Wissenschaften als Fortsetzung der einstigen IIsBicTin eine
*) Dieser wertvolle Beitrag musste leider zu lange auf Ausgabe warten,
so dass jetzt schon Nachträge wünschenswert wären, auf die wir auch rechnen.
V. J.
92 N. Durnovo.
Dreimonatschrift »JlsBicTia 0Tji,i,Äema pyccKaro nsLiKa n cjroBecHOCxn
Ibmep. ÄKa^. H.« gegründet, die gleich von Anfang an der russischen,
zumal der gross- und Weissrussischen Dialektologie verhältnissmässig
viel Raum gönnte, Dank sei es der Energie des Akademikers A. A.
Sachmatov und dem Eifer des Professors Ev. Th. Karskij in Warschau
und des Professors Evg. Th. Budde in Kazan. Alle drei Herren sind
als hervorragende Kenner der russischen Dialekte rtihmlich bekannt.
Im Jahre 1S96 erschienen in der besagten Zeitschrift zwei ausführliche
»Programme« zum Sammeln der Eigenthümlichkeiten der russischen
Volksdialekte, das eine für nord-, das andere für südgrossrussische
Dialekte im 1. u. 3. H.). Beide waren vom Akad. A. A. Sachmatov
zusammengestellt (mit Hilfe anderer Gelehrter). Ihr Vorzug war die
ausführliche Behandlung der Fragen aus der Phonetik, die morpho-
logischen und syntaktischen Fragen traten dagegen zurück, die Wort-
bildung fehlte gänzlich. Die Programme waren auf Personen mit ge-
ringen Vorkenntnissen und unerfahren im Sammeln des dialektologischen
Materials berechnet. Daher eine ausführliche Anleitung in der Vorrede.
Das 3. Programm betreflfs des Weissrussischen Dialektes erschien erst
im Jahre 1S97 (im 2. Heft), doch war es ganz entsprechend den beiden
anderen, nur etwas ausführlicher abgefasst: hier giebt es mehr Fragen
über die Betonung und auch ein Abschnitt über die Wortbildung felilt
nicht. Lexicalische Fragen sind kürzer ausgefallen. Es war beabsichtigt
noch ein 4. Programm über die kleinrussische Dialektologie zu publi-
ciren, doch der in Aussicht genommene Herr Michal'cu k führte bis
jetzt die ihm anvertraute Aufgabe nicht aus. Diese Programme trugen
zur Belebung des russischen dialektologischen Studiums wesentlich bei.
Kein einziges der früheren Programme ' fand eine so grosse Verbreitung
und konnte so ausführliche Beantwortung hervorrufen. Die russische
Abtheilung versendete mit grosser Bereitwilligkeit ihre Programme
nach allen Richtungen, so dass im Jahre 1S99 kein Exemplar mehr
übrig blieb und es musste eine Neubearbeitung des Programmes unter-
nommen werden (vgl. Avchiv XXIII, S. 579 — 581).
Als Beantwortung der in den Programmen aufgegebenen Fragen
langte ein eine Reihe Mittheilungen von Volksschullehrern, Priestern,
1; Sie sind aufgezählt in dem Aufsatz F. K. Simoni's: PyccKiii >i3hkt, b-l
ero Hapiiiax'B h roBopax-L I. (HsBicxifl etc. I. 1. 173 — 178). Die besten darunter
waren — das Kolosov's bei Simoni Nr. 1Ü7) und Sachmatov's (Simoni
Nr. 108), sie bezogen sich hauptsächlich auf den o-Dialekt Nordrusslands.
Die f!:rossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jaliren '1S97 — 1901). 9;^
Zöglingen geistlichei- Seminare, Studenten der geistlichen Akademien
und der Universitäten, die Gelegenheit hatten, einen Theil des Jahres
im Dorf zuzubringen, ja auch von Gutsbesitzern u. s. w. Selbst solche
Einlaufe, wo man sich auf das Unterstreichen der in den Programmen
angeführten Beispiele beschränkte, vermochten unsere Begriffe von
den grossrussischen Dialekten bedeutend zu erweitern, da sie die Mög-
lichkeit boten, über die Verbreitung dieser oder jener Erscheinung ein
Urtheil zu gewinnen. Bis 1901 incl. erschienen in den »IIsBtcTia« 48
solche Mittheilungen (zwei über Südgrossrussische Dialekte führen die
Nebenzahlen 41^ und 422;), darunter sind 5 den a-, die übrigen den
o-Mundarten gewidmet. Eine noch grössere Anzahl von Einlaufen liegt
bis jetzt ungedruckt, obschon sie viel Interessantes enthalten (vergl. die
Vorrede zum 1. Heft des IL Bandes des russischen Wörterbuches, das
jetzt im Erscheinen begriffen ist, und die Sitzungsprotokolle der russ.
Abtheilung in den IIsB^cxiH und im CßopHiiK'L Band 65, 66 und 67).
Der günstige Einfluss der akademischen Programme gibt sich auch in
den nicht in den akademischen Schriften gemachten Publicationen dieser
Art kund, vergl. die Mundarten des Gouvernement Kostroma in »^CnBaa
C'rapHHa« (beschrieben von Th. Pokrovskij) und in PyccKiH $HJEo;iorH-
necKÜl B'£cTHiiKi> die Beiträge Rezanov's, Karaulov's, des Refe-
renten und A. Nikol'skij's. Das Buch Sobolevskij wurde abgefasst, als
noch nicht alle Einlaufe gedruckt waren, darum konnten in seinem
OntiT'B nur die ersten 28 verwerthet werden — meistens nur als Er-
gänzungen.
Neben den »HsBicTiHt« pflegten die russ. Dialektogie, wie auch bisher,
noch folgende periodische Zeitschriften : »3CirBafl CTapHHa« und »PyccKiS
'T'Hjro.iornyecKiil BicTHHKi.«. Die dialektologischen Beiträge in einer jeden
dieser Publicationen tragen ihren besonderen Charakter. Während in
den »IIsBicTifl« mehr oder weniger umfangreiche Antworten auf die
Programmfragen, ohne Beifügung des rohen Materials (Aufzeichnungen
der Texte) und des Lexicons vorliegen, liefert )^yKHBafl CTapima« bald
kurze Charakteristiken der Mundarten, bald eingehende ethnographische
Beschreibungen mit beigefügtem lexicalischem Material, zuweilen nur
das letztere und andere Volksprodukte (Erzählungen, Lieder, Sprich-
wörter u. a.). Im Pycc. ^Hjiojor. BicTHHKTi werden ausführliche Abhand-
lungen der Specialisten, mit Excursen in das Gebiet der Sprachgeschichte,
mit Vergleichungen anderer Dialekte u. ä. publicirt; dann und wann ist
auch lexicalisches und anderes Material beigegeben. Sehr werthvoll
94 N. Durnovo,
sind die Beiträge zur grossrussisclien Dialektologie Professor E. Th.
Budde's von seiner Reise in das Gouvernement Tula (in IlaBicxifl 1898,
B. III, Heft 3 u. 4). Der vor kurzem erschienene 6S. B, des CöopHHKTB
ist fast ausschliesslich der Dialektologie gewidmet. Hier sind neben den
Charakteristiken der Mundarten viele Volkslieder, Volkserzählungen
u. a. m. und 4 lexicalische Idiotika abgedruckt. Ausschliesslich rohes
Material (Lieder, Erzählungen u.a.; erschien von Zeit zu Zeit in 3tho-
rpa<i>HyecKoe Oöosp^Hie und sonst. Es war mir für diesen Aufsatz nicht
möglich, das in verschiedenen Provinzialausgaben zerstreute dialekto-
logische Material zu verwerthen, obwohl dann und wann in solchen Publi-
cationen Werthvolles steckt. Z. B. mir ist nur aus der Recension in der
»yKnBaa CTapima« (1899, Heft 2) das 1898 in Petrozavodsk erschienene
Büchlein »KnatcKoe napime BejiHKoryöcKoä oöjracTH« (53 Seiten) be-
kannt.
Unter dem Material der mehr oder weniger phonetischen Aufzeich-
nungen von Liedern, Erzählungen, Legenden u.a. aus dem Bereich
der südgroäsrussischen Mundarten verdienen die vortreflflichen Mit-
theilungen V. N. Dobrovol'skij's aus verschiedenen Gegenden der
Gouvernements Smolensk und Kaluga (in 'JKiiBaB. CxapHHa) hervorge-
hoben zu werden , sie sind nach demselben Plan und mit derselben
Sorgfalt ausgeführt, wie sein ausführlicher »Cmoji bhcküI 9THorpa*HyeeKi5
c6opnHKi«. Diese Mittheilungen beziehen sich auf: I. Die Zigeuner
von Kiselevka (Gespräche mit ihnen, ihre Erzählungen, 'JK. Cxap.
Jahrg. 1897, H. I, S. 3 — 36, Kiselevka liegt im Bezirke Smolensk);
II. Dialectproben aus dem Bezirk Zizdrinsk (im Gouvernement
Kaluga, Räthsel und Lieder, 3C. Cxap., Jahrg. 1898, H. 3 — 4); IIL Das
Dorf Tereben (desselben Bezirkes, die Bauernnamen, ib.); IV. Erzäh-
lungen aus dem Leben der Polechen des Bezirks Zizdrinsk (yK. Cxap.
1899, Heft I, 4—22, II 151 — 166). Hier ist eine ausführliche Erzäh-
lung eines Bauernweibes mitgetheilt. Den Text dieser merkwürdigen
Erzählung verwerthete M. Karaulov in der Abhandlung »FoBop na.i'Sx
^HBApuHCKaro yi3;i;a« (vgl. unten) und A. Nikol'skij ; V. Tod-, B egräb-
niss- und Klagelieder (nach den Worten von Bauern aus dem Gouv.
Kaluga, yK. Cxap. Jahrg. 1900, H. 1—2). — V. J. Öernysov publi-
cirte in der jK. Cxap. einige Erzählungen , die im Gouv. Kaluga (in
Mescovsk, Borovsk) von den Bauern selbst niedergeschrieben waren,
auch einige geistliche Lieder (von ihm im Smolensker und Moskauer
Gouvernement aufgezeichnet) ^. Cxap. Jahrg. 1900, H. 1 — 2.
Die grossniss. Dialektologie in den letzten fünf Julncn (1897 — 1901). 95
In den IIsBicTia der russ. Abtheilung der kaiserl. Akademie für
das Jahr 1898 (B. III, H. 4) ist das von Prof. E. Th. Biidde im Gouv.
Tiila gesammelte Material (Gespräche, Volkslieder) erschienen , in ge-
nauer phonetischer Wiedergabe, und im Jahrg. 1900, H. 3 das von dem
Referenten aus dem Munde eines Bauernweibes aus dem Gouv. Tambov
(Bezirk Sack) niedergeschriebene Material (Lieder und Erzählung).
In dem PyecKiri <I>iuo.ior. E'£ctiihk1) erschienen die von V. Re-
zanov im Gouv. Kursk (Bezirk Obojan) und von K. Filatov im
Gouv. Voronez gesammelten Texte iT. $. B. 1897, B. 38, H. 3 — 4;
1898, B. 40, H. 3—4).
Der 68. Band des akademischen Sbornik (S.Ptbg. 1901) brachte
die von V. J. Cernysov in einigen Dörfern des Moskauer Bezirkes auf-
gezeichneten Lieder und Erzählungen.
Noch kann man auf eine kleine Sammlung der grossruss. Hoch-
zeitslieder und Klagelieder aus dem Gouv. Saratov verweisen, die im
Jahre 1898 von M. E. Sokolov in Saratov gedruckt wurde. Einige
Lieder sind phonetisch wiedergegeben, der Dialekt ist akavisch.
Aus dem uordgrossrussischen Dialekte erschienen in denselben
Publicationen folgende Texte.
In der aCiiB. Cxap. (1897, Heftl, S. 112—123) Erzählungen, auf-
gezeichnet von Balasoglo im Gouv. Olonec. — Im P. <I>h.i. B. (B. 40,
1898, H. 3—4, S. 3ü— 37) : Volkslieder, aufgezeichnet von K. Filatov
aus dem okavischen Dorf Novyj Kurlak (im Bezirk Bobrovsk, Gouv.
Voronez) und einige andere, aufgezeichnet von N. Karinskij im Bezirk
Novgorod des Gouv. Novgorod (an dem Flusslauf Luga und Oredez),
ib. S. 116, 121 — 124. — In BTnorpa*. Oöospime: 1) Die unter dem
Namen »Sbiruski« (soheissen kurze vierzeilige Lieder) ') bekannten Lieder
aus dem Bezirk Cerepovec, Gouv. Novgorod, gesammelt von der Frau
Kl. M. Gardner (B. 33, 1897, Nr. 2, S. 104—113, phonetisch, der
Dialect spricht c für t); 2) Die im Gouv. Vologda in der Gemeinde
Dvinsk des Bezirkes Kadnikov gesammelten kleinen Lieder von Pr. Di-
laktorskij (ib. B. 40—41, 1899, Nr. 1—2, S. 339—343); 3) Drei
epische Lieder (Bylinen) im Gouv. Perm, aufgezeichnet von E. N. Kos-
vincev (der Dialekt verwechselt c und /• : 4) Die grossruss. Hochzeit
im Gouv. Vologda von Mich. Kuklin, IV. — Im akademischen »Sbornik«
1) Das Versmass dieser Lieder ist vier- oder sechsfüsslge Jamben oder
Trochäen. Anderswo heissen diese kleinen Lieder: castuski, pvibautki, ta-
rantnski u. ä.
96 N. Durnovo,
sind erschienen ausführliche Beiträge (Lieder, Räthsel, Erzählungen),
aufgezeichnet von V. G. Bogoraz in Sibirien (in dem Rayon der Jakuten),
theilweise phonetisch genau.
Unter den Einzelausgaben erwähne ich :
1) Die Bylinen vom Weissen Meere (EijroMopeKia ölijehhii), auf-
gezeichnet von A. Ma,rkov, Moskau 1901, XUI4- 1 + 618. Diese
umfangreiche Sammlung enthält 216 Bylinen und einige andere Lieder,
in sorgfältiger Redaction, mit Bewahrung aller Eigenthümlichkeiten der
localen Aussprache. Unter den dialektischen Eigenthümlichkeiten ver-
dient das fricative y statt des gewöhnlichen g der grossruss. Dialekte
und die stark erweichten Affricaten c und c hervorgehoben zu werden.
2) Die Neuausgabe des Kirsa Danilov : CöopHmcB KHpmir /l^aHH-
jiOBa. Publication der Kaiserl. Oeffentlichen Bibliothek unter der Re-
daction P. N. Scheffer's. S.Ptbg. 1901, 8«, II + XL VI + 284. Be-
kanntlich ist die Handschrift zu Ende des 18. Jahrhunderts geschrieben.
Dank der Ungeübtheit des Schreibers in der russischen Orthographie
treten manche phonetische Züge des Dialektes oder seiner Vorlage
recht deutlich hervor. Manches weist auf die Entstehung der Hand-
schrift in Sibirien hin, folglich werden auch einige Züge der Sprache
in dem localen sibirischen, d. h. nordgrossrussischen Dialekte ihren
Grund haben. Doch neben dem harten t in der 8. Pers. sing, der Verba,
neben den Formen tbök, eeÖH, neben eno, öoraTona u. s.w., werden auch
Charakterzüge des a-Dialektes, die Genitivformen Mene, xeöe, ceöe
(Vorrede S. XI — XIII) hervorgehoben, was der Herausgeber so deutet:
»Auch in Sibirien kommen a-Dialekte vor . . . man darf nicht ausser
Acht lassen, dass bei Demidov auch Schreiber aus der Gegend von
Tula, wo er bekanntlich seine Fabriken hatte, anwesend sein konnten
(S. XXV Anm. 2). In dieser Ausgabe sind alle Eigenthümlichkeiten der
Handschrift aufs sorgfältigste bewahrt und reproducirt.
Der lexicalische Theil der russischen Dialekte ist in der Abhand-
lung Sobolevskij's ganz bei Seite gelassen. Die Aufzählung der lexi-
calischen Hilfsmittel der russ. Sprache bis zum Jahre 1896, gegeben von
P.K. Simoni in Hsb^ctih 1896, B.I, ist nicht vollständig. Vollständiger
ist das bei dem 4. Heft des von der russ. Abtheilung der kaiserl. Akademie
herausgegebenen Wörterbuchs (1896, Vorrede). Seit 1896 erschienen
dialektisch -lexicalische Beiträge in der ^HBan CrapHna, im PyccKÜl
<I>Hjio.iorKiecKiH BicTHHKX, in den Il3BicTifl und im CöopiiHKi,, ferner
in den Beilagen zu einzelnen Publicationen des ethnographischen Ma-
Die grossruss. Dialektologio in den letzten fünf Jahren (1807—1901). 97
terials. Grosse Bedeutung für den lexicalischeu Theil der russ. Dialekte
wird dem von der russ. Abtheilung der kaiserl. Akademie herausge-
gebenen Wörterbuch zukommen. Nach dem Plan der gegenwärtigen
Herausgeber des Werkes soll es ein vergleichendes Wörterbuch des
ganzen grossrussischen Dialektes darstellen, in dasselbe werden nicht
nur die Wörter der Literatursprache, sondern auch alle in irgend einem
grossrussischen Dialekte nachweisbaren Ausdrficke aufgenommen, mit
Angabe ihrer Verbreitung im allgemeinen oder in einer bestimmten
Bedeutung. Leider trägt das Wörterbuch diesen Charakter erst vom
IL Band, d. h. vom Buchstaben E an, während der Herausgeber des
I. Bandes sich ausschliesslich auf den Wortvorrath der Literatur-
sprache beschränkt hatte. Bei der Grösse der Aufgabe ist der Abschluss
des Werkes in weite Ferne gerückt. Seit 1897 erscheint jedes Jahr ein
Heft, jetzt ist man bei dem Buchstaben 3.
Als mundartliche Idiotika seit dem J. 1897 kenne ich folgende
Publicationen: Das Wörterbuch des Dialektes von Olonec (CjOBapt
oöjiacTHoro OjiOHeii,Karo napigia bx ero ötiTOBOM'L h 3THorpa*H-
^lecKOMT. npHM'feHeHiH, coöpajn. na MtcT'& 11 cocTaeHJix V. II. KyjiHKOB-
CKiii. CIIö. 1898). Dieses von der II. Abtheilung der kais. Akademie
der Wiss. herausgegebene Wörterbuch Kulikovskij's übertrifft an
Umfang das bekannte Wörterbuch des Dialektes von Archangelsk von
Podvysockij. — In dem 3TiiO't>pa*HqecKoe 06o3piHie vom Jahre 1899,
Buch 40 — 41, Nr. 1 — 2 gab derselbe Verfasser noch Nachräge zu sei-
nem Werke (etwa 120 Wörter). — In der Zeitschrift »^HBaa CTapnHa«
erschienen mehrere kleine Idiotika, und zwar fürs Südgrossrussische
1 . Eine Zusammenstellung von Idiotismen aus dem Rjazaner Gonv. von
Dittel, ungefähr 900 Wörter (einige phonetisch niedergeschrieben), in
K. Cxap. VIII, Heft 2, 1898. Dieses Idiotikon wurde im J. 1860 ge-
sammelt, leider ist die Provenienz einzelner Wörter nicht genau ange-
geben, neben dem reinen südgrossruss Gebiete wurden auch einzelne
in dialektolog. Beziehung gemischte Kreise des dialektisch bunten Rja-
zaner Gouvernements herbeigezogen. Fürs Nordgrossrussische:
2. Als Beilage zur Abhandlung Pokrovskij's: Ueber die Volksdialekte
des nordwestl. Theils des Gouv. Kostroma {'M. Cxap. 1898^ Jahrg. VII,
Heft 3 — 4) — etwa 200 Wörter. 3. Lexikographisches Material aus
den Novgoroder Mundarten von M. K. Gerasimov (MaxepiajiLi jibkch-
Korpa*HTiecKie no HoBropoACKHMt roBopaMi. M. K. TepacHMOBa) , etwa
230 Wörter und 121 Namen ans Cerepovec: und von N. Kedrov
Archiv für »lavische Philologie. XXVII. 7
98 N. Durnovo,
Wörter ausLadoga (CjiOBa ja^oatCKia), ungefähr 273 Wörter (yK. Cxap.
1878, Jahrg. VIII, Heft 3 — 4). Beide Sammler berücksichtigten haupt-
sächlich den in der Literatursprache ungebräuchlichen Wortvorrath.
4. P. K. Simoni gab in H. Crap. 1898, Jahrg. Vm, Heft 3—4, zwei
alte dialektologische Wörterbücher des XVIII. Jahrh. heraus, Wörter
aus der Gegend von Gross-Ustjug und Vjatka. 5. V. Sevljakov
gab eine Anzahl von Wörtern des localen Gebrauches der Stadt Tot'ma
(Gouv. Vologda, gesammelt im Jahre 1859, im Ganzen nur 19 Wörter,
:aC.CTap. 1899, Jahrg. IX, Heft 1). 6. Als Beilage zur Abhandlung
über den Dialekt des Kreises Cuchloma des Gouv. Kostroma erschien ein
Beitrag von etwa 100 Wörtern von Th. Pokrovskij. 7. A. Balov
sammelte aus dem Dialekt des Ljubimer Kreises (Gouv. Jaroslavl') etwas
über 100 Wörter in ^K. Cxap. 1900, Jahrg. X, Heft 1—2. 8. A. Fo-
min (A. 9omhhi) gab eine ältere Sammlung (vom Jahre 1787) heraus:
Pocnnet ojiob'b h piqsHiä h31> ocTaxKOB'B ApeBHiiro pocciäcKaro nsuKa
BT. /^BHHCKofi CTpaH^ COÖpaHHfclX'L H HO HWH'imHeMy OÖpaSOBanilG HST.-
HCHBHHHxx— nur 36 Wörter (^K.Cxap. 1900, Jahrh. X, Heft 3). 9. Als
Beilage zur Abhandlung D. Z elenin 's: lieber die dialekt. Eigenthüm-
lichkeiten der Bauern des südöstl. Theiles des Gouv. Vjatka {'JK. Cxap.
1901, Jahrg. XI, Heft l) erschien auch ein Wörterbuch, umfassend ca.
500 Wörter. — In dem Warschauer PyccKiil ^mtojrorH^iecKin B'Scthhk'l
ist lexikalisches Material bei folgenden dialektologischen Abhandlungen
enthalten: 1) RSzanov, Zur Dialektologie der grossrussischen Mund-
arten: die Eigenthümlichkeiten der Volkssprache im Kreise Obojan,
Gouv. Kursk (südgrossrussisch, B. 38, Jahrg. 1897, Nr. 3 — 4). 2) Pro-
vinzialismen des Distriktes Mozdok des Kozakengebietes von Terek, ge-
sammelt von M. Karaulov (B.44, Jahrg. 1900, Nr. 3— 4, S. 86— 114),
etwa 500 Wörter (südgrossruss.). 3) In der Abhandlung Karinskij's:
Ueber einige Dialekteigenthümlichkeiten im Flussgebiet Luga-Oredez,
Gouv. Novgorod (B. 40, Jahrg. 1898, Nr. 3—4), ca. 200 Wörter und
darüber. 4) P. Sein gab zu dem Bande der Erzählungen und Ueber-
lieferungen des Samara- Gebietes, gesammelt und verzeichnet von Sadov-
nikov, ein Wörterbuch von mehr als 400 Wörtern (B. 41, Jahrg. 1899,
Nr. 1 — 2, S. 47 — 70). — In den »HsB^cTiii OTA^jeniH pyccKaro HSLiKa
H cjOBecHOCTH« erschion : 1) Von S. K. Bulic Material zum russischen
Wörterbuch (B. I, 1896, Heft 2, S. 294 — 334), 2) von Prof. E. Th.
Budde Wörter, gesammelt im Gouv. Tula und Kaluga (als Beilage zur
dialektologischen Abhandlung desselben Verfassers, B. III, 1898, H. 3,
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897—1901). 99
S. 846 — 898), ungefähr 690 Wörter, mit genauer Angabe des Ortes und
der ganzen Phrase.
Viel lexikalisches Material enthält der 68. Band des akademischen
CßopmiKt, StPtbg. 1901. Man findet hier zwei südgrossrussische Wör-
terbticher, und zwar 1) in der Abhandlung V. Th. Solovjov's: Oco-
öeHHOCTH roBopa AOHCKHXt KaaaKOB'B (als Nr. 2), 451 Wörter, und 2) in
der Abhandlung A. I. Sacharov's : Hsmk^ kpbctbhh'b II.!Ilhhckoh bo-
jiocTH EcixoBCKaro yis^a, Op.iioBCKOH ryöepHin (als Nr. 5), ca. 1000
Wörter. Ferner 3) Wörter, gesammelt von V. I. Öernysov im Kreise
von Moskau ,;als Nr. 3), ca. 1000 Wörter (der Dialekt stellt den ge-
mischten Typus, abweichend von dem reinen südgrossrussischen, dar),
endlich 4) ein nordgrossrussisches Wörterbuch, gesammelt von V. G.
Bogoraz in Kolym: OÖJiacTHoä cüOBapt KojitmcKaro pyecKaro Hapi&-
^ia (als Nr. 4) mit mehr als 2000 Wörtern.
Der Ausgabe A. Marko v's » Bi.ioMopcKia ötMHHLi« ist ein Wörter-
buch der Idiotismen und Archaismen aus den vorliegenden Bylinen bei-
gefügt. Ebenso ist der Neuausgabe des Kirsa Danilov ein Wörterbuch
der darin vorkommenden Idiotismen (ca. 460 Wörter) beigelegt. Auch
jedem Bande von A. I. Sobolevskij, BejiHKopyceKifl Hapo;iHtiK h'^chh
Bd.I — VI, StPtbg. 1895 — 1900) folgen Indices der Idiotismen u.a. nach.
Ein Mangel vieler der genannten Wörterbücher ist, dass sie meist nur
Wörter bieten, die bei V. I. Dal' (To.ikobhh cjroBapL acHBoro BeiHKopycc.
asLiKa) nicht verzeichnet sind oder die dem Sammler auffallend vor-
kamen. Zweck solcher Wörterbücher ist nicht, den Interessen der
Dialektologie zu dienen, sondern den schon gesammelten Wortvorrath
zu vervollständigen , weshalb es auch auf Grund derselben schwer ist,
über den lexicalischen Bestand irgend einer Mundart oder über die Ver-
breitung der gewöhnlichsten Wörter, wie z.B. nsöa und xaTa, aomx und
;tBopi, U.S.W, zu urtheilen.
Ich gehe nun zu den der Beschreibung einzelner Mundarten ge-
widmeten Forschungen über. Da ich bei meiner Uebersicht Sobolev-
skij's OntiTt pyccKOH Aia-ieKXOjioriH zum Ausgangspunkte nehme, so
will ich ihn vorerst charakterisiren. Hier ist auf lOS SS. in 8" nach
Möglichkeit alles gesammelt, was von den gross- und Weissrussischen
Dialekten in der russ. wissenschaftlichen Literatur bis 1897 bekannt
war. Gruppirt wird das Material folgendermassen : I. Grossruss. Dialekt
mit A. dem Stidgrossruss. oder Akavischen und B. dem Nordgrossruss.
oder Okavischen, wobei noch beim letzteren die Untermundarten 1. das
7*
100 N. Durnovo,
Nicht-Cokavische und 2. das Cokavische unterschieden werden; II. Das
Weissrussische mit seinen 1. eokavischen und 2. nicht-eokavischen
Mundarten. Die Vorführung des Materials bei einer jeden Gruppe ge-
schiebt nach den Gouvernements und den Bezirken. Das Ziel des Buches
war nach den Worten des Verfassers, »die hauptsächlichsten Eigenheiten
der russischen Mundarten in Lauten und Formen auf Grund von fast
ausschliesslich gedrucktem Material zu zeigen« (S. 3), daher auch nur
das meist Charakteristische und das Auflassen alles Uebrigen in seinem
Buche. Accent und Lexicon der einzelnen Mundarten werden nicht be-
rücksichtigt. Phonetische Feinheiten, die sich durch das gewöhnliche
Alphabet schwer wiedergeben Hessen, werden ausser Acht gelassen.
Nach Möglichkeit werden folgende Züge in jedem Dialekte festgestellt:
der Grad des a- oder o-Sprechens; die Diphthongirung; 'e für '«; u für v
[v und 10 werden nicht unterschieden) und f. 7; // (d. i. y] und g; das
ÄSBKaHLe. iioKaHbe und ii,0KaHLe (das dz-^ c- und c-sprechen);yfür chv
und umgekehrt; A' f. k und /für Jc\ die Aussprache der Zischlaute; die
Intonation der Rede; beiden Formen: die Vermischung der Declinationen
und Casus; die Endung des gen. sing, der Adjectiva und Pronomina; die
Formen der persönlichen Fürwörter; die Endung der 3. Person bei den
Verben; die zusammengezogenen Formen der Adjectiva und Verba; die
Endungen der Verbareflexiva; von den syntaktischen Eigenthümlichkeiten
nur der Gebrauch des Artikels und die Vermischung der Genera. Hie und
da werden auch einige andere Züge angemerkt, wenn sie die Quellen
boten uud sie für die Mundart charakteristisch sind. In dieser Weise
ist Sobolevskij's Buch für die Wissenschaft sehr nützlich: es zeigt, was
für diese oder jene Mundart bereits gethan worden ist, und es gibt so-
zusagen eine dialektologische Karte von Gross- und Weissrussland, in-
dem es zwar kein vollständiges, jedoch immerhin annäherndes Bild von
der Verbreitung der wichtigsten dialektologischen Merkmale bietet. Das
Buch ist demnach auch ein Wegweiser, was zu thun noch aussteht. So
sehen wir z. B. daraus, dass im Jahre 1S97 das Südgrossrussische viel
weniger erforscht war, als das Nordgross- und Weissrussische : ausser
den Abschnitten über die Mundarten der Gouv. Rjazan und Kursk ist
alles Uebrige über die südgrossruss. Dialekte im OnLixi. fragmentarisch
und lückenhaft.
Der Behandlung der einzelnen Mundarten eines jeden Haupt- und
Nebendialektes geht eine allgemeine Ciiarakteristik der letztern voran.
So steht anfangs die Charakteristik der Moskauer Literatursprache,
Die grossruBS. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). IQl
welche »massig akavisch« genannt wird; dann folgt die Charakteristik
der südgrossruss. »stark akavischen« Mundarten; ebenso wird das
Nordgrossrussische im Vergleiche zum Moskauischen und Südgross-
russischen, schliesslich das Weissrussische charakterisirt. Dies Letztere
ist nach Sobolevskij »nichts anderes als ein dritter, westlicher oder
akavisch- dzekavischer Nebendialekt des Grossrussischen, und zwar
am nächsten den südgrossruss. stark akavischen Mundarten«. Als ein
Verdienst muss man dem Verfasser anrechnen, dass er die Moskauer
Sprache getrennt von den übrigen südgrossruss. Mundarten behandelt,
mögen auch spätere Forschungen über die Mundarten des Moskauer
Gouvernements, wie mir scheint, klar gelegt haben, dass das Charakte-
risiren der südgrossruss. Mundarten als »stark akavisch« zum Unter-
schiede vom Moskauischen nicht ganz genau ist. Im nördlichen Theile
des Moskauer Gouvera. kennen wir Mundarten, die mit ihren lautlichen,
formalen und lexicalen Eigenthümlichkeiten der Moskauer Literatur-
sprache sehr nahe stehen, dabei jedoch nicht massig, vielmehr stark
akavisch sind. Der Art sind die Mundarten, die von mir theils be-
schrieben, theils erwähnt werden im » Onncaiiie rosopa AepenHH IIap*e-
HOKT. PyscKaro yis^a«, ebenso auch die Mundarten, die V. J. Cernysov
in »Cßi^iiHiii 0 HapoÄnLixi> roBopaxi> iiiKOToptixt cejreHiä MocKOBCKaro
yi3;i;a« vorführt. Anderseits gibt es südgrossruss. Mundarten mit dem
A-sprechen Moskaus, obwohl sie sich sonst vom Moskauischen eben
durch ihre südgrossruss. Züge unterscheiden, wie z. B. y für das Mos-
kauer g, f in der Endung der dritten Person der Verba für Moskauer t
(hart), gen.-acc. mene, telJe f. Mosk. ihenä^ t'ehä: schliesslich ist auch
ihr Lexicon der des Südens (cKopo^HTt, ^eKa, xaxa u. s. w.). Solche
Mundarten werden »MimaHCKie« genannt. Jedoch wenn man auch das
massige A-sprechen der sog. Bürgermundarten durch den Einfluss der
Literatursprache erklärt, so trifft die Charakteristik jener Mundarten
als stark akavisch er nicht zu, wo neben cadü^ Üarü, vad'i, niisi u. s. w.
vydä, bidä, nisei^ vilat' vorkommt. Uebrigens werden Mundarten
dieses Typus in der allgemeinen Charakteristik der südgrossruss. stark-
akavischen Mundarten in Sobolevskij's OnLiTt gar nicht berücksichtigt,
obwohl sie dem Verfasser bekannt waren. So werden allen südgrossruss.
einige für den südgrossruss. Dialekt nicht besonders charakteristische
Züge zugeschrieben, z. B. die harte Aussprache der Endlabiale und der
Doppelzischlante in, [ss] und zz (ich kenne südgrossruss. Mundarten mit
weicher Aussprache aller Zischlaute; anderseits ist hartes ss, zz, auch
102 N. Durnovo,
den nördlichen Mundarten gut bekannt), weiches h nach weichen Con-
sonanten (was sporadisch sowohl in südlichen als auch in nördlichen
Mundarten vorkommt), nichtorganisches j vor u (es taucht in südl. und
in nördl. Mundarten beim Singen auf, doch nirgends beständig; ob es
auch in der Umgangssprache erscheint, dafür gibt es kein glaubwürdiges
Zeugniss). Nicht ganz genau ist auch, dass »r vor Vocalen oft oder
sogar regelmässig als li ausgesprochen wird«. Richtig ist nur das
letztere: jene Mundarten, wo mau g hört, sind gemischte. Zu den von
Sobolevskij aufgezählten Eigenthümlichkeiten des südgrossruss. Dia-
lektes könnte man noch hinzufügen : ein häufigeres (als im Nordgross-
russischen) Mischen der Conjugationen mit dem Präsensthema auf -e
und -i, wenn die Endungen unbetont bleiben (z. B. liiha^ luhüt') ; accus,
sing. fem. der Adjectiva auf ~aju (ohne Betonung) oder -üj'a u. a. ; im
Lexicon : cKop6;i;HTB, ^e^Ka, Kopen;'i), xaxa, poraqt u. a. statt nordgross-
russ. öopoHOBaTfc, KBamiia, KOBmt, nsöa, yxBaTt u. a. ^).
Ich verweilte bei diesem Theile von Sobolevskij 's Oiilit'b deshalb
etwas mehr, weil der Charakter des Nordgrossruss. uud Weissruss. im
Jahre 1897 besser festgesetzt werden konnte, als der Charakter des
Südgrossruss. ; aber auch deshalb , weil das dialektologische Material,
das seit 1897 veröffentlicht wurde, am meisten unsere Kenntnisse über
das Südgrossrussische bereichert hat. Dazu gehören die Arbeiten von
A. A. Sachmatov, E. Th. Budde, V. J. Cernysev, K. Filatov, Rezanov,
Karaulov, Kalmykov, A. A. Nikol'skij, V. N. Dobrovol'skij.
Eine besonders gute Berücksichtigung fanden in letzterer Zeit die
Mundarten des Gouv. Kaluga und des benachbarten Theiles des Gouv.
Smolensk. Der unermüdliche Ethnograph V. N. Dobrovol'skij sammelte
hier ein überaus grosses Material von Liedern, Märchen, Legenden, Er-
zählungen aus dem Bauerleben u. a. Der Sammler bemühte sich, die
locale Aussprache wiederzugeben , ohne dabei zu einer complicirteren
Transscription der Laute Zuflucht zu nehmen. Die Aufzeichnungen aus
dem Gouv. Smolensk sind in der umfangreichen Ausgabe »CMOjreHCKiii
BTHorpa^HgecKiä cöophrnct«, theilweise auch in der yRnBan CTapnHa
abgedruckt, wo auch das Material aus dem Gouv. Kaluga zur Veröffent-
lichung gelangte. Das werthvolle dialektologische Material in den Aus-
gaben V. N. Dobrovol'skij 's lenkte, abgesehen von Sobolevskij's Ontixt,
1) Anzeigen von Sobolevskij's Onbiii. pyccKofi ÄiajreKiojioriH s. von Sach-
matov !i. Karskij in den HsBicTia 1897, II, S. 1157 — 64.
Die groBsruss. Dialektologie iu den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). 103
die Aufmerksamkeit noch anderer Gelehrten auf sich. So legte Akad.
Sachmatov die Aufzeichnungen aus El'na im Gouv. Smolensk einer
phonetischen Studie zu Grunde (die erste Hälfte von »SByKOBtifl oeo-
ÖeHlIOCTH EjIbHHHCKHXI. H MoCaJtBCKHXl. rOBOpOBt im PyCC. $HJI0.1.
BicTHHK'B 1896, Nr. 3 — 4. S. 66 — 99). Er unterzog die genannten
Aufzeichnungen derselben kritischen Analyse, wie eine alte Handschrift,
d. i. trachtete zuvörderst zu bestimmen, worin sich der Einfluss der üb-
lichen Orthographie und die Unkenntniss, diesen oder jenen Laut wieder-
zugeben, zeigt. Die Eigenthümlichkeiten der Mundart des Bezirkes von
El'na gestatten nach der Ansicht Sachmatov's nicht, sie der weissr. dia-
lektolog. Gruppe zuzuzählen ; nach den lautlichen Zügen gehört diese
Mundart zusammen mit den benachbarten Mundarten des Gouv. Kaluga
zum Südgrossrussischen. Im zweiten Theile der Abhandlung (Pyc. $Hjr.
BicT. 1897, Nr. 3 — 4) stellt Sachmatov die Lautlehre der Mundarten
des Kreises Mosal'sk im Gouv. Kaluga dar (er grenzt an den von El'na
an) und zwar auf Grund eigener Beobachtungen. Da er die Geschichte
der einzelnen lautlichen Erscheinungen vorführt, so konnte nur ein ge-
ringer Theil der Lautlehre der Mundarten von Mosalsk zu Worte
kommen: über unbetontes und betontes a, o, e; über «/, e, «", die o, e
anderer Mundarten entsprechen; über die reducirten und nicht redu-
cirten y, ^<, i. Die Mundarten von Mosal'sk und El'na gehören danach
zu den südgrossruss. , wobei einige ihrer Züge auch an die weissruss.
erinnern.
Prof. Budde konnte im Jahre 1897 auf seiner Reise im Gouv. Tula
zufälligerweise auch von ein Paar Frauen die Mundart des Kreises
V
Zizdra im Gouv. Kaluga kennen lernen (cf. 0 n^feKOToptixt napo^Htixt
roBopaxt Wh TyjiLCKoil ii KajiyaccKOH ryöepHiaxi) in den HsBicxia
OTA. pyc. 33. H CJIOB. HAH. 1S98, Heft 3, S. 842—845). Die Mund-
arten desselben Kreises behandelt M. Karaulov (FoBop na^iix /Kns/ipHH-
CKaro yi&3;i;a Ka.ziyjKCKon ryö. im Pycc. <S>hji. B'i&CT. 1900, Nr. 1 — 2,
S. 218 — 230). Die Quelle für ihn bildeten ausschliesslich die Aufzeich-
nungen V. N. Dobrovol'skij's. Schliesslich ist die umfassende Arbeit
A. Nikol'skij's (Hapo;i,Hfcie roBopti yRasApHncKaro yis^a KajryatcKoä
ryö. im Pycc. $11.10.1. BicT. 1901, Nr. 1—2, S. 269—277 und Nr. 3
bis 4, S. 235 — 249; Fortsetzung folgt) zu nennen. Zu Grunde liegen
eigene Beobachtungen (es werden über 30 Dörfer aufgezählt), aber auch
das Material Dobrovol'skij's und Budde's. Bisher erschien erst die
Vocallehre. Das Material ist reichha:ltig. Die Darstellung systematisch.
104 N. Durnovo,
nicht selten werden wissenschaftliche Erklärungen verschiedener mund-
artlicher Erscheinungen gegeben und Vergleiche mit andern Mundarten
angestellt.
Die Arbeiten M. Karaulov's und besonders A. Nikol'skij's sind sehr
wichtig, einerseits weil man bisher über die Mundarten des Kreises von
Zizdra fast nichts gekannt hatte, anderseits weil sich diese Mundarten,
wie überhaupt das ganze Volksleben dortselbst, durch grosse Alter-
thümlichkeit auszeichnen, dabei aber auch viele eigenthümliche Züge
aufweisen, die vielleicht durch die Nachbarschaft der nördlichen Klein-
russen und der Weissrussen hervorgerufen worden sind. Unter diesen
letzteren Zügen ist besonders charakteristisch der Mangel der voll-
ständigen Erweichung der Consonanten vor e (nach der Ansicht Budde's
und A. Nikol'skij's ein kleinrussischer Zug). Die gleiche Aussprache
bemerkte Budde auch im Gouv. Tula, ich selbst kenne es aus dem
Kaluger Kreise im Gouv. Kaluga und aus dem Kreise Skopin im Gouv.
Rjazan. Das Akanje der Mundarten von Zizdra gleicht dem von Kal-
mykov für das Don'sche Gebiet (/l,0HCKaÄ oöJiacTt; s. unten) und dem
im 3THorpa*HqecKiH CöopHHK'L Bd. V für den Kreis von Obojan im
Gouv. Kursk beschriebenen.
üeber die Mundart der Stadt Mescovsk im Gouv. Kaluga veröffent-
lichte ausführliche Angaben V. J. Cernysov in zwei Aufsätzen (CBiAinifl
0 Meni,0BCK0MT, roBopi, IIsBicTia II ota. 1898, kh. 3 und ^ono.iHeHia
Kl. CBiA^HiHMi, 0 roBopi V. MemoBCKa, CdopHnKT, II OTA. Bd. 68, Nr. 6,
36 S. CII6. 1900). Nach ihren lautlichen Eigenthümlichkeiten stimmt
die Mundart von Mescovsk mit den übrigen Mundarten des Gouv. Kaluga
überein, die nicht dem Typus von Mosal'sk oder Zizdra angehören.
Durch die Aussprache des u anstatt v oder lo nähert sich die Mundart
von Mescovsk einer ganzen Reihe südgrossrussischer Dialekte (wie die
Mundarten des Orlover, eines Theiles des Tuler und Rjazaner, Voro-
nezer u. a. Gouvv.). Zu bemerken ist auch eine ziemlich geschlossene
Aussprache des a vor dem Tone und die Laute y und e vor i in einigen
Declinationsformen der Adjectiva und Pronomina, was, wie es scheint,
fast dem ganzen Gouv. Kaluga zukommt.
Ueber die Mundarten des Tuler und theilweise Kaluger Gouv.
(der Kreis von Lichvin) brachte neue und werthvoUe Nachrichten die
schon erwähnte Reise Prof. Budde's. Darüber handeln zwei Aufsätze
in den IIsBicTia II ot^. (0 H'iKOTopBixT& HapoAHBixT& roBopax'B bt. Ty.ib-
CKOH H KajryatcKOH ryöepmax^B, Hsb. 1898, kh. 3, S. 823 — 904 und
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897—1901). 1 05
0 HapoÄHMxt roBopax'L bt. TyjiLCKoii ryÖepiuH. ib. kh. 4, S. 1273 —
1330). Prof. Budde bietet keine ausführliche Beschreibung der Mund-
arten, die er kennen gelernt hatte, weil er dazu zu wenig Material be-
sass, doch er gibt ihre charakteristischen Züge an und stellt auf Grund
dessen drei Hauptgruppen der Tuler Mundarten auf: 1) die Mundarten
des Typus von Zizdra (s. oben); 2) die Mundarten des üblichen süd-
grossruss. Typus mit starkem Akavismus und 3) die Mundarten des
Moskauer Typus mit massigem Akavismus und anderen Moskauischen
Zügen. Seine Thesen illustrirt Budde am Material: Liedern und Bruch-
stücken von Gesprächen. Diese Aufzeichnungen sind streng phonetisch
durchgeführt, obwohl hie und da darin auch Fehler und Ungenauig-
keiten vorkommen, die bei der Eile, mit der die Aufzeichnungen ge-
macht wurden, begreiflich sind.
Sehr ins Detail geht die Arbeit eines jungen Warschauer Gelehrten
Kosmas Filatov (OiepKX Hapo^Htixi. roBopost BopoHeatcKoii ryöepHiH,
Pyce. $HJioj. BicTHHKi> 189 7 und 1898). Gleich Budde erforscht hier
der Autor die Mundarten eines ganzen Gouv., mit denen er sich im Jahre
1896während einer Bereisung des Gouv.bekannt gemacht hatte. Ausser-
dem nahm er alles bis dahin gedruckte dialektologische Material aus
dem Gouv. Voronez durch. Die Grundlage der Untersuchung bilden
K. Filatov's eigene Beobachtungen. Danach stossen im Voronezer Gouv.
Mundarten verschiedener russischer Dialekte zusammen: den grösseren
Theil des Gouv. nehmen die südgrossruss. Mundarten, sodann nord-
grossruss. und kleinruss. ein. Die südgrossruss. theilt er in 3 Gruppen:
1) die stark akaisirende Mundart der Bauern, 2) die massig akaisirende
der Kleinbürger und 3) die cokavische. Indem er nun die übrigen Mund-
arten in allgemeinen Zügen charakterisirt, beschreibt er sehr ausführ-
lich die stark akaisirende Bauernmundart ^).
lieber die übrigen südgrossruss. Mundarten haben wir seit 1897
keine so ausreichenden Nachrichten. Ueber eine Mundart des Orlover
Gouv. spricht A. J. Sacharov (HsbikI) KpecxtflH'B IIjilhhckoh bo.iocth
BojxoBCKaro yia^a OpjiOBCKoil ryöepHin, CII6. 1900, 48 S. im Cöop-
iiHKt OTA. Bd. 68, Nr. 5). Den grösseren Theil der Abhandlung nimmt
ein ziemlich umfangreiches Lexicon ein ; was die eigentliche Beschrei-
bung anbelangt, so ist sie sehr unvollständig und gibt keine klare Vor-
*) Eine Anzeige über Filatov's Untersuchung a. von A. Sobolevskij im
3THorp. 06o3p. 1898, Nr. 4. A. Sachmatov nennt sie »npenpacHoe iiscjiiÄOBaHie
(Oxiert 0 npiicyacft. JIomohoc. npeiaiH b 1899 r.).
106 N. Durnovo.
Stellung von dem Charakter der Mundart. Es wird nicht einmal gesagt,
ob dies eine akaisirende Mundart ist und was für einem Typus sie an-
gehört, wie die Formen für die dritte Person praes. und g {y oder g) aus-
gesprochen wird. Betreffs des Akavismus könnte man noch vermuthen,
nach den Wörtern mit A, obwohl die Bezeichnung bei Sacharov im all-
gemeinen unphonetisch ist, ausserdem nach Beispielen wie pamoTKa,
pmuexo; die übrigen Eigenthümlichkeiten lassen sich einigermassen
voraussetzen 1) auf Grund der geographischen Lage der Mundart, 2) des
Akavismus, 3) der bei Sacharov angemerkten Aussprache des u anstatt
V und umgekehrt, der Prothese des w vor u und o, 4) einzelner Wörter,
wie KymHHx, poMHtiH, 0TKLi;i0Ba, TbBiTi.. Man kann dafürhalten, dass
die Mundart mit anderen im Gouv. Orel übereinstimmt, was auch aus
dem Lexicon ersichtlich ist.
Eine sehr gute Beschreibung einer Mundart des Gouv, Kursk
lieferte V. Rezanov (Kt ^iajieKTOjioriH BeJHKopyce. napi^ä. OcoöeHHOcxH
a^HBoro Hapo;i;Haro roBopa OöoaHCKaro y. KypcKoä ryö., Pyce. $h.io.i.
BicTHHKi, 1897, Nr. 3—4).
Weiter ist da zu erwähnen ein kleiner Beitrag des Verfassers
(SaMixKa 0 roBopi UlanKaro y. TaMÖoBCKoä ryö. , IIsBicxia 11 ot;i,.
1900, KH. 3, S. 921 — 955). Obwohl die behandelte Mundart eine
Mischmundart ist (nördl. Züge sind die sog. lispelnde Aussprache der
Sibilanten und Zischlaute, g anstatt des südgrossruss. ;' u.s. w.), dennoch
überwiegen die südgrossruss. Züge (darunter auch im Lexicon). Im
OntiTt Sobolevskij's waren die Angaben über die Mundarten des Gouv.
Tambov äusserst dürftig. Das vom Autor aufgezeichnete Material be-
stätigte die Vermuthungen B. Ljapunov's ^s. ^HBaa CxapHHa 1S94).
lieber die Mundarten des Don'schen Gebietes bietet der Ontixt
einige Angaben hauptsächlich in den Zusätzen. Nach dem Jahre 1897
handelten über diese Mundarten zwei Aufsätze: 1) M. Kalmykov,
/[^OHCKaa oöitacxb, nepBLiii ^ohckoh OKpyrx., lopx'i. KoqexoBCKoä Cxa-
HHi^ti (IIsBicxia II ox;i;. 1898, kh. 3, npuJioa:. S. 109 — 129) und
2) V. Th. Solovjov, OcoöeHHOCXH roBopa aohckhx'l KaaaKOB^, CII6.
1900, 521 S., CöopHHKX II orji. Bd. 68, Nr. 2). Die von M. Kalmykov
beschriebene Mundart stimmt sehr überein, wenn sie nicht identisch ist
mit der südgrossruss. Mundart der TynAopoBCKaa cxaHHii,a, worüber bei
Sobolevskij im Ontixt S. 102 gesprochen wird. Danach würde sie zu
dem am meisten verbreiteten Typus südgrossruss. Mundarten gehören.
Jedoch der fein beobachtende M. Kalmykov merkt noch einige weitere
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). 107
Züge an, die im Ohlitx 1. c. nicht erwähnt werden. So wird unbetontes
'rt vor dem Tone nur vor der Silbe mit betontem u oder / (und y?) ge-
hört, hingegen hört man vor der Silbe mit den übrigen betonten Vocalen
nach einem weichen unsonantischen Laute nur /. Ein solcher Akavis-
muä erinnert an den von Zizdra und Obojan (s. oben). Ausser dem
Akavismus findet man y und e aus altem y vor { u. a.
Die Beschreibung V.Th.Solovjov's ist bei weitem nicht so ausführ-
lich und genau, dafür umfasst sie aber den ganzen Don'schen Kreis
(oKpyri,), wobei der Verfasser 3 Hauptmundarten unterscheidet: 1) eine
obere (BepxoBtiä ronopTb), 2) niedere (hhsoblih) und 3) cerkassische
(yepKaccKiS).
Die Eigenthümlichkeiten der oberen Mundart sind: ein starker
Akavismus, ein hartes ss, die Erweichung des k nach weichem un-
sonantischem Laute [tnalacK-ä u. s. w. , das Gerundium auf -msi u. a. ;
die Eigenthümlichkeiten der niederen Mundart sind ausser dem Akavis-
mus: u anstatt r, und umgekehrt, Formen der ersten Person praes.
chadii, nam, pram u.s. w. und einige Kleinrussismen; die cerkassische
Mundart stimmt mit der vorhergehenden niederen überein, zeichnet sich
aber durch die Aussprache der Sibilanten anstatt der Zischlaute aus.
Das Ter'sche Gebiet am Kaukasus ist die südlichste Gegend, die
vom südgrossruss. Stamme besiedelt ist. Mit einer Mundart dieses Ge-
bietes beschäftigt sich M. Karaulov (s. oben: roBopi. cTaHHii;'i> ötiBmaro
Mo3;i;oKCKaro nojKa TepcKaro KasaibHro BOHCKa, Pyec. ^hjoji. BicximKi.
1900, Nr. 3—4, S. 66—115; S. 86—115 bieten das Lexicon). Der
Aufsatz ist schon deshalb interessant, weil aus dieser Gegend im OnLiTi.
fast nichts verzeichnet ist. Nach ihren Eigenthümlichkeiten gehört
die von Karaulov beschriebene Mundart zu dem am weitesten ver-
breiteten Typus südgrossruss. Mundarten (sie gleicht der zweiten Gruppe
der Tuler Mundarten).
Die nördlichsten Mundarten des südgrossruss. Dialektes sind die
südgrossruss, Mundarten des Gouv. Pskov. Auf sie beziehen sich in den
MaxepiaJLi A-^a Hsy^ema seJiHKopycc. ronopoBt , in den IIsBicxia
U ot;i,. : 1) E. A. Artenijev, FoBopi. ^epeBHH Ey^aeBO IIcKOBCKon ryö.
OcxpoBCKaro y. Cohhhckoh bojiocxh (HsBiexiÄ 1898, kh. 1, Nr. 33,
S. 1 — 6); 2) J. Zamotin, FoBopt cejia AjxyH'B IIckobckoS ryö. Hobo-
paieBCKaro y. (ib. Nr. 3 9, S. 43 — 45) ; F. Beljavskij, üoroexi. JTyKHHO
IIcKOBCKOH ryö. Be.iHKO.iyi];Karo y. (IIsb. 1899, kh. 1, Nr. 45, S. 8 — 17).
Da diese Mundarten stark akavisch sind und in der dritten Person sinsr.
108 N. DurnoTO,
und plur. die Endung i! (wenn sie nicht abfällt) zeigen, so kann man sie
zum Südgrossrussischen rechnen; doch kommen neben diesen Zügen in
ihnen das explosive a (wenigstens in der Mundart unter 3; die Berichte
Nr. 32 und 39 sprechen über die Aussprache des g und y sehr unklar)
und noch andere nordgrossruss. Züge vor, z.B. gen.-acc. der Personal-
pronomina mand, iaÖd, der Cokavismus, die Aussprache kuksyn (==
südgrossruss. kusij?i)^ instr. plur. = dat. plur., nördliche Betonung und
Lexicon u. s.w. Das alles weist darauf hin, dass es sich hier um Misch-
mundarten handelt. Ein charakteristischer Zug dieser Mundarten, den
sie mit südgrossruss. Mundarten der Gouvv. Kaluga und Smolensk und
den nordgrossruss. des Gouv. Olonec gemein haben, ist die Aussprache
des e statt o anderer Mundarten in einigen Pronominal- und Adjectiv-
formen vor {. Dieselben Züge werden in Sobolevskij's Ohlit'l (S. 29
— 32) auch aus anderen Gegenden des Pskover Gouv., den Kreisen von
Pskov, Cholm und Velikie Luki erwähnt. Demnach bieten die oben
genannten Beiträge wenig neues und bezeugen nur die Gleichartigkeit
der neu beschriebenen und der schon früher bekannten akavischen
Mundarten des Pskover Gouv.
Auf Grund des bisher Vorgeführten isehen wir, dass sich unsere
Kenntnisse über die südgrossruss. Mundarten seit dem Erscheinen des
OnLiTx pycc. Aia-i- bedeutend vermehrt haben. Es erschienen ausführ-
liche und in wissenschaftlicher Hinsicht hoch stehende Beschreibungen
von Dialekten nicht nur einzelner Punkte, sondern auch ganzer mehr
oder weniger umfangreicher Gebiete: erforscht wurden die Dialekte der
Gouvv, Tula,Voronez nnd eines bedeutenden Theiles des Gouvv. Kaluga;
ergänzt wurden unsere Nachrichten über die Mundarten der Gouvv.
Kursk und Tambov und des Donschen und Ter sehen Militärgebietes,
schliesslich auch über die Mischmuudarten im Gouv. Pskov.
Die Dialektologen richteten jedoch ihre Aufmerksamkeit endlich
auch auf die Uebergangsdialekte vom Nord- zum Südgrossrussischen. In
dieser Beziehung war besonders V. J. Cernisov thätig, der bereits oben
bei Gelegenheit der Besprechung von Arbeiten über die Mundarten des
Gouv. Kaluga erwähnt wurde. Doch über ihn mehr weiter unten.
Ich gehe nun zu den Mundarten des Gouv. Moskau über. Eine
Mundart im Süden des Moskauer Gouv. berührt eine ganz kleine Auf-
zeichnung in /KnBaa CxapHHa (1901, b. II; D, Hapo;i;Hi.iu roBop-E na
Moeä po^HHi [bt. cejii BocKpeceHCKOMTi Mockob. ryö. KojoMeHCKaro
y.]). Angemerkt werden da Formen der dritten Person sing, mit Be-
Die grossrnss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). 109
tonung auf nichtletzter Silbe ohne die Endung f'' und in geringem Masse
das C-sprechen.
Im allgemeinen stimmen die Mundarten des südlichen Theiles des
Moskauer Gouv., d.i. die Mundarten im Süden des Kreises von Ruza und
die der Kreise von Podol'sk, Vereja, Bronnicy, Kolomna, Mozajsk, Ser-
puchov und theilweise Bogorodsk mit den Mundarten der benachbarten
Kreise der Gouvv. Smolensk, Kaluga und Tula überein und werden zu
den Südgrossrussischen gezählt. Was die Mundarten der übrigen Kreise
des Moskauer Gouv. (den Kreis von Moskau, den nördlichen Theil des
Kreises von Ruza, die Kreise von Zvenigorod, Klin, Volokolarask,
Dmitrov und einen Theil des Kreises von Bogorodsk) und dazu die be-
nachbarten Kreise der Gouvv. Tvef, Vladimir und Rjazan betrifft, so ent-
halten diese Mundarten neben einem A-sprechen verschiedenen Grades
eine ganze Reihe nordgrossruss. Eigentliümlichkeiten in der Laut- und
Formenlehre und im Lexicon. Ein solcher Charakter der Mundarten
des Moskauer Gouv. wurde von den Gelehrten schon längst erkannt,
leider kannte man da gut nur die Mundart Moskaus selbst, während die
Mundarten des Gouv. Moskau fast ganz unbekannt blieben. Erst in
letzterer Zeit wurde diese Lücke theilweise von V. J. Cernisov, welcher
von der 11. Abtheilung der kaiserl. Akademie der Wissenschaften den
Auftrag erhalten hat, die Mundarten des Moskauer Gouv. zu studiren, und
durch den Verfasser des vorliegenden Aufsatzes ausgefüllt. Bevor ich
jedoch von den Arbeiten V. J. Uernysov's über die Moskauer Dialekte
sprechen werde, will ich einiges über diese interessante Persönlichkeit
selbst mittheilen.
Vasilij Il'jic Öernysov wurde im Pokrover Kreise des Gouv. Vladi-
mir geboren. Er absolvirte das Lehrerseminarium i ! in Kirzac (in dem-
selben Gouv.) und war dann lange Zeit Volksschullehrer in einem Dorfe
des Kreises Zarajsk im Gouv. Rjazan. Darauf legte er die Prüfung für
Kreisschullehrer ab und bekam eine Stelle als solcher in der Kreis-
schule von Mescovsk im Gouv. Kaluga, wo er ungefähr 4 Jahre verblieb.
Als die Kreisschule in Mescovsk in eine Bürgerschule umgebildet wurde,
wurde er Kreisschullehrer in Borovsk im selben Gouv. Hier hielt er
sich nicht lange auf. da man von Seiten der zweiten russischen Ab-
theilung der Akademie der Wissenschaften bereits auf ihn aufmerksam
wurde und er wurde Dank den Bemühungen des Akademikers Sach-
1) Zur Heranbildung von Dorfschullehrern. Bürgerschullehrer müssen
ausserdem noch das Lehrerinstitut besuchen.
110 N. Dnrnovo,
matov nach Petersburg tibersetzt, wo er noch jetzt an einer Bürger-
schule als Lehrer wirkt {AH;i;peeBCKoe ropo;];cKoe y^iHJiHme).
Die Bildung, welche die russischen Lehrerseminarien bieten können,
ist verhältnissmässig sehr dürftig. An die Volksschule gebunden, haben
die Lehrer selten Zeit und Kraft, sich geistig weiter zu entwickeln, da
ein beträchtlicher Theil des Tages auf den Unterricht in der Schule,
das Abfassen von Rechenschaftsberichten und die Wirthschaft aufgeht.
Desto auffälliger sind die von V. J. Cernysov erzielten Erfolge. Seine
wissenschaftliche Thätigkeit begann damit, dass er aus Mescovsk der
zweiten Abtheilung der Akademie der Wissenschaften umfangreiche
Anmerkungen und Ergänzungen zum ersten Bande des akademischen
Wörterbuches übersandte. Die genannte Abtheilung drückte ihm ihren
Dank aus und schickte ihm zugleich das Programm zum Sammeln süd-
grossruss. dialektologischer Eigenthümlichkeiten ein. Als Antwort er-
folgte von ihm »cnHCOKi. cjIObi. iiopxHOBCKaro nstiKa« und eine ausführ-
liche und sorgfältige Beschreibung der Mundart von Mescovsk mit Hin-
zufügung eines umfangreichen Wörterbuchs. Obwohl V. J. Cernysov
sagt, dass er bis zur Uebersendung des akademischen Programms nicht
einmal eine Ahnung hatte von der wissenschaftlichen Bedeutung dialek-
tischer Studien, so beweisen dennoch seine Arbeiten, dass ihn die
Eigenthümlichkeiten der Volkssprache schon sehr früh interessirt haben.
In der Beschreibung der Moskauer Mundarten und der von Mescovsk
finden sich Hinweise auf Eigenthümlichkeiten der Mundarten des Kreises
von Pokrov (im Gouv. Vladimir) und Zarajsk (im Gouv. Rjazan), die
ihm aus eigener Anschauung bekannt waren.
Noch in Mescovsk dachte er, wie gut es wäre, eine Grammatik der
Sprache desselben zu verfassen. Mögen ihm auch die Aufgaben der
Dialektologie bis 1896 noch unklar vorgekommen sein, sein Interesse
für die Sprache und damit zusammenhängende wissenschaftliche Fragen
tauchte bei ihm früh auf. In Mescovsk und Borovsk war V. J. Cer-
nysov unter den Lehrern der einzige Leser des nichtofficiellen Theiles
des Journal des Minist. :*^nr Volksaufklärung und aufmerksam arbeitete
er den ersten Band des akademischen Wörterbuchs durch. In seiner
ersten Arbeit, der Beschreibung der Mundart von Mescovsk, zeigt er
schon schöne, für einen einfachen Lehrer sehr gründliche Kenntnisse
von der russischen Sprache und Literatur. Aus seinen Hinweisen sieht
man, dass er ins Detail Sobolevskij's ».leKi^iH no ncxopin pyccKaro
HBBiKa« und Buslaev's historische Grammatik und einige andere durch-
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). H 1
studirt hatte; überdies kennt er genau die Werke vieler russ. Schrift-
steller. In seinen schon genannten Cßijifkma. o roBopi ropo;;a MemoBCKa
ist eine sehr detaillirte und, so weit es ihm möglich war, genaue Dar-
stellung der Lautlehre jener Mundart. Nicht minder werth ist darin
das Capitel »OcoöenHOCTH Meii;oBCKaro y^tapenia, KaKt loacHOBejiHKO-
pyccKaro Booöme«. Die Eigenthümlichkeiten der Betonung in der Mund-
art von Mescovsk fasst er als stidgrossrussisch überhaupt auf auf Grund
seiner Studien über den Accent in den Gedichten Kol'cov's (geb. im
Gonv. Voronez) und den von Zarajsk, sowie Pokrov, welchen letzteren
er als nordgrossrussischen zum Vergleiche heranzieht. Seine allgemeinen
Resultate im genannten Capitel sind folgende:
I. Die südgrossruss. Betonung ist nicht so beweglich (no;i;BH2KHo),
wie die Moskauische und nordgrossruss. ; II. In den Gedichten Kol'cov's
gibt es gar nicht lautliche und grammatische Unebenheiten. Das letztere
Resultat ist unbedingt werthvoU; das erstere ist nicht ganz genau, da
Cernysov die nordgrossruss. Betonung zu wenig kennt. Die Eigenthüm-
lichkeit der südgrossruss. Betonung liegt nicht nur in der Cnbeweglichkeit
(HenoABHacHOCTi)) : ein vahi-vöris, fassü-tössis u.a. ist auch südgross-
russ.; anderseits lässt sich auch ein nordgrossruss. üica-tücu, päsna-
päh'iu, sösna-sosnu u. a. durch einen Hang zur Tonunbeweglichkeit er-
klären. Immerhin unterscheidet sich die nordgrossruss. Betonung stark
von der südgrossruss. Cernysov's Beobachtungen über die südgrossruss.
Betonung und sein Versuch, die allgemeine Tendenz im Südgrossruss.,
welche den Accentwechsel bedingt, herauszufinden, bedeuten für die
russ. Accentologie einen Schritt nach vorwärts.
Nicht so vollständig wie die Phonetik , dennoch genug ausführlich
ist die Morphologie der Mundart von Mescovsk behandelt. Mit süd-
grossruss. Morphologie hat man sich überhaupt bisher wenig be-
schäftigt. Cernysov gibt mehr als seine Vorgänger; er theilt einige
flüchtige Notizen über die Wortbildung mit, bringt ganze Paradigmen
einiger Declinationsarten; die Conjugation ist sehr kurz. Im syntak-
tischen Theile untersucht er die üebereinstimmung des Subjectes und
Prädicates, den Gebrauch des sing, coli., den Genuswechsel, die An-
wendung der Gerundia und Casus und den Gebrauch der Präpositionen.
Um kurz zu sagen, diese Dialektbeschreibung gehört ungeachtet
der geringen wisseschaftlichen Vorstudien des Verfassers zu den besten.
Bemerkenswerth ist seine Vorsicht und Beobachtungsgabe: Cernysov
unterscheidet die Sprache der Städter und Bauern, merkt den Unter-
112 N. Durnovo,
schied zwischen der Sprache der Greise und Kinder an und verallge-
meinert nicht für den ganzen Kreis Eigenthümlichkeiten, die er an
einem Orte feststellte, dabei benutzt er jedoch zum Vergleiche ziemlich
geschickt seine Beobachtungen über andere Mundarten. Noch interes-
santer stellt sich die Arbeit Cernysov's dar durch Heranziehung auch
der Sprache der Schriftsteller. Es giebt wohl unter den Erklärungen
dieser oder jener Erscheinungen einige gröbere und unwissenschaftliche,
aber solchen Fehlern entgingen nicht selbst viel besser vorbereitete Leute.
Cernisov's zweite Abhandlung (^onojiHeHifl ki. CBiji^inmm, u. s. w.)
bietet nebst Berichtigungen auch einige neue Beobachtungen, z.B. dass
unbetontes o, welches in der Mundart von Mescovsk in a übergegangen
ist^), nicht so klar ausgesprochen wird als, sagen wir, in den Mund-
arten von Rjazan. In ähnlicher Weise konnte ich im Gouv. Kaluga con-
statiren, dass in den Mundarten der Kreise Medyn, Peremysl' und Me-
s6ovsk (hinter dem Fluss Ugra) unbetontes a (sogar unmittelbar vor dem
Tone) etwas geschlossen, den Lauten der palatovelaren Reihe sich
nähernd oder aber ein volares a ist; daneben kommt manchmal ein
labialisirtes, in o übergehendes a vor (neben Labialen und Gutturalen).-
Das in Aufzeichnungen nicht ganz schriftkundiger Leute (Schüler) vor-
kommende 0 für a deutet da aaf ein geschlossenes a hin.
Der Theil, der über Wortbildung handelt (er fehlt meistentheils
bei den Vorgängern Cernysov's) , beschränkt sich nicht mehr bloss auf
Eigennamen, sondern ist bedeutend ergänzt. Bei den Suffixen wird
leider nicht immer deren Bedeutung dargelegt; die Suffixe -euHtiä und
-ymiii werden ungenau Superlativ-, statt Augmentativsuffixe genannt.
Bedeutend vervollständigt ist auch der Theil über Syntax. Zu
Ende werden einige glücklich ausgesuchte Wörter angeführt , die als
dialektische Merkmale dienen können: CKopo;iHTi), saKyTa, aarneTa,
^eata, Kopei^x u. a. Nach ihnen kann man in der That die Zugehörig-
keit einer Mundart zu diesem oder jenem Dialekt bestimmen.
Nach seiner Uebersiedelung nach Petersburg stellte Cernysov auf
Auftrag der II. Abtheilang der Akademie zunächst ein umfangreiches
Programm zur Sammlung von Eigenthümlichkeiten grossruss. Mund-
arten (statt der früheren zwei) zusammen, worüber einige Worte später
unten. Ausserdem machte er ein Paar Reisen ins Gouv. Moskau und
die benachbarten Gouv., um die grossruss. Uebergangsdialekte zu
Studiren. Darüber handeln vorläufig zwei Abhandlungen: 1) KpaxKia
') Richtiger wäre gesagt unbetontes a aus altem a und o.
Die groBsruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). 113
CBijiimfi 0 HiKOTopLixT. roBopax'B /I^MHTpoBCKaro, Eoropo;i;eKaro h Ero-
pteBCKaro yiaAOBT. (IIsBicTin der II. Abth. 1900, kh. 2, üpHJiOK.
Nr. 46, 8. 1 — 21) und 2) CBiA^HiK o HapcAHtixt roBopaxx iröKoxopi.TX'B
ceüeiiiil MocKOBCKaro yis^a (CII6. 1900, II + 174 aus dem CöopHHKT.
der II. Abth. Bd. 68, Nr. 3, CIIö. 1901).
Diese »CBiA^Hiii« brachten manches neue. Es zeigte sich, dass
okavische, d. i. rein nördliche Mundarten in solcher Nähe von Moskau
vorkommen, wie man bisher nicht einmal vermuthet hat, so z. B. in
einigen Dörfern des Moskauer Kreises selbst. Von den Mundarten, die
in der ersten Broschüre vorgeführt werden, sind einige okavisch, z. B.
im Dorfe Tal'niki des Kreises Dmitrov i), wo südgrossruss. Züge, wie
es scheint, gar nicht vorkommen (Cernysov sieht unrichtigerweise das
Akanje in psanica), aber IY2 Werste von hier spricht man schon a;
im Dorfe Vanisova des Kreises Bogorodsk hat sich das Okanje noch be-
wahrt, aber in einer Art Uebergangsstadium zu Akanje (für südgross-
russ. kann man hier auch das Wort hrumika mit k und nicht g u. a.
halten), während im Dorfe Ontonova desselben Kreises südgrossruss.
Züge noch nicht bemerkbar sind. Unter den akav. Mundarten an der
Grenze des Kreises Jegorjevsk im Gouv, Rjazan und auch weiter
drinnen finden sich Mundarten des Moskauischen Typus vor (mit con-
trahirten Verbalformen, der Endung der 3 pers. praes. auf hartes t^ der
Aussprache der explosiven g u.a.). Daneben gebraucht man das süd-
grossruss. cKopoAHTL. Auch das Akanje ist stärker als das Moskauische.
Interessant ist das Cokanje in einigen Dörfern der Kreise Bogorodsk
und Jegoijevsk.
Cernysov's Aufzeichnungen sind etwas dürftig ; man sieht, dass er
sich nur sehr kurze Zeit dort aufhielt. Sie sind jedoch von Interesse,
weil sie annähernd die heutige Grenze zwischen dem Nord- und Süd-
grossrussischen zeigen und Beiträge zur Geschichte des Uebergangs-
dialektes zwischen den beiden, welchen ich mittelgrossrussisch nennen
möchte, liefern.
Cernysov's zweite Abhandlung ist umfangreicher und besser.
Ausser einer kurzen, aber schon nicht mehr so flüchtig, wie in dem
vorhergegangenen Aufsatze, ausgefallenen Beschreibung der Mundarten
eines jeden einzelnen Dorfes, wo Cernysov war, kommt hier das von
ihm gesammelte Material (18 Lieder und 7 Märchen) und ein Wörter-
1) Der grösste Theil des Kreises von Dmitrov gehört zum Nordgross-
russischen.
Archiv für slavische Philologie. XXVn. ■ g
114 N. Durnovo,
V
buch (ca. 1000 Wörter) zum Abdruck. Das alles sammelte Cernysov im
Verlaufe von nur 10 Tagen. Die Dörfer, die er besuchte, befinden sich
im Norden des Moskauer Kreises (ungefähr 40 km nördlich von Moskau).
Die Mundarten sind dort grösstentheils akavisch. Der Grad des Akanje
ist verschieden, angefangen vom gemässigten Moskauischen bis zu einem
sehr ausgeprägten, fast Rjazanischen. Die übrigen Eigenthümlichkeiten
der Phonetik, Morphologie und des Lexicons sind jedoch Moskauisch,
d. i. eher nördlich als südlich, wonach sich auch diese Mundarten als
mittelgrossrussisch erweisen. In einigen Dörfern hat sich noch das
nördliche Okanje erhalten, doch meistentheils nur in der Sprache der
Greise. Interessant ist, dass Cernysov in einem Dorfe eine harte Aus-
sprache der Consonanten vor e und i (S. 31 — 32) hörte.
Zu derselben Gruppe von üebergangsmundarten oder mittelgross-
russ. Mundarten gehört auch die Mundart, die von mir in OnHcaiiie
roBopa ;iep. IIap*eiiOKT. PyscKaro y. Mockob. ryö. (PyccKÜl: $H.i[Ojior.
BicTHHKT, 1900, Nr. 3— 4, S. 153—216; 1901, Nr. 1—2, S. 227— 268
und Nr. 3—4, S. 128— 151; 1902, Nr. 1—2, S. 119— 151; 1893, Nr. 1—2,
S.297— 321,Nr.3— 4, S. 285—297) behandelt wurde. Die Haupteigen-
thümlichkeit der lautlichen Seite dieser Mundart imVergleiche zu der Mos-
kauer Literatursprache ist ein stärkerer Akavismus, woneben die übrigen,
sowohl nordgrossruss. als südgrossruss. Züge in Lautlehre, Morphologie
und Lexicon die des Moskauer Dialektes sind. Da mir noch eine Reihe
anderer Mundarten in den nördlichen Kreisen des Moskauer Gouv. und
in einem Theile des Tverer Gouv. mit mehr oder minder ausgeprägtem
A-sprechen, jedoch mit Bewahrung der übrigen lautlichen, formalen
und lexicalen Zügen des Moskauer Dialektes bekannt sind, so möchte
ich alle diese Mundarten unter der Bezeichnung mittelgrossrussische
zusammenfassen, da mir diese Kennzeichnung genauer und passender
vorkommt, als die Bezeichnung Mischmundarten (cMimaHHtie roBopti).
Zu dem Typus mittelgrossrnss. Mundarten gehören auch einige Mund-
arten des Gouv. Tula, und zwar jene, die Prof. Budde zur dritten
Gruppe (s. oben) gezählt hat.
Dem Nordgrossrussischen wurden in den letzten fünf Jahren nicht
so grosse Studien gewidmet wie dem Südgrossrussischen, dafür wurden
jedoch viele kleine Beschreibungen von Mundarten, hauptsächlich
einzelner Punkte, veröffentlicht. Einige davon sind ziemlich eingehend
und zeugen von grosser Beobachtungsgabe. Bloss in den IIsBicxiH der
II. Abtheilung wurden 14 Antworten auf das Programm gedruckt (an-
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897—1901). 1 15
gefangen von Nr. 29). In der /Kubüh CrapHiia und im PyccKiii '^uäoäot.
BicTUHKi. gibt es auch Mittheilungen über nordgrossruss. Mundarten, end-
lich ist eine solche im 68. Baude des CöopuHK'B der II. Abtheilung. Alle
diese Materialien berichtigen wenig unsere bisherigen Kenntnisse über
das Nordgrossrussische, dafür aber erweitern sie dieselben in bedeuten-
der Weise.
üeber die Mundarten des Gouv. Novgorod handelt nach dem Jahre
1S97 (ausser den oben aufgezählten lexicalischen und anderen rohen
Materialien) nur ein Aufsatz N. Karinskij's, 0 H^KOTOpLixt roBopaxx
no Te^iemK) piKt Zyrn h Ope^eaca^) (Pycc. <I>HJio.ior. BicTHHix'L 1898,
Nr. 3 — 4, p. 92 — 124). Interessant sind hier die Beobachtungen Ka-
rinskij's über den Einfluss der Literatursprache auf den localen Volks-
dialekt. Dieser Einfluss wird durch die Nähe von Petersburg besonders
dadurch hervorgerufen, dass die Bevölkerung dieser Gegend oft nach
Petersburg auf Erwerb zieht; ausserdem miethen Einwohner von Peters-
burg nicht selten Sommerwohnungen in Dörfern , die an den genannten
Flüssen gelegen sind. Die von Karinskij beschriebenen Mundarten sind
nicht cokavisch und kennen i für i.
üeber die Mundarten des Gouv. Olonec bietet schon Sobolevskij's
OnLiTT. ziemlich vollständige Nachrichten. Darunter wird auf einen
Zug derselben hingewiesen, den man bisher als den Nordgrossrussen
nicht eigen hielt, nämlich die Aussprache des friccat. y [h] im gen.
sing. m. und n. der Pronomina und Adjectiva und anstatt des allge-
meinruss. explos. g ; ebenso ist auch schon dort der Hinweis auf einen
anderen Zug: die Aussprache des e ohne Erweichung der vorhergehen-
den Consonanten vor/ oder i anstatt 0 (aus altem y) anderer nördlicher
und südlicher nordgrossruss. Mundarten. Dieser Zug ist bisher ebenfalls
fast nur aus südgrossruss. und weissruss. Mundarten bekannt; im Nord-
grossruss. kommt er ausser den Mundarten des Gouv. Olonec nur spo-
radisch in einigen pronominalen Formen vor. Die neuen Materialien
aus verschiedenen Kreisen des Gouv. Olonec in den IIsBieriH (Nr. 29
u. 30 in KH. 1 für 1897; Nr. 34 in kh. 1 für 1898 und die Berichti-
gungen zu Nr. 22 in kh. 2 für 1898) bestätigen nur die früheren Kennt-
nisse. Ausserdem wird in Nr. 29 (1. c. S. 232 — 244) noch ein südlicher
Zug der Mundart von Olonec erwähnt: das weiche -t in der dritten
Person praes. (im Plural?). In Nr. 34 wird aus dem Zaonezje (die Kreise
ii Luga und Oredez fliessen durch den Kreis von Novgorod u. a.
8*
116 N. Durnovo,
Petrozavodsk und Vytegra 1. c. S. 7 — 9) ein charakteristischer laut-
licher Zug- der dortigen Mundart mitgetheilt : der Uebergang des
Accentes auf die erste Silbe des Wortes mit Umwandlung des unbe-
tonten 0 in einen betonten Diphthong oa, und des e in ia oder ija (z. B.
kwijäty ^ vodda, poasia^)). Die morphologischen und syntaktischen
Eigenthümlichkeiten der Mundarten von Olonec, aber auch der Accent
sind nordgrossrussisch.
Die Mundarten des Gouv. Archangel'sk betrafen in den IIsBi-
exiji in den letzten fünf Jahren nur die sehr eingehenden Aufzeich-
nungen Verjuzskij's aus dem Kreise Onega (Nr. 41, Hsb. 1898, kh. 3
npHJioai. 49 — 59). Die hier beschriebene Mundart steht der im OnMX'L
dargethanen nahe, unterscheidet sich jedoch auch davon. Der Be-
obachter merkt hier c, aber sehr seltenes c (weich) an, ausserdem im
gen. sing m. und n. der Pron. und Adj. -ooo {-oyo'?)^ aber im Worte
karavöd — v. A. D. Grigofjev und A. V. Markov hörten in einigen
Mundarten des Gouv, Archangel'sk den Laut y im gen. und auch anstatt
g anderer nördl. Mundarten.
üeber Mundarten verschiedener Orte im Gouv. Vologda handeln
in den HsBiexia zwei Beiträge (Nr. 31 in kh. 1 für 1897 und Nr. 36
in KH. 1 für 1898), ausserdem in der ^HBaa CxapHHa (1898, b. 3 — 4)
ein Aufsatz N. Cernavskij's, 06i> ocoöeHHOcxHxt astiKa bi. r. Yexiori
H yexroatcKOM'L yisA^ Bojioro;i;cKOH ryö. Gegenüber dem Ontixt, der
schon genügend Material über diese Mundarten darbietet, erfahren wir
aus den genannten Beiträgen nichts wesentlich Neues.
Die Mundarten des Gouv. Vjatka betreffen in den HsBicxia 4 Mit-
theilungen (Nr. 35 den Kreis Kotel'nic in kh. 1 für 1898, Nr. 37 den
Kreis Orlov ibid., ebenso Nr. 42 den Kreis Orlov in kh. 1 für 1899 und
Nr. 38 den Kreis Malys ib. wie Nr. 35); ausserdem ist in der ^HBan
CxapHHa (1901, b. 1) eine interessante Mittheilung D. Zelenin's über die
Mundarten der Kreise Sarapul' und Jelabuga. Das viele neue Material,
das da geboten wird, bestätigt nur die Darstellung der Mundarten von
Vjatka im Ontixi.
Für die Mundarten an der Wolga finden wir in den IIsBicxia we-
niger Material vor. Unsere Kenntnisse über die Mundarten des Gouv.
Kostroma ergänzen bedeutend zwei Abhandlungen Th. Pokrovskij's in
.^Chbek CxapHHa (1898, b. 3 — 4: 0 HiKOxoptix'L roBopax-B ciBepo-
sanaAHOH ^aexH KocxpojicKOH ryö. und 1899, b. 3: 0 napoAHOMx.
1) Wahrscheinlich : voqda, poasia mit steigender Betonung auf oq.
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897—1901). 117
rOBopi ^yxjioMCKaro yii3Aa KocTpoMCKcii ryö.). Die Abhandlungen
sind das Resultat eigens vorgenommener Studienreisen im Gouv. Kostroma
und berühren nicht einzelne Punkte , sondern entwerfen das dialekto-
logische Bild eines bedeutenden Theiles desselben (die Kreise Soligalic,
Buj und Öuchloma). Sie sind die Fortsetzung der Beschreibung der
Kostromer Mundarten, die Th. Pokrovskij schon im Jahre 1895 begonnen
hat (über den Kreis Buj). Beigegeben sind ihnen kleine Idiotica. Ausser
Mundarten (sowohl lispelnden, als auch nicht lispelnden) mit rein
nordgrossrussischen Zügen weist Th. Pokrovskij auf das Vorhandensein
stark akavischer Mundarten in einem Theile des Kreises Soligalic und
im grossen Theile des Kreises Cuchloma aber mit Spuren des Okavismus
und anderer nördlicher Züge hin. Interessant ist das Vorkommen des
südgrossruss. niene, teUe in den akavischen Mundarten des Kreises
Cuchloma (in Wahrheit selten, nur hier und dort), aber daneben kommen
das nördliche g, das harte t in der dritten Person der Verba und sogar
solche nördliche Züge vor, welche in den Mundarten des mittelgrossruss.
Typus nicht anzutreöen sind (z. B. Ueberreste des 0-sprechens, Accente
wie sös7ia u. s. w., das Wort JciiMin u.a.).
lieber die Mundarten im Gouv. Jaroslavl' scheint nichts neues er-
schienen zu sein. Die in yKuBaa CxapHHa (1899, b. 1) von A. Balov
abgedruckten MaTepia.iti no Hapo;i;HOMy nstiKy, coöpauHLie et. Ilome-
xoHCKOMx yis^i üpocjiaBCKOH ryöepmH bestehen aus einigen Redens-
arten u. ä. in unphonetischer Aufzeichnung.
Weiter erfahren wir aus den IIsBicTia (1897, kh. 2, Nr. 32) von
dem Vorhandensein einer Mischmundart im Kreise Alatyf des Gouv.
Simbirsk mit südgrossruss. Zügen. Nicht gross, aber bemerkenswerth
durch streng phonetische Wiedergabe der Laute ist die Mittheilung
N. P. Demidov's über die Mundart von Samara (HsBicTia 1898, kh. 1,
Nr. 40). Interessant ist hier unter Anderm das Vorkommen des e in
Adjectivformen statt y und ?', z. B. suchei u. a. Im Pycc. ^'ujiojor.
BicTHHKi. (1899, Nr. 1—2, S. 30—70) ist ein Aufsatz P. V. äejn's zur
Dialektologie des Gouv. Samara: K-l AiaJieKTOjioriH BBJiuKopycc. napi^.
HsB-ie^ienia uat cJOBHinca CKaaoK-B n npeAamil CaMapcKaro Kpaa,
coöpaHHtix'L H sanncamiLix'B ^. H. CaAGBrniKOBtiMt (den grösseren
Theil, S. 47 — 70, nimmt ein Wörterbuch ein). Merkwürdigerweise gibt
es in den beiden zuletzt genannten Beiträgen keine directen Hinweise
auf das Lispeln (mene.iflBOCTb) der Mundart von Samara, von welcher
Dal' in 0 HapimHxt pycc. üBLiKa spricht (er führt die spöttische Redens-
118 N. Durnovo,
art an, mit der die Frauen von Samara geneckt werden: IIIaMa maiviapKa,
uiapa*ainb m oöopKoil). Demidov betont, dass »ti und ii, völlig klar gebort
werden«; in den von ihm angeführten Beispielen mit Zischlauten und
Sibilanten vertreten diese Mitlaute einander nirgends. Auch die Bei-
spiele einer Vertretung der Sibilanten durch Zischlaute, die Sejn aus dem
CöopHHKrB Sadovnikov's angibt, bezeugen nicht die inene.MB0CTB der
Aussprache. Im Oni.iTr& pyce. Äia:ieKTOJiorin steht über die Mundarten
des Gouv. Samara fast nichts.
Ueber die nordgrossruss. Mundarten des Gouv. Voronez sprach,
wie es scheint, der erste K. Filatov in OiepiCB napoAHtix'L roBopoB%
EopoHeatcKoii ryö. (im Pyce. <I>iijiojror. B'Scthhk'b 1S98, Nr. 1 — 2). Im
OnuTh findet man über die okavischen Mundarten des genannten Gouv.
nichts. Die Einwohner sind da grösstentheils aus anderen Gouv. ange-
siedelt ; wahrscheinlich sind demnach auch die okavischen Mundarten
dahier durch Colonisation aus nordgrossruss. Gouv. zu erklären.
Endlich sind über nordgrossruss. Mundarten Sibiriens in letzter
Zeit folgende Aufzeichnungen erschienen: 1) P. M. Vdovcenko, Toöojit-
cKoä ryö., ToöojiLCKaro OKpyra, ^eMLmicKaa BOjrocTb (IIsBicTia 1899,
KH. 1, npnjioa:. Nr. 43, S. 3 — 5). Die Mundart gehört dem gewöhn-
lichen nordgrossruss. Typus an, ist nicht cokavisch, spricht i statt i
vor weichem Consonanten und unterscheidet sich überhaupt nicht viel
von den im Ontixt dargelegten Mundarten des Gouv. Tobol'sk. —
2) V. G. Bogoraz, 06 jacTHOÖ cjosapt KojMMCKaro pycc. Hap'£mn. CII6.
1901, S. 346 (CöopHHKi der IL Abtheilung Bd. 68, Nr. 4). Der Kreis
von Kolymsk liegt im Gebiete von Jakutsk. In der Vorrede zum
Wörterbuche und der Sammlung von Liedern und Märchen gibt
Bogoraz auch eine kleine Beschreibung des Dialektes von Kolymsk.
Darin weist er auf den starken Einfluss der Fremdvölker, besonders der
Jakuten, auf denselben. Den ganzen Dialekt von Kolymsk theilt er in
den von Mittel- und Niederkolymsk. Beide sind nordgrossruss. okavisch
und dabei lispelnd (alle Zischlaute werden mit Sibilanten verwechselt).
Als Unterschiedsmerkmal des Dialektes von Niederkolymsk erscheint j
anstatt r und l und zwar nicht nur des weichen, sondern auch des
harten , übrigens nicht immer ; ausserdem sind die Consonanten vor e
und 0 (aus altem e) hart geworden u. a. Cf. im OnLixt S. 65 und
67 — 68.
Alle seit 1897 veröffentlichten Mittheiluugen über die nordgross-
russ. Mundarten ändern im Allgemeinen zwar wenig an dem dialekto-
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897—1901). 119
logischen Bilde, welches von Sobolevskij im OnuTi gezeichnet worden
ist; dafür erweitern und vervollständigen sie bedeutend unsere Vor-
stellungen vom Charakter des Nordgrossrnssischen und seiner detail-
lirteren Eigentbümlichkeiten , von der Verbreitung dieser oder jener
Einzelerscheinungen, über die uns die kurzen Berichte im Ohliti. nichts
sagen. Dadurch ist es nun möglich geworden, auf Grund dieses neuen
Materials und jener umfangreichen Forschungen, die in letzter Zeit den
Süd- und mittelgrossruss. Mundarten gewidmet wurden , einen näheren
Vergleich zwischen den beiden grossruss. Hauptdialekten ziehen zu
können.
Die weissruss. Dialektologie will ich nicht im Detail vorführen.
Ich bemerke nur, dass auch hier ein grosser Fortschritt zu verzeichnen
ist, hauptsächlich in Folge der Bemühungen des Warschauer Professors
E. Th. Karskij, unter dessen Redaction in den IIsBicTia 18 eingehende
Nummern Material zur weissruss. Dialektologie als Antwort auf das von
Karskij zusammengestellte Programm (s. oben) veröffentlicht worden
sind (1897, kh. 2; 1898, kh. 3; 1899, kii. 3 und 4). Ausserdem be-
treffen 4 Nummern nordkleinruss. Mundarten und Uebergangsmundarten
zwischen dem Weiss- und Kleinrussischen (Polesje; 1898, kh. 4). Im
Pycc. 4'n.iio.ior. BicTiiiiKt erschienen folgende hierher bezügliche Auf-
sätze : N. Cudovskoj , MaTepiajiLi p^Äsi Hsy^ieHiü 6i.iopycc. roBopoBi,
Cryi^KiS roBop-B (1898, Nr. 3 — 4, S. 53 — 91); E. Karskij, SaMiTKH
OTHOCHTejrtHO ÄH^TOHTOB-L BX HapO^HOMt TOBOp^ CBJra EaCIOBI^eB^ H }!,.
ILoß.Äicha. Cjiyi^Karo y. Mhiickoh ry6. (ib. 325 — 327); id., SaaiiTKH
no öiJopycc. roBopasit (1901, Nr. 3—4, S. 275 — 281).
Abhandlungen zur Geschichte und Vergleichung grossrussischer
Mundarten sind in den letzten fünf Jahren nicht viele erschienen.
Akad. A. I. Sobolevskij, von dem eine Reihe hervorragender Arbeiten
über die historische Dialektologie der russischen Sprache herrührt, die
allen späteren Studien anderer Gelehrten zur Richtschnur wurden, ver-
öffentlichte im letzten Fünfjahr einige Aufsätze, die nicht der Geschichte
der Mundarten, sondern verschiedenen anderen Fragen der Geschichte
der russischen Sprache gewidmet sind. Nur in einigen von ihnen wird
volksmundartliches Material herangezogen. Derart sind seine Be-
merkungen »Ilax iisTopin pyccKaro asHKa« im ^ypiia.ix Mhhhct.
HapoA. IIpocB. (2 Serien: 1897, Mai und November, I — XIX und 1901,
Oktober, I — VIU). In dem Abschnitt III aus der ersten Serie macht
1 20 N. Durnovo,
Sobolevskij unter Anderm die Bemerkung, dass der üebergang weicher
k und ^ in ^ und d^ der in den heutigen grossruss. Mundarten nicht
selten ist, wie es scheint, eine Eigenthtimlichkeit der Sprache Kievs des
XII. — XVI. Jahrb. gewesen ist, und er vermuthet, dass der alte Dialekt
Kievs den heutigen Mundarten der Gouv. Orel und Kursk nahe ge-
standen sein mag. Jedoch war er nach der Ansicht Sobolevskij's kaum
rein grossrussisch, sondern entweder ein Uebergangsdialekt zum Klein-
russischen oder ein Mischdialekt, wenigstens für das XV. — XVI. Jahrh.
Die tibrigen Bemerkungen handeln mehr über Einzelfragen, darunter
auch über die Geschichte einiger Erscheinungen, die uns in den gegen-
wärtigen russ. Mundarten begegnen.
Das umfangreiche Material, welches in letzter Zeit gesammelt
worden ist, veranlasste Prof. E. Th. Budde und Akad. A. A. §ach-
matov die Frage über die Entstehung und Verschiebung russischer Dia-
lekte von neuem aufzustellen und durchzusehen. Prof. Budde drückte
in seiner Doctordissertation (Kx ncxopin BCJiHKopycc. rosopoB'L. Onwxi
HCTopHKo - cpaBHHTejtHaro H3Cj[iA0BaHiii napoAHaro roBopa Bt Kacn-
MOBCKOMi, y. PHsaHCKOH ry6. Kasant 1896, S. 377 -f- II) den Ge-
danken aus, dass die Principe, die der Eintheilung der russ. Sprache in
Dialekte zu Grunde liegen, unwissenschaftlich sind, und schlug vor,
die russ. Mundarten in drei dialektische Gruppen zu theilen: auf «luene-
JBBaTtie« (d. i. Mundarten mit Mittellauten — die ältesten), »nojry-
mene.ireBaTtie « (die nur die Mittellaute zwischen c und c haben, also
cokavische und cokavische) und »He menejieBaTLie« (die einer dialekti-
schen Gruppe entstammen, welche die Laute c und c, k und 5, i und z
u. s. w. unterschied, oder in urrussischer Zeit die Mittellaute verloren
hatte, s. S. 29S). Die Unhaltbarkeit dieser Eintheilung bewies Akad.
Sachmatov in seiner herrlichen Recension über Budde's Buch (im
OriLiT-L 0 npiicyjKAemH ./ToMOHOcoBeKoii npeMin bt. 1897 r. CIIö. 1898,
S. 25 — 73, gedruckt im 66. Bande des CöopHHKt der II. Abth. Nr. 2,
CIIÖ. 1900). Als stichhaltig erwiesen sich einige andere Schlüsse
Budde's und zwar, dass die Mundarten des Kreises Kasimov in be-
deutendem Grade gemischte, nicht reine Mundarten sind, dass die Ein-
wohner Autochthonen des Rjazan'schen Gebietes sind, die einen starken
Einfluss durch die benachbarten südrjazanischen Mundarten erfahren
hatten. Demnach sind die Mundarten von Kasimov in ihrer Grundlage
nordgrossrussisch, wurden jedoch durch südliche Mundarten beeinflusst.
Ihr Akanje ist eine spätere Erscheinung, die vom Süden hereingetragen
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). 121
worden ist. Endlich erwies Budde, dass die genannten Mundarten in
nächster Verwandtschaft zu den von Vjatka stehen •).
A. A. äachmatov ging in seiner Recension der Dissertation Budde's
noch weiter und meint, dass man mit der Zeit mit vollem Grund das
ganze Gebiet von Rjazan dem Nordgrossrussischen wird zuzählen können.
Der Kampf mit der Steppe und der tatarische Einfall drängten die
alten Stämme der ursprünglichen Ansiedler gegen Norden und Nord-
osten, ihre Stelle aber nahmen die vom Süden und Südosten verdrängten
Stämme ein, deren Bewegung den Fall Kievs und die Uebertragung des
Centrums des russischen Lebens in das Bassin der Oka zur Folge hatte
(S. 6S).
Etwas früher wurde vom Akad. Sachmatov eine andere Abhand-
lung zur Geschichte des grossruss. Dialektes gedruckt, nämlich die
schon erwähnten 3ByK0BtiH ocoöeHHocTH EjilhhhckhxI) h MocaJtcKHX'B
roBopoBi., wo Sachmatov im zweiten Theile (1897) auf Grund von süd-
grossruss. und weissruss. dialektologischen Facten über die Entstehung
des südgross- weissruss. Akanje und über das Schicksal des alten
schwachen ^ und irrationalen y (d. i. ti) im Gross -Weissrussischen
spricht. Das Akanje ist nach der Ansicht Sachmatov's in der Epoche
der südgross -Weissrussischen Einheit aufgekommen, hervorgerufen
durch die Umwandlung der exspiratorisch- musikalischen Betonung
in eine rein exspiratorische , was der Grund war, dass die betonte
Silbe vor den übrigen stark hervortrat, die übrigen Silben aber ge-
1) Gegen den letzten Schluss sprach sich entschieden Prof. V. Th. Miller
aus in seiner sehr strengen Recension über Budde's Buch im Sinorpa*. OöospiHie
1897, Nr. 1 , S. 164— 171 . Nach der Ansicht V. Th. Miller's sind die den Mundarten
von Vjatka und Kasimov gemeinsamen dialektischen Züge gar nicht derartig,
dass man auf eine genetische Verwandtschaft derselben schliessen müsste.
Auch sonst stimmt Prof. Miller mit den Ansichten Budde's vielfach nicht
überein. Einigen seiner Einwendungen kann man jedoch schwer beistimmen.
So spricht er sich auf S. 166 f. gegen das Vorhandensein des Lautes ö in dem
Vocalismus der russ. Sprache aus und bemerkt, dass sich ö gegenwärtig in
keinem slavischen Dialekte vorfindet; dabei wirft er den russ. Linguisten
vor, dass sie nicht die Bedingungen erforscht haben, welche in einigen leben-
den Sprachen den Laut ü hervorgerufen haben. Mir ist nun in der russischen
Sprache aus den Mundarten von Kaluga secundäres ö aus e nach erweichtem
Consonanten vor harter Labialis (d. i. in analoger Stellung, in welcher nach
der Meinung des Akad. Ph. Th. Fortunatov und seiner Schule das ü im All-
gemeinrussischen und theilweise schon im Allgemeinslavischen aufgekommen
ist) bekannt.
122 N. Durnovo,
schwächt wurden. Jedoch in Worten, wo dem Accente einige Silben
vorausgingen, bewahrte die vortonige Silbe einigen Ton. Die ver-
schiedenen Arten des Akanje rtihren von der Verschiedenheit des
Charakters der nachfolgenden Laute her, sowie von der Wechselbe-
ziehung zwischen der Aussprache des unbetonten Vocals in verschie-
denen Stellungen. Das Schicksal des allgemeinslavischen z in der russ.
Sprache stellt Sachmatov folgen der massen dar. Das allgemeinslavische ^
ging ins ürrussische als 5 oder o über; vor i wurde es schon im ür-
russischen zu einer Art y (irrational). Im Allgemeinrussischen fiel ~o in
jeder Stellung aus, worauf statt seiner in jenen Fällen, wo eine für die
Aussprache unbequeme Consonantenanhäufung stattfand, ein neues ir-
rationales y aufkam. Dies y hatte dann in den einzelnen Dialekten der
russ. Sprache dasselbe Schicksal, wie das y vor ?', d. i. in einigen Mund-
arten fiel es mit altem o in einem Laute 0, wenigstens unter dem
Accente, zusammen, in andern behielt es sich als irrationales y, welches
danach in y, ö, e (ohne Erweichung des vorausgehenden Consonanten)
überging.
Im Jahre 1899 erschien ein neuer Aufsatz des Akad. Sachmatov:
Kt Bonpocy o6t> oöpasoBamn pyccKHXX napiinH h pyce. HapoAHOCTeH
(^ypnajii, Mhhhct. Hapo^n. IIpocBn;^. 1899, April und im S.-A. S. 63).
Gleich gut sowohl mit der russischen Sprache (im Besonderen mit der
Dialektologie), als auch mit der russischen Geschichte bekannt, benutzt
Sachmatov in meisterhafter Weise das ihm zugängliche Material und
verknüpft die Entstehung der russischen Dialekte und ihre spätere Ge-
schichte mit der Bewegung der slavischen Stämme, welche Russland be-
wohnten. Bei dem von ihm gezeichneten Bilde geht er von dem Ge-
danken aus, dass die in der altrussischen Chronik vorkommenden Namen
russischer Stämme den wirklich vorhanden gewesenen Stämmen ent-
sprachen, die sich nicht nur in den Sitten, sondern auch in der Sprache
von einander unterschieden: ein Gedanke, den in seinen Forschungen
auch Akad. Sobolevskij durchführte. Die Hauptresultate, zu denen
Sachmatov im genannten Aufsatze kommt, sind folgende : Die russische
Sprache zerfiel schon in ältester Zeit in drei dialektologische Gruppen,
welche auch den Stammgruppen des östlichen Zweiges der Slaven ent-
sprachen: diese Gruppen kann man eine nördliche, mittlere und südliche
nennen . . . Die mittelruss. dialektische Gruppe theilte sich in eine
westliche und östliche, die südruss. aber in eine nördliche und südliche
Hälfte . . . Die Ereignisse im Süden und der ungleiche Kampf der
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). 123
ruhigen russischen Bevölkerung mit den Steppenhorden (Pecenegen,
Polovcen, Tataren) rief eine Bewegung und neue Gruppirung der rus-
sischen Stämme und Dialekte hervor. Der tatarische Einfall zwang die
Bevölkerung, sich in drei (neue) politische Gruppen zu einigen und
wirkte förderlich auf die Bildung dreier Nationalitäten ein. Im Süd-
westen führte die Vereinigung des Landes, welche theihveise schon von
Roman erreicht wurde, mit der Zeit zur Einheit der Nationalität, die
also auf diese Art aus den beiden Hälften der südruss. Stamm- und
Dialektgruppe entstand. Im Nordwest einigte sich das Land zu Anfang
des XIV. Jahrb., und die weissruss. Nationalität vereinigte die west-
lichen Stämme der mittelruss. Gruppe, sowie Süd- und Nordrussen, die
sich diesen im Süden und Norden assimilirten. Die Einigung des Landes
im Nordost begann schon zu Ende des XII. Jahrb., wobei schon da-
mals die grossruss. Nationalität ihren Anfang genommen hatte; sie
setzte sich aus nordruss. Stämmen, sowie Stämmen beider Theile der
mittelruss. Gruppe — dem westlichen (Vjatici) und dem östlichen (Se-
verjane) — zusammen. Die Sprache bewahrte jedoch mit besonderer
Beharrlichkeit ihre Individualität: nur in Moskau und in einigen Grenz-
gebieten , sowie neu colonisirten Ortschaften bildeten sich Misch-
dialekte; im Allgemeinen kann man aber das grossrussische Volk bisher
nach der Sprache in zwei Gruppen eintheilen — eine nordgrossrussische,
welche der alten nordrussischen entspricht, und eine südgrossrussische,
die westliche und östliche Dialekte der mittelruss. Gruppe vereinigte . . .
So sind an Stelle der drei alten dialektischen Gruppen — der nörd-
lichen, mittleren und südlichen — vier neue, eine nord- und südgross-
russische, eine weiss- und kleinrussische getreten.
Hinweisen muss mau auch auf Sachmatov's Aufsatz «PyccKiH
ii3LiKX« im SimHKjroneAHyecKÜl ciosapL Brockhaus' und Efron's (5 5. Halb-
band, Columne 564 — 581, CIIö. 1S99), wo Akad. Sachmatov in ge-
drängter Kürze seine Schlüsse über die Entstehung und den gegen-
wärtigen Stand der russ. Sprache uud ihrer Dialekte darlegt.
Der Geschichte des Moskauer Dialektes sind die letzten Abhand-
lungen Prof. Budde's im iKypHa.ii. Mhhiict. Hapo^H. üpocBim. und im
lOßH-ieiiHLiii CöopmiKx bt. ^leext B. 0. Miu-iepa gewidmet. Schon in
seiner Doktordissertation setzte Budde fest, dass die Mundarten von
Kasimov Mischmundarten sind ; Akad. Sachmatov bekräftigt (in der Re-
cension der genannten Dissertation und des OnLiTt pycc. AiajreKTOJioriii
Sobolevskij's, hauptsächlich aber in der oben vorgeführten Abhandlung
124 N. Durnovo,
«K-B Bonpocy oöxioöpasoBamH pycc. Hapima u. s. w.) dieselbe Ansicht
auch hinsichtlich des Moskauer Dialektes, wobei er glaubt, dass die
Vermischung nord- und mittelrussischer Züge im Moskauer Dialekte
sehr früh, vom Anfange der Erstarkung Moskaus an begonnen hat und
dass die Grundlage dieses Dialektes eine nordrussische Mundart bildete,
welche den südgrossruss. Vocalismus angenommen hatte. Zu ähnlichen
Schlüssen kommt auch Prof. Budde. Er behandelt die Geschichte des
Moskauer Dialektes hauptsächlich in folgenden Aufsätzen: HicKO.ibKO
sasröTOK'L no ncTopin pycc. asMKa (^MHIIp. 1898, März), H3% HCTopin
pycc. jHTepaTypHaro asBiKa Kornea XVIII h Ha^iajra XIX b. (ib. 1901,
Februar) und HiKOTopLie bliboaw hs-l noBAHiiinraxt xpyAOBi. no bb-
jiHKopyec. Aia.TeKTOJioriH (IOöhji. CöopHHKt bi, tibctI. B. 6. MHJuepa,
CII6. 1900). Im ersten Aufsatz macht Budde auf Grund eines Studiums
der Sprache Lomonosov's, Sumarokovs und Trediakovskij's und ihrer
gegenseitigen Polemik über die Sprache sehr scharfsinnige (hie und da
übrigens etwas gezwungene) Bemerkungen über die Sprache (vor Allem
die Aussprache) der Moskauer in der Mitte des XVIU. Jahrh. unter
anderm weist er für die Mitte des XVIII. Jahrh. in Moskau die nord-
grossruss. Aussprache der Comparativformen {cmiÄSie u.a.) nach, was
später durch die südgrossruss. Sprechweise (cMi.iie u. ä.) verdrängt
wurde. In dem letzten der genannten Aufsätze drückt er die Ansicht
aus, dass man in Moskau im XIII. — XIV. Jahrh. eher okavisch, als
akavisch sprach ; die heutigen nordgrossruss. Züge der Moskauer Mundart
gehörten ihr von jeher an, das Akanje wurde aber hierher später vom
Süden oder Westen hereingetragen, üeberhaupt waren die Südgrenzen
des nordgrossruss. Dialektes jener Zeit bedeutend südlicher, als jetzt.
Hierher gehört theilweise auch meine Onncame roBopa ;iep.
Ilap^eHOKi. (s. oben), welches einer mittelgrossruss. Mundart gewidmet
ist. Ohne hier die Frage über die Entstehung des mittelgrossruss.
Dialektes lösen zu wollen und ohne welche Epochen in dessen Ge-
schichte aufzustellen , stellte ich mir nur zur Aufgabe auf Grund einer
ausführlichen Analyse der Laut- und Formenlehre und des Lexicons
genauer das Verhältniss der behandelten Mundart zu den übrigen gross-
russ. festzustellen. Dabei stellten sich die Wechselbeziehungen der
nord- und südgrossruss. Elemente in dieser Mundart, sowie überhaupt
im Mittelgrossruss. heraus, und es bestätigten sich noch einmal die An-
sichten Sachmatov's und Budde's, dass dem Moskauer Dialekte eine
nordgrossruss. Mundart zu Grunde liegt.
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). 125
Einen Versucli, die Gegenwart mit der Vergangenheit zu ver-
knüpfen, findet man auch in der Abhandlung K. Filatov's OuepHi. na-
poAHLix'L roBopoBT& BopoHBaccKOH ryö. Leider sind seine Excurse in
das Gebiet alter Handschriften oft sehr schwach, üebrigens gelang es
Filatov, zu bestimmen, dass schon im XVII. Jahrh. im Gouv. Voronez
das Südgrossrussische vorhanden war.
A. Kikol'skij vergleicht in seiner Beschreibung der Mundarten des
Kreises Zizdra (s. oben) deren lautliche Erscheinungen mit solchen
anderer nordgrossruss. Mundarten und streift auch die Geschichte dieser
Erscheinungen.
Schliesslich habe ich das Erscheinen zweier neuer Programme zum
Sammeln der Eigenthümlichkeiten grossrussischer Mundarten zu er-
wähnen. Das eine wurde von der zweiten Abtheilung der Petersburger
Akademie für russische Sprache und Literatur an Stelle der vergriffenen,
im Jahre 1896 von der Abtheilung veröffentlichten ersten zwei Pro-
gramme 1) herausgegeben. Das neue Programm wurde von V. J. Cer-
nysov in ganz befriedigender Weise zusammengestellt. Bedauern könnte
man, dass keine Fragen über Wortbildung aufgenommen sind, während
in dem Programm für die weissruss. Mundarten, welches Cernysov vor-
lag, ein solcher Abschnitt vorkommt. Es gibt auch einige kleinere
Mängel. Dem Umfange nach übertrifft das Programm bedeutend die
früheren , und das ist theilw'eise das Unangenehme daran , da es
Sammler abschrecken kann, obwohl anderseits die Ausführlichkeit der
Fragen , die Fülle der Beispiele u. s. w\ die Arbeit des Beobachters er-
leichtern und die Antworten vor zu groben Fehlern, Verallgemeine-
rungen, Ungenauigkeiten u. ä. schützen.
Um nicht Sammler zu schrecken nnd in dem Wunsche schneller
Nachrichten über die hauptsächlichsten Eigenthümlichkeiten verschie-
dener Mundarten zu erhalten, veröffentlichte auch Akad. Sobolevskij in
der yKasaH CTapHHa (1901, b. 1) eine kurze »üporpaMMa a-iä couHpaHia
CBiAiHÜi 0 BBjiiiKopyccKHXTE) TOBopaxi.« (S. 112 — 113). Für den Werth
derselben bürgt der Name des Verfassers.
1) S. die Eecension darüber im Archiv f. slav. Philol. Bd. XXIII.
Moskau, 15. (28.) Dec. 1901. N. Durnovo.
Kritischer Anzeiger.
Stanisiaw Ciszewski: Ognisko. Studyum etnologiczne. WKra-
kowie, naktadem akademii umiej^tnosci, 1903. S. VII + 238. (Der
Herd. Etlinologisehe Studie. In Krakau, Verlag der Akademie der
Wissenschaften, 1903.)
In den slavischen Literaturen gehören solche Werke, die das reichlich
vorliegende, jedoch allerorts zerstreute Material über das allgemeine Völker-
leben nach Gebühr ausnützen und systematisch behandeln, zu merkwürdig
seltenen Erscheinungen. Der Mangel an wissenschaftlicher Verarbeitung
macht sich da mit jedem Tage in dem Grade fühlbarer, als auf der anderen
Seite die Zahl der Publikationen , die direkt ans dem Munde des Volkes
schöpfen, immer stärker zunimmt. Gerade unlängst lasen wir diesbezüglich
eine bittere Aeusserung. Die Vorwürfe, die Herr E. Majewski in der Wisla
1903, XVII. 760 ff. den polnischen Folkloristen macht, dürften sich mit leich-
tem Gewissen weit über die polnischen Grenzen hinaus anwenden lassen.
Schon auf Grund dieser Erwägung müssen wir die obengenannte Publi-
kation der Krakauer Akademie freudig begrüssen. Sie gab da ein Werk des
durch seine umfassenden Studien erprobten und durch seine bisherigen
Sammlungen bekannten polnischen Gelehrten Stanislaw Ciszewski heraus,
der sich darin die Aufgabe gestellt hatte, die Bedeutung des Feuerherdes
(ognisko) im Völkerleben zu untersuchen. Das gegen 8 Seiten starke Quellen-
verzeichniss klärt uns über den geographischen Umfang auf, innerhalb dessen
der Verfasser sich bewegte. Die weitaus grösste Anzahl der Quellen gehört
der deutschen und der russischen Literatur an, während von anderen Litera-
turen noch die böhmische, serbokroatische, französische und polnische heran-
gezogen wurden.
Herr Ciszewski wollte offenbar alles in seine Studie aufnehmen, was
immer mit dem Gegenstande vom Standpunkte der allgemeinen Ethnographie
in Zusammenhang stand. Er beschränkt sich nicht auf ein einzelnes Volk
oder eine bestimmte Völkergruppe. Der Feuerherd und seine Bedeutung für
die Menschheit überhaupt — das ist die Aufgabe seiner Studie.
Sie zerfällt in zwei Theile, von denen der erste den elementaren, der
zweite den socialen Kult des Herdes behandelt.
Ciszewski über Ognisko, ethnologische Studie, angez. von Pivko. 127
Der häusliche Herd bildet mit dem auf ihm flammenden Feuer zusammen
einen Gegenstand des Kultes. Mit diesem allgemeinen Satze leitet der Verf.
den ersten Theil seiner Schrift ein. Nun werden kurze Berichte über die
Hochachtung und Verehrung des Herdes bei den Albanesen, Armeniern, Kir-
gisen. Kleinrussen, alten Persern, Scythen und Osseten angeführt. Diese eth-
nographischen und historischen Quellen entnommenen Berichte darf man,
sagt der Verf., in die Zahl jener Beweise zählen, die die Existenz und Allge-
meinheit des Herd- und Feuerkultes bestätigen. Zum Glück, fährt der Verf.
fort, fehlt es aber auch an anderen noch specielleren ethn. bist. Daten nicht,
durch deren geordnete Zusammenstellung wir ein vollständiges Bild dieses
Kultes in seinen verschiedenen Formen erlangen. Die psychologische Ana-
lyse aller dieser Formen werde dann zum Verständniss jener Grundideen
leiten, auf denen der ganze Herd- und Feuerkult sich aufbaut (S. 12).
Der Verf. meint also, dass die Existenz des Herd- und Feuerkultes durch
eine Anzahl anderer, dem Leser schon bekannter Beweise hinlänglich er-
wiesen sei, — dass er infolgedessen nur zur Erinnerung einige Zeugnisse an-
zuführen brauchte. Nun folgen jene »specielleren Daten«.
Vor allem werden die Anrufungen des Herdes und des Feuers in Be-
tracht gezogen. Dem Herde und dem Herdfeuer werden öfters Epitheta or-
nantia beigelegt. So rief die preussische Braut beim Abschied aus dem
Elternhause dem Herde zu : »Theure, heilige Jungfrau ! « So nennen Lithauer
stellenweise das häusliche Feuer »heilig«, also ganz wie der alte Römer seine
Göttin Vesta, die Personificirung des Reichsherdes, nannte. So betiteln
ferner die Kleinrussen das Feuer: »Theurer Gast!«
Auch durch Abziehen der Fussbekleidung, durch Niederknien, durch
Verbeugungen, durch Küsse u.s.w. wird dem Herde Ehre erwiesen. Am besten
hat sich die Ehrenbezeugung in der Form von Verbeugungen erhalten und
zwar hauptsächlich in den Hochzeitsgebräuchen der Völker.
Der Mensch, der dem Herde einerseits auf jede mögliche Art Ehrerbie-
tung zollt, derselbe Mensch wird sich auf der anderen Seite wohl hüten, den
Herd zu vernachlässigen oder ihn vielleicht gar zu beleidigen. Vielerorts ist
es nicht erlaubt, dem Herde beim Stehen oder Sitzen die Kehrseite zuzu-
wenden ; beim Vorbeigehen darf die schuldige Verbeugung nicht unterlassen
werden, nie darf ferner der Fuss auf den Herd gesetzt werden u. s. w. Auch
die Kette, an der der Kessel über dem Herde hängt, spielt eine hervorragende
Rolle. Bei den Wotjaken darf diese Kette nur im Falle des äussersten Fa-
milienunglückes herabgenommen werden, da sie (als Amulet) im Stande sei, das
drohende Unglück abzuwenden. Sehr interessant ist die Bemerkung, in wel-
chen Ehren eine solche Kette bei den Osseten sich befindet. In der gericht-
lichen Klage eines Osseten heisst es nämlich charakteristisch: »Nicht genug,
dass N.N. mir den Sohn erschlagen hatte, — er warf mir sogar meine Haus-
kette hinter die Thüre«.
Auch durch unhöfliche Reden könnte sich das Feuer beleidigt fühlen,
falls solche in seiner Nachbarschaft geführt werden (Weiss- und Kleinruss-
land u. s. w.). Das Feuer ist ferner zu heilig, als dass es den Kindern zum
muthwilligen Spiele überlassen werden dürfte. Was jedoch diesen letzten
128 Kritischer Anzeiger.
Punkt anbelangt, so darf man auf die Art der Warnungen der Eltern kein so
grosses Gewicht legen, wie der Verf. es thut, da die Kinder eher aus anderen
natürlicheren Gründen vom gefährlichen Spiele zurückgehalten werden
müssen.
Der Mensch verehrt nicht nur den Herd an und für sich, sondern über-
haupt alles, was mit diesem in näherer dauernder Berührung steht. Der Be-
griff des Kultes des häuslichen Herdes müsse daher, so meint der Verfasser,
um ein Bedeutendes erweitert werden, da in denselben der Kult aller mit dem
Herde in dauernder Berührung stehenden Gegenstände aufzunehmen ist (S. 18).
Darum wird zuerst das Fernhalten scharfer und spitziger Gegenstände
und Werkzeuge vom Herde besprochen. Das Schüren mit solchen Werk-
zeugen wird bei sehr vielen Völkern als eine strafbare Handlung angesehen.
Bei den Mongolen und Burjaten ist es nicht einmal erlaubt, in der Nähe des
Herdes Holz zu hacken. Dass solche Arbeit in der Nähe lebender Wesen ge-
mieden wird, ist natürlich und ganz verständlich. Einen leblosen Gegenstand
jedoch wie den Herd können wir uns kaum einer Verwundung ausgesetzt
denken. Oder hätte der ursprüngliche Mensch seinen häuslichen Herd viel-
leicht in die Kategorie der lebenden Wesen gezählt? — Vor der Beantwortung
dieser Frage zieht der Verf. noch einige andere Eigenschaften des Feuers in
Betracht (S. 20).
Zwei Momente scheinen dem Menschen beim Feuer am meisten aufge-
fallen zu sein, aus denen er schloss, dass das Feuer 1. die Gabe der Sprache
besitze und 2, der Nahrung bedürfe, welche zwei Eigenschaften sonst nur
lebenden Wesen zukommen. Wenn daher der ursprüngliche Mensch dem
Feuer diese Eigenschaften beilegte, so musste er es noth wendiger Weise
unter die lebenden Wesen gezählt haben. Daher scheute er es auch, in un-
mittelbarer Nähe des Feuers seine Arbeit mit scharfen Werkzeugen zu ver-
richten.
Wie war der Mensch zu der Ueberzeugung gelangt, dass das Feuer ein
lebendes Wesen sei ? Die verzehrende Kraft des Feuers erweckte im Men-
schen die Vorstellung von der Unersättlichkeit, vom Hunger. Das Knistern
des verschwindenden Holzes, das Lecken der Flamme, das Aufsteigen des
Rauches, das Sprühen der Funken — alle diese Erscheinungen mussten im
Auge des Menschen als Lebenszeichen angenommen werden, wogegen ihm
das allmähliche Auslöschen des Feuers als der Tod des Herdes erscheinen
mochte (S. 24). — Die Vorstellung des lebenden Herdes wird oft noch weiter
ausgeführt, da sich der Mensch jegliches Leben am leichtesten in ausgepräg-
ter plastischer Gestalt denkt. Bei sehr vielen Völkern findet man die Per-
sonification des Feuers uni den Glauben an die Feuergeister in menschen-
ähnlicher Gestalt (S. 24—32).
Im zweiten Abschnitt des ersten Theiles will uns der Verf. mit ethno-
graphischen und geschichtlichen Zeugnissen die Existenz des allgemeinen
Glaubens in die natürliche ideale Reinheit des Feuerelementes beweisen. Der
alte Hindu hütete sich, nasses oder übelriechendes Holz auf den Herd zu
legen. Viele Völker halten Thiere, die in ihren Augen als unrein gelten, vom
Herde fern. Auch der menschliche Leichnam sowie alles, was vom Menschen
Ciszewski über Ognisko, ethnologische Studie, angez. von Pivko. 129
herrührt, Speichel, Urin, Haare, ja sogar der Athem ist im Stande, den Herd
zu verunreinigen. Ebenso sind die Wöchnerinnen in Anbetracht der jung-
fräulichen Reinheit des Feuers unrein. — Natürlich müssen auch hier alle mit
dem Herde in dauernder Berührung stehenden Gegenstände dem Herde
gleich vor Verunreinigung geschützt werden, wie z. B. die vorn erwähnte
Kette (S. 50).
Der Glaube an die angeborene Reinheit des Feuers und des Herdes und
der Gedanke an die Möglichkeit der Entweihung derselben gaben Anlass zu
besonderen Ceremonien, die bei der Reinigung und neuerlichen Einweihung
des Herdes vorgenommen werden. Solche Reinigungen fanden bei den
Parsen, Indern, Griechen und Römern statt. Am weitesten gingen hierin
wohl die Römer, die die Bewachung des Reichsfeuers im Heiligthum der
Vesta den vestalischen Jungfrauen überliessen. Logisch schlössen sie, dass
der Jungfräulichkeit des heil. Feuers nur die allerreinsten Wesen dienen
dürfen. — Es bleibt jedoch immerhin merkwürdig, dass unter den Alten
einzig und allein die Römer auf den Gedanken gekommen waren, Vestalinnen
einzusetzen.
Die Ueberzeugung von der idealen Reinheit des Herdes und des auf ihm
brennenden Feuers führte zu dem Schlüsse, dass das Feuer als ein ausge-
zeichnetes Mittel zur Tilgung der Makel an entweihten Wesen und Sachen
dienen könnte, dass es sich vorzüglich zur Reinigung eigne. Dass in der
That viele Völkerschaften diese Kraft des Feuers ausnützen wollten, davon
gibt uns die ungemein starke Verbreitung der Feuerreinigungsmethoden den
besten Beweis. Solche Reinigungsgebräuche existiren bis auf unsere Tage
(S. 57).
Mittels Feuers ist man im Stande, ansteckende Krankheiten von Leuten
und Thieren abzuwenden. Die Kraft des Feuers als Reinigungs- und Ver-
sicherungsmittel gegen die Krankheit ist so gross, dass oft nur die Anwesen-
heit des Feuers vollständig genügt, um dem Uebel den Zutritt zu den Men-
schen zu verwehren. Viele Völker sind der Meinung, dass z. B. im Wochen-
zimmer ohne Unterbrechung ein Feuer unterhalten werden muss, um die
Mutter und das neugeborene Kind vor bösen Geistern zu schützen. Femer
lässt das Feuer am Herde das Einschlagen des Blitzes nicht zu.
Dieses Vermögen wurde bisher dem Herde als dem Ganzen zugeschrie-
ben. Infolge der Idee der sympathischen Vererbung jedoch und vielleicht
auch gewisser praktischer Rücksichten wegen dehnten einige Völker diese
Kraft auch auf Theile des Herdes im weitesten Sinne des Wortes aus, so auf
Asche, Kohle, schliesslich auch auf Kesselruss und Kaminthon (S. 68). Diese
Vererbung der Reinigungskraft kann noch weiter verfolgt werden. Der Verf.
zeigt nämlich in vielen Beispielen, dass Fackeln, Kohle und Asche die vom
Herde vererbte Kraft auch anderen Dingen mittheilen können, wie z. B. dem
Wasser.
Bei primitiven Kulturvölkern werden Verbrechen und Vergehen eben-
falls mittels Feuers gesühnt, da in den Augen solcher Völker der Begriff des
Verbrechens mit jenem der Unreinheit unzertrennlich verbunden ist. Einem
Verbrecher müsse man womöglich aus dem Wege gehen und den geselligen
.Vrchiv für slavische Philologie. XXVU. 9
130 Kritischer Anzeiger.
Verkehr mit ihm bis zur Wiedererlangung der Eeinheit, die durch die Ver-
mittelung des unbefleckten Feuers am ehesten zu bewerkstelligen sei, gänz-
lich einstellen. So kommt es, dass dem Herde und dem Feuer in den soge-
nannten Gottesurtheilen, in Schwüren und in allerlei Betheuerungen und Be-
schwörungen eine so wichtige Rolle zufiel. Dies ist jedoch im Grunde ge-
nommen nur eine besondere Abart der allgemein verbreiteten Feuerreinigungs-
methoden. Hier stellt der Verf. einige Zeugnisse über Betheuerungen und
Schwüre im Namen des Feuers zusammen, mit denen viele Stämme die Wahr-
heit der Aussagen bekräftigen wollen (S. 78).
Im dritten Abschnitt beschäftigt sich der Verf. mit der Sammlung der
Zeugnisse über die Nothwendigkeit einer steten und ununterbrochenen Pflege
des häuslichen Herdes — der einfachsten Form des elementaren Feuerkultes.
Die Pflege des Feuers besteht hauptsächlich aus der Sorgfalt, mit der man
wohl bei allen Völkern mit dem Feuer umzugehen sich bestrebt (Zusammen-
fegen der Glut, Zudecken derselben u. s. w.). Man scheut es, das Feuer aus-
zulöschen. Die Beschüttung der Glut mit Asche erscheint dem Verf. aus ur-
alten heidnischen Kultgebräuchen zu stammen, während er die Beschüttung
mit Salz und Kümmel (Hessen) als einen viel später eingedrungenen Gebrauch
bezeichnen möchte, der auf rein christlichen Ursprung hindeute. —
Bei der Existenz des allgemeinen Prinzips der sorgfältigen steten Pflege
des Feuers kann man sich jene Vorschriften, die die entgegengesetzte Hand-
lungsweise verbieten, leicht erklären. Hierher gehört das Verbot des Aus-
einanderschürens und des Feuerlöschens mittels Wasser, welch' letzteres
mehrere Erklärungen zulässt. Jene Völker, bei denen das Feuer und das
Wasser als einander völlig entgegengesetzte Elemente gelten oder als zwei
Brüder zueinander im Verwandtschaftsverhältniss stehend angesehen werden
(Parsen, Armenier u.s.w.), lassen keine Berührung beider Elemente zu, da es
einem Brudermorde gleichzustellen wäre, falls das Feuer unter Wasser
stürbe. — Noch öfters treffen wir das Verbot des Feuerlöschens überhaupt
an, da man hierdurch das Feuer des Lebens beraube, was dem Prinzip der
Feuererhaltung und Feuerverehrung widerspricht. (Das Zudecken mit Asche
ist kein Löschen, vielmehr Streben zur Erhaltung des Feuers S. 87.)
Das Zulegen von Holz bildet die eigentliche Erhaltung, gleichsam Fütte-
rung des Feuers. Das Holz, das der Mensch den Flammen zum Verzehren
vorlegt, ist Gabe und Opfer zugleich — wohl die einfachste Opferform, die
der Mensch dem Feuerelement darbringt. Die Idee, dem Herde vollkommenere
Opfer in der Form von Speise und Trank zu widmen, muss man mit der Vor-
stellung des personificirten lebenden Herdes in Verbindung bringen, die die
einfache Abspeisung mit Kolz als ungenügend finden musste (S. 95).
Im zweiten Theile bespricht der Verf. die socialen Funktionen des Her-
des, um uns in das Wesen des gemeinsamen Herd- und Feuerkultes einzu-
führen. Der Herd ist ein vereinigendes sociales Centrum. Personen, die zu-
sammen einen gemeinschaftlichen Herd besitzen, befinden sich infolgedessen
zu einander im Solidaritätsverhältniss und heissen Herdgenossen. In erster
Linie muss die Familie als eine solche Gruppe genannt werden, sowohl die
engere als auch die erweiterte, sog. patriarchalische Familie. In den Kreis der
Ciszewski über Ognisko, ethnologische Studie, angez. von Pivko. 131
Herdgenossen treten ferner noch Schutz suchende Personen, Sklaven, Diener-
schaft, Lehrlinge, ja sogar Hausthiere.
Dieselbe Rolle des vereinigenden Centrums übernimmt der Herd in
grösseren Gruppen der Geschlechter und Stämme.
Die Aufnahme in die Genossenschaft geschieht stets unter besonderen
symbolischen Ceremonien. Selbst die der Genossenschaft entsprossenen
Personen müssen sich als Herdgenossen symbolisch legitimiren, da ihre
Genossenschaftsrechte durch Geburt allein nicht gesichert sind. Fast überall
treffen wir in den Geburts- und ganz besonders in den Hochzeitsgebräuchen
solche Legitimirungen, die heute vom Volke meistens nicht mehr verstanden
werden. — Fremde, von aussen kommende Personen müssen einen zweiten
Weg zur Erlangung der Herdgenossenschaftsrechte betreten, den der Adop-
tirung. Auf diesen Abschnitt hat der Verf. ganz besonderen Flelss verwen-
det und ihn viel reichlicher mit Zeugnissen belegt als die übrigen Theile.
Hier möge der kurze Hinweis genügen (S. 99 — 159).
Der ursprüngliche Mensch dachte sich das jenseitige Leben ganz dem
hiesigen analog. So kommt es, dass er der Meinung war, dass sich die Seelen
der Ahnen in den elyseischen Feldern geradeso wie ihre lebenden Nachkom-
men auf Erden nach Herdgenossenschaften gruppiren. Die Bedürfnisse der
Todten sind natürlich ganz menschlicher Art, vor allem müssen sie essen und
trinken. Sie werden befriedigt, wenn man ihnen auf den Herd Speisen wirft
und Tropfen der Getränke giesst. Der Herd vertritt hier die Stelle des Al-
tars, übt also die Funktion des Vermittlers zwischen der irdischen und jen-
seitigen Herdgenossenschaft aus.
Vom Herde ist schliesslich das ganze Geschick der Herdgenossenschaft
abhängig, sein Leben sichert dieser ein gutes Gedeihen, während sein Tod
(beim Erlöschen) das Absterben der ganzen Gruppe zur Folge haben müsste.
Stark angewachsene Genossenschaften unterliegen dem natürlichen
Spaltungsprocess. Vom Muttergeschlecht lösen sich neue Flügel ab, von der
grossen patriarchalischen Familie trennen sich neue Familien des gewöhn-
lichen Typus und aus dem Stamme treten einzelne Kolonistengruppen heraus
u. s. w. Mit diesen Spaltungen hängen sehr interessante Ceremonien zusam-
men, bei denen der Herd und das Feuer eine wichtige Rolle spielen. Dem abwei-
chenden Flügel wird etwas Glut aus dem mütterlichen Familien-, Geschlechts-
oder Stammesherde mit in die neue Heimat gegeben, damit sich die neue
Gruppe ein festes neues Centrum schaffe. Der alte Herd verleiht Glück und
Wohlergehen. Damit hängt auch die Meinung zusammen, dass durch die
Entwendung des Feuers aus dem Herde der Genossenschaft zugleich das
Glück entwendet werde. Viele Völker weigern sich deshalb, fremden Per-
sonen das Feuer herauszugeben. Dieser Glaube herrscht selbst bei den vor-
geschrittensten europäischen Nationen.
Der gemeinsame Herd- und Feuerkult hat überall in der allgemeinen
socialen Evolution der betreffenden Stämme seinen Grund. Mit diesem Be-
weis und mit einem Anhang über den Namen des Herdpatrones bei den Os-
seten, Safa, schliesst die Schrift (S. 238).
Hiermit habe ich den reichen Inhalt der Studie nur in den allgemeinsten
9*
132 Kritischer Anzeiger.
Zügen angedeutet. Eine jede der aufgestellten Behauptungen wird durch
zahlreiche, lose aufeinanderfolgende Zeugnisse beleuchtet. Mit dieser Me-
thode des Verf. können wir uns nicht ganz befreunden. Er gelangt wohl zu
schönen Resultaten, doch sind diese durch einen aus zusammengewürfelten
Steinen verschiedenster Art zu Stande gekommenen künstlichen Aufbau er-
zielt. Der Verf. hat nämlich in seiner Studie der Herbeiziehung von bist, und
ethnogr. Zeugnissen keine Grenzen gesetzt und auf Grund seiner Sammlungen,
die zwar sehr mannigfaltig sind, aber keineswegs auf irgendwelche Vollstän-
digkeit Anspruch erheben können, gleich eine Gesammtdarstellung der Be-
deutung des Herdes im Völkerleben zu geben unternommen. Daher kommt
es, dass die Schwierigkeiten, die bei der Abfassung ähnlicher Werke stets
auftreten, selbst durch den ausserordentlichen Fleiss des Verf. nicht beseitigt
werden konnten. Die Studie ist unvollständig, wie es bei diesem Plane
anders nicht sein kann. Ausserdem lässt seine Schrift nicht erkennen, auf
welche Vorarbeiten er sich dabei stützte. In dem Gebotenen war er gezwungen ,
sich einen jeden einzelnen Baustein selbst zu holen. Dabei bekommt man
öfters den Eindruck, dass er von seinem Bestreben nach Allgemeinmensch-
lichem geleitet in wildfremden Gebieten herumstreift, ohne vorher das ein-
heimische, näher liegende Material gehörig ausgenützt und erschöpft zu
haben. Fast alle Völker sind in der bunten Studie vertreten, das eine mehr,
das andere weniger, je nach dem Glück, welches den Verf. auf der Suche
nach Zeugnissen begleitete. Aber wir sind nicht in der Lage, uns nur ein
einziges vollständiges Bild zu machen, woraus der ganze Werth und die
wahre Bedeutung des Feuerherdes bei irgendeinem Volke klar zu ersehen
wäre. Man wird jetzt wohl an Specialuntersuchungen in kleinen festen
Grenzen denken müssen, um auf solcher Grundlage der Bedeutung des
Feuerherdes im allgemeinen Völkerleben sichere Stützen zu liefern. Bevor
dies nicht geschieht, wird jeder derartige grosse Versuch gewagt sein.
Aber selbst die als Quellen angeführten Werke wurden in der vorliegen-
den Studie nicht immer ganz ausgenützt. Ueber Altserbien besitzen wir — um
ein Beispiel anzuführen — ein in ethnographischer Beziehung grundlegendes
Werk von I. S. Jastrebov, Oöbi^an h nicHU lypeuKuxt CepöoBi., IItö. 1S86 (Ge-
wohnheiten und Lieder der türkischen Serben, Ptb. 1886), dem wir nur we-
nige ähnliche Arbeiten zur Seite stellen können. H. Ciszewski führt dieses
Werk unter seinen Quellen an und erwähnt es an 4 Stellen der Studie. Wie
viele Stellen, die den Herd betreffen und die wenigstens ebenso wichtig sind
wie die angeführten, wurden da gänzlich unberücksichtigt gelassen!
Auf der anderen Seite hat der Verf. Exkursen, die gar nicht in das
Werk gehören, Raum geboten. Auf S. 42 spricht er von der Entweihung des
Herdes durch die Anwesenheit einer Wöchnerin. Dieser Punkt gibt ihm zu
einer breiten Darstellung Anlass, in welcher er (auf beinahe 10 Seiten) den
Beweis zu erbringen sucht, dass viele Völker das Weib allgemein und zu
gewissen Zeiten für besonders gefährlich und unheilbringend halten. Das
Werk ist ja aber »Ognisko« betitelt !
Dessenungeachtet fesselt die grosse Fülle von interessanten geschicht-
lichen und ethnographischen Daten und der leichte erzählende Ton den
Surmin's Wiedergeburt, angez. von V. Jagic. 133
Leser im hohen Grade. Auch wird die Studie bei weiteren Forschungen auf
diesem Gebiete ein gutes Hilfsmittel abgeben und als solches begrüsseu
wir sie. Ludwig Pivko.
V
Hrvatski preporod. Napisao Büro Surmin (Die kroatische
Wiedergeburt von Universitätsprofessor Gjuro Surmin) I. Od godine
1790 do 1836. Zagreb 1903. 8^. VII. 203, 043. II. Od godine
1836 do 1843. Zagreb 1904. 8«. 287, 040.
Die russische und polnische Literatur hatten sich früher mit der unter
dem Namen des Illyrismus bekannten kulturpolitischen Bewegung befasst,
als zu Hause selbst, in Kroatien, dieser wichtige Abschnitt des Kulturlebens
seinen Bearbeiter gefunden. Ueber die betreffenden Werke Kulakowskij's
und Zdziechowski's wurde im Archiv, B. XVII, S. 304— 306 und B. XXV,
S. 317 — 320 kurz berichtet. Um so mehr ist es jetzt die Pflicht der Zeitschrift
auch das Hauptwerk, das bereits zwei Bände umfasst und bis zum Schluss
des Jahres 1842 reicht, einer Besprechung zu unterziehen. Es war in der
That schon beim Erscheinen des ersten Bandes ein berufener Referent in Aus-
sicht genommen, dessen andauernde Krankheit leider sowohl unsere Zeit-
schrift um einen kritischen Beitrag, aber auch den Verfasser des Werkes um
verdiente Anerkennung gebracht hat. Das Werk Prof. Surmin's beabsichtigt,
wie es auch anders kaum möglich wäre, das ganze geistige Leben der Kroaten
in der Periode zwischen 1790 und 1850, in welche Zeit der Kampf um die
Rechte der Sprache und Nationalität und um die politische Sonderstellung
innerhalb der Länder der ungarischen Krone fällt, in zusammenhängender
Erzälung zu schildern, abwechselnd bald das Bild der politischen bald der
literarischen Zustände uns vorzeigend. Die zur Pflege und Sicherung der
Nationalsprache verlangten Garantien, durch die nationale Bewegung der
Magyaren zu Gunsten ihrer Sprache hervorgerufen, nahmen früher eiuen
politisch-nationalen als literarisch-kulturellen Charakter an. In Agram und
Pressburg kamen zuerst in den politischen Versammlungen der Stände diese
Fragen zur Sprache. Die Kroaten als die Schwächeren wehrten lange Zeit
den aggressiv auftretenden Magyarismus so ab, dass sie sich hinter die
Schutzmauer der althergebrachten Herrschaft der lateinischen Sprache ver-
krochen, wobei die Abneigung vor Concessionen an den dritten und vierten
Stand nicht die letzte Rolle spielte. Der Illyrismus war nur ein späterer Ein-
schlag in dieser Bewegung, seitdem sie beinahe unbewusst eine demokratische
Richtung annahm. Freilich verschaffte gerade das der ganzen Bewegung
eine grössere Tragweite, eine neue Idee bemächtigte sich ihrer, die den
Kämpfern um das natürliche Recht der Nationalität festeren Boden gab und
zahlreiche Kampfgenossen zuführte. Die Idee kulminirte nicht in dem Auf-
sehen erregenden Namen, wenn auch dieser am heftigsten bekämpft wurde.
Der Bureaukratismus hatte sich wieder einmal gewaltig getäuscht, wenn er
mit dem Verbot des Namens auch die Idee glaubte eonfisciren zu können!
134 Kritischer Anzeiger.
Die Idee verfolgte sprachlich-literarische Einigung der bisher in provinzieller
Isolirtheit vegetirenden Theile des Ganzen, worunter man zanächst an Kro-
atien, Slavonien nebst der Militärgrenze und Dalmatien dachte, die kühner
dem Flug ihrer Phantasie folgenden gingen auch weiter und rechneten das
österreichische Illyrien dazu, ferner Bosnien und selbst Serbien, Montenegro
und sogar Bulgarien. Die Hauptverfechter dieser Idee, die Provinzialkroaten
mit Agram an der Spitze, hatten dabei allerdings ein in der slavischen Welt
selten begegnendes Opfer der Selbstverläugnung gebracht, sie entsagten
ihrem seit zwei Jahrhunderten literarisch gepflegten Localdialect zu Gunsten
der sie umgebenden Majorität, wobei ihnen namentlich das hohe Ansehen der
einstigen Republik Ragusa mit ihren klassischen Dichtern vorschwebte. Aber
anders ging es nicht. Nur um dieses vernünftige Opfer war das schöne Ziel der
literarischen Einigung erreichbar. Als Entschädigung dafür bekamen sie nach-
her, nachdem sich die Verhältnisse geklärt hatten, statt des todten ihren leben-
den ethnischen Namen zurück, mit einer kleinen Aenderung in der Form: die
raagyarisirte Benennung Horvat, horvatski wurde durch den einheimischen
Namen Hrvat, hrvatski ersetzt. Wenn man jetzt an der Hand der beiden
Bände des Werkes Surmin's die gewaltigen Schwierigkeiten sich vergegen-
wärtigt, die sich von innen und aussen kommend gegen die dem Illyrismus
zu Grunde liegende Idee aufthürmten und doch glücklich überwunden
wurden, so wird man ohne Uebertreibung sagen dürfen, hier habe einmal die
innere Wahrheit der Sache zum Siege verholfen. Ja wie so zum Siege , wird
man sagen, da ja der Illyrismus vom Schauplatz verschwunden, höchstens
vielleicht noch in der k. und k. österr.-ungar. Marineakademie zu Fiume als
Lehrgegenstand fortlebt. Das ist allerdings richtig und doch fühlt es jeder
unbefangene Beurtheiler jener denkwürdigen Epoche, dass mit der Beseiti-
gung des Namens das Wesen der Sache selbst keinen Schaden erlitten hat.
Ja das gewonnene Resultat steht so fest, mit jedem Decennium fester, dass
es selbst Bürgschaften für die weitere Evolution jener Idee in sich schliesst.
Doch kommen wir zum Werk ^urmin's. Ich halte es für eine sehr zeit-
gemässe, dankenswerthe und im Ganzen wohlgelungene Publikation, die
namentlich der heutigen jüngeren Generation viel Belehrung zuführen dürfte,
die sie aus keinem anderen Werk in gleicher Ausführlichkeit schöpfen kann.
Einiges zur Sache hatte allerdings der 80. Band des Agramer akademischen
»Rad« geliefert. An das dort Gebotene wird auch hier angeknüpft. Soll ich
von diesem Gesichtspunkte ausgehend einige Worte über die Leistung
Surmin's sagen, so muss ich ihm die Anerkennung zollen, dass er mit grosser
Gewissenhaftigkeit das ihm zugänglich und bekannt gewesene Material ver-
wertet und unter Abwägung aller Umstände ein möglichst treues, objectiv
gehaltenes Bild der Thatsachen und Verhältnisse zu entwerfen bemüht war.
Es ist damit nicht gesagt, dass er überall die Ereignisse erschöpfend be-
handelt. Er scheut sich nicht, öfters selbst auf die Lücken in unseren bis-
herigen Kenntnissen der Thatsachen und Motive hinzuweisen. Neue Quellen,
neue Documente, die gewiss noch in Ungarn und Oesterreich in nicht geringer
Zahl stecken mögen, werden mit der Zeit die eine oder andere dieser Lücken
auszufüllen helfen. Schade, dass man hinzufügen muss, dass auch von den
Surmin's Wiedergeburt, angez. von V. Jagid. I35
dem "Verfasser zugänglich gewesenen Archivalien und autobiographischen
Aufzeichnungen oder Memoiren viele noch immer das Licht der Oeffentlich-
keit zu scheuen scheinen. Oder soll ich die Epigonen der Indolenz anklagen,
dass sie sich um die monographische Behandlung solcher Fragen, aus denen
ein Werk wie das Surmin's hervorgeht, gar nicht kümmern? Niemand wird
auffallend finden, dass der Verfasser in den Partien seines Werkes, wo
Gegensätze der magyarischen und kroatischen Auffassung hervortreten , den
kroatischen Standpunkt einnimmt. Er ist unbefangen genug in vielen anderen
Punkten, die nicht die Magyarisirungstendenzen betrafen, der energischen
Vertretung der constitutionellen Rechte seitens derselben Magyaren volle An-
erkennung zu zollen. Vielleicht hätte man hier und da ein näheres Eingehen
auf die Argumentation der Gegenpartei erwarten können, um den Lesern
auch die Kehrseite des Bildes zu zeigen. Es ist mitunter sehr belehrend, den
Gesichtspunkt des Gegners zu kennen.
Um auf den Inhalt einzelner Kapitel näher einzugehen, möchte ich be-
treflfs des ersten die Bemerkung mir erlauben, dass in diesem die schwäch-
liche Vertretung der kroatischen politisch-nationalen Individualität zwischen
1790 und 1830 viel zu kurz behandelt wird. Es scheint fast, als ob der Ver-
fasser hier auf die Wiedergabe der Ansichten Anderer (z. B. Smiciklas) sich
hätte beschränken wollen. Ich befürchte, dass so manchem jüngeren Leser
des Buches das ganze Bild der jämmerlichen Zustände jener vierzig Jahre
nicht klar genug vor die Augen treten wird. Und doch wie wichtig waren die
Ereignisse, die sich während jener Zeit abspielten. Die Einflüsse des Jose-
phinismus, die französische Herrschaft, die Reaction. War man in Kroatien
so stumpfsinnig, dass alle diese Ereignisse an Zeitgenossen wirkungslos ab-
prallten? Das zweite Kapitel, das parallel zum ersten die literarischen Be-
strebungen jener Zeit zur Sprache bringt, befriedigt mehr, und doch fällt es
auf, dass der Verfasser keinem einzigen Slavonier dieser Zeit eine gleiche
Aufmerksamkeit schenkte, wie den kajkavischen Schriftstellern. Ein Krm-
potic, Lanosovic, Cevapoviö u. A. werden gar nicht erwähnt, ein Katancic,
Reljkovic, Maudic, Nagy nur ganz kurz. Das dritte Kapitel, das mit dem
politischen Leben während der Jahre 1830 — 1835 uns vertraut machen soll,
bleibt ebenfalls hinter dem nächstfolgenden literarischen Bild derselben Zeit
weit zurück. Ob die Ueberschrift , die ihm der Verfasser vorlegte : »Hrvati
odlucuo braue stara svoja prava« wirklich gerechtfertigt ist, will ich dahin-
gestellt sein lassen. Einzelnen Namen, wie Graf Janko Draskovic oder Derkos,
die mit politischen Broschüren die Gesellschaft zur Vertheidigung ihrer natio-
nalen Rechte aufrütteln wollten, steht die Energielosigkeit vieler Anderer
gegenüber,um von verblendeten Vertheidigern des gegnerischen Standpunktes
in der Art eines Salopek gar nicht zu reden. Das Hauptgewicht des ersten
Bandes fällt auf das vierte und letzte Kapitel, das die literarische Thätigkeit
zwischen 1830 und 1835 behandelt, auf S. 114— 223, also die Hälfte des ganzen
Bandes umfasst. Die Ausführlichkeit dieses Kapitels erklärt sich daraus,
dass hier der Hauptheld der ganzen Bewegung, Ljudevit Gaj, und zwar zu-
nächst mit seinen Jugendjahren zur Darstellung kommt. Wenn wir auch
nicht viel neues erfahren, sind die biographischen Daten doch hübsch gruppirt
1 36 Kritischer Anzeiger.
und die Eindrücke, die der schwärmerische Jüngling aus seinem lebhaften
Verkehr mit Landsleuten und anderen Slaven auf seiner Studienreise gewann,
recht anschaulich dargestellt. Allerdings möchte ich mich auf seine auto-
biographischen Notizen nicht ganz verlassen, Gaj liebte seinen einzelnen
Schritten und Entschlüssen poetische Verklärung beizulegen oder sie in
einem höheren Lichte erscheinen zu lassen. Ich erinnere mich einer Er-
zählung seiner Freunde, wie er einmal in Zagorien bei einem trostlosen Weibe,
dessen Kind gefährlich krank war, die Rolle des Heilandes spielen wollte,
doch versagte der Erfolg. Er mag öfters, halb unbewusst, solche Rollen ge-
spielt haben, die vielleicht auch seinen Fall zuletzt mitverschuldeten. Das
Buch ^urmin's, ohne gerade in einen Fanegyrikus auf Gaj auszuarten, lässt
ihm volle Gerechtigkeit widerfahren. Ich rechne ihm das hoch an. Er legte
keinen einseitigen Massstab auf die Beurtheilung dieses merkwürdigen
Mannes an: weder als Schriftsteller, noch als Gelehrter, noch weniger als
Dichter leistete Gaj Bedeutendes. In jeder von diesen Beziehungen waren
ihm einzelne von der Umgebung weit überlegen. Und doch war er etwas,
was allen anderen fehlte, er war ein zur Führung geborener Geist, ein wenn
man will höherer patriotischer Agitator, in welchem die fascinirende Kraft
der poetisch angehauchten Beredtsamkeit mit dem praktischen Blick für die
wahren Bedürfnisse des nächsten Augenblickes glücklich gepaart war. Man
muss die übrigen Kampfgenossen persönlich gekannt haben, um zu begreifen,
wie sie ganz und gar nichts ohne Gaj in der grossen Aufgabe, das nationale
Bewusstsein in allen Sphären des Lebens zu erwecken und zu Thaten auf-
zurütteln, hätten erreichen können : der tiefsinnige Dichter Iv. Mazuranic war
im hohen Grade schwerfällig, um nicht zu sagen indolent; Demeter hatte nur
viel Sinn fürs Theater; A. Mazuranid und V. Babukic waren brave, pflicht-
getreue Vollführer fremder Aufträge; St. Vraz fühlte nicht den festen Boden
unter Füssen, er zog vor, sich ästhetischen Betrachtungen und ethnographi-
schen Interessen hinzugeben. Allen zusammen ging praktischer Sinn, Be-
geisterung, Ehrgeiz und Rührigkeit Gaj's gänzlich ab. Er verstand andere
für sich arbeiten zu lassen. Ich erinnere mich noch der Erzählung, die einst
A. Mazuranic zum besten gab über die Schwierigkeiten, die das Redactions-
comite zu überwinden hatte um den bekannten »Oglas« zu Stande zu bringen.
Bis tief in die Nacht waren sie damit beschäftigt um die richtigen Ausdrücke
zu finden. Selbst solche Worte, wie narod, erregten Bedenken. Wie schade,
dass der alte Mann, der in den letzten Jahren seines Lebens einem wandeln-
den Schatten glich, solche Scenen nicht niederschrieb ! Mit der Proklamation
des lUyrismus für die Sprache, Literatur und die ganze nationale Bewegung,
die für den Anfang des Jahres 1836 angekündigt wurde — einzelne Stimmen
der Illyrier aus verschiedenen Gegenden hatten sich schon früher gemeldet
— beschliesst der erste Band des ^urmin'schen Werkes. Ich hätte hier seitens
des Verfassers eine Auseinandersetzung der Motive erwartet , die Gaj und
seinen Kreis veranlassten jetzt mit dem proklamirten lUyrismus anzufangen.
Der ganze zweite Band, der an Umfang um etwa 60 Seiten stärker ist,
als der erste, ist den äusseren und inneren Begebenheiten des lUyrismus
während eines Zeitraumes von sieben Jahren (1836 — 1842) gewidmet. So
Sarmin's Wiedergeburt, angez. von V. Jagid. 137
reichhaltig sammelt sich der Erzählungsstoff an, wenn man tief in die dama-
ligen Zeitströmungen und die Geisterrichtung der Gesellschaft eindringt.
Warum der Verfasser diesen reichen Inhalt nur in drei Kapitel eingetheilt,
warum er z. B. nicht aus dem fünften Kapitel, das die Jahre 1836 — 1839 um-
fasst, in der bisher beobachteten Weise zwei getrennte Kapitel, ein kultur-
politisches und ein literarisches, gemacht hat, das entzieht sich meiner Ein-
sicht. Hat er ja doch den nächsten Zeitraum, nämlich die Jahre 1839 — 1842,
in der That wieder in zwei Kapiteln behandelt, deren erstes (das jetzige
sechste) über die politischen Angelegenheiten dieses Zeitraumes, zweites (das
jetzige siebente: über die literarisch -kulturellen Angelegenheiten referirt.
In ähnlicher Welse hätte es sich empfohlen aus dem fünften Kapitel die
Schilderung der politischen Situation in Ungarn und Kroatien während der
Zwischenzeit der beiden Reichstage, des im Jahre 1836 geschlossenen und des
im Jahre 1839 eröffneten, dann die Bemühungen des immer bewusster auf-
tretenden lUyrismus durch Gründung von Lesevereinen und mittelst der
theatralischen Vorstellungen den Regungen des nationalen Individualismus
entgegenzukommen, endlich die Bekämpfung der illyrischen Richtung seitens
der wenigen Vertreter des engen Provinzialpatriotismus, wobei leider die
Einmischung Kopitars keine schöne Rolle spielte, — alles das als ein eigenes
nichtliterarisches Kapitel herauszuheben, um den literarischen Erzeugnissen,
die allerdings fast ausschliesslich in der »Danica ilirska« zum Ausdruck
kamen, ein entsprechendes parallelgehendes Kapitel zu überlassen. Doch
diese Desiderata berühren Nebensächliches. Wichtiger ist es hervorzuheben,
dass die Darstellung des Verfassers sich durch ruhige Auffassung auszeichnet,
dass sie Thatsachen sprechen lässt und dem Leser überlässt, wenn er will,
ein schärferes Urtheil auszusprechen, als er es selbst thut. Das gilt sowohl
über das Verhältniss der Slovenen zu dem Illyrismus wie über das der meisten
Serben. Man kann die Ruhe des Verfassers gegenüber diesen beiden dem
Illyrismus abhold gewesenen Tedenzen nicht genug loben. Für jene Zeit
konnte ja der Illyrismus weder in sprachlicher Beziehung noch nach ästheti-
schem oder wissenschaftlichem Werth seiner Leistungen auf solche Literatur-
producte hinweisen, die den skeptischen und befangenen Beobachtern dieser
Bewegung von rechts und links Bewunderung eingeflösst hätten. EinVrazwar
zu schwach, um die Mehrzahl der Slovenen mit sich zu reissen, dagegen ein
Presern reichte hin, um die neue Richtung zu hintertreiben. Dass der Verfasser
dennoch sein Bild in das Werk aufnahm (zur S. 60 — 61), zeugt von seiner milden
Beurtheilung; eigentlich gehört es nicht hinein. Ja man könnte vielleicht
sagen, dass selbst Vraz nicht den richtigen Weg damit eingeschlagen, dass er
die Pflege des Slovenischen gänzlich aufgab. Dadurch konnten ja seine
Landsleute nur zurückgeschreckt werden, zumal die Krainer, denen es doch
nicht so leicht war ihren Dialect aufzugeben, wie den Provinzialkroaten, die
sich mit den sto-sprechenden Slavoniern in einem fort berührten, mit ihnen
politisch und kirchlich vereinigt waren. Wenn man so von Wünschen eines
Jarnik oder Mursec hört, da muss man von neuem den praktischen Scharf-
blick Gaj's bewundern, der auf die gewünschten Compromisse nicht einging.
Um den Preis einiger grammatischer Formen waren ja die Slovenen so wie so
138 Kritischer Anzeiger.
nicht zu haben und Gaj hätte riskirt seine schöne Idee selbst bei Slavoniern,
Dalmatinern und anderen Sto-sprechern kalt zu stellen. Noch lehrreicher sind
in dem Werke Surmin's die Aeusserungen über den von den Serben gegenüber
dem Illyrismus eingenommenen Standpunkt. Mit Eecht geht der Verfasser
darauf mit Sorgfalt ein. Es sind ja seitdem ungefähr siebzig Jahre verflossen,
die befruchtende Kraft der dem Illyrismus zu Grunde liegenden Idee hat den-
noch nicht aufgehört fortzuwirken. Sie modificirt sich in der Form, aber ihr
Wesen bleibt aufrecht, sie hat noch heute mit inneren und äusseren Wider-
sachern zu kämpfen, allein sie macht Fortschritte und das spricht für ihre
Berechtigung, für ihre Wahrheit. Auf die Fülle des Erzählungsstoifes der
beiden letzten Kapitel will ich gar nicht näher eingehen. Wer sie durchliest,
wird mit Befriedigung das Buch niederlegen, selbst wenn im Einzelnen
manches nachgetragen werden könnte , namentlich nach Aeusserungen in
fremden Literaturen, politischen Broschüren, periodischen Zeitschriften u. s. w..
die ich für dieses Werk fast gar nicht herangezogen finde. Das wird übrigens
nachträglich geschehen können, wenn die Aufmerksamkeit des lesenden
Publikums, wie man es erwarten sollte, den Verfasser zu neuen Auflagen auf-
muntert. Da ich den Plan der weiteren Darstellung nicht kenne, so weiss
ich auch nicht, ob sich der Verfasser in bisheriger Weise mit der fortlaufen-
den Erzählung an dem Faden der aufeinanderfolgenden Ereignisse begnügen
wird, oder ob in seinem Werke auch gewisse Ruhepunkte eintreten werden,
die er dazu benutzen könnte, uns eine Charakteristik der Hauptrepräsen-
tanten der ganzen Bewegung zu liefern. Ich würde das entschieden wün-
schen. Es ist ja nicht genug an dem, dass vor dem Leser eine ganze Reihe
von Namen theatralisch einherschreitet, er möchte mit einigen Worten auch
den Charakter der Träger jener Namen geschildert sehen. Z. B. im zweiten
Band des »Preporod« kommt Banus Vlasic einige Male, aber immer nur
nebenbei zur Sprache, und doch ist die Rolle, die die Baue seit jeher in
Kroatien gespielt haben, keine unbedeutende. Wer kann sich nun nach den
abgerissenen Bemerkungen über Vlasic in diesem Buche ein anschauliches
Bild schaffen? Ob wir von Haller, Haulik u.v.a. mehr erfahren werden,
weiss ich nicht, und doch wäre das ebenso wünschenswerth, wie eine zu-
sammenfassende Charakteristik der Männer aus der nächsten Umgebung
Gaj's. Ich empfehle dieses Desiderium der freundlichen Erwägung des Ver-
fassers. V. J.
Zur Phonetik des Dialectes von Polstrau, von Prof. Dr. K. Ozvald.
Im 54. Jahresberichte des k. k. Staatsgymnasiums in Görz. 1904.
S. 1—16.
Einen willkommenen Beitrag zur Kenntniss der slovenischen Dialecte
Steiermarks hat uns heuer Herr Dr. K. Ozvald geliefert. Schade nur, dass
solche oft recht wertvolle Beiträge bei der Unzugänglichkeit der Gymnasial-
Ozwald, Dialect von Polstrau, angez. von Grafenauer. 139
Programme, die im Buchhandel gewöhnlich nicht zu finden sind, meist unbe-
achtet gelassen werden und der Vergessenheit anheimfallen*).
Der Polstrauerdialect ist desshalb interessant, da sich bei ihm Erschei-
nungen der steierischen Dialecte mit den äussersten Ausläufern jener Er-
scheinungen verbinden, die dem Jaunthalerdialecte in Kärnten eigenthümlich
sind. Ersteres ist der Ersatz des Halbvocales durch e auch an unbetonter und
schwachbetonter Stelle, die Behandlung des t als mittleres l ausser im Part.
Perf. IL, dieses die eigenartige Behandlung des w vovj: "fwa, prcV'ß ko"j, dem
im Jaunthalerdialecte dasselbe entspricht: svija {i für nasalirtes i) kuhtja,
zaklfjeti u. 8. w. Auch die Aussprache des starkbetonten a als o (Ozvald
schreibt a, dessen Aussprache von der eines offenen o um nichts abweicht)
ist neben mehreren steierischen Mundarten dem Jaunthalerdialecte eigen.
Interessant ist es auch, dass sich der Dialect von Polstrau in Bezug auf a an
die Kärntnerdialecte mit ihrem offenen e anschliesst, das dem offenen Nasal-
vocale des Jaunthalerdialectes entsprechend wohl aus offenem Nasale f zu
erklären sein wird. Das o (<h) hat aber schon theilweise in die Bahnen des
etym. o eingelenkt : mos roka (enges o) — döga mbski.
Der Accent ist exspiratorisch wie in den meisten steiermärkischeu
Mundarten; die westliche Grenze dieser Betonungsart ist das Miessthal in
Kärnten (Jaunthalerdialect), das sich hierin ganz an die benachbarte Steier-
mark anschliesst, während westlich davon in ganz Kärnten und zwar schon
auf den das Miessthal westlich abgrenzenden Hügeln (St. Daniel, Strojna) der
musikalische Accent herrscht. Der Herr Verfasser hätte wegen des exspira-
torischen Accentes die Quantität mehr berücksichtigen sollen, über die er
uns so ziemlich im Unklaren gelassen hat, da uns die Bemerkung, nur betonte
Silben könnten lang sein (S. 2), unmöglich genügen kann. Auch die Fixi-
rung der Laute ist etwas zu allgemein und ungenau, denn die Erklärung: »f
ist ein enger zwischen e und i liegender Laut, i ein enger zwischen i und e
liegender Laut« (S. 3) kann uns auf keine Weise zufriedenstellen. Eine Ein-
heitlichkeit der Lautzeichen zu phonetischen Studien im Slovenischen wäre
dringend erwünscht. Dass wir nur nicht zu lange darauf warten müssten !
Doch verschwinden diese kleinen Mängel dem Ganzen gegenüber ; die
kleine Abhandlung ist sehr lesenswerth und gibt in einer kurzen, abgerun-
deten Darstellung manches Bemerkenswerthe. Möge der Herr Verfasser es
nicht versäumen uns recht bald auch mit der versprochenen Morphologie
seiner heimathlichen Mundart bekannt zu machen und seiner folgenden Ab-
handlung auch einige Sprachproben beizufügen. Ivati Grafenauer.
*) In diese Klage kann auch die Redaction einstimmen, da selbst der Ver-
fasser es nicht der Mühe werth gefunden , sie von der Existenz seiner Ab-
handlung in Kenntniss zu setzen. -A. f. sl. Ph.
140 Krit. Anzeiger, Breyer, bio- u. bibliogr. Beiträge, angez. von Resetar.
M. Breyer, Prilozi k starijoj knjizevnoj i kulturnoj povjesti hrvat-
skoj. Agram 1904, Selbstverlag. 8», 203 S. Preis 3 Kronen.
Herr M. Breyer, Buchhändler in Agram, hat seine in verschiedenen
Journalen zerstreuten Aufsätze biblio- und biographischen Inhaltes zur
älteren serbokroatischen Literatur- und Kulturgeschichte, welche schon ein-
mal von ihm vor einigen Jahren in einem Hefte herausgegeben worden waren
(Nesto gradje staroj hrvarskoj knjizevno-kulturnoj povjesti, Kreutz 1898, 80,
76 S.), nunmehr zum zweiten Male edirt. In dieser zweiten Ausgabe finden
wir mehrere neue durchwegs interessante Beiträge, worunter eine sehr aus-
führliche Lebensbeschreibung (S. 107 — 157) des aus Budva in Dalmatien ge-
bürtigen bekannten Hochstaplers des XVIII. Jahrh. Stephan Zanovic , dann
eine (bisher wenig bekannte) Biographie des Lexikographen Voltiggi (Voltic)
und neue, ungedruckte italienische Gelegenheitsgedichte des Mathematikers
Boskovic. Von den älteren Aufsätzen wurde derjenige über den Buchdrucker
Boninus de Boninis vervollständigt, indem es Herrn B. gelang zu erweisen,
dass dieser (neben Paltasic von Cattaro) älteste südslavische Buchdrucker
nebenbei auch als Emissär der venetian. Regierung thätig war, wofür er als
Belohnung zuletzt das einträgliche Dekanat von Treviso erhielt, wo er noch
im J. 1526 lebte. Dadurch ist auch erwiesen, dass das in einer Kirche auf der
Insel Lagosta (bei Ragusa) , der Heimath des Boninus, aufbewahrte Bild,
welches die Inschrift trägt: ». . . Boninus de Boninis decanus Tarvisinus aere
suo f. f. MDXVI.c, wirklich von ihm gewidmet wurde, wovon bis auf den
heutigen Tag die Tradition auf der kleinen Insel sich erhalten hat. Dagegen
hätte in dieser neuen Auflage der kleine Aufsatz »Nepoznato djelo Tome
Baseljica, Dubrovcanina« ausbleiben sollen, denn das von B. diesem Bischof
von Stagno auf Grund einer alten handschriftlichen Angabe zugeschriebene
Werk »Historia illustrium Romanorum a Jano usque ad captam a Gothis
urbem. Jampridem edita per Fr. Thomam . . . (Romae 1510)« hat nicht diesen
Ragusaner, sondern den Director der vatikanischen Bibliothek Fr. Thomas
Ochsenbrunner zum Verfasser. M. R.
Kleine Mitth eilungen.
Der Ausdruck bicaä's in altkirchenslamschen Denkmälern,
In der vita Methodii ist der Brief des Papstes Hadrian an die Fürsten
Rostislav, Svatoplk und Kocel enthalten. In diesem Brief kommt folgende
Phrase vor : ame k-bto ffi ci.öi.paH'EiHX'B Baait oyinie^iB h gennomiix'B caoyxTH h w
HCTHH-H WBpamaiOmHX'L Ha 6;iÄaH HaqtHGTB ÄBpBHOyB'L HHaKO paSBpamaTH ETI
rasA KEHrra Msiana Bamero , ja öoyAext OTtJioy'ieH'L ne xxkxmo Excoysa
Ht u upKBG ÄOHÄC CA ucnpaBHTB. Die im Druck hervorgehobenen Worte
müssen offenbar so gelesen werden statt der handschriftlichen Ueberlieferung
des Uspenskischen Sbornik saec. XII und anderer Handschriften, wo es heisst :
Hl. TXK1.M0 Btcoysa HB HpKBe. Somit gewinnen wir in der Vita Methodii einen
Beleg für das Wort B-BCmat in der Bedeutung communio, das wir aus den
Kijewer und Wiener Blättern kennen. Es ist wichtig hervorzuheben, dass
der Brief des Papstes Hadrian lateinisch geschrieben war, darnach ist auch
hier Btc&jt Uebersetzung des lateinischen Wortes communio. Denn auch
das Missale der Kijewer Blätter war im Original lateinisch geschrieben. Es
ist mir übrigens fraglich, ob b-lcaäi» unmittelbar aus dem lateinischen Wort
communio geflossen ist,vielleicht ist es wörtliche Uebersetzung des griechischen
Wortes tyxQiai;-. Warum tyxQiais bei der Uebersetzung aus dem Lateinischen
das Wort communio ersetzte, das ist mir nicht klar. Das sollten die Byzan-
tinisten erklären. Wenn aber b-bcaät. eine unmittelbare Uebersetzung aus
dem griechischen tyxqiai; darstellt, dann könnte man daraus folgern: 1. dass
dem Verfasser der Vita Methodii das Schreiben des Papstes Hadrian in
griechischer Uebersetzung vorlag, und 2. dass auch das glagolitische Missale
in gleicher Weise auf die griechische Uebersetzung des lateinischen Originals
zurückzuführen sei.
Auf jeden Fall ist durch das Wort BtcAa-B der Zusammenhang zwischen
der Vita Methodii und dem Texte der Kijewer und Wiener Blätter herge-
stellt, da man bisher aus anderen slavischen Denkmälern das Wort nicht
kennt. ^,
April 1904. A. Sachmatov.
Der verehrte Verfasser dieser werthvollen Notiz geht von der Ablei-
tung des Wortes BtcmÄi. von c&;i;t. und b-b aus. Ich habe immer den Ausdruck
von dem Adverbum Bi.Ciii;ioy (ubivis ubique) abgeleitet: das was überall ist,
ist auch allen gemeinsam. So dachte ich mir die wenn auch nicht ganz rich-
tige Auffassung des lateinischen Ausdrucks communio seitens desjenigen
142 Kleine Mittheilungen.
Slaven, der für KOMtKaxH, KOM-BKaHHie (communicare) einen alavischen Aus-
druck setzen wollte. Dass tyxgiais wörtlich zwar durch BtcAai. wiedergegeben
werden könnte, das ist wohl richtig. Doch ist die Bedeutung lyxgiais, so weit
ich sie aus Wörterbüchern kenne, weit entfernt von dem lateinischen com-
munio, und auch das einmal in der heil. Schrift vorkommende Verbum eyxqi-
fsa&cci wird einfach durch c&ähtu übersetzt (2. Cor. X, 12. Wer an meiner
Ableitung festhält, für den entfallen die Schwierigkeiten, wie die einer
griechischen Vorlage des Schreibens des Papstes Hadrian oder gar des Mis-
sais der Kijewer Blätter. Beides gewiss im höchsten Grade unwahrschein-
lich! Dagegen kann der Zusammenhang der vita Methodii mit den Kijewer
und Wiener Blättern, durch diesen Ausdruck angeknüpft, auf den Verfasser
der vita Methodii bedeutsames Licht werfen und seine für mich schon lange
feststehende, ganz verschiedene von dem Verfasser der vita Cyrilli Indi-
vidualität neu bestätigen. V. J.
Ein Nachtrag zu Bd. XXVI, S. 571.
Professor E. Sievers hatte die Freundlichkeit, die Redaction der Zeit-
schrift darauf aufmerksam zu machen, dass er bereits in der Leipziger Philo-
logenversammlung, die im Jahre 1872 stattfand, für die slavische Imperativ-
form pmu (rBci) auf die Erklärung kam, die jetzt Prof. M. Resetar, ohne eine
Ahnung davon gehabt zu haben, von neuem vorgetragen hat. Es ist aller-
dings auffallend, dass von der Erklärung Siever's keine Notiz in die Werke,
die sich mit der kirchenslav. Grammatik abgaben, gekommen ist. Weder bei
Miklosich, noch bei Leskien, oder in irgend einem russ. Werke geschah
dieser Erklärung Erwähnung. Wir citiren die betreffende Stelle aus den Be-
richten über die Verhandlungen der Versammlung, Leipzig 1872, S. 192, nach
der uns freundlich zugekommenen Anführung von Prof. Sievers selbst. »Auch
für die besondere Neigung der palatalisirten Gutturale, die ihnen vorauf-
gehenden Vocale heller zu färben, kann ich aus den slavischen Sprachen eine
Analogie beibringen. Im Altbulgarischen behalten nämlich alle eiufachen
Präsensstämme mit dem Wurzelvocal e diesen in dem auf i ausgehenden Im-
perativ unverändert bei (z. B. von nesa nesi, von veda vedi u. s. w.}, mit Aus-
nahme der auf einen Guttural ausgehenden Wurzeln, welche das e der Wurzel
vor dem durch die Endung i palatalisirten Guttural zu t schwächen: j-eka nci,
peJca pici, teka tici; ähnlich bildet zega die 2. sg. präs. zizesl, den Aorist
zize u. s. w. (s. Schmidt, Zur Gesch. des indog. Vocalismus, S. 25).«
Ljudevit Stur's slovakische Monatshezeichnung .
Mit dem Monate August des Jahres 1845 begann Ljudevit Stur die Zeit-
schrift »Orol Tatränski«ij in Pressburg herauszugeben und zwar slo-
vakisch.
1) Als Unterhaltungsbeilage zu seinen »Slovenske Noviny«, die ich
jedoch nicht zur Hand bekam.
Kleine Mittheilungen. 143
Beim Durchblättern derselben fand ich nun eine Monatsbezeichnung,
die Miklosic in seiner Abhandlung über die Monatsnamen (DenkschriftenXVII)
nicht berücksichtigt hat.
Die Monate heissen da: vel. secen (Jänner), maly secen (Februar), brezen
(März), duben (April), kveten (Mai, , lipen (Juni), cervenec (Juli), klasen (Au-
gust), maly rujau (September;, vel. rujan (Oktober), listopad (November),
prosinec (December).
Unter diesen Namen fällt vor allem die Bezeichnung des Jänners und
Februars auf. Secen heisst der Jänner oder Februar im Südslavischen, im
Böhmischen kommt dieser Name dem Monate Juli zu, »sie. et mor. Alit. =
Augustus« (Juugmann und nach ihm Miklosic). Stur's Benennung dieser Mo-
nate weicht also von der gewöhnlichen cecho-slavischen ab und nähert sich
der südslavischen.
Aus dem nämlichen Grunde fällt der Name des Juni lipen auf, der dem
südslavischen lipanj entspricht. Unter lipa führt Miklosic überhaupt nichts
Cecho-slavisches an, Jungmann aber sagt unter lipen: »siez. = cervenec«
(also Juli).
Aehnlich verhält es sich mit der Bezeichnung der Monate September
und October. Für das cechische zari und rijen (»ehedem September, jetzt
October«, Miklosic; haben wir da maly und vel. rujan. Bei §tur sind also die
alte und neue cechische Bedeutung des Wortes rujan [rijen] gewissermassen
verknüpft und kommt der Name beiden Monaten zu mit der Unterscheidung
durch maly und veliky. Gleichzeitig muss erwähnt werden, dass diese ehe-
malige cechische und in einem ätur'sche Benennung des Monates September
auch südslavisch ist : serbokroatisch rujan = September.
Auch klasen = August soll hervorgehoben werden. Jungmann hat das
Wort überhaupt nicht. Miklosic führt klasen als Aehrenmonat (lunius) aus
Ev. Tirn., Jambr., Saf. Gesch. der südsl. Lit. II. 322, 367 an, also südslavisch;
jetzt kann man noch eine südslavische Belegstelle anführen: der älteste bis-
her bekannte kroatische Kalender aus dem Jahre 16531) nennt den Monat
Juni klaszan.
Die nämliche Monatsbezeichnung wie bei Stur findet sich auch im Ka-
lender »Domovä Pokladnica«, den Daniel Lichard seit dem Jahre 1847 her-
ausgegeben hat; nur hat dieser für den Monat Mai die Benennung traveti, die
ebenfalls mit dem Südslavischen übereinstimmt und die auch Miklosic kennt
(»träven cech. Malus, bei den Mährern und Slovaken lunius«).
* *
Anfangs dachte ich, dass diese zum Südslavischen neigende Monats-
bezeichnung bei den Männern der slavischen Renaissance unter den Slovaken
ein Kunstproduct sei und etwa den Sympathien entspringe, welche man
dort zu den Slaven der südlichen Länder der Stephanskrone hegte.
Namentlich fiel es mir auf, dass der maly secen dem veliky folgt und
^] Besprochen in der Agramer »Prosvjeta« 1904, H. 1, pag. 30 — 31, von
E.Laszowski; auchBelostenec kennt diesen Namen des Monates; desgleichen
Körnig, Kroat. Sprachlehre, 1795; vgl. auch Danica 1837, p. 6!
144 Kleine Mittheilungen.
nicht umgekehrt; ich dachte da an (slovenisch) inali traven = April, veliki
traven = Mai , malt srpan = Juli , veliki srpan = August , an (altböhmisch)
maly cerven, cerven mensi = Juni , cerven veliky = Juli V . Allein dieser Ge-
danke trat bald in den Hintergrund, da sich auch Fälle von der entgegen-
gesetzten Reihenfolge zeigen: es kommen da nicht so sehr der südsl. veliko-
inesnjak (August) und 7na/omesw;aÄ (September) in Betracht, die dem Gross-
und Kleinfrauentag entsprechen, als vielmehr: die heutigen böhmischen
Monatsnamen cerven = Juni, cervetiec = Juli, klr. majik = September (also
nach dem Mai), it. giugnetto = Juli (kleiner Juni); namentlich fällt aber da-
bei ins Gewicht der bulgarische golem secko = Jänner, malki secko = Februar,
desgleichen der nlaus. vuiki rözk = Jänner, dem der ?na/j/ rözk folgt, vgl.
grosser und kleiner Horning (Erben im CCM, 1849, 162), vgl. auch klr. Ij'utyj
und paJjutyj.
Zu beachten ist dabei, dass sich in der Monatsbenennung ^tur's neben
der Aufeinanderfolge veliky — maly secen die umgekehrte ??2a/j/ — veliky ruj'an
befindet. Leicht begreiflich finden diesen Wechsel diejenigen, die beim Worte
seceti an das Schneidende der Kälte denken , beim rujan aber ganz unglaub-
würdig an das südsl. rujno (vince) — wie Erben, der zari wirklich als maly
rujan erklärt (CCM. 1849, 152)2).
An eine künstliche Erfindung der Benennungen veliky — maly secen
durch Stur kann nicht gedacht werden. Das bezeugen positive Zeugnisse.
In der Zeitschrift »Slovenske Pohl'ady« 1891, pag. 507 wird berichtet,
es sei in den vierziger Jahren (des XIX. Jahrhunderts) in dem Trenciner
Komitate gehört worden, wie jemand einfache Leute verlachte, weil sie
sprachen: vel'ky secen, maly secen; d. h., wer da spricht: vel'ky secen, maly
secen, spricht »ungebildet«, »januär«, »februär« ist »gebildet« (vzdelane).
In der Sammlung «Slovenskä pHslovi, porekadla a üslovi« von
A. P. Zäturecky (Praha 1896) findet sich das Sprichwort: Maly secen protivi
sa vel'kömu (= im Februar ist die Kälte ärger als im Jänner). Herr Jos. §kul-
tety, der Redacteur der Zeitschrift «Slovenske Pohl'ady«, dessen Liebens-
würdigkeit ich diese letzten Daten verdanke, berichtete mir, Leute hätten
ihm erzählt, dass sie das Sprichwort gehört haben: Maly secen posmieva sa
vel'kemu. Nach dem nämlichen Berichte sei in Dechtice (Pressburger Ge-
spanschaft) das Sprichwort: Keby maly secen mal take prävo, ako hruby
secen, zamrazil by v krave tel'a.
Hiermit ist es wohl erwiesen, dass dem Namen secen für Jänner-Februar
slovakische Autochthonität zukomme. Hat ja auch Lo o s in seinem »S4ownik
1) Auch gibt die Erklärung der veljaca von velij dem Februar das Epi-
theton veliky, und nicht dem Jänner; vgl. übrigens Relkovi(5(Kucnik, uOseku
1796): »Dobri Ijudi razlozno provode poklade: po starinski mad sobom
velj'aj'u, sto od davna il od skora znaju; obtud, mislim, da veljaca posta«.
2) Als maly gilt übrigens der September im Verhältniss zum October
gewissermassen auch bei der Erklärung der Namen züri und rijen von rjuti;
denn »nach Brehm fängt die Brunstzeit des Hirsches mit Eintritt des Monates
Septembers an und dauert bis Mitte October« (bei Miklosic) ; vgl. zarev^ An-
fang des BrüUens.
Kleine Mittheilungen. 1 45
madarskej, nemeckej a slowenskej reci« (Pest 1869 — 1871) im deutschen
Theile für Jänner: Januar, ladon, secen; im slovakisch-majryarisch-deutschcn
sowie im magyarisch-deutsch-slovakischen Bande ist sece7i nicht angeführt,
was wohl von der geringen Uebliclikeit dieser Bezeichnung zeugen dürfte.
Für Februar hat Loos neben dem lat. Namen bloss tinor.
Im nämlichen Lexicon ist im slovakisch-magyarisch-deutschen Theile
lipe?l als Juli angeführt, was Jungmann als schlesisch bezeichnet.
Im slovakischen Volksmunde bleibt mir vorläufig der Monatsname
klaseii unbelegt.
Dagegen finde ich bei Loos im deutschen Theile für Juni neben cerven
auch zuzen ; vgl. damit das zweifellos als Monatsname anzusehende zviren, das
im CCM. 1848, II. 329 genannt ist; V. Dusan Lambl veröffentlicht da einen
»Slovnicek slovensky«, den er aus den Schriften Kollärs, Sturs, Hurbans und
anderer Slovaken, namentlich aber aus eigenen Aufzeichnungen während
einer Reise durch die Slovakei im J. 1846 angelegt hat; Lambl spricht da
von der Tatra und sagt; »Tatry liptovskö jsou nad miru pamätne v prirod-
nim ohledu: onyt' obsahuji nejkräsnejsi rozmanitost iitvarü geologickych v
nejblizsim sousedstvi vedle sebe ... A tak se i Kvetena i Zvifena
objevuje: ve slujich pod Poludnici zkameneliny pfedpotopni, na Choci nej-
bujnejsi, nejvzäcnejsi rostlinstvoi). . . .«
In den slovakischen Kalendern des XVII. und XVIII. Jahrh. finden sich,
wie mir Herr Skultety berichtet, nur lateinische Monatsnamen. Das gewöhn-
liche Volk gebrauchte aber gewiss seine slavischen Bezeichnungen, und hier
setzten die Wiedererwecker des slavischen Volksthums unter den Slovaken
in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhundertes ein. . . . Allein nach dem Jahre
1848 blieb man bei den lateinischen Monatsnamen.
Durch die Erweisung der slovakischen Volksthümlich-
keit der besprochenen Monatsnamen wäre ein neuer Zusam-
menhang der nordslavischen Dial ectengruppe mit dem Süd-
slavischen dargethan (vgl. Archiv XXL 212, XXIL 494).
Allein hiermit gewinnt nicht etwa die kühne Klassifikation Dr. Czam-
bel's, der in seinem Buche »Sloväci a ich rec« (Budapest, 1903) die Slovaken
einfach zu den Südslaven wirft.
Hiermit ist nur neuerdings die Thatsache bestätigt, dass die Slovaken
einstei^ß (vor dem Einbrüche der Magyaren) in einem ununterbrochenen Con-
tinuum mit den Slaven Pannoniens und des südlichen Ungarns wohnten und
die dialectische Verbindung zwischen den heutigen Südslaven einerseits und
den Cechen und Polen andererseits herstellten.
Ljublj ana. Dr. Fran Hesic.
1) Der nämliche Lambl führt aus Dalmatien (oder dem kroat. Küsten-
lande) gospin tnesec = August an (CCM. 1851, 22); vgl. bei Miklosic gospojnik,
gospodinstak.
Archiy für slavisclie Philologie. XXYII. 10
146 Kleine Mittheilungen.
Nochmals Klagenftirt-Celövec^).
In der Streitfrage, die sich über die Erklärung der beiden Benennungen
der Hauptstadt Kärntens (deutsch: Klagenfurt, slovenisch: Celövec) ent-
sponnen hat, dürfte es nicht unpassend erscheinen, dass auch ein Angehöriger
des Kronlandes selbst das Wort ergreift und seine Meinung an dieser Stelle
zum Ausdruck bringt. Ich sage mit Betonung »an dieser Stelle«, weil es an-
derwärts bereits geschehen ist, aber wegen — sagen wir zu geringer Ver-
breitung der betreffenden Zeitschrift keine Beachtung gefunden hat. Zuerst
hat Dr. Richard Müller in der in Klagenfurt erscheinenden »Carinthia I.,
Mittheilungen des Geschichtsvereines für Kärnten, redigiert von Simon La-
schitzer, 83. Jahrg., 1893«, S. 179u.ff., über den Namen Klagenfurt gesprochen,
jedoch so, dass ihm nicht beizustimmen ist. Durch Müller's Aufsatz angeregt,
veröffentlichte ich in ebenderselben Zeitschrift (gegenwärtig redigiert von
A. R. V. Jaksch) vom Jahre 1901 auf S. 21 einen toponomastischen Beitrag
zur Erklärung von Klagenfurt und Celövec, worin ich beide Namen in Be-
ziehung zu einander zu bringen versuchte. Er soll weiter unten ausführlicher
reproduciert werden. Vorerst sollen die bisherigen Versuche, diese Ortsnamen
zu erklären, auf ihre Haltbarkeit geprüft werden.
Zuerst Müller's Aufstellung als des der Zeit nach ersten wissenschaft-
lichen Erklärers. Dr. R. Müller's grosses Verdienst ist es, die Gleichung
Klagenfurt = Glaufurt , die von Megiser aufgestellt bis in die neueste Zeit
gegolten hat, endgiltig aus der Welt geschafft zu haben. Wir wollen seine
diesbezüglichen Ausführungen in Kürze wiedergeben. Ein direktes urkund-
liches Zeugnis für die Umgestaltung Klagenfurts aus Glanfurt (Furt an der
Glan) gibt es nicht; zu belegen ist nur die Glanfurt, ein im Süden der Stadt
befindlicher Abfluss des Wörther Sees allein, der im früheren Mittelalter auch
als Lanquart in den Urkunden auftritt. Die Stadt tritt am Ende des XII. Jahr-
hunderts unter ihrem heutigen Namen auf (mittelhochdeutsch Klagenvurt .
Sehr viel älter wird sie auch gar nicht sein. Nach dem »liber certavum his-
toriarum« des Abtes Johann von Viktringl. I. c. 5. zum Jahre 1256 wäre Her-
zog Bernhard (1202 — 1256) der Gründer; und wie man zu seinerzeit ihren
Namen verstand, ergibt sich aus der von ihm angefügten lateinischen Über-
setzung: Querimoniaevadum. Ganz genau ist diese Angabe über die Gründung
der Stadt freilich nicht zu nehmen, sie kommt schon in der Epoche vor der
Alleinherrschaft Bernhards vor. In einer St. Pauler Urkunde, deren Datierung
in die Zeit von 1181—1199 zu setzen ist, kommt forum Chlagenuurt vor (Ur-
kundb. von St. Paul, S. 102, Nr. 30 = Fontes rer. austriac. II. 39). Eine andere
Form des Stadtnamens ist nicht zu erbringen. Glanvurt für die Stadt ist un-
erhört. Nun, meint Müller weiter, wäre immer noch die behauptete Differen-
zierung (Klagen — aus Glan) aus Gründen der Zweckmässigkeit denkbar,
d. h. es konnte sich im Munde der Ein- und Umwohner, als die Stadt aufzu-
blühen begann und häufiger genannt ward, gleichsam von selbst diese Schei-
dung beider Örtlichkeiten (Stadt Glanfurt und Wörtherseeabfluss Glanfurt)
1) Vergl. Archiv XXVI, S. 63.5—640.
Kleine Mittheilungen. 147
vollziehen. Die hier in Betracht kommenden lautlichen Vorgänge k für g,
gn aus n lassen sich im Allgemeinen nachweisen. Doch ist urkundlich diese
angebliche Grundform nicht zu finden und von allem Anfange setzt bereits die
angebliche Umdeutung Klagenfurt ein. Weiters ist zu bedenken, dass (und
dies ist nach meiner Meinung entscheidend) in der Umgebung Klagenfurts
nicht nur der keltische Flussname Glana (die reine, lautere?) unangetastet
bleibt, sondern auch die mit ihm gebildeten Ortsnamen Glandorf, Glanegg,
Glanhofen. Alle drei sind aus alter Zeit überliefert: 979: Glanadorf (v. Jaksch,
Mon. bist, ducatus Carinthiae III., Nr. 149, S. 62), 1142: Glandorf (ebenders.
III., Nr. 749, S. 293), 1233: Glandorf (Ankershofen, Reg.), 1136: Walther von
Glanekke (Ank. Reg.), 1190 : Hartmrdo de Glanecke (v. Jak. 1. c. III., Nr. 1370,
S. 515), 1070 — c. 1080: Glanahouen (id. III., Nr. 384, S. 152), 1216: Glanhouen
(id. I., Nr. 459, S. 351;. Aus keinem von diesen hat sich ein Klagendorf,
Klagenegg, Klagenhofen entwickelt, warum also gerade bei Klagenfurt?
Es ist nicht zu erklären, wie ein Lautvorgang in einem Falle eingetreten
sein soll, in 3 anderen aber nicht und dies in einem Umkreis von wenigen
Stunden.
Nachdem nun Müller sich so freie Bahn gemacht, trägt er seine Meinung
vor. Er sagt, Klagenfurt ist als echte und ursprüngliche Form anzusehen und.
aus sich selbst zu erklären. Er verweist auf Ortsnamen, die auf ähnliche Weise
mit Abstrakten gebildet sind, so Riuwental, die Heimat Neidharts von Reuen-
tal (= Thal der Betrübnisse oder Thränen), ferner die allegorischen Namen
Siuftenhein (= Seufzerheim^, Sorgenrain (Rain der Sorgen), Siuftenecke
(Seufzereck); dann die wirklichen Ortsnamen Freudenthal in Schlesien, Freu-
denstadt in Württemberg, Seligenstat, Paradies u. s. w. Wenn also, schliesst
Müller, ein Thal der Reue möglich ist, warum nicht auch eine Furt der
Klagen?
Diesen Ausführungen MüUer's ist entgegenzuhalten, dass die Zahl der
mit Abstrakten durchgeführten Ortsnamenbildungen eine sehr beschränkte
ist, die noch dadurch eine Verminderung erfährt, dass der eine oder andere
dieser Ortsnamen eine andere Erklärung zulassen dürfte. So führen sicherlich
die in Kärnten sesshaften Ritter von Paradies i; nicht deshalb diesen Namen,
weil ihr kärntisches Stammschloss Pregrad in einer paradiesischen Gegend ge-
legen war, sondern weil sie die silberschillernde Schlange des Paradieses,
drei Ringe schlagend, mit Ohren und langem Spitzrachen im Schilde führten
(vgl. A. Weiss: Der Adel Kärntens bis zum Jahre 1300, Wien 1869, W. Brau-
müller, S. 109], ähnlich wie die Ritter von Hollenburg. Die mit Freuden- zu-
sammengesetzten Ortsnammen sind Bildungen mit dem althochd. Personen-
namen Fridun, wie Fürsteman II. 531 lehrt: Freudenbach aus Fridunbach,
folglich auch Freudenberg, Freudenthal aus Fridunberg, Fridunthal. Abgesehen
davon ist zu bemerken, dass wir, wie Dr. Müller selbst zugibt, den Sinn einer
solchen Ortsuamenbildung nicht einsehen, sondern nur raten können. Und so
stehen wir vor einem neuen Rätsel, die eine zu erklärende Unbekannte wird
durch eine zweite ersetzt und unsere Erwartung ist nicht befriedigt. Mit
') Nach ihnen ist in Klagenfurt die Paradeisergasse benannt.
10*
148 Kleine Mittheilungen.
der Erklärung der slovenischen Bezeichnung Celövec beschäftigt sich Müller
nicht.
Zu dem, was Pintar gegen Baudouins Ableitung des slovenischen Celövec
von cviliti einwendet, möchte ich bemerken, dass die etymologische Ver-
wandtschaft beider Wörter nicht desshalb zurückzuweisen ist , weil ein aus
diesem Zeitwort gebildetes Substantiv nach slovenischem Sprachbewusstsein
und Sprachgefühl nur einePerson, nämlich einen Winseier bezeichnen kann.
Warum sollte denn nicht der Name einer Person zur Bezeichnung eines Ortes
dienen? Es ist doch nicht nöthig, hier auf die Bildung der Ortsnamen aus
Personennamen hinzuweisen. Im Gegentheil, wenn die Bedeutung passt, haben
wir sofort zuzugreifen. Doch hierin liegt das Hindernis, das mich abhält, der
geradezu bestechenden Aufstellung Baudouins zuzustimmen. Cviliti ist ein
onomatopoetisches Verbum, das eine gewisse Art von lautem Geschrei nach-
ahmt. Der Slovene sagt, pes cvili, svinja cviii (wenn es abgestochen wird),
otrok cvili (wenn das Kind ein den genannten Thieren ähnliches Geschrei er-
hebt). Im Deutschen entspricht noch am besten die Bedeutung winseln, wie
auch Pintar das Wort übersetzt. Vergleichen wir damit das deutsche Klagen,
so können wir nicht behaupten, dass beide Zeitwörter sich hinsichtlich der
Bedeutung vollkommen decken. Denn während cviliti den sinnlich wahr-
nehmbaren Laut, die Art des Geschreies bezeichnet, bezieht sich klagen auf
den Inhalt, klagen ist kein winseln. Es hat auch, wie wir gesehen haben, Abt
Johann von Viktrlng die erste Hälfte des Wortes Klagenfurt mit querimonia
übersetzt, was doch nicht mit Gewinsel oder cviljenje wiederzugeben wäre.
Wie ich später zu zeigen versuchen werde, hat der gelehrte Abt nicht weit
von der Wahrheit fehlgegriffen. Ferner ist zu fragen, ob denn der Begriff
cviliti ein zur Bildung eines Personennamens passender ist, ich möchte dies
verneinen. Endlich muss noch betont werden, dass es sehr misslich ist, auf
irgend eine einzelne, beschränkte Dialektform der Gegenwart (Cvilövec) eine
solche Annahme zu gründen. Denn es drängen sich bei einem solchen Vor-
gange sofort Fragen auf wie: wie alt ist diese Dialectform? warum hat sie sich
in Tolmein und nicht irgendwo anders, z. B. in Kärnten selbst, entwickelt?
ist es nicht möglich, dieselbe auf andere Weise zu erklären z. B. durch das e
der Stammsilbe in Celövec? oder ist sie nicht eine dialectisch corrumpirte
Form? Ich halte sie für eine gelungene Volksetymologie, wie Blekövec für
Velikovec. Die schriftliche Fixirung des W^ortes Celövec reicht allerdings
nicht weit zurück. Gutsmanns »Evangelie in Branje ali Pisme u. s. w.« sind ge-
druckt 1T80 »v'Zelouzi« und sein Wörterbuch aus dem Jahre 1789 enthält die
Form »zelovez und zelouzhan (= ein Klagenfurter)«. Doch dürfen wir von
dieser in ganz Kärnten einzig und allein bekannten Schriftform zu Gunsten
eines auf einen ganz kleinen Umfang sich beschränkenden Dialektwortes
nicht abgehen, so lange wir mit ihr unser Auskommen finden können. Dass
dies möglich ist, soll später gezeigt werden. Es sei also hier zusammenge-
fasst: Celövec kann nicht von cviliti abgeleitet werden, weil sich die Bedeu-
tungen der beiden Zeitwörter klagen und cviliti nicht decken, weil die bei
weitem überwiegende Mehrheit der Slovenen, in Kärnten ausnahmslos, nur
die Form Celövec kennt, weil die Dialektform Cvilövec nicht unbedingt auf
Kleine Mittheilungen. 149
cviliti zurückzuführen ist, sondern sich aus dem e der Stammsilbe entwickelt
haben kann, endlich weil es im vorhinein nicht zulässig ist, die Erklärung alt-
bezeugter Ortsnamen auf moderne Dialectformen zu stützen.
Ich komme zu den Ausführungen Pintars. Es ist seit Müllers Beweis-
führung jetzt selbstverständlich, dass die Latinisirungen Claudiforum oder
Claudiforium, Claudenfurtum, vadum querimoniae nicht in ernste Erwägung
gezogen werden können. Sie gehören in die Gruppe der sogenannten ge-
lehrten Erklärungen der Klöster, deren es gerade in Kärnten eine ziemliche
Anzahl gibt, z. B. Gentiforum = Völkermarkt, St. Maria de victoria =
Viktring, ad mille statuas = Mills tatt, St. Maria in solio = Maria-Saal, villa
ad aquas = Villach, vallis rosarum = Rosenthal u. s. w. Zu diesen Etymologien
wurden die Motivirungen erfunden in Gestalt von Sagen oder sonstigen cha-
racteristischen Zügen, so in Viktring die Sage von einem siegreichen Zwei-
kampfe, in Millstatt von der Umstürzung von 1000 heidnischen Götterstatuen,
in Maria-Saal von dem Bilde der Muttergottes »in solio« = auf dem Throne
usw. Ebenso ist. wie bereits bemerkt, die Gleichung Klagenfurt = Glanfnrt,
die auch Pintar verwirft, von Müller abgethan. Wenn Pintar gegen Baudouin
ausführt, dass bei den Orten mit Furt gewöhnlich nicht der Name des be-
treifenden Wassers im Furtcompositum enthalten ist, dass wir also kein Gera-
furt, Leitafurt, Mainfurt, Oderfurt haben, sondern nur Ebenfurt, Erfurt, Frank-
furt u. s. w., so ist dies nicht richtig, wie wir später an den Furtorten genauer
nachweisen werden.
Was nun Pintars eigene Erklärungen anlangt, so erblickt er in der ersten
Hälfte des deutschen Namens das Collectiv «Gelache«, das sich aber in der
Schriftsprache meines Wissens nicht belegen lässt. Daraus hätte sich auf
dem Wege dialectischcr Differenzirung Klage — entwickelt. Ich habe schon
oben das principielle Bedenken geäussert, wie misslich es ist, auf moderne
Dialectwörter, deren Vorkommen häufig nur auf einzelne Ortschaften sich er-
streckt, Erklärungen von Ortsnamen zu bauen, besonders dann, wenn die
ihnen beigelegte Bedeutung mit der wirklichen nicht übereinstimmt. Dies ist
in unserer Sache der Fall. Es kommt allerdings in Klagenfurt in den unteren
Volksschichten ein aus Gelache stammendes Wort vor; dieses lautet aber
nicht Klage, sondern Gläck (aus Geläcke) und bedeutet nicht lagunenartiges,
mooriges Terrain, das in Kärnten Moos heisst, sondern schlechtes, verdor-
benes, zusammengeschwemmtes Getränke, was auch mit Ksüf = Gesöffe und
Kschwemm (Geschwemm) und G'schlader bezeichnet wird; der gemeine Mann
sagt »dös Bier is a Gläck« und will damit sagen, das Bier ist schlecht, abge-
standen oder aus mehreren Resten (Noaglan) zusammengeschüttet. Dass ein
solches der Kneipe eigentümliches Dialektwort der Gegenwart die Grundlage
für einen bereits Ende des 12. Jahrhunderts ohne Schwankung präcis festge-
legten Ortsnamen abgeben soll, ist nicht bloss unwahrscheinlich, sondern
geradezu unmöglich. Dazu gesellen sich nicht geringe sprachliche Schwierig-
keiten. Der Uebergang der gutturalen Media im Anlaute in die Tennis muss
viel besser belegt werden als durch Beispiele, die sämmtlich wieder Dialect-
wörter sind und nicht die Probe aushalten; denn für Geländer hört man in
Kärnten (auch in Klagenfurt selbst) Glander sprechen statt Klander und
150 Kleine Mittheilungen.
ebenso Gleger für Kleger. Da ferner das schriftdeutsche Wort Lache im
Dialecte, wie Pintar selbst bemerkt, Läggen (nicht Lägge) lautet, was man
eben so gut Lacken schreiben kann, so sollte nach dem dialectischen Laut-
processe aus Gelachenfurt wohl ein Gläckenfurt, niemals aber ein Klägenfurt
hervorgehen. Denselben, wenn nicht grösseren Schwierigkeiten begegnet
Pintars Ableitung der zweiten Worthälfte — fürt. Trotz aller Klarheit und
Durchsichtigkeit des Wortes verwirft er die Bedeutung Furt = üebergangs-
stelle, und dessen Ableitung von fahren. Er behauptet, fürt sei in diesem
Falle identisch mit Werd, Werder, Wörth, Wurd und bezeichne »einen mitten
im Fluss, See, Sumpf gelegenen etwas erhöhten Platz mit reicher üppiger
Vegetation, eine Au mit Kiedgras u. s. w.« Im Jahre 891 heisst Maria-Wörth
(slov. Otok): in loco, qui Uueride vocatur (Zahn, cod. dipl. I. 24); a. 1168:
Werthse (Meill. 114) und 1285: praepositura in Wertse (Über decimationis
S. 16). Ich habe diese Stellen ausgeschrieben, um zu zeigen, was aus dem
alten Weride werden kann: Werth und heutzutage Wörth, wobei der Umlaut
durch den Ausfall des nachfolgenden i vollkommen gerechtfertigt ist. Wollten
wir Pintar folgen, so müssten wir annehmen, dass aus Weride auf einem so
kleinen Territorium sich zwei verschiedene Wörter Furt und Wörth ent-
wickelt haben und das eine sei bei der Bildung des Ortsnamens Klagenfurt,
das zweite bei der von Maria-Wörth thätig gewesen. Auch die Einmüthigkeit
der Ueberlieferung, die schon Müller nachdrücklich hervorgehoben hat, fällt
schwer gegen Pintar ins Gewicht. Vor mir liegen 21 urkundliche Schreibungen
aus der Zeit von rund 1200 — 12t)0. Davon haben 12 die Form -fürt, 1 -furtt,
2 -uurt, 2 -fort, 1 -vurt, 2 -vort und 1 -wart. Und gerade die letzte nur einmal
erscheinende Schreibung verwendet Pintar, um der sprachlich so gewagten
Annahme fürt = Weride auch einen urkundlich beglaubigten Halt zu ver-
leihen. Dies ist um so weniger zulässig, als der im Jahre 1245 erwähnte
Liepardus de Clagenwart in einer im J. 1246, also nur um 1 Jahr später ver-
fassten Urkunde ganz correct Liphardus de Ciagen fürt genannt wird.
Ist somit die Ableitung des deutschen Ortsnamens nicht stichhaltig, so
fällt mit ihr zugleich die Uebereinstimmung mit der ebenfalls von Pintar ge-
gebenen Erklärung des slovenischen Celövec. Für dies nimmt er nämlich als
Etymon das Appellativ stvoli» = Pflanzenröhre, Kohrstengel an, leitet davon
ein nicht nachweisbares stvölovtc ab, woraus durch gewisse dialectische Ab-
schweifungen das heutige Celövec hervorgegangen sei. Um diese Form aus
jener zu erhalten, hat man mit Pintar zuerst den Uebergang des anlautenden
st in c (Cvölovec), denn die Verrückung des Accentes auf die folgende Silbe
(Cvolövec), weiters den Ausfall des v (Colövecj und endlich die Abschwächung
des stammhaften o (C'lövec) anzunehmen, ein Process wie er complicirter
nicht gedacht werden kann. Und das alles ohne irgend eine historische Be-
glaubigung durch Urkunden oder andere schriftliche Zeugnisse. Ortsnamen
aber wie Zoll, Zollfeld u. ä. dürfen schon gar nicht damit in Verbindung ge-
bracht werden. Diese nämlich gehen auf einen deutschen Personennamen zu-
rück. Maria-Saal heisst a. c. 1050: in loco, qui dicitur Zol (Ank. Reg). Zol
ist bajuvarisches Eigenthum. Es bedeutet nach Schmeller (Bayr. Wörtb.
S. 115) 1. einen cylindrischen Klumpen, 2. einen Klotz, Baumklotz, 3, einen
I
Kleine Mittheilungen. 151
Klotz von einem Menschen, d. h. einen Lümmel, welche Bedeutungen auch
in den deutschen Theilen Kärntens allgemein gang und gebe sind. Zollfeld
ist eine sogenannte Zusammenrückung zweier Begriffe ohne gegenseitige Ab-
hängigkeit. Wir finden; auch bei Förstemann S. 1371 die Personennamen
Zol, ZoUi und ZoUo. Doch dies nebenbei. Nach all dem Vorgebrachten kann
man auch den Aufstellungen Piutars nicht beistimmen.
Ich habe im Eres II. (1892) S. 640 der Vermuthung Raum gegeben, dass
Celüvec mit selo in Verbindung zu bringen sei und man ein ursprüngliches
Selovec anzunehmen habe. Schon damals äusserte Jagid seinen Zweifel an
dieser Erklärung. Mir schwebte eben der Name eines Berges an der kärntisch-
steirischen Grenze vor, der Selovec lautet. Durch ein Schreiben D. Trsten-
jaks jedoch belehrt, dass der Bergname Zelovec und nicht Selovec lautet,
dem der Stamm zel = grün zu Grunde liege (daher auch in den Karawanken
die Zelenical, kam ich von dieser Aufstellung ab und schloss mich an die
Ausführungen Trstenjaks an. In der Carinthia I. Jahrg. 1901 S. 21 veröffent-
lichte ich eine neue Erklärung sowohl des deutschen Klagenfurt als auch des
slovenischen Celövec. Da diese Erklärungen bisher, wie ich sehe, den Weg
in die breitere Oeffentlichkeit nicht gefunden haben, was wohl aus dem Still-
schweigen Baudouins und Pintars zu schjiessen ist, so mögen sie mit gütiger
Erlaubniss der Redaction mutatis mutandis nochmals gegeben werden.
Das Appellativ Furt bezeichnet eine üebergangsstelle über einen Fluss,
Bach, eine Brücke über ein Gewässer und dient sehr häufig zur Namengebung für
Oertlichkeiten. Daher die vielen Furt und Fürth. Noch viel häufiger erscheint
Furt in solchen Ortsnamen, welche Zusammensetzungen darstellen. Förste-
mann allein hat in seinem altdeutschen Namenbuche (I. Aufl. S. 539) nicht
weniger denn 73 Ortsnamen, in denen Furt als zweites Glied der Zusammen-
setzung erscheint. Eine Musteriang von Ritters geographischem Lexikon
(12. Aufl.) ergab eine noch grössere Zahl. Betrachtet man die zusammen-
gesetzten Bildungen genauer, so kommt man bald zur Einsicht, dass sie in
drei Gruppen zu gliedern sind.
1. Nehmen wir Namen wie lUfurt, Pachfurt, Querfurt, Wipperfurt, Burg-
steinfurt, Wegfurt. Was bedeuten diese? lUfurt im Elsass ist die Furt an
der 111, Pachfurt = die Furt am Bach, Querfurt (urk. Quirnifurt) = Furt an
der Quirn in Sachsen falthochd. quirn = die Mühle, also Quernbach = Mühl-
bach und Querfurt = Furt am Miihlbach), Wipperfurt = Furt an der Wupper,
also Furt an irgend einem Wasser. Daher ist Pintars Behauptung, dass bei
den Furtorten gewöhnlich nicht der Name des betreffenden Wassers im Furt-
compositum enthalten ist, unhaltbar und der Zufall hat ihm einen bösen
Streich gespielt. Denn ich erinnere mich im J. 1903 in den öffentlichen Blät-
tern gelesen zu haben, dass die deutsche Gemeindevertretung von Piivoz in
Mähren um die Aenderung des cechischen Namens in Oderfurt bei den Be-
hörden eingekommen sei und die Bewilligung dazu erhalten habe; was können
die Gemeindeväter von PHvoz mit Oderfurt anderes gemeint haben, als Furt an
der Oder? Wegfurt ist die Furt am Wegp, Burgsteinfurt ist die Furt beim Orte
Burgstein. Es gehören somit in diese Gruppe alle jene Zusammensetzungen,
die eine Furt an einem Wasser, bei einem Orte, Wege u. s. w. bezeichnen.
152 Kleine Mittheilungen.
2. Eine zweite Gruppe erhalten wir durch Ortsnamen, wie Breitenfnrt
(bei Ritter 4 mal), Breitfurt, Ebenfurt, Hohenfurt, Niederfurt, Oberfurt, Sand-
furt (Sandforde, Sandfort), Steinfurt (6 mal), Steinforde, Steinfort (4 mal),
Schmalförden, Schneüfurt, Tiefenfurt (= an der tiefen Furt), Tiefurt (= Tief-
furt), Trockenerfurt u. s. w. Diese Namen sind durchsichtig und erklären sich
selbst. Das Grundwort ist bei ihnen durch ein Adjectiv oder substantivisches
Bestimmungswort differencirt: die breite, ebene, hohe, niedere, sandige,
schmale, schnelle, steinerne, tiefe, trockene Furt.
3. Betrachten wir nun Ortsnamen wie Dietfurt, Erfurt, Frankfurt, Tau-
benfurt, so müssen wir sofort erkennen, dass der erste Teil der Zusammen-
setzung ein Personenname ist. Dietfurt ist die Furt oder Fähre, an der sich
ein Diet (althochd. Thiuto = Dieto) niedergelassen hat. Ebenso ist Erfurt die
Furt eines Erfo (Erbo, Arpo), denn die urkundlichen Belege lauten Erpisford,
Erfesfert, Erfesfurt (s. Förstemanu II. S. 102 u. f.); Frankfurt = die Furt der
Franken, urkundl. Franconofurt; Adolzfurt aus Adolandesfurt also Furt des
Adoland. Schlagend wird die Zusammensetzung von Furt mit Personen-
namen erwiesen durch den Ortsnamen Taubenfurt in Mähren. Da der Ort in
einer gemischtsprachichen Gegend liegt, trägt er auch die cechische Bezeich-
nung: Holubice. Nun sind im Bümischen die auf -ice gebildeten Ortsnamen
von Persenennamen gebildet. Also Holubice Ort des Holub und damit stimmt
Taubenfurt d. i. Furt des Taube vollkommen überein. Die Zahl der in diese
Gruppe gehörenden Ortsnamen ist eine sehr bedeutende und ist namentlich
die Thierwelt vielfach vertreten, als Eselsfurt, Hengstforde, Hassfurt (= Hasen-
furt), Katzenfurt, Krebsförde, Ochsenfurt (vgl. engl. Oxfort, im Englischen ist
die Zahl der mit -ford gebildeten Ortsnamen Legion), Eabenfurt, Schwein-
furt, Straussfurt, Wolfsfurt, sämmtliche hier vorkommenden Thiernamen
lassen sich als Personennamen belegen.
Es entsteht nun die Frage, in welche der angeführten Gruppen wohl
unser Klagenfurt einzureihen wäre. In die erste (Furt an der Glan) sicher-
lich nicht; das hat, wie wir gesehen haben, Dr. R. Müller zur Gewissheit dar-
getan. Auch in die zweite nicht. Wohl aber in die dritte, sobald wir uns
eutschliessen, in der ersten Hälfte des Ortsnamens Klagen fürt einen Per-
sonennamen zu erblicken. Vom althochdeutschen Stamm chlag — lässt sich
ein Personenname Klago recht wohl denken, wenn ich auch vorläufig nicht in
der Lage bin, das Vorkommen desselben belegen zu können. Könnte ich das,
dann wäre diese Vermuthung evident. Als Parallele ist das von Müller ange-
führte wahrscheinlich bayrische Clagedorf zu verzeichnen, das um 1140 an
das Kloster Prüfling vergabt ward. Im Nordischen finden wir ein Klagerup
und Klagstorp. Im Nordisrhen bedeuten die Wörter auf -torp, -trup, -drup,
-ruf Dorf. (Vgl. L. Herrig's Archiv f. d. Stud. d. neuer. Sprachen u. Lit.
XXXIV. Bd. S. 203 u. ff. «Nordische Ortsnamen nach den Sprachforschern
N. M. Petersen u. Lyngbye. Von Gh. Beissel.«) So bedeutet Torstrup = Dorf
des Thor, Frörup = Dorf der Freya, Bjolderup und Bylderup = Dorf des
Baidur (vgl. Bulletin de la societe de geographie. Troisieme s6rie. Tome X.
Paris, 1849, S. 217 — 231: Sur la limite meridionale de la monarchie Danoise
et sur l'etymologie de noms geographiques du Slesvig et de la Normandie.
f
Kleine Mittheilungen. 153
Par M. Etienne Borring S. 224). Nach dieser Auffassung wäre die erste Hälfte
unseres Ortsnamens nicht der Genetiv plur. vom Appellativ die Klage, sondern
der Genetiv sing, des Personennamens Klago in schwacher Biegung, eine
Ortsnamenbildung, die sich in Kärnten reichlich belegen lässt, z. B. Berndorf
= Dorf des Pero; Pernegg = Eck des Pero; Eppeudorf = Dorf des Eppo;
Frankenstein = Stein des Franko; Arndorf (2mal) = Dorf des Arbo (Aribo);
Gunzenberg = Berg des Gunzi ; Ratzendorf = Dorf des Razo u. s. w. Und so
wäre ich bei Abt Johann von Viktring und seinem vadum querimoniae oder
querimoniarium angelangt, nur mit einer kleinen Abweichung von seiner
Deutung. Klagenfurt ist nicht vadum querimoniarum = Furt der Klagen,
sondern vadum Queruli cuiusdam = die Furt, an der ein gewisser Klago ein-
mal gehaust hat. Dabei ist zu bemerken, dass Furt nicht bloss eine seichte
Stelle, sondern auch einen Zugang, Uebergangsstelle auf einer Brücke oder
auf trockenem Wege durch sumpfiges Land bedeuten kann. Das passt auch
für die Lage des Ortes. Bis auf den heutigen Tag haben wir das Weidmanns-
dorfer Moos im Süden der Stadt, das noch zu Beginn des 19. Jahrh. einen viel
grösseren Umfang hatte und erst im Laufe der dreissiger Jahre halbwegs
trocken gelegt wurde. Auch im Norden und Nordosten verursachte die Glan
vor der Regulirung, die erst in allerjüngster Zeit erfolgt ist, durch regel-
mässiges Austreten in der Herbstregenzeit Ueberschwemmungen und Ver-
sumpfungen. Die Stadt selbst liegt gleich einer Insel auf festem und trockenem
Terrain, aber nicht im » Gelache «, mitten in dieser Moor- und Sumpf landschaft.
Und hier setzt die slovenische Bezeichnung Celovec ein.
Cell, entspricht nach Mikl. Etym. Wb. S. 28 dem deutschen ganz = integer,
asl. celizna = ungepflügtes Land, nsl. celina = Brachfeld, polnisch : celc und
calec = hartes Erdreich, somit eine Bedeutung, wie wir sie mit Rücksicht auf
die örtliche Beschaffenheit nicht günstiger und passender wünschen könnten.
Was nun das Suffix — ovec betrifft, so bemerkt Pintar vollkommen richtig,
»dass die mit demselben gebildeten Adjektiva angeben, woraus etwas gemacht
oder gebildet ist, woraus es besteht, woraus es sich zusammensetzt (Materie),
wie brinovec = brinovo zganje, kruhovec = Brotbrei, auch Mehl zum Brot-
backen«. Pintar führt weiter correct aus, dass es zahlreiche Ortsnamen gibt,
die analoge Bildungen aufweisen, und bringt eine Reihe solcher Ortsnamen
vor. Sie bezeichnen alle eine von der betreffenden Baumgattung (cer, dob,
dren, lipa u. s. w.) bewachsene Gegend, ein aus solchen Bäumen sich zu-
sammensetzendes Wäldchen, wie die deutschen, von Gehölzen entnommenen,
mit der Kollektivendung -ach gebildeten Ortsnamen, wie Erlach, Tannach,
Pirkach u. s. w. Wir brauchen also gar nicht auf die Suche nach einem neuen
Etymon auszugehen, um aus demselben mit Hilfe problematischer Lautpro-
zesse unser Celovec zu gewinnen, sonderü wir können ohne Skrupel mit cel
= integer zufrieden sein. Mit Hilfe des erwähnten Suffixes bekommen wir
Cel-|-ov-[-ec in der Bedeutung terra integra = festes, trockenes Land, auf
dem eine Ansiedelung entstehen konnte, im Gegensatze zur Moorumgebung.
Derselben Anschauung verdankt auch das in der Nähe der Stadt liegende
Otoce (deutsch Weidmannsdorfj seine Entstehung, es bedeutet das Inseldorf
mitten in der rings sich ausbreitenden Sumpf landschaft, auf welche auch das
154 Kleine Mittheilungen.
benachbarte Blace (deutsch Fiatschach) hinweist. Ich fasse das Ergebniss
meiner Ausführungen folgendermassen zusammen: Der deutsche Ortsname
Klagenfurt ist zusammengesetzt aus dem Personennamen Klago und dem
Appellativ Furt, also Furt des Klago fvadum Queruli cuiusdam) und das slo-
venische Celovec ist abzuleiten von cel = fest, ganz, trocken und bedeutet
durch die Verbindung mit dem Suföce -ovec: terra Integra = festes, trockenes
Land, was slovenisch auch mit celina bezeichnet werden kann.
Klagenfurt, 15. Oktober 1904 J. Scheinigg.
Kollär's Antheil an politischen Broschüren.
Herr Dr. Fran Ilesic veröflfentlichte im Archiv XXVI. 159 die Erklä-
rung Kollär's in der »Pester Zeitung« (vom 29. September 1848), die in dessen
Lebensabrissen bisher nicht berücksichtigt wurde.
In den Biographien Kollär's hat man die Erklärung Kollär's in der
»Pester Zeitung« Nr. 788 (vom 29. September 1848) zwar nicht erwähnt, aber
bekannt ist sie.
Diese Erklärung und dann die Polemik Kollär's mit Havlicek
waren im Leben Kollär's zwei heikliche Punkte, die man nicht gerne be-
rührte. Es ist merkwürdig, wie heftig Kollär von Havlicek im »Slovan« an-
gegriffen wurde ; Havlicek hatte kein Verständniss für die schwere Stellung
Kollär's, dem der Minister Bach sogar ein Gönner war. Bach hat es gegen
Miklosich durchgesetzt, dass »Staroitalia slavjanskä« in der Staatsdruckerei
gedruckt wurde; es war Bach's Verdienst, dass Kollär neben anderen Gelehr-
ten mit einem Orden ausgezeichnet wurde — aber in politischer Hinsicht war
für den geistigen Vater des gefürchteten Panslavismus der Boden in Wien
gerade so heiss wie in Pest. Seine politischen Gutachten, die ich eben in
der cechischen Akademie veröffentlichte, fielen ins Wasser; man hat sie in
Wien für zu radikal gehalten und gegen Ungarn getraute man sich doch
nichts Ernstes zu unternehmen. Ich überging in meinem Aufsatze »Jan
Kollär ve Vidni« (Sbornik Jan Kollär) diese Controverse zwischen dem streit-
süchtigen, aber festen Havlicek und dem schon kampfesmüden Professor der
Archäologie, Kollär, der damals hauptsächlich in seinen slavischen Alter-
thümern lebte, mit Bedacht, und berührte ihn der Vollständigkeit wegen
bloss mit einem einzigen Satze.
Aehnlich verhält sich die Sache mit der angeführten Erklärung
Kollär's.
Man wollte diese peinliche Erklärung — die de facto die allgemein be-
kannten Grundsätze Kollär's umstiess — nicht erörtern in Anbetracht der
ganzen schwierigen Situation, für die jedermann Rücksicht und Verständniss
haben müsste, namentlich jeder Biograph, welcher in seinem Autor immer
mehr oder weniger einen Helden sieht.
Aber bekannt war sie in Böhmen. Wie mir Dr. Jan Jakubec mittheilt,
schrieb darüber Havlicek in seinem »Slovan« 1850, S. 1485, obzwar er dort
I
Kleine Mittheilungen. 155
irrthümlich von »Kossuth Hirlap« spricht. In der letzten Zeit beschäftigte
sich damit Dr.Jakubec in Rozhledy 1894 auf S. 508 in einem Artikel »Poli-
ticke a socialni näzory v Kollärove poesii«, wo er auch diese Erklärung ab-
druckte.
Im Jahre 1848 musste KoUär in Pest mehrere schwere Stunden verleben,
worüber er in seiner Autobiographie, die ich in cechischer Uebersetzung (1893)
veröffentlichte und die nun auch im deutschen Original herausgegeben
wurde, manches erzählt.
Es scheint, dass mit der Erklärung KoUär's bald darauf die Pester
Slaven nicht zufrieden waren. Es wäre interessant, zu erfahren, worauf sich
eine Erklärung der Pester Slaven, die in »Kvety« 1848 erschienen ist, bezog.
Mir ist die Zeitschrift nicht zugänglich, aber sie musste in ziemlich heftigem
Tone gehalten sein. Andrej Lanstjäk sagt davon: »Avsak co tyka sa toho
ohiasu .pestianskych Slovanov' z r. 1848 v ,Kvetech' vysleho, musim vy-
znat', ze nebolo tak myslene, jako bolo pisan6. KoUär säm uznal ho neskorsie
za prehnane ! «
In der Vorrede zu den Gutachten Kollär's erwähne ich, dass KoUär den
Conte Medo Pucic (Pozza) auf das »vorzügliche Büchlein« »Politische Memo-
rabilien aus Oesterreich neuer Zeit« aufmerksam machte, dessen Autor mir
unbekannt war. Ich sprach die Vermuthung aus — die Broschüre kam mir
bis jetzt nicht in die Hände — , dass Kollär an ihrer Verfassung irgend wel-
chen Antheil hatte. In Gedanken bezog ich auf diese Broschüre die Worte
Kollär's zu Soltis, welche Krizko im Sbornik (S. 22) veröffentlichte: »Nepria-
telia nasi po mene auktora apologie pätrajü, ale nebojte sa, budeme se
bränit «.
Dieser Satz Kollär's bezieht sich jedoch auf eine andere politische
Broschüre, die im Verzeichnisse Pypin's (Historie literatur slov. I, S. 198)
nicht citirt ist. Krizko hat mich nämlich irregeführt, da er »apologia« klein
schrieb. Es ist eine selbständige Broschüre, die »Apologia« heisst, und
im J. 1841 in Budapest erschien. Der Titel lautet: Apologia | to geft: |
Obrana, kterau fe odrodilci, | genz | od fve närodnofti Slowanfke odftu-
pugj I bräniti chtegj, | ti pak kterj w nj ftogj | pofilniti fe mohau: Sepfanä |
od I Ondfiflawa z Prawdomluwic. | W Budjne [ tiffteno literami Jana
Gyuriäna a Mart. Bagö. 1841. S. 40.
In den vierziger Jahren ist eine bedeutende politische Literatur ent-
standen, die sich auf die magyarisch-deutsch-slavischen Reibungen bezog;
man bekommt eine so ephemäre literarische Erscheinung, die damals viel-
leicht grosses Aufsehen erweckte, jetzt sehr schwer oder nur zufällig in die
Hand. Die ganze hierher einschlägige Literatur ist nicht einmal in der Schrift
»Les Serbes de Hongrie« (Prag und Paris, 1873) vollständig angeführt.
Als ich im August d. J. 19ü3 in Cilli, dem Geburtsorte Oblak's, weilte,
besuchte ich auch die slovenische Bibliothek (Narodna citalnica), um die
slovenische Literatur auf Grund des dortigen Materiales näher kennen zu
lernen. Zu meinem Erstaunen fand ich hier eine wunderbare Sammlung von
156 Kleine Mittheilungen.
allen möglichen Slavica, besonders aus der ersten Hälfte des XIX. Jahrh. ;
hauptsächlich waren die böhmisch-slovakfschen Schriftsteller (Kollär, Tomsa,
Wocel, Burgerstein, Hanka's Orthographie, Prostonärodni biblioteka von
Dr. ßadlinsky und Podhradsky, Nitra von Hurban), dann die Repräsentanten
des Illyrismus, Jordans Jutnicka, Zeitschrift für slav. Literatur, Kunst und
Wissenschaft, Jahrbücher (1844—46) vertreten.
Sehr interessant war auch die Sammlung von mehreren politischen
Broschüren. Ich forschte nach den ehemaligen Besitzern der verschieden-
sprachigen Bücher; es waren Zuza, ein Bergwerksbesitzer, der erst dieses
Jahr in Var-Palota bei Pest starb, und Andrej Pirnat, ein Bergbaubeamter
in Tüchern (bei Cilli), der in früheren Jahren (1845 — 46; in Schemnitz unter
den Slovaken gelebt hatte und als intelligenter Slovene für die damalige Be-
wegung unter den Slovaken Sympathie hegte. Er war auch schriftstellerisch
thätig; im J. 1845 verüflfentlichte Bleiweiss in »Novice« sein Gedicht »Kme-
tovac«. Iz St'avnice (Semnic) na Ogerskim.
Unter diesen Broschüren interessirten mich z. B. »Petitionen der Serben
und Slovaken vom Jahre 1561« (Wien, Gorischek, 1S62, S. 31) und das hoch-
wichtige Büchlein »Protestantismus, Magyarismus, Slawismus«,
welches für die damaligen Zustände besonders charakteristisch ist. Der
Untertitel lautet: Als Antwort] auf die gegen den | Grafen Carl Zay, |
Generalinspector der evangelischen Kirchen und Schulen A. C. in Ungarn, |
erschienene Schrift. | Vom jaller Menschen Freunde, nur der Finster-
linge Feinde. I Leipzig, 1841, Verlag von Georg Wigand. S. 78.
Diese Broschüre enthält die Antwort auf ein »Libell«, wahrscheinlich
»Apologie« betitelt.
Der kurze Sinn der Vertheidigung Zay's liegt in den erlösenden Worten -.
»Die Magyarisirung aller Nationalitäten Ungarns«; die Forderung »Ungrische
Armee« lief nur nebenbei. Es sei heilige Pflicht der Slaven Ungarns, »die
Magyarisirung ihres Vaterlandes auf's eifrigste zu befördern«, »so wird denn
unser Vaterland nur dann gross und glücklich, wenn es magyarisch wird«.
An einer Stelle (7) spricht er von der »jugendlichen, eine grosse, ruhmvolle
Zukunft verheissendeu Nation«.
In dieser Broschüre sind interessante Nachrichten über die Lehrkanzel,
resp. Aufhebung des slavischen Lehrstuhles des Professors Falko wich
enthalten.
Die Polemik endet mit den Worten: »Der alte Gott der Magyaren, er
lebt ja noch, und segnet König und Vaterland!«
Dann folgen einige Beilagen, wie sich Graf Zay um Gleichberechtigung
der Protestanten, Nicht- Umrten und der Juden mit den Katholiken eingesetzt
habe — , »wo das ganze constitutionelle Europa in der Eatwickelung unserer
Sprache und Nationalität den treuesten und kräftigsten Wächter und Kämpen
seiner Freiheit erkennt«, lautet ein Satz.
Aus der Biographie des Grafen erfahren wir, dass er in Odenburg (in
der Umgebung wohnen die Kroaten) geboren wurde ; seine Feinde haben ihn
daran erinnert, dass seine Mutter eine Schlesierin war und er ein Halbslave —
aber er vertheidigt sich dagegen.
Kleine Mittheilungen. 157
Die Professoren des Leutschauer evangelischen Lyceums wollten die
Einfälle des demokratischen Grafen nicht recht begreifen und waren im
Tärsalkodö Nr. 92 einer anderen Anschauung. Das hat den Grafen Zay »mit
traurigem Gefühl und Kummer erfüllt«.
Sein letzter Rath kulminirte in diesem Satz: »Unsere slavischen Brüder
mögen fernerhin aufhören, ihre geistigen Kräfte zwecklos ') zu verschwenden «.
Zum Schlüsse droht er mit Repressalien »im Sinne der Gesetze und der
Befehle der Regierung«, wenn seine »herzliche Zurede erfolglos bleiben«
sollte (24. November 1810).
Die Professoren von Leutschau, wo damals ein reges geistiges Leben
blühte, haben sich gegen Zay vertheidigt, ja sogar ein »so gelehrter und ver-
dienstvoller Mann«, wieCaplovic(Czaplovics) hat sich der slovakischen Sache
in Szäzadunk Nr. 3 angenommen.
Czaplovics rüttelt unbarmherzig an der magyarischen Logik Zay's,
dessen circulus vitiosus sich in dem bekannten Satze und dessen Variationen :
»die Magyarisirung des Vaterlandes« bewegt. Er nennt seine Ideen »über-
spannte magyarische Tiraden« und zu der Bedeutung der Ungarn in Bezug
auf die Künste bemerkt er bissig: »die Slaven hätten im Bereiche der bilden-
den Künste von den Magyaren im Verlaufe von neun Jahrhunderten kaum
etwas Anderes gelernt, als die Kunst, Knöpfe zn stricken und aus Dünger
Brennholz zu bilden«.
Czaplovics fordert den Grafen auf, er möchte ihm folgende Zeilen er-
klären: »die magyarische Sprache ist das Nährelement der Freiheit, der In-
telligenz, des Protestantismus«, sowie auch diese: »Die slawische Sprache
ist nicht mehr die Sprache der Freiheit, des Protestantismus«. Unter An-
derem fragt Czaplovics den Zay, ob er vielleicht nicht zu den magyarischen
Slawen gehöre«.
Die Antwort desGrafenZay (Pressburg, im Jänner 1S41) ist sehr schwach
ausgefallen.
Sein Gedankenkreis ist mit dem Grundsatze : Magyarisirung von ganz
') Die Slavisten und Leute der Wissenschaft wird es interessiren, was
für eine hohe Meinung dieser Chauvinist von ihrem ernsten Studium hatte
(S. 3): »Philologische Forschungen sind wohl an sich selbst ein eben so un-
schuldiges als verdienstliches Unternehmen; allein wird dabei nichts Höheres
bezweckt, so sind sie eine bedauernswürdige Verschwendung zu etwas Heil-
samerem geschaffener Kräfte; sollen jedoch jene als Beförderungsmittel der
Intelligenz dienen, so kann ja dieser heilige Zweck nicht nur mit Hilfe der
slavischen, sondern auch mit jeder andern Sprache erreicht werden . . . näm-
lich mittelst der magyarischen. Vergleichen wir die slawische Literatur
Ungarns mit der der Magyaren und fällen wir ein unbefangenes Urtheil. Der
Inbegriff jener ist vorzugsweise belletristisch und streng wissenschaftlich;
die magyarische Literatur hingegen verhandelt die heiligsten Interessen der
Menschheit, nämlich die religiösen und staatsrechtlichen Verhältnisse sammt
vielen anderen Lebensfragen, was auch insbesondere von der magyarischen
Journalistik gilt«. -^
158 Kleiae Mittheilungen.
Ungarn erschöpft; wo er aber mit logischen, wissenschaftlichen und humanen
Gründen operiren soll, dort verräth seine Argumentation auffallende
Schwäche.
Ich habe mich bei dieser Broschüre länger aufgehalten, weil dieser
merkwürdige Broschürenkrieg dem allgemeinen Vergessen verfallen ist, ob-
zwar er manch' wichtige kulturelle und literarische Momente enthält.
Kollär wusste bald, wie gefährlich für die Slovaken die Thätigkeit des
evangelischeu Generalinspectors sei. Er beklagt sich über Zay in seinem
Gutachten über die protestantische Kirche (meine Ausgabe, S. 64 :) — »nur
auf diese Art (Auflösung einer solchen aufrührerischen Synode) wird es
möglich sein, dass künftighin ein Kossuth oder Zay eine beispiellose Ty-
ranay in der protestantischen Kirche ausüben können, welche oft mit 50 Ju-
raten und anderen unberufenen jungen Leuten in den Conventsaal der
Kirchenversammlung hineinstürzten und einmal den ehrwürdigen Superin-
tendenten Jozeflfy gröblich insultirten . . .«
Die schon früher angeführte »Apologia — ti pak kteri v ni stojl, po-
silniti se mohou« (1841) ist eine Gegenschrift gegen eine andere »Apologia,
tojest: Obrana, kterau se odrodilci . . . bräniti chteji «.
Auf dem Landtage in Pressburg 1840 (wo keine Slovaken anwesend
waren) wurde beschlossen anzuordnen, »dass die Bewohner Ungarns magya-
risch sprechen sollen«. Irgend ein Magyarone hat ein Büchlein geschrieben,
wo er nachzuweisen trachtet, was für Vortheile für die Slovaken entstehen,
wenn sie sich magyarisiren werden. Jedes Kapitel endete mit den Worten :
»Giz geft darmo« — »Es ist schon vergeblich«, das heisst, alles ist verloren,
wehret euch nicht, es ist besser und opportuner für euch, Slovaken, wenn ihr
euch magyarisirt.
Als Antwort darauf erschien die im slovakischen Sinne geschriebene
»Apologia« 1841. Der Verfasser führt die Titel von neun Kapiteln an und
trachtet die magyarische Argumentation durch die Gründe aus der Bibel,
aus der Natur zu entkräftigen. Die Folgerung, dass alle in Ungarn wohnen-
den Völker sich magyarisiren müssen, Verstösse gegen göttliche und natür-
liche Gesetze, gegen die Humanität und gesunde Vernunft. Zuerst werden
historische Beispiele angeführt, die für die Gleichberechtigung der Völker
in der Slovakei sprechen. Dann geht es kapitelweise weiter. Der Autor ver-
räth, dass er in der Bibel gründlich belesen ist; man fühlt bald heraus, dass
es ein protestantischer Priester ist, in dessen Feder manche Phrasis aus der
»brüderlichen« Bibel stecken geblieben ist. Die Sprache ist ziemlich rein
cechisch; man erkennt aus dem Stil und der verhältnissmässig guten Schrift-
sprache, dass Kollär diese Broschüre nicht verfasste. Aber aus der ganzen
Beweisführung und der Kenntniss der slavischen Literatur — viele Gründe
der »Apologia« sind der >Wechselseitigkeit« KoUär's entnommen, — haupt-
sächlich aber aus dem warmen Tone der Broschüre lässt sich schliessen, dass
ihr Verfasser zu der Umgebung KoUär's gehörte. Wir werden daher nicht
fehlgehen, wenn wir annehmen, dass — nach dem früher angeführten Citate
bei Krizko — Kollär geistiger Beistand bei dem Werkchen und
Soltis dessen Schreiber war.
Kleine Mittheilungen. 159
Kollär war in der polemischen Literatur schon bewandert; er schrieb
für Zschokke's »Ueberlieferungen« »Etwas über die Magyarisirung der Sla
ven in Ungarn«, und nach Marko: »Sollen wir Magyaren werden« und »Hi-
KOJtHKO pi^ifi 0 TOMt, KaKO ce CjiaBeHH y BeurepcKofi Mal)apH3Hpaio « (Spomen-
Cviede und meine KoUdrova dobrozdäni XVII). Er hat mehrere Gründe für
die Vorzüge der slavischen Kultur in der »Wechselseitigkeit« ins Treffen
geführt.
An einer Stelle in der » Apologia« (S. 26 — 27) werden einzelne Schrift-
steller citirt, die sich der Bekämpfer ihrer Muttersprache schämen würden ;
angefangen mit Hus bis zu Dobrovsky, Nudozerin, Tranovsky, Bei, Tablic,
beide Nejedly, Puchmajer, Samuel Hruskovic, Elias Mlinarovych, Joachim
Kaiinka, Jiri Zäbojnik.
Besonders interessant ist die Ueberschrift des siebenten Kapitels; es
ist ein Citat aus der genannten magyarenfreundlichen Broschüre, das in dem
Kapitel widerlegt wird:
»In der magyarischen Nation (närod) werden wir alle frei und unter-
einander gleich sein, und dadurch entstehen für uns goldene Zeiten in Un-
garn. Es ist schon vergeblich«.
Dem Ganzen wird die Krone durch das bekannte Citat Kollär 's auf-
gesetzt:
»Säm svobody kdo hoden, svobodu znä väziti kazdou:
Ten kdo do put, jiinä otroky, säm je otrok.
Necht' ruky, necht'by jazyk v okovy sve väzal otrocke :
Jedno to, neb neznä setfiti präva jinych«.
Gerade dieses Kapitel ist besonders charakteristisch für die damals
hochgehenden Wogen des politischen Lebens in Ungarn, unter dem aber auch
die Literatur zu leiden hatte. Ich führe einige markante Stellen (31—32) in
der Uebersetzung an :
»Die Magyaren lieben nur sich und suchen die Freiheit nur für sich
selbst und ihr Volk: dagegen wollen sie den Slovaken noch grössere Knech-
tung aufzwingen und grösseres Joch auferlegen. Am letzten Kongresse in
Balasch-Gyarmot*) am 12. Mai 1841 wurde darüber öffentlich diskutirt: »dass
die Jugend nichts aus dem Slovenischen lernen solle, die Theologen sollten
nicht slovakisch predigen und andere Abhandlungen schreiben; dass man
den ungarischen Slovaken verbiete, mit anderen slavischen Gesellschaften
und gelehrten Vereinen, und zwar nicht nur mit den russischen, polnischen,
sondern auch mit den cechischcn, zu korrespondiren«. Siehe, das ist die ma-
gyarische Liberalität ! Die Magyaren dürfen ihre Gesellschaften haben, aber
für die Slovaken etwas Aehnliches nem szabad. Ist das eine Freiheit! Junge
Slovaken haben einen Almanach unter dem Namen »Nitra«^) angekündigt:
1) W Baläs-D'armotech. Da ich das Werk des Prof. Niederle über die
slovakische Topographie nicht bei der Hand habe, kenne ich nicht die offi-
cielle ungarische Benennung.
2) »Nitra« von Hurban ist im J. 1842 in Pressburg erschienen und wurde
dem Caplovic gewidmet. Der zweite Jahrgang dieser Zeitschrift concentrirte
\ ßO Kleine Mittheilungen.
einige Magyaren verlangten, man solle diesen Titel verbieten: das ist die
magyarische Freiheit ! Die Magyaren wollen die Evangelisten mit den Cal-
vinisten gewaltsam vereinigen (wie der Simson die Füchse mit den Schwän-
zen), damit sie leichter die Slovaken magyarisiren könnten; ist das eine
Freiheit ! Sie wollen eine neue magyarische Religion bilden, wie Tärsalkodo
schreibt: »Seien wir weder Juden, noch Christen, weder Katholiken, noch
Orthodoxe, noch Protestanten, sondern — Magyaren!« (d. h. wahrscheinlich
Heiden).
Kollär erinnert sich dieser Worte in der »Apologia« und wiederholt sie
auch in seinem Gutachten (31): . . . »nach dem bekannten kossuthischen
Grundsatz: Seyen wir nicht Katholiken, nicht Protestanten, nicht Griechen,
nicht Christen, nicht Juden, seien wir nur Magyaren«.
Der Herausgeber der Nitra, Miloslav Jos. Hurban, bemerkt über ver-
schiedene Schwierigkeiten (S. 293) folgendes: »Nevime pak sobe docela vy-
svetliti, kterak i nepfätel nasich toto nevinn6 predsevzeti pozornost, jako-
vousi kfivozämernou vzbuditi mohlo natolik, ze se jim zachtelo kvetinku
tuto, jakoby v korunce jeji jester jedovaty di-imal, pred rozvinutim se jejim
poslapati. Ano jakovysi pamphletista präve v tom jmene .Nitra' cosi podiv-
neho nalezä, a proto verejne näm radil, abychom spisek tento radeji ,Kar-
pathus' anebo .Släva' etc. pojmenovali, ne moha se prenadiviti, proc präve
Nitrou jsme därek tento vlastensky nazvali«.
Der erste Jahrgang wurde » Janu Caplovicovi z Jasenovi, . . vlastenci
slovenskemu dalece povestnemu, spisovateli slavn6mu, närodu slovenskeho
ctiteli a zästupci neohrozenemu« mit einem begeisterten Gedicht gewidmet.
Die letzte Strophe der von Hurban verfassten Dedikation lautet :
»Posvecenät' jsi. Nitro, jiz Slävovi,
Jehoz jmena släva Tatrou poletuje
Jdiz ku statnemu Tater Obhajcovi *)
A On te CO dceru Nitry zamiluje«.
Ob Kollär auch irgend einen Antheil bei der Verfassung der »Politischen
Memorabilien« (Leipzig 1843) hatte, kann ich nicht angeben. Jedenfalls wer-
den die Biographen von nun an mehr die politische Wirksamkeit KoUär's
betonen müssen; die von mir herausgegebenen »Gutachten Kollär's und seine
Autobiographie aus dem J. 1849« (Böhmische Akademie, IJI. Klasse, 1903)
srehören zu den wichtigsten Schriften Kollär's auf diesem Gebiete.
alle für die slovakische Literatur ;im Gegensatz zu der böhmischen) begei-
sterte Schriftsteller.
1) Wir begreifen jetz';, warum Caplovic als Vertheidiger genannt wurde.
Wien, Dezember 1903. Dr. Josef Karäsek.
Beri^chtigung zu S. 135, Z. 30. Ich habe übersehen, dass Cevapovic
im Buche Surmin's erwähnt wird, aber erst B. IL 26, und zwar nebst Georg
Feric, beide als — illyrische Zeitgenossen, der »Danica«, was doch gelegent-
lich berichtigt werden müsste. V- J-
Zur glagolitischen Schrift.
Die folgende Betrachtung hat nicht den Zweck, den Ursprung
des glagolitischen Alphabets zu untersuchen oder seine Geschichte
zu behandeln, sondern will nur einen Beitrag geben zur Beant-
wortung der Frage, wie und warum den Buchstaben der Lautwerth,
den wir in der Ueberlieferung finden, beigelegt ist. Dabei sind
freilich paläographische Erwägungen nicht zu umgehen , und bei
den stark verschiedenen Ansichten über die Entstehung der glago-
litischen Schrift muss man einen bestimmten Standpunkt ein-
nehmen, um überhaupt auf die gestellte Frage eine Antwort geben
zu können.
Aus den bisherigen Untersuchungen über die beiden Schrift-
gattungen des Altkirchenslavischen stehen mir folgende Sätze fest:
1. Von den beiden Alphabeten ist das glagolitische das ältere.
2. Die Aufstellung dieses Alphabets ist das Resultat der gelehrten
Thätigkeit einer bestimmten Person. Es ist gleichgiltig, ob man
schon frühere Versuche zur Herstellung einer slavischen Schrift
vermuten will; es kommt hier nur darauf an, dass das fertige
Schriftsystem, wie die Ueberlieferung es darbietet, das wohl über-
legte Werk eines Mannes ist. 3. Der Hersteller dieser Schrift war
Konstantin (Kyrill), und sie war bestimmt für den Dialect, in dem
er seine slavischen Schriften abfasste. 4. Das glagolitische Alpha-
bet beruht auf der griechischen Minuskelschrift des IX. Jahr-
hunderts, und zwar in allen seinen Bestandtheilen. Die Versuche,
glagolitische Buchstaben aus orientalischen Alphabeten , aus einer
albanesischen Schrift oder aus der lateinischen abzuleiten, halte
ich für verfehlt. Es ist richtig, dass die bisherigen Untersuchungen
noch nicht jeden glagolitischen Buchstaben auf griechische Schrift-
zeichen zurückführen konnten, dass über die Herkunft einzelner
Buchstaben, d. h. welchen griechischen oder welcher Verbindung
griechischer Zeichen sie entsprechen, Zweifel bestehen. Aber trotz
dieser Zweifel und selbst, wenn man dabei bleiben sollte, dass
AicMt für slaTische Philologie. XXVII. \\
162 A. Leskien,
einzelne glagolitische Zeichen — es kann sich nur um wenige han-
deln — aus dem Orient stammen , so hat das für die hier vor-
liegende Frage wenig Bedeutung. Man mag immerhin annehmen,
dass die dem Konstantin zugeschriebene Kenntniss orientalischer
Sprachen und ihrer Alphabete nicht bloss legendenhaft sei, aber
man muss doch erkennen, dass ihm nur sein lebendiges Griechisch
und seine mit der byzantinischen Gelehrsamkeit nothwendig ver-
bundene Ausbildung in griechischer Grammatik die Richtschnur
geben konnten für die Bestimmung der Laute seines slavischen
Dialects und für die Aufstellung eines Schriftsystems.
Die nächste Aufgabe ist, zu bestimmen, wie das älteste glago-
litische Alphabet beschaffen gewesen ist, d. h. welche Zeichen es
besessen hat. Nach den Untersuchungen von Jagic halte ich es für
sicher, dass es sämmtliche aus der Gesammtheit der glagolitischen
Handschriften sich ergebenden Zeichen besass ausser « = e , dass
es vielmehr für e nudj'e nur das eine Zeichen 9e gab. Auf diesem
Standpunkt stehen Psalt. sin. und Kiev. Bl. , Nachwirkung des
alten Zustandes zeigt noch die weiter entwickelte Schrift des Zogr.
und Mar., indem sie 3€ nur im Wort- und Silbenanlaut, nicht nach
Consonanten {n Im. s. w.) setzen.
Steht das fest, so ist zu fragen, welche Laute hat das Alphabet
ausdrücken sollen. Es war nach meiner Meinung für Konstantin
selbstverständlich, dass er den Lautwerth der für seinen slavischen
Dialect aufgestellten Buchstaben nach Lautwerthen griechischer
Buchstaben bestimmte, d. h. nach den Werthen, die diese im
Griechischen des IX. Jahrhunderts hatten; und es dürfte nicht
überflüssig sein, das glagolitische Alphabet von diesem Gesichts-
punkt zu betrachten.
Von den Consonanten konnten ohne Abweichung über-
nommen werden ß = v "is, ^ = 2öj, x = Ä^, 1 = l a, (ohne Berück-
sichtigung des Unterschiedes von palatalem und nichtpalatalem /),
[x = m'9s,i/ = n-p (wie bei /), jt =p f, q = r b (wie bei ti, l),
(7 = 52, z = t m, ■^^= ch h. Von den nur in griechischen Fremd-
wörtern möglichen q)z=f^^ t9- =^ ♦, a« =^ ist hier abzusehen.
Der Umstand, dass griech. x und x nicht überall den gleichen Laut
darstellten, da sie wie im heutigen Griechisch, vor e- t-Lauten eine
palatale Färbung haben konnten, störte nicht, da ja k ch' in dem
slavischen Dialect überhaupt nicht vorhanden waren, sondern schon
Zur glagolitischen Schrift. 163
urslavisch dafür c s eingetreten war. Nicht so einfach lag die
Sache bei griech. d und y. Diese Zeichen drückten im IX. Jahr-
hundert wie heute je zwei ganz verschiedene Laute aus, die Spi-
ranten Ö 5 (so im Anlaut und zwischen Vocalen) und die Medien d g
nach Nasalen: öivöqov = ^endro^i^ ayyaqEia =z angarid). Da aber
für den Slaven in seinem Dialect die Spiranten gar nicht vorhanden
waren, konnten ohne Weiteres 6 Sh und y % vü. der Geltung reiner
Mediä aufgenommen werden. Auch die starke Palatalisirung des y
vor palatalen Vocalen, agos aj'os = aytog konnte für das Slavische
gleichgiltig sein, da hier ein g nicht vorkommt, sondern bereits ur-
slavisch durch {d]z vertreten wird. Die Möglichkeit, einen griechi-
schen Buchstaben mit an sich mehrfacher lautlicher Geltung in das
slavische Alphabet mit einheitlicher Geltung aufzunehmen, musste
dagegen bei h versagen; das griech. ß hatte zwei verschiedene
Werthe: v im Anlaut und zwischen Vocalen, b nach Nasal [lafxßavo)
= lambano). Dem ß = v entspricht der slavische Laut t?, und ß v
ist für diesen Spiranten festgelegt; für das rein mediale h musste
also eine Auskunft gefunden werden, und ich meine, Jagic hat
Recht, wenn er das glagolitische b e für eine Ligatur aus griech.
f.iß hält. Man muss dabei berücksichtigen, dass die Gruppe mb
im Slavischen gar nicht vorhanden war, also ohne Schwierigkeit
für einfaches b verwendet werden konnte.
Für die im damaligen Griechisch nicht vorkommenden Conso-
nanten und Consonantengruppen hat das glagolitische Alphabet
griechische Buchstaben umgeformt oder combinirt: z ac, dz ^,
c «v, c^, s uj, k'8. Für diese ist das griechische Alphabet nur
zeichengebend, nicht oder wenigstens nicht direkt Laute ver-
mittelnd gewesen. Wie im einzelnen die Adaptirung vorgenommen
ist, muss weitere paläographische Forschung entscheiden. Im
ganzen kann man sagen, dass für die Consonanten keine so grossen
Schwierigkeiten bestanden, dass ein grammatisch geschulter Ge-
lehrter sie nicht passend lösen konnte.
Bei den Vocalen waren die Umstände ungünstiger. Die
griechische Schrift bot an Vocalzeichen: a = a\ € ai = e] rj loistv
= i\ o u) = o\ ov = u; die diphthongischen Verbindungen av, sv
kommen nicht in Betracht, da sie bereits av ev (vor tonlosen Con-
sonanten af ef) waren, also in den betreffenden Silben nur das
vocalische Element a e darstellen. Dass im glagolitischen Alphabet
11*
1 64 A. Leskien,
die e-Zeichen oc ei v unberücksichtigt blieben, erklärt sich einfach
daraus, dass den Aufsteller der slavischen Schrift keine Kücksicht
auf Ueberlieferung oder Etymologie band. Die beiden einfachen
/-Zeichen /j l kehren wieder in s und t (mit der Variante s). Wie
weit bei dieser an sich überflüssigen Doppelheit oder Dreiheit doch
Berücksichtigung gewisser lautlicher Verhältnisse des slavischen
Dialects mitgewirkt hat, lasse ich hier ununtersucht. Die Zeichen
für a, e, o, u {a, €, o w, ov) konnten ohne Weiteres übernommen
werden.
Das glagolitische Alphabet besitzt an Vocalzeichen (die latei-
nische Umschreibung soll hier keine genauere Bestimmung geben,
sondern nur zur nächsten Verdeutlichung dienen) : + = a , 3 = e,
s «p (s) = /, 3 = 0, » = w, »e = % (dazu die Combination css cst [.««]
= 'y]j -6 := h, & = e (ja), fp =ju, s€ = ^, 3€ = e, ^a€ =jq. Zu den
durch o6, oQV, -8, A, §€, 3€,'»€ ausgcdrücktcn Vocalen hatte der
griechische Lautbestand keine Entsprechungen, die Buchstaben
sind daher aus Zeichen des griechischen Alphabets umgebildet
oder combinirt. Merkwürdig ist nun, dass auch von den Zeichen
für solche Vocale, die an sich lautlich im Griechischen und Slavi-
schen übereinstimmten, eigentlich nur zwei ganz gleiche Verwen-
dung gefunden haben, o ä = o^ ov f» = u. Dagegen bedeutet 3 so-
wohl e wie je (im Silbenanlaut), in derselben Weise s (t s) i wie
Ji. Für ja im Silbenanlaut und an Stelle des kyrillischen i e dient
das gleiche Zeichen a, 3€ dient für e und silbenanlautendes y^. Die
Lautverbindung yw aber wird von u regelmässig durch ein von » u
unterschiedenes Zeichen jp gegeben, und ebenso regelmässig y^
durch %e, unterschieden von 9e q. Warum, wird man fragen müssen,
hat jemand, der im Ju^Jq besondere Zeichen nöthig hielt, nicht
dasselbe Verfahren bei/e gegenüber e, bei/« neben i eingeschlagen?
Wer eine Combination von Zeichen iür Ju^ Ja ersinnen kann, wird
nicht in Verlegenheit sein, auch für andere entsprechende Laut-
verbindungen denselben Weg einzuschlagen. Es müssen daher
innere Gründe für die Unterlassung vorhanden sein, und diese
können nur liegen in einer Eigenthümlichkeit des altkirchenslavi-
schen Dialects.
Wenn sowohl /a wie der Vocal, der im kyrillischen Alphabet
einen von m verschiedenen Buchstaben i e hat und dort sicher einen
e-Laut bezeichnet, glagolitisch durch dasselbe Zeichen a aus-
Zur glagolitischen Schrift. 165
gedrückt wird, so kann das nichts anderes bedeuten, als dass ur-
sprüngliches ja und ursprüngliches e in der Aussprache einander
so nahe lagen, dass ein Zeichen für beide genügen konnte. Sie
brauchten darum nicht identisch zu sein, und waren es auch nicht,
denn während ein dem urspr. ja vorangehender Consonant, der ur-
slavisch palatalisirt war, mit dem Erweichungszeichen ^ versehen
wird oder versehen werden kann, >%v^ = hona^ geschieht das bei
A = urspr. e nicht: ■PA'sffcs. Wie das so verwendete a gelautet hat,
kann man völlig genau nicht bestimmen, man wird aber richtig
vermuthen, dass das a in/a und der dem e entsprechende Laut die
Färbung eines sehr offenen e [ä] angenommen hatten. Man konnte
also für das ä in altem ja und für das ä aus altem e denselben
Buchstaben anwenden. Es liegt in der Wiedergabe des Vocals
also keine Unvollkommenheit, sondern in der Wiedergabe eines
diesem Vocal vorangehenden palatalen Consonanten [n u. s. w),
wenn dieser nicht mit ^ versehen wird, wie etwa .■'§•? a statt ^i-PA.
Ganz auf derselben Linie steht der Gebrauch eines und desselben
Zeichen 3 für e und/e, s (t «) für i undy/, 3€ für e und/^, nach
palatalen Consonanten. Dass man so verfahren konnte, muss seinen
Grund in der Sprache selbst gehabt haben. Die Grammatik der
slavischen Sprachen ergibt sicher, dass nirgends urspr. j [t] nach
Consonanten erhalten geblieben ist; entweder es geht mit den Con-
sonanten eine diese zugleich verändernde Verbindung wie : kj — c,
gj — dz [z] u. s. w., oder der Consonant geht von der nicht pala-
talen Lage zur palatalen über (w, /', r). Bekanntlich neigen nun die
slavischen Sprachen dazu, die Palatalisirung weiter zu führen, in-
dem auch die palatalen Vocale [e- /-Laute) palatale Verschiebung
vorangehender Consonanten bewirken. Ich möchte dazu bemerken,
die Frage , ob diese Art der Palatalisirung bereits urslavisch be-
standen habe, ist eine Doctorfrage, denn es gibt wohl überhaupt
keine Sprache, in der die Organstellung der Consonanten vor
harten Vocalen (a, o, u] genau dieselbe wäre, wie vor den weichen
(e, *), z. B. ein w, ^ in ta to tu, na no nu lautet immer anders als
in te ti , ne ni. Es kommt nicht auf die Palatalisirung überhaupt
an, sondern auf deren Stärke, und diese kann sehr verschieden
sein. Nimmt man nun an — wie ich es annehme — dass im alt-
kirchenslavischen Dialect eine Erweichung der Consonanten durch
e-^-Laute in wahrnehmbarem Grade bestand, so muss man doch
166 A. Leskien,
daneben behaupten, dass sie graduell verschieden war von der
durch urspr. j bewirkten, denn es kann wohl z. B. s-a-ps^os =
konerm, doch niemals ^3 = ne geschrieben werden. Dieser Unter-
schied des Grades der Erweichung ist aber bei der Aufstellung der
Schrift unberücksichtigt geblieben , so gut wie bei a = ä. Lässt
man diese Auseinandersetzung gelten, so erhebt sich die weitere
Frage, warum irnje^ß^Jh^Je im Silbenanlaut kein besonderes
Zeichen gebraucht wurde. Der Ansatz eines silbenanlautenden
ji {(i), j'h {ih) ist von dem eines /, h bei prononcirter i-Stellung der
Organe überhaupt so gut wie identisch und besondere Zeichen waren
daher unnöthig. Bei e und § liegt die Sache natürlich anders, da
die Ansätze von e und ie, e und i§ wohl unterschieden sind. Hier
ist der Umstand entscheidend, dass es überhaupt kein silbenanlau-
tendes e, e in der Sprache gab, sondern nur ?'e, ie. Es konnte daher
bei der angenommenen palatalisirenden Wirkung des e, e auf vor-
angehende Consonanten , die man recht gut auch durch ie, i§ be-
zeichnen kann, das Zeichen für e 3 und das für e 3€ auch als je, je
im Silbenanlaut verwendet werden. Ganz anders lagen aber die
Verhältnisse heij'u, 'u, jq, 'q: es gab silbenanlautende /w und u, j'q
und q, nicht palatale und palatale Consonanten vor u und q, die
ihrerseits an sich vorangehende Consonanten nicht palatalisiren.
Hier konnte also, wenn die Schrift nicht ganz unvollkommen
bleiben sollte , eine Unterscheidung nicht entbehrt werden , daher
der allgemeine Gebrauch der Zeichen p- und ^. Was deren Ent-
stehung betrifft, so scheint mir fpju eine directe Uebernahme des
griech. to oder, mit Vereinfachung, des lov zu sein (vgl. kyr. lo).
Die erste Hälfte des ^ ist meines Wissens bisher unerklärt. Ueber-
legt man, dass im ältesten glagolitischen Alphabet € nicht an sich
Vocalzeichen ist, sondern nur die Nasalität des o § in »€, das e 3 in
3€ bezeichnet, so muss auch in dem Theile ^ des ja der eigentliche
Vocal stecken. Die Gestalt dieser ersten Hälfte des Buchstaben
sieht in den ältesten Denkmälern so aus ^ Q, und ich glaube
man darf annehmen, dass in ihr enthalten ist das o-Zeichen § mit
einem darüber gesetzten diakritischen Zeichen "", dass dann aus
der Verschlingung der beiden Bestandtheile die überlieferte Form
entstanden ist. Die älteste Anwendung des '^ wäre darnach hier
zu suchen, später wurde es als Erweichungszeichen, also eigentlich
im selben Sinne wie hei j'q, über palatales n, I, r und gelegentlich
Zur glagolitischen Schrift. 167
sonst gesetzt. Ich lasse es dahingestellt, ob das Zeichen ^ nicht im
letzten Grunde auf griech. i zurückgeht.
Schwierig ist die Frage, was die Zeichen c8 *, -e % eigentlich
ausdrücken sollen. Jagic meint, <« sei aus dem o -Zeichen s mit
diakritischem Beistrich, ■& aus dem e'-Zeichen 8 mit demselben an-
gefügten Element hervorgegangen. Das würde stimmen zu der
allgemeinen Vorstellung, dass ^ einen o-w-artigen, h einen 2-e-artigen
Laut enthält. Aber mir erscheint die Annahme unwahrscheinlich.
Thatsächlich sehen die Buchstaben, wenn man die Ansätze, bei ^ das
CN, bei h das >- abzieht, in der handschriftlichen Ueberlieferung ganz
gleich aus, auch die Variationen sind bei beiden gleich, man
kann bei beiden sowohl ein deutliches o -Zeichen § wie ein mehr
oder minder dem s i gleichendes herausfinden, und ich komme
nicht darüber weg, dass dies gleiche Element so aufzufassen ist,
wie das € in se ^, 3€ ^, d. h. eine bestimmte Nuaneirung des eigent-
lichen Vocals, der in der ersten Hälfte des Buchstaben ausgedrückt
ist, bezeichnen soll. Darnach wäre also in den Beistrichen «^^ >-
der eigentliche Vocal zu suchen, in dem gleichartigen Zusatz die
Modificirung. Bei der Frage , woraus dieser Zusatz entstanden ist,
muss man auch die Bezeichnung des y heranziehen. Das y war
sicher kein diphthongischer Laut, es hatte so wenig wie ^fbim
griechischen Lautsystem eine Entsprechung, und es bleibt doch
auffallend , dass der Aufsteller des Alphabets dafür kein einheit-
liches Zeichen gefunden hat, sondern zwei Buchstaben, <«8 [oqt, <««)
zusammenstellt. Im Princip ist das genau wie die Anfügung des €
bei »€ q und 3€ e; das dem "Q beigegebene e-Zeichen muss also be-
deuten ein dem ^ sich näherndes os. Dabei kommt in Betracht, dass
y als die dem ?> entsprechende Länge auftritt ; lange oder irgendwie
gedehnte Vocale sind aber in der Regel geschlossener als die ent-
sprechenden Kürzen, so dass bei y eine ziemlich starke Annäherung
an ^ empfunden werden konnte; es geht ja thatsächlich früh in i
über. Wendet man den Satz, dass die zweiten Hälften der zu-
sammengesetzten Buchstaben die Modification eines durch die
ersten Hälften bezeichneten Vocals ausdrücken sollen, nun auf ««
und -8 an, so scheint es mir möglich, dass in dem Ansatz o^ von c:8
das o -Zeichen, in dem Ansatz >- von -8 das e-Zeichen verwendet
ist, und dass in dem zweiten Theile 8 das e'-Zeichen steckt. Durch
die Anfügung des i wäre dann der ö-artige Laut des ^ aufgefasst
168 V. Gardthausen,
als eine nach i hinneigende Modification des o, der e- artige Laut
des h als eine nach i neigende Lautung des e.
Nach den vorgetragenen Ansichten erscheinen die Buchstaben
8€ 3€, c85, cö flj d. h. die nicht durch ein einfaches Zeichen aus-
gedrückten Vocale, nach einem einheitlichen Princip gebildet; die
erste Hälfte enthält die eigentliche Vocalbezeichnung, die zweite
deren Modification. Zu dem zusammengesetzten Vocalzeichen ge-
hört noch » u\ hier liegt die Sache aber anders, da auch das
Griechische das Doppelzeichen ov hat, und ich meine, es liegt in
dem glagolitischen Buchstaben nichts anderes vor als die Stilisirung
der griechischen Buchstaben Verbindung. A. Leskien.
Eine alt-russische Schrift.
Dass die Russen mit dem Christenthume ihre Schrift von den
Byzantinern erhalten haben, ist eine unbestrittene und unbestreitbare
Thatsache. Aber dabei wäre es doch wenigstens denkbar, dass einige
Theile oder Volksstämme dieses gewaltigen Reiches in alter Zeit sich
zunächst einer anderen Schrift bedient hätten, bis auch bei ihnen das
allgemein-russische Alphabet den Sieg davon trug. In der That glaubte
ein Akademiker in S. Petersburg eine derartige Entdeckung gemacht
zu haben:
Origine syrienne des lettres russes primitives.
M. Fraehn, savant orientaliste, a trouv6 dans un auteur arabe, Ibn-
abi-Yakoub-el-Nedim , qui ecrivait en 987, un passage constatant qu'ä
cette 6poque les Kusses possedaient dejä Tart d'ecrire. Cet auteur nous a
meme conserv^ un modele de l'ecriture russe du dixieme siecle. Ces
caracteres ne ressemblent ni ä l'alp habet grec, ni aux rhunes des peuples
scandinaves ces anciens lettres russes, si difförentes de
tout autre aiphabet, ont la plus grande analogie avec les inscr. non encore
expliquees, tracöes sur quelques rochers entre Suez et le mont Sinai.
s. Annales de philos. chretienne pp. Bonnetty N. S. 13. Paris 1836, p. 80.
Sowohl in dem dort citirten Journal des Ministeriums i. Volksauf-
klärung, wie in den Schriften der S. Petersburger Akademie hat der
Entdecker dieser wunderbaren Thatsache von seinem Funde berichtet :
Eine alt-russische Schrift. 169
Ch. M. Frähn, Ibn-abi-Jakub-el-Nedims Nachricht von der Schrift
der Russen im X. Jahrh. n. Chr. — s. M^m. de l'acad. Impör. des scien-
ces de S. Petersbg. VI S. Sciences polit. etc. t. 3. S. Petersbg. 183G.
S. 507. S. 513 Text, Uebersetzung u. Facsim. (das unten nach einer
Durchzeichnung wiederholt ist).
Die Uebersetzung lautet:
Die russische Schrift.
Jemand, dessen Worten ich trauen darf, erzählte mir, dass einer von
den Koenigen des Berges Kabk (d. i. des Kaukasus) ihn an den Koenig
der Russen geschickt habe ; und er nahm davon Veranlassung zu der
Bemerkung, dass diese eine Schrift hätten, die auf Holz eingekerbt
werde. Dabei zog er ein Stückchen weisses Holz hervor, das er mir
hinreichte. Auf demselben waren Charactere eingeschnitten, die, ich
weiss nicht, ob Wörter oder isolirte Buchstaben darstellten. Hier ihre
Nachbildung (siehe unten).
Von befreundeter Seite wurde mir mitgetheilt, dass man den ara-
bischen Text und das dazu gehörige Facsimile jetzt besser findet in der
neuen Ausgabe Kitäb al-Fihrist, hg. v. Flügel. Lpz. 1871. Bd. 1
(Text) S. [20].
Frähn schliesst an diesen ganz verständigen Text seines arabischen
Gewährsmannes einige Bemerkungen, welche diese interessante That-
sache illustriren sollen und vergleicht S. 5 1 7 diese wunderbare russische
Schrift mit sinaitischen (d. h. nabataeischen) Characteren, welche zum
Vorbild gedient haben sollen. Ohne auf die Bedeutung der Zeichen
einzugehen, malt er orientalische und russische Zeichen untereinander
russische Schrift
sinaitische Schrift
und behauptet dann, die einen seien aus den andern abgeleitet. Frähn's
Erklärung ist viel auffallender, als die Behauptung seines arabischen
Gewährsmannes. Die Russen waren im X. Jahrhundert durch die
170 V- Gardthausen,
Tartaren des heutigen Südrusslands, das Schwarze Meer, Kleinasien und
Syrien vom Sinai getrennt, durch eine Reihe von Völkern, die eine
eigene Schrift hatten, und es ist kaum denkbar, dass sie sich das
Vorbild ihrer Schrift von den Ufern des weit entfernten Rothen Meeres
geholt hätten; namentlich im X. Jahrb., in dem nach der gewöhnlichen
Annahme die heutige Schrift der Russen bereits erfunden war. Und
wenn man näher zusieht, so ist die Aehnlichkeit der Schriftzüge keines-
wegs so gross, wie Frähn behauptet; und selbst wenn sie grösser wäre,
als sie ist, so würde jeder verständige Beuitheiler dennoch die weit-
gehenden Folgerungen ablehnen , die Frähn daraus ziehen wollte ; bei
der Art und Weise, wie der arabische Schreiber ihm fremdartige Schrift-
arten wiedergibt, würde man eher an eine flüchtige Nachbildung oder
an eine irrthümlicheVertauschung unverstandener Schriftproben denken,
die entweder dem Verfasser, oder dem Abschreiber passirt wäre. Ich
weiss nicht, dass Frähn^s wunderbare Hypothese jemals widerlegt ist,
glaube aber annehmen zu dürfen, dass es heutzutage Niemand gibt, der
es wagen wird, sie zu vertheidigen.
Wie bereits gesagt, ist das Wunderbare und Unglaubliche erst
durch Frähn in diese Controverse hineingetragen, der arabische Text
ist durchaus verständig und verständlich, wenn wir ihn nur so wörtlich
wie möglich fassen. Die »Schrift, die auf Holz eingekerbt« wird, muss
man nämlich als Kerbholz-Schrift^) auffassen.
Als Rest einer schriftlosen Zeit findet sich das Kerbholz fast bei
allen europäischen Völkern 2]. In Deutschland 3) hat es sich bis ins
XIX. Jahrh. gehalten und ist vielleicht, auch jetzt in abgelegenen
Theilen noch nicht vollständig verschwunden. Auch bei den skandi-
navischen Völkern sind vielfach Runen als Kerbholz-Zeichen verwendet.
»Selbst die im Gebiete des russischen Gouvernements und ehemaligen
Königreiches in Asien, Casan, wohnhaften heidnischen Völker, die
Tscheremissen, Tschuwaschen und Wotiaken, nehmen bei Schuld-Ver-
schreibungen zwey Kerb-Stöcke, die sich ineinander passen, und schnei-
den auf dieselben so viele Kreutze oder Striche, als die Summe des
1) Sam. Stryck, Dissertation, juridicarum vol. III, Francof. 1743, p. 219 :
De bacillis fissis vulgo Kerb-Stöcken.
2) Kerbholz, niedersächsisch Karvstock, schwedisch Karfstock, mittel-
alterl.- lateinisch bacillus fissus, tessera lignea, französisch Taille, Oches;
Krünitz, Encykl., s. u.
3) Grimm, Deutsches Wörterbuch 5. 562 u. d. W. Kerbholz.
Eine alt-ruBsische Schrift. 171
Geldes in Griwen oder Kopeken beträgt. Ein jeder, der Gläubiger und
Schuldner, schneidet auf seinem Kerb-Stocke zu Ende, wo die Kreutze
und Striche aufhören , sein angenommenes Zeichen statt der Hand-
schrift. Die Zeichen sind z. B. <^, ^, 6, X, H u. dergl. , wie es
einem jeden in den Sinn kommt, dergleichen zu wählen, dessen er her-
nach bey aller Gelegenheit, wo Unterschrift nöthig ist, sich zu bedienen
pflegt. Darauf werden die Kerb-Stöcke gegen einander ausgewechselt,
und sind bey ihnen so gültig, als bey uns die kräftigsten Verschrei-
bungen. Doch geht solches nur in Geldsummen, die nicht über 10 Rubel
sich belaufen, an. Müllers Samml. russ. Geschichte 3. St. Petersbg.
1758, S. 363 f.((i).
In unseren Museen findet man garnicht selten Kerbstöcke mit
Runen oder runen-ähnlichen Zeichen und der von Frähn so weit weg-
geworfene Gedanke, dass die Runen das Vorbild dieser altrussischen
Schrift gewesen, wird jedenfalls der Wahrheit näher kommen, als seine
eigene ganz unglaubliche Hypothese. Auf das Lesen und Erklären im
Einzelnen wird man allerdings bei diesem Facsimile verzichten müssen;
da die Schriftproben der europäischen Völker im Fihrist vom Verfasser
sowohl wie von seinen Abschreibern unverstanden nachgemalt und viel-
fach entstellt sind. Aber vielleicht führt der Querstrich, der in so auffallen-
der Weise fast das ganze Facsimile durchzieht, auf die richtige Spur.
In seiner ausgebildeten Form bestand das Kerbholz nämlich aus
zwei gleichen aneinanderpassenden Holzstäben , von denen der eine
sich in den Händen des Käufers befand, der andere aber in denen des
Verkäufers (beide Ausdrücke im weitesten Sinne des Wortes).
Beim Abschliiss eines Geschäftes legte man beide Stäbe anein-
ander; der eine der Contrahenten schnitt auf seinem Stabe eine Kerbe,
deren Bedeutung beiden bekannt war, die sich auch auf dem zweiten
Stabe fortsetzte. Die Fuge zwischen Stäben ist also für diese Art der
Kerbholz-Zeichen besonders wichtig ; sie muss in einer Nachzeichnung
auf Papier als ein Quersti'ich erscheinen, der die Zeichen durchschneidet,
welche sich zu beiden Seiten meist rechtwinklig an diesen Querstrich
anschliessen. Gerade dieser Querstrich tritt aber in der Nachzeichnung
des orientalischen Schreibers (s. o.) ganz besonders deutlich hervor, so-
wohl auf der rechten (wo er etwas geschwungen ist) wie auf der linken
1) Krünitz, Oekonom.-technologischeEncyklopaedie u. d. W. II. Aufl. 37.
Berl. 1794. S. 2—3. Vgl. Fr. Krauss, Ztschr. f. Ethnologie 18. 1886. S. (384)
Botenstöcke b. den Slaven (m. Abbild.).
172 V. Gardthausen, Eine alt-russische Schrift.
Seite, Er sollte eigentlich natürlich gerade durchlaufen; in der Mitte
müssen wir ihn uns also natürlich ergänzen. Ich denke mir die in der
orientalischen Handschrift entstellten Kerbholz-Zeichen der Russen also
ungefähr so:
f^%n<-ß-i^pj^
Wenn wir das Facsimile von diesem Standpunkte aus betrachten,
so scheinen die Zeichen des obern Stabes {A) ausgebildeter und mannig-
faltiger zu sein als die des unteren {B); man sieht dort 3+1 + 1
gerade Striche, die von A nach B durchlaufen, die aber nur auf A mit
einem kleinen Kreise oder Punkte ansetzen, die stets auf der anderen
Seite fehlen; sie sind also wahrscheinlich das Kennzeichen der Partei A.
Von den Zeichen <^ ^ <|^ X H , die von Krünitz (s. o.) als Marke der
Personen angeführt werden, erkennt man im mittleren Theile <^; dass
wir in dem ersten Zeichen links ein verstümmeltes ^ zu erkennen
haben, erscheint doch nicht recht wahrscheinlich.
So schwinden also auf der einen Seite die vermeintlichen Spuren
einer alten orientalisch-russischen Schrift und verwandeln sich vielmehr
in Reste der uralten Kerbholz-Zeichen, die bei fast allen europäischen
Völkern und ins Besondere auch bei den Russen gebraucht wurden. Bei
den Deutschen wurden sie im Volke noch angewendet in einer Zeit als
eine wirkliche Schrift längst Allgemeingut geworden war; es ist also
durchaus nicht auffällig, dass das russische Volk diese primitiven popu-
lären Zeichen beibehielt, als die russische Kirche sich bereits des heu-
tigen, aus dem Griechischen abgeleiteten Alphabetes bediente.
V. Gardthausen.
Anm. Der russ. Akademiker Baron Rosen hatte die Freundlicheit,
meine Aufmerksamkeit auf das wohlbekannte Werk Harkavy's (CKasaHifl My-
cy.ai>M. nacaTejieä o cias. u PyccKHXi.. ClXöri. 1870) zu lenken, wo S. 241 — 244
einige, jetzt allerdings zun Theil schon veraltete Bemerkungen zu Fraehn zu
finden sind. Das Buch »CiBepHtiii pfonoii Ka-ieHjapi.« von Vjac. Sreznevskij
(SPtbg. 1874) berührt die Frage über die angebliche alte Orient, russ. Schrift
gar nicht, es beschränkt sich auf den Runen-Kalender. Selbstverständlich
hält auch Baron Rosen die Ansicht Fraehn's für verfehlt, dagegen die von
Prof. Gardthausen eingeschlagene Richtung nicht für aussichtslos. Freilich
sei die Ueberlieferung der Zeichen ganz verzweifelt. F. J.
173
Le prix normal du ble ä Constantinople pendant le
moyen äge et le Code de Stephan Dnsan empereur
des Serbes.
Quand je m'occupais (1898) de la seconde Edition du Code de Ste-
phane Dusan, j'ai ränge le manuscrit du Code dösignd Rakovacki ä la
fin de la Serie des copies qui nous ont conserv^ le mieux ce monumen-
tum aere perennius de l'empereur serbe.
Le manuscrit Rakovacki contient une douzaine d'articles du Zako-
nik qui ne se trouvent dans aueune autre des copies. Le copiste a pos-
sede un manuscrit plus ancien, appartenant evidemment ä la seconde
eathegorie des textes (comprenant, selon moi, les changements d'une
revision du XV siecle), qui s'est malheureusement perdu. Est-ce que la
douzaine d'articles, uniquement conserve'e dans le Rakovacki, appartient
ä cette revision ulterieure du Zakonik ou est-ce qu'elle n'appartiendrait
plutot ä la redaction premiere ? Ce sont les questions auxquelles nous
ne pouvons r^pondre que par des suppositions. Au lieu de nous y
^garer, tächons de mieux connaitre ce qu'il y a dedans.
L'article 198 (de mon edition 1898) appartient ä la douzaine sus-
mentionn^e et a le texte suivant:
/I^oxoäbkl i];apcKLiH, coKie h naMext h apaqt, ^a Aasa BLcaKb mjio-
BiKL — KLÖtjib KHxa, nojOBHHa qucTaa a no^iOBHua npinpocxa, bojim
nepnepB ;i;HHapMH, a poKt xoMoy jkhxoj /i;a ce oycnna na MnxpoBb
;i;i)HL, a ApoyTUH poKB Ha Pea^^texBO XpHCXOBO, etc.
II y a une chose qui se deduit de ce texte, c'est l'equivalence pos^e
entre le kböBjIl aciixa et entre le nepnept AHiiapjiH. Dans les expli-
cations de cet article (p. 265 Edition 1898) j'ai dömontre que le kböbüb
est la meme chose que le mbxl — modius.
L'equivalence du perper et du modius de bl^ au XIII — XIV siecle
peut etre constatee aussi dans les traites de l'Empire Byzantin avec la
Röpublique de V^nise.
Dans le traite du 8 juin 1265 l'empereur Michel Paleologue fixe la
regle : Et habeant Veneti libertatem extrahendi frumentum de terris Im-
perii mei et ponere illud ubi volent, salvo quam in terris inimicorum
174 St. Novakovic, Le prix normal du ble ä Constantinople etc.
Imperii mei. Verum quando frumentum venditur a quinquaginta
yperperis supra centenarium in Constantinopoli, quod tunc ipsi non
possint entere pro transportando ipsum ('Orav de TrwXf^rat t6 /.ev-
TrjvaQiov 6n:ey.etva tOjv TtevTrjycopra VTteQTraQcov, ov fj.i]v l^covcovrai
avTÖv).
La meme stipulation se trouve plus clairement exprimee dans la
rdnovation du meme traitö le 15juin 1285 sous l'empereur Andronique :
Item habebunt libertatem Veneti emendi frumentum et extrahere ipsum
de Imperio nostro cum navibus eorum seu lignis, aut forinsecorum, et
quocumque voluerint portare predictum frumentum excepto ad terras ini-
micorum Imperii nostri, quandocumque centum modia frumenti volue-
rint yperperorum centum et infra; et si ultra valuerint, quam centum
yperperorum centum modia frumenti^ non possint extrahere de Im-
perio nostro sine licentia Imperii nostri. (Tafel u. Thomas, ürk. z.
alt. Handels- und Staatsgeschichte d. R. Venedig. III, 74, 85, 331).
Les memes traitös furent renouvel^s encore: le 11 novembre 1310, le
25 mars 1342 et le 9 septembre 1349 (Thomas, Diplomatarium veneto-
levantinum 1300—1350. Venetiis 1880, p. 82, 257, 341).
II est donc clair que le prix normal du ble dans les etats balca-
niques du moyen äge etait un perpere par modius et que cette stipula-
tion du Code Dusan selon le texte Rakovacki se confirme par d'autres
documents contemporains.
Kuokkala (Finlande), le 7/20 aoüt 1904.
St. Novakovic.
175
CoKK et coKajiBHHKB dc la Scrbic du moyen äge.
C'est presque tonte ma vie que j'ai pass^e ä lire et ä refeuilleter
des documents serbes du moyen äge. Je dois reconnaitre que j'ai eu
recours tres rarement aux documents byzantins contemporains. L'ete
passö, ayant eu un peu plus de loisir, je me suis mis ä prendre en con-
sid^ration le diplomatarium balcanique de son cote byzantin. L'effet de
cet essai a 6t6 tres interessant, J'emportais l'impression qu'on doit
avoir quand on lit un original apres en avoir longtemps lu seulement
les traductions. J'avais devant moi une fois aussi les modeles qui
avaient servi ä nos logothetes. Certaines cboses s'expliquaient qui me
tourmentaient depuis longtemps. Je communiquerai ici ce que m'ont
inspire les lectures mentionnees sur les deux termes serbes du moyen
äge insuffisamment expliqu^s — sur le cokk et sur le coKajtHHKt.
I.
L'explication du cokk a et6 tentee il y a döjä trente ans par
Miklosich et Daniele. Dans son PjeynHK h3 KH.H^eBHHX cxapHHa
cpncKHx Daniele sous cohL explique ce terme comme 6tant provenu du
latin medi^val soca, socagium et dit qu'il signifie tributum frumenta-
rium. A la fin des citations il le met en correspondance avec le mot
coKaJbHHKB , indiquant par lä la meme provenance des deux termes.
Cette explication se retrouve chez Miklosich dans son Lexicon palaeo-
slovenico-graeco-latinum. Quant au coKajiLHHKi. nous lisons chez
Miklosich que ce terme indique le »colonus qui tributum cohb dictum
pendere debebat, mlat. socamannus«.
La premi^re objection qu'on est force de faire ä ces explications
consiste dans ce qu'elles ne tiennent aucun compte des institutions
byzantines. Toutes les citations du feu Daniele nous portent dans les
pays de la Serbie centrale ou Orientale qui n'ont jamais öte sous le
regime des feodaux d'occident. Or ces pays-ci ont souvent change le
regime byzantin contre le regime slave, et on sait depuis longtemps
d^jä que ces changements n'etaient rien autre que des changements de
personnes dans la haute administration. Sauf les changements provenant
(probablement encore sous le regime byzantin) des circonstances locales,
le Systeme administratif etait toujours celui qui fut inaugure une fois
176 St. Novakovid,
pour toutes par les autorit^s imperiales de Constantinople. Le grand
centre ne perdait jamais son prestige legislatif, ne cessait presque Ja-
mals de legif^rer pour la Presqu'ile Balcanique toute entiere meme
alors quand eile etait demembr^e en plusieurs etats. Et comme il est
incontestable que Vordre administratif dans l'Empire Byzantin differait
de celui des etats europöens occidentaux, malgr^ la base romaine iden-
tique, il y a peu de chance qu'on puisse maintenir l'explication pure-
ment occidentale du terme cokk chez Miklosich et chez Danicic. Iiie-
vitablement , on doit chercher une explication qui se rapproche des
institutions byzantines et de l'ordre qui provient de celles-ci.
Toutes les citations qu'on pourrait actuellement compulser sur
eoKie DU cofeB comportent que c'6tait une contribution imperiale et
regalienne. Nous nous bornerons ä ne citer que le bon texte du Code
Dusan, l'article 42 de 1349 qui dit: II öauiTHHe Bi.ee Aa coy cboögahc
OTt Bi.cix:L paöoTB H no^antKL uaptcTBa mh, pasBi ^a Aaio coioe, h
BOHCKoy Aa BOioio no saKOHoy. Tous les patrimoines, contre le Service
militaire obligatoire, ^taient, par cet article, exempts de toutes les cor-
v^es (dont le role 6tait tres grand dans les etats mddi^vaux) et de toutes
les contributions de l'Empire except^ le cokk et le Service militaire.
L'article 198 (provenant malheureusement des copies tardives inter-
polees) nous apprend que cokk consistait dans un modius du ble ou
dans un hyperpere en argent. Les autres sources nous informent que
c'etait une dime d^stinee ä l'usage de l'autorite centrale, c'est-ä-dire de
la couronne. II y a beaucoup de cas oii les souverains, en cedant aux
monasteres certains villages ou terres, se desistaient de cette contribu-
tion obligatoire pour tout le monde , en faveur des ^glises. C'est une
confirmation par les faits de l'article sus-mentionn6 du Code Dusan.
L'excellente dissertation de H. Geizer Die Genesis der byzantini-
schen Themenverfassung (Leipzig 1899) mentionne ä la page 122 ce
qui suit: Wichtig ist Ibn Hordadbehs Bemerkung, dass der im ganzen
Reiche in natura erhobene Getreidezehnten in erster Linie dazu diente
die grossen Proviantmagazine der Kaiserlichen Armee zu füllen. Les
documents byzantins du XI. siecle nous permettent d'entrevoir les roua-
ges de l'administration byzantine ä Constantinople. D'apres les chryso-
bouUes de l'empereur Michael VII. Ducas (1071 — 1078) de l'annöe
10741) on voit que Tadministration ä Byzance ^tait partagee en diS6-
1) Fr. Miklosich et Jos. Müller, Acta et diplomata medii aevi I, 134.
CoKK et coKajBHHKB de la Serbie du moyen äge. 177
rent3 0€aq€tov. Ces aexgerov devraient correspondre ä ce qu'on
appelle actuellement le ministere. On en mentionne: ro oexgerov tov
ysviyiov loyod-itov\ ro OEy.Qerov tCov oi'/.Eia-/.Cov (pour lequel
M. L. Petit dit qu'il d^signait le bureau Charge d'administrer la fortune
particuliere de l'Empereur. ILiBtcTin PyccK. Apxeo.iorHy. Oum,ecTBa
B-L KoHCTaHTHHonOjii, VI, 51); lo G8'^Q€Tov Tfjg aayiiXXrjg; ro
ot'/.qixov TOV oi'/.ovoi.iiov rüv Evay(bv o'iy.iov. ro aexQSTov tov
orqciTuoTi/.ov XoyoS'erov. Le chrysobouUe et ses Privileges furent
enregistres dans tous ces OE-AQeTd. Quand la meme chrysobouUe fut
confirmee par l'empereur Nicöphore III Botaniate (1078 — 1081) on
jugea utile d'indiquer comment, sous quelle date eile avait et6 enre-
gistree dans le aey.qirov T\g oay.ü.hrjg et aussi dans le oe/.QeTOv tov
fieyaXov oaxelXagiov ^]. Le meme empereur, voulant exempter le
monastere de St. Jean Prodrome cctto re tCov /mtu y.aiQovg cayella-
gitov Tü)v iTtl Tfjg r^i^iETeqag aa/Jlkrjg yal tov ßeoTiaQiov confere au
dit monastere une chrysobouUe en aoüt 1079 ^j. L'enregistrement d'une
autre exemption semblable ev tm GEyqeTio Tfjg aaye?J.rjg est mentionnö
dans les chrysobouUes de l'empereur Alexius I. Comnene en 1088,
destin^es aux moines de l'ile de Patmos^). Dans une sceau de plomb
de la meme annee lOSS on lit l'inscription: 6 ßaailiy.bg voTaqiog tov
OEyQETou tov oay.eX?.aQiov y.QiTrjg /.cd avuyqacpEvg tGjv Kv/.Xccdiov
vrjGiüv*]. Une autre exemption sous l'empereur A, Comnene du juillet
1099 fut aussi enregiströe Iv Tcp OEy.QExo) Tf^g ßaailiyf^g GayeXXr^g^].
Sous l'empereur Manuel Comnene, en 1145, au mois de mars fut en-
registree une exemption pour les moines de l'ile de Lere (Cyclades) Iv
T(o GEy.QETcp Tf^g ßaGiXiTifjg GaxEXkrjg^), avec indication de la date de
l'enregistrement.
II est tout-ä-fait clair que le GEy.QETOv Tf^g ßaGiXi/.f^g Ga-KskXrjg
etait la grande caisse imperiale qui exigeait la taxe prescrite de tout le
monde, qui avait ses organes et ses fonctionnaires partout dans l'empire
et qui devait etre saisie officiellement de chaque exemption imperiale
pour que celle-ci püt etre eflfectuee. Tb gev.qetov rfjg ßaGiXr/.f}g
GayiXXr^g ä Constantinople fonctionnait donc comme aujourd'hui le
tresor ou le ministere des finances. D'apres un prostagma de l'empereur
A. Comnene, de l'annöe 1094, qui nous apprend que l'empereur etait
1) Acta et diplomata graeca V, 138. 2) Acta VI, 21.
3) Acta VI, 49, 53. *) Acta VI, 57. 5) Acta VI, 94—95. 6) Acta VI, 105.
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 12
178 St. Novakoviö,
autorise de conferer au patriarcat la nomination t(^ (.leyaho oiy.ovöuo)
— T(^ l-ieyüXo) oa'/ieX'kaqidj — T(p aeyaXo) oy.£vo<f)v?yay.i — y.ai r^
oay.eX'kiov on voit que le meme rouage administratif fonctionnait aussi
au patriarcat i). L'institution me rappelle les mots russes Kasna, Kaseu-
Htiä et KaseHHoe le fisc, le tresor; fisc et tresor, qui non seulement
remplacent completement les termes byzantins t] ßaaiXiKr] aaxeXXrj et
rfjg ßaaiXr/.rig oaziXXrjg^ mais semblent y etre calquös entierement.
Je n'entre pas dans l'explication etymologique de mots Kasna et
KaseuHBiil.
Et c'est sur ces bases que j'oserai hasarder mon explication du
COKK en Serbie. 11 me parait que aa/JXXr] (prononcee cahe.iii) et cokk
correspondent aussi completement qu'il est nöcessaire. Tous les x« grecs
devenaient regulierement en serbe he. On peut trouver dans le diction-
naire de Daniele toute une coUection de mots medievaux oubli^s, avec
d'autres qu'on parle encore aujourd'hui: he^ipb, heJiHM, he<i>ajiHH, heuTH-
HapL, hHBOT, hepaMHAa, hupiiua, etc. A l'occasion des conquetes de
provinces qui alternaient tantot au profit des uns et tantot au profit des
autres, on changeait les fonctionnaires serbes contre les fonctionnaires
byzantins et vice versa, mais la contribution rjjg aaxiXXrjg restait teile
quelle et changeait seulement sa forme grecque contre la forme serbe
ou reciproquement.
II.
L'^ancien terrae de la Serbie du moyen äge coKajitiiuKb n'a rien de
commun ni avec lat. socamannus ni avec le m. -serbe coKie.
J'ai ddjä Signale une explication differente de celle de Miklosich
et de Danicic' dans la deuxieme Edition du Code Dusan ä Tarticle 107
du Code oii le mot coKajibHUKt est employe^). Selon les donnees y men-
tionnöes j'ai mis en avant que coKa.i[i>HHKi> ne signifie pas une classe
particuliere des contribuables, mais un artisan, un cuisinier ou un bou-
langer ou peut-etre le ma^on qui se connaissait dans la constraction des
ätres ou des fourneaux de l'dpoque. Comme la chose a trait aux usages
du moyen äge, on doit prendre en consideration la diflf^rence des con-
structions memes servant aux besoins indiques qui, surtout dans la
Presqu'ile Balcanique, echappe aux observations plus precises. Je
reviens ä cet objet d'abord ä cause de la connexion d'idees chez
1) Byz. Zeitschrift III, 19.
2) SaKOHHK Cie^aHa /lymana. Beorpa;i; 1898, pag. 211.
CoKK et coKa;itiiuKB de la Serbie du moyen age. 179
Miklosich et Daniele, et aussi parce que 9a se dövoile tres clairement
par les comparaisons des textes byzantins et des traductions slaves.
L'explication erron^e de Miklosich et Daniele a donnd lleu ä beaucoup
de combinalsons essayant de dömontrer quelle etait cette claase du
peuple Serbe qui s'appellait coKaJibimi^H, qul, certainement, s'ecroulent
d'elles-memes aussitot qu'on fait voir que coicajibHHKh n'ötait qu'un
simple artisan.
Nous commencerons notre enquete par les lols byzantines.
Le recuell de M. Viastar dans le oroixelov v. (edltion athenienne
Rhalli, p. 313) contient la loi du Procheiros Nomos eh. 38, p. 17:
OvTE cpovQvoVy ovxe eariav ev rw l7ti-/.oiv(o toIxm övvar ai rig
TTOLElv. Le traducteur serbe de Viastar du XIV siecle, contemporain
de St(§phan Dusan, reproduit le meme texte en slave par les mots:
Hnace neuiTt , HHJKe coKajii.HHi],oy bb oöbuitsh ct^h^ hb Moacexb kto
TBopHTH. La meme loi a ete traduite encore une fois pour la Serbie au
commencement du XIII siecle dans la KpLMfcqaM du St. Sava oü le
meme paragraphe se trouve dans le Procheiros Nomos — rpaAbCKLiH
3aK0Ht. Le texte grec du Procheiron contient une phrase supplementaire,
rendue aussi dans la traduction slave. Le texte du Procheiron est le
suivant: Ovre. cpovQvov, avve nvQY.a'Cav ev rcp eTtiy.oivco rolyji)
dvvarai rtoiElv^ iv ih tbi^ iTtiy.otvov roly^ov viib xov Jivqog v.cxTa-
ß)M7tTsad-ai. Ce qu'on a traduit par les mots slaves: Hh nemTH, hh
noBapLHHu;e npisb bahrs wöbuiToy ct^hs hb MoacBXb HHKbxo^B
TBOpHTH, HMbaCB OÖbmTJsK) CT^HOy OrbHb BpijKAaKTb 1).
On voit donc que les mots grecs eoria ou 7tVQ%aläy le feu, le
foyer, sont traduits en slave une fois (au XIV siecle) par coKajibHHua
et une autre fois (au XIII siecle) par noBapbUHi^a.
Dans la chrysobouUe du roi Miloutine (Stephan Uros II) de 1322
on remarque que coKajibinma prenait quelque fois la forme masculine.
On lit dans cette chrysobouUe: II cinoKomb mxo le kochjio KpajiKBbcxBO
MH, HiiavB coKa.ibHHKa, H cb sbmjIbh) u'Xb xora ciHOKoea npaso ÄOJiOMb
ropi c xiMHSH HHBaMH Ha apxHKHHCKoynoBO cxaHHmxe h ujxb xoy rope
oy no;ie2). II parait que le texte veut parier d'une construction k
fourneau ou au foyer public. On ne peut pas 1 expliquer avec plus de
1) TjiacHiiK 2or OÄ. VIII. Apx. H. ityquha KpMiuja Mopa^Ka, p. 116. Nous
avons remplace la lecture erronee numm par neiuxu.
2) Miklosich, Mon. serbica, 563.
12*
180 St. Novakoviö, Cokk et coKajtHHKb de la Serbie du moyen äge.
precision sans une connaissance exacte du mode des constructions de ce
genre au XIV siecle.
Un extrait d'un manuscrit de la Bibliotheque Nationale de Beigrade
No. 60, f. 159 contient le texte qui montre la meme signification du mot
coKajitiiHi^a : Et eoKajiBHHi^H .ih re coyxt nocxaBHJiH, noMemi öarpeiu-
TBK HJiH M^At KOBoynixeie, H2Ke HomTL HKO AtHt coBptmaiomTe et
ü/rHieMt öopoyinTe ce h BjacTii noKapaiouiTe ce, wtl KHest cToy-
acaKMH.
Par tout ceci se trouve confirme l'article 107 du Code Dusan:
Kto ce HaHÄ© otöhbl coy^HHa coKajiBiuiKa h.ih npHCTaea, Aa ce n.iiiiH
H Aa Moy ce B'Ece oysMi niTO ima. II parait qu'on a vite oublie le mot
et la signification de la coKajiBHHiia apres le XIV siecle, car les textes
du XV siecle interpolent dejä noctJifcHHKa au lieu de coKajitHHKa.
Et on voit clairement que coKajbHHKt n'etait autre chose que
l'homme prepose aux cuisines et aux foyers ou un artisan qui construisait
ce qui y ^tait necessaire. L'insuffisance de nos connaissances sur la
construction des foyers et des cuisines nous empeche de nous prononcer
plus precisement. Le Procheiros Nomos dans son chapitre ne menti-
onne pas des cheminöes qui n'existaient pas jusqu'au XII siecle. Le
paragraphe suivant, le 20, dans le chapitre XXXVIII du Procheiron,
nous aide un peu k entrevoir ce qu'on faisait des foyers et de leurs
fumee dans les maisons. ^Eäv rig Ttoirja}] rvQsipelov, l| oii xaTtvog
k-A7tEi.i.7iö{.ievog AaraßlccTiTei rovg Iv rolg vipr^lorsqoig oi/iovvrag,
övvavTai y.axa vöiioug ol ßlaTtTÖf-isvoi '/iloIvelv avTov sigTref-ineLV
Tov -/.ajtvov. Le mot TVQEipslov ne se trouve ni cbez Sophocle ni chez
Deheque ou Legrand. La traduction slave nous rend le texte precedent
comme il suit : Amxe kxo cLXBopnxt oKLHLi^e, irxt Hieroace AUMt ncxoAe
naKoext XBopnxb npintime atiiBoyuixHMt jioroyxL naKocxt npHKMjrio-
mxen BLSLÖpaHHXH bm« no saKOHOMt ne BLcnoymxaxn AHMa. Le typique
de St. Sava pour le monastere Chilandare nous apprend qu'on chauffait
les cbambres de Tbopital par une aroula de bronze, un rechaud ou
plutöt un brasero portatif {(xay/.dlt, mangal) encore en usage ä Con-
stantinople et dans l'intörieur de la Presqu'ile Balcanique.
Ce que les coKa.ii>HimH vivaient aussi dans les villages nous
empeche de d^terminer leur metier qui avait trait en tout cas ä la
cuisine ou au foyer d'apres la construction ou d'apres l'occupation. On
doit renoncer totalement ä les considörer comme une classe particuliere
de la Population ou des Colons. Quand on examine les lois qui les con-
L. K. Goetz, Die Echtheit der Mönchsreden des Kyrill von Turov. 181
cernent dans les chrysoboullea des monasteres, on voit qu'ila etaient
partout traites ä la fagon des autres artisans auxquels on faisait aussi
la mesure de la corväe agricole plut petita en röcompense de leurs pre-
stations d'artisans — im traitement partout usite dans la vie feodale de
l'ancienne Serble. St. Novakovic.
Die Echtheit der Mönchsreden des Kyrill von Tnrov.
Von Leopold Karl Goetz-Bonn.
In der kurzen Vita des cb. KHpHJiJit TypoBCKiä, f Ende des XII.
Jahrhunderts, die im cjiaBiHio-pyccKiä npo.ior^ unter dem 28. April
mitgetheilt ist (vergl. Cepriä: MicHUiecjcoB'L II, 110, Ausgabe von 1876,
abgedruckt in TBopeiiiü cb. oxi^a iiamero KHpHjr.!ia enncKona TypoB-
cKaro et npe/tBapHTejiBHHM'B oiiepKOMt Hcxopia Typona h TypoBCKOH
iepapxin äo XIII siKa, HBAaide npeocB. EBrenin. KieBt 1880, p. 296,
nnd in IIoHOMapeB'S : üaMHTHHKH ApeßHe-pyccKOH u;epKOBHO-y^iHTejB-
HOH jraTepaxypLi, IV. Band : CjraBflHO-pyecKÜl npojior'B. C. üeTepöypr'B
1898, p. 74), findet sich folgende Mittheilung über die Lebrthätigkeit,
die Kyrillus von Turov als Mönch entfaltete: »II MHoraMi, na no;iL3y
ßticT'L, y^ia H noyii];aK MonaxH Bt noKopcHin h noc^ymamH 6hth ko
iiryMeHy h xoro hm^xh hko Eora h bo bccm'b big nocjiymaxH. ^ep-
Heu,x 6o, H^e hg HM^ex-L nocjiymaniH ko HryMeny, hko ^e oöimacH,
He Moatex-B 6tiXH cnaceni.« (IIoHOMapeB'B : üaMKXHHKH IV, 74).
Dem Wortlaut dieser Stelle, dass Kyrill speciell zum Gehorsam
gegen den Abt gemahnt habe, entsprechen auch in der That einige
unter seinem Namen gehende Mahnreden an Mönche. Es ist auch wohl
anzunehmen, dass der Autor der im Prolog enthaltenen Vita des Kyrill
diese fragliche Stelle auf Grund seiner Kenntniss eben dieser Mahn-
reden an die Mönche niedergeschrieben hat.
Der Schlusssatz der Vita ist ein Gebet um Befreiung von feindlicher
Herrschaft: »Mojihmch 'm.q xe6i, Majraa cia c^OBeca npHHOcame, mojih
[sei. Kyrill] o iiacL BceAep^Hxe.;iH, Ewy 5Ke Htint npeACXonrnn co
AepsHOBeHieMT. , oxrB Hacxomii;!?! naMt ö^am HSÖaBHXHca h ox-l 6e3-
182 L. K. Goetz,
6o2CHiix'L ArapaHT., npncHO MyiiamHxi. nacB . . . h t. a-« (IIoHOMa-
peBi.: IlaMflTHHKH IV, 75). Mit Rücksicht auf diese Bitte wird die Ab-
fassung der Vita in die Zeit der Mongolenherrschaft verlegt (IIoHOMa-
peEt: üaMHTHHKH I, 89), $HJiapeTi.: Oösopt pyccKoil AyxoBHOH .raxe-
paTypti. 3. Aufl. C. IleTepöypr'B 1884 verlegt sie speziell in die Zeit
des Chmboh'b en. TBepcKiä, f 1289.
Die im folgenden zu besprechenden Stücke des Kyrill sind, mit
den alten Titeln, wie sie in der Ausgabe von en. EBreniä p. XCV ver-
zeichnet sind, diese drei, die ich weiterhin kurz mit A, B, C be-
zeichne:
A: CKaaaHLe o TiepHopHSL^bCTtMi, tinny ott. BfcTxaro aanoiia u
HoBaro, onoro oöpast Hocnma, a cero a^Jibi exBtpmaioma, abgedruckt
bei KajraHAOBim. : naMüTHHKH PocciScKOH CjiOBecHoeTH XII B^Ka.
MocKBa 1821, p. 102 — 116, bei CyxoMJHHOB'L: PyKonHCH rpa*a ysa-
poBa. T. IL C. üeTepöypri. 1858, p. 89 — 98, in russischer Uebersetzung
bei EBremit op. cit. p. 90 — 102.
B: IIoBicTB K-L BacH.iiK) Hryjieuy: npiixya o 6ijiO'^u3u,i nejio-
Biii,i, H 0 MHHUibCTBi, H 0 AyuiH H 0 noKaHHiH, abgedruckt bei Kajaä-
j[,OBTvrh p. 117 — 131, bei CyxoM.iHHOB'L p. 79 — 89, bei EBreniH
p. 103—115.
C : üocjiaHie H^Koero cTapu;a kt. 6oro6.iaaieHHOMy BacHJiiio apxn-
MaHApHTy, 0 cKHMi, zucrst edirt von ropcKiH in üpHÖaBJieHia kx tbo-
peniaM'L cb. 0Ti];eB'i.. Kasant 1851, t. X, p. 346 — 357, in russischer
Uebersetzung bei EnreHiä p. 115 — 120.
Ich citire im folgenden A und B nach KawiaHAOBH^i., C nach EB-
reniä. A und B behandeln in allegorisch-symbolischer Darstellung und
Deutung das Mönchthum und seinen Vorzug vor dem Weltleben, A
trägt keine bestimmte Adresse, B ist nach der Ueberschrift gerichtet an
den Abt BacHJiiil des Kiever Höhlenklosters, der 1 182 zum Abt gewählt
wurde (Hnax. JliT. 2 p. 424, siehe Goetz: Das Kiever Höhlenkloster etc.
S. 97 flf., in dem Aufsatz: »Kieso-IIeyepcKaa ./laBpa« in KisBCKaa
CTapHHa 1886 wird seine Abtszeit mit 11S2 — 1197 angegeben). C ist
eine Antwort an diesen Abt Baciuiil auf dessen Frage, ob er (Bacn-
jdS) das Gelübde der mönchischen Vollkommenheit (ßejiHKiil h cbhtoh
oßpasT. cxHMLi) ablegen solle. Auf den Inhalt dieser Stücke im einzel-
nen, ihre Beurtheilung als Literaturdenkmäler, die in ihnen sich finden-
den Entlehnungen brauche ich nicht näher einzugehen, da es sich im
folgenden nur um die Frage handelt, ob sie wirklich dem ihnen gegebe-
Die Echtheit der Mönchsreden des Kyriil von Turov. ] 83
nen Titel, resp. der ihnen gegebenen Adresse entsprechen, also um die
Frage : ob sie wirklich von Kyriil stammen, wann und für wen sie ver-
fasst sind. Zur allgemeinen Beurtheilung von A, B und C vergl. ausser
den schon genannten Werken noch Il3BicTifl II. Ota^jI. AKa^eM. HayKt
Bd. V, 241 SS.: MaKapin: Cb. KnpHJiJi^ TypoBCKiä, KaK'L nHcaxejib,
ferner MaKapiil: IIcTopin PyccKOH i^epKBH^. C. IIeTep6ypr'i>188S,T.III,
p. 146 SS. und ro.iyf)HiiCKiH : llcropia PyccKOH i^epKBH 2. MocKBa 1901,
T. 1\ p. 808 SS.
tpHJiapeT'B op. c. p. 36 hält alle drei für echt, d. h. für Werke des
Kyriil, EBreniH op. c. p. LXIX ^ hält A für unzweifelhaft echt, von B
und C sagt er: »mli pasA^-ifleMt MHinie xixx, Koxoptifl npHSHaioTt
nocj^AHia Asa co^HHeHiu HecoMHiiiuo ii.iii BectMa BipoaTHO npHna^-ie-
jKamHMH iiamsMy KHpH.j[jiy«; ähnlich nimmt auch IIoHOMapeB'L : Ila-
MflTHHKH I, p. 98 A für sicher, B und C für mehr oder weniger wahr-
scheinlich echt an; rojiyÖHHCKifi op. c. I^ 810 hält nur A für sicher
dem Kyriil gehörig, von B sagt er: »Hiiyero neÄhsa. cKasaTfc othoch-
xe.itHO Toro, npniiaAJiea^HT'i hjih ue npHHaA-ieaciix'L 3xo ciobo Kh-
pn-oy«, über C äussert er sich dagegen bestimmter: «noc.iaiiie kt> Ba-
CH.iiiD HryMGHy üeiiepcKOMy ycBOHSXcfl KHpHJi.iy TypoBCKOMy npsA-
no.i03KHxejibHO, HO BÄBa Äu cnpaBeA-iHBO «.
A gilt also allgemein als ein sicher dem Kyriil zugehöriges Stück,
wie schon MaKapiS op. c. III, 147, Anm. 232 bemerkt: »eme bx Kopin-
nen XIII b. CKasanie o iiepHopHSCKOM'B ^mni noMiiu,eHO no^t iiMeiieMt
,KHpH-ijia emicKona TypoBtcKaro'. Cji^a- no^JinHHoext CKasania hg
MoatexT, no^jeacaxt coMHiHiio. He ynoMiiHaeM'L o nosAHÜlmHxi. cnn-
CKaxt H X. A.«
Von diesem allerseits getheilten Urtheil über A aus wird nun durch
Textvergleichung nach Möglichkeit die Frage zu beantworten sein: ge-
hört B dem Kyriil an, ist es in der That an den Abt Bacioia gerichtet
gewesen, ferner: gehört das nach seinem Eingang unzweifelhaft an Abt
BacH.iiH des Höhlenklosters gerichtete Antwortschreiben C wirklich dem
Kyriil an.
Dass ro.iyÖHHCKiH meint, die Autorschaft des Kyriil an B lasse
sich nicht sicher bestimmen, habe ich eben angeführt. Was die
Adressirung von B an Abt BacH.iiH betrifft, sagt ro.iyÖHHCKiS op. c. I^
810 B sei nicht an BacHjin und nicht an das Höhlenkloster gerichtet
184
L. K. Goetz,
gewesen, »a öpaTCTsy KaKoro-TO ^pyraro HeHSBicxHaro MOHacTBipa«.
Auf die Gründe, die er dafür anführt, werde ich später zurückkommen.
Die erste Frage, die bezüglich A und B zu stellen ist, lautet also:
ist B gleichfalls wie A ein echtes Werk des Kyrill ? Darauf glaube ich
antworten zu dürfen: »Ja«, und zwar auf Grund dessen, dass eine An-
zahl von Stellen in A und B so vielfach, in materieller wie in formeller
Hinsicht, übereinstimmen, dass man eine innere Einheitlichkeit von A
und B annehmen kann, die auf einen Autor, einen Zuhörerkreis,
einen Zweck für A und B hinweist.
Ich gebe nun zunächst das Beweismaterial für die inhaltliche,
materielle Uebereinstimmung von A und B, d. h. führe die Stellen von
A und B an, an denen Kyrill ihm, wie es scheint, besonders liebe Ge-
danken vorträgt.
So empfiehlt er den Mönchen vor allem den Gehorsam, den Ver-
zicht auf den eigenen Willen :
KajiaHAOBH^ii, p. 103. To^lk)
äo MaHacTwpK HÄrää cbok) bojiio;
no BxcnpiflTtH jkb oöpasa Bcero
coöe noBbpsH bt. noKopenieHH Majia
CBOBBOjitcTBa yTaS b-l cepAi;« tbo-
eMx, ^a HB yMpemt Äyuieio.
KajraHAOBHTi'E p. 107. Ila^e
BBcero KT& roenoAy HMyiii,a jrio-
ÖOBB, H K^ HryMeny nocjiymaHie,
H Kt öpaTiH 6e3jio6ie, pasyMx
HMyiu,a öoatecTBbHfcixx ÜHcaHiH,
H T'^Mb iiacTaBJifliou^a kx Eory na
Heöeca iiAyui,aH. Tony npeAaacAb
ceöe, aKLi XajieB% IcycoiiH, blck)
CBOK) OTCiK'L BOJIIO.
Ka-iaHAOBHM^ p. 113. ^a h
TLi, MHHme, noacpH cbok) bojk), h
Chy&hyKU rpiXH H3.IHTbeML XenjBIX'B
CJBS'B.
B.
KajiaHAOBHi[T> p. 122. Bny-
Tpeniä ace BspTen'i, ycTaBt, rja-
rojK), anocTOJiLCKaro npeAania h
Ke.ieHHaro acHTejitcxBa, b-b iieM^ce
HHKT0»:e CaMOBOJIBCTBO HMaXB, HO
BciMx BCH o6iu;a cyxB, cyxB 6o bch
no^t IlryMeHOM-B.
KaaaHAOBHiirB p. 128. 06aqe
Bca cjrya^öa ArrejibCKaa h MHHmb-
CKaa e^HHO ecxB, ohh 6o bck) cboio
ocxaBHBme bojik), ho Bo2Kiio h Hry-
MeHK) noBHHyioxoi noBe^iiHiiG.
Die Echtheit der Mönchsreden des Kyrill von Turov.
185
Anderswo spricht er über die Kleidung des Mönches.
A.
KajraHÄOBH^t p. 105. Phsbi
3Ke HB CJaBHH H MflKtKLI JIIOÖH,
iiapacxyma [in einem anderen Text
»HX pacxyma« vielleicht »iio iia-
pacxyma«] cnpi^ifc MHortiMH nomn-
Baa 3an;iaTaMH, AOHAeate kt. ropi
ÖOrO.IIOÖHBIX'L ÄOÖpOA'feTejiiH äoh-
ÄBUIH.
B.
KajiaHÄOBHyx p. 123. A iia:e
xyAWMH odoji^sHT. pyÖM, ce öeci.
npHT^H CAOBO HMBiiyeTt: B^raca-
HHi^a H cyKHHHafl OAeat^a, h ot%
KOSLEXt KOaKL OÖOJnieHBfl; BCHKa
6o Aoöpa pH3a h njioTCKoe yicpaine-
nie yioaKe bctb HacToaxBjfl h bcbfo
MHHUiBCKaro ycxaBjienia.
Auch gegen die Unruhestifter im Kloster richtet er seine Mahnung.
B.
KajiaHAOBHyi. p. 130. Hb
npoAaAHMx Eoacia cjicea na ji»:h:
Kpa^yme, rpa6fliii;B, göhaaiUiB, na
HryMBHa sjiob MticjiHmB h
KjiflXBoio onpaBAaiomB.
KajiaHAOBnyi> p. 108. Chxx
6o paAH npHxoAHTb rHis-L Eoacin
Ha CBiHLi npoxHBHBia, cnp^yt Ha
MHHXLI, 0XM6Xai0ni,a CBOH oöixx.
HMH :as.e [so im Original und Korm-
caja; in einem anderen Text: »h
MAXBacx«] Bx ManacxLipH cxBa-
paioma.
Im Allgemeinen betrachtet Kyrill das irdische Leben und die
weltlichen Geschäfte als bedenklich und gefahrdrohend für das
Seelenheil.
KaJiaHAOBHM'B p. 104. Zm^h
Ha CBOBMB yM^: qero pa^n paay-
MHaro Eionra, Mipa, oxöiraBuiH?
HJiH oöin^aHaro xh I^apcxBa a:6-
jiaa, JiH AtHBOJifl rpixoBHBia pa-
60XBI HB XOXa, JIH atHxiHCKÜ HB-
najLu HB Aio6a, oxt HBaacB h^cxb
n0.I3BT, XOKMO AyUIH nOrHÖBJIb, JIH
aCBHOK) H A^XMH CMymaBMX ■?
B.
KajcaHAOBHit p. 126. A xop-
ryiomHM'B BFAa Kyn.ia C'BA'^BaBXca,
xy H rpixx CBBspuiBBaexca, h hhbi
BCa JKHXiäsKBia BBmH, B-B HHui,axi
a:B H öoraxcxBi, cnony HMyxB ki.
cnacBHiio cbmbio h aomx.
KajiaHAOBHTi'B p. 128. Ch-
pi&qB AOHABJKB qBJIOBiKX HB OCXa-
HBXca xijrecHBixT. noxoxiä h äh-
xBHCKBix'B nB^ajiiH, Ayuia Bro cb
EorOMT) CMipHXHCa HBMOaCBXB.
186
L. K. Goetz,
Auch die folgende Stelle sei noch angeführt, in der über die grosse
Neigung der Laien zum Mönchthum gesprochen wird.
Ka.iaHAOBHyL p. 105. II
CTapi^a, aee h öciamaro, yate yMb-
piTH XOTHma nOAOÖaeTb OCTpH^H
Bt MHHmtCTBO xoTain,a.
B.
Ka-iaHAOBH^n. p. 127. ChxT)
pa^H oöimaHiä bcakx XpiiexiaHHiit
HjAHTCfl noHecTH apeMT, rocno-
AeHB, CHp^qt HHoybCKfciH oöpast
na ca. B3flTH.
Es ist selbstverständlich, dass die angeführten Gedanken nicht
ausschliessliches geistiges Eigenthum des Kyrill sind, es sind allgemeine
so zu sagen Mönchsideen; aber immerhin darf man auf die Ueberein-
stimmung von A und B in diesen Anschauungen und auch in ihren
Wortwendungen hinweisen.
Auch in formeller Hinsicht findet sich an einzelnen wichtigen
Stellen eine weitgehende Uebereinstimmung zwischen A und B. Und
das zwar besonders da, wo Kyrill bescheiden, jeweils am Schluss der
betrefifenden Mahnrede, von seiner Arbeit spricht, dass sie nicht von
ihm selbst stamme, sondern aus den heiligen Schriften entnommen sei,
dass er ein ganz einfacher Mensch sei und dergleichen.
A.
Ka.iaH^tOBHyB p. 116. Ch
rjiarojia mh^ o cnx'i oxi. KHHn>, a
He 0 co6i CKaaaBiny. Ame h^kto
MjßT^'h, TiS HHaKO npoTOJTKyexb,
Mbi npoTHBy HB B^maeMt, nicMb
6o aceHbi^H, ho K.iacoc'LÖHpaTe.iH, hh
xHTpei];H KHHraMT.; mh, rpyßaa
naAb, na^e Bcero oxt cTapiHiuHHb-
CTBa Bamero xpcöyeMi. CBHTbia
MOjIHTBBT.
B.
KajiaHAOBHU'B p. 125. Cni^e
5Ke CHMi. cKaBaHbiM'b H npoyee öes-L
pasyjia Aa ne ocTaHBT-i ; ne jih 6o
CHMt nOBiCTCMb TBOpi^H, HO 0T1>
ÖOJKeCTBeHblXl, B-LSeHJHGUlie HH-
caniH.
KajaHÄOBH^t p. 131. Cia
2ce r.iaroaio ne Be.iHyaflCfl, ho ce6e
xima, OTt Hepasysiia r.iaroJiio, ^e-
.iOB']&Kb 6o ecMb rpiment, KajieH'b
yA'b HMia MOH flSbiKT) ; aui,e 6o bx
rjiyÖHHy Eoacinx-i. bhhaoxt. khht^,
HO rpyßbiM'b paayMOMb npocTbiä
hshouik) rjtacL.
Die Echtheit der Münchsreden des Kyrill von Turov. 1 87
Auch hier ist zu sagen , dass diese Selbstverdemüthigungen so zu
sagen zum allgemein üblichen Stil und zum eisernen Bestand der
Mönchsphraseologie gehören, siehe Goetz: Kirchenrechtliche u. kultur-
geschichtliche Denkmäler Altrusslands, Stuttgart 1905, S. 388 f. So
drückt sich z. B. Nestor in /Kiixie iipen. OTua ÖeoAoeia an mehreren
Stellen ähnlich aus : ÜKOBJieB'B : IlaMHTHHKH PyccKOH JiHTepaTypbi XII
H XIII BiKOBt. C.IIeTepöypr'L 1872, p.LV: hb BtSMory rpyötin chii
n iiepaayMiiyeii'L und p. LXIII : rpyöx cbih h iiSBiatAa. >lKOBJieBi> in
/tpeBHe-KieBCKifl PejiHrio3HMfl CKasanifl, Bapinana 1875, p. 69 bemerkt
richtig hierüber: »Sto aBTopcKoe cMMpenie, xaKt pacnpocTpaHeHHoe
BT} ApeBHB pyccKoil .iHTepaxypi BOo6iu,e, yxo piAKiä naMaxHHKi. ea o6-
xoähxch öes'B 3Toro Mi&exa Bt Ha^ajii hjh Bt kohu,^, ecxb noApaacaiiie
rpeqecKHMi xpHcxiaHCKHMX nHcaxejHMi.tf. Immerhin sind die Stellen
aus A und B in ihrer Uebereinstimmung dadurch ausgezeichnet, dass
ihr Autor beidemale eigens die heil. Schrift als seine Quelle angibt, aus
der er die Autorität für seine Wahrnehmungen schöpft.
In gleicher Weise hat A wie B den Gedanken, dass der Autor für
die einfacheren, nicht für die klugen Zuhörer spricht.
A.
KajraHÄOBHTH. p. 114. Ame
6o H BGH B'^AflX'I. 0 CeMt HO a31>
M-iaAUx-B paAH H HepasyMHMXT.
HanHcaio.
B.
KajiaäAOBHyi. p. 118. 3ä'£
CJIOBO nocxaBJibme iia npe^pe^eH-
HaK BTbSBpaxHMCH , paspimalome
npnxiH QT>K)3T>, ycntxa pa^n npo-
CX'feHUIHX'L, a ÖLICXpin yMOM'B H
npeacA© CKasaiiia ch Bi^axTb.
Die Zuhörer von A wie B sind Mönche. Indess redet Kyrill in A
fast durchweg seine Zuhörerschaft in der Einzahl an; xbi Monaxi.,
ßpaxx, HiiOKi), während in B fast immer die gesammte Brüderschaft
apostrophirt wird: bli, o hiiokii, öpaxie. Dass auch in A die Zuhörer-
schaft nicht nur ein einzelner Mönch, sondern die ganze Brüderschaft
ist, geht daraus hervor, dass, wo Kyrill von einer rituellen Handlung
des Mönchslebens spricht, er an die Kenntniss seiner Zuhörerschaft
appellirt mit den Worten: ii ca^in Bicxe (KajiailAOBHyt, p. 114). Auch
■weist es vielleicht auf eine grössere Zuhörerschaft hin bezw. ist viel-
leicht mit Rücksicht auf eine solche gesprochen, wenn Kyrill am Schluss
von A gewissermassen seine Zuhörer auffordert, es besser zu machen:
(Ka^aHÄOBH^T, p. 11 6) ame h^kxo My^p'B, xxh nnaKo npoTOJiKyexL, Mti
188 L- K. Goetz,
npoTHBy He BimaeiwB. In gleicher Weise bittet Kyrill auch in A wie B
zum Schluss um das Gebet der Zuhörer.
A.
KajiaHAOBH^'L p. 116. Mti
rpyöaü ^aa^, na^e Bcero ot-b cTa-
piäiuHHbcTBa Bamero TpeSysMi.
CBflTLia MOJIHTBH.
B.
KajaHÄOBHui. p. 131. Mene
a:e aKt nca, mojiio bli , hg npe-
3pHTe, HO H 3Ai Bt CBüTUXX CBOHX^
noMKHixe MOjraTBaxt.
Und dem Worte cxapiHuiHHbCTBO in A entspricht in der parallelen
Schlusswendung von B oxe^beTBo; beide Ausdrücke auch in ihrer
konkret-persönlichen Form finden wir sonst sowohl für die Gesammtheit
der Brüderschaft, besonders ihrer älteren Hälfte, wie als Anrede für
den Abt allein angewendet.
Aus der Textvergleichung scheint sich mir also, bei der materiellen
wie formeilen vielfachen Uebereinstimmung von A und B, zu ergeben,
das3 B wie A das Werk des Kyrill ist. Gleichzeitig haben wir aber
auch ersehen, dass, wie der Autor derselbe, so auch der Zweck seiner
Mahnrede derselbe und endlich auch die Zuhörerschaft die gleiche ist.
Die zweite Frage, die mit der Beantwortung der ersten im engsten
Zusammenhang steht, lautet nun: hat die alte Ueberschrift von B
Recht; ist B an den Abt BacH.iiä des Höhlenklosters, sei es an ihn
allein oder mit an die Brüderschaft des Klosters, wirklich gerichtet ge-
wesen? Darauf glaube ich antworten zu dürfen: »Nein(f, die Empfänger
bezw. Zuhörer von B sind die gleichen wie die von A, die Brüderschaft
des Klosters, dem Kyrill selbst angehörte. Welches dieses Kloster war,
lässt sich allerdings nicht sicher bestimmen. In einer Handschrift der
Gebete des Kyrill wird er Mönch des Klosters des heil. Nikolaus in
Turov genannt (EBreHÜt p. LXXX). Andere denken sich das Boris-
und Glebkloster, das Residenz der Bischöfe war, als Aufenthaltsort des
Kyrill (EBreniä p. LVI, Ka-ianAOBmix p. XXI, roryönncKiä I^, 630)
oder ein anderes bekanntes südrussisches Kloster, z. B. das zu Zarub,
aus dem K.iHMeHTx Cmojjüth^'l hervorging (noHOMapoBi., üaMHTHHKH
I, 95).
Dass B nicht an BacHjriS im Höhlenkloster, sondern an die Brüder-
schaft eines anderen unbekannten Klosters gerichtet sei, hat auch Fo-
jtyÖHHCKiä op. c. I^, 810 gesagt, und als Grund für seine Meinung an-
gegeben: »h6o bx 3aK.iK)yeHie cjiOBa [sei. B] asTop-L o6pan;aeTCfl hb
Die Echtheit der Mönchsreden des Kyrill von Turov. 189
KT. OAHOMy JiHity, a ko mhofhm'b (Bauie oxe^ecxBO, saiuH AyuiH. Baiiii,
iiokoh) h BHuie roBopHTx 0 üeyepcKOM'L MOiiacxtipi bt. KieB'6 KaKTb o
TryatoMT) h nocxopomieMt ajih axitsTb MHoraxx jiHi^Tb«. Er spricht auch
im Vorübergehen die Vermuthung aus, der Text von B, der uns heute
bekannt ist, könnte interpolirt sein, geht aber nicht näher hierauf ein.
A ist unzweifelhaft an die eigene Brüderschaft des Kyrill gerichtet,
das besagen ganz klar kurze Wendungen, wie : xti »:e ne po^tcxBOM'B
co6e npHHecx 3Ai (Ka-ianAOBiiTi. p. 102) und dafür, dass die Zuhörer-
schaft von B die gleiche ist, wie die von A, darf, ausser der schon an-
gestellten Textvergleichung, auch noch die folgende Stelle aus B ange-
führt werden, bei der Kyrill offenbar sich und seine Mitbrüder im Auge
hat: a^^e öwxom'B oö^x-l nocxpHsama namero ctxpaHHJH (KajiaHAO-
BHqx p. 129).
Es ist auch richtig, dass, wie ro-üjÖHHCKiä bemerkt, in B von dem
Höhlenkloster als von einem den Zuhörern ferne stehenden Orte
gesprochen wird. Mir scheint, dass hier eine klar erkennbare und
abgrenzbare Interpolation vorliegt. Die fragliche Stelle lautet (Ka^iaä-
AOBH^Il. p. 126 S.): HHOKH HB MOHaCXtipt CJiaBHLI XBOpHXt, HO AOßpaA'fe-
xejiL MHHmLCKaa h Monacxtipt cjiaBeH'B XBopHXi,.
H ce Hßih ecmh formj ßeodocia nenephCKaio MiyMena, uowe
e^ Kueen ipadn, Hana.iHUKa o6meMy oKumiw, noueotce ne-
AUneMnpHO MHumhcmeoea, e^3AK)6ue^ Eoia u öpamiw ceom,
HKO C80H ydw, mihMowe u Eoih ehSJiwSu u, u mncmo eio padu
npocjiaeu nane ecnxi, uowe e^ Pycu Mouacmupee^.
Cia BHyxpeHfla AoöpoAixejH cbüxbixt. mhhxobx a:Hxie, naye MipLCKoM
BJiacxH ciaiox'B qiOAecLT, h xtx'B pa^n MHpLCKtia BejiMoa:a cbok) noKJO-
HHioxi) rjiaBy mhhxomx ....
Das eingerückt und in Schreibschrift (cursiv) gesetzte Stück halte
ich für Interpolation. Kyrill sagt vorher: »Die Mönchstugenden machen
ein Kloster berühmt« und dieser Gedanke wird nach der Interpolation
logisch eng weitergesponnen: »und wegen dieser Tugenden kommen
auch die Grossen dieser Welt zum Kloster«. Das Zwischenstück ist
eine später eingefügte thatsächliche Einzelbezugnahme auf ein be-
stimmtes Kloster, das dem Interpolator geistig und wohl auch körper-
lich räumlich nahe lag, während Kyrill ganz allgemein redete. Zu der
mehr abstrakten These des Kyrill hat also der Interpolator ein Beispiel
aus dem praktischen Leben bezw. der Geschichte eines Klosters gefügt.
1 90 L. K. Goetz,
Und zwar scheint mir möglich anzunehmen, dass der Interpolator
nicht den Text selbst verändern wollte. Er las die Stelle, vielleicht
beim Abschreiben, »die Tugend der Mönche macht ein Kloster be-
rühmt«; erinnerte sich, dass gerade das Höhlenkloster in Kiev von
ganz kleinen Anfängen an durch die Wirksamkeit des heiligen Theo-
dosius berühmter als alle anderen russischen Klöster wurde und notirte
sich dann die Nutzanwendung und diesen Beweis aus der Geschichte
für die Richtigkeit der Behauptung des Kyrill mit den Worten h ce aßi
ecTt: »Die Richtigkeit der vorstehenden Worte des Kyrill ergibt sich
uns aus folgendem geschichtlichen Beispiel u. s. w. « Ein späterer Ab-
schreiber hat dann diese Nutzanwendung als ein Stück des Textes mit
niedergeschrieben. Die Adressirung von B an BacHJriä mag dann viel-
leicht so entstanden sein, dass B und C von einem Abschreiber mit ein-
ander abgeschrieben wurden und von dem Empfänger von C, BacHjiiii,
ausgehend, und bei der in B vorhandenen Bezugnahme auf das Höhlen-
kloster, der Abschreiber eben auch B an BacHJiiH gerichtet sein Hess.
Die dritte Frage, die zu stellen ist, lautet: wann sind nun A und
B von Kyrill verfasst bezw. gehalten worden?
Sein Vita sagt uns ja, dass er als junger Mönch eine eifrige Lehr-
thätigkeit im Kloster entwickelte ; es liegt also nahe , dieser Lebens-
zeit des Kyrill A und B zuzuweisen. Andererseits wird angenommen,
dass Kyrill vielleicht das bischöfliche Amt, das er nach seiner Mönchs-
zeit bekleidete, vor 1182 niederlegte und dann noch bis zum Ende des
Jahrhunderts lebte. Es wäre also auch möglich, dass er A und B nach
1182 als alter Mann verfasst hat. Die Annahme, Kyrill habe nach
Niederlegung seines Bischofsamtes vor 1182 noch längere Jahre gelebt,
gründet sich auf die andere Annahme, dass Kyrill wirklich C, den
Brief an Abt BacHJiiH des Höhlenklosters geschrieben habe. Nämlich bei
der Weihe des Abtes Baciuift wird unter den Theilnehmern an der
Einkleidung des Bacimä zum Mönch auch der Nachfolger des Kyrill,
der Bischof JlaBpeHTiH von Turov genannt (IlnaT. JiTon. ^ p. 126).
Aus C ergibt sich aber unzweifelhaft, dass BacH.mi, als er diesen Brief
erhielt, schon einige Jahre Abt im Höhlenkloster war, denn in C ist die
Rede von dem Bau einer steinernen Mauer nm das Kloster, der das
Werk des BacH.iiH sei, und der doch sicher längere Zeit gewährt haben
wird. Ferner schreibt der Autor von C, dass BacH.iiH, nachdem er
schon als Mönch bezw. als Abt ein srottgefälliges Leben geführt habe.
Die Echtheit der Münchsreden des Kyrill von Turov. 191
nunmehr cxhmiihki. werden wolle, setzt also gleichfalls voraus, dass
schon einige Zeit seit der Abtswahl des Jahres 1182 verstrichen ist.
Mir scheinen nun einige Stellen von A und B dafür zu sprechen,
dass er als junger Mönch und ehe er selbst Bischof wurde, A und B
verfasst habe.
Darauf, dass Kyrill als junger Mönch A und B gehalten hat,
scheinen mir die oben angeführten Stellen hinzuweisen, in denen er
sich bescheiden über seinen Vortrag äussert, in denen er versichert,
dass viele seiner Zuhörer das, was er sagen will, schon wissen, dass
wohl manche unter ihnen es besser machen könnten, vor allem aber
auch die Anwendung der Worte cTapülumiibCTBO und oreiiLCTBO, die
im Munde eines jungen Mannes natürlicher klingen, als in dem eines
schon Bischof gewesenen Greises.
Darauf, dass er also A und B vor seiner bischöflichen Zeit ver-
fasste, scheint mir aber ganz besonders die folgende Stelle hinzuweisen.
KajiailAOBHui> p. 114: TaKoace h IlryMenoM'B , et nojiHi];eH) cjiyjKa-
in,HMx, cBHHMaTH MaHOTKy ci> njiBUK). IIoAOÖaeTt jKe H Majiy h nejiHKy
HryMeny cb nojiHi];eio cjiyatHTH h hb npocHTH xoro y EmicKona, to 6o
ecTfc MHHxy, EnncKony ysae qi05Ke, a IlryMeHOMX CBoe : na n.3aTHi 6o
^HCTi AepatHTCH B'tyA'B, a HB no BJiacTH cana; a h eaMH Bicxe, H/Kb hb
EnHCKon'B bcImi. hhokomi. MajiyK) MaHaxiio BT.s.iaraBTb na njiBmH.
Wir haben hier eine ziemlich unumwundene Vertheidigung ge-
wisser ritueller Rechte der Mönche bezw, des Abtes, die, wie es
scheint, von den Bischöfen den Mönchen streitig gemacht oder we-
nigstens nur den Aebten der grossen Klöster concedirt, jedenfalls aber
von der Erlaubniss des Bischofs abhängig gemacht wurden. Mir
scheint es wahrscheinlicher, dass Kyrill so deutlich antibischöflich sich
äusserte, ehe er Bischof wurde, als dass er, nachdem er selbst das
Bischofsamt schon bekleidet hatte, sich in diesem, wie es scheint,
streitigen Punkt auf Seiten der Mönche gegen die Bischöfe stellte.
Aus dem angeführten scheint sich mir also für A und B zu ergeben :
beide Stücke sind Mahnreden, die Kyrill als junger Mönch, ehe er
Bischof wurde, für die Brüderschaft seines Klosters gehalten hat. B ist
später durch einen Zusatz vermehrt worden und in dieser Form an Abt
BacHJiiä des Höhlenklosters als Empfänger adressirt worden, vermuthlich
weil es in einer Handschrift mit dem an BacHjtiii gerichteten Brief C
verbunden war.
192 L. K. Goetz,
Dagegen, dass A und B Mahnreden sind, spricht es durchaus
nicht, dass Kyrill in A gelegentlich sagt, er schreibe seine Ausfüh-
rungen: »HariHcaio« Ka.iaiiAOBH^'L p. 114, das ist eine Redewendung, die
ihm beim selbstverständlichen schriftliclien Ausarbeiten seiner Rede in
die Feder geflossen ist. Der ganze Wortlaut von A und B wie auch der
öftere »cii rjiarojia mhJ« KajaHAOBHii) p. 116 und ähnliche Wendungen
bekunden A und B als Reden.
Die letzte Frage lautet: gehört das an Abt BacHjiiä des Höhlen-
klosters gerichtete Schreiben C wirklich dem Kyrill als Autor an? Zur
Beantwortung dieser Frage bietet C selbst wenig sicheres Material,
so dass ich eine entschiedene Antwort nicht zu geben wage.
Aehnlich wie oben A und B spricht ja auch C von der Gering-
schätzung, die man für das irdische Leben gegenüber dem ewigen
Leben haben soll. Aber die Stelle EBremii p. 117: saöoxii o BeMHOM-B
cfflTaä noA'fe.iieM'i , h BcerAa ncKHCH, no npaBHjy CBoero oöira, o
2CH3HH neöecHOH, enthält doch einen den Mönchen zu allgemeinen Ge-
danken, um einen bestimmten Schluss aus ihr zu ziehen.
Aehnlich wie in A und B stehen auch am Schluss von C die Selbst-
verdemttthigungen des Autors; EBreniä p. 119: hb nnraS ko mh^
Bpaac;];Li 3a to, tito Hanncajii. ki. re6i 3to hb ot-b y>ia, ho otb ÖBsy-
Mia CBOBro, aber wie oben schon bemerkt, sind diese Schlussphrasen
Gemeingut aller schriftstellernden Mönche.
Mehr Gewicht glaube ich aber auf die folgenden zwei Ueberein-
stimmungen zwischen A, B einerseits und C andererseits legen zu
dürfen. A wie B bekunden ihrem ganzen Wortlaut nach die Vorliebe
des Kyrill für die Anwendung von Gleichnissen zur Erklärung des
Wesens und der verschiedenen Seiten des Mönchthums. Diese Vorliebe
bekundet auch C und zwar in bewusster Weise, sagt doch der Autor
von C: »yKaacy xeöi na npnxTy« (EBreniil p. 116).
Vollends auffallend ist die Uebereinstimmung von C mit A B
darin, dass der Autor von C gleichfalls sich auf die heiligen Schriften
als auf die autoritative Quelle seiner Darlegungen beruft; EBremä
p. 116: II H öy^y roBopnTt xeöi o cbhtoh cxHMt hb oti> cb6h, ho
OT-L CBHIIi;BHHtIX'I. KHHri. HJIH jy^HüB OTt C-IOBt CaMOFO XpHCTa.
Mehr Material kann ich in C selbst nicht finden. Wenn ich also
auch nicht mit Sicherheit mich darüber aussprechen kann, ob Kyrill als
Autor von C anzusehen sei oder nicht, scheint es mir doch auf Grund
Die Echtheit der Mönchsreden des Kyrill von Turov. 1 93
der zaletzt angeführten Uebereinstimmungen ziemlich wahrscheinlich,
dass Kyrill den Brief C an Abt BacH^iä geschrieben hat.
HeBOCxpyeßX in ^peBiie PyccKia IIoy^eHifl h IIoc.iaHifl oßt hiio-
MecKofi acH3HH. KaptKOBt 1862, S. 12 ss. hat ein Stück edirt, das er
dem Kyrill zuzutheilen geneigt ist. Und zwar hat er es aus einem
Pergamentmanuskript des Öudovklosters des XV. Jahrh. entnommen,
wo es den dritten Theil von A an Stelle des von Ka-iaHAOBHix p. 114,
115 mitgetheilten Textes bildet. Im Allgemeinen äussert sich Ne-
vostruev zu der Frage, ob das von ihm edirte Stück wirklich dem Kyrill
zugehöre und einen Bestandtheil von A gebildet habe, in folgender
Weise, p. 12 ss. : »Bt noyiisHiH, dem von Nevostruev edirten Stück,
KaKT. H Bi> CjiOBaxi. KnpHJiJia TypoBCKaro rocnoACTByeTt TyBcxBO
aBTopa H BOOöpaatBHie, ne cto.jbko sa^cl rojLixx MticjieH h iiasH^ia-
TBjItHOCTH, CK0.1bK0 yBJieUBHifl npeAMBTOMI) H TaK1> CKaSaTb n033iH,
qacTO ynoTpeÖJiHioTCii oöpasti h cpaBHenifl h pasBHBaiOTca nojratifl
KapTHHti .... To ^e opaxopcKoe, oökülhob h njoxHoe HSJoateiiie cb
pa3HLiMH «tnrypaMH piin, xüx-l ace atiiBoä h oöpaöoxaHHLifi hsbik-l,
Kaici y KnpHjja TypoBCKaro (f.
Was Nevostruev hier sagt, ist natürlich rein subjektive Empfin-
dung, die nicht Jeder zu theilen braucht, wie ja derartige Beurthei-
lungen alter Autoren oft in ganz entgegengesetzter Richtung sich be-
wegen.
Der Grundzug resp. das Grundthema von Nevostruev's Stück ist:
der Mönch soll sein Kloster nicht verlassen und in die Welt zurück-
kehren, ein Thema, dem ich in dieser Ausführlichkeit und Intensität
der Behandlung keine Parallele aus A und B zur Seite stellen kann.
Innerhalb dieses Rahmens behandelt dann Nevostruev's Stuck das be-
liebte Thema mönchischer Autoren: den Gegensatz von klösterlichem
und weltlichem Leben. Auch hier finde ich, obwohl A wie B ja auch
diesen Gegenstand berühren, keine wirklich verwandten Stellen, im
Gegentheil Nevostruev's Stück scheint mir weit stärker als A und B
das irdische Leben gänzlich zu verdammen und bewegt sich dabei mit
Vorliebe in einem Gedankenkreis, den ich bei A und B vergebens ge-
sucht habe, der Gegenüberstellung und Vergleichung der irdisch-
materiellen und der klösterlich-himmlischen Reichthümer.
Ebenso scheint mir, was Nevostruev an direkten Parallelen
zwischen seinem Stück und A und B anführt und worauf es doch be-
Archiv für slavische Philologie. XXVII. - JQ
194
L. K. Goetz,
sonders ankommt, gar nicht beweiskräftig zu sein. Nevostruev führt
folgende Parallelen an:
HeBOCTpyeBT. p. 16. Toro
pa^H Bort qejiOBiK'L ölictb, Aa mm
CLiHOBB Ero öyACMi).
KajiaHÄOBHq'L p. 124. Cbihi.
BoadS ciuBÄt CB neöece h Bxnjio-
THCH cnacenia pa^n namero h öwcti.
ye^iOBiKB, Aa ^e.iOB'SKa oöoacHTt.
Einen derartigen, allgemeinen christlichen Grundgedanken kann
man doch nicht als Parallele ausgeben !
HeBOCTpysB'B p. 16. He 6o
HjÄHTB Hacx Eon. ßjiarHMTi 6bith,
naTKe BejiMTi. HaMT> ajiBiM-B 6bith,
HO nate kto ce6e ^lecxH hjih 6e-
meCTilO nOBHHHa CXBOpHTB, TO B'B
BOJiH ero ecTB.
KajiaHAOBH^'B p. 121. Hh-
Koro 6o XpHCTOcB HyacAeK) kx no-
Kaaniio B.ieqeTB, ho BemBMH pa-
syiWB AaexB, Aa ottb t^x^ no3HaB-
UIHM^ ero H BX HBÖeCHOe BBGAeXB
ItapeTBO.
Hier liegt doch gerade das Gegentheil einer Parallele vor, denn
bei KajiaHAOBHTi'B heisst es im Gegensatz zu HeBocxpyeBi., dass Christus
uns mit einer Art milden Zwanges zum Guten führt.
Ka.iaHAOBHqT. p. 103. Cßima
ÄK eCXB, XOKMO AO ItepKOBHBIX'B
ABBpiä B'B CBoeä bojih 6yAH, h o
xoMB He paoiaxpaä, KaKO ii iihxt.
tä noxBapÄexB.
HeBocxpyeB-B p. 19. Oöpas'B
6o BBi HB cnacexB, amB a^-ibi au-
rBJiBCKBi HB yKpacHxecH. ErAa 6o
B'B HHO^IBCHOB BXOAflIUiB, XOrAa CBÖi
CBin^a B-BacHsaexe, Mae^io CBi-
iu,aMX B'B ManacxBip'fe XBpnamB Ky-
hhxb; CB^ma 6o Bipa bcxb, Macjro
ate AoöpBia A^xejrH.
Hier handelt es sich doch nur um rein äusserliche zweimalige An-
wendung eines Wortes, von einer Einheitlichkeit der Gedanken kann
nicht die Rede sein. Und auch in der folgenden von Nevostruev
noch angezogenen Parallele liegt doch nur das vor, dass beide Stellen
von dem Ritus der Ueberreichung einer brennenden Kerze bei der Ein-
kleidung des Mönches, dereinen allgemein bekannten symbolischen
Sinn hatte, ausgehen, und diesen allen Mönchen vertrauten Sinn, ohne
dass in A der Ritus der Kerzenüberreichung überhaupt erwähnt wurde,
zur Deutung verschiedener Stellen benutzen. KajrailAOBHyB p. 111:
Chmb oöpaaoMB h mhhx'b, XBopenieaiB saKona n AoßpBix'B a^J'b, cbob
TiÄO cKHniio CBHXOMy Äy^y CBXBapaexB h JKUBy ^BpxBy co6i rocno-
Die Echtheit der Mönchsreden des Kyrill von Turov. 195
^eBH npHHOCHTb OT-L yHCTa yjia, hko MyKy MOjiHTBy roeno^eBH npH-
Hoca : Bi Mac.ia m^cto c.ib3ti, bx ea;ia m'Jcto BtSABixanie ott. cepAu;a.
Die von Nevostruev angeführten Parallelen kann ich also durchaus
nicht für beweiskräftig halten.
Dagegen finde ich in formeller Hinsicht zwischen Nevostruev's
Stück und A und B einen ständigen Unterschied. A und B reden die
Zuhörer immer da mit dem allgemeinen Wort «Mönch« an, sei es in der
Einzahl oder Mehrzahl. Nevostruev's Stück braucht stets »BtBjnoöJSH-
hIh«, das ich bei A und B nicht finde.
Demnach, scheint mir, ist dieses Stück nicht dem opus A des
Kyrill zuzuschreiben und in den Handschriften, wo es sich als Schluss-
theil von A findet, nur durch Fehler des Abschreibers hineingekommen.
Aber ich kann Nevostruev, der schliesslich selbst an der Richtig-
keit seiner Annahme zweifelte, nur beistimmen, wenn er sagt p. 13:
»KaKi) ÖBi TG iiH 61.1.10: noyyeiiie cie, o^ibbhaho, pyccKoe h othochtch
Kl. ApeBHewy Bpejieim(f.
Zum Accente im Gailtlialerdialekte.
Vorbemerkungen.
Der Dialekt von Brdo (Egg) ist der am meisten nach Westen vor-
geschobene Theil des Gailthalerdialektes. Dieser wird im südwestlichen
Kärnten im Gail- und Kanalthale gesprochen, und zwar reicht der
Gailthalerdialekt von Podkloster (Arnoldstein), wo die Vermischung mit
dem Rosenthalerdialekte beginnt, bis in die Nähe von Hermagor einer-
seits und ins Kanalthal, unterbrochen von deutschen Sprachinseln, bis
Pontafel anderseits, er umfasst also geographisch das untere Gailthal
bis zur Mündung der Gailitz (Ziljica) in die Gail (Zilja), das Gebiet der
Gailitz und ihrer Zuflüsse, und das Thal der Fella (Bela) bis zur
Grenze Italiens.
Die speciell als Gailthalerdialekt bezeichneten Mundarten, die
keineswegs gleichartig sind, reichen von Arnoldstein bis gegen Hermagor
13*
196 Ivan Grafenauer,
und zwar theilen sie sich in folgende Gruppen: die Feistritzer Gruppe
am rechten Ufer der Gail, umfassend die Pfarren Gorje (Göriach) und
Feistritz (Bistrica), die St. Stefauer Gruppe im Terrassengebiete am
linken Ufer der Gail vom Dobrac bis gegen den Pressegger See (Pa-
zrisko jezero) umfassend die Pfarren Cace (Sack), ät.Jurij (St. Georgen),
St. Pavel (St. Paul), §t. Stefan (St. Stefan) und Borlje (Förolach), die
Vordernberger Gruppe, umfassend die Pfarre Blace (Vordernberg) am
rechten Ufer der Gail gegenüber St. Stefan. Bis dahin umfasst das slo-
venische Gebiet die ganze Breite des Thaies. Westlich davon erhebt
sich mitten im Thale ein Hügelkomplex in der Richtung von Westen
nach Osten, der das Gailthal in zwei Theile theilt, in einen südlichen,
durch welchen die Gail ihren Lauf nimmt, und einen nördlichen, der
als eine Fortsetzung des (deutschen) Gitschthales betrachtet werden
kann und den der Vellacherbach (Bela) durchfliesst. Der Hügelkomplex
reicht im Westen bis zum Durchbruche der Göstring, welche aus dem
Gitschthale kommend, am Markte Hermagor (deutsch) vorbeifliessend,
dort am linken Ufer in die Gail sich ergiesst. Dieses Hügelgebiet ist
der westlichste Theil des slovenischen Gailthalerdialektes und umfasst
die Pfarren Melvice (Meilweg) und Brdo (Egg). Der im Norden dieses
Hügelzuges gelegene Theil des Gailthales (Gemeinde Mitschig [Micice])
ist deutsch bis dahin, wo die Bela den Pressegger See bildet, wo die
südlich vom See gelegene Ortschaft Pazrije (Pasriach) slovenisch, das
nördlich vom See liegende Dörfchen Pressegg (Preseka) deutsch ist.
Auch die am nördlichen Rande dieses Hügelzuges gelegenen Dörfer
Borovnica (Brannitzen), Ob.- und Unt.-Vellach (Zgorna, Spodnja Bela)
sind deutsch, durch einen Wald (Egger Forst, Dobrava) vom sloveni-
schen Sprachgebiete getrennt. Die westlichste slovenische Ortschaft ist
Potoce, welche sich um den an die Gail anstossenden Rügelzug herum-
zieht und so in zwei Theile getheilt ist, von denen der östliche ganz
slovenisch, der westliche, am Aussenrande des Hügelzuges gelegene
Theil aber gemischt, doch tiberwiegend deutsch ist. Das nur durch die
Gailbrücke davon getrennte Möderndorf (Modrinja vas) ist aber schon
ganz deutsch. — Die Pfarre Melvice (Spodnje vasi), um 800 Einw.,
umfasst die Dörfer Melvice, Dole (Dellach), Napolje gespr. Näpale
(Nampolach), Rut (Raut), Loce gespr. Ocane, w Ocah (Latschach), und
Kozlöz (Grafenau); die Pfarre Egg (Brdo), um 1200 Einw., umfasst Brdo,
Velika vas (Micheldorf), Limace (Fritzendorf), Potoce Potschach;, Go-
cina (Götzing), Mele gespr. Melane w Melah (Mellach) und Moste (Brugg).
Zum Accente im Gailthalerdialekte. J97
Die Sprache dieser letzten Gruppe liegt den folgenden Ausführungen
zugrunde.
Erklärung der Lautzeichen.
Zur Fixirung des Lautbestandes des Dialektes von Brdo gebrauche
ich folgende Zeichen: a, J, c, c, d, e, ?, %, ßa, e, ä, 9,f, g, x> ^5 hJ, k, l,
i (w), w, w, 0, 0, ?^j, 0«, ö, 0, /?, r, 5, is, f, e< (w), v, w, z, z.
a, w, i sind die sonst im Slovenischen üblichen Laute (Bell-Sievers
a^, u\ i^). d ist der unbestimmte Vokal (Halbvokal, reduzirter Vokal).
Die Artikulation ist die mit niedriger palatal-velarer Zungenstellung.
Die Zunge wird nur sehr gering aus ihrer Ruhelage nach rückwärts
verschoben bei der Lippenstellung wie beim engen e. e ist das offene e
(Brückes e^^ Sievers ce^)\ e das enge e (Bell-Sievers e^)\ ig ist die Ver-
bindung des i mit a, wobei auf dem ersten Bestandtheil der Hauptnach-
druck liegt ; ea ist die Verbindung von offenem e mit a, e hat den grössten
Nachdruck ; e ist meist reduzirtes i am Ende der Worte, in der Aussprache
nähert es sich kurzem e\ ö kurzes offenes e am Schlüsse der Worte, klingt
ähnlich kurzem offenen e ; 0 ist offenes o (Brückes 0^, Sievers 0^) : g enges
0 (Bell-Sievers 0^); u^ ist eine Verbindung von wund 9, wobei das m stärker
hervortritt; Op ist die Verbindung von offenem 0 mit a, wobei der erste
Vokal stärker hervortritt; 6 meist reduzirtes ti am Schlüsse der Worte,
ähnlich klingend einem kurzen g ; o kurzes offenes 0 am Schlüsse der
Worte.
Die Konsonanten c, c, d, f, g, j\ k, m, n, p, r, s^ s, f, z, z haben
die im Slovenischen übliche Aussprache, l ist das mittlere / und ver-
tritt das l' und das mittlere / vor e und /; / wird gesprochen wie ein
nichtsilbiges u [ti) und ist das l vor Konsonanten und vor a, 0, u dem
Halbvokal, und am Ende der Worte, b ist kein ausgeprägter tönender
Verschlusslaut, sondern eine tönende labio-labiale Spirans, die sich von
v nur dadurch unterscheidet, dass die Reibung bei b grösser ist. Im abs.
Auslaut und vor tonlosen Konsonanten sind i, d^ g stimmlos (Sievers
Z>, d^g). V ist eine tönende labio-labiale Spirans, nicht wie in den slavischen
V V V
Sprachen und in der Mehrzahl der slov. Dialekte labio-dental. Es wird
gesprochen vor ^ und e, iv wird gesprochen wie unsilbiges 21 (m, ^), und
erscheint vor Konsonanten, vor a, 0, u, dem Halbvokal und am Ende der
Worte. / ist gutturale Spirans nur im absoluten Auslaut, h ist ein Hauch-
laut wie deutsches /i. r, /, m, n können auch silbenbildend auftreten.
198 Ivan Grafenauer,
Betonung.
Die Betonung im Dialekte von Brdo ist in den Grundzügen gleich
der musikalischen Betonung der slovenischen Dialekte Krains, die der
Isovenischen Schriftsprache zugrundeliegen. Den Hauptunterschied
bildet der kurze Accent des Gailthalerdialektes. In der slovenischen
Schriftsprache ist bekanntlich der kurze steigende Accent ganz ge-
schwunden, der kurze fallende aber nur in einsilbigen Worten und in
Worten mit Ultimabetonung erhalten (vgl. M. Valjavec : Glavne tocke o
naglasu knizevne slovenstine im Rad jugosl. akad. Band 132, S. 118).
Der Gailthalerdialekt hat aber beide. Wo im Gailthalerdialekte der
kurze fallende Accent in einsilbigen Worten und in der letzten Silbe
vorkommt, deckt er sich mit der Schriftsprache, daher ich diesen Accent
nur gelegentlich erwähnen werde. Der Gegenstand der vorliegenden
Arbeit ist daher die Darlegung des Hauptunterscheidungsmerkmales der
Betonung des Gailthalerdialektes um Brdo gegenüber der slovenischen
Schriftsprache, des kurzen Accentes in nichtletzter Silbe.
Dieser scheidet sich in den älteren kurzen Accent, der aber nur kurz
steigend ist (cak. vodä — stok. vdda — schriftslov. vöda — gt. wögäa]
und den jüngeren, der sowohl steigend als auch fallend ist und eine
neue Weiterbildung im Gailthalerdialekte bedeutet.
Der ältere kurze Accent.
Dieser entspricht dem kurzen steigenden Accente in den serbo-
kroatischen Mundarten mit jüngerer Betonung (ich bezeichne sie der
Kürze halber mit st. = stokavisch), er kommt also meist in Worten mit
ursprünglicher Endbetonung vor, welche im Cakavischen (c.) und Rus-
sischen (r.) noch erhalten ist. In den slovenischen Dialekten herrscht
darin keine Einheitlichkeit. Es gibt Dialekte, welche diese Endbetonung
in zweisilbigen Worten ganz konsequent noch erhalten haben, so der
Rosenthalerdialekt in Kärnten, während in dreisilbigen Worten dort die
drittletzte Silbe den Ton trägt, andere Dialekte zeigen wenigstens theil-
weise die ursprüngliche Betonung wie der Dialekt des Resiathales und
einige Theile des Oberkrainerdialektes, so im Veldeser Becken, wo ich
in Zirovnica voda aufgezeichnet habe (vgl. damit Preseren's Krst pri
Savici in der 15. Stanze: vodä razgräja). In der grössten Mehrzahl
der musikalisch accentuirenden slovenischen Dialekte aber haben wir
den langen steigenden Accent in der vorhergehenden Silbe bei o und e,
die Endbetonung bei Halbvokalen in der vorletzten Silbe.
I
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 199
Der kurze steigende Accent bei e« und o« (aksl. f, o) im
Thema.
Für das Schriftslovenische formulirte M.Valjavec bei den Stämmen
mit e und o die Regel folgendermassen : Hatte das Wort den Accent
ursprünglich auf dem Halbvokale am Ende des Wortes in der letzten
Silbe und steht in der vorhergehenden Silbe der Vokal e oder o, so
wird der Accent nach dem Ausfalle der letzten Silbe unverändert auf
die vorhergehende jetzt die letzte event. einzige Silbe zurückgezogen,
falls das Wort früher nur zwei Silben hatte, und bleibt auf dem
e oder o auch dann, wenn das Wort wieder eine Endung
bekommt und zwar als ', besser gesagt: wenn ' als ' von
der letzten Silbe auf die vorletzte zurückgezogen wird
(Rad B. 132, S. 167). Dasselbe geschieht auch bei mehrsilbigen Wörtern
mit ursprünglicher Endbetonung, wenn die letzte Silbe nicht wegfällt
(Rad B. 132, S. 176). In allen jenen Fällen also, wo hier das Stoka-
vische kurzen steigenden Accent hat, ist im Schriftslovenischen das
ursprünglich kurze e und o gedehnt und offen. Doch ist diese Dehnung
nicht überall und in allen Dialektgruppen durchgeführt. Dr. Sket in
seiner Slovenska slovnica betont z. B. vöda^ gora^ was wir aber wohl
als exspiratorische Kürze auffassen müssen, da sich Dr. Sket hier wohl
nach den exspiratorischen Dialekten Steiermarks gerichtet hat.
Im Gailthalerdialekte von Brdo haben wir in diesen Fällen den
älteren kurz steigenden Accent. Beispiele sind :
Substantiva. Einsilbige Maskulinstämme:
Sgl.-Nom.-Akk. blejc, Gen. bUaka^ Dat. hlejcö, Lok. hlehö^ Instr.
hleajkan. Plur. Nom. hlejie^ Gen. hle„köw^ Dat. hUnkan^ Akk. hUgCe^
Lok. hUaCdx^ Instr. hle(,Jcame. Dual ist nur Nom. Akk. hlejca erhalten.
Schriftslov. (sl.) hlek^), bUka\ c. biek, blekä; im Rosenthalerdialekt
(rst.) blaJ^, blaJ^a\ — boab, böaba (auch bdabo)\ sl. bob^ böba; st. bdba\
c. boba\ r. öoöä; — boaX-, ^^J^a; sl. boh^ böha\ — cveak, cveaka\ sl.
cvek^ cveka\ rst. cva^a\ Q.cvek, cveka\ — ceap, ceapa\ sl.cejt?, cepa. st.
cep^ cepa\ c. cepa\ — co«/, cdafa\ sl. co/", cöfa aus dem Deutschen
»Zopf«. — droak, dreaka\ sl. drek^ dreka\ rst. dra^ä] c. drekä; —
goazd, gdazda; sl. gozd, gözda; — groab, grbaba\ sl. gröb^ gröba;
1) Um Zweideutigkeiten auszuweichen, gebrauche ich auch im Schrift-
slovenischen für den kurzen fallenden Accent das Zeichen «, nicht Pleters-
nik's ». Sonst lasse ich alle diakritischen Zeichen Pletersnik's unverändert.
200 I^an Grafenauer,
li. grob, grdba\ c. grobä] r. hat hier abweichend rpö6a; — koap,
kbapa, das i des Mop ist hier ganz mit dem ersten Theile des Oa ver-
schmolzen; sl. klop, klöpa\ — knoafi kndafa\ al. knof, knöfa\ —
koaS^ kdaSa\ sl. kos, kösa\ st. kos, kdsa\ c. kosä; r. Koma; — krd„f,
kroafa', sl. krof, kröfa; — plßaXi P^^Jia; sl. pleh, pleha; c. pleh,
plehcl; — poad, pdada\ %\. p>od, pöda; l. pod, podä; Vuk aber hat
pod, poda; Mazuranic jedoch j9oc?a; — poaSt, pdaSta; sl. posf, pösta:
st. nach Mazuranic pösta, nach Vuk posta\ c. posta\ — roaC, rbgfia;
sl. roh, Val. röca, PI. roca; daneben kennt Pletersnik auch rohe, röcca.
aus letzterem wird wohl auch roaC zu erklären sein, sonst wäre uns das
c ein Räthsel; — snoaP, snöapa; sl. snop, stiöpa; st. snop^ sndpa; c.
snopa, r. ciionä; — speaX, speaha; sl. spe/i, speha; c. spe/i, speha; —
toaf, togfu, Batzen, Fladen; — zoji, zd„ka, Sack; sl. zök, zöka] c.
Zok, zokci. Vgl. Rad B. 132, S. 167 ff.
Abweichend ist dügr, dü^ra', sl. dvor, dvöra; c. dvor, dvora; r.
;iBopä; st. hat aber dvor, dvöra, wozu die Form des Gailthalerdialektes
^her stimmt. Andere recht interessante Abweichungen sind auch: koi,
ko^a; sl. koi,köla\ — mol mö^ia; sl. mol, mala; — stoi, stö^a; sl.
stoi, stöla, st. stöla, c. stola, r. cxojia; — wol, toö^-^a; sl. voi, völa;
st, völa, c. vola, r. BOjia. Die Klangfarbe des i = w (w) hat bewirkt,
dass das vorhergehende Oa nicht mehr offen als o« ausgesprochen wird,
sondern eng geworden ist [o], was seinerseits wieder bewirkt hat, dass
der Accent, der auf diesem Vokale ruhte, und der ursprünglich kurz
war, gedehnt wurde. Die Kürze des Accentes ist also in allen diesen
Fällen an den bestimmten Klang des offenen e„, o« gebunden und wird
verändert, d.h. gedehnt, sobald dieser bestimmte Klang des e„, Oa ver-
ändert wird. Dies wird uns noch klarer, wenn wir diejenigen Formen dieser
Ausnahmen betrachten, bei denen wir nichts, sondern /haben. Dort haben
wir nämlich den älteren kurzen steigenden Accent. Nom. Fl. lautet
nämlich nidje, kdje, stöje, xcöjie, Akk. PL mdj.^, kd„U, stdjs, wöjb.
Eigenthümlich ist auch die Behandlung von koiif: kiiojn, ktiojnja.
Mehrsilbige Maskulina mit derselben Betonung auf der Endsilbe
sind nicht zahlreich: ropo„t, rdpd„ta; s\. ropdf, ropöta; — trdak,
trbaka, Instr. trüiCe', sl. otrok, otröka; c. otrok, otrokä; — z9wo f,
zdwd(,ta', sl, zivot^ zivöta; c. zivota, r. sKHBOTa.
Auch im Nominativ-Akkusativ Singular haben kurzen steigenden
Accent jene Maskulina mit dem Vokal e oder o in der Stammsilbe, wel-
che in der Ableitungssilbe einen ursprünglich betonten Halbvokal be-
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 201
sitzen, von dem der Accent auf das vorhergehende e oder o zurückge-
zogen wurde: cef,pdc, cegpca; si. cepac, st. cij'epac, c. cepoic\ im
Thema ist hier zwar t, doch ist es schon vor der Zurückziehung des
Accentes so gekürzt worden, dass es dann wie einfaches e behandelt
werden konnte ; ccasn^, ceaSvka, durch Analogie gebildet aus sl. cesan ;
st. cesan, c. cesan ; — hddögbdc^ hadö„hca ; sl. hudöbac^ hudöbca ; —
kd„tdc^ köafca, ein Verschlag im Stalle meist für junge Hausthiere und
die Mutterthiere, besonders für Pferde und Schweine; sl. k6t9c\ st.
kötac\ — köutö^ kdatla\ ^X.kötal] st. kötao^ h.kotäl] — nöaVC, nOaTca;
sl. nörsj] — ?id(,sc, nO(,hca\ sl. n<)zic\ st. ndzic, c. nozic] das i wurde
hier wie ein Halbvokal behandelt; — ^^d„pi, "ö„y??a; sl. ogenj\ st.
bgan^ c. ogan\ r. oront; — "oaSö, ^ögsia] sl. ösai] st. osao, c. osäl;
r. ocejx; — Meaprc, Iie„prca, Flurname; sl. rebrdc; — pegwc, pcawca,
sl. pevac] st. pijevac\ r. niBeui:,; davon gilt das oben bei ceup9c Ge-
sagte; — sdaköj seakia\ sl. sokoi, soköla\ st. soko^ sokdla\ r. coKOJit,
eoKOJia ; der Genetiv und alle übrigen Formen sind analog nach dem
Nominativ gebildet; — stdde„7ic^ stddeanca\ die Aussprache nähert
sich öfters geradezu stdd-änc^ st9d^änc\ sl. studendc^ st. studenac
(' statt ' wegen studenca^ Rad 132, S. 178); c. studenac] — Uapac,
tcapca [tcap^cdw sl. tepde\ — tbark^ tö„rka\ tördk^ c. torak\ —
zgöanc^ zgdanca\ s\.zvön9c] G.zvojiäc; — zre„h6^ zre(,hio\ s\. zrebalj]
zreblja ^]. Als hierhergehörig können wir auch he,jzdöwc^ bdazdöwca
betrachten, wenngleich in den übrigen slav. Dialekten diesem e nicht c,
sondern Halbvokal entspricht; sl. hazdg. Pletersnik hat das Wort in
seinem slovenisch-deutschen Wörterbuche nach Jarnik. Die Betonung,
die er angibt, ist aber nicht richtig, da man im Rosenthale, woher die
von Pletersnik angeführte Form [bdzovdc) wohl stammt, nicht aus dem
Gailthale, wie dort angegeben ist, bdzowc spricht.
Der Accent in den Worten roddowc^ wddoioca\ '-ows, ^pwsa; sl.
vd6v9c, st. udbvac, r. B^OBeux; sl. övds, st. ovas. r. OBecL ist kurz
wegen der folgenden Konsonantengruppe, da er sonst wegen o statt Oa
lang sein müsste.
Nur im Nominativ- Akkusativ haben kurzen steigenden Accent jene
männlichen Substautiva mit Endbetonung, bei denen der nunmehr auf
das 0 oder e zurückgezogene Accent ursprünglich nicht auf dem Halb-
vokale am Ende des Wortes ruhte, sondern auf der letzten dem Halb-
1) Vgl. dazu Rad 132, S. 178 flF.
202 Ivan Grafenauer,
vokale vorangehenden Silbe im Gegensatze zur vorhergehenden Gruppe,
wo ursprünglich der Halbvokal am Schlüsse des Wortes betont war. In
den übrigen Kasus bleibt der Accent auf derselben Silbe, wo er ursprüng-
lich war als lang steigender Accent, da der Accent im Slovenischen nicht,
wie im Stokavischen, auch von nichtletzter Silbe zurückgezogen wird.
chaVak^ C9veka\ sl, clövek^ cloveka\ st. covjek, covjeka; c.
clovek^ cloveka] r. iie.iOBforB, ^ejoB^Ka; — jkacman^ J9cmena\ sL
j'ecmen^ Jecmena\ l,t. j'ecam, Jäcmena; — jealan^jdl'ena\ s\.jele?i,
jeVena\ \i. jelen^ jele7ia\ r. ojieHi>, ojtena; — JeaZdk^Jdzika\ sl.ye-
zik^ jezika\ \i. jezik^ jezika\ c. zafik^ zaflka\ — koaZdXi kazüha:
sl. közuh^ kozüha\ st. kozuh^ kozuha; r. KOyKyxt, Koatyxa; —
meadvad, m9dveda\ %[.medved^ medveda] st. med'cjed, medvjeda:
c. medved, medveda\ r. MeABi/it, Me^BiAa; — '^Oagrad^ wdgräda:
sl. ograd, ogräda\ — ^OaVay^^ wdreha; sl. örqh, oreha\ st. orah^
oraha\ c. oreh^ or%ha^ r. optxi., optxa; — pealan^ pdlina\ sl. jt)e-
Zm, pelina\ st. pelm, pelina; c. peltn, pefifia; r. nejLiH'B; — pa-
tealn, pdtdlitia ; sl.petelm, peteltJia; — p dakr özv , p & kr 6^^' a; sl.pö-
krov, pokrov, pokröva; lt. pdkrov, pdkrova', r. noKpoBi., nOKpoBa; —
pdatak, patöka', s\. pötok, potok^ potgka', st. pdtok, pdtoka', c. po-
tok, pofdka; r. hotok'B, noxoKa. — Auch kd^hok, k9hüka\ sl. klo-
hük klöhuk^ klohiika., st. klöbük^ klohüka; c. klohük, klobükä, r. kjo-
6yK^, KüOÖyKa ist hier anzuführen, wenn es auch streng genommen
nicht zu den obigen Beispielen gehört wegen der ursprünglichen Suffix-
betonung; seakö und wo^sc sind in die vorhergehende Gruppe durch
Analogie übergegangen und sind oben angeführt worden. Vgl. dazu
Rad B. 132, S. 141 und 179.
Jene einsilbigen Substantive der o/o- und e'-Deklination, welche im
Thema ein durch ursprünglichen fallenden Accent gedehntes e oder o
haben, zeigen im Lokal Singular theilweise kurzen steigenden Accent
auf der Stammsilbe : drügb, lo drdabö; sl. drgb^ v di'öbu; — nü^s.
w ndaSd\ sl. ngs, nösu u. s. w. Aber dieser Gebrauch ist schon stark
geschwunden vor der in diesen Fällen üblicheren Betonung wie
V drü^bö^ 719 mü^stö u. s. w. Konsequent kurzen steigenden Accent
haben im Lok. Sgl. nur: ww^c, sl. wpc; pd ndgce', s\. po nöci\ — sü
(aus su^l\ sl. sql\ w sdje, sl. v söli\ — nd skr e Je von sh%l Ofen-
decke. Pletersnik hat nach Zalokar für Krain in derselben Bedeutung
skril (nicht skrei) skrili: na skrili (= na pedi) lezäti.
Zahlreich sind diese Beispiele bei den femininen a-Stämmen . wo
Zum Accente im Gailthalerdialekte.
203
diese Art der Betonung durch Analogie auch in der Deklination stark
um sich gegriffen hat. Ich führe daher vorher ein vergleichendes De-
klinationsschema an : gd„ra^^\.göray %\.gdrci, c.gorä, r. ropu, rst. Ziora:
Singular.
Gailtd. (Brdo). Schriftsl.
Nom.
Gen.
Dat.
Akk.
Lok.
Instr.
Nom.
Gen.
Dat.
Akk.
Lok.
Instr.
goara
gdaVS
göave
gÖaTO
go„re
[neb. gd„re)
gdrö
gdlrS
gu,r
gbgi'an
göaTi
goarax
gdrame
gora
göre
göri
goro
göri
gorö
Plural.
göre
gor
goräm [göram]
göre
gor ah [gor ah)
gorämi
Dual.
Rosentd.
Russisc
(n.Scheinigg in Kres 11,428).
horä [hora)
ropa
höre [höre]
ropLi
hör hora)
rop^
horö [horo)
ropy
hör'' [ho7'9)
ropi
horö [horö)
höre (höre)
hiier (küjr)
hör am [hör am)
höre (höre)
horäh [horah]
horärn [horämd)
ropoK)
ropw
rop-B
ropaM'L
ropti
ropäxi.
ropaMH.
Nom. -Akk.: go„re^ sl, gorl:. Die übrigen Kasus des Dual sind
durch den Plural ersetzt. Es ist also die Behauptung Oblak's in seiner
Abhandlung »Zur Geschichte der nominalen Deklination im Sloveni-
schen«(SA.S.204), dass die Kärntnerdialekte den Unterschied zwischen
Dual und Plural festhalten, nur theilweise richtig. Auch die von Oblak
nach Scheinigg citirte Form Dat. Instr. Du. Upama im Rosenthale ist
sehr zweifelhaft, da Scheinigg diese Form (Kres II, S. 428) nur bei lipa
anführt, nicht aber auch bei horä^ vodd^ und da er in der Anm. 1 auf
derselben Seite sagt, der Dual gehe in der Volkssprache verloren, da
selbst mit dba^ oba (ausser im Nom. -Akk.) Pluralformen gebraucht
werden. Die Formen Kpama^ hväpcama^ miestama, misama (1. c.)
beruhen wohl mehr auf Spekulation als auf Wirklichkeit.
Was den kurzen steigenden Accent bei diesen Formen im Gail-
thalerdialekte (um Brdo) anbelangt, so entsprechen die Formen des Nom.
Dat. Lok. Sing, ganz den entsprechenden Formen der Dialekte, welche
204 Ivan Grafenauer,
der sloveniscben Schriftsprache zugrunde liegen, ebenso sind auch der
Dativ und Lokal Plur. (Dual) lautlich aus den entsprechenden Formen
der Schriftsprache zu erklären, wenn man auch beinahe mit Gewissheit
annehmen kann, dass bei diesen Formen, welche in der Schriftsprache
die Endbetonung noch bewahrt haben, der Accent im Gailthalerdiaiekte
später zurückgezogen wurde als bei den ersteren. Zu dieser Annahme
bewegten uns die Formen des Substantivums röka^ sl. röka^ r. pyKa,
wo sich die Formen N. röka^ G. röce^ D. röc^^ L. röc^ u. s. w. und
rhkax^ rdkan gegenüberstehen. Die Betonung der Formen des Gen.
und Akk. Sgl., Nom. Akk. des Dual und Plural ist durch Analogie
nach den übrigen Formen entstanden, ebenso die Endung Nom. Akk.
Dual golre statt ghlri^ (sl. göre) durch Analogie nach der Mehrzahl der
a-Stämme, um die Dualform vom Plural zu diflferenziren.
Beispiele sind: kdubg^pla kdnöf^ple\ sl. konoplja^ r. kohohjih, aber
st. kbnoplja\ — kd(,pa kdap^\ sl. köpa, resiad. Äojoa, c. kopa, r. Konä :
— kdaSa, kdaSd\ sl. kösa^ rostd. ^"osa, st. kösa^ c. kosa^ r. Koea; —
köaZa, köaZ^^ slov. köza^ rtd. ^oza\ st. köza, c. kozä^ r. K03a; — mö„-
sna mdaSn^, sl. mösfij'a, resiad. mösna, c. mohijä, r. MomHa; —
meatla meatU', sl. metla^ st. metla\ rtd. matia, c. metla, r. Msxjia :
— nd„sna nöasne\ sl. nöbija] — röaSa rdaSe\ sl. rosa] st.
rosa^ rtd. rosa^ 6. rosa, r. pocä; — scastra seaSträ; sl. sestra, st.
sestra, rtd. saslrä; c. sesträ, r. cecxpa; — wdada, wdadö', sl. vöda,
st. vöda, rtd. voda, c. vodä, r. BO^iä; — icöazna wd„hi^\ sl. vöztij'a.
st. vdznja\ — zdainla, ze„mlp.\ sl. zemlja\ st. zemlja, rtd. zamlä] c.
zemlja\ r. sbMjIä; — zeana, zeanS; sl. zeV^a, st. ze?ia, rtd. zawa, c.
ze^^a, r. atenä. — Hierher gehört auch '•^daca, sl. dce, r. OTei^t; dieses
Wort, das ich nur im Singular gehört habe, deklinirt folgendermassen :
Nom. "o^m, Gen, Dat. Akk. Lok. '^dacö, Instr. ^dacan. Küzmics hat
auch den Genetiv oce wie vode u. s.w. Die Form oca ist nach Oblak's
Annahme die ältere und kommt [otfcha] in der Klagenfurter Hand-
schrift und deu Schriftstellern des XVL und XVU. Jahrh. allein vor
(aber kein oce). Der Akk. oco [othfcho), welcher in der K.H. sich
findet, ist regelmässig nach der a-Deklination gebildet (Oblak, Zur Ge-
schichte S. 240 ff.). Die Form y<öac6 aber ist nicht auf dieselbe Stufe
zu stellen mit dem Akk. Sgl. der a-Stämme, da das ö des Suffixes eng
ist, wir haben hier wohl mit einer Analogiebildung nach der Deklination
der 2/-Stämme zu thun, da das 6 am Schlüsse der Worte im Gailthaler-
diaiekte die Entsprechung für u ist.
Zum Accente im Gailtbalerdialekte. 205
So werden betont feiner auch alle Worte auf -b,iba (sl. -öha) und
-data (sl. -öta)^ z. B.: grdöaba, grddah&\ sl. grdöba^ c. grdoha\ —
hdddaba^ hdddahS in der Bedeutung Teufel wie hdddahdc\ sl. hu-
döba, st. hudoba, c. hudobä] — u. s. w. Ipöata Ipdati] sl. lepöta^
st. lepota, c. lepotä, r. .lenoxa; — slpOata, slpdate\ sl. slepöta, st.
slepöta, r. citnoxa, u. s. w. Einige mit dem Suffix -ote gebildete Sub-
stantiva sind aber wohl durch Analogie nach dem ehemaligen Akkusativ
(nach M. Valjavec, vgl. Rad 132, S. 177) in der slovenischen Schrift-
sprache lang fallend betont: dobrota^ gorkgta^ sirota. Im Gailtbaler-
dialekte um Brdo ist ddbriata, idpü^ta (sl. toplota) ebenso betont, aber
wir haben nur SQrd^ta aber Akk. sarü^to.
Der kurze, steigende Accent ist nicht vorhanden vor j\ l und lo.
Der offene Vokal o« wird vor diesen Konsonanten geengt zu p und ge-
dehnt; j und w [l] haben nämlich im Dialekte von Brdo die Eigen-
thümlichkeit, dass sie in nominalen Bildungen intervokalisch zwischen
gewissen Vokalen, wil) zwischen e-ö, e-a, a-a^ a-o, g-a, o-o\ — /zwi-
schen e-a, e-o, a-e, a-^, p-^, o-e, reducirt und dann gleich behandelt
werden, z. B. : kräa [kräva], vidaa [videla], wo das zweite a in etwas
höherer Tonlage gesprochen wird als das erste ; ze-a, ze-o wird so ge-
sprochen wie ddze-a, ddze^Ö. Auf dieser Eigenthümlichkeit, glaube ich,
beruht auch die Behandlung des Accentes in den hierhergehörigen
Fällen.
daze^a; sl. dezela\ — me-a^ sl. meja^ st. meda^ c. mej'a^ r.
Mea:a; — nog^i sl. nöga^ st. nöga^ c. noga^ r. iiorä; — smg^a^ sl.
smöla^ st. smdla, l.smola, r. CMOjä; — so"«, sl. söva, c. sovä, r. eoBa,
st. aber sova] — ^-gwca, sl. övca, st. övca, c. övcä, r. OBi^ä.
Das unmittelbare Aneinanderrücken der beiden Vokale ist wohl
der Hauptgi'und gewesen, dass der diphthongische Vokal, der der
Träger des kurzen steigenden Accentes ist, zum einfachen Vokal wurde,
und dass der Vokal, weil er so in offener Silbe steht, gedehnt wurde.
Bei Oa, das zu g geworden ist, ist dies allerdings nicht der einzige
Grund der Dehnung, es ist hier auch die Verengung des Vokales von
Bedeutung, bei e, das nicht verengt worden ist, ist dies ganz sicher der
Hauptgrund: ddzeaia-ddzeaa-ddze^a. — Bei ngga, nggo ist uns dieser
Zusammenhang nicht so klar, da hier nicht/ oder ^ü, sondern^ vor-
liegt. Es liegt hier Analogie nach den übrigen Kasus vor: Sgl. N. ngga^
Gen. wd"^ aus noj^, Dat. wö"e aus noji^ Lok. wd"e aus tioji (neb. nöz^)^
Du. Nom. Akk. nö^i aus noJi\ Plur. Nom. Akk. wd"d aus 7ioje. Bei
206 Ivan Grafenauer,
'^gwca ist das o eng wegen des nachfolgenden w, der Accent aber ist
kurz wegen der folgenden Konsonantengruppe.
Wo aber das /, das dem e, o nachfolgt, als l wieder zutage tritt,
haben wir kurzen steigenden Accent: smq^-a^ Gen. Sgl. smoje, Dat.
Lok. smoje] — dBze^a, Gen. Sgl. dazeje, Dat. ddzeje, Lok. ns dazeje.
Nom. Akk. Du. ddzeJe', Nom. Akk. Plur. ddzeJe. So auch in zwei
Formen von ngga: Dat. PI. nbagan^ Lok. ndaga%.
Die neutralen o-Stämme mit ursprünglicher Endbetonung und
dem Stammvokal o oder e gehören mit dem ganzen Singular zu dieser
Gruppe: Nom. Akk. ^öokno^ Gen. ^^ojcna^ Dat. Lok. y^daknö^ Instr.
y^öaknan^ sl. öi^wo, ökna^ stokno, rst. o^'?id, r. okho; — biadro, bead7-a,
sl. bedrg, bedra; st. bedro, r. 6eAp6; — ^^Caklo^ ^akla\ &\.Jeklo,jekla\
rst./fl^^o; — pUace^ pUaca] s). plece, pleca; %t. plece; rst. place:
c. plece, r. njTeqo; — pscano, pseafia] s\. psetig^ psena] — regbro,
reabra\ sl. rebrg^ rebra] c. rebro^ r. peöpo; st. aber rebro\ — r^sdato,
r^seja; sl. resetg, reseta\ Itreseto, r. pemexo; — ^rmea?icö,^rmeanca;
Pletersnik hat hier unrichtige Betonung rumhice; — scadiö, sdadia:
sl. sedig, sedla; st. sedlo; rst. sadio\ c. sedlo, r. ciA-i6. — Bei ce^o,
sl. ce7o, st. celo, rst. ca/o, c. celo, r. ^lejio haben wir die schon oben
bei smo^a ddze-a betrachtete Erscheinung, der Lokal Sgl. aber hat
kurzen steigenden Accent nd cej^, r. iia yejii. Von den konsonanti-
schen Stämmen ist nur der Nom. Akk. Sgl. tCfiU zu erwähnen ; sl. tele.
st. tele\ rst. tale: r. tbm.
Adjektiva. Ursprünglich auf dem Suffix betonte Adjektiva,
welche in der slovenischen Schriftsprache den Accent auf ein vorher-
gehendes e oder o zurückgezogen und dieses gedehnt haben, falls es
nicht in der einzigen oder vorletzten Silbe des Wortes steht, in welchem
Falle kurzer fallender Accent in der slovenischen Schriftsprache, wie
auch im Gailthalerdialekte eintritt, haben im Gailthalerdialekte kurzen
steigenden Accent : brbd„k, brboaka, brbögko ; sl. globok, globoka.
glohökg\ st. dübok, duboka, c. dubok, duboka] der kurze steigende
Accent ist durch Analogie in allen Formen durchgedrungen ausser Nom.
Akk. Sgl. mask., wo Endbetonung herrscht: sdroak, hröaka, hröako:
sl. sirok, siröka, sirökg\ st. sirok, siroka; c. strok, sirokä; — vasdak,
vasoaka, vdsoako; sl. vüok, vtsöka, visökg\ st. vlsok, visöka] c. visok.,
visoka. — Auch im Nom. Akk. Sgl. haben den Accent von der letzten
Silbe zurückgezogen: 'rman, ^'meana, h-meano\ sl. rimien, rumena.
rumeng] st. rümen, rumena] c. 7'umen, rufnefiä, und zejan, zdlcana.
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 207
zdle„no\ sl. zelen und zelen, zelefia, zeleno\ st. zelen^ zel<ma\ v-zelen,
zeletia. — Zu bemerkeu ist dazu, dass der kurze steigende Accent nur
der unbestimmten Form des Adjektivums eigen ist, die bestimmte Form
hat langen fallenden Accent: zdlijne, zali^na^ zdU^no u.s.w. Denselben
Unterschied zwischen bestimmter und unbestimmter Form haben wir
auch im Rosenthalerdialekte und im Dialekte von Resia : zalanä ist das
r. 3e.iena, zeloeiia aber das r. sejieiiaK (vgl. Baudouin de Courtenay,
OiitiT *0H. Pes. roBopoB. S. 75). Für das Schriftslovenische vergleiche
Rad B. 132, S. 154. Bei 7idw, ?i6y^a, ng^o] sl. nov, növa', — gof^ ffQ^a,
go^o\ sl. gol^ göla ist der Accent lang steigend wegen tv \i).
Ausser im Nom. Akk. Sgl., wo der Accent ursprünglich auf der
vorletzten Silbe ruhte, in allen Formen haben kurzen steigenden Accent :
döhdr^ döuhra^ doabro; sl. döba?', döbra] st. dobar^ dobj'a, c. dobar,
dobra; rst. dora^ doro\ Endbetonung ist im Gailth. erhalten in dro =
doro (wohl, ja); — möhdr^ möakra, mbahro\ sl. mökdr^ 7n6kra\ st. hat
hier auch im Fem. Nom. moh'a\ — töpö^ td'apia^ tdapio\ sl. aber
auch im Nom. Mask. töpdi^ töpla.
Mit allen Formen gehören hierher: mbacn^ möacna^ mdacno\ sl.
möcdn^ möcna, möcnq\ — nöaSn, 7idaS7ia^ W()«swo; sl. nösdn^ 7iös7ia^
7iös7io\ — i'boSTi^ röaSfia, rd(,s7io\ sl. rös97i^ 7'ös7ia^ rös7io\ — pbatti^
pöatna^pöatno\ ?\. pötd7i, pöt7ia^ potnq neben potm, pot?ia, pofTiq. —
Ferner zwei Adjektiva mit i in der Stammsilbe: sve^tö^ svcatia,
sveatio\ sl. svetSi, svetlä, svetlo; — tcaS7i, teaS7ia^ teaS7io\ sl. tes^hi,
tesTia^ testiq. Das Adjektivum boi^/i, boina, bgino hat g wegen des
i, kurzen Accent wegen der nachfolgenden Konsonantengruppe; rst.
boldn.
Nur im Nom. Akk. Sgl. mask. haben kurzen steigenden Accent auf
dem e oder o der Stammsilbe einige Adjektiva, welche im Schriftslove-
nischen im Nom. Sgl. mask. zweifache Betonung haben, die ursprüng-
liche auf der letzten Silbe und die jüngere auf der vorletzten: böagat\
sl. bögat und bogdt; st. bögat^ c. bogat] — Jcd(,smat\ sl. kösTnat und
kosmat] st. kösmat^ c. kosmat\ — das oben erwähnte ze„la7i\ sl. zelen
und zeren\ st. zele7i\ rst. zalan, c. zelen; — vej9k, sl. velik und
celtk.
Numeral e. Kurzen steigenden Accent hat in allen Formen ^ead7ij
^eana, ^eanö] sl. [edon] e«, ena, eno\ \i. jedan^ jed7ia^ jedno\ rst. adn^
anci, a7iu[ano)^ e. jedan^jedna^jediid; r. oahhx, OAHa, 05116. — Bei
den Ordinalzahlen haben diese Betonung die Lokale : pootd^, ü.petih; —
208 Ivan Grafenauer,
seaStdyiy sl. sestih\ — seadmdyi^ sl. sedmih\ — '^da.smdXi sl- ösmih\ —
ddiüe^td^i, sl. devetih] — ddse^tdx^ sl. desetih.
Pronomen. Pronomina, welche in diese Kategorie gehören, sind:
der Gen. Dat. Akk. Lok. Sgl. von ti und vom Reflexivum sehe: teabS,
scahi't sl. tebe tebe^ sehe sehe und teUi tebi, seb'i sebi; rst. tabe, sabe;
st. tebe, tebi', sehe, sebi; c. tebe, sebe; r. tböh, xeöt; ceöa, ceöi. Im
Gail- und Rosenthalerdialekte ist hier die Endung des Dativ-Lokal (i)
herrsehend geworden, nicht wie man anf den ersten Blick annehmen
könnte, des Genetiv-Akkusativ [e], denn wir haben vom Pronomen der
ersten Person im Gailthalerdial. Gen. Dat. Akk. Lok. mhi^, im Rosen-
thalerdial. mdtie [mena], was deutlich auf aksl. Mtni im Gegensatze zum
Gen. (Akk.) .Meue hinweist. Dieser Gebrauch ist schon alt, denn wir
finden ihn schon in der Handschrift der slovenischen protestantischen
Gemeinde von Gorice ob Arnoldstein im Gailthale aus dem XVII. Jh..
von welcher Oblak Bruchstücke im Archiv f. sl. Phil. B. XV, S. 459 flf.
veröffentlicht hat: kar fi ti mene dobriga fturil, S. 462; — oflfer, kateri
ieft tebe . . pernefom, ebenda; — offram fe febe dones . . ebenda, u.s. w.
— Ferner haben wir "ö„wa '^-öano; sl. öna öno, st, ona öno, c. ona o7io\
ncaga neben ne^a, nenmö\ sl. njega njem/ü, njega njemu; rst. njaha,
njomh; ^^i. njega njemu; g. njega tijemü; r. ero, esiy. — Beim Possessiv-
pronomen mqj tvqj svoj ist im Gailthalerdialekte Kontraktion wegen des
reducirteny eingetreten und ist daher die Accentuation eine andere ge-
worden: aus mb,Ja wurde mioä, aus twd„Ja ^erau.s.w. — In der Dekli-
nation tritt aber der kurze steigende Accent öfters wieder zutage, wenn
auch nicht in seiner charakteristischen Form. Der Klarheit halber
führe ich das Deklinationsschema an :
Singular:
Mask. Nom. Akk.: m'^oj tiooj swoj; Neutr.: mwö tioö swö
Gen. -Akk. : m^o^ega t^o'-ega s^^ö-ega
Dat. Lok.: my^of^amö f^'c^amö s^ö^-amö (neben mwämö
twdmö swdmö]
Instr. : mwän twän swdn
Femin. :
Nom.:
mwä iwd svö
Gen.:
mioe twe swe
Dat. Lok.:
m}ibU t^oH s^ö^e
Akk. Instr.:
mioö twö swö.
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 209
Plural:
Nom.: Mask. m-o*e t^^i^e s^^'o^e\ Fem. Neutr. : mice tice swe
Gen. : mrcäli twäh sicäh
Dat. : mtcän twän swän
Akk. : i7iice twe swe
Lok. : mioäh ticäh sioali
Instr. : mwäme twäme swänie.
Dual:
Nom. Akk.: Mask. mwä ticä sicä; Fem. Neutr. : m"o^e t^d-e s'^ö^e.
Die übrigen Kasus wie Plural.
Das unbestimmte Demonstrativum ^-dne ^dnä ^^anö »jener gewisse«
hat im Gen. Akk. Mask. ^hne^a aus -Ca.ga^ Dativ Lok. -a?2(?„wö ; das Frage-
pronomen kdö (Gt. tüj)^ Gen. Akk. kbaga^ Dat. Lok. kouniö. — wtsy
sdaffct, seafnö^ sl. vsega^ vsemü] st. svega, svemu\. c. sega^ semü] r.
Bcerö, BCOMy.
Verb um. Die Verhältnisse sind bei den verschiedenen Verbal-
klassen ungleich. Von der L Verbalklasse haben die Verba mit ur-
sprünglicher Endbetonung kurzen steigenden Accent auf dem e^ oder
Oa des Stammes im Infinitiv, Imperativ, ferner im umschreibenden Par-
ticipium Perfecta auf -/, -/a, -lo und im Part. Perf. Pass. in allen For-
men ausser Sgl. Maskul.
Infinitiv: zd-boaSte, sl. böaii, st. l/osti, r. öocTii; — grcahate^
<\. grehsti^ st, grepsti, r. rpecxn; — pd-mea^te^ sl. menti^ st. mesti^
r. mbcth; — neaste^ sl. neati, st. nesti, r. iiecTii; — pUaSte, sl. plesti^
iit.plesti, r. nJBCTH; — tcapste, sl. tepdi, Ittepsti, r. tccth. Eigen-
thtimlich ist es, dass bei Verben der 4. Gruppe das e vor e verengt wird
zu ej\ während es in den Dialekten die der Schriftsprache zugrunde
liegen, offen ist: Vejct^ sl. Jehi^ st. leci^ r. jiequ; — p^jce, sl. peci, st.
peci^ r. nequ; — ^'^Jce^ sl. reci, st. reci, r. peqa; — tejce, sl. teci, st.
teci^ r. Teqn.
Der Imperativ dieser Verba lautet : gi-ej>e,^\.grehi, st.^rei?', Q.greln^
r. rpeöii; — zd-hoade^ sl. hödi^ st. bödi, r. öoau; — vldaze t>e, sX.Uzi] —
pd-meade^ s\.?nefi, ht.mefi^ c. meß, r. MCTii; — ndaSe, sl. fiesi, st. nest,
c. ?ief>t, r.HBCH ; — za-pleade, sl.p/ett, ht.plefi, r. njiexii; — teape, sl. tepi,
st. tepi, Y. Tenu. Mit Halbvokal: 'rce', sl. ren, st. rm, r. peKii; — pdce,
sl. /»ec/, st. 2^ßct\ c. jOßc«, r. neicii. — ^a<5<?, sl. ^ecV, st. ieci, r. tbkh. —
Archiv für slavische Philologe. XXVII. 14
210 Ivan Grafenaiier,
Ebenso betont ist auch der Imp. Plur. 1. und 2. Ps. durcli Analogie
nacli dem Sgl.: nCaSBioa nea&^ta^ sl. aber neswa nealta. — Das Partie.
Perf. auf -l^ -la, -lo dieser Verba lautet: bödö, böadia, höadlo.
höadle^ u. s. w., hödla^ hödlo\ — g^'ehö^ grcabla^ grcahlo u. s. w. :
sl. grehlcij greblo u. s. w. ; st. grehla^ grehlo u. s. w. ; c. greblu^ greblo :
r. rpeöjiä, rpeöjro ; — p9meadia\ sl. metla, mela\ — icUagla^ sl. legla.
st. legla^ c. legla, r. Jier.ia; — ncasla, sl. tiesla, st. nesla^ c. nesla, r.
iiecjia; — pejila, &\.pekla^ It.pekla, c.pekla, r. nsKJiä; — z9-pleadla\
&\. pletla plela, lt. plela, c. plelcl, r. njiejä; — reuHa, sl. rekla^ st.
rekla, c. re/da, r. peKJia; - — teakia, sl. iekla, st. iekla, c. fekla, r. xe-
laa; — icapia, sl. ^e/j/a, st. ^e^/a. — Partieip. Perf. Pass. : pr-bd-
deaii, -bddkgna^ -hddeano u. s. w., sl.pre-boden, bodena, bodeno u. s.w. ;
— grboaii, grbeaua, grbeano\ sl. greben^ gr-ebena, grebeno\ h.grebe7i,
grebenoj grebmo; c. greben, grebena, grebeno\ r. rpeöeiiä, rpeöeno:
— tepi'ji^ tdpeana^ t9pean'ü\ sl. tepen, tepena^ tepeno\ st. tepen, te-
pena, tepeno, c. tepen,, tepena^ tepeno\ — ebenso niddcana^ nsseaiia,
pdinddeaUa, pd6i\,na u.s.w. Im Singular Mask. ist, wie wir sehen, nach
Analogie der übrigen Formen kurzer steigender Accent statt des fallen-
den eingetreten.
Alle diese Verba haben im Schriftslovenischen auch im Präsens
den Accent zurückgezogen : nesem., dieses, tiese, ?ieseva, 7ieseta, ne-
semOj nesete^ c. nesen, neses, nese^ neaeind, nesete. Im Gailthaler-
dialekte ist dies nicht der Fall. Das Präsens lautet hier: ndsen, nd&es.
ndse\ 7idseva,nesesta\ ndsemo, 7i9seste, 7id^ö u. s.w. Vgl. Scheinigg,
Narodne pesni koroskih Slovencev 39: Kaj mi lipca prevetujes — Der
mi sadja ne nesös. Im Rosenthalerdialekte : nascmi^ 7iasas^ 7iase aber
7iasava u. s. w.
Kurzen steigenden Accent hat auch der Imp. und das Part. Perf. tau
-l (nur Sgl. Mask.) von prp9g7iUe, sl. pripog7iiti\ prpOagTie, pipdagtfva^
p7'pdag7v'7}io\ s\. pripög7n ahev p}'ipog7iiva ; prpd„gnö^ ^\. prip6g7iii.
Von der dritten und vierten Verbalklasse gehören hierher
jene Verba, welche das e {a) resp. i in -eti, -iti betonen und in der vor-
bergehenden Silbe den Vokal e oder o haben, und zwar haben sie den
kurzen steigenden Accent im Imperativ, im Supinum und im Part. Perf.
auf ^ Sgl. Mask. : gorete: gdgre, gda7'^te\ goaT^t] göj-6l\ Bl.göri, göret,
g6rel\ \X.göri,go7'io\ l. göret, go7'el\ — bdlete: bbjöl, '^.bölei; böalt,
sl. bölet\ — Itete: Uate, sl. Uti, st. leti, r. .neTii; lejöl, sl. Utei,
st. letio\ — Pzäte: IcgZe, sl. leH, st. lezi, r. .iea:ii; IcgZöl, sl. lezai,
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 21 1
st. lezao^ c. lezcd^ r. jieKajii.; IcaZat^ sl. Uzat^ c. lezat, u. s. w. — ir-
dite: broade^ sl. Jrö^//, r. öpoAH, st. ^rwc;?^; bröadö^ hrögcl't^ sl. hrödil^
hrödit\ — hddite: hoade^ sl. Äorfe, r. xo^ii; höadö, sl. Ä(?(^«7, st. Äoc?«o,
r. xo^Mt; so auch von lomite (sl. lotnüi): zidaine, U„m^t, zldamö; —
mddite {s\. modifi) : zmd,^dc, möa^'t, zmbj:ö\ — skodife: sköade, sköa-
66 \ — lodzite [voziti]'. tcöaZe^ wögZ't^ zicöaZö\ — zdniU [zeniti):
zcane, zeaiif., ^'9ze,{)iö\ u. s.w. Vom Imp. Du. Plur. ^'^'^ie^w/fe gegenüber
sl. zenUe gilt das schon oben Gesagte. Die hier angeführte Participial-
betonung ist aber bei den Verben der IV. Klasse mit betontem l (sl. f
des Inf. nur dann der Fall, wenn das i der Konjugationsendung im
Präsens nicht betont ist, sonst ist die Betonung anders: zohrin^ zdhrltc
govorim^ govoriti): zdhü,rd.
Aehnlich ist es auch bei der V. Verbalklasse. Jene Verba, welche
ein e oder o in der dem betonten -ä-ti vorausgehenden Silbe haben,
betonen kurz steigend den Imperativ Sgl., durch Analogie auch Plur.,
das Supinum und das Part. Pf. auf -l im Sgl. Mask. : 09 säte [desäti) :
deaSej] SeaS^va,JeaS^ta, deaS^mö, dcaS^tö; SdaSat; dc'aSöi; sl. dest\ desat,
6esai\ st. 6esi^ öesat^ aber öesao (r. qeeajra,); — klpäte [klepäti):
kleaple,kleaplte\ kUapat, kUapöl] ü.klep1Ji,klepat,klepal\ &t.klepaj\
klrpaf, klepao ; — kaniäte [kondäti] : kö^,n6öl^ sl. köncal (die anderen
Formen habe ich nicht gehört); — kr säte [kresäti): kreaSat, krcasoi;
sl. kresatj kresal\ — nidtäte [metäti): zmea^Ie] meafat, mcatoi;
sl. 7ne6i, metatj metal\ — pdläte ' peljäti): peje^ pejat, pejöl^ sl.
pelji., peljat^i peljal\ — pdslate [poslati): pöaSU, pöaSlöl\ jJÖsK, pö-
slal\ — kdpäte [kopäti) (graben): köapU, köapat, köapöl] sl. köplji^
köpat^i köpaf. — Jene Verba aber, welche mehr als dreisilbig sind,
haben Endbetonung: trpdtät^ [trepetäti): trpatej\ trpatol] sl. trepeöi.^
trepetal\ — kö}^ati hat im Infinitiv zurückgezogenen Accent wegen il\
welches das o verengte, daher auch ko^^'ej, ko^^'af, ko^'-^öi. — Jene Verba
dieser Klasse, bei welchen im Infinitiv und Part.Perf. auf -l der Stamm-
vokal schwindet, betonen kurz steigend nur den Imperativ: brate:
beoTe, sl. Jen, st. 5m, r. 6epji; — driate: ddare, sl. deri, st. de7'i,
r. AepH 5 — kläte'. zd-köale^ sl. köJj'i., st. kö/j'i, r. KOJii; — mU^te :
rndje, sl. me/j'i, st. melji^ r. mcih ; — präte: pe^re^ sl. peri\ — sräte :
pase^re se, sl. serj'i; — pd-stläte: p9siejej s\. postelJi\ — gnäte:
zdane., sl. ze)ii\ ■ — zrijte: pszcare., sl. zrl. Jene dieser Verba, welche
im Präsens ursprünglich Endbetonung haben, die im Schriftslovenischen
auf das e oder o zurückgezogen wurde, haben wie ähnliche Verba der
14*
212 Ivan Grafenauer,
I. Klasse im Gailthale Endbetonung : hdi'en^ hdres^ hare u. s. w., sl. Le-
rem^ heres, here\ rosentd. hartim^ baras.
Halbvokal oder reducirter Vokal im Tliema.
Der Halbvokal ^jh ist im Gailthalerdialekte in dreifacher Weise
behandelt worden. In jenen Fällen, wo er gedehnt worden ist, haben
wir offenes e (denselben Laut, der auch der regelmässige Vertreter des
Ä im Gailthale ist), in den übrigen Fällen ist er entweder ausgefallen
oder als Halbvokal erhalten geblieben. Da der Halbvokal naturgemäss
kurz ist, haben wir in jenen Fällen, wo der Accent auf einen Halbvokal
von der folgenden Silbe zurtickgezogen wurde, kurzen steigenden
Accent. Dasselbe gilt auch von reducirten Vokalen, da sie lautlich
gleich sind den alten Halbvokalen, und vom silbenbildenden r. In den
Dialekten Krains haben wir in diesen Fällen fast durchwegs die End-
betonung erhalten.
Substantiva. Im Thema ist ein Halbvokal: pbs phsa pd&ö pd&a
P&SÖ phsan ; p9sa; pase pii söiv pa sati pdse pdSdx p^satyie; sl. pds psä ;
lt. pas psa\ — sds sdsa; sl. sas sasa; — söw (dieses a wird wegen
des 10 wie ö gesprochen) so^^'a; sl. Sdv^ iava, ivä; st. säv svä] —
ddz?i ddznj'a aus daz dazj'a; sl. daz dazjä, r. Aoac^TB, Aoac^a. Die Be-
tonung ist also ganz analog der Betonung einsilbiger Maskulina mit dem
Stammvokale e/o und ursprünglicher Endbetonung: boab, höaha u. s.w.
Ebenso betonen Maskulina mit ursprünglich betontem halbvokalischen
Suffixe, nur dass hier auch der Nom. Sgl. kurzen steigenden Accent
hat: lakdt iakta u. s. w., sl. lakät^ -kta neben /a^a^, -kta (Valj.-Rad).
— pekö^ pekla, sl. paTicl^ pakla\ st. päkao^i c.pakaJ., pak/ä; —
6tahar^ atabra; sl. staba7\ stabra; c. stabai\ stah'a. — Feminina und
Neutra mit ursprünglicher Endbetonung und mit halbvokalischem Stamm
haben kurzen steigenden Accent auf dem Halbvokale in allen mehr-
silbigen Kasus: daska ddsö^ d^de dasko dasde dasko\ dds6e\ dasdS,
dask, ddükan dasdö, daakah daskame\ sl. daska daske wie göra\ st.
däska^ c. da.ska, r. ^ocKa;. — magla möglö; sl. mdgla, st. mägla, c.
7nagla\ — mazda^ sl. mazdu (pio-d-ög); — sfazda, sl. sfaza, st. stäza,
c. i,taza^ V. cTBsa; — ta7na^ sl. tamu, ftJia, st. täma; — sa?ice, sl.
satice; — sl. stablo lautet aber stebio.
Im Thema ist silbenbildendes r: lirhat^ Jirbta, sl. hrbet, hrbta]
st. hruat aber Iirpta; — datrtak, datrtka\ sl. detrtakj 6etrtka\ st.
6etvrtaky S. detrtuk, cetrtka, r. ^lexBepTOKt, qeTBepxKa ; — ^rja^ "^'J^y
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 213
sl. rjil rdja^ st. rdja, c. rja\ — msta V)'sf(*, sl. vrsta, vrstä, i: Bepexä
uud ähnliche. Nur im Nom. Sgl. drv9d, gen. drvica, sl. drvid, örviöa.
Im Thema ist ein zu Halbvokal gekürzter Vokal : j'dgla^ J^gU
Deichselnagel sl. igla im PöUauerthale in Oberkrain jdgla (fallend) ;
st. nßa^ c. igVä^ r. Hr.ia; — J^spa^ sl. izbu neben izba (Plet.), st. izba^
r. nsöa; — khpdc khpca^ sl. kupifc kupca^ st. küpac^ r. Kyneu;^; —
m'dstwo^ sl.tnostvq; — papar^ phpra^ ^\. pöpar^ pöpra; h. popar\ —
schio sekna^ sl. suknq sükng; st. dükno, r. cyKHo; — zhistica von
zanstwo] sl. zenstvq nnd ähnliche.
Adjektiva. Im Thema ist ein Halbvokal. In allen Formen ist
kurzer steigender Accent bei : mddö mddia m'Jdid^ sl. mdddi mddla'.
— idödk Idhka idhko^ sl. hgtk Idhdk^ hJika^ c. lagak\ — thrndn
tdmna tdmno\ sl. tarndn tamjiä; — tandk tdnka thnko, sl. tandk
tdnka aber st. fdnak. In allen Formen ausser Nom. Sgl. Mask. : {dsc
ids6a tdsco, sl. tasdii, st. aber tasta. — Im Thema ist r: mrtö^
mrfwa mrtwo] sl. mrtdv mrtva\ st. mrtav mrtva, c. mrtäv, mrtva;
— shidn shii'na schläfrig; — 6rn örna 6rno\ sl. 6rn 6rna 6rno\ st.
crna^ c. craä, r. ^lepna; — grd grda grdo, sl. grd grda; c. grda^ r.
ropAa; — trd trda trdo^ sl. tfd irda\ st. tvrda^ c. tvrda. Im Thema
ist gekürzter Vokal. In allen Formen ': krdak krka, krko, sl.
krätak krätka krätko^ c. kratdk'. — madak^ mhhka^ mahko] sl.
mehak, mehka, mehko; — m'astn^ mastna^ masfno', s\.mas{an,mdstan,
mastna, mästna ; — p^sn, prsna, prsno^ sl. praPan., präsan^ prasnd,
präsna^ c. p7'asdn, prasftd; — s-lddak, siadka^ sladko] sladak slä-
ddk^ sladka slädka] c. sladak sladka; — stfsn strsna strsno; strasan
strdsati, sirasnd sträma. — Nur im Nom. Sgl. Mask.: daböl dabe^a,
sl. debal debela.
Vom Pronomen gehört zu dieser Gruppe das schon erwähnte mane
und nasce^ sl. nihM. Von den Adverbien vane^ sl. vne.
Verba. Die Imperative: />3(^6', 'r(5e, tace, s\. pect, 7-eci, ^ece habe
ich schon oben erwähnt. Von der IL Verbalklasse gehören hierher
einige Verba mit Halbvokal in der Silbe vor dem charakteristischen
Infinitivsuffixe, welches betont ist. Sie haben bei ursprünglicher End-
betonung kurzen steigenden Accent im Imperativ Sgl. Du. und Plur.,
im Supinum und im Part. Perf. auf -l im Sgl. Mask. : dahnite [dahniti):
daJvie, dalmawa^ daJmamö^ dahnt^; daJmt] daJinö\ sl. dalirit^ dhhnU^
— pr-maknxte [pre-makniti): pr-makne^ pr-makiü^ pr-maknö\
sl. mahn, mahiU; — pahnite {pahniii): paJme^ pahnt^ pahnö:
214 Iv&n Grafenauer,
sl. pahni, pd/mii: — sa/mife [sdhniti): söhne, shlüit^ sdJmö; sl.
vsahm, vsdhnU', — spd-tdkräte [spo-tdh.nite): spotakni^ ^'thknt^ spd-
t9knö\ sl. spotdknl^ spotdknll. Von der V.Klasse erwähne ich: sdsäte,
sl. sdsäti: sdsöl^ %\.sdsal; iagate [Idgäti^ lagäti): iagej\ hgol aber id-
gat\ sl. läzi, idgai^ lagat. — Gekürzten Vokal hatjac/e und jdU^ sl.
idi i<n, iti ifi, silbenbildendes ?' : tvrnUe {vrniti) : pd-whie, pdwrnt.
patorjiö.
In allen diesen Fällen ist also der kurze steigende Accent dadurch
entstanden, dass der Accent von der folgenden Silbe auf die kurze halb-
vokalische vorhergehende zurückgezogen wurde. Die gekürzten, zu
Halbvokalen gewordenen vollen, langen Vokale mussten vorher gekürzt
worden sein, bevor der Accent zurückgezogen wurde, denn sonst könn-
ten wir uns nicht erklären, warum der lange Vokal zu einem Halbvokal
gekürzt worden ist. Der Prozess also, der im Dialekte von Brdo ganz
konsequent durchgeführt ist, dass alle Vokale vor der betonten Silbe
wie Halbvokale ausgesprochen werden, musste früher durchgeführt
worden sein, bevor in diesen Worten der Accent zurückgezogen wurde.
Der Prozess des Zurückziehens des Accentes musste daher bei o und e
früher durchgeführt worden sein, als bei den Halbvokalen und den re-
ducirten Vokalen. Diese Annahme wird, glaube ich, auch durch den
Umstand bestätigt, dass im Schriftslovenischen im Gegensatz zu o/e, auf
welche der Accent fast durchwegs von der folgenden letzten Silbe des
Wortes, falls sie ursprünglich betont war, zurückgezogen wurde, beim
Halbvokal in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die ursprüngliche
Endbetonung beibehalten wurde.
Der jüngere kurze Accent.
Während wir in den bisherigen Fällen den kurzen Accent als den
älteren bezeichnen konnten, da er ganz dem kurzen steigenden Accente
des Stokavischen entspricht [vöfjda — toda, magia — mägla), und da der
ältere kurze Accent (st. krava) im Slovenischen in nichtletzter Silbe
zu lang steigendem oder fallendem geworden ist, tritt in einer Reihe
von Fällen im Gailthalerdialekte ein jüngerer kurzer steigender oder
fallender Accent auf, der sich aus langem Accente entwickelt hat, und
zwar vor Konsonantengruppen in geschlossener Silbe,
M. Valjavec hat im Rad jugosl. akad, B. 132, S. 120 u. 149 darauf
hingewiesen, dass der im Serbokroatischen und Slovenischen aus nrspr.
Zum Accente im Gailthalerdiaickte. 215
steigendem Accente entstandene kurze fallende Accent im Slovenischen
in nichtletzter Silbe verschieden behandelt wurde, je nachdem die be-
tonte Silbe offen oder geschlossen war. Im ersten Falle entstand langer
steigender Accent, im letzteren lang fallender, z. B. : ruk, rä-ka^ rü-kov
u. s. w., dagegen: riik-ca^ hU-ka, st. Vltka^ krüs-ka, st. kruska n.s.w.
Als geschlossen fühlte aber damals die Sprache Worte, wo der Scbluss-
konsonant zum Stamme gehört, und die folgende Silbe ein mit einem
Konsonanten beginnendes Suffix ist. — Silben jedoch wie ce-sta^ di-sta
galten als offen.
Die Kürzung dieses langen, fallenden oder steigenden Accentes im
Gailthalerdiaickte hat ihren Grund darin, dass die Sprache nicht nur
Silben wie hit-ka^ hrui-ka als geschlossen fühlte, sondern auch solche
wie cesta, disfa, die sie ces-ta, dis-ta zu trennen begann. Ein Theil der
Dauer des Vokales wurde auf den nachfolgenden, zur selben Silbe ge-
zählten Konsonanten übertragen, so dass der Vokal kurz zu werden be-
gann, bis er heute als kurz gefühlt wird: ce-sta — ces-ta. Es ist dies
derselbe Prozess, der sich auch in der deutschen Sprache in der Ent-
wicklung vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen abgespielt
hat: mhd. hrähte — nhd. brachte, mhd. dähte — ix'kd.' dachte, kläfter
— Klafter, höchzit ■ — Hochzeit, höchvart — Hoffart, herlich —
herrlich: u. s. w. Vgl. Paul, Mittelhochdeutsche Grammatik s, S. 14.
Sievers, Phonetik &, S. 304, § 849.
Der gekürzte steigende Accent.
Ursprünglich steigender Accent wurde im Slovenischen zu kurzem
fallenden umgewandelt, blieb aber kurz und fallend nur in letzter Silbe
und in einsilbigen Worten. In nichtletzter Silbe aber, wenn sie als offen
gefühlt wurde, entstand daraus langer steigender Accent, unter dessen
Einfluss e und o geengt wurden vgl. Rad 132, S. 120), ebenso im Gail-
thalerdiaickte : präg präga, r, nopöri, nopora, st. präg praga ; kräa,
sl. kräva, r. Kopona, st. c. krava. In den Fällen jedoch, wo die betonte
Silbe als geschlossen gefühlt wurde, hat der Gailthalerdialekt die lange
betonte Silbe gekürzt und wir haben kurze steigende Betonung.
Substantiv. Einsilbige Maskulina in allen Kasus ausser Nora.
Sgl., wo kurzer fallender Accent erhalten ist: chit centa; sl. c'cnta ; —
flnt,fünta\ %\. funt Junta; — grlnt, grünta, ^\. grünt grünta; —
gwant, gxoänta, a\. gvä?tfa; — gcmk gänka, ü. gänka; — kramp.
216 Ivan Grafenauer,
krämpa^ sl. krämpa'. — pänk (Analogie nach den übrigen Kasus),
pänka^ s,\. pd?ikrt, mhd. bcmchart; — pmit^ pänta; ü.pänta\ — pari,
j}ärta\ sl. /Jar^a; — prrst jirsta^ s\. prsia; — prt prta\ &\. prta\ —
stomf (das m ist labiodental wie/*), stümfa\ sl. strümfa\ — üjmf
tümfa] »Tumpf«; — - trbmf^ trümfa^ »Trumpf«; — wamp wämpa; sl.
vämpa. — Mehrsilbige Maskulina in allen Kasus: äntKury^^ änt-
varha^ Handwerk, äntvarhar, mhd. antwerc\ — lürtay., Schürze, »Vor-
tnch«; hädrar Lumpensammler von hadra Fetzen; — händö Streit-
handel, »Handel«; — lähray^ der Waldtheil, der zum Bauernbesitze
gehört, wohl »Laubreche«; — mäjraf, Stadel, »Maierhof«; — pdlpaz
ein dummer roher Kerl ; — pülpay., eine Art Pech (von Tannen) ; pän-
katar^ pänkatarca^ der Vater (Mutter) eines unehelichen Kindes, von
mhd. hancliart\ — zämpr^ mit gehacktem Fleisch gefüllter Schweins-
magen, und andere, besonders Fremdwörter. Einheimische Maskulina
mit dieser Betonung sind nicht zahlreich: küsöar küs6arja\ sl. küsder,
st. guster; — li,snjak Ußnjaka^ sl. l'esnik^ st. lesnik] — Jiotdsödc von
ndtösdk^ vgl. nätan^ sl. näton\ — ^akolsödö, ein kleiner Garten vor dem
Hause; — piskr piskra^ %\.insk9r\ — r^käwösö^ sl. rokävöid] —
s?7irkJ; sl.smrkalj, st. smrkcd/, Türk Ttirka. sl. Türdk Türka, c. Tn-
rak (%i.Türak). — /-Deklination: äntvart äntvatie] »Antworte; - —
päprat päprate^ sl. präprot\ st. paprat\ — prse^ sl. p'rsi^ st. prsi.
Die grösste Anzahl von Worten mit diesem jüngeren kurzen stei-
genden Accente bietet aber die «-Deklination: cesta ceste ceste u.s.w.,
sl. cesta, st. cesta \ — cthija cünj^, sl. cwija, st. cunja; — dcöia
Mädchen, c?«?^^/a Magd, decle, dekU\ sl. dekla, st. d^xkJa^ djekla: —
gonja gonjS^ sl. gönja\ — gösca gösdl'^ sl. gösda, st. gusta\ — grinta
grmt^\ sl. grinta »Grind«; — grmoivla, grmbiole, sl. mrävlja\ — kd~
Udlca kdUdlc^ 1. Heuschrecke, 2. Fieber; sl, kohilica^ st. kobilica] —
krästa kräsfe; sl. krdsta, st. krdsta, r. Kopocxa; — fänkwada, ünter-
krain. länkei; mhd. lcmcwit\ — lästahca (das h aus labialem v wegen c)
iästabc^, sl. lästavica, st. lastavica ; — lenda lendä ; sl. leda; — mrka,
mrlw, sl. mrha, st. mrha\ — novcsta )i9vest^\ sl. nevesta^ It.nevjesta,
c.nevesta, r. HeBiexa; — pälcapälce; ü.päh'ca^ %i.pdlica. — presta
preste^ sl. presta ; — pi^ga prg^^ sl. pö'ga, st. prga, klr. nepra, r. aber
nepra; — skränja, skränj^j sl. skräfrfa; — srenda srenS^, sl. sreda:
st. sreca: — skrba,lskrbä, sl. skrba, st. skrba; — sprätija spränß.
sl. ipränja ; — wähte f. [nd wähte prite zum Kirchweihfest als Gast
[wahtiik waht7ikd\ kommen). Pletersnik kennt vähte f. pl. vähti m. pl.
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 217
Allerheiligen ; — vidh' PI. fem., sl. vile^ st. tile^ r. bu.ili ; — vidice, sl. viJice^
ItvUica ; — woina, sl. völna, st. vüna ; — zingrada » Sinngrün « bedeutet
Preisseibeeren. So aucli 7to/ra, sl. hUra^ skorja und ähnliche. Dass
der Accent wegen der folgenden Konsonantengruppen kurz ist, sieht
man besonders deutlich dort, wo der ursprüngliche Nasalvokal im Gail-
thalerdialekte in seine Bestandtheile zerlegt worden ist. Der Vertreter
des Nasälvokals ist im Gailthalerdialekte beinahe durchwegs lang:
möka^ röka^ '^eza u. s. w., sobald wir aber statt e (a) en haben, ist der
Accent kurz: lenöa^ srenca {leöa = Unöa). Interessant für den Kon-
sonantismus des Gailthalerdialektes ist es auch, dass die Verbindung
7ij\ rj ebenso Kürze des Accentes bewirkt, es ist dies eben kein er-
weichtes w, r, sondern n -\-j\ r -\-j.
Neutra: Grdisde Flurname, sl. gradtsSe, c. g7-adls6e\ — g'^'io,
gfla\ sl. grlq^ st. grlo, r. r6p.io; — gmidUsde^ grmdl\s6a\ sl. mrav-
IJisce^ c. mravlfUce^ vgl. gmöxola. Entstanden ist diese Form wohl
durch Volksetymologie in Anlehnung an das Verbum grmaJete wim-
meln.— juiro^jütra^ adv.ziifra; sl.jütro, zjidraj\ \,{.jutro mtra; —
mäsio mäsia-, sl. mäslg^ st. mclslo; — mcstb, sl. mestg, st. mfesto\ —
pdrißlo^ &\.povreslo\ — pdvesnw^ pdvesma\ ^l.povesmo, c. povestno^ st.
pÖDjesmo] — srej'sde &rejs6a\ sl. sräjca\ — stmisöe sfrnisda; sl.
st)-msde, st. sfrniste. — Hierher gehört auch eine Anzahl von Wörtern
auf -f/Zo gegenüber südslavischem / aus tl: hdbidlo^ hdculla\ hdcidlce^
hddidlca^ üeberzug über das Kopfkissen, sl. ohlacüg^ ohla6iIce\ —
krsädio, krsädia; sl. h'esälg, b. kresadlo', — mstdvidlo^ mdtavidia:
sl. motovilg^ c. motovllo, st. motovilo, b. motovidlo ; — st9p)ädio^
stdpädia^ sl. stopälg^ c. stopalo^ st. stdpalo; — sidlo, sidia\ sl. m7o,
st. 6■^7o, b. sidlo; — sidlc^, skllca\ — zedio, zedla\ sl. zeig. — Die-
selbe Betonung müssten wir auch bei hadidio (r. KaAHJio) annehmen,
welches in den Volksliedern bei Strekelj vorkommt, das ich aber aus dem
Dialekte von Egg (Brdo) nicht belegen kann, da es hier vom Lehnworte
viaTdli^ mhd. vnrouch^ verdrängt worden ist, ebenso wohl auch bei kro-
pidlo^ das ich um Egg nicht gehört habe, das aber bei Strekelj mit kadidlo
in Verbindung (Slovenske narodne pesmil. 433) dreimal vorkommt. Das
Wort kadilo hat sich im Dialekte von Brdo nur in einem Gebetsverslein
erhalten, aber als kadiio^ nicht als kadidlo'. nSvete tri^a kräle — so
zütra zgujda stäU — so Jezasa hskäle — trinejst dni n irlnejst nöi
— so Jezdsö 6ut gfr pmcasle: — miro, kddiio., cisto ziätov.. Es ist
dies der Rest eines Volksliedes, das sich anderswo erhalten hat, und
218 Ivan Grafenauer,
zwar scheint das Lied von einer anderen Dialektgruppe ins Gailthal ge-
langt zu sein. — Dieselbe Erscheinung haben wir auch dort, wo ur-
sprünglich langer steigender Accent nicht gekürzt wurde und im Slove-
nischen (und Cakavischen) langer steigender, im Stokavischen langer
fallender Accent erscheint: möjstdr^ sl. möjstdr^ st. mäJstor\ —
grbzdje^ sl. grozdj'e, st. grozcte ; — listje^ sl. listje^ st. lisce^ c. lisce ;
— qlje^ sl. ölje^ \i.ülje\ — 2;t'/;e, sl. z'elje^ st. zelje. Einige haben aber
auch kurz fallenden Accent: trnje^ sl. trnje^ st. trnje u. einige andere.
Adjektiva. In allen Kasus ausser Xom. Sgl. Mask. : 6'^ht^ öista,
disto U.S.W., sl. Slst 6ista Sistg, st. d^'ist ölsta. — In der letzten Silbe
ist ein Halbvokal: nizdh, niska, nisko u. s. w., sl. nizdk^ nizJca, nizko^
st. mzak\ — öz3k^ öska, osko, sl. gzdk, gzka, özkg\ st. uzak. — Bei
der Mehrzahl der so gebildeten Adjektiva ist aber auch im Nom. Sgl.
Mask. der kurze steigende Accent durchgedrungen in Anlehnung an die
übrigen Formen und Kasus, und wir haben durchwegs kurzen steigen-
den Accent: gVdddk gVddka glhdko^ sl. gläddk glädka glädkg\ st.
gladak [a zu Halbvokal geworden wegen l)\ — glinddk aus dem Deut-
schen, indeklinabel; — limojtn^ hmojtna, hmojtno^ mhd. gemeit\ —
jäsn^ jäsna^ Jäsno\ sl. jäsdn^ jäsna^ jäsng\ st. jäsan\ — srentn^
srencna., sren6no\ sl. sriicdn^ sreöna, sre6ng\ st. srefan', — mli^dii,
mliydna, mli^dnö; sl. mleddfi, mleS?ia, mUöng: — fff'hSHj grijsna.
grijno; sl. gres97i, gresna^ gresng\ st. grjesan^ grljesan^ und andere
ähnliche. Adjektiva mit den Suffixen -ji^ -ski^ -ov {-ev), -ast, welche
ursprünglich steigenden Accent in nichtletzter Silbe hatten, haben im
Gailthal er dialekte um Brdo kurzen steigenden Accent in allen Formen
und Kasus, falls dem betonten Vokale mehrere Konsonanten folgen:
kojnsöe^ köjnska^ kojnsko] sl. kgnjski^ kgnjska^ kgnjskg\ st.kd7ijski:
— crcsuöw^ dresnaa^ 6resnd^o\ sl. öresnjev^ drehy'eva^ öresnjevh ;
st. tresnjev\ — kü,zjc^ kiigzja^ k'ii3ZJo\ sl. kgzji^ kgzj'a, kgzje\ st.
kozjl, r. kogIü; — krempast^ krempasta, krempasto von krcmpate,
hinken; — P^sje^ P^sj<i, pesjo\ sl. päsji., pö,sja^ pö,sje\ st. pdsj'l^ r.
neciil; — sdtenje^ sl. slovenski\ tiimpast, tümpasta, tümpasto\ —
^'owdj'e, V.oic6Ja^ "owdj'o; sl. gvdj'i, aber st. btijt. —
Zahlwörter, welche hierher gehören, sind: dvcjste^ sLdväj'set;
— f7']ste = sl. fridesef, gebildet analog nach dvefste] — sirte^ sl. detrti,
st. detvrti, r. ^leTBepTLiil ; — sesie, sl. scsti; — sedme^ sklmi\ — osme.
sl. gsmi. — Vom Pronomen: täksn^ käksn, sl. tdks9f7, kdks9n. Ad-
verbia : doisan herunter, dblta hinunter, grsan herauf, grta hinauf.
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 219
aus ^oy seni^ gor ija\ movka nachhause; sönJca heraus, tdnka hinaus,
soDiie herausen, tf}v7ie draussen ; zwrha [züarlia] oben. —
Verbum. Die Verba der ersten Klasse: {^\.) Jesti^ sedi, sesti,
vredi haben im Gailthalerdialekte um Brdo aus langem Accente ge-
kürzten steigenden Acccnt im Infinitiv und im Part. Perf. auf -/, -^a, -/o
ausser im Sgl. Mask.: J'^^te^ jedlo^ jedl'b\ sl.j'esii^ j'edia, jedlo\ st.
jesti,jela\ — sejöe^ seJda^ seklo\ sl. seöi, sekla^ seklg\ st, sjeci, sje-
kla\ — seste, sedia^ sedio; sl. sestt\ sedia, sedig ; st. sj'estt, sj'ela;
— tcrde, icrgla^ icrglo] sl. vre&i^ vrgla^ ®^V^?j ^*' '^^'c'/, vrgla. —
Diese Verba haben also den Stammvokal e (f), und nur diese werden
gekürzt, während ursprünglich ganz gleich betonte Verba mit anderem
Stammvokal den langen Accent bewahren trotz der auf den betonten
Vokal folgenden Konsonanteugruppe : kräste^ krädla, sl. krautig krädla :
st. krasti\ krdia ; — päsfe, pädia ; griste^ grizla ; stride^ strigla u. s. w.
Von der II. Verbalklasse betonen Verba mit ursprünglich kurzem
Vokal oder Halbvokal im Thema die Stammsilbe mit gekürztem Accente
durch das ganze Präsens, der Infinitiv betont das ^ des Infinitivsuffixes :
pr-pdgnite^ prpbgnan^ prpognas, prpqgnü u.s. w., sl. Valj. pripögnem^
pTipogniti, Flei. ^) pögnifi, pn'pggnem^ iit. pdgnem; — pr-mdknlti^ pr-
meknan ; sl. pre-mdknitii pre-mäknem ; st. mäknuti^ maknem ; —
^'^^dgnlte^ ögnan\ sl. ognitl^ ggnem\ st. ognem\ — pahnite^ pehnan\
ü. p9Jmiti^ pälinem\ h. pa/i?ie}7i', — sd/mUe\ seJma7i\ sl. S9ntii, säh-
?iem; st. sa!inem\ — spd-tdknUe^ spd-tekna7i\ sl. spo-tdkniti^ spo-
täknem ; st. taknem ; — zdshnUe^ zdeJman ; sl. vzddhniti^ vzdähnetn ;
st. daluiem. — Im Infinitiv, Imperativ und im Part. Perf. smf -i, -ia, -io
zeigen gekürzten steigenden Accent: zignte, zigne, zignö, zigtfia.
ztgiv'lo^ sl. vzdigniti^ vzdigni^ vzdignii] st. dtgnuti, dlgni^ dtgmio:
— zmrzfite, zmrzne, zmrztw, zmrzniti, zmrznij zmrznil', st. smrznuti^
smrz7ii^ srrirznuo ; — plüs7iU, plüs7ie^ plüs7iö^ sl. pljüs7iiti^ pJji'iS7ii,
pljüs7iil\ h,. pljus7iuii\ — prä-mte^ präs7ie, p7-äs7iö ; %\. ■p7'äs7iiH, präsni,
prdsiiii', lt. p7^äs7iuti; — prdTite, jJvdne, pt^dtiö; sl. p7'rl7iitZj prd7ii,
pfdnii\ 6i. prd7iuti\ — söipiite^ scipne^ s6ip7i6\ vs6ip7iiti^ ■vs6ip7ii^
vsdip7iil\ st. sßp7mti', — sk7-}p7ite, sk7']p7ie, skiupnd\ sl. sk7'ip7iiti^
skrip7ii, skripnil', lt. sk7'muti; — st\s7ite^ stis7ie, süs7iö; s\. sits-
Tiiti, stis7ii, stiSTiii; st. stls7iuti\ — vkhite, vedTie, vednö\ sl. ved-
1) In solchen Fällen hat Pletersnik die zurückgezogene, jüngere Be-
tonung, während Valjavec die ursprünglichere, ältere Betonung bevorzugt.
Ich richte mich hier nach Valjavec. Vgl. Ead B. 132, S. 144.
220 Ivan Grafenaucr, .
niti, vqdni^ vedmi\ st. venuti; — sSisnte, sdistie, s6isnö\ sl. kisniti,
kisni, kisnii\ st. Uhnuti. — So auch: ömrkute^ jemanden heftig auf
den Boden werfen [yicmrka)^ dregnte^ pd-6ednti^ fimfnte einen Stoss
versetzen, mläsnte^ mignte^ zibnte =^ zginiti^ zehnte^ zmeknte =
6m)-knte u. s. w. Im Präsens haben diese Verba kurzen fallenden Accent.
Interessant ist die Infinitiv- und Präsensbetonung bei einigen Verben
dieser Klasse, welche im Infinitiv ursprünglich das i des Suffixes be-
tonten, deren Stammvokal aber lang war. In diesem Falle geht nämlich
im Gailthalerdialekte der Accent vom ursprünglich betonten Suffix auf
die vorhergehende lange Silbe über, so auch in der IV. und V. Verbal-
klasse: kddUe, ndsite ■ — ■ dräzte, ciepHe\ mdtäte^ kdpäU — söipate^
skäkate. — Die Präsensbetonung dieser Verba wäre wegen des stok. "
im Sloveuischen ' (vgl. Rad 132, S. 160), das auch Valjavec verzeich-
net, im Gailthalerdialekte von Egg haben wir aber kurzen fallenden
Accent. Es hat also Analogie nach der Gruppe zmrztite^ zmrznan u.s.w.
durchgegriffen: spläknte^ spiäknan; sl. splakniti (Valjavec), splähiiti
(Pletersnik); spläknem (Valj.), spläknem (Pletersnik), st. splakniti,
spldknem\ — st('gnte,stegna7i\ seknte^seknan. Aber: lürnUe^ivrnan,
sl. vrniti, vrnem. Die Verhältnisse sind bei spiäknU ursprünglich die-
selben wie bei icrnite. Die verschiedene Behandlung rührt daher, dass
r schon sehr früh als kurze Silbe gefühlt werden mnsste, daher die
Anlehnung an die Gruppe makmte, meknan und nicht an die Gruppe
zmrznte, zmrznan.
Dieselbe gekürzte Betonung wie zmrznte u. s. w. haben von der
vierten Verbalklasse: sölstaie {sdutn, s6tstds^ sd'iste], sdiste, sdistö;
s\. izSistiti, izöisti, izöistil] st. dtstiti, dlsti^ dlstio] — '^^9-prtdte,
'"^aprte^ ^"dprfö; sl. o-prtiti, oprti, oprtii\ h. prtiti: — jezd9te,je-
zdöy sl.j'ezditi. — Im Präsens hat kurzen steigenden Accent: pdstUe
se, pbstn se^ pöstds^ poste u. s. w., sl. posiiti, pqstim aber st. pöstim.
V. Verbalklasse. Der Infinitiv ist ursprünglich auf dem Suffixe
betont, das Präsenssuffix ist -jem [-Jan) : dri^mate, di^mlan^ dri^mlas,
drlsmU u. s. w., sl. dremäU., dremlj'em^ st. drijemati, drljemJjem\ —
joskäte,jds6an\ &\.iskäti, is6em\ 'utiskati, Istem; — klpäie, kleplan;
sl. klepäti, kl'epljem.\ st. kUpati^ klepljem; — &räte^ serJan, ü.sräte,
serjem\ st. serem\ — skripate^ skr) plan; sl. skripäti, skripljem; st.
skrlpljem ; — söipate^ s6\plan, sl. sSipdti, sHpljem ; st. süpljem. Auch
im Infinitiv haben gekürzten Accent: henjate, henjati, lienjas u. s. w.,
'^. j'enjam.. Vi. jenjäm; — püiöate, piisöam., sl. püsdam^ st. püstätn ;
Zum Accente im Gailthalerdialckte. 221
— mi^njaU^ m\}njan\ sl. mcham^ st. mijevjän. Imperativ und Part.
Perf. auf -/, -la^ -lo dieser Verba: hcrijej\ henjöl\ 2iüs6ej\ pmdeßd^
pusd(Jl\ mijnjej^ nti^njöl'^ d\irjaU^ (Dgrjan, (l/igrjej\ di^rjol rennen. So
auch die im Präsens nicbfjotirten Verba: dürhate durchgelien, laufen;
fentaU pfänden, ßedraU aus dem Dienste entlaufen, ßobxite flattern,
Jiäwlate bellen; lömhate läuten, türdate zusammenstossen, ein Spiel
mit den Ostereiern, und andere. Im Präsens fallenden Accent hat:
irgatcj sl. trgati, st. i/rgati] — it'9y\ t''9'^i-i sl. trgaj\ trgal\ Präs. aber :
trgan, irgas, trga u. s.w., sl. trgam. Von der VI. Klasse hat in allen
Formen gekürzten steigenden Accent auf der ersten Silbe: pestowate,
sl. pestoväti, pestovaii. Präs. pestdwati, pcstawas u. s.w. Imp. peatd-
icej\ Part. Pf. II. pe&tdwöl^ Part. Pf. Pass. pesidwan^ Sup. pestdwat.
Denselben Prozess, den wir bei ursprünglich steigendem Accente
auf derselben Silbe im Gailthalerdialekte beobachtet haben, sehen wir
auch, falls der Accent von der darauffolgenden Silbe auf einen ur-
sprünglich langen Vokal zurückgezogen wurde. Gewöhnlich haben wir
im Gailthalerdialekte denselben langen steigenden Accent, der auch
sonst im Slovenischen in diesem Falle eintritt: hräda., sl. bräda, r. 60-
poAa; — düsa, sl. düsa, r. Ayiuä; — sriadci^ sl. sreda^ r. cepeAa; —
zinia^ si.zima^ r. 3HMa; — greda^ %\.greda^ r. rpaAa; — möJca, ^X.möka^
r.MjKa. Vgl. Rad 132,S. 183 ff. Kurzer steigender Accent aber erscheint
unter denselben Bedingungen, wie in der eben besprochenen Gruppe.
Mit dem Zurückziehen des Accentes ist im Gailthalerdialekte auch
eine Erscheinung verbunden, welche als Doppelaccent bezeichnet wird.
Diesen hat für den Gailthalerdialekt schon V. Oblak konstatirt, vgl.
Arclüv B. XVIII, S. 257 ^). Der Doppelaccent im Gailthalerdialekte
stimmt in zweisilbigen Worten und in Worten, welche die vorletzte
Silbe betonen, lautlich mit der Definition übereiu, welche Prof. Resetar
im § 3 seiner Schrift »Die serbokroatische Betonung südwestlicher Dia-
lekte« feststellte, die erste Silbe ist stärker, die zweite, ursprünglich
betonte, höher betont. Diese Erscheinung, welche einUebergangsstadium
von der ursprünglichen zur jüngeren Betonungsweise ist, kann aber im
Gailthalerdialekte nicht mehr als üebergangsform betrachtet werden,
denn sie ist keineswegs nur auf Worte mit ursprünglicher Endbetonung
1) Oblak ist dort ein Versehen unterlaufen; er gibt als Beispiel für den
Doppelaccent im Gailthale unter anderem auch giiddamö {gl§d). Es ist dies
wohl eine Kontamination zweier Formen: gth. gödam'ö [gqd) und jaunth. gtq-
damo, gth. gledamo [glfid], das aber fallend betont ist.
222 Ivan Grafenauer,
beschränkt, sondern hat weitere Kreise gezogen. Ursprünglich auf
Fälle beschränkt wie röka, bräda^ wo der Doppelaccent auf lautlichem
Wege entstanden ist, ist er auch auf die übrigen Fälle des steigenden
Accentes ausgedehnt worden: z. B. bäha, st. baha^ Mäce^ st. Made.
verUj st. vj'era^ süsä, st. susa u. s.w., wo er nicht lautlich erklärt wer-
den kann, sondern durch eine Inklination des Sprachgefühles, weiches
dieser Form des steigenden Accentes, sie analog verallgemeinernd, den
Vorzug gab. So ist heute der Doppelaccent die einzige Form des stei-
genden Accentes im Gailthale, nur dass die Exspiration des Neben-
accentes beim kurzen Accente schwächer ist als bei langem. Aehnlich
ist es auch in mehrsilbigen Wörtern, bei denen der Hauptaccent auf
einer Silbe vor der vorletzten Silbe ruht. Bei diesen Wörtern trägt
immer die zweite, dem (steigenden) Hauptaccente folgende Silbe einen
schwächeren aber höheren, kurz fallenden Accent : zmr/rada, vevarcä
{veverica), läkatnca [la/cotnica]^ sMkate, pestdicclte u. s. w. Wegen
der Regelmässigkeit dieser Erscheinung bezeichne ich den Neben-
accent nicht.
Gekürzter, von der folgenden Silbe zurückgezogener, steigender
Accent :
Substantiv. Maskulina. Es sind dies meist Wörter, weichein
der letzten Silbe einen Halbvokal haben, die aber theilweise wie ein-
silbige Wörter gesprochen werden: cvinc^ cv)nca, sl. svinac, svmca\ r.
CBHnei];'i>; — kiänc^ Mänca\ sl. Mändc^ st. klänac, c. Tdänac\ —
KräJnCj Kräjnca^ sl. Kränjdc^ st. Kränjac^ c. Ki'änjac\ — s)rh,
s\rka\ shstrdk, IX.sijerak, c. siruk\ — rä7ik, ränka [virani)'^ vgl. sl. vrä-
nec^ st. vränac, c. vränac; krücl Eiszapfen, sl. krcelj\ räskiad Acktx-
beet, Pletersnik hat nach Jarnik räsklad\ sl. rttzklad. Feminina der
a-Dekliuation : bi^äzda, bräzde u.s.y^., sl.brdzda, ht.bräzda^ c.bräzda,
Y. öoposAa; — p}zda, s\. jnzdo, c. plzdä', — itzda, sl. lizda, st. zizda,
r. ysAa, aber c. uzda] — zvi^zda, sl. zvezda, st. zvijezda, c. zvezda,
r. 3Bi3/i;ii; kl),sö6, sl. klesde, st. klijcste^ r. KMemii; — slotcza^ sl.
solza, c. suzä. Dazu kann auch das schon oben aufgezählte slhzba hin-
zugezählt Averden.
Neutra: äpno, äpna u.s. w., sl. väpng, st. väptio, c.j'äpno, klr.
Baniio, r. aber Banuo; — gni^zdo, sl. gnezdo, st. gnijezdo, c. gtiezdo^
X. TYAijifi; — V^two^ sl. dleto^ st. dlijeto^ c. dleto, r. ao-ioto; — tisf/S,
sl. Ustje, st. lisce, c. Itsöe; — k7'uUÖ, sl. krilg, st. krilo, c. krllo, r.
KpHJio; — trüpio, sl. trüphj c. tniplo) — üst^, sl. üsta, st. i'ista^ r.
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 223
ycTci ; — pvu fj'r, sl. vpifje ; zgänjo^ sl. zganje. Dazu können noch gezählt
werden die schon oben erwähnten Neutra: 7)idsHco, sshiö, zhnstico.
Adjektiva: gost^ gösta, gösto, s\. gost, ggsta, gosto', st.güst,
güsta; r. rycTi, rycTa, rycTo: — pusf, püsta, püsto, 9\. püst,
jjHsta, st. püst^ püsta^ r. nycTi, nycTa, nycTO. — du^zn^ dti^zna,
dü^zno^ sl. döizdn, c. duzan; ■ — gi'hsn, grtjtia, gfi^sno] sl. grehn^
('. gresan\ — möin, mbtna^ sl. m()t9n^ c. mütun\ — /p/i^ö, pVdwa\ —
r))d9k, rijdka^ sl. reddk, redka\ c. rcdak\ ^V^f/;?, ^"iUjdna\ sl.v7'ed9n,
vredna, c. vredä/i, und andere ähnliche.
Pronomina: nehte^ sl. ?iekdn', nejkc^ sl. nehje.
Vevbum. Bei der ersten Verbalklasse sind die Betonungsverhält-
nisse nicht bei allen Formen gleich. Der Infinitiv hat gewöhnlich, falls
die Stammsilbe den Ton trägt, trotz der folgenden Konsonantengruppen
langen steigenden Accent: meste^ sl. mesti^ st. mesti, r. mhctii; —
räste^ sl. rästi, r, pocxii; — zebste, sl. zebsti, r. 3h6cth; — ireste^ sl.
(rcsti, r. TpHCTii. Ausgenommen sind nur die Verba mit en für
e (a): n9pren6e^ sl. na-preH^ klr. npHiii, und dasenöe^ sl. do-seci^ r.
AOCH^H. Dagegen im Präsens : nicht nur pr-senzan^ pr-senzas u. s. w.,
sl. prisezem\ ndprenzan^ sl. naprezem^ r. sanpaaceuit; Unzan^ sl. /(?-
zem^ sondern auch rästan^ sl. rästem^ r. pocTemB. So auch im Impe-
rativ: -prhnze^ sl. -pr'ezi^ -senze^ sl. S(?i?*, raste, sl. ms^/, r. pocTii. Im
Part. Pf. auf -/«, -^ sind die Verhältnisse wieder dieselben wie beim
Infinitiv: räsia^ räsio u. s. w., sl. räsla, räslo, r. poexjia, pocxjro; —
media, medio\ stri^gla, stri^glo u. s.w. Aber: -prengla, sl. -pr'egla,
X. Hanpfltrjiä; sengia, lengia.
Bei den übrigen Klassen sind die Verhältnisse einfacher, kurzer
Accent tritt ein vor mehreren Konsonanten. Im Infinitiv: spiäknte, sl.
splakniti, st. splähttUi] mahnte, sl. mähniti, st. mähnuti; stegnte,
sl. stegniti, seknte, sl. sekniti u. s. w. ; — räwnate, sl. ravnäti, st. rar-
?^ö^^ U.S. w. Präsens: rävman, rawnas, rävna u.s. w. Die hierherge-
hörigen Verba der II. Klasse aber maJinatixi.i.v:. — Imperativ: mahne,
sl. mähni, r. MaxHii; spiäkne, sl. spläkni; sekne, sl. vs'ekni; von wrnite,
sl. vrniti, icrne, sl. ?'/•«?, r. sepHii. — Weiter: raxcnej; skMle von 5^-«-
knte, skäclan u. s. w. Part. Perf. auf -/, -la, lo: mahnö, mähti'la,
mähn^lo, sl. mähnil, mahnxla, mahnilo. spläknö u. s. w., sl. splä-
knil; u. s. w.
In jenen Wörtern, wo ursprtinglich fallender Accent auf nichtletzter
Silbe ruhte, trat dieser im Slovenischen von dieser auf die folgende Silbe
224 lyan Grafenauer,
des Wortes über, welche gedehnt wurde, falls sie kurz war, und wir
haben langen fallenden Accent auf der folgenden Silbe. Vgl. Rad 132,
S. 191 ff. Das Stokavische hat den ursprünglichen fallenden Accent,
nur dass die folgende Silbe, falls sie geschlossen war, gedehnt wurde :
sl. (^ospgd, kokgSj gorq^ lt. gdspöd, kokös^ goru. Im Gailthalerdialekte
haben wir aber meist langen steigenden Accent auf der Silbe, auf der
ursprünglich der Accent war: kokds^ öko, sl. okg u. s. w. Es hat auch
die Analogiebildung insbesondere in der a-Deklination diese spezifisch
slovenische Betonung stark verwischt, ebenso bei der Deklination der
einsilbigen ■b/o-Stämme, wo der Nominativ Sgl. auf die übrigen Kasus
einwirkte, so: 7nüi>st, mösfa und tnüiSta. Die Regel ist hier doch immer-
hin der steigende Accent.
In jenen Wörtern mit dieser Betonung, deren Stamm auf mehrere
Konsonanten endigt, erwarten wir im Gailthalerdialekte in den mehr-
silbigen Formen kurzen steigenden Accent, doch ist dies bei den (im
Nom. Sgl.) einsilbigen Wörtern nicht immer der Fall, z, B. mäst^ mäste,
sl, mäst, masti, st. mästi', — 7nüfSf, mösta neben mü^sta, sl. mf)st,
mostü, st. mosta. Kurz sind : pest, peste, sl. pesf, pesti, st. pesti und
Substantiva mit r im Stamme: brv, brve, sl. bfo, brvi, r. öposn; —
kriy Irve, sl. h^vi, r. KpÖBH u. s. w. Die Neutra der Adjektiva posf,
ffdsto, sl. ffosto, r. rycTO ; pilsto, sl. pustu, r. nycxo habe ich schon
oben kurz angeführt, es ist dies Analogie wohl nach dem Femininum,
das ursprünglich endbetont war. So auch grdo, sl. (/rdg, r. r6p;i;o,
frdÖ, sl. trdoj r. TBep;i,o. Hier mag ich auch erwähnen, dass im Gthd.
das Adv. nicht gleich ist dem Nom. Sgl. Neutr. des betreffenden Ad-
jektivs, das Adjektiv hat im Neutr. Sg. die Endung o, das Adverbium
ö, die Betonung ist dieselbe.
Bei mehrsilbigen Substantiven ist die Betonung regelmässiger, lang
bei einfacher Konsonanz : kökds-kokgs, pöma6-pomq6, kurz vor meh-
reren darauffolgenden Konsonanten: öblak, oblaka u. s. w., sl. oblak,
ohlaka, st. obläk, resiad. bblak (fallend?), r. oöjiaKt; — obrand, sl.
obrgö, st. obrUd, r. ööpyut, bulg. ööpi.Ti'L; — öinlada die Zeit, da
der Mond aufnimmt (vom Neumond bis Vollmond) ; östara die Zeit vom
Vollmond bis Neumond; — mqzyane, sl. mozgani, st. mozdäni; —
podlaka, sl. podl?)ka ; — preklade Pluraletant fem. Gen. ; Pletersnik
betont es prckladi und stellt es unter das Schlagwort pi'eklad. Er
hätte es besser unter prekliida stellen sollen, das etwas Darübergelegtes,
speciell auch die Dachstuhlfette bezeichnet, was mit der Bedeutung
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 225
von prekiade Tenndecke stimmt. Der Akkusativ ist auch preklade'.
rds preklade Je pädö^ vgl. auch Kres III. 474. Gen. lautet aber pre-
kladöw, also nach der ö/o-Deklination. Ebenso: pograde Pluraletant.
fem., Schlafstelle über dem Ofen; — otracc Pluraletant. fem.; Ple-
tersnik kennt otrohi und otrova^ was wohl ein und dasselbe Wort
ist. Es ist ein alter Plur. auf -y und ist theils zur ^-, theils zur o-De-
klination übergegangen. Im Gailthalerdialekte lautet der Gen. ''^dtrvi,
also nach der «-Deklination ; — drozj^^ sl. drozj?; u. s. w. Ganz ähn-
lich verhält es sich mit den Wörtern auf -äva: döbraa^ sl. dobräva;
mznjaa^ &\.mzäva; vwnjaa, sl. visäva] HrnjaUj sl. sirjava\ bliznj'aa^
sl. blizava] delnjaa^ sl. daljäva. So auch pöxoadn^ i\. poviodenj\ st.
pövodanj.
Der gekürzte fallende Accent.
Er ist gekürzt worden aus slovenischem langen fallenden Accente
meist in jenen Fällen, wo dieser aus ursprünglich steigendem Accente
entstanden ist, und zwar unter denselben Bedingungen, wie der ge-
kürzte steigende Accent.
Feminina mit einem Suffixe, das mit einem Konsonanten beginnt
und an den mit einem Konsonanten schliessenden Stamm angefügt wird.
Die Beispiele sind der Mehrzahl nach Feminina: lergia^ VergU, sl.
berglja] — britwa, britlca^ sl. britoa, st. brifva; — caganka^ sl. ci-
ganka\ — 6l,kla^ sl. kikla Kittel; — clkla Thiername; — godla, sl.
godlja; — hruska, sl. hrüska^ st. kruska\ — kasta^ sl. kasta\ —
kl etwa, sl. kletva\ — idznlwka, sl. ldzmvka\ — maöka, sl. maöka,
st. ma6ka\ — ndthka, sl. oüska\ — parnS (Plur.), %\. pdrna\ —
pj'anka, &\. pijä7ika\ — pUmnÖQca, ^\. plamnka, planmdica] — pd-
setwa, sl.posetva; — rania, al.ränia', — regia, sl. reglja; — rejta, sl.
rajta; — rogia, al.rogla; — signca, 'sX.senca, h..sjenica\ — sprikla,
sl. sprikJja ; — zvizgla, sl. zvizglja u. s. w. Hierher gehört auch das
Neutrum sonce, sl. soince, ferner die neutralen KoUektiva und Abstrakta
auf -Je, die Neutra auf -stcg und die Verbalsubstantiva von Verben der
3., 4. und 6. Klasse, gebildet vom Part. Perf. Passivi : BriiZjS, sl.
Brezje, Wallfahrtsort in Oberkrain; grmqxoj^, sl. grmq'oj^; Inje, sl.
ivje; piarj^, i\. perje; smigtje, sl. swe^'e und smetje; smori^öj^, sl.
smredje; snirrinj'^,i[.smrlmjc' woUJi aus lobUa, %\.JeUJe aus Jeiia;
zgiüwjä, sl.pod-zgldvje ; zdräwje, ül. zdrävje ; zrnje, sl. zrnje u. s. w. —
bdgastwo, sl.bogästvg; pjanstwo, a].pijänstvg; pastMwo, il.po/nstvg;
Archiv für slavische Philologie. XXTII. 15
226 Iv^ii Grafenauer,
zrianstwo »Bekanntschaft«, sl. znanstvo u. s. w. — 6dsanj^^ '^.6esanje\
klöanje^ sl. kle6änje\ Uzanj^^ sl. lezanje\ k9pwanj6, sl. kupovänJe\
zd-pdftsnji^ ■A.potcnje [zdpdtlßijii bedeutet »Arznei«); znanj^^ sl.
znänje und viele andere.
Bei den männlichen Substantiven der */o-Deklination tritt im Slo-
venischen fallender Accent auch im Nominativ Sgl. auf bei den Suffixen
-9c, -dk. Dieses Suffix hat ausser im Nominativ-Akkusativ Sgl. konso-
nantischen Anfang, daher fallender Accent zuerst in den obliquen Kasus,
analog auch im Nom.Akk.Sgl. Im Gailthalerdialekte haben wir, da der
Halbvokal auch in den obliquen Kasus nicht oder wenigstens nicht
spurlos schwindet, langen fallenden Accent, wofern nicht die vorher-
gehende betonte Silbe mit mehreren Konsonanten scliliesst: j'azhdc^
Jiizbdca^ s\. jäzb9c, it. j'azavac, doch: /ili^bdc, hlijjsca, sl. /ilebdc;
brt,mac, 5r?jW9C(7, sl. bremac ; zlü^mdk^ zlü^m^ka, sl. zlomek, u. s. w.
Kurz betont sind: paic, päica, s\. pähc, pälca, lt. palac; — kälc,
kaha; sl. tkaifdc, tkalca\ st. fkalac. — Tritt aber zu dem ersten
Suffixe in den Wörtern mit langer Betonung noch ein zweites hinzu,
wodurch der Halbvokal des ersten Suffixes schwindet, so haben wir
kurzen fallenden Accent: Jdt,bdc: hTiabödd] — brt,m9c: bri^mdad; —
klindc'. kT%ncd6\ krajdc: krajdd6\ petelindc: pdldVlnödö., vim9c, vi-
maca : virndad, u. s. w. Kurze Betonung haben auch ctlntrar, mr/iar
und ähnliche, dagegen hribar, glazar u. s. w.
Bei den Adjektiven haben wir im Gailthalerdialekte kurzen fallen-
den Accent in Bildungen mit dem Suffixe -j'i {-{/'), das ursprünglich wohl
lang steigend betont war, {/'aus tjt, was im Slovenischen in der vor-
hergehenden Silbe langen fallenden Accent bewirkte (vgl. Rad 1 32, S. 1 54),
und in der unbestimmten Form im Gailthalerdialekte gekürzten stei-
genden Accent haben: babj'e, sl. babji\ kadje, sl. kä6Ji\ krawji!, sl.
krävj'i] kurje., sl. kürji\ mUje., sl. misj'i; rlbje, sl. ribji; fl^Je., sl.
'pti6ji\ hsidje, sl. Usiöji u. s. w. — Ö'^iste., dlsfa, ölsto^ sl. 6isti\ —
crne, örna^ 6rno, sl. 6rni\ — gosU, gosta\ grde., grda\ iasde, iahka;
madlSy madia; mdtne, mbtna:, nisde, niska] osde^ oska; ptitve^
prUwa] sll^^Se, sü^dka, u. s. w.
Pronomina: fiste, ßsta, fisto durch alle Formen, sl. üsti.
Numeralia: petnejst.^ sl. petnajst\ s'i^stnejsf, sestnajst\ petred^
^ijstredj fünfzig, sechzig; täwzni, tausend; jyrve, sl. pfvi\ dicqjne,
trojne^ sl. dvojni, trgjni. Adverbia: tuka, &\.tükaj\ tukaU, sl. tü-
kajle\ tanU^ sl. tämU\ znd^, anderswo; — pttjle, poslej) pgtlej',jliträ,
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 227
sl.JütrL Präposition: zUfpa?'^ ä\. zojydr. Konjunktionen: Ää/tar,
k9ddr, sl. käkor, kddSr.
Verbum. Von der I. Klasse haben kurzen fallenden Accent:
wrzan^ sl.vrzem, ivrzas, vrzi'u.B.w.j wrffö, i[.vrgal\ tcrzan^ %\.vrzen.
Ferner das Part. Perf. auf -/ und das Part. Perf. Pass. von : Unzan^ sl.
lezem: Tengo^ sl. Icgdl^ st. Vegao] lenzan, sl. tqzen] — prende, sl.
prqdi. prengö^ ü. pregal; st. näpregao; — prenzan^ sl.prezen; —
-sende, sl. -sedi: sengöj sl. segdl, st. dosegao] z9prsenzan, sl. zapri-
sezen] zräste, sl. zrästi: zrasöati, sl. zräsöen. II. Verbalklasse: Im
Präsens Singular durch Analogie auch Dual und Plural und im Part.
Perf. Pass. auf -en haben kurzen fallenden Accent (über den fallenden
Accent im Slovenischen in diesen Fällen vgl. Rad 132, S. 155 ff.):
zignte^i sl. vzdigniti: ztgnan, zignas, zlgn^', u. s. w., sl. vzdigneni:
ztgnjan, sl. vzdlgnjen\ — znirznte, sl. zmrztiiti: zmrznan, sl.
zmrznem, h. zmrztietn; z?nrzt7jan, sl.zmfznj'en', — plüsnte: plüsnan.,
sl. plüs?iem; — präsnte: prasnan, s\. präs?ietn, st. prasnem ; praspj'an,
sl. prasnj'en; — prdnte: prdnan, i\. prdnem, htjjrdnetn; —^ sSipnte:
äö^ipnan, ü. i6ipnem\ prs6\pnjan, %\.pres6ipnjen\ — sknpnte: skrip-
nan, sl. skripnem; skripnjan, sl. skripnjen\ — süsnte: sfisnan, sl.
silsnem, st. sfisnem ; sßsnjmt, sl. süsttjen ; — vedfite: vednati, sl. ved-
nem, st. venem; vednjan, sl. vednjen\ — s6\snte: sd^isnan, sl. skis-
nem, st. Msnem\ sdls7ijan, sl. sk%snjen\ — so auch: pdkleknte, sl.po-
kl'ekniti: pdkTeknan\ — prmbknte.^ %\.premökniti'. prnioknan; ebenso
dmyknte^dregjite, padednte, finfnte, mläsnte, mignte, z\hnt'ef zmeknte
U.S.W. Von der IV. Verbalklasse haben diese Betonung das Präsens der
Verba: jezddte: fi^zdn, fijzdos u. s. w., s\. jezdim] — grezddte s^'.
gri^zde sS me es ekelt mich; Pletersnik; hat nach Janezic groziti, grozi
se mi, nach Erjavec aus Dreznica pod Krnom greziti se: grezi se mi\
vgl. r. rpesHTtcfl. Von der V. Verbalklasse haben einige diese Betonung in
allen Formen : nQgävjate, sl. nagänjatij Sup. ndganjat\ Präs. ndganjan^
ndga7ijas,ndganja^ ^. ganjam\ lmp.?idga?2jej\ ndgattjej'ica, naganjejmöj
ndganjejle, sl. naganjaj\ Part. Perf. auf -/: ndglhy'öl^ sl. naganjal;
prgänjan, sl. pregänjan; — hrncate werfen etwas, dass es schwirrt:
drnkate schnurren (von der Katze); Vmgate baumeln; menkate, sl.
manjkati\ 7i9sianjate.i sl. vaslanjati, pumrate laut klopfen (an der
Thüre); rancate ein Spiel auf der rdncala] das ist ein etwa drei Meter
langes Brett, das in der Mitte auf einer Seite eine Höhlung besitzt, dass
es auf einen massig hohen Pfahl aufgesetzt werden kann. Die beiden
15*
228 Ivan Grafenauer, Zum Accente im Gailthalerdialekte.
Spielenden setzen sich auf je ein Ende des Brettes und drehen sich auf
dem Brette im Kreise um den Pfahl, auf dem das Brett in der Mitte
ruht. — rinkate, zdpisnjate, sl. zapenjati. Zu erwähnen sind dann noch
die Verbindungen des ne mit den Verben hom und 6em : rieJÖn^ nejdes
u. s. w. ich will nicht; tieghn, nejbds u. s. w. ich werde nicht.
Wenn wir das Resultat dieser Ausführungen zusammenfassen, so
sehen wir, dass der Gailthalerdialekt in Bezug auf den kurzen Accent
einerseits den älteren Zustand des Slovenischen bewahrt hat, dort wo
der Accent von der ursprünglich betonten Silbe auf eine vorhergehende
kurze Silbe (insbesondere bei e und 6) zurückgezogen wurde, — langen
steigenden Accent hat in diesen Fällen nur die Vordernberger Mundart
bei offenem einfachen e und o, — anderseits aber in der Lautentwick-
lung dem Slovenischen vorausgeeilt ist, indem er die Kürzung geschlos-
sener Silben beinahe ganz konsequent durchgeführt hat. Dies liegt
zwar schon in der allgemeinen Entwicklung der Sprachen, doch kann
die Nähe des deutschen Sprachgebietes und die Einflussnahme der deut-
schen Sprache den ersten Anstoss zu dieser Entwicklungsrichtung ge-
geben haben.
Ivan Grafenauer.
Die slavische Vertretimg von indogerman. o.
Im Slavischen sind indogerm. a und o unterschiedslos durch o ver-
treten. Die von Brugmann (Grundriss P, 146) vorgetragene Lehre:
»0 blieb in der Zeit der balt.-slav. Urgemeinschaft o, weiterhin auch im
Allgemeinen im Slavischen, während es im Baltischen zu a wurde«,
dürfte die herrschende Anschauung wiedergeben, wenn auch vielleicht
nicht allgemein anerkannt sein. Ich selbst habe jedenfalls Einleit. in
d. Geschichte d. griech. Sprache S, 111. 115 eine andere Ansicht ver-
treten, wonach idg. o im Slavischen wie im Baltischen zuerst zu a ge-
worden und dadurch mit idg. a zusammengefallen, dann später gemein-
sam mit diesem in das schon in den ältesten slavischen Texten vor-
Die slavische Vertretung von indogerman. o. 229
liegende o übergegangen ist. Folgendes Schema veranschaulicht den
Vorgang :
idg. a o
\/
balt.-slav. a
/\
balt. a slav. 0.
Ausgesprochen hat die Ansicht, dass »jedes slavische o aus a entstan-
den ist«, schon Mahlow, Die langen Vokale S. 7 f., sie aber lediglich
mit der Analogie des baltischen Wandels von o zu a begründet: da im
Litauischen ev ^ ov ^ av geworden sei, so könne auch aksl. synove
nicht direkt auf *süneves zurückgehen, sondern habe ein *sünaves zur
Vorstufe gehabt.
Diese Folgerung ist natürlich nicht zwingend und hat deshalb, wie
es scheint), keinen Eindruck gemacht. Das Baltische allein beweist
nichts fürs Slavische : mag man die Uebereinstimmungen beider Sprachen
auch noch so hoch einschätzen, so gibt es doch auch zahlreiche Abwei-
chungen zwischen ihnen, und die Behandlung von idg. o könnte zu
diesen gehören. Andererseits aber muss betont werden, die Ansicht,
dass idg. o im Slavischen sich unverändert erhalten habe, ist genau so
wenig bewiesen, wie jene andere Anschauung. Wir haben es mit zwei
an sich gleichwerthigen Möglichkeiten zu thun: die erste er-
scheint vom rein slavischen Standpunkt aus als die einfachere, die
zweite empfiehlt sich vom Standpunkte des Lituslavischen aus.
Es fragt sich nun aber, ob sich zwischen diesen beiden Möglich-
keiten nicht doch eine bestimmte Entscheidung treffen lässt. — Mich
leitete bei meiner Auffassung der Verhältnisse erstens die Erwägung,
dass nicht bloss die Balten, sondern auch die übrigen westlichen und
östlichen Nachbarn der Slaven, die Indoiranier mit ihren europäischen
Verwandten, den Skythen, und die Germanen den Wandel von o zu a
vollzogen haben, während die lUyrier (Albanesen und Messapier), die
ihn ebenfalls haben, aus nordöstlicheren, den Slaven benachbarten Ge-
genden in ihre späteren Sitze gelangt sein mögen. Die Slaven wären
also in dem grossen Gebiet von Indien bis Germanien das einzige Volk,
das die Entlabialisirung des idg. o unterlassen hätte, während sie selbst
ihre nächsten Verwandten, die Balten, vorgenommen haben.
Ein zweiter Wahrscheinlichkeitsgrund ist folgender. Idg. oi ist
wie at im Slavischen zu ^ geworden. Nun ist zwar der üebergang von
230 Paul Kretschmer,
ai in e phonetisch begreiflich, weil e in der Mitte zwischen a und i
liegt, und hat zahlreiche Parallelen in anderen idg. Sprachen, im Indi-
schen, im boiotischen Dialekt des Griechischen, sowie im Neugriechi-
schen, im Albanesischen, Umbrischen, Romanischen, Niederdeutschen
u. s. w. Dagegen ist unmittelbarer Uebergang von oi in e nicht glaub-
lich, er setzt vielmehr eine Zwischenstufe ai, mithin Wandel von oi in
a?', also auch von o in a voraus. Man könnte dieser Folgerung nur durch
die Annahme entgehen, dass oi über einen ö-Laut zu e geworden sei:
vgl. lat. poina~^'poena~^pena, foedus^\i2\. fedo. Die Entrundung
von ö zu e müsste aber im Slavischen in relativ späte Zeit fallen; denn
die Monophthongirung von o?, ai ist bekanntlich nicht sehr alt, jeden-
falls jünger als der Wandel von ^-e^ slav. 6e, da koi, kai durch slav. ce
vertreten sind. Nun fällt aber auch die slavische Labialisirung von a
zu 0 in jüngere Zeit, wie die Lehnworte aus dem Griechischen, Latei-
nischen und Germanischen lehren : aksl. moloiru = i.iaQa-9-Qov, po-
lata = palatium, olütari = lat, altZire^ popü = got. papa, ahd.
p/iapho, TtaTtäg, koülu = got. katils, osilü = got. asilus u. s. w. ; vgl.
J.Schmidt Vocal. IL 170 Anm. Ferner hat das einem ö analoge 'Kl
keine Entlabialisirung erfahren. Das spricht alles gegen die Annahme
einer Entlabialisirung von ö zu e und einer Zwischenstufe ö zwischen
oi und e.
Zu diesen Wahrscheinlichkeitsgründen kommen aber noch that-
sächliche Zeugnisse für einen Wandel von idg. o in slav. a. Allerdings
bieten schon die ältesten kirchenslavischen Texte durchgehends o für
idg. 0 und a, aber ältere Belege slavischen Lautbestandes, nämlich die
slavischen Eigennamen bei den frühmittelalterlichen Autoren, zeigen
dafür noch a. Auf solche Namen hat bereits Zeuss, Die Deutschen und
die Nachbarst. S. 68 f. Anm., hingewiesen, aber zu seiner Zeit, wo man
dem europäischen a und o noch idg, a zu Grunde legte, konnte man in
dem a dieser slavischen Namen natürlich nur das postulirte idg. a er-
blicken. Anders hat dann Safailk, Slav. Alterthümer IL 35 f., diese Fälle
beurtheilt, er erklärte sich das a für aksl. o durch Lautsubstitution, durch
ungenaue Wiedergabe des slavischen o- Vokales. J. Schmidt endlich hat
Vocal. IL 169 fif. theils aus jenen sogleich namhaft zu machenden slav.
Namen, theils aus der Wiedergabe von lat. a durch aksl. o in christ-
lichen Termini wie poroda = paradit,us, olütari = altare den Schluss
gezogen, dass das o im VII, — VIII. Jahrb. bei den norischen Slaven
noch ein dem a sehr nahe liegender Vokal, etwa schwed. ä, gewesen
Die slavische Vertretung von indogerman. o. 231
sei. Auch damals hatte diese Folgerung noch nicht die Bedeutung, die
sie heute hat, da die Existenz eines idg. o noch nicht erkannt war und
der Wandel von idg. o in slav. a daher nicht angenommen werden
konnte. Nach der grossen Wendung aber in der idg. Vokalforschung,
die zu dem Ansatz eines idg. a, e, o führte, scheint man jene Zeugnisse
ganz vergessen zu haben — auch Mahlow erwähnt sie nicht. Die we-
nigen Fälle indessen, die Zeuss und J. Schmidt citiren, lassen sich noch
bedeutend vermehren. Ich stelle sie im Folgenden zusammen.
^QÖciyuaros, Theophyl. Sim. (VII. Jahrh.) I 7, 5. VU 7, 1.
0, 1 cod. Vatic, JivÖQaydazn) vulg., Theophan. p. 254 (v. 1. J^vÖQa-
yäorq), Ji/vöoayuao)), 270. 271 de Boor. Das zweite Element des Na-
mens ist aksl. gosfi = lat. //ostis, also mit idg. o; das erste scheint
verderbt (aksl. radu 'libens'? odrü 'Bett'?), geht aber vielleicht auf
Stammvokal -a <^ idg. -o aus.
IIsiQdyccaTog, Theophyl. Sim. VII 4, 13. Hr^Qäyuorog Theo-
phan. p. 27 5. 276 [Tlr^QiyaoTog codd.), nach Safarik = Pirogosü aus
pirü 'Trinkgelage, Gastmahl' -j- gosVi.
KelayuGtög, Menand. ed. Dindorf p. 5 (VI. Jahrb.), = Ceh-
(josU aus 6elo Stirn (vgl. delesmü 'praecipuus')? + cjostt.
/IctßQay e'Cag^!J4vTrig avriQ^TU^iaQyog: Agathias III 2 1 (p. 18b,
1 1 Bonn.), VI. Jahrh. /tußqa- = Dohro-. Safarik setzt ^aßqayetag
= Dohrogosü^ doch ratisste dann der zweite Bestandtheil stark ent-
stellt sein. Wenn dobrü^ ndl. dapper^ engl- dapper^ ahd. tapfar zu
lat. paelign. yaZ'e;' gehört (Planta, Osk.-ümbr. Gramm. I 468. Brug-
mann, Idg. Forsch. XVI 499), so handelt es sich in der ersten Silbe um
idg. er, in der zweiten jedenfalls um idg. o.
Jctoyaur^oög Theophan. p. 497, 17 (Arch. f. sl. Ph. XXI 609)
= Dragomeru mit a = o im Stammvokal des ersten Elements. Vgl.
Dragamer Raeki Mon. bist. Slav. merid. VII 383 (c. 850— 896 n.Chr.) i).
Der Name der Slaven selbst, aksl. sloveninü adj., wird bei
Byzantinern und allen abendländischen Völkern mit a geschrieben.
Das älteste Zeugniss für Iv.Kavr^voi findet sich nach Müllenhoff,
Archiv f. sl. Ph. I 294 f., bei Pseudo-Caesarius um 525 n. Chr.; '^A.'ka-
ßr^voi Prokop., Sclaveni Jordan., 2y.XäßoL Maurik. Strateg., 2-/.Xüßoi,
2y.Xavivoij ^ycXaßivot Theophan., Slavi, Sclavi, Slavefii, Sclaveni,
*) Dagegen enthält der griechische Ortsname JaqyuuiaTo (Atollen) im
ersten Theil wohl aksl. draga Thal, bedeutet also 'Thalstadt'.
232 Paul Kretschmer,
Sclavonia, Sclavanicus u. s. w. bei den lat. schreibenden Autoren des
Mittelalters. ^d-loßiqvoL erst in späterer Zeit (einer der frühesten Be-
lege wohl in der Vita Clementis) und immer seltener als die Form mit
a. Diese hat sich bei Byzantinern und Abendländern forterhalten, auch
als die Slaven selbst den Namen längst schon mit o sprachen. Die
Namensform ^/.kaßrji/oi, Slavi u. s. w., hatte sich also bei den nicht-
slavischen Nationen schon eingebürgert, ehe im Slavischen a in o über-
gegangen war, und ist ihnen so bis auf den heutigen Tag geblieben.
Ob es sich hier um idg. a oder o handelt, ist zweifelhaft, da der Name
bekanntlich etymologisch noch nicht erklärt ist. Die Ableitung von
slovo = xlefog hat schon Safaiik bestritten. Möglich bleibt jedoch,
dass sekundäres ov aus ev zu Grunde liegt. Die kürzere Form ^yJ.äßoi
{29-ldßoi), über die Miklosich (Etym.Wtb. 308) sein Befremden aus-
drückt, ist vielleicht auf griechischem Boden in der Weise entstanden,
dass 2y,Xaßrivol nach Analogie von Uegyaur^vög , ^aaipay.rjvög,
Kv'Cixrjpög, J^Qrayrjpög u. s. w. als adjektivische Ableitung aufgefasst
und dazu gleichsam als substantivisches Stammwort ^y.laßoi gebildet
wurde.
^dy.avov. Konstantinos Porphyrogennetos gebraucht das Wort
zweimal im Sinne von 'Sitte, Gewohnheit', wo er von den Petschenegen
und Chazaren spricht, aber wie ein griechisches Wort. Die admin.imp.
c. 8 p. 73, 18 ff. : ors ftoir^oovair ol narCivccyilrai nqbg rov ßaai-
liybv zovg oQy.ovg y.arh to. Ca/ara ccvrCov. c. 38 p. 170, 14 f.: ov
y.al aQxorra y-ara to tCov Xaud:Qtov ed-og y.al udy.ccrov TtSTtoir]-
xaot. Er setzt also die Kenntniss des Wortes bei seinen Lesern voraus,
und dieses muss daher zu seiner Zeit im Griechischen schon eingebürgert
gewesen sein. Es begegnet auch bei Suidas s. v. öaröv^ jedoch in einer
von Gaisford als Interpolation ausgeschiedenen Stelle. Das Wort kann
also zu einer Zeit aufgenommen worden sein, als die Slaven noch a für
o sprachen, udyavov = aksl. zakonu ist ein Compositum von honu^
das sich zum Verbum 6%nq verhält wie o-pona zu pmq von Wurzel
{s)pe?i-. Es handelt sich also vermnthlich um idg. mit e ablautendes o;
doch ist auch idg. a nicht ausgeschlossen. Im heutigen Griechisch lautet
das Wort tayövi (Du Gange Uay.övwv). Die südlichen Griechen haben
wohl das Wort später als die Byzantiner aufgenommen oder an die sla-
vische Form angelehnt, als diese bereits in der zweiten Silbe mit o ge-
sprochen wurde.
yaQaadoeidrig. An einer sehr bekannten Stelle, De themat.
Die slavische Vertretung von indogerman. o. 233
p. 53f., erzählt Konstantinos Porphyrogennetos, dass zur Zeit des Kon-
stantinos Kopronymos, als die Pest wüthete (746 n. Chr.), ganz Hellas
und der Peloponnes slavisirt worden sei; der berühmte Gelehrte Euphe-
mios habe daher einen Mann aus dem Peloponnes, der sich auf seinen
Adel viel einbildete, mit jenem zu einem geflügelten Wort gewordenen
Jambus verspottet :
yagaadoeidrjg oipig sa-0^?MßcofX€vrj.
Dieser Mann verrieth also durch den slavischen Typus seines Gesichtes
seine unhellenische Abkunft. Mit besonderer Absicht ist hier offenbar
das hybride Compositum yaQaadosidr^g 'schlau aussehend' aus aksl.
gorazdü '^ pev'itns,^ -\- gr. -eidrjs gewählt, um die ungriechische oder
halbslavische Abkunft des Peloponnesiers zu kennzeichnen. Aksl. go-
razdü hat Miklosich auf ein unbelegtes got. Adjektiv *garazds 'mit
Rede begabt, viel redend' aus Präfix ga- -\- razda 'Sprache' zurück-
geführt, später freilich (Etym.Wb. 73) diese Herleitung wieder in Zweifel
gezogen. Die Bedeutung von aksl. gorazdü spricht kaum dagegen, da
sie nach cech. horazditi 'schelten', vgl. magy. garäzda 'zänkisch',
russ. dial. gorazdü 'sehr' u. a. sicherlich nicht die Grundbedeutung dar-
stellt. Ist die Etymologie richtig, so handelt es sich in der ersten Silbe
um german. a, das zur Zeit der Aufnahme des von den Slaven entlehn-
ten Wortes ins Griechische im Slavischen noch nicht zu o geworden war.
gaycctiov. In den Schollen Gu zu Euripides, die Dindorf auf
Thomas Magister zurückführt, sowie in der Editio princeps von 1534
findet sich zu Orest v. 146 folgende Bemerkung : dövat, y.dlauog Xertzog
ev Tolg eXeoL q)vöf.iEvog. zivhg de ipaoi to iduoTLvSog lEyöf-ievov
Quyd^iop, ou '/.a?Mg ?JyovTeg' ov yaq airb tovtov avQiyi yivsTai.
Ngr. qayä'Qi 'Gebüsch, eine Art Gras' (G. Meyer Ngr. Stud. II 53) aus
aksl. rogozü, serb. rogoz u. s. w. 'Riedgras'. Daneben gibt es wie bei
L,ä/.avov — L.ay.6vt im Ngr. auch die jüngere Vokalisation: epirot. ^o/-
yöi:^og^ ZwyqdcpeLog Jäywv I 50, der Flussname 'Poyöupog in Thessa-
lien, vgl. aksl. rogozi?ia.
In den erst aus dem heutigen Griechisch bekannten slavischen
Lehnwörtern, die zuletzt G.Meyer Ngr. Stud. II gesammelt hat, ist slav.
o in der Regel durch o wiedergegeben. Eine Ausnahme macht y.a-
qovva 'Trog' = aksl. koryto^ Meyer S. 30, dazu die Ortsnamen Ka-
QOVTsg und Kaqovvia in der Eparchie Doris. Daneben kommt die
jüngere Form -/.ovQvra^ tsakon. korita vor, die auch in der zweiten
Silbe jüngere Vokalisirung zeigt.
234 Paul Kretschmer,
TtuyavLÖ, 'Verfolgung (von Räubern z.B.), das Treiben von Wild'.
Ortsname Ilayavea bei Gythion: vgl. Ttayavala 'Ort, wo man jagt,
Wald', G. Meyer Ngr. Stud. II 49. Zu serb. pogona 'Verfolgung' (aksl.
nicht belegt). Meyer will die Vokaldifferenz durch Anlehnung an Tta-
yavog oder aus dem Vlachischen erklären, aus einem vorauszusetzenden
rumän. *poffoanä, doch befriedigt keine dieser beiden Vermuthungen.
/cayavög = lat. paganus liegt doch begrifflich sehr weit ab. Also a
Vorstufe von slav. o = idg. o, Aa. pogona zu aksl. ze?iq 'treibe', Iterat.
goniti gehört.
Anderes, was man könnte hierherziehen wollen, bleibt als unsicher
besser bei Seite: so das nur bei Somavera belegte rcaaräßt 'pezza di
ißSinno^ == aksl. postavü, aber epir. Ttoaräßi ZcoyQcccp. Jäy. Ibl, tzovg-
Tccßt 2v?J.oyos XIV 216b (Meyer a.a.O. 52). kayy,6g, lay/.ccdi, lay-
xdda 'Schlucht, Thal', das G. Meyer S. 37 zu aksl. Iqka 'palus, sinus'
stellt, erklärt Amantos, Die Suffixe der ngr. Ortsnamen 25 f., besser
aus Verschränkung von kayiov X ay/.og (oder a/xw?-'), vgl. Xayyövi.
Nur ?.ovyyiu ^ayoog jiaoaTCoräf.iiog' mag auf das slavische Wort zurück-
gehen. — Tsakon. ygäßcc 'Höhle, Loch' ('^ ygcovi], 7i^xqa -/.oilri^ ßa-
^vA,r] xoiXÖTT], TQVTta' Oixopöfiov rQuiiii. T. toa/.. dtaX. 67) kann
zwar nicht aus dem erst spät dem Deutschen entlehnten neuslov. graha
'Graben' herstammen, wie Thumb (German. Abh. f. Paul 253) für mög-
lich hielt; eher könnte man an aksl. grobü 'Grube, Grab' denken wie-
der mit a = urslav. a aus o. Indessen verdient die Annahme von
Loewe K. Z. 39, 285 f., dass das Wort das entlehnte germ. graha sei,
entschieden den Vorzug, einmal wegen der üebereinstimmung des
Genus, ferner weil das Wort, wie Thumb und Loewe entgangen ist,
schon bei Hesych in doppelter Bedeutung bezeugt ist: y^aßäv ay.a-
rptov. ßöd-QOv. Diese beiden Bedeutungen 'Grabscheit' und 'Graben'
vereinigt auch das germanische Wort; bezeugt sind sie freilich aus ver-
schiedenen Dialekten: got. graha 'Graben' und ahd. graha 'Grabscheit.
Spaten'. Darin irrt Loewe jedoch, dass er annimmt, yqäßa existire
nur im Tsakonischen und müsse daher aus der Sprache in Lakonien
angesiedelter Germanen entlehnt sein, yqäßa ^rgc'oyXif wird von ^ra-
uariädr^gj ^ainiay.d V 35, auch für Samos bezeugt, und bei unserer
unvollständigen Kenntniss des Wortschatzes der neugriechischen Dia-
lekte lässt sich niemals sagen, ob ein Wort nicht auch in andern Gegen-
den vorkommt.
Neben den Lehnwörtern sind es, und zwar in weit grösserer Zahl
Die slavische Vertretung von indogerman. o. 235
als diese, die Ortsnamen, in denen die Slaven Spuren ihres dauernden
Aufenthalts auf griechischem Boden hinterlassen haben. Auch die sla-
vischen Ortsnamen des modernen Griechenlands zeigen grösstentheils o
für slav. 0, sei dies nun aus idg. a oder o entstanden; z. B. FaüI^ilov
(Messeuien), role/.iiov [Lokvis, Olympia), rolefirj (Eparchie Naupaktia,
Patras) zu aksl. (joUmu 'gross'; Kö'Qlov (Lakonien), KoQua (Gythion),
Kotiroa (Naupaktia) von aksl. koza 'Ziege', Adj. kozij\ Flöyoßa
(Gortynia), rioyoßiraa von aksl. ffloffii 'Weissdorn'; IIodoloßiTOa
(Eparchie Vonitsa) zu aksl. podolükü 'Saum'; ToTZÖlia (Theben, Par-
nassis), ToTtoXiavd (Eurytanien), Tojculoßa (Patras) zu aksl. topoU
'Pappel'; ToTCOQiora (Gortynia): aksl. ^o/?om^e 'Hackenstiel' ; ^0{.i-
rtOTivä (Naupaktia) zu bulg. serb. lohoda 'Melde'. Daneben gibt es
aber auch Ortsnamen, in denen a dem slavischen o entspricht.
Neben rogirCa in Epirus, FovQiTGa in den Eparchien Parnassis
und Trichonias (letzteres mit nordgriechischer Vokalisirung aus Fo-
qizou) steht Faglrau auf Korfu = slav. Gorica. FaqävxLa in
Messenien (vgl. FaQavTUvov in Arkadien) erinnert an slav. Goranci
in Krain (nach Miklosich, Die slav. Ortsnamen aus Appellativen I 24).
Auch der Bergname FctQovvci sowie der Dorfname Fccqovpuc auf Korfu
gehören wohl hierher und sind mit slav. Goryni zu vergleichen, vgl.
kleinruss. Horyn (Miklosich a. a. 0.). Neben Zayöqi in Epirus, Za-
yoqä in Thessalien liegt ZayaQÜ in Böotien, Zayäqaiva in Messenien.
Es fragt sich, ob das in diesen Ortsnamen steckende slav. gora 'Berg'
idg. 0 oder a enthält. Die verwandten lit. gire 'Wald', skr. giri-, avest.
gairi- (Nom. PI. garayo) 'Berg' entscheiden die Frage nicht. Für o
spräche aber das von Livius 45, 29 genannte, vielleicht mit dem Ber-
mion in Makedonien identische Gebirge Bora., wenn dieser Name mit
slav. gora gleichzusetzen ist, sowie gr. ßoQsag, falls es ursprünglich
»Bergwind« bedeutete; vgl. Prellwitz Etym.Wb. u. ßoqiag, Pederseu
K.Z. 36, 319, der alban. malijE 'Nordwind', eig. 'ßergwind' und ital.
tramontana vergleicht.
FaoTovvr] in Elis dürfte slav. Gostgm vertreten (vgl. den Namen
des Ortes Gosty?i bei Lissa in Posen) und dann zu gostt gehören, für
welches lat. Jiostis idg. o erweist. Dieser Fall reiht sich also den früher
genannten Personennamen auf -yaozoo, an *).
^J Nicht beweiskräftig ist TvQuußo; oder TovQvußog, wie zwei thessa-
lische Ortschaften (bei Larissa und Trikkala) heissen, neben Tvqvoßov (im
236 Paul Kretschmer,
Eine weitere Durchforschung des in Betracht kommenden Mate-
riales, besonders aber der noch so wenig untersuchten slavischen Orts-
namen des modernen Griechenlands, wird vielleicht die Zahl dieser
Belege für gr. a = slav. o noch vermehren. Es fragt sich, welche Be-
weiskraft ihnen für unsere Frage zukommt. Wie bereits erwähnt, er-
klärte Safafik das gr. a = slav. o aus ungenauer Wiedergabe des sla-
vischen Lautes, während J. Schmidt auf einen dem a sehr nahe liegenden
Vokal, etwa schwed. «, schloss. Beiden Gelehrten war es aber unbe-
kannt, dass auch das griechische o (o, w) ein durchaus offener Laut ist
und schon zur Zeit der Aufnahme der slavischen Wörter war: dies folgt
aus der Wiedergabe des geschlossenen italienischen o und des lat. ö
durch gr. ov (s. darüber Byzantin. Zeitschr. X 586). Gr. o (w) wäre
also zur Wiedergabe eines offenen slav. o sehr geeignet gewesen, und
wenn statt seiner gr. a verwendet wurde, so muss der slavische Vokal
mehr nach a als nach offenem o hin gelegen haben, d. h. er war ent-
weder reines a oder höchstens ein ä mit minimaler labialer Färbung.
Nun wird ja thatsächlich, wie wir erwarten, in der Zeit, wo die Slaven
schon 0 sprachen, dieses immer durch gr. o wiedergegeben, und nur in
den ältesten Belegen slavischer Namen und Wörter im Griechischen
findet sich dafür a. Daraus folgt mit Sicherheit wenigstens das eine,
dass im Slavischen ein Vokalwandel stattgefunden hat, der sich in der
Richtung von a nach o hin bewegte ^).
heutigen Xo/ub^ ElqvTciviag), Ttqi'oßu (in demselben Nomos und in Lokris),
sowie bulg. Trnova (Tarnova auf einer latein. Urkunde vom Jahre 994, Eacki
S. 23), poln. Tarnovo, auf deutschem Boden Tornow, Tarnow (Buttmann, Die
deutschen Ortsnamen S. 97), d.i. aksl. frt'itiovü, trunova, trünovo 'spinosus' von
irunü 'Dorn'. [Sonst erseheint in griechischen Ortsnamen vielfach -oPjo, -oßa
für slav. -ovo, -ova, z. B. }jQä%o3(e, FäßQoio Berg in Atollen (= bulg. Gabrovo),
r?.6yoßa, riukoßa [n^^l.jalova fem. 'unfruchtbar';, TonöXoßa, BtQ^oß«, Jeqi-
xoßo, '£yx'/.ii'oß(( u. 8. w.] In Tvqvußog kann jedoch auch die slav. Endung -avu
vorliegen, wie iuKiaußo; dem moderneu Namen des Ossa, der wohl von serb.
Jiisa 'Regen', bulg. kisa 'nasses Wetter' (zu aksl. kysnqti 'nass werden') = gr.
y.iGa 'regnerisches Wetter' (aus Thrakien bezeugt, G. Meyer Ngr. Stud. II 30)
abgeleitet ist, also slav. a aus « enthält. Thatsächlich begegnet fem. Tmava
als Ortsname wiederholt in Kroatien, als Flussuame auch in Böhmen und im
westlichen Ungarn.
1) Nicht unerwähnt lassen will ich, dass man bei ^«x«ror und yccQaa-
d'oEi&rjg auch an Assimilation von o an das « der Nachbarsilbe denken könnte.
Indessen ist die Assimilation von o an « im Ngr. so selten (vgl. Hatzidakis
Die sliivische Vertretung von indogerman. o. 237
Nächst dem byzantinischen Reich ist es Dalmatien, wo uns sla-
vische Eigennamen aus verhältnissmässig früher Zeit überliefert sind.
Das Material ist uns neuerdings durch Jirecek's so lehrreiche Abhand-
lungen über die Romanen in den Städten Dalmatiens während des
Mittelalters (Denkschriften d. Wien. Akad. IS. und 49. Bd., 1901 — 4)
näher gebracht worden. In den lateinischen Urkunden Dalmatiens vom
X. bis ins XIII. und den Anfang des XIV. Jahrh. weisen die slavischen
Eigennamen in ihrer lateinischen Form vielfach ein a an Stelle von
slav. 0 auf. Ich stelle die Fälle aus Racki, Mon. spect. bist. Slav. merid.
VII, und den Sammlungen bei Jirecek ^namentlich II. Theil S. 65 ff.)
zusammen.
X)a^ra = slav. Z>oira in Urkunden vom Jahre 1076 — 80 und 1078,
Racki S. 125. 121, aber auch noch 1260, 1273, 1289: Jirecek II 69.
Daneben Dobra seit 119S. — Dabro 918 n. Chr., Racki a. a. 0. 19;
940 — 46, Racki 20; 986: Racki 22; zahlreiche Belege aus dem X. —
XIII. Jahrh. bei Racki Regist. S. 502. Jirecek II 69. Auch Dahriis
Racki 128 ff. vom J. 1080. Daneben Dobro seit 1034. — Dabre (Gen.
Dabrete) 1282, Jirecek a. a. 0. — Dabriza 1032, Racki 41 u. ö. Da-
bricha 1196 neben Dobriga 1279, Jir. a. a. 0. — Dabraza = slav.
Dobraöa 1080, Racki 130 u.ö. Dabrazze 1124. — Dabrisius = slav.
Dobriga 1248. — Dabrosa = slav. Dobrusa 1198, Jir. a. a. 0. —
Dabralis = slav. Dobrali 1085, Racki 141 u. ö. Bei dobrü handelt
es sich vermuthlich um idg. a (s. oben S. 231).
Balislaua, auch Ballislaua = sl. Boleslava in Ragusa im XIII. —
XIV. Jahrh., Jirecek II 66, neben Boledragus schon 892, Racki
S. 16. Ob aksl. bolijz 'grösser' idg. a oder o enthält, ist zweifelhaft;
%kr. bala-m 'Kraft', \a,t. de-bilis 'kraftlos' entscheiden nichts; gr.ßelTe-
Qov 'besser' spräche, wenn es verwandt wäre, für o.
Gatjslauus, Fem. Gaysclaua = sl. Gojslav, -slava, Kurzform
Gaya, Gaiussa neben Goülauus, Goya im XIII. Jahrb., Jirecek II 72.
Pradanus im J. 1080, Racki 135, Micha Pradani 1144, Jirecek
II 74, sonst Prodanus. Aksl./jro- = gr.TVQÖ, lat.^ro-, also mit idg. o.
Pauersenus 1190, Pauergenus 1255 — 61 neben Pouergenus 1279
= slav. Povrizen 'Projectus' von povresti 'projicere', Jirecek a. a. 0.
Aksl. po^ lit. pas zu lat. osk. umbr. pos^ also idg. o.
Einleit.S.331), dass diese Erklärung nichts Befriedigendes hätte, zumal dann
jene Fälle von den anderen analogen getrennt werden müssten.
238 Paul Kretschmer,
Der Stammvokal -o- erscheint in der Compositionsfuge als -a- in
Dedasclava = Dedoslava^ Jirecek II 68. Dahrasclauus = Dohro-
slav 1169, 1195, 1199 und noch im XIII. Jahrh., Jirecek II 70; Ba-
hr amusclo == Dobromysli^ 850 — 96, Racki 383. Dragauiti =^ Dra-
(jovit^ 1069, Racki 76 f.; Dragamer 850 — 96, Racki 383; Dragabuth
1076, R. 110; Draganegus, Dragadet 1080, R. 128. 134; Draga-
mosus 819, R. 322; Dragaslaua 1282 u. ö., Jirecek II 71, Mirasclaua
= Miroslava 1282, ebd. 74; Miramuscle ^^ Miromysli 850 — 96,
Racki 383. Negamire^ slav. NSgomir^ Jir. 74. Radasclauus = Ra-
doslav 1247, ebd. 75. Uitadrag XI. Jahrb., Racki 166, sonst Uito-
drag u. s. w.
Die Endung -ota erscheint als -ata in Bell ata = Belota 1018,
Racki 33 u. ö. ; Cernata = Crtnota, lOSO, Racki 133; Velcata =
Vlukota 1195, Jirecek II 79. Vgl. auch den Ortsnamen Dahrat =
Dohrota bei Cattaro, Jir. I 98. Der Ausgang -oiia als -ana in Bu-
bana^ Bubcmna^ Bubogna = Bubona: Berzana = Brizona^ Jirecek
II 67; Dabrana = Dohrona [hjz.JoßQCiJvctg), ebd. 70; Peruan7ia =
Prwotia, ebd. 75; Uilcana = Vlnkona, Zuuerana = Zverona.
ebd. 79.
Diesen zahlreichen Schreibungen mit a stehen aber in derselben
Zeit, oft in derselben Urkunde solche mit o gegenüber ^). Dieses
Schwanken wird kaum aus der offenen Aussprache des slav. o zu er-
klären sein, die die romanischen Notare theils mit a, theils mit o aus-
gedrückt hätten. Den Romanen ist offenes o nicht fremd, sie hätten es
gewiss ebenso von a geschieden, wie die Slaven selbst, die es schon vom
IX. Jahrh. ab konsequent mit o bezeichnen. Auch hier dürfte das a auf
Tradition aus einer Zeit beruhen, in der die Slaven noch reines a oder
höchstens ein ä mit geringfügiger Lippenrundung sprachen. Dabra-
sclavus in Dalmatien wird man schwerlich anders beurtheilen dürfen,
wie z/aßqayfCag bei Agathias. Dass die lateinische Kanzleisprache
ältere Lautformen fremder Eigennamen bewahrte, ist nicht verwunder-
lich und kann man ähnlich auch anderwärts beobachten.
Safarik a. a. O. führt auch deutsche Belege für die Wiedergabe
von slav. o durch a an. Für unsere Frage möchte ich jedoch diesen
1) Im Laufe des XIV. Jahrh. verschwinden die Schreibungen mit a für
sl. o (Jirecek I 98), was sich nach Jirecek daraus erklärt, dass damals in Dal-
matien an die Stelle der früheren geistlichen Notare italienische Juristen
traten.
Die slavische Vertretung von indogerman. o. 239
Fällen keine grosse Beweiskraft beimessen. Wenn der Name des sla-
vischen Gottes in Retbra, Radogost, bei Adam von Bremen (MGH.
VII 312) Rcdigost, bei Helmold (MGH. XXI 13) Radigast lautet i), so
kann hier recht wohl Umformung des slav. gosü nach deutschem gast
vorliegen; und dasselbe gilt von den zahlreichen deutschen Ortsnamen
slavischen Ursprungs siwf-gasf, wie Dobergasf in Schlesien und Sachsen,
wo schon das o im ersten Element, sl. dobrü, gegen die Annahme
spräche, dass das a in -gast die offene Aussprache des sl. o wiedergibt,
Gorgast hei Küsh-'m^ Wolgast in Pommern, Liebegast^ Radegast u.s.w.
(Buttmann, Die deutschen Ortsnamen mit besonderer Berücksichtigung
der ursprünglich wendischen in der Mittelmark und Niederlausitz S. 133).
In Gosda (Kreis Sorau, Kalau, Kottbus, Spremberg), Zschornegosda
bei Senftenberg ist dasselbe slav. Wort mit o wiedergegeben. Aber auch
die anderen Fälle, in denen a slavischem o entspricht, z. B. Rogaseti,
Rog'dsen: poln. rogozina (Buttmann a. a. 0. 110 f.). Garenchen bei
Luckau zu gora^ GahlenhQi Kalau, Galinchen bei Kottbus: niedersorb.
gola 'Wald' (Buttmann a. a. 0. 85) u.s.w. sind nicht sehr beweiskräftig 2),
weil hier in der That die Möglichkeit besteht, dass a auf der offenen
Qualität des slav. o beruhe, der die geschlossene Aussprache des deut-
schen 0 nicht entsprach. Mit den griechischen und lateinischen Belegen,
die überhaupt die slavischen Laute strenger festhalten, können also die
deutschen nicht auf eine Linie gestellt werden.
Um zusammenzufassen, so hat sich uns ergeben, dass im Slavischen
vor und um die Zeit der ersten schriftlichen Denkmäler ein Lautwandel
in der Richtung von a nach ö stattgefunden hat. Es ist mindestens sehr
wahrscheinlich geworden, dass slav. o, ob es nun idg. o oder a vertritt,
die Stufe a durchlaufen hat. Hinter der Ausflucht, dass dieses a doch
eine leichte labiale Färbung gehabt haben könnte, kann sich der Skep-
tiker nur deshalb verschanzen, weil wir die Qualität prähistorischer
Laute immer nur ungefähr zu bestimmen vermögen und daher auch z.B.
nicht die Möglichkeit bestreiten könnten, dass idg. a ein wenig labial
gefärbt gewesen sei. Andererseits steht dem Ansatz idg. o^urslav.«^
slav. 0 kein Argument entgegen, und für die übliche Annahme, die auf
V Bei Thietmar ;MGH. HI 812, 7; ist Riederjost neben Riedegast über-
liefert.
-; Es verstellt sich, dass von diesen Ortsnamen, wenn sie verwerthct
werden sollen, zuerst die ältesten urkundlichen Formen ermittelt werden
müssten.
240 Paul Kretschmer, Die slavische Vertretung von indogerman. o.
jeden Fall nur eine Möglichkeit darstellt, dass idg. o im Slavischen un-
verändert erhalten geblieben sei, ist noch kein stichhaltiger Beweis-
grund beigebracht worden.
Wien, 25. Febr. 1905. Paul Kretschmer.
Einige Hypotliesen über die Sprache der Skythen
und Sarmaten.
Die Frage über die Nationalität der Skythen und Sarmaten kann
im wesentlichen als gelöst betrachtet werden : die einen wie die anderen
waren iranischen Stammes, mehr oder weniger verwandt mit den heu-
tigen Osseten.
Aber nicht alle Einzelheiten sind aufgeklärt und vor allem nicht
die Frage über das Verhältniss der Sprache der Skythen zu jener der
Sarmaten.
Wie bekannt, waren vor dem Beginn unserer Aera die Skythen
aus Südrussland verschwunden und an ihre Stelle traten die Sarmaten.
Im Zusammenhang damit unterlagen beinahe alle Flussnamen Südruss-
lands ümbenennungen. Statt BoQvad-evrjg der skythischen Epoche
kam JävaTtQig auf, statt Tvqag — Danaster, statt "F^raj'fi? — Vagus.
Der letzte Umstand veranlasst die Vermuthung, dass die Sarmaten vom
Norden her nach Südrussland kamen, aus den Gegenden, wo der mitt-
lere und obere Lauf der besagten Flüsse lag, aus dem Volynischen und
Kijever Waldland, aus den Bassins der Flüsse Dniepr, Oka, Don, unter
anderem aus den Gegenden , wo sie in der Nachbarschaft der Slaven
wohnten — dass sie ihre Flussbenennungen mit sich nach dem Süden
brachten und damit die älteren skythischen eintauschten.
Die russische Benennung des alten Täva'ig ist Don [jlfiwh). Man
kann als sicher annehmen, dass die Russen den Namen von den Sar-
maten entlehnten und dass er auf die sarmatische Benennung mit dem
Laute d zurückgeht, vgl. avest. dänu- (Fluss), osset. -don (fluss). Die
Verwandtschaft zwischen der sarmatischen und skythischen Benennung
Einige Hypothesen über die Sprache der Skythen und Sarmaten. 241
unterliegt keinem Zweifel, nur blieb im Sarmatischen im Wortanlaut das
alte iranische tönende f/, während im Skythischen der tönende Laut
durch den tonlosen / ersetzt wurde.
Darnach ist die Annahme gestattet, dass die skythische Sprache
im Wortanlaute und intervokalisch an Stelle der ältesten
und sarmatischen tönenden Konsonanten die tonlosen setzte.
Von dieser Hypothese ausgehend sind wir im Stande, einige sky-
thische Namen zu erklären.
Vor allem die Benennung des Flusses Prut nÖQata, bei den Grie-
chen des Schwarzen Meeres ITvQeTÖg. Die älteste Form der skythischen
Benennung, die augenscheinlich von den Slaven direkt aus dem Skythi-
schen ^) entlehnt wurde, kann auf Grund des angesetzten *II'BpyTTb, wo
y den Diphthong ati ersetzt, wieder hergestellt werden. Die ursprüng-
liche skythische Form msig pär-cmfa{h) gelautet haben, mit dumpfem ä,
das im Slavischen durch i., bei den Griechen durch ihr o und v wieder-
gegeben wurde. Wenn in dieser Form das intervokalische t aus d her-
vorgegangen ist, so lässt sich der zweite Theil des Wortes leicht mit
Hilfe des avestischen aodha Gewässer, altind. odatl als Particip f. g.
quellend, wallend erklären. Im ersten Theil suchte schon MtiUenhoff
die Wurzel par. Darnach wäre die Bedeutung des skythischen par-
auta{h) — ein wasserreicher, wogenreicher Fluss.
Die skythische Benennung eines unbekannten Flusses unweit vom
Dniepr war — navTi-Ad/tr^g. Herodot erzählt, dass die Benennung
eines Flüsschens in Skythien in der Uebersetzung ins Griechische igal
ödoi bedeutete. Darnach haben wir Grund anzunehmen, dass die Sky-
then dann und wann kleine Flüsse und Bäche mit dem Worte »Weg«
bezeichneten. Folglich ist der erste Theil des Namens naPTi-'/.(X7rr]g
möglicherweise in Zusammenhang zu bringen mit dem altind. panthä
Weg, slav. nATfc id., und der zweite mit dem altind. gahh-lra (tief), so
dass IIavTL-/Mm]g — bedeuten würde: tiefer Weg. Man vgl. die
Benennungen russischer Flüsse, die wahrscheinlich von den Sarmaten
den Slaven übermittelt wurden — Ipuf (Hnyxi. ^epHnr. ryö.), Ikopot
(IlKonoTi, BojitiHCK. ryö.).
Die Namen skythischer Gottheiten widerstrebten bisjetzt der Er-
klärung. Doch mit JäTti (Erde) vgl. griech. artcpä (Väterchen = *abbha) ;
1) Wir nehmen als die Urheiraath der Slaven die Gegend des heutigen
Königreichs Polen und des westlichen Weissrusslands an.
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 16
242 A. Sobolevskij,
die Bedeutung des Namens wäre — Mütterchen. Mit Taßixi die Göttin
des Herdes vgl. laX. favilla^ griech. d-vto, altind. dhüma Rauch, slav.
ABiM'B U.S. w. ; die Bedeutung wäre die »rauchende« (AMMHmaH, AHMHan).
In der zweiten Hälfte des Wortes J^gyiu-itaGa oder J^QTii^i-Ttaaa
darf man dasselbe Element suchen, das in der zweiten Hälfte vieler alt-
persischer Namen wiederkehrt, als : Jigra-ßatog, Oagvcc-ßa^og u, s.w.,
d. h. avest. häzu (Arm), osset. hazug (Ellenbogen). In der ersten Hälfte
von Olvö-ovQog könnte man ein mit dem altind. veda, avest. vaedha
verwandtes Wort erblicken ; den zweiten Theil stellt Vsevolod Miller
(OccBTHHCK. 3TK)Ati III 132) in Überzeugender Weise mit dem altind.
gura Held, avest. süra (mächtig) zusammen. Der zweite Theil des Na-
mens der mythischen Vorfahren der Skythen TctQyt-TÖcog erklärt sich
mit Hilfe des altind. deva, avest. daeva.
Herodot hat uns zwei skythische Benennungen der Flüsse '^'YTtavig
und '^YTtccKVQig überliefert. Die erste ist jetzt Bug, die zweite versetz-
ten die Gelehrten nicht weit vom Dniepr. Die Identität des ersten Theils
dieser zwei Benennungen lässt es unzweifelhaft erscheinen, dass darin
irgend ein Appellativum steckt. Das dürfte wahrscheinlich — äpa (Was-
ser) sein, a lautete ä (dumpf) ; vgl. altind. üp Wasser, avest. ö/s, äpem
Wasser, altrusss. ape Fluss. Der zweite Bestandtheil der ersten Benen-
nung — m oder ani (vgl. die Benennung der Stadt Nioaoov Ptolem.,
auf einem unbestimmten Fluss nahe beim Dniepr, wo -oaaov wahrschein-
lich ebenso ein Appellativum ist, wie in einer anderen Benennung der
Stadt ^OcpwvöGcc Ptol.). Der zweite Bestandtheil der zweiten Benennung
— Akäri, mit dem dumpfen ä, ist wahrscheinlich identisch mit der sar-
matischen Benennung eines unbestimmten Flusses beim Dniepr ^yaqog
Ptol. oder bei Bug Agalingus Tab. Peuteng.
Aus dem Vorausgehenden ist ersichtlich, dass wir in der Sprache
der Skythen ein dumpfes ä ansetzen dürfen. Wahrscheinlich haben die
alten Griechen dieses a wiedergegeben durch ihr a,o,v, dann und wann
auch ausgelassen. Auf keinen Fall sollen die Namen der Skythen
^yioXÖTOi und 2yivd-ai, die uns Herodot überliefert hat, von der alt-
persischen Benennung derselben Sakä, die sich auf den Inschriften des
Darius Hystaspes befindet und uns von Herodot überliefert ist (VII 64 :
.5'axat), auseinander gehalten werden. Offenbar konnte jenes dumpfe ä
sehr kurz sein, wenn es in unbetonter Silbe stand.
Zwei sarmatische Flussbenennungen zeigen in ihrem ersten Theil
unzweifelhaft das Appellativum dana (Fluss). Die Form Danas fr- gibt
Einige Hypothesen über die Sprache der Skythen und Sarmaten. 24S
nicht genau die sarmatischen Laute wieder. Die slavische Form *JI,t>-
H'icTp'B, wo i aus ai, gestattet die Korrektur dätia-isfr-. Vom ersten
Bestandtheil war soeben die Rede, der zweite — ist ein Eigenname,
derselbe, wie skythisch "/ffr^oc; (Donau), russ. (von den Sarmaten) Istra
(ein Fluss im Gouvern. Moskau), vgl. altind. is-ira kräftig, frisch, gr.
iSQÖg. Die Schreibung z/avaTT^tg wird angesichts des altruss.^i.iiinp'L,
^i,H']&npi, durch die sarmatische Form dana-ipr wiedergegeben; mit
dem zweiten Theil vgl. russ. Ibr (Hripi, ein Fluss im Gouv. Volynien).
Dieselbe Flussbenennung, nur mit einem Suffix versehen — ist russ.
Neprjadva (HenpaABa, im mittleren Russland), aus *^i.n'5np.i^Li.
Der erste Theil des sarm. Javovßwg^ Danumiis — ist derselbe
wie in Danaster ^ //ävajtqLg. Der zweite — ein Eigenname — allem
Anscheine nach — cwi. Der Kosmograph von Ravenna, aufzählend die
ins Schwarze Meer mündenden Flüsse, setzt an erste Stelle Avia^ wobei
er ohne Zweifel an die Donau dachte. Der volle sarmatische Name der
Donau dürfte gelautet haben: Dätiävi, sowie die skythische Benennung
des Don Täva'ig, nur mit dem alten d.
Die sarmatische Benennung des südlichen Bug, die Jordanes als
Vagus (statt Bagus) bezeichnet, wird wahrscheinlich Baga (mit dumpfem
a) gewesen sein. Ptolemaeus gibt diese Benennung, mit Anwendung
auf andere Flüsse, durch die Formen Bvxog, Böy.og wieder. Die alt-
russ. Denkmäler schreiben Bug (Byrx) und Bog (Bort), letzteres aus
*6xr'i.; Konstantin Porphyrogen. gibt Boyov. Die Slaven dürften die
Benennung des Flusses von den Sarmaten zweimal bekommen haben :
bei der ersten Entlehnung gaben sie Baga durch *6t>v% wieder; bei
der zweiten, da u schon monophthongisch war, — durch uyrt. Vgl.
avest. hagha deus, slav. 6ori>. Selbstverständlich ist der Gleichklang
des westlichen Bug mit der Benennung des südlichen Bug nur zufällig ;
jener nordwestliche Name ist wahrscheinlich verwandt mit dem litaui-
schen haugus^ der furchtbare.
Die angeführten Beispiele gestatten die Annahme, dass die sar-
matische Sprache ebenso ein dumpfes a hatte, wie die
skythische, und dass die Slaven, als sie das Gebiet der Sarmaten
zuerst im mittleren, nachher im südlichen Russland einnahmen und von
den Sarmaten viele Flussbenennungen überkamen, das sarmatische a sehr
häufig durch ihr ^ wiedergaben.
Bei einiger Kühnheit der Hypothesen können verschiedene skythi-
sche und sarmatische Flussbenennungen durch die Zusammenstellung
16*
244 A. Sobolevskij,
mit Appellativen der altindischen und avestischen Sprache erklärt wer-
den i). Sie enthalten zum grössten Theil Substantiva mit der Bedeutung
Fluss, Wasser u. s.w.; in Verbindung mit Adjektiv oder das Adjektiv
allein. Angesichts der natürlichen Beschränkung der Zahl der nach
der Bedeutung stimmenden Appellativa müssen sie an verschiedenen
Orten sich wiederholen. Daher erklärt sich die Nichtübereinstimmung
der alten Autoren bezüglich der Ortsbezeichnung des einen oder anderen
Flusses Südrusslands; daher die nicht selten begegnende Identität oder
nahe Verwandtschaft in der Benennung verschiedener Flüsse des heu-
tigen mittleren Russlands: Tbsna (avts *Dbsna?), daher lI,Ha. Desna,
Dis7ia\ Cy.ia; Pi.ct, Pi.ma (daher Orsa, Iria u. s. w.); Cho-rol, Cho-
moi\ Cho-p'br^ u. s. w.
1) Ausser den aufgezählten Benennungen kann das skythische Tvqag
(vgl. russ.TopT. = ♦Ti.p'i., als Nebenfluas des Donec) mit Hilfe des altind. tara
überwindend, tära rettend, gedeutet werden.
A. Sobolevskij.
Cech (qexi») und Cacli (naxt).
Neben der üblichen ethnographischen Benennung uexx [dec/i)
kennen die altrussischen Texte auch die Form ^axt [dach). Der Lau-
rentius-Text der Nestor'schen Chronik vom J. 137 7 hat als Acc. pl.
^axH (Ausg. 1872, S. 25); auch der Troicker-Text derselben Chronik
aus dem XIV. Jahrh. gibt dieselbe Form yaxii ib. Der akademische
Text der Suzdaljer Chronik aus dem XV. JahrLi. kennt den Nom. plur.
qaxoBB (ib. S. 476). Die Novgoroder erste Chronik, nach dem Text des
XV. Jahrb., nennt den Todesort Svjatopolk's Meacn qaxH n jkxii (S. 84).
Gleichartige Formen mit a findet man in anderen Texten verschiedener
russischer Chroniken aus dem XV. — XVII. Jahrh., unter anderem in
dem illustrirten Texte der compilirten Chronik der Moskauer Garen aus
dem Anfang des XVII. Jahrb. Ebenso spricht man in der Urkunden-
sammlung »KpHMCKia A^-ia« der Moskauer diplomatischen Kanzlei unter
dem J. 1492: o ^laefeT), MacKofi (sc. Kopcjit), ei. yropcKHMt öhjcä (der
Cech und Cach. 245
böhmische König kämpfte mit dem ungariachen, vgl. Ulanickij, Maxe-
pifljiBi AJiH iwanMiiLixT. OTiiouieiiiil Pocciii, IIo.ibmH u. s. w. M. 1887,
S. 121). Die stidwestrussische Uebersetzung des polnischen Wislicer
Statuts kennt qacKy piiqt (cechische Sprache). Unter den Literatur-
denkmälern werde 'ihxh erwähnt im rassischen Lucidarius nach dem
Text des XVII. Jahrh. (ed. Tichonravov in seinen JÜTonncH S. 51). Die
heutige russische Sprache wahrt noch den alten Spruch: Meac^y yaxii
H Jinxii (Archang. Gouv.) in der Bedeutung: so so, nicht so und nicht so,
womit in gewissem Grade der lausitzserbische Spruch übereinstimmt :
to su moje cechi a lechi in der Bedeutung: das ist mein Alles (Wisla
IX. S. 148).
Unter den stidslavischen Texten fand ich nur in einem serbischen
Apokryph des XV. Jahrh. den Nom. pl. yaxoBe (neben ^lext, uemKaa,
vgl. Tichonravov, IlaM. OTpey. .iiit. II. 441). Die böhmischen Texte
können meines Wissens keine Variante dach aufweisen, allein ihr einsti-
ges Vorhandensein dürfte sich aus den bei Gebauer in seinem altböhm.
Wörterbuch angeführten Ortsbenennungen Cachoo und Cachovici er-
geben.
Uns will keine von den bisherigen etymologischen Ableitungen des
Wortes ^lext [cech) einleuchten. Uns scheint am nächsten zu liegen die
Annahme, dass das Wort gleichartig gebildet wurde mit dem *jiäx'l
(neben dem adjecti vischen .lA/ttCKt) und dem russischen nciixi. (zu
no.iicLe), d. h. das Suffix s [ch) anzunehmen. Das mhochd. kehse con-
cubina und altnord. hefser Sklave (Kluge) gestatten die Annahme einer
Form kip&o also ^laxi. aus ^keps'b] und die Zusammenstellung derselben
mit dem russ. TienaxH, ^anaxn (fangen, aufgreifen), russ. ^lani,, altböhm.
6ap^ dep (Zapfen), russ. ^eraira, Mentira, pol. czapiga, czepiga (der höl-
zerne Theil des Pfluges), bulgar. 'ient, yenKa (Zweig), Tienaxt (knorrig)
u. s. w.
A. SobolevskiJ.
246
Ein Schreiben des Patriarchen Gennadios Scholarios
an den Fürsten Georg von Serbien.
Die kgl. Bibliothek zu Dresden besitzt aus dem Nachlass Gühling's
eine junge Papierbandschrift A 187, die mancherlei merkwürdiges ent-
hält. Ich habe anderwärts i) gezeigt, dass sie im J. 1600 wahrscheinlich
auf einer kretischen Besitzung des Sinaiklosters geschrieben wurde. Der
Sammler hat aber offenbar irgendwelche Interessen an der Kirche Ser-
biens gehabt. Nicht nur, dass er p. 404 des I. Theils in der Mystagogie
des Symeon von Thessalonich de sacramentis c. 94 (MSG. 155, 284 A)
vor den Worten öib xai Iz ds^uop ein Rubrum bietet, das in dem ge-
druckten Text fehlt : Ol de ^sQßoi Tcoiovat to kvavriov y.al äyvoiovai
— offenbar auf die Lage des Gottesmutterstücks auf der rechten Seite
des Diskos zu beziehen — , er hat p. 512 — 516 eine Correspondenz
zwischen dem Fürsten Georg I. Brankovic von Serbien (1427 — 1456)
und dem ökumenischen Patriarchen Gennadios II. Scholarios (1453 —
1459) aufgenommen. Da diese fast noch unbeachtet zu sein scheint 2),
gebe ich sie im folgenden wieder.
Dabei bemerke ich im voraus, dass die Zählung der einzelnen Ant-
worten von mir herrührt: auf Grund dieser einen Handschrift, deren
Sammler die verschiedensten Quellen bunt durcheinanderwürfelt, wird
sich nicht mit Sicherheit der Umfang der Correspondenz abgrenzen
lassen. Es könnte sein, dass ihr nur das erste, sicher interessanteste
Stück § 1 — 3 angehört. Auf Grund der von dem Erotapokriseisschema
der sonstigen Quellen unserer Handschrift abweichenden Form, die
Frage nicht als Frage, sondern als Ueberschrift einzuführen, glaube ich
aber, dass § 1 — 15 zusammengehören. Die beiden letzten §§ 16. 17
») Byzantinische Zeitschrift 1905.
2) Durch eine gütige Mittheilung des Herrn Herausgebers erfuhr ich,
dass Archimandrit Ruvarac eine serbische Uebersetzung besitzt. (Diese be-
kam der serb. Historiker durch die Vermittelung des gewesenen serb. Ge-
sandten in Konstantinopel, Herrn Stojan Novakoviö, von einem serb. Geist-
lichen, der den Text in einer Handschrift auf Patmos fand, abschrieb und
übersetzte. V. J.)
Ein Schreiben d.Patr. Gennadios Scholarios a. d. Fürsten Georg v. Serb. 247
habe ich nur aagefügt, um nichts auszulassen ; sie gehören wohl nicht
mehr dazu.
p. 512 ZrjTrjf^iara /.al egiorrjaeig tov evoeßeCTCcrov öeotcötov
^SQßeiag kvq recoqyiov TtQog rov itavayaoraznv /.al oi%ov-
(.levLAOv JtaxQiäqx^v /.vq FsvadLov tov ^%oX6.qlov: —
drtonQtasig rov TtaTQKXQxov.
5 (1) ^HqwTrjaag tzeqI Tf]g s^rjyrjaeiog tov &€0(pvlä/tov aQX^~
ETCLO-KÖTtov BovlyaQtag. -/.al avrr] loreQX^'^l Ttaqcc Tfjg
k-AyilrjoLag. ax^dov yccQ ovöhv MyeL Xölov avrov, älla
Ttavra eIölv äXXcjv ayiiov y,al (.idliatcc rov XQvoooröfiov.
■/.al 7]v aocphg y.al öqd-udo^og aqxLEQE'Og. ei de evQloy,eraL
10 ev tolg ßißXioig rolg ^eQßiyiolg tl oiteq 6o'/.ei oti
ovy. eoTiv vyieg, aTtb rfjg dyvoiag eoxl tov i.ietayXtot-
tiOavtog t) (.lerayqäipavrog.
(2) xh de ßißliov xov Bavd-OTtovXoii eoxeqxd^rj Ttaqa xfjg
ey,ytXr]aiag. f.irj7toxe öe i^iexeylMxxio-d^rj eig xh ^eqßi'/.ov
15 ov '/alöjg^ lav 6oY.fi '^^ "^^^^ ^^ ytalüg ytal ÖQ'S'CÖg
XeyeLP. ev yaq xfj rptovfj fji.uüv bXov eoxl xh ßißltov
ÖQd-odo^ov.
(3) xa de dLrtXoKax)]xovf^teva ev (.lövaig xalg 7tQnr]yiao[ievaf,g
p. 513 Xeyovxai, \ xh de dyiaG(.ia xiov aytiov ^eofpavLÜv
20 Xa(.ißccv6xai Ttqh xov dvxidojqov.
(4) (eqcüx.) TIeqI xfjg Ttavayiag xfjg /.leydXrjg ite/^ijtxrjg.
(dTtözQ.) 'H dvacfOQcc xfjg navayiag rj ev xfj /.leydXj] 7tef.i7rxr]
vipovi-ievr] yivexai /axd xyjv avvfjd-eiav xCov dXXiov
fifieqüv TiXfjv ev x(p ßf]i.iaxL, ov-/. ev xfj xqajxetrj xfjg
25 xqocpfjg. dio '/al (pvXdxxexat '/al f.iexaXa(.ißdvexai
oxe XQ^^^ ^Qo xov dvxidi'oqov.
(5) {eqibx.) JJeql xov ^lovda.
[drcÖT/q.) '0 ^lovdag ejtetr]Oe (.lexa xfjv Ttqodoalav
oXiyov, i'wg ov exeXeod-Tq, o Xeyexai ev t(p ßißXUit
30 xü)v Ttqd^eoiv.
(6) {eqö)x.) TIeql ^vGiaaxr^qiov ^ioXvvd-evxog.
[dTtö-zq.) Th ^vaiaaxriqiov ;cw^ic; xiov avfißdvxiov dt
OTtola GviiTTxiofxaxa yivexai Ttqwxov dyiaa/j-ög,
1 — 4 roth. 2 und 3 ^ D. 5 d^BotpiXccxrov D.
21 4*'. 22 V^'.
248 E. von Dobschütz,
elza ^voia. kav ymI T;tooaqäy.ovTa r^^(.uqai /.al
TtXeiovg TtaQild^iooiv, äve/XTiodiaTwg nal ädia/.QLTtog
XeiTovQyelTai.
(7) (Ipwr.) Ilegl hgiiog /.ai /.ogul/.ov TtLvovrog vdwq ev vvtitL
5 {a7t6y.Q.) Tb lav jt/tj vdcoq b lbqevq kv vv'/.ri, ccTib
TtolltJv ahiwv eoriv ti f-uv oiiv ölipav Ix tcoAv-
(paylag auI f.i€^rjg eOTtsQLvfjg eo^ev , ov dvvaxca
^OiäGaf b de Xal/.bg si TtQo «^ ojqüv ttIj] xb vdioq.
Tilrjv kS, äod-Bveiag^ dvvarat 'Aa(.ißdveiv tbv evkoyrj-
IX) (.livov aqrov rjroi rb avrldwQov . 7r/.rjv b Sctve-
XÖfxsvog ayiaofxov öt ev'/Mßeiav rcXeov vj(pe'K(.lxaL
rov äyLaLof-ierov, lav /.al rb rv^bv IfiTtöÖLOiia fj.
(8) {egtoT.) JleQi IsQewg orav fxrj e'kdj} (xerh tüv a).lo)v tegeiov
röjv TTjV 7tQoaA.of.ii6r]v Ttoir^aävroiv, si övvarai AsitovQyr^aai ;
15 (ßTTO/t^.) 'O voTEqr]aag hqevg (xerh rrjv TtQoay.oi-iidrjV
ov dvvarcii ?^£iT0VQyfjaai , et /.ai Tti/^g /.a/cDg
Ttoiovvxeg /.al avaidCog y.al f^üxQi if^g TtQOJTrjg eloööov
jiQOOTid-Evtat Y.ul avToi.
(9) [kgöiT.) TltQL Tov aravQOV.
20 (aTtö'/g.) Tb axavQL/.bv '^vlov ol keyovreg avalr](pd-^vai,
eig %bv ovqavöv, ovv. oXdaoLV^ xi Xeyovaiv.
(10) [eqür.) Hbql aq^LEitta/ÖTiov '/a\ Ttarqiäqxov.
{aTtöy.q.) Jvvaxai b avd-evrr]g tov tötiov /.al rj avvodog
ziüv iTVia/ÖTttüv Ttoif^oai aqy^unio-/.07tov /.al Ttaxqtäqyr^v^
25 -/.al (J.rj GvvLaxa^iivov xov xötiov, Iv w rjv jiqöxeqov
j] y.ad^eöqa avxov. b [.irjxqoTtoXlxrjg NavTiäy.xov
p. 514 y.ä^rixai Iv allrj Tiö'keL \ Ölöxl xb Nav/tw/xav
yiaxiViy.öv ioxiv /.al ov öi%ovxai avxöv , /.al o^wg
övo^ätexaL NavTiäv.xov. b '^Pcoalag dvo(xä'!^exuL
30 /al eaxi Kvißov /al Tiäorjg 'Pioaiag /.al b/j-tog
■/ädiqxai iv x(^ Mooyoßuo^ ölöxl xb Kvißov eaxi
.AaxLVL'/bv (y.al) ov ;fw^£t avxbv ovxa öqd-ööo^ov.
'/al inl aXktüv tvoDmv oxe ly.oaxelxo h Ktovoxav-
1 TjfiiQus D. 5 anoxQ.a.. R. 13. 15 egan. anöxQ. a. R.
19 Jpa'x. a. R. 22. 23 eQu^c. anoxg. a. R. 27 tov vavn. D.
30 xvifxov D^, corr. ßov Ji-. näarj q(aaiag D. 31 xvißov so D.
32 xtti von mir zugefügt.
Ein Schreiben d. Patr. Gennadios Scholarios a.d. Fürsten Georg v. Serb. 249
TivovTtoXtg v/tb ^latLviov ert] s^T^y-ovra rgia, lyivovto
TtatQLÜQxcd KiovOTavrivovTtöXetog /.ara diadnp]v /.al
ovriog wvof.iaCovTO '/.al ofxiog iyAd-iqvxo iv rf] Niviaia'
1/.EI yaQ TÖTE fjp To ßaaikeiov . Tckrjv öttov IgtIv
5 6 ToiovTog aQyiie7iiO'/.07tog ^ TcaTQiccQxrjg, ov dvvaTai
elvai k'KBi InLo'KOTiog aXXog yvrjOLog^ aÜJ b evQLO'/.ö}XEVog
]] f.iEraTid-EtaL Elg aXÄi]v E'/.y.kr]aiav, *) eI /.irj {.likkoi
yEVEOd^ai TQiaE7cia/.07rog, iöid^Ei diu Tb -/.oivbv av(X(peqov.
(11) [eq(!ot.) Ei dvvarai sTclayiOTtog rj jtarQL&Qxrig xixyqlg 6ia.v.6vov
10 XEiTovQyfjaai;
[a7t6'/.Q.) Jläg iTcioAOTtog dvvarai ^vaiäoat fxövog Aal
X^Qig öiaxövov eI exec ^vaiaarrjQiov Xöiov Iv tm /.EkkUij
avTOV y.al idUog ^rjÖEvbg älkov TtaqövTog eI f-irj tov
VTtrjQETOVVTOg aVTCp. (paVEQWg Ös EV TJ] (.U]TQ0JT6kEL
lö avTov t] /mI iv Tip iöicf) d^vaiaaTr]Qiq} 7tokkG)v oQiovTiov
ov övvaTai x^Q^^S dur/.övov kvbg xb skaTTov.
(12) {eqcot.) üeqI tov aTro'AEiQavTog iavTbv x^Q'^S d-Ekiif-iaTog
Trjg ov'Qvyov.
{a7tö-/.Q.) '0 a7to/.Eiqo}v kavrbv ÖEÖEf-iivog yafxio X'^Q^'S
20 d^Eki](.i.uxog Trjg avCvyov cc(.iaqTävEL. Tb 6e /igöaioTtov Tb
ajtoYMQEV l^ExäCEi 0 ETtiOKOTCog /.al eI (,iEV ■/.axa nElo\ia
■/ML (pikovEmiav ä7t£/.dQr], Ttäkiv awÜTtTEi avTb fXETct
Ttjg ovZvyov ' ei öe /.arä &eIop oy.07t6v ^ ov-/. cctio-
ßakkEi TO. (.lovaxt'/ä.
25 (13) (|(»(ür.) nEql (.uav^EVTog ayisvovg.
{ärtö-AQ.) Tb (.iiavd^EV ay.Evog ei (xev Tif-iiöv eotiv,
ayiaQETUL, ei öe EVTEkkg, äxQEWvvai. ofj.iog xal
T(x ßQÖJGLfia äxQEiovvTai av fxiavS-üaiv.
(14) [eqwt.) UeqI tov E(.iEoavTog eI dvvaTat f-iETakußsiv.
30 [aTCÖTiQ.) "^0 EfiEoag arjUEQOv övvaTai avQiov (.lETakaßElv.
eI Öe '/aTETTEiyEi , '/.al tji avTfj fjfisQcc, eccv Tiqbg d^ävaTOV
vnäqxu V ccod^EVEia /.al ov-/ Ecpd^aas Tiqb tovtov
f^iExakaßElv . El Öe ToiavTi]v äa^evELav exel Ttg \
p. 515 log TO EfiElv (XTtav TO /cqoaka(.ißavöfXEVOV, ovÖEfiia
5 ncczQtccQ}(rjs: danach aus Z. 9 flf. einige Worte, aber durchgestrichen.
17. 19 IpüjT. ccnöxQ. a. R. 23 t^? correxi, tov D. 25 tQojz. a. R.
29. 30 iQ(üT. anöxQ. a. R. 33 ix^iv\ 1. 'ix^i Tis- 34 1. ^ote?
250 E. von Dobschiitz,
aövva(.dav rov av^QWTtov avaTtkTqqoi to vaTeQrif.ia
T^g (.leTalrupscog^ ei Tr]V i-ierävoLav -Kai zrjv l^oj-io-
löyriOLV ede§aro rov av^QcoTtov. et Se Ix (.ie^r]g
o b Ifietog Aal ova £§ aa^eveiag /.ai ovöe S-ävarog
xaTETteiyei ?) yial ev vr^oriixoig fjfi€Qaig ctqywv fjfxigag
iLvag Jial {.uravoCüv ^ elra /.oivioveirio /.axa rrjv didc/.Qiaiv
tov ixei^ovog.
(15) [eqiüt.) Ei xQTj ta ^rjQiößQcoTa iad^iea&ai]
10 {änö'A.q.) Tä d^r^QLÖßqiora ?} d^rjQiOfpövevTa ov/. sioi
^vr]ai{j,aia, ovöe ta vno Ttaidtov xTeivöfxeva. yvvaiyibg
dk cpovevovGr^g ov dal iod-iead^ai.
(16) [eqüix.) IleQi rov tqItov ovquvov.
(ccTtoyiQ.] (Oy TQlrog ovQavbg,€igdv fjQTtäyrjo fxax(XQiogIIavlogj
15 soTii' b XQiTog XQÖTtog Tfjg ^tioQiag rov d-eov. ÜQWTrj yccq
d-eojQia lazivfjccTrb tCov eiy.6vo)v rov d-sov rjyovvTÜv 7tou]f.iaTcov
avTov, y.aS^wg b IlavXog avxbg Xtyei^ bxi ra aÖQara
rov d-eov ocTtb ATiaecog -/.daf-iov öia röJv 7tou]i.idt(ov voov(.ieva
Y.cc&oQärai naq r^^ilv. JEVtiqa larl voeqo. ffvaiy.rj^
20 btav b vovg x^QtCfj kavrbv anb rfjg -d-ewQiag rov y.6ouov
y,ai rü)v rov -/.oai-iov ymI rüv TtqoGTcad-üv rov aw/u-arog
'Aal oXog ivaaxoXfjraL rfj (.iskirj] rCov ^siiov y.al aiöiiüv
y.ara rag VTrorvTicoasig rfjg jciarecog y.al rüv v6f.iiov rov
^eov. Aal roxi, (pwxi^Exat Ix rov d-eiov (fO)r6g
25 Aal xiveg TiqoßXiTtovoiv xa f,isXXovxa log ol :n:QO(pfjxai.
TqLxrj egxIv voeqcc vtveq (pvaiv, öxav b vovg y.axa ^ilrjfxa
^Eov vxpoi^fi Ttqbg artOAaXvipiv Ttqayfxäxtov ^eioxeqojv
Aal ovqavLiov [xai] aTTEq r] (.lEXXovoa ccTtOAaXvipEt rj^iqu xolg
a^loig, Aal tdj) avxa ova ev nlaxEi alX^ kv yvcboEi 'Aal
30 AaxaXrjipEi.
JäX?M xb äXtjS-EOXEQÖv EGxtv hxL xQixog ovqavög
EGxiv, ov Aal jtaqäÖELGOv XEyEt, b E^wxEQiAbg ovqavbg
9 &riQi6ßo(oxos LXXGen. 44, 10, danach Chrys. de Providentia 12, Greg.
Nyss. c fornic. = von wilden Thieren aufgefressen ; hier, durch S^^ioqio-
vBvxa erklärt, nur = von einem Thier getödtet. 13. 14 J^cot. tmoxq. a. R.
14 o rubr. omissum. 15 i7, 19 J, 26 T, 31 A roth. 28 xai
scheint getilgt und ist zu tilgen. 30 xaTa^slxpei, corr. m. 1.
Ein Schreiben dPatr.GennadioB Scholarios a.d. J'iirsten Georg v. Serb. 251
■/.ai reXsvTaiog. tqeIq yccQ doiv ol ovqavoL' '0 %fi7tvQog
riyovv b «/w*' xovg ccotiQag, '0 devTsgog b /.gvoräXlivog
'Iriyovv tu aTsgetof^ia, Tgirog rj ۤ(0 ocpalQa oitov
dvegxovrai ai ifjuxcd tCov ayiiov /.al acp ov /.aTekev-
h oovTcci tv rfj öevTSQa TiaQovoLa. eig zb avakaßelv
rcc ocbfiara ccvaöxiqoöf^iEva töte Yva tEKei(x)d^G)Giv
vvv yccQ ei y.al ct7Colavovot Tfjg ovQavüv f.ia/.aQt6Ti]Tog, \
p. 516 dlV uTSÄelg eiai dia to llXeLneiV avTCJv tcc awf^iaTa.
b yccQ Ixvd^QioTtog ovxi ^vx^] l^iövov eazip,- älkcc ipvx^
10 (.lExa Gi'o(.iaTog, ovöe i^iäTi]v b ^sog Trjv Xoyr/.rjV
ipvyjjv avvedrjaEV (.ietcc aibf.iaTog 'ivcc y^coQLGd-Eloa ci/ta^
firj^ETi Evtod-fi, äXlä öei avTrjv kvwd^fivcti tovtm tvote
yEVO(.iEV<i} d(pi^ccqto) . e/.eI tolvvv eig top tqLtov '/.al te-
kEvralov ovqavbv 'Aal vorjTbv TiaqäÖELOov., kv m eiaiv ol
15 äyyeXoi y.al fj ipvx^ zov Ilavkov fj kiyovoa' ^ETtid^v^ü)
dvaXvoui y.al oiiv Xqigtm Elvai' y.al tCov aXkcDv ayuov
TU 7tvEV{.iaTa, EAEl fjQTtdyr] -rj ipvx^ tov Ilavkov
JiTtOQEl (5t, äqa fXETo. Giü(.iarog r) %w(»tg tov Gijjf.iaTog,
OVX ^l^t VTtOTtTEVEL (.irjTCOTE y.ttl TO Gw/^ia aVTOV TjQTtdyr]
20 (.lETct Tfjg ^pvx^fjg eig tov ovqavöv lyivoiGyE yaq oti tovto
dövvaTov fjv TÖTE, ETtELÖrj Göjfia (pd^oqäg elyßv etl. otuv
de aff&aQTOV yEvrjTat y.al kka^pqbv y.al kafiTcqbv olov ^v
TO TOV Xqlgtov (.lETcc TTjv dvaGTaGtv , TÖTE dvaßrjGETai
yal avxb /.ietcc zrjg ipvxfjg ^ig tbv ovqdvLOV rcagdÖEiGov
25 og EGTLV 0 TÖTiog TÜv f.iayaqLa)v. dkka dTCoqsl, äqdyE rj
ipvx^} ExtoQiG^rj TOV Gio(.iaTog Jtqbg yaiqbv yal dcp^xEV
auTo vEyqbv eiog ov Tidkiv VTteGTqeipe -/.azä ^avfxa t]
E(.iEVEV ivTbg TOV GCüf.iaTog, fjqTtdyrj de '/.al Eig tov ovqavbv
y.al fjv bi-iov Iv Tcp Giojj.aTi (pvoiyiog yal ev tio ovqavCg
3 0 y.aT IviqyELttv, 'iva drcoyakvcpd^fi tcc fxvGTrjqia twv
ovqavCbv Eig wcpEkEiav Tfjg oiyovfiEvr]g, ojtEq egtI (.iel^ov
d-av(.ia TOV TtqoTEqov.
(17) [eqioT.) TL Gt]f,iaivEc vdqöov JciGTiKt] 7tokvTi^ov\
[aTiöy.) Tb Ttakaibv EÖioys Miovofjg tx TEGodqoJV elÖüv yevEG^at,
Tb f-ivqov Tb keyöfÄEVOv TCokvTifiov, o i]kei,(pe Tovg hqEig
1, 2 O, 3 T roth. 17 "rjqnttyei D, corr. m. 1. \% M roth.
33. 34 i^wT. unoxg. a. R. 33 Titel roth. n'iazixT] so hier. 35 EiXr}g)B D.
252 E. von Dobschiitz,
anh /.erpalfjg ecog Ttodüv, tteqI ov keyei b Tiqocpiqrr.g Javiö '
'wgi-ivQor S7tl yf.ecpaXfig rb -/Mtaßalvov srrl Ttcbyojpa' xal rot e^f^g.
Ttai ItiI TovToig eoTTjOsv eTiiarrjfiovag oMiovofjgj rovtovg fxövovg
(Qydtso&aL avrb xa/, rovto sQf^Uivevet rb 7tiOTiy.r]g Tio'kvTiixov
5 xb £^ ercLOTTK^irig örjlordtt yev6f.i£vov. ta de Eidr] elalv
ravza- avS-ovg af^ivQvr]g, Kivdfitoi.iog £VfU(5»yg, 'iQetog
y.aXdixov evibdovg /.al eXatov.
2 nöyLoi'fi D. 4 niaT'ixrjs so hier D. 5 iTuniaTTjfirjs D. 6i]XXovÖti D.
Die beiden ersten Fragen bieten das meiste Interesse als Beitrag
zur Geschichte der serbischen Literatur.
Leider wissen wir nicht genau, welche Commentare Theophylakts
gemeint sind, und welches ßißXiov rov Buv^orcovXov. Man denkt bei
letzterem naturlich zuerst an den vielseitig thätigen Kirchenhistoriker
Nikephoros Kallistos Xanthopoulos ; es gibt aber auch andere Träger
dieses Namens i), besonders könnte das Handbuch der Asketik von den
beiden Brüdern Kallistos und Ignatios Xanthopoulos hier noch in Be-
tracht kommen. Ebensowenig wissen wir, was die Bedenken der Serben
gegen diese Schriften erregt hat.
Bedeutsam ist in der Antwort zunächst der Ausdruck kirchlicher
Approbation, für den aus der orthodoxen Kirche viel weniger Belege
bekannt sind, als aus der abendländischen 2).
Theologisch interessant ist sodann die im ersten Falle beigefügte
Motivirung: 1) Theophylakt bietet fast nichts eigenes, fast nur Väter-
exegese. Es ist das gleiche Princip, das wir mit der grössten Deutlich-
keit bei den Exegeten der karolingischen Periode ausgesprochen finden.
2) Der Mann selbst war ein orthodoxer Kirchenfürst.
Charakteristisch für den Stolz der Griechen, mit dem sie auf die
barbarischen Nationen herabsahen, ist endlich die Art, wie der Patriarch
von den serbischen Uebersetzungen spricht: der Unkenntniss derüeber-
setzer traut er alle Fehler und häretischen Entstellungen zu.
Kenner der serbischen Literatur werden uns sagen können, wie es
um diese Uebersetzungen bestellt ist.
1) S. meinen Artikel Nicephorus Call. Xanth. in Hanck's Real-Encyklo-
pädie 3 XIV 20 f.
2) Ueber den Gebrauch von aTsgyety acquiescere im Sinne von appro-
bare zur Zeit des Florentiner Konzils s. Suicer, Thesaurus s. v.
Ein Schreiben d. Patr. Gennadios Scholarios a. d. Fürsten Georg v. Serb. 253
Zu der Frage über Theopbylakts Commentare gehört auch die 5.
über Judas' Ende und vielleicht die 9. über das heil. Kreuzholz.
Mit der räthselhaften Person des Verräthers hat sich die fromme
Phantasie immer gerne beschäftigt. Die Frage, ob auch er noch hätte
Busse thun und das Heil erlangen können, findet vielfache Beantwortung,
und meist in bejahendem Sinne i). Kedrenos weiss, dass die Apostel ihn
zur Busse ermahnten 2). Sein Selbstmord wird auf eine besondere Ein-
wirkung des Teufels zurückgeführt 3). Andererseits haben einige Exe-
geten, als erster wohl Origenes^), der Reihenfolge bei Matthäus folgend,
angenommen, Judas habe sich noch vor Jesu Tod entleibt, um dem
Herrn im Hades zuvorzukommen und dort seine Verzeihung zu erlangen.
Diese Auffassung wird von Theophylakt in seinem Commentar zu
Matth.275, nachdem er selbst den Selbstmord als dcaf.iovLCodeg und aus
Furcht vor der Schande ^) erklärt hat, als die etlicher Exegeten wenig-
stens angeführt 6). So mag sich die Frage erklären.
1) Leo I. de passione domini s.I 5 MSL 54, 316; Asterios von Amasciaet?
(iBTÜpoiau bei Phot. bibl. c. 271; Eus. Alex. s. XVHI = Ps. Chrys in resurr.
MSG 61, 736 = Sacra parall. frgm. 495 Holl; Christus patiens v. 220 ff. p. 41
Brambs.
2) p. 345 le ed. Bonn, erwähnt auch in ep. 17 des Michael Glykas. (s. u.).
3) Origenes in Joh. tom. XXXII 24, 317 (p.469 Preuschen); Ps. Ignatius
ad Phil. IV p. 2I818 Zahn (vor Jesu Tod!j ; Ephraem Syr. evang. conc. exp.
C.20 p.240 Moesinger; Petrus Comestor hist. scol. evang. 162 MSG 198. 1624 f.
nimmt an, dass der Teufel ihn erst wieder verlassen, und so der dolor die
Ueberhand gewonnen habe, worauf der Teufel wieder bei ihm eingekehrt sei.
*) Origenes in Matth. comm. ser. 117 (V 24 Lomm.): cxistimavit enim (Ju-
das) praevenire in inorte moriturum magistrum et oceurrere ei cum anima
jiuda, ut conßtens et deprecans misericordiam mereretur. Die koptisch erhal-
tenen Akten des Paulus und Andreas wissen aber, dass Judas dieser Plan
misslang: als Christus die Hölle entleerte, wurde er allein zurückgelassen,
nicht wegen des Verrathes — für den hatte er Verzeihung erlangt — , sondern
weil er nachher noch dem Teufel als seinem Herrn gehuldigt hatte (Lipsius,
Apocr. Apostelgesch. I 616;. Aehnliches muss auch Abba Ammonius gelehrt
haben: bei Christi Ankunft seien wie den anderen so auch Judas die Ketten
abgefallen, aber nur die Gläubigen habe Christus mit sich aus dem Hades
hinweggeführt (s. ep. 17 des Michael Glykas).
5) Dies nach Chrysostomus in Matth. hom. XV 5 MSG 57, 230.
ß) Tivig da Xkyovaiv ort b'IovSa; cpiXdoyvoog wi' vneXäfj.ßuyey ort ccvtös
TB XEQ&r]aEi XU ttoyvQccc noo(iovg Xqiazov y.al o Xoiazhg ovx unoxxfcyihi^aBTai,
üAA« (fiu(pvyt] Tovg'IovStciovs ^s no'kXäy.ig tfiicpvyB' xöxB di idiav avxoy xaxa-
xoid^iyic. xal rjdrj xaza&ixfcad-tyxa dno&avelv, fXBtBfJ.B}.T]&r] as xov nQayfxaxos
254 E. von Dobschütz,
Die Antwort des Patriarchen ist oflfenbar bestimmt durch die land-
läufige Harmonisirung der Berichte bei Matthäus (27 3_jo) und in der
Apostelgeschichte (lie— 2o)j wozu dann noch, durch ApoUinaris von Lao-
dicea in die exegetische Tradition eingeführt, die Papiaserzählung tritt i).
Die ersten beiden Berichte lassen sich zeitlich noch eng zusammenrücken :
rupto laqueo putatur post cecidisse et crepuisse — sagt Petrus Comestor
und fügt ausdrücklieh hinzu: nach den einen am gleichen Tag, nach den
andern erst nach der Auferstehung 2). Ein lateinischer Exeget, Hilarius
oder Faustinus oder wer sonst der Verfasser der Quaestiones ist, gesteht
ausdrücklich, den Tag nicht bestimmen zu können ^l. Im Morgenland aber
wirkt bewusstoderunbewusst immer noch die 3.Ueberlieferung mit hinzu
und nöthigt einen längeren Zeitraum zu statniren ^]. Durch diese auch von
Theophylakt gebotene Harmonistik '^) ist auch Gennadius bestimmt, wenn
er sich auch nur auf die Apostelgeschichte beruft. Im Gegensatz dazu
steht der 17. Brief des Michael Glykas an Nektarios, die ausführlichste
nnnßuvxog naq 'öneo vns'Ad/ußai'E. (ho xrd unrjy^aro, \va TtQoXaßtj tov "Irjanvu
tv TCO "Jidri xal IxETBvffag acoTT^Qias^ TEvirjTcci. Vgl. Catena Corderii (Toulouse
1646) zu Mt. 27.5 mit dem Lemma Xqvaoaxonov. Als Meinung von rwis ab-
gelehnt auch bei Michael Glykas ep. 17.
1) Catena Oxon. ad Act. apost. ed. Gramer p. 12 f. Vgl. Patr. apost. opp.
ed. von Gebhardt, Harnack, Zahn I 2, 93 f. ApoUinaris verbindet ausdrück-
lich Mt. und AG. durch Ineßico y.cu9cciQeO-Eis ttqo xov hnonviyi]ri'.i und fügt
dann als Erläuterung zu AG. die Papiasstelle ein. — Ganz vereinzelt steht
die aus Mt. 18 e, geschöpfte Behauptung des Aphraates, Hom. XVII 4, S. 217
Bert, Judas habe sich einen Mühlstein um den Hals gethan und sich ins Meer
gestürzt — wie nahe die Verbindung lag, zeigt Adamantius Dial. I 16 p. 34
V. d. Sande Bakhuyzen.
2) Petrus Comestor bist. scol. evang. c. 162 MSL 198, 1625 (vgl. act. 9
ebd. 1649).
3) Pseudo-Augustin quaest. de Novo et Vet. Test. qu. 94, MSL 35, 2288
(vgl. über den Verf. Bardenhewer Patrol.410): weil man am Sabbath kein
Geld tragen darf!
*) So verbindet schon Ephraem Syr. evang. conc. expos. c. 20 p. 240
Moesinger das laqueo se suspendit Mt. und cecidit et crepuit medius AG. durch
die Annahme, dass der Strick riss ; fügt aber hinzu alii dicunt, Judam portani
o.lausisse et interius obserasse et donec putresceret et totiis venter eins esset dif-
fusus nemo portam domus aperuit ut interiora videret. Christus patiens V. 1429 f.
1693 f. verbindet Mt. und AG.
5) a. a. 0.: nX)^v yc^waxE oxi iS^rjxe fiki' xov xqä)(t]Xoy avxov e<V xijy t<yx^~
rrjv ano SivSqov xivos xqEfxt«Jc<s iavxof, xov (ff Stuö^ov xXi&ifXog tnü^rjaE ....
(paal yao bxc i'oato v&E^ixfi TTEQininxtaxEy . . . (= Papias).
Ein Schreiben d. Patr. Gennadioa Scholarios a. d. Fürsten Georg v. Serb. 255
Erörterung im3erer Frage aus der alten Zeit, die in dem Nachweis
gipfelt, dass Judas iv avrfj rf] dyxöpj] ro rov ßiov rilog Ids^ato i).
Schwieriger ist die 9. Frage: Der Gedanke einer Entrückung des
Kreuzes in den Himmel muthet zunächst an wie eine Reminiscenz an
das Petrus-Evangelium, wo dem aus dem Grabe auferstehenden und gen
Himmel fahrenden Christus ein Kreuz folgt, von dem aus eine Stimme
erschallt 2). Direkter Einfluss des Petrus-Evangeliums ist so gut wie
ausgeschlossen. Vielmehr wird die gleiche Gedankenverbindung mit-
wirken : als das Zeichen des Menschensohnes bei Christi Parusie (Mt.
243q) dachte man sich das Kreuz 3). Vom Himmel her sollte es Christus
voranleuchten. Also musste es zum Himmel entrückt worden sein.
Diesen Schluss zieht ganz direkt Chrysostomus in seiner 2. Rede auf das
Kreuz und den Schacher c. 4*). Die Idee entsprach der Tendenz, die
Himmelfahrt Christi auszudehnen auf die ihm Nächststehenden — daher
auch für Maria eine Himmelfahrt angenommen wurde ^). Sie entsprach
der exaltirten Kreuzesverehrung ^). Vielleicht hängt sie auch antithe-
1) MSG 158, 904: zunächst wird Papias scharf abgelehnt; dann AG. so
mit Mt. harmonisirt, dass der Strick vielleicht nachtraglich gerissen und
der todte Judas herabgestürzt sei, so dass die Eingeweide verschüttet wur-
den. Den Acker habe nicht er, sondern der Hohe Rath gekauft, und nicht
um Judas zu begraben. Als Autoritäten werden noch genannt Chrys. in Matth.
hom. 85, Nilus und Ammonius. Dass diese Briefsammlung Glykas und nicht
Zonaras gehört, s. Krumbacher SB München 1894, 391 ff., LG -^ 383. Woher
dasCitat Joh.Zonarae ep.46 bei J.Monnier la descente aux enfers 186 stammt,
weiss ich nicht.
2) Ev. Petr.39 xcci aiavooi' (ohne Artikel) &xo^ov&ovyTa avxol? (dem von
zwei Engeln begleiteten Christus) ; 42 xal vtckxotj tjxovsto ano rov aravoov.
3) [Elias]-Apocalypse p. 161 Steindorff, Daniel-Apocalypse bei E. Klo-
stermann Analecta 120 no; andere Stellen bei Bousset, Antichrist 154 ff.
■*) MSG 49, 413: ßovXei /nad-elu tkü^ xcd ßuaiXEucg avfxßoXov h axc'.v^6s\
xcel TiüJs OEixyhu zb nQCiyficK iaxiu , ovx ucprjxev uvxoy Eiuai inl X7]s yrjg, aXV
ayianccaey uvxov xal elg rov ovQuvov uvriyaye. nöO-ey SfjXoi' xovxo \
fiEx^ (cvxov uiXXei t^'/^a&ui iv xfj öevxEQa nccoovaU^ — folgt Mt. 24o6— 30. Schon
lange vor Chrysostomus hatte die Sibylle das Kreuz für den Himmel in An-
spruch genommen (Orac. Sib. VI 26 — 28): w ^vXov iL fxc.xcQiaxoy, ecp' tu
^£op ISsxayva&rj, ov^ tgsi ae X^^^i f'^^-' ovqavov nlxou taoipei, r^vixcc ccaxgä-
xp£i{s) xo ffo»', d-EÖg, tfinvQoy buua. Buch VI ist nach Geffken Texte und Unter-
suchungen NF VIII J, 31 f. ein Christus-Lied aus häretischen Kreisen und
wohl älter als das III. Jahrb. Hier wäre also eine Nachwirkung des Petrus-
Evangeliums möglich, die bei Chrysostomus nicht in Betracht kommt.
5) S. Lucius, Anfänge des Heiligenkults 1904, 441 ff., 512 ff.
6) Neben dem Kreuzeszeichen kommen hier die uralten, ursprünglich
256 E. von Dobschütz,
tisch mit katharisch-bogomilischer Abneigung gegen den Kreuzeskult
zusammen
Die kurz und schroff abfertigende Antwort des Patriarchen ist eben
in der Verehrung der Kreuzesreliquien begründet. Wie sollte das Kreuz
zum Himmel entrückt sein, von dem man allenthalben grosse und kleine
Partikeln besass — soviele, sagt Erasmus, dass man ein ganzes Last-
Schiff davon bauen könnte 2). Nicht entrückt, sondern vergraben war
es gewesen, bis die allerfrömmste Kaiserin Helena es wunderbar wieder
auffand 3), eine Thatsache, deren Gedächtniss die Kirche alljährlich am
14. Sept. festlich begingt).
Gennadius würde wohl sehr erschrocken sein, wenn er erfahren
hätte, dass er mit seinem hochfahrenden ovv. otöaot ri XeyovOi keinen
geringeren als seinen berühmtesten Vorgänger auf dem Stuhle des heil.
Andreas abfertigte. Obendrein war damals schon ein anderer Ausweg
gefunden, die Kreuzauffindungslegende mit dem Gedanken der Kreuzes-
entrückung zu vereinigen : nach der Weissagung des Methodius sollte
der letzte christliche Kaiser von Byzanz — und den hatte Gennadius
erlebt! — seine Krone auf das Kreuz niederlegen, die dann zusammen
gen Himmel entrückt werden würden, um Christus bei seiner Wieder-
kunft zu dienen ^).
gnostischen Gedanken von Kreuzeserscheinungen in Betracht: das Licht-
kreuz der Johannesakten 98 fp. 199 Bonnet); ein Kreuz leuchtet voraus bei
der Umweihung eines Tempels zur christlichen Kirche durch die Heiligen
Florus und Laurus, Synaxar. CPolitanum z. 18. Aug. p. 907 Delehaye. Ein
Kreuz hebt den Sarg des Apostels Matthäus aus dem Meer (mart. Matth. 26
p. 255 Bonnet), was sich fast wie eine Illustration zu Ign. ad Eph. 9i liest. —
Alles dies hat nichts mit dem Kreuzholz zu thun.
1) S. Zöckler, Art Neu-Manichäer in Hauck's Real-Encycl. 3 XIII 761.
2) S. Eb. Nestle, de sancta cruce 1889, 126.
3) S. Lucius a.a.O. 165 ff., 505 ff.
*) S. Nilles, Kalendarium manuale I^ 274 f., Synaxarium ecclesiae CPo-
litanae ed. Delehaye p. 43. Die abendländische Kirche trennt die beiden Er-
innerungen : crucis inventio 3. Mai, crucis exaltatio (= Rückbringung des
durch die Perser geraubten Kreuzes durch Heraklios) 14. Sept.
5) Ps. Methodius in den Monumenta ss. patrum orthodoxographa Basel
1569 p. 98: x«t inai' (pnvrj b vlog x^f f(7i(o?.eic(^, aynßtjtrsTcci b ßnailevs xwu
^Pco/^ctibjy, Evd-a knccyr} xb SvXovrov axavQov iy roXyod^ei xal xov ixovaiov inlq
rjfidiv vnsßXTj d^ccvaxov b Ttvqiog tj/^wv 'Ii^aovg X^iaxög, xal aQsl o ßaai'kehs xbjy
"Pojf^atcay xb axi/n/ua avxov xccl kntß^rjaei avxo tni xov axavQou (ed. axqaxbv)
xal txnexäaag xag '/elqas avxov eis xbv ovQavov naQadwaei xrjv ßaaiXeiai' xü>v
Ein Schreiben d. Patr. Gennadios Scholarios a. d. Fürsten Georg v. Serb. 257
Die rein liturgischen Fragen 3. 4. 6. 13; 7. 8. 14 überlasse ich
andern zur Erklärung ^). Sie haben immerbin einiges kulturgeschicht-
liche Interesse zur Charakteristik der sittlichen Zustände in Volk und
Priesterschaft: Völlerei war offenbar sehr verbreitet. Aehnliches In-
teresse haben Frage 12 über das Mönchwerden eines Ehemanns ohne
Einwilligung der Frau, und 15 über den Genuss nicht geschlachteten
Fleisches: in beiden Antworten zeigt sich eine grosse Geringschätzung
der Frau.
Hervorheben möchte ich nur noch die kirchenrechtlich interessante
Frage 10: die Möglichkeit, einen Metropoliten oder Patriarchen zu
weihen für einen Bischofssitz, den er nicht einnehmen kann. Es ist ein
orientalisches Seitenstück zu der abendländischen Praxis, Bischöfe in
partibus infidelium zu weihen. Die orthodoxe Kirche zeigt auch hier
ihre konservative Stimmung, indem sie nur ungern den Grundsatz preis-
gibt, dass der Bischof zu seinem Ort gehört. Die 3 Beispiele zeigen in
lehrreicher Weise den Einfluss der Lateinerzeit auf die griechische
Kirche 2). Beachtung verdient der Gedanke freiwilligen Verzichtes des
niederen Stelleninhabers dicc rb y.oivbv Gvucptoov. Charakteristisch für
die byzantinische Auffassung ist die dem avd-evTr^g rov tottov, dem
weltlichen Herrn, eingeräumte Initiative. Dass nicht nur von Erz-
bischöfen, sondern auch von Patriarchen die Rede ist, wird seine sehr
akute Bedeutung gehabt haben: Pec, der Sitz des 1346 gegründeten
und 1375 vom ökumenischen Stuhl anerkannten serbischen Patriarchats 4)^
war eben an die Türken verloren gegangen. 1459 — 1557 war der ser-
bische Patriarchat dann mit dem älteren bulgarischen von Ochrida ver-
einigt. E. von Dohschiitz.
Xmaiicivöjv joid-eö} xal naioi. y.ui uvaXr,(pd^GtTui o axuv^ogiv tu ovqayw ufia
TW arijuaccTi jov ßccac'/.iws' Siöxi b axavoös, if lo exoefiaad-rj o xvqios 7^u(üy'lT]-
aov; Xoiarhs Siic rt/U Aoivr^v twu itnüvTwv aüirr^qUiv. (cixos fxi'/.).ei cpuipead^cci
iv xft 7iuqovai(c c.vxov tiunqoaS-Eu avxov eis i'/.ty/ov xüu aniaTiay 'loväc.iüiu.
Lat. ibd. 112 und aus Bern. A 9. ed. üsinger, Forschungen zur deutschen Ge-
schichte X 621 ff.; Sackur, Sibyllinische Texte und Forschungen 1898, 93;
Bousset, Antichrist 156 f.
1) Zu Frage 7 sachlich vgl. Anast. Sin. quaest. 100 MSG 89, 752.
~) üeber die Latinität von Kiew hat Loofs in Theo). Stud. und Kritiken
1898, 165 ff. gehandelt; vgl. auch desselben Symbolik I 120 ff.
3) Die bei Krumbacher Gesch. der byz. Litt.- 1095 genannte Spezial-
litteratur ist mir leider unzugänglich.
Archiv für slavische Philologie. XXVII.
258
Eine altbosnisclie slayiscli-griechische Inschrift.
Im Dezember vorigen Jahres soll in Hodbina, einem hercegovini-
scben Dürfe, 10Y2l^°^ ^on Mostar entfernt, beim Setzen von Weinstöcken
in einer ca. 50 — 60cm tiefen, sandigen Schiebt an einer an 30° ge-
böschten Lehne eine ganze beschriebene Bleitafel ausgegraben worden
sein, die leider von den Bauern zerrissen wurde, so dass nur fünf kleine
Stücke davon gerettet werden konnten. Die Angabe aber, dass eine
ganze Bleitafel gefunden worden sei, ist vielleicht nur in dem später
zu erwähnenden Sinne richtig, denn aus den erhaltenen Stücken, bezw.
aus der auf denselben enthaltenen Inschrift muss man sagen, dass we-
nigstens diese fünf Stücke nicht zu einer Bleitafel, sondern zu einem
etwas über 5 cm breiten Blei streifen gehörten. Glücklicherweise ge-
hören die drei kleineren Stücke zusammen und bilden ein zusammen-
hängendes grösseres Fragment von ca. 7 cm Höhe, während es we-
nigstens möglich ist, dass auch die zwei übrigen Stücke, in der
Gesammthöhe von ca. 91/2 cm, einander ergänzen. Nichts sicheres
lässt sich dagegen über das gegenseitige Verhältniss der beiden
auf diese Weise zusammengestellten Fragmente sagen; da aber auf
dem einen der Text ganz sicher zuerst ein griechischer, dann ein
slavischer ist, während das aus den drei kleineren Stücken gebildete
Fragment nur einen slavischen Text enthält, so ist es leicht möglich,
dass das kleinere Fragment die — leider nicht unmittelbare — Fort-
setzung des grösseren bildet. Wir wollen also das aus den zwei grösse-
ren Stücken gebildete Fragment mit I, das andere, aus den drei kleine-
ren Stücken bestehende, mit II bezeichnen, wobei wir uns in Bezug auf
die ursprüngliche Form der vollständigen Inschrift denken können, dass
sie entweder einen längeren ununterbrochenen Streifen bildete oder
aus zwei in der Mitte zusammengefalteten Hälften bestand, somit wirk-
lich eine Tafel bildete. Letzteres ist schon deswegen wahrscheinlicher,
weil der eine Rand auf beiden Fragmenten ziemlich stark beschädigt
ist, während der andere gut erhalten ist, so dass der beschädigte den
äusseren, der gut erhaltene dagegen den inneren Rand einer Doppel-
tafel bilden konnte; jedenfalls gehören dann beide Fragmente zu der-
Eine altbosnische slavisch-griechische Inschrift. 259
selben, nämlicli zur rechten Hälfte, da auf beiden der rechte Rand be-
schädigt ist.
Als ich nun vor einiger Zeit diese Fragmente durch freundliche
Vermittelung des Herrn Dr. Münsterberg, vom hiesigen kunsthistori-
schen Museum, zur Entzifferung bekam, bereiteten sie mir anfangs eine
nicht geringe Ueberraschung : ich sah sogleich ein, dass slavische
Schriftzeichen mir vorlagen, und doch konnte ich nichts Vernünftiges
herablesen, obschon die Schriftzeichen sehr deutlich eingeritzt waren:
ich hatte nämlich zufälligerweise zunächst Fragment I in die Hand ge-
nommen, das zunächst einen griechischen Text darbietet, welcher aber
gewiss von einem Slaven geschrieben worden war. Beide Fragmente
rühren nämlich ganz bestimmt von einer und derselben Hand her
und sind durchwegs in der slavischen Cyrillschrift geschrieben, und
zwar in der Cyrillschrift desjenigen Duktus, der sich allmählich in
Bosnien ausgebildet hatte und zu dessen charakteristischen Merkmalen
das quadratische D (für B), sowie das Zeichen i» (für c-^} gehört. Dass
aber auch der griechische Text ebenfalls von einem Slaven (und nicht
etwa umgekehrt der slavische von einem Griechen!) geschrieben worden
sei, ersieht man daraus, dass auch im griechischen Text die beiden rein
slavischen Zeichen k für den silben- und wortschliessenden Halbvokal,
sowie Ml für die Silbe /m vorkommen.
Was enthalten die beiden Fragmente? Wir wollen zunächst Frag-
ment II durchnehmen, weil hier die Erklärung sicherer ist. Zunächst
gebe ich dasjenige wieder, was gelesen werden kann, wobei zu bemer-
ken ist, dass die Zeilen 6 — 9 so geschrieben sind, dass die 6. und 8. die
linke Hälfte des Streifens, die 7. und 9. dagegen, etwas tiefer als die
6., bezw. 8. stehend, die rechte Hälfte einnehmen; von der ersten Zeile
sind nur die unteren Striche einiger Buchstaben erhalten, welche sich
schwer ergänzen lassen ; am ehesten dürfte im Anfange ein CTa (vielleicht
Abkürzung für CßfTa) gestanden sein. Die weniger sicheren Buch-
staben stehen in runden Klammern, während mit eckigen Klammern
die Stellen bezeichnet sind, wo die Tafel abgebrochen ist, so dass dann
mancher Buchstabe nur zum Theil erhalten und deswegen auch nicht
immer sicher zu ergänzen ist. Bemerkt sei endlich, dass das erste
Stück dieses Fragmentes die 5 ersten Zeilen enthält, doch geht die
Bruchlinie durch die beiden letzten Buchstaben der 5. Zeile, so dass
deren unterer Theil schon auf dem zweiten Stücke sich befindet, wel-
ches den weiteren Text bis Zeile 10 inclusive umfasst, aber wiederum
17*
260 M;. Resetar,
so, dass die Bruchlinie durch diese letzte Zeile geht und den unteren
Theil derselben auf dem dritten Stück lässt.
Zeile 1 [ ] Zeile 8 WTank
2 CHÖTklUI^HpHCTf ) 9 HA PHKaMH
3 MH A «Da1^JAHCT(..) 10 [K]e Wn^OA« CQ^ 36
4 MapkKOMb HMaTH [....] 11 ma8 ^aHEMaUJk w
5 k AiJKOIlilk h[w ] 12 [..]acT HHHa /KHTS[..]
6 (h)uT 13 r hhIhS naiuir' i
7 h3E 1) C0«TH[€..]
Also in Transskription: Zeile i [8cKpk]-2cn8THy (d. i.
uskrs?iutjifn iüT uskrs?m/jem) ^iiHCT[o&H]-^M h •^- (KAHii(MiCT[\i)
4 MapkKOMk H MaTH((M)-5k, A^KOMk, HW[ßaHCM]-6k H T'HI-
CBfTHe[Yk]8 wTank^ tt j^- ßUKAU»^'^ K( wnyoAf CßS 3«-^^MA8
J\,A HEIHaiUk W-^2[k^\J,^cT HH Ha JKHTÖ [HH]13[Ha] hhhS Hall» . .,
und in deutscher Uebersetzung : (etwa: ich beschwöre dich) «bei der
Auferstehung Christi und bei den 4 Evangelisten Markus, Matthäus,
Lukas, Johannes und bei den 318 heiligen Vätern und den 4 Flüssen,
welche die ganze Welt umströmen, dass du keine Macht haben sollst
weder über das Getreide, « — die Lesung, daher auch die Deu-
tung der letzten Zeile, bezw. die Ergänzung des naiuif ist unsicher.
Fragment I besteht — wie schon erwähnt — aus zwei Stücken,
deren Bruchlinie ziemlich gut übereinstimmt, da aber keine durch die
Bruchlinie geth eilten Buchstaben die beiden Stücke sicher vereinigen, so
mag es dahingestellt bleiben, ob sie wirklich zusammengehören. Das
erste Stück umfasst die ersten 7 Linien, das zweite die übrigen; im
ersten ist die erste Zeile nur theilweise erhalten und auch die fünfte ist
durch einen Riss stark beschädigt, immerhin aber noch ziemlich lesbar ;
doch das erste Stück ist jedenfalls besser erhalten als das zweite, wo
manches schwer zu lesen ist. Ich lese also auf Fragment I Folgendes :
1) Dieses ungewöhnliche Zeichen für cyrill. 1 kommt merkwürdigerweise
auch im glagolitischen Alphabet vor, das die bosnisch-bogomilische Hand-
schrift Radosav's enthält (vgl. Archiv XXV, 21. 30); auch eine bukovinische
Handschrift aus dem XVI. Jahrb. mit einigen Zusätzen in glagolitischer
Schrift bietet in den letzteren ebenfalls ein ähnliches Doppelkreuz für cyrill. I
(o. c. 33).
Eine altbosnische slavisch-griechische Inschrift. 261
Z. 1 TS[.... \- [ ] Z, 8 TpHHOCk Mn'aTHCK(T..)
2 WHii HMrapdpk THp[ ] 9 w[t?]okS Kt naHT( )
3 WpbrHHEKh TOp(.Ck)[..] 10 rHWHk aiUlHHIv DC»Ck\-p(H?)
4 K6Hk A"W npOKODH^K») U [T]iW HkCHMk CYHHH(Kk?)
5 M(HHk fJKSpHHk neT(....) 12 (aOfTJH GOAi>(TK )
G TÖapHK» KCHlUHk [A^K) 13 7,<\npH(l\U\Ti{ji, )
7 CJMEraAOMapk 14 Mk^KHOHMk KOHfre?)
15 TKH HEBO H I^EMAS (p . .)
16 [.... npHfHHT.. Da....]
In diesem Fragment sind also wenigstens zwei verschiedene Theile
zu statuiren; der zweite Theil ist slavisch (serbokroatisch) und umfasst
die Zeilen 13 — 16, vielleicht auch Zeile 12, denn das deutlich lesbare
hdcaS könnte sowohl ,und den Willen', als auch ,und dem Ochsen'
sein; sicher slavisch ist der weitere Text, obschon es nicht leicht ist,
den richtigen Zusammenhang zu finden: in Zeile 13 haben wir ein deut-
liches H sanpHSiUTa (oder sanpHtiutia) ,und befiehlt, bezw. ver-
bietet', in Zeile 14 ist vollkommen sicher '<i;HBHtUik koh, so dass das
vorausgehende Mk etwa zu BOrOMk zu ergänzen w<äre, also ,bei Gott
dem lebendigen, welcher..', in Zeile 15 ist endlich sehr deutlich HfKO
H 3EMA^ ,den Himmel und die Erde', weswegen man das vorausgehende
>KH in ^,pk->KH ergänzen möchte, doch die letzten Buchstaben von
Zeile 13 lassen sich nicht so lesen. Obschon nun die Deutung dieser
Zeilen nichts weniger als sicher ist, kann man doch mit voller Bestimmt-
heit behaupten, dass der Text des Fragmentes I von Zeile 13, vielleicht
12 angefangen slavisch ist.
Noch schwieriger ist aber die Deutung des ersten Theiles dieses
Fragmentes, obschon es sicher zu sein scheint, dass der Text hier durch-
wegs griechisch ist. So sind sicher griechisch die Zeilen 8 — 10, welche
den Anfang des zweiten Stückes dieses Fragmentes bilden: -d^Qf^vog
(.iSTCi zr^g S-EOTÖ'/,ov '/.ai TtavTiov ayicov ai-iriv, was nach neugriechi-
scher Aussprache und in slavischer Cyrillschrift (also ohne d-, dafüi
aber mit dem wortschliessenden h) eben ergibt: TpHHOCk UiTA THCk
TfOTOKÖ KE naHT[WHk aJPHWHk aMHHk. Dagegen ist der übrige
Text in diesem nichtslavischen Theil schwer zu erklären. Ich habe mich
diesbezüglich an Krumbacher gewendet, der die Liebenswürdigkeit
hatte, eine Erklärung für die Worte DOCkYp[H r]tw nHCkHkC^HH in
262 M. Eesetar,
Zeile 10 — 12 mitzutheilen ; er liest sie folgeudermasseu : Ttiog yor^ S-£(p
■TCOLGEiv ia/vp, so dass Zeile 8 — 12 den Sinn geben würden: >' Klage.
Mit der Muttergottes und allen Heiligen. Amen. "Wie man durch Gott
Stärke machen muss . . . .« Krumbacher selbst findet allerdings die
Erklärung des zweiten Satzes sehr unsicher, weil man dabei annehmen
müsste, dass für Ttiög DOCk anstatt fiOCk und dann, weil iu ttoigbiv
und löyvv je einmal K für h stehen sollte. Zur Bekräftigung der Er-
klärung Krumbacher's kann ich aber anführen, dass auch in Frag-
ment II höchst wahrscheinlich einmal k für H vorkommt , nämlich in
dem CHSTkM der zweiten Zeile, das ich zu ScKpkCHÖTHn ergänze, wie
denn überhaupt der Schreiber kein aufmerksamer gewesen zu sein
scheint, denn er hat sicher den Fehler \'HpHCT.. für YpHCT..., dann
eßalsfAHCTH für EBaHh'hEAHCTH und vielleicht noch manchen, beson-
ders im griechischen Theil begangen, dem eben die Schwierigkeit bei
der Erklärung der Inschrift zuzuschreiben ist. Was aber in den Zeilen
1 — 7 stecken mag, darüber ist auch Krumbacher im unklaren, der
allerdings nicht das Original, sondern bloss eine nicht sehr gute Photo-
graphie und meine Abschrift in den Händen hatte ; letztere war aber
insofern ein gutes Hilfsmittel, als gerade in diesem Theile die Inschrift
sehr deutlich ist, somit ein Zweifel über das Geschriebene fast ausge-
schlossen ist. Nur eines scheint sicher zu sein, dass wir es auch in die-
sem Theile mit einem griechischen Text zu thun haben ; so könnten wir
haben: in Z. 3 ein dqyriv, in Z. 4 ein TTQoy.OTtiov (wiederum mit n für
tt!), in Z. 6 ein tov Jlqiov^ dann vielleicht dö^u und in Z. 7 irgend
eine Form von i.isyaXof.i(XQTVQ (der heil. Prokopios war eben ein f.ie-
ya?^OfidQrvQ\). Uebrigens ist auch die Möglichkeit nicht ausgeschlos-
sen, dass wir es mit einer zusammenhangloseu Folge griechischer Worte
zu thun haben, welche — vielleicht zum Theil unrichtig wiedergegeben
— nur dazu dienen sollten, die Zauberkraft der Beschwörung zu er-
höhen, was bekanntlich sehr oft geschieht ^).
Wenn auch also die Inschrift, besonders in ihrem griechischen
1) So kommen in einem Gebete aus einem serbischen Eitual vom J. 1423
vor dem Segen die Worte xiiHeHEumci». MäHTnct vor (belTichonravov. IlaMHi-
HUKu OTpe^eHH. pyccK. .lUTepar. II, 357); vgl. auch die lange Reihe willkürlich
gebildeter Worte, theilweise mit griechischem Habitus, in einem Gebete
gegen rasende Hunde und Wölfe (Starine X, 278): captcapt, *apB*apB, sHea,
BUÄiH, cajiarapbi, CMrj;a, rocurÄC*!., Meptrapu, *api>, raiepu, ra.iBMese.m, MHa-
MecaJU, ÄHKL.
Eine altbosnische slavisch-griechische Inschrift. 263
Theil, schwer zu erklären ist, kann mau doch mit ziemlicher Sicherheit
sagen, dass uns eine Beschwörungsformel vorliegt; der Zweck derselben
ist bei dem Zustande, in welchem Fragment 11 sich befindet, bezw. bei
der schweren Deutung von Fragment I nicht leicht festzustellen : nach
dem slavischen Theil, wo der Passus vorkommt, dass »du keine Macht
weder über das Getreide haben sollst noch ...» zu urtheilen, könnte
man vermuthen, dass die Beschwörung vielleicht gegen denjenigen ge-
richtet war, der gesetzwidrig den Besitz des betreffenden Feldes sich
aneignen würde, oder gegen den bösen Geist, der den Feldfrüchteu
schaden könnte ; dagegen wäre die Inschrift, wenn die Deutung Krum-
bacher's richtig ist, eher als ein allerdings sehr unbequemes Amulet zu
betrachten, das am Leibe getragen werden sollte, um dem Besitzer Kraft
zu verleihen. Die Schwierigkeit in der Deutung des eigentlichen
Zweckes dieser Inschrift wird dadurch erhöht, dass wir im Slavischen
keine passenden Parallelstücke haben, nach welchen eben die Inschrift
ergänzt und so auch deren Zweck richtig gedeutet werden könnte ; we-
nigstens konnte ich keine ähnliche Zauberformel in der mir bekannten
Literatur finden : inhaltlich steht dem Fragment II noch am nächsten
ein Gebet in Starine X (S. 277), um die Feldfrüchte vor jeder »teuf-
lischen Macht« zu schützen.
Wenn uns auch der direkte Zweck dieser Inschrift nicht genau be-
kannt ist, so können wir um so sicherer sagen, wo sie entstanden ist:
ganz sicher in Bosnien (im weiteren, bezw. älteren Sinne des Wortes,
also die Hercegovina, wo sie gefunden wurde, mit inbegriffen), denn der
Duktus der Cyrillschrift ist entschieden bosnisch zu nennen und erinnert
stark an die Cyrillschrift der altbosnischen steinernen Grabinschriften :
übrigens genügt schon das Vorkommen des ti, um dies zu beweisen. Für
den bosnischen Ursprung spricht auch der weitere Umstand, dass für ur-
slav. ^ zweimal ein je {3anpHei|ja Fragm. I,Z. 13, cc6THe\'k Fragm.II,
Z. 7) und einmal ein i vorkommt (pHK<.\MH Fragm. II, Z. 9), da die
Mischung dieser beiden Aussprachen eben in Bosnien am häufigsten
vorkommt. Wir können auch sagen, aus welcher Zeit ungefähr die In-
schrift stammt: nach der Schrift zu urtheilen, dürfte sie ins XV. Jahrh.
gehören. Fast gar nichts lässt sich dagegen über denjenigen sagen, der
die Inschrift auf der Bleitafel eingeritzt hat; jedenfalls muss er aber
ein »Gebildeter« gewesen sein, d. i. einer, der der Kunst des Schreibens
und Lesens mächtig war, weil die Schrift von einer sicheren Hand
zeugt, die ohne Zögern die Messerspitze führte, somit auch einen indivi-
264 M. Eesetar, Eine altbosnische slav.-griech. Inschrift.
duellen Charakter verräth ; ich glaube daher nicht, dass etwa ein Hand-
werker nach einer ihm gegebenen Vorlage die Tafel beschrieben habe.
Wenn aber die Inschrift ins XV. Jahrb. gehört, so möchten wir gerne
wissen, ob sie von einem orthodoxen Christen oder von einem Bogumilen
herrührt. Leider lässt sie uns auch in Bezug auf diesen Punkt im
Stiche, doch möchte ich eher sagen, dass der Schreiber kein Bogumile
war; schon der Umstand, dass der Text auch griechisch ist, scheint da-
für zu sprechen, denn die Bogumilen waren keine »Gelehrten«, welche
mit dem Griechischen hätten paradiren wollen, es sei denn, dass mau
— wie gesagt — gerade die unverstandene Sprache zur Erhöhung der
Kraft der Zauberformel verwendet habe ; aber auch die Anrufung der
»318 heiligen Väter« (es sind die Theilnehmer an der ersten allgemeinen
Kirchenversammlung von Nikäa vom J. 325 gemeint) würde in einer
bogumilischen Beschwörungsformel kaum vorkommen, da die Bogumilen
die Autorität der organisirten Kirche nicht anerkannten; und wenn da-
neben auch ,die vier die ganze Erde umkreisenden Ströme' ^] angerufen
werden, so ist das ein Satz der mittelalterlichen Geographie, der auf
die biblische Erzählung (Genesis II, 10 — 14} zurückgeht und nicht
etwa mit irgend einem spezifisch slavischen Glauben oder Aberglauben,
als deren treueste Hüter und emsige Vertreter die Bogumilen gelten, in
Verbindung steht. Trotzdem also die vorliegende Inschrift nur zum
Theil gedeutet werden kann, hat sie einen nicht geringen Werth, weil
sie — so viel ich weiss — die erste zweisprachige Inschrift dieser Art
ist, und dann auch deswegen, weil relativ so umfangreiche Inschriften
auf Metall bis jetzt auf südslavischem Boden nicht gefunden wurden.
Dass das Material speziell Blei ist, hat wohl keine weitere Bedeutung,
denn bei dem relativ jungen Alter der Inschrift ist wohl kaum daran zu
denken, dass bei der Wahl des Materials die altchristliche Abneigung
gegen dieses Metall hätte massgebend sein sollen.
1) Bei Tichonravov, op. cit. II, 357, werden iu einem Gebete die vier
Ströme bei Namen genannt: eucoHi.,. rewut, Turpt, e^paix.
Wien, I.März IS 05. M. Resetar.
265
Polnische Glossen aus dem Anfang des XV. Jahrh.
Im Przemysler Stadtarchiv wird unter Nr. 248 ein Papiercodex
aufbewahrt, welcher, der Schrift nach zu urtheilen, nicht später als zu
Anfang des XV. Jahrh. zu Stande kam. Er enthält lauter juristische
Materien, worunter auf Bl. 162^ — 163^ auch ein kleines juristisches
Vademecum, das von dem Verfasser desselben, höchst wahrscheinlich
einem städtischen Schreiber polnischer Nationalität, mit der Ueber-
schrift: «Vocabula juris provincialis et feodalis« versehen wurde. Nun
lässt sich zwar nicht behaupten, dass dieser Arbeit ein bemerkens-
wertheres sachliches Interesse zukäme, aber in sprachlicher Beziehung
ist sie insofern von Belang, als sich in ihr auch einzelne polnische
Glossen finden, die verdienen, bekannt zu werden. Ich gebe sie, um
den Sinn und die Bedeutung derselben um so wirksamer hervortreten
zu lassen, genau in dem Zusammenhange wieder, in welchem sie in der
Handschrift selbst erscheinen. Es sind die folgenden :
Bannum regium poicxjatli krolewfky (= poiät krölevski).
ludicium formatum gayony fiand (= gaj'ony sod).
Interdictum regium zapowyedz kroleiofka (= zapovedz kro-
levska).
Talentum, i. e. marca, alias grzywna (= gryvna).
Vasallus, i. e. seruus, alias poßel [■= posei).
Vsurpat, alias pofianda (= pozoda).
e
Tutor et mundiburdius i) dicitur mwffer, zachoczcza (= zachocca)
uel opyekadlnyk (= opekadlnik).
Pi'olocutor, procurator moiocza (= movca).
Pugil rzecznyk (=^ rec/iik) 2).
Interlocutorium poradzenye (= poradzene).
Noxa, alias przezgrzefche (= prezgrese).
ij Hängt nach Brinckmeier (Glossarium diplom.) mit deutschem »Mund-
wart« zusammen.
-j Sonst verstand man unter »pugil« (vgl. Du Gange, Brinckmeier u. a.)
denjenigen, der für Andere mit Brachialgewalt eintrat.
266 Kaluzniackl,
Verandus ^) zachodzcza (== zacJiodzca) mqX ßlupcza (== slupca).
Pena vy7ia '.== vina).
Emenda ^JOCM^ [= pokup).
Solidus duo significat: primo est firmus; alio modo dicitur dena-
rius, continens in se XII parvos schel^g (= selgg).
Recompensa glowa {= glova)^ zaplatha (= zapiata) uel satis-
dacio. — *Recompensa XVIII talenta facit et quodlibet talentum XXX
solidos*.
Turpiloquium tiarzeczenye czczy (= narecene cci).
Alloqucio dothyknyenye czczy {= dotyknene cci).
QiO-aüicivi?, ffwada [-= zvada).
Municipale jus powyfcJione prawo (= 2>ovyso7ie pravo).
Arbitrium, voluntas, consensus, wulgariter wffala {=ufaia), ivola
(= vola).
Conventus, i. e. concilium gromada myefka (= gromada meska).
Tres sclauonicas marcas sloicyenfkye grzywny (= sloienske
gryvny)^ que faciunt XXXVI solidos. Solidus hie valet XII alenses
comunis pecunie szelapg (= selog).
Decreta, alias wstawy (= ustavy).
Comunitas gmyn myefczky (= gmi7i mescki).
Emendare pokupycz (= pokupic) .
Agare konacz prawem {= konac pravem) .
Fforo infronito na loyxoolanem targu {= na mjvolanem targu). —
*Fforo infronito, i. e. edicto publico inter quatuor angulos ciuitatis,
scilicet illo arbitrio, quod ipsa comunitas cum senioribus statuit de con-
sensu sue comunitatis*.
Seutencia, i. e. diffinitiva oi'tel.
Talentum rubel et facit XX grosses argenti puri in sua suma in
hoc loco.
Fferiatus dies dicitur domiuicus dies; celebris dies naroczytlii
dzen (= narocyty dien].
Legale impedimentum Jprawyedlyice przegahanye (= spraied-
live pregahane\.
Struprum odleganyo dzewftwa (= odlegane dzevstva).
1) Man würde hier eher »varantus« in der Bedeutung von Gwarant er-
warten. Uebrigens hängen beide Formen mit dem mittellateinischen weren-
dare (= wehren, vertheidigen) zusammen.
Polnische Glossen aus dem Anfang des XV. Jahrh. 267
Obsidia zafchadzenya (= zasadzena).
Irruencia domiciliorum xoderzeMjc na dorn (= uderene na dorn),
gtcalth f= gcalt).
Ffeodatus, i.e. hereditarius; inde feodum, i.e. domus fchyedlyfko
[= sedlisko).
Contubernium Jcupczy ßclad (= kupcy skiad), uel gromoda
!= gromäda). '
Resignacio zvfdange (= vzdane).
Investitura xoyxoyedzenye (= vyvedzene).
Qiierimonia zaloha (= zaJoba).
Arma bellica -woyena fbroya (= voj'ena zhroj'a).
Scutum bellicum tvoyenne fczyt alho tarcza (= vojenne scyt albo
tarca).
Manifestum factum lycze (= lice) uel yaicny wczynyk [=^ javny
ucynyk).
Colloquium xoyecze (= iece)^ uel poradzenye (== poradzene).
ActOY poivod (= povöd) aut gyjczecz {=jiscec).
Succumbit przepadl icyna (= prepadi vine).
Ffoedus Wohle panftioo (= volne panstvo) uel icolne dobre
!= volne dobre).
Depactacio rugowanye (= rugovane).
Publica fiscata yawna zaftawa {=^Javna zastava)', ffiscacio 2;«-
stawa (== zastava] aut zaklad (= zaklad).
Parafarnalia oczczyfthy pofiag [= occysty posag).
Arestatus wztrzymany (= vstrymany).
Simulacio przymylenye (== prymilehe).
Vargelth (= vargelt) emenda idem sunt.
Lozu7iga i. e. contribucio.
Neptimus uel vanus i) przeßkofcli [= preskos., beziehungsweise
preskos ) .
Homincus (sie!) paralyfien zabythi [^= piaTalizen zabity).
Satisdacio, i. e. defensio, wulgariter gica7' (= gvar), zaflubyenye
(= zaslubene) pro aliquo.
Omagium, i. e. obsequium regibns halderzfthwo (= Jialderstvo).
Ueberblickt man nun die vorstehend abgedruckten polnischen Aus-
1) Dürfte für mittellateinisches vanius in der Bedeutung von vagus
(= Landstreicher, Vagabund) stehen.
268 Kaluzniacki.
drücke, so wird man einräumen müssen, dass mehrere derselben hier
überhaupt zum ersten Male erscheinen. Es sind dies : dzevsttw, hal-
derstvo^ lozunga^ odlegane, poradzene, pregabane, preskos, bezw,
preskoS^ prezgrese^ slupca, vece und vzdane. Aber auch Ausdrücke,
wie: dotyknene^ glova^Jiscec^ lice^ movca^ nar ebene (sei. cci\ posel.
povät, pozodatie, povysone pravo, prymilene, ruhel^ rugovane^ sedli-
sko, tideretle, ufala^ volne panstvo, vstrymanij^ vyvedzerie^ zakiad^
zasadzene^ zasluhene und zastava^ dürfen, sofern sie in unserer Vor-
lage andere als die ihnen sonst zukommenden Bedeutungen bieten, sehr
wohl noch als eine nicht unerwünschte Bereicherung des altpolnischen
Wörterbuchs, zumal nach der juristischen Seite hin, angesehen werden.
Der Rest bietet zu besonderen Bemerkungen keinen Anlass.
In orthographischer Beziehung stellen die in Rede stehenden pol-
nischen Ausdrücke den Uebergang von der alten zu der neueren, im
XV. Jahrh. üblichen Schreibung dar. Demgemäss wird darin o einmal
noch durch ^, sonst aber durch an und ap ; A-, im Worte pocup, einmal
noch durch c, sonst aber durch k\ j in der Regel durch 3/, vor einem /
jedoch durch ^; w im Anlaute regelmässig durch iv, im Inlaute durch
u\ V m der Regel durch w, seltener durch v wiedergegeben u. s. w. In
einigen dieser Schreibungen tritt übrigens ausnahmsweise auch das laut-
gesetzliche Moment in die Erscheinung. So wird ä im Worte gromoda
in Gemässheit der wirklichen Aussprache durch 0 ; h vor c im Worte
ßlu/;cza durch p und dz im Worte zachof.3;cza durch c; m im Worte
paralyßew (instr. sg. m. g.) durch 71 vertreten. In Anbetracht des Um-
standes, dass Szczerbic, Skarga, Wujek u. a. regelmässig opiekalnik
schreiben i) , überrascht ferner auch die Schreibung opyeka6?/nik da-
durch, dass sie noch die Lautgruppe dl bietet. Dies beweist uns also,
dass die lautgesetzliche Berechtigung dieser Lautgruppe im Polnischen
zu der Zeit, als die »Vocabula« entstanden, ungleich intensiver empfun-
den wurde als später. Schliesslich auch Schreibungen, wie : wczynyk,
na wywolanem targu und woyenne fczyth sind insoferne von Bedeutung,
als der Wechsel zwischen e und y eine Spracheigenthümlichkeit dar-
stellt, der man in Ostgalizien auch heute noch bei sehr vielen Personen
begegnen kann.
1) Belege bei Linde unter dem Stichworte : opieka.
Kaluzniacki.
269
Die Zeitreclmune; und die Monatsnamen der Hnznlen.
Wenngleich die auf die Huzulen bezügliche Literatur seit meiner
letzten Notiz darüber ^) durch so ausführliche Schilderungen, wie die-
jenigen von B. Kozariscuk2)j R. F. Kaindl^) und VI. Suchevyc*) eine
namhafte Förderung erfuhr, kann man in unmittelbarem Verkehre mit
ihnen manches Detail kennen lernen, wodurch das von diesen Sammlern
Mitgetheilte hier und da berichtigt, eventuell ergänzt werden kann. Ein
Detail dieser letzteren Art ist nun beispielsweise auch das nachfolgend
zur Sprache gebrachte. Es betrifft die Zeitrechnung und die Monats-
namen der Huzulen und bedarf, um klargestellt zu werden, nur einiger
weniger Bemerkungen.
1) Archiv f. slav. Phil. XI, S. 625—626, Anm.
2) Ich habe hier selbstverständlich in erster Linie die hübsche Skizze
im 'Sinne, die dieser Schriftsteller in der «HayKa« pro 1889 und 1891 unter
dem Titel: »Hs'i öyKOB. KapnaxcKuxi, ropt« veröffentlichte. Allein auch die
übrigen Mittheilungen Kozariscuk's, die er in den weiteren Jahrgängen der
«HayKa« und zum Theile auch in den »EyKOB. BiaoMOCTU« (1895 — 1S99) zum
Abdruck brachte, sind nicht ohne Interesse. Sie wären noch verdienstlicher,
wenn Kozariscuk sich hätte angelegen sein lassen, auch den dialektischen
Eigenthümlichkeiten seiner Materialien die gebührende Eechnung zu tragen.
3) Ein vollständiges Verzeichniss der hierher gehörigen Arbeiten Kaiudl's
sammt Würdigung derselben ist in den «SanucKu« der Sevcenko-Gesellschaft
in Lemberg, Bd. XI, XXI und XLI, sowie im «Lud« IV, S. 95 ff. zu finden.
*) Ich verweise speciell auf seine mit recht vielem Fleisse und zwei-
felloser Sachkenntniss geschriebene »ryuy.itmuua«, von der zur Zeit der
Einreichung dieses Artikels bereits der ganze erste und das erste Volumen
des zweiten Theils erschienen waren. Ausfuhrliche Besprechung des Werkes
in der Zeitschrift f. österr. Volksk. VIII, S. 201 ff. Den hier enthaltenen,
durchwegs sehr zutreffenden Bemerkungen Franko's möcht' ich meinerseits
nur noch hinzufügen, dass es von Such, kaum richtig war, der Ansicht
Pol's, wonach uns in den Huzulen »mit voller Kraft der noch unverwischte
slav. Typus entgegentrete«, so ohne weiteres zuzustimmen. Es ist offenbar,
dass ihm die einschlägige Partie in der Abhandlung Miklosich's: »Ueber die
Wanderungen der Rumunen in den dalmat. Alpen und den Karpathen« (Denk-
schriften der Wiener A. d.W., Bd. XXX) ganz fremd geblieben war.
270 Kaluzniacki,
Wie von den übrigen, in ihrer Mehrheit leider noch immer schrift-
unkundigen Angehörigen des kleinrussischen Volksstammes, so wird die
Zeit in der kalendermässigen Bedeutung dieses Wortes ^j auch von den
Huzulen in der Regel nach den unbeweglichen Kirchenfesten, die sie in
Folge alljährlich sich erneuernder üebung sehr genau, selbst hinsicht-
lich der Zahl der zwischen den einzelnen Festen liegenden Wochen und
Tage kennen, berechnet. Es war, oder es geschah dies — sagen sie —
zwei, drei Wochen vor, beziehungsweise nach den Weihnachten. —
Am Tage des heil. Nikolaus, des winterlichen (6. December a. St.), wer-
den es genau vier Jahre sein, als die grosse Feuersbrunst unser Dorf
vernichtete. — Weihnachten waren, das wisst ihr, heute zwei Wochen.
Also haben wir bis zu den drei Hierarchen (30. Jänner a. St.) noch
ganze drei Wochen und bis Christi Darstellung (2. Februar a. St.) noch
drei Wochen und drei Tage. — Gott sei Lob, dass wir bei Onuphri
(12. Juni a. St.) sind. In fünf Wochen und drei Tagen ist Elias, und
da dürfen wir bereits die neuen Erdäpfel essen. — Es gibt drei Paare
von Feiertagen, die um fünf Wochen und drei Tage, und weitere drei
Paare, die um zwei Wochen weniger zwei Tage von einander difieriren.
Die ersten drei Paare sind: Weihnacht und Christi Darstellung; Onu-
phrius und Elias; Peter und Christi Verklärung. Die anderen drei
Paare: Onuphrius und der Kräuteriwan (d. i. Johannis Geburt ; Demeter
und Michael; Michael und Maria Opferung oder Einführung. — Wir
Rusnaken unterscheiden Frühjahrs-, Sommer-, Herbst- und Winter-
feiertage. Frühjahrsfeiertage sind, die zwischen dem warmen Olexa
(17. März a. St.) und dem Kräuteriwan (24. Juni a. St.); Sommerfeier-
tage, die zwischen dem Kräuteriwan und der Erhöhung des heil. Kreuzes
(14. September a. St.); Herbstfeiertage, die zwischen der Erhöhung des
heil. Kreuzes und Maria Opferung oder Einführung (21. Nov. a. St.);
Winterfeiertage, die zwischen Maria Opferung und dem warmen Olexa
liegen. — Ach, hätten wir nur einmal Maria Schutz (1. October a. St.!
hinter uns, dann hätten auch unsere schwersten Arbeiten ein Ende u.s. w.
Neben dieser, dem Kirchenkalender angepassten, gibt es aber bei
den Huzulen auch noch eine andere, sich mehr an den bürgerlichen
1) Ich mache hier absichtlich diesen Vorbehalt, weil es bei den Huzulen
auch zahlreiche Ueberreste der primitiven, durch kalendarische Rücksichten
noch nicht beeinflussten Zeitrechnung gibt. Nachdem jedoch diese Ueber-
reste zu besondern Bemerkungen keinen Aulass bieten, so wurden sie hier
nicht weiter berücksichtisrt.
Die Zeitrechnung und die Monatsnamen der Huzulen. 271
Kalender anschliessende und, was das Auffallendste ist, den übrigen
Kleinrussen in gleichem Umfange nicht geläufige Art, die Zeit zu fixiren.
Denn, während die Kenntniss des bürgerlichen Kalenders sich bei dem
Gros der Kleinrnssen meist darauf beschränkt, dass sie wissen, dass das
Jahr aus vier Quartalen, beziehungsweise aus zwölf Monaten besteht,
geht aus den Auskünften, die ich in Sadeu, Mareniceni, Seletin, Wy-
zenka und anderen, von mir persönlich aufgesuchten huzulischen Ort-
schaften der Bukowina auf meine bezüglichen Anfragen grhalten habe,
hervor, dass die Huzulen auch die Anzahl der auf jeden Monat ent-
fallenden Tage anzugeben im Stande sind. Allerdings sind diese ihre
Angaben mit den kalendermässigen, präciser: mit den gegenwärtig als
kalendermässig geltenden Zahlen insofern nicht im Einklänge, als sie
sich die ersten 11 Monate gleichmässig aus je 30, den letzten aus 33,
hiermit das Jahr aus zusammen 363 Tagen bestehend i) denken. Als
der erste Monat im Jahre gilt ihnen der April 2), als der letzte und
längste der März.
Beachtenswerth sind übrigens in gewisser Hinsicht auch die Mo-
natsnamen der Huzulen. So heisst bei ihnen der April, mit dem sie,
wie soeben erwähnt wurde, das Jahr beginnen, herezenj^ der Mai tra-
venj\ der Juni Ixnylenj oder zeh)ij\ der Juli hydzenj^ der August hi-
1) Wieso die Huzulen zu vorstehenden Zahlen gelangt sind, ist freilich
eine Frage, die nicht so einfach beantwortet werden kann. Am nächsten läge
wohl anzunehmen, dass sie sich dieselben auf Grund des geltenden Kalenders
selbst zurechtlegten. Da es ihnen schwer fallen mochte, sich zu merken,
welchen Monaten 30, welchen 31 und welchem 2S, beziehungsweise 29 Tage
zukommen, so gingen sie dieser Schwierigkeit eventuell in der Weise aus dem
Wege, dass sie lauter 30-tägige Monate gelten Hessen und den Ueberschuss
dem letzten Monat zuwiesen. Wenn aber erwogen wird, dass auch der alte
babylonische und ebenso der alte iranische Kalender nur lauter 30-tägige
Monate kannten und die Ausgleichung mit der wirkliehen Dauer des Sonnen-
jahres annähernd durch Schaltvorrichtungen bewirkten, so Hesse sich sehr
wohl auch der Fall denken, dass die Huzulen hierin irgend einer älteren
Ueberlieferung folgten, die sich im Südosten Europas, woher sie gekommen
zu sein scheinen, auch dann noch gehalten haben konnte, als christliche
Staaten und Kirchen bereits den durch Julius Cäsar mit Beihilfe des alexan-
drinischen Gelehrten Sosigenes reformirten römischen Kalender annahmen.
-) Auch Dienstboten- und andere Verträge werden von den Huzulen
nicht, wie sonst bei den Kleinrussen, von Weihnacht zu Weihnacht, sondern
von April zu April oder genauer: von dem einen Georgstage zu dem anderen
abgeschlossen.
272 Kaluzniacki,
ienj^ aber auch Jiopenj\ der September zoidenj ^ der October pado-
iyst, der November hrudenj\ der December prosynec, der Jäuner si-
cenj pervyj\ der Februar sicenj druhyj, aber auch lutyj\ der März
marot ^). Was nun au diesen Monatsnamen zunächst auffällt, ist, dass
sie mit Ausnahme desjenigen für den Monat März, der römische Pro-
venienz bekundet, durchaus slavischen Ursprungs sind. Ferner ver-
dient bemerkt zu werden, dass einige derselben andere, und zwar theils
spätere, theils frühere Zeitabschnitte 2j bezeichnen als bei den übrigen
Kleinrussen. Zu den Monatsnamen der ersteren Art gehören : herezenj
und t7'avenj\ zu denen der anderen Art : zotdenj\ padolyst und hru-
de7ij. Mehrere dieser Monatsnamen, so namentlich: hnyhnj\ bilenj
und kopenj\ nehmen unsere Aufmerksamkeit auch dadurch in An-
spruch, dass sie den übrigen Slaven, die Kleinrussen mit inbegriffen 3).
nicht bekannt sind: wenigstens wissen die bis jetzt erschienenen Ver-
zeichnisse slavischer Monatsnamen, unter denen die einschlägige Schrift
Miklosich's (Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften,
Bd. XVII) obenan steht, nichts davon. Es liegt auf der Hand, dass der
erste dieser Namen mit Thema gnüu in der Bedeutung faul, fäulniss-
erregend, der andere mit Thema b&lü in der Bedeutung weiss, weiss-
lich, der dritte mit Thema kopa in der Bedeutung Schock, hier speciell
Schock Garben, zusammenhängt. Mnylenj würde sonach obiger Ab-
leitung zufolge den Monat bedeuten, der wegen der um diese Zeit herr-
schenden feuchten Wärme die Fäulniss begünstigt; hiienj den Monat,
der in Folge des sich damals vollziehenden Reifeprocesses den Saaten
1) Kaindl, Die Huzulen, S. 98 schreibt statt dessen minder richtig: tra-
loyn, zelyii, bedzyn^hopyn^ zouty, padohst, hmdyn,prosenyc, siczyi'tperivyj, siczyii
druhyj, berezyn. Die Nameu : hnytenj, hiienj und lutyj sind ihm überhaupt
unbekannt geblieben.
2) Es wäre aber gefehlt, wollte man hieraus den Schluss ziehen, dass
diese Verschiebung erst von den Huzulen etwa zu dem Zwecke vorgenommen
wurde, um die Monatsnamen in üebereinstimmung mit den in ihren gegen-
wärtigen Wohnsitzen henacheuden klimatischen Verhältnissen zu bringen.
Wie zahlreiche kirchenslav. Denkmäler bekunden, waren die in Eede stehen-
den Monatsnamen in der ihnen gegenwärtig bei den Huzulen zukommenden
Bedeutung seinerzeit auch den Südslaven und insbesondere den Bulgaren
geläufig. Die Huzulen sind also auch hierin nur irgend einer älteren Ueber-
lieferung gefolgt.
3j Speciell den Kleinrussen ist auch der Name prosynec nicht geläufig.
Die Sonnwendlieder der westgalizischen Kleinrussen. 273
ein weisslicbe3 Aussehen verleiht; /i;oy>e;{;" hingegen den Monat, der.die
Felder mit schockweise geschichteten Garbenhaufen bedeckt.
In sprachwissenschaftlicher Beziehung wäre hervorzuheben, dass
alle huzulischen Monatsnamen mit Ausnahme derer für October und
December und des entlehnten marot mittelst des Suffixes enj (= mij-b]
gebildet sind. Kaluzniacki.
Die SomiAveiidlieder der westgalizisclieE Kleinrnssen.
Es dürfte einigermassen auffallen, dass ich die Sonnwendlieder
der westgalizischen Kleinrussen aus der Gesammtheit derartiger Lieder
heraushebe und selbe als eine besondere Gruppe behandle. Selbstredend
habe ich meine guten Gründe hierfür. Schon der Umstand, dass die
westgalizischen Kleinrussen ihre Sonnwendlieder nach einer eigen-
artigen, den ostwärts wohnenden Volksgenossen nicht geläufigen Melodie
singen und auch den Gegenstand dieser Lieder mit einem fremden, dem
Sprachschatze ihrer polnischen und slovakischen Nachbarn entlehnten
Ausdrucke, nämlich mit dem der »sobotka« bezeichnen, lässt dieselben
als eine folkloristische Extravagante erscheinen, die verdient besonders
gewürdigt zu werden. Ungleich wichtiger als dieser scheint mir aber
der Umstand zu sein, dass die Sonnwendlieder der westgalizischen Klein-
russen auch einen wesentlich anderen Inhalt haben als jene der ostwärts
wohnenden Volksgenossen. Denn während in den Liedern der letzteren
Kategorie ^) das eigentliche Merkmal des Festes der Sommersonnen-
1) Sie sind in besonders grosser Zahl in den »TpyAii 3THorpa<i>.-CTaTucT.
3KcnejuHiu st aanajHo-pycc. Kpaii« III, 199 — 223 u. 483 — 486 abgedruckt.
Einiges hierher gehöriges Material ist übrigens auch bei Zegota Pauli »Piesni
ludu rus. w Galicyi« I, 30 — 31, dann bei Kucyj (ich verweise insbesondere
auf die Nummern 239 u. 240) und bei A. Pavlovskij I, 30 zu finden. Neuerer
Zeit sind dazu noch die Beiträge hinzugekommen, welche die Damen J. Mo-
szynska und Z. Rokossowska, sowie Pater Brykczynski im »Zbior wiadoraosci
do antropologii krajowejaV, Abtheilung f. Ethnologie S. 2G — 38, XI, 177 — 184
und XII, 95 — 96 verüfFentlicht hatten. Die zuletzt erwähnten Beiträge bieten
jedoch vergleichsweise mit dem in den »TpysM« Enthaltenen nur wenig Be-
merkenswerthes.
Archiv für slavische Philologie. XXYII. lg
274 Katuzniacki,
wende, d. i. das Feuer, fast ganz zurücktritt i) , nimmt es in den ein-
schlägigen Liedern der westgalizischen Kleinrussrn den ersten Platz
ein, es ist wie des Festes, so der Lieder Mittelpunkt.
Leider sind von den uns hier interessirenden Liedern nur einige
wenige 2), und auch diese in zumeist ganz verstümmelter Gestalt 3) pnbli-
cirt worden. Um daher sowohl die erwähnten Lücken auszufüllen, als
eventuell auch weitere, bis jetzt ungedruckt gebliebene Nummern zu
eruiren, habe ich es für der Mühe werth gehalten, während der Sommer-
ferien, die ich seit einer Anzahl von Jahren grösstentheils in dem in
Frage kommenden Gebiete zubringe, mein Augenmerk auch diesem
letzteren Gegenstande zuzuwenden. Was war nun das Ergebniss meiner
Bemühungen ? Es zeigte sich, dass in der überwiegenden Mehrzahl der
von mir aufgesuchten Ortschaften sich in der That nur einige wenige
Lieder dieser Art, und zwar in Redactionen erhalten haben, die nichts
weniger als correct sind. Bald fehlt der Anfang, bald wieder das Ende
des Liedes, oder es werden Bestandtheile verschiedener Lieder ge-
dankenlos durcheinander geworfen. Glücklicherweise gibt es aber auch
Ortschaften, wo wir etwas besser daran sind. Dahin gehören insbeson-
dere die beiden, im Bezirk Lisko gelegenen Nachbardörfer: Rajskie
und Telesnica Sanna mit Namen. Es lassen sich hier effectiv noch neun
verschiedene Nummern in Redactionen feststellen, die man als einwands-
freie bezeichnen kann.
Mit Rücksicht auf ihren Inhalt dürften von diesen neun Liedern
die nachfolgend sub 11 und V abgedruckten wohl die bedeutungsvollsten
sein. Im Liede II gelangt speciell die wunderthätige, Menschen wie
Thieren gleich zuträgliche Kraft der durch den Flammenschein der
Sonnwendfeuer versinnbildlichten Sommersonne zum Ausdruck, wäh-
rend im Liede V der directe Hinweis auf den Umstand vorliegt, dass
1) Auf einundfünfzig, in den »Tpyati 3THorpa*.-cTaTucT. sKcn. b-b aanajHo-
pycc. Kpaii« a.a.O. abgedruckte Nummern können z.B. höchstens drei (d.i. die
Nummern : 2, 38 und 7i>) als solche bezeichnet werden, bezüglich derer dies
nicht zuträfe.
2) Mir sind diesbezüglich nur die vier oder, da das mit Nr. 4 bezeichnete
nicht hierher gehört, nur die drei Lieder bekannt, welche Jakob Golovackij
in seinen «HapoaHi.iH ntcHH rajiuu. u yropcKoft Pycu« II, 529 — 530 abdruckte.
3; Um sich hiervon zu überzeugen, genügt es, die von Golovackij a. a.O.
unter 1, 2 u. 3 abgedruckten mit den Liedern zu vergleichen, die ich unter
IV, VIII und V vorführe.
Die Sonnwendlieder der westgalizischen Kleinrussen. 275
der Sommer zu der Zeit, da die Sonnwendfeuer brennen, bereits seinen
Höhepunkt erreicht hat und bald, nur zu bald dem rauhen Winter mit
dessen unzertrennlichem Begleiter, dem »kahlen« Froste, werde weichen
müssen. Aber auch das Lied VU ist noch insoferne von Bedeutung, als
daraus hervorgeht, dass selbst in der Gegend, wo man in der gewöhn-
lichen Rede nicht mehr kupalo, sondern (vgl. Archiv XVI, S. 60 S ff.)
kopaio spricht, sich ausnahmsweise noch der alte Name und in alter
Beziehung erhalten hat. "Was dagegen das unter Nr. IV vorgeführte
Lied anbetrifft, so glaube ich nicht, dass demselben eine mythologische
Bedeutung innewohne. Die schwarze, beziehungsweise die blinde Katze,
deren hier Erwähnung geschieht, scheint ihren Grund vielmehr in dem
Umstände zu haben, dass es factisch schwer war, zu dem Worte »so-
botka« einen besser passenden Reim zu finden als »kotka«. Hatte man
aber einmal diesen Reim statuirt, so ergab sich der scherzhafte Inhalt
des betreffenden Liedes, wonach die Burschen in ihrem Ungestüm eine
ungesalzene und ungesottene schwarze, beziehungsweise blinde Katze,
die Mädchen hingegen, die etwas später eintreffen, eine wohlzuberei-
tete weisse Ente verzehrten, gewissermassen von selbst.
Da die westgalizischen Kleinrussen, wie oben erwähnt wurde, so-
wohl das Fest als solches, als auch die aus diesem Anlasse angezünde-
ten Feuer mit einem aus dem Sprachschatze ihrer slovakischen und
polnischen Nachbarn entlehnten Ausdrucke bezeichnen, so lag es nahe
anzunehmen, dass auch zwischen den beiderseitigen Liedern irgend
welche Uebereinstimmungen bestehen. Auf Grund einer eigens in dieser
Richtung durchgeführten Vergleichung darf ich jedoch versichern, dass
dies nicht der Fall ist. Wenigstens habe ich unter den bis jetzt bekannt
gewordenen polnischen und slovakisch-böhmischen Sonnwendliedern
nicht eines angetroffen, das sich mit einem der hier abgedruckten klein-
russischen inhaltlich decken würde. Und ähnlich wie in Bezug auf In-
halt gehen die beiden Gruppen von Sonnwendliedern auch in Bezug auf
die äussere Form auseinander. Eine Ausnahme hiervon macht in dieser
Hinsicht höchstens das in der Umgebung von Krakau gesungene poln.
Sonnwendlied, das mit den Worten :
Oj sobötka, sobotecka,
beginnt 1) und mit den hier abgedruckten kleinrussischen formal inso-
1) Es ist zuerst im »Tygodnik ilustrowany« pro 1862, Nr. 141, dann noch
einmal in Kolberg's »Lud, jego zwyczaje« etc. V, S. 295 abgedruckt worden.
18*
276
Ka}:uzniacki,
fern übereinstimmt, als es mit ihnen das Versmass (den vierfüssigen
Trochäus) gemein hat.
Schliesslich bemerke ich noch, dass die Melodie, nach der die in
Rede stehenden kleinrussischen Sonnwendlieder gesungen werden, die
folgende ist:
-£
J^
Die Lieder selbst haben nachstehenden Wortlaut;
Oh coöotko, coöotoüko,
K na Teöe BOJOqH.ia (2)
M CTeateiiKy xojioyHJia
Eh to bx ropy, to bi> ;i;o;iHHy,
To B1. TOJioKoy, to El. ii;apHHy.
ropH-aci, ropH, coöoToilKO,
TopH HOHO, noAHHMaii ch, (2)
Ha yci öoKLi poscBi^aft cn
Ell TO Bt ropy etc.
Ta io»:x ropHTt eoöoTOHKa,
FopHT-L HOHO, najenie, (2)
Ha ycfe öoKLi fiCKpti cie
Eil TO Bi. ropy etc.
Oh coöotko, coöötohko,
H Ha xeöe BOjio^iHJia (2)
II cTeateHKy xojioqHJia
Eh to Bt ropy etc.
II.
3anLij[ajia coöoToiiKa,
CxonH.ia CH iiejfl;;oHKa,
CxonHiia CH, npnöirae,
Ta me ApoBeui'L AOK.iaAae.
CoÖOTOHKa HCHO TOpHTI,
Hejifl;i;oilKa ntimHO xoähtx;
CoöüTOHKa Aorapae,
XoAOÖOHKa npoKBHTae.
m.
Oii Ha ropi, na ropöo^Ky
CK.iajIH A^BKLI COÖÖTO^Ky.
npHHUIJIH XJ[0ni;H, p03BaJIHJIH,
Coöi pyKti sacMajiHJiH.
lOact öy^eTB Tenept snaTH,
RkT> COßÖTKy p03BaJIflTH.
HaKT. na ropi, na ropöo^iKy
ÜKjiajiH xjionnH coöoToqKy.
npHHmjIH A^BKLI, HB TLIKaJIH,
T6.ihK0 1) KpacHi 2j 3acniBajiH,
A coööTKa 3ani>Tjra.ia,
T^tBKaMT. AO-iK) BimyBa.ia.
IV.
/I^o.iimH>iHe, ropiuiHHHe,
Cxo^bTe CÄ^Ai» HaM'B na co66TKy,(2)
1) Weiter westwärts hört man: tövko.
2) Von der Oslawa, einem Zuflüsse San's, westwärts hört man häufiger :
rapAi.
Die Sonnwendlieder der westgaliziachen KleinruBsen.
277
CneyeMe saMt yopiiy i) KOTRy.
Hhmt. ch A'^bkli no3uira;in,
Xjioni;H KOTKy posopsa^ii ;
HHMt me Ä'iBKBi 31. ropöa söirjiH,
Xjionun KOTKy ^lopHy^) stijiH,
Heeo.ieiiy ik HeMaineny
II i^eöyjiBKOBX iieKpameHy.
A KOMy ca ne ÄOCTajro,
Han cn Bti^pe 3x kotkli cajio,
Haft CH cxoBaxx na nojiHu;K) 3),
MacTHTH cn KanycTHi],io^).
ITaKt cfl A'iBKLi nosö'SrajH,
Eijiy Ka^iKy posopBajiii,
II cojeHy H Mameny,
M i^eöy.iKKOB'K saKpameiiy.
CaiepTb c^ MoposoMi. TaHi],OBaJia,
Ta 3a Jiope Aecb nornajia.
Ilom.ira CMepTt codi y Ji']&cti,
Iloöin. 5) 3a HeBt Moposi. jihchh,
II CH^iaTx xam-L bi. TeMiioft Hopi,
3a BO^aMH y KOMopi.
CMepxe, CMepxe, He BepxaH ca,
Tii, Mopose, ne 3^HBjrHH ea ;
ÜHAbxe CH xaMi, ne Bepxaftxe,
Hacx noacHXKY ne söaBjrailxe;
Haft HaM-L coHrte Aajtuie rpie,
jKhxo, apei^'L CKopo spie.
VI.
Oh noracjia coöoceHKa,
SanjiaKajia MapncenKa.
Ta ne racHH, coööceäKO,
Ta ne n.3a^iH, MapncenKO.
3anHjrajia coöoceHKa,
SacniBajia MapncenKa.
lOacx ne njiaye, ne pti^ae,
Eo HBaca oönniviae.
VII.
Ha Kyna.ia, xa na üna
KynaJia ca rpe^ina nanna,
Kynajra ca, xa Bxanjrajia,
Ha 6pau,efiKa ch BOJiajia :
Bbihah, bbihah, Möii 6pau,eHKy,
Ho^aä, no^aS mh pyyenKy,
Ho^an eAHy, no^aä o6i,
Ta npnropHH Mene 'ai> co6i.
He A^Mx eAHy, ne AaMx. o6i,
He npHropny xe6e 'ai» coöi.
Bbihah, bbihah, moh xau;eHKy,
HoAan, noAaii mh pyiieäKy etc.
He AaMt eAHy, ne AaMt oöi,
He npnropny xeöe 'a'b co6i.
Bbihah, bbihah, MaxepeHKO,
noAan, noAaä mh py^eäKy etc.
He AaMx. eAHy, ne AaMx o6i,
He npnropHy xeöe 'a'b codi.
Bbihah, bbihah, moh MHAeHBKBin,
1) Daneben besteht die Variante : cjiinj.
-] Vgl. die nächst vorangehende Anm..
3; Weiter westwärts : no.rauy.
*) Ebendaselbst: KanycTuuy.
5) Hier und da hört man auch : nöruay.
278 Kaluzniacki, Die Sonnwendlieder der westgalizischen Kleinrussen.
IIoAaä, no;i,a5 mh pyqeHLKti,
no^aä e^Hy, no^aS o6i,
Ta npHTopHH Mene 'ai> codi.
^aM^B TH eAHy, AaM-L th o6i
II npHropny xeöe ai- co6i&.
VIII.
Ha posToiii, Ha noroi^i
^Ba rojiyÖH BO^y nnjH,
BoAy HHJiH, 3a>ryTHJ[H
Taä B3KJIH CH, no-iex^jH.
TIojieT§jiH Bi> AyöpoBOHKy,
Ha sejieHy KajiHHOHKy,
H CTajiH TaMx posBaacaTu,
HKt ÖLI TOTO AOKOHaTlI 1 ' ,
nJ,o6i> OcTanoB'B IlBacefiKO
Ta Bateiray ch 3x MapnceäKOB-L.
TyTKaJIB Ä3B0HH 3aA3B0HHJIH,
H rojiyÖH TaKt BcyAHJiH:
By^eMx ^At HjepKBH npn-iiTaTH,
MaTKy 66aty yMOJiETH,
HaH OcTanoBi) IlBaceäKO
Ta BateHHTi. ca ai. MapaceHKOBt.
IX.
Bepxi. EecKLiAa sejieHoro
Ilace Hh'ihk'b kohä cboto
Ilace, nace, nonacye,
Ha KOHH'iKa nocBHCTye :
Eh KOHHiK-y qopHorpHBBiH,
^OM'B TLI CMyTHLlil, He IirpHBHH ?
IJ,H TH ^KOAHTX SÖpYH TaH,
IJ,H maöjiHiiKa cTajreBaa?
Hh mh ^koaktt söpya Taa,
Hh maö.iHqKa cTajieBaH,
IIho mh yK0AHT%, mo He SHaemt,
nj^o KaTpycK) 3acMyyaeuit,
A KaTpycH Teöe jhgöht-l,
UI,Hpe ^AT> cepi];io npnrojiyönT'L,
Jhhil ÖLI TBi KaTpycK) jnoöny,
HJ^npe 'a^ cepipo npnroxyÖHy.
*■) Statt dieser zwei Verse begegnet man hier und da auch der Variante :
H ciajin CH roBopHTH,
KoMy-öt Toro nopyiHTH.
Kaiuhiiacki.
Kritischer Anzeiger.
Erstes Decetmium vnssenschaftUcher Thätigkeit der Sevcenko-Ge-
sellschaft der Wissenschaften in Lemberg. *)
Die Sevcenko-Gesellschaft d. Wissenschaften in Lemberg hat vor Jahres-
frist das erste Deeennium ihrer wissenschaftlichen Thätigkeit abgeschlossen.
Gegründet im J. 1873 von ukrainischen Patrioten aus Russland zur Pflege
der ukrainischen Literatur, wurde sie im J. 1892 in eine wissenschaftliche
Gesellschaft umgestaltet und machte sich energisch an die Erforschung der
Fragen, welche vorzüglich mit der Vergangenheit und der Gegenwart der
Kleinrussen im weitesten Sinne, also auch die österreichisch -ungarischen
Ruthenen umfassend) verknüpft sind. Durch eine Reihe weiterer Umgestal-
tungen sich dem Organisationstypus der Akademien nähernd, wurde sie in
letzter Zeit de facto eine kleinrussische Akademie, wenn auch ohne Titel, und
als die gegenwärtig einzige höhere wissenschaftliche Nationalanstalt ver-
einigte sie in sich die wissenschaftliche Arbeit in kleinrussischer Sprache
und erlangte eine ungemein wichtige Bedeutung in dem Kulturleben des
kleinrussischen Volkes. Obwohl nun über ihre wissenschaftliche Thätigkeit,
wie auch über einzelne Publikationen im »Archiv« wiederholt die Rede war, so
dürfte doch eine systematische üebersicht aller bisherigen Arbeiten, welche
sich auf kleinrussisches Land und Volk beziehen , für alle Slavisten will-
kommen sein.
Die wissenschaftlichen Publikationen der Sevcenko-Gesellschaft be-
stehen aus folgenden Serien :
»Mittheilungen der Sevcenko-Gesellschaft d. W.« (3aniicKH
HayKOBoro ToBapiiciBa iMenu IUeBqeHKa), eine wissenschaftliche Zeitschrift,
hauptsächlich der Geschichte, Literaturgeschichte, Ethnographie und Sprache
des kleinrussischen Volkes gewidmet. Sie erscheinen alle zwei Monate in
Heften, jedes mehr oder weniger im Umfange von 200 Druckseiten; bis zum
Schlüsse des J. 1904 sind 62 Hefte erschienen. Hier werden Abhandlungen
und kleinere Materialien mit erklärenden Anmerkungen publicirt (kleinere
Notizen und Materialien in der Abth. Miscellanea). Ausführlich und syste-
matisch wird die Rubrik Bibliographie geführt (in den Abth. Wissenschaft-
*) Aus Anlass dieser bibliogr. Üebersicht drücken wir den Wunsch aus,
auch über andere slav. Gesellschaften, die der Pflege einheimischer philolog.-
historischer Disciplinen oder der Ethnographie gewidmet sind, ähnliche Re-
ferate zu bringen, wenn man sie uns, so wie es hier der Fall war, in deutscher
Bearbeitung zusendet. Es ist kaum nöthig hervorzuheben, dass bei derartigen
bibliogr. Uebersichten die kritische Würdigung der Einzelleistungen nicht
immer zur Geltung kommen kann. V. J.
280 Kritischer Anzeiger.
liehe Chronik und Bibliographie, welche zusammen Vs — V2 des Heftes ein-
nehmen); hier wird jahraus jahrein der Inhalt kleinrussischer, russischer,
polnischer, magyarischer und sonstiger Zeitschriften angegeben, welche
irgendwelche Artikel oder Materialien über kleinrussische Länder bringen
(in den letzten Jahrg. gegen 70 Zeitschriften) ; alle irgendwie wichtigeren
diesbezüglichen Artikel und Publikationen finden hier eine kritische Würdi-
gung oder wenigstens eine Inhaltsangabe, so dass diese 62 Hefte der »3a-
nucKjj« zusammengenommen eine recht solide bibliographie raisonnöe für das
Studium Kleinrusslands darstellen, über 3500 Titel diverser Artikel und
Publikationen. Besonders sorgfältig, wie in keiner anderen ausländischen
Publikation, wird die wissenschaftliche Literatur Eusslands registrirt und
besprochen. Von Zeit zu Zeit finden auch systematische Uebersichten der
Literatur einzelner Fragen Platz, welche nicht unmittelbar mit Südrussland
verknüpft sind; so wurden in den Jahren 1897 — 99 Uebersichten der Literatur
zur allgemeinen Weltgeschichte, für die J. 1900 — 2 Uebersichten der west-
europäischen Literatur über Anthropologie, Archäologie, Ethnologie und
Folklore gebracht.
»SaniioKii« sind das Organ der historischen und philologischen Sectionen
der Gesellschaft. Ausserdem gibt jede von ihnen jährlich einen Band ihres
»36ipHUK« heraus im Umfange von 15 — 30 Druckbogen; sie sind für umfäng-
lichere Arbeiten oder systematische Sammlungen kleinerer Aufsätze bestimmt.
Im »Zbirnyk« der historischen Section wurde meine Geschichte der Ukraine
(Bde. I — IV und VI — VII des »Zb.«) publicirt, in jenem der philologischen
Section wurden Sammlungen der folkloristischen Arbeiten Dragomanov's und
Dykariv's, eine zweibändige Biographie Sevcenko's von AI. Konyskij u. A.
gedruckt. Bisher sind 7 Bände des historischen und 6 des philologischen
»Zbirnyk« erschienen.
Die historische Section gibt ausserdem noch die »Ruth, historische
Bibliothek« (PyctKa icTopuina 6i6.!iiOTeKa) und die philologische die »Lite-
ratur-Bibliothek« (yKpaiucLKo-pycBKa 6i6.iiOTeKa) heraus. Die erste begann
schon in den 80-er Jahren zu erscheinen, unabhängig von der Sevcenko-
Gesellschaft d. W. und wurde nur später durch die Ges. übernommen zu-
sammen mit einem kleinen Subsidium, welches der galizische Landtag dieser
Publikation spendete. Hier wurden meistentheils Uebersetzungen hervor-
ragender Monographien zur Geschichte Südrusslands gedruckt (von Kosto-
marov, Antonovyc, Vladimirskij-Budanov u. A.) ; bisher sind 24 Bde. er-
schienen. Vom künftigen Jahre angefangen soll diese Publikation Materialien
und systematische Sammlungen werthvoller Artikel bringen, welche in sel-
tenen galizisch- und uugariäch-ruthenischen Druckschriften zerstreut sind.
Die »Literatur-Bibliothek« wurde unlängst gegründet für wissenschaftliche
Ausgaben kleinrussischer Klassiker; bisher sind drei Bände erschienen,
welche die Werke des bukowinischen Dichters und Novellisten J. Fedkovyc
enthalten.
Archäographischen Publikationen sind zwei Serien gewidmet:
»Quellen zur Geschichte der Ukraine« (/Kepejia so icxopui TKpaiHii-PycH)
bringen urkundliches Material und »Denkmäler der ukr. Sprache und
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft. 281
Literatur «(IIaMflTKuyKpai"nci.KoiMOBU i jiTeparypu) — literarische Denkmäler.
Jährlich erscheint ein Band, abwechselnd bald aus der einen, bald aus der
zweiten Serie. Von der historischen Serie sind bisher G (I— V und VIIj, von
der literarischen 4 Bände erschienen; von den darin enthaltenen Materialien
und sie begleitenden Elnfiihrungs-Studien wird weiter bei entsprechenden
Themen die Rede sein.
Ethnographische Materialien erscheinen auch in zwei Serien:
Ethnographische Sammlung (Eruor'pa'i-iiiiHir 36ipiiHK), hauptsächlich den Pro-
ducten der Volkstradition (des Folklore) gewidmet und Texte in möglichst
genauer philologischer Wiedergabe bringend. Von dieser Serie erscheinen
jährlich zwei Bände; bisher sind 16 Bände erschienen, welche eine ganz be-
deutende Masse volksthümlicher Ueberlieferungen enthalten. Die zweite
Serie: »Materialien zur ukrainischen Ethnologie« (Marepuji.iH ao yKpaiHCBKo-
pycBKoi eiHo.iBor'ii, bisher 7 Bde., erscheint ein Band jährlich) bringen haupt-
sächlich Beiträge zur descriptiven Ethnographie sowie zur Archäologie
(Paläoethnologie).
Die Juridische Zeitschrift (^aconuct üpaBHuia), Organ der juridi-
schen Commission, wurde nach zehnjährigem Erscheinen (18S9 — 1900, zehn
Bände) im J. 1900 in eine »Juridisch -ökonomische Zeitschrift« umgeformt
im J. 1904 ist der Doppelband VI — VII davon erschienen. Wie ihre Vor-
gängerin wendet auch diese »Juridisch-ökonomische Zeitschrift« die meiste
Aufmerksamkeit dem obligaten österreichischen Rechte zu, weniger Raum
den theoretischen Fragen des Rechtes und theilweise der Sociologie er-
theilend ; ziemlich viel Platz wird der Bibliographie ertheilt. Die den klein-
russischen Themen gewidmeten Artikel werden weiter unten erwähnt. Als
eine Ergänzung der »Zeitschrift« dient die »Juridische Bibliothek«, wo um-
fangreichere Universitätscurse aus dem Gebiete des obligaten Rechtes ver-
öflfentlicht werden (bisher sind drei Hefte erschienen).
Arbeiten aus dem Gebiete der mathematischen und naturwissenschaft-
lichen Disciplinen wurden anfangs in den »Mittheilungen« veröffentlicht,
welche als allgemeines Organ der Gesellschaft galten; in den ersten Bänden
der »Mittheilungen« (bis zum XIV.) gibt es ziemlich viel mathematische,
naturwissenschaftliche und medicinische Artikel. Seit dem J. 1897 werden
dieselben in der Sammelschrift derSection für mathematische, natur-
wissenschaftliche und medicinische Disciplinen gedruckt; im J. 19u4 wird der
zehnte Band erscheinen. In den J. 1898 — 1902 wurde der medicinische Theil
separat als »Medicinische Sammelschrift« (JIiKapci,KHii 36ipHUK) her-
ausgegeben (erschienen sind 6 Hefte; ; ausser Abhandlungen und Beobach-
tungen wurde hier auch der Bibliographie und Terminologie viel Platz ge-
geben. Gegenwärtig ist sie mit der gemeinsamen Sammelschrift der Section
vereinigt.
Ich muss auch die literar-wissenschaftlichen Publikationen der Gesell-
schaft erwähnen. Bis zum J. 1898 gab sie die Zeitschrift »Zorja« heraus
1880 — 1897, 18 Jahrgänge); sie erschien zweimal monatlich, wurde für die
»Familienlektüre« bestimmt, seit 1891 illustrirt (unter den Illustrationen sehr
viele ethnographische und historisch interessante Abbildungen). Im J. 1898
282 Kritischer Anzeiger.
trat an ihre Stelle der »Literarisch -wissenschaftliche Bote« (üiTepaiypHo-
HayKOBUH bIcthhk), eine Monatsschrift vom Typus der westeuropäischen Re-
vue, erscheint in Heften, jedes im Umfange von 10 — 12 Druckbogen. Der
Inhalt zerfällt in Belletristik, den wissenschaftlich-literarischen Theil und die
Chronik. Die Gründung dieser Revue fiel mit einer starken Belebung des
kleinrussischen literarischen Schaffens in Galizien und Russland zusammen
und blieb auch ihrerseits nicht ohne merklichen Einfluss auf dasselbe sowie
auf die Erhöhung des allgemeinen Niveau's des literarischen Geschmackes
und der kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft. Der L.-w.B. gibt ein ziem-
lich vollständiges und lebhaftes Bild der literarischen Bewegung dieser Jahre.
In seiner literarisch-wissenschaftlichen Abtheilung sowie in seiner Chronik
wurden eine Menge Artikel und Notizen nicht nur literar-kritischen, sondern
auch allgemeineren wissenschaftlichen Inhalts veröffentlicht. Wer sich mit
dem Inhalt dieser Zeitschrift näher befassen möchte, den verweise ich auf das
unlängst erschienene Inhaltsverzeichniss des L.-w. Boten für die ersten fünf
Jahre (20 Bände) seines Erscheinens.
Ein Bild der Wirksamkeit der Gesellschaft, der in ihren gelehrten
Sitzungen vorgetragenen Arbeiten und ihrer wissenschaftlichen Publikationen,
geben periodische Berichte (Chronik], welche in kleinrussischer und deutscher
Sprache seit dem J. 1900 viermal jährlieh erscheinen; früher wurden solche
Berichte in den »3anucKn« veröffentlicht. Jedes Jahr gibt das erste Heft dieser
Chronik einen Jahresbericht der Gesellschaft; Nachrichten über den Stand
der Bibliothek und anderer wissenschaftlicher Hilfsmittel, eine Liste der In-
stitutionen, welche mit der Gesellschaft ihre Publikationen austauschen u.s.w.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen komme ich zur systematischen
Uebersicht der nach Gruppen geordneten Materialien und Forschungen auf
dem Gebiete der Vergangenheit und der Gegenwart Südrusslands, welche in
den Publikationen der Gesellschaft enthalten sind.
Mit der Archäologie beginnend will ich zuerst einige Artikel des
Theodor Volkov über den bekannten Fundort in Kijev hervorheben: »Vor-
historische Funde in der Cyrillus-Gasse in Kijev« (Ethnol. Mater. I) — bisher
nach meiner Meinung die beste Arbeit, welche über diese Funde veröffent-
licht wurde — und »Der Madeleine-Sdl in der Ukraine« (Zap. 46), eine
Arbeit, speciell den ornamentirten Stosszähnen des Mammuts gewidmet,
welche Herr Volkov der Madeleine-Epoche zuschreibt. Im VI. Bde. der Ethn.
Mater, erschien der Anfang seiner grösseren Abhandlung über die »Vor-
mykenische Kultur«, jene räthselhafte Kultur, welche besonders durch die
unlängst gemachten Funde des Herrn Chvojka solches Aufsehen erregt hat
und bisher in Hinsicht ihres Ursprungs und ihres Verhältnisses zu ähnlichen
westlichen Funden nicht aufgeklärt wurde. In Verbindung damit stehen »Die
Funde in den Tumuli zwischen Veremje und Stretivka und bei Trypille«,
welche von demselben Volkov in einer vorläufigen Notiz (Eth. Mat. III) be-
schrieben wurden.
Die frühmetallische Kultur berühren: meine Notiz über bronzene
Schwerter aus dem Bez. Turka (Ostgalizien, in den Karpathen) — einen der
wenigen erforschten Funde der mesodanubischen Broncekultur in Galizien
\
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft. 283
(Zap. 33) und mein Artikel über das Gräberfeld beim Dorfe Cecliy, Bez.
Brody in Galizion (Zap. 31 — 32), einem überaus reichen Bestattungsgräber-
felde aus der Uebcrgangszeit von der Stein- zur Eisenkultur, welches leider
durch die Grabungen der unwissenden Leute, denen ihre Führung anvertraut
wurde, total verdorben worden ist. Die Aufschichtung verschiedener Kul-
turen und die Ueberreste der Fiirstenperiode beschreibt mein Artikel über
Zvenyhorod, eine der ältesten fürstlichen Residenzen Galiziens (Zap. ibid.);
hier wird auch die Streitfrage über die Lage Zwenyhorods behandelt. Einem
interessanten Funde der Erzeugnisse altrussischer Juwelierkunst im D. Molo-
tiv zusammen mit den Münzen des XIV. Jahrh. ist mein anderer Artikel ge-
widmet (Zap. 25). In der Notiz über »die Ohrringe des Kijever Typus bei
gegenwärtigen Kaukasiern« (Zap. 37) weise ich darauf hin, dass Ohrringe
dieses Typus, Ajour- Arbeit, mit drei geflochtenen Perlen noch jetzt durch
eingeborene Juweliere in der Gegend von Vladikavkas verfertigt werden.
Einige Notizen habe ich auch den altrussischen und byzantinischen
Bleisiegeln gewidmet, welche in Ostgalizien gefunden werden (Zap. 33). Die
altrussische Kunst behandeln: meine Artikel über die Arbeiten des Ak. Kon-
dakov (Zap. 40), über die Miniaturen des Trierer Psalters (Zap. 49) und der
Marie Hrusevska über die einstige Ausbreitung der ruthenischen Kunst in
polnischen Ländern — sehr interessante Nachrichten über die in polnischen
Ländern verlorenen und erhaltenen, von klein- und Weissrussischen Meistern
des XIL — XV. Jahrh. geschaffenen Kunstdenkmäler (Zap. 51).
Ausserdem wurde ein allgemeiner Umriss der archäologischen Denk-
mäler auf dem südrussischen Territorium , der Kultur nach archäologischen
üeberresten sowie auch der altrussischen Kunst in meiner »Geschichte der
Ukraine« gegeben, wovon gleich unten. Werthvolle Hinweise und Correc-
turen finden sich in einigen Recensionen über archäologische Arbeiten, so
z. B. in Jastrebov's Recension über die »Tumuli der Smila« des Gr. Bo-
brinskij (Zap. 7), V. Domanskij's Besprechung der archäologischen Karten
der Gouvern. Volynien und Podolien (Zap. 50) usw. Eine Uebersicht der
westeuropäischen Literatur über die Archäologie vom J. 1900 bis heute gibt
Z. Kuziela (Zap. 59).
Von meiner Geschichte der Ukraine') sind bis jetzt vier Bände
erschienen, welche die Zeit bis zum Ende des XVL Jahrh. umfassen; die fol-
genden Jahrhunderte denke ich in weiteren vier Bänden darzustellen. Der
erste Band beginnt mit der Geschichte des Territoriums — der Uebersicht
archäologischer Menschenspuren auf dem Territorium von den Karpathen bis
zum Kaukasus — von der paläolithischen bis zur historischen, graeco-sarma-
1) »IcTopHH yKpaiHii-Pycii« Bd. I, 1898 (bis zum Beginn des XL Jahrh.),
IV 4- 496 S. (Sammlung der bist, philosoph. Section, Bd. I); Bd. II, 1899 (das
XL— XIII. Jahrh.), 403 S. (Samml. Bd. II); Bd. III, 1900 (bis zum J. 1340),
700 S. (Samml. Bd. III und IV); Bd. IV, 1903 (das XIV.— XVI. Jahrh., poli-
tische Verhältnisse), 532 S. (Samml. Bd. VI und VII). Die ersten Bände sind
schon vergriffen und erscheinen in neuer Ausgabe (Bd. 1, 1904. VIII-f-62S S.).
Im Druck befindet sich eine deutsche Ausgabe, welche von der Firma
B. G. Teubner in Leipzig besorgt v/ird.
284 Kritischer Anzeiger.
tisclien Kultur. Durch die Analyse der Frage über die Urheimath der indo-
europäischen und speciell slavischen Stämme werden die Ausgangspunkte
der späteren slavischen Colonisation (inwieweit dies bei den jetzt bekannten
Thatsachen möglich ist) festgestellt und hernach die nichtslavische Coloni-
sation des südrussischen Territoriums überblickt: die griechische Coloni-
sation der Nordufer des Schwarzen Meeres, die iranische Steppenbevölkerung
(Skythen, Sarmaten, Alanen), die thrakische, zu welcher am ehesten die
ältesten Bewohner der Karpathen zu zählen sind, die germanische (Bastarnen.
Gothen) und schliesslich die asiatische, turkofinnische Migration (Hunnen,
Bulgaren, Chazaren, Avaren, Magyaren, Pecenegen). Das zweite Capitel ent-
hält eine Skizze der slavischen Besiedelung des südrussischen Territoriums
— Geschichte der Colonisation und eine Uebersicht der Sitzplätze einzelner
Stämme auf diesem Territorium; ziemlich viel Platz wurde der Feststellung
der westlichen und südwestlichen Grenze der kleinrussischen Colonisation
gewidmet, wo es so viel strittiges und unsicheres gibt; eine Uebersicht der
Verluste, welche die kleinrussische Colonisation unter dem Andrang der Horde
der Pecenegen erlitten hat, beschliesst dieses Kapitel. Das dritte Kapitel ist
der Darstellung der Kultur- und Lebensverhältnisse südrussischer Stämme
im Zeitpunkte ihrer Festsetzung und Staatenbildung gewidmet, auf Grund
linguistischer, archäologischer und historischer Daten: Wirtschaft und In-
dustrie, Lebensweise, Handel, der physische und psychische Menschentypus,
die religiöse Weltanschauung, Begräbniss- und Hochzeits- Bräuche, das
Familienleben und die sociale Organisation. Im vierten Kapitel wird die
Bildungsgeschichte des Russischen (Kijever) Staates dargestellt — die
Schwächen unserer annalistischen Tradition werden nachgewiesen und hernach
die Nachrichten über den Beginn der Staatsorganisation unabhängig von der
Theorie des varägischen Ursprungs der »Rus« zusammengestellt: die ältesten
Nachrichten über »Rus« sowie Zeugnisse über den Bildungsprocess des Kije-
ver Staatswesens, woran sich eine Uebersicht seiner Geschichte im X. Jahrh.
(Oleg, Igor, Olga, Svjatoslav) knüpft. Hierher gehören auch zwei Excurse am
Ende des Bandes: über die Aelteste Chronik sowie über die normannische
Theorie in der historischen Literatur (Geschichte und Kritik des Normannis-
mus). Das letzte Kapitel ist dem Ausbau des Kijever Staatsgebäudes unter
Vladimir gewidmet. In der zweiten Ausgabe wurde der erste Band bedeutend
erweitert; manche Kapitel wurden ganz neu geschrieben, z. B. die archäo-
logische Uebersicht des Territoriums, wo sehr viel neues Material hinzukam ;
neue Kapitel wurden hinzugefügt über die Familienverhältnisse und die An-
fänge des politischen Lebens bei den südrussischen Stämmen ; die Literatur-
nachweise wurden erweitert und vervollständigt.
Der zweite Band besteht aus zwei Theilen. Der erste (Kap. I — III) gibt
die Geschichte des Kijever Staates, seiner Auflösung und seines Verfalls bis
zur Hälfte des XIII. Jahrh. ; der zweite besteht aus Skizzen, welche einzelnen
kleinrussischen Gebieten gewidmet sind: dem Kijever (im Anhang dazu eine
kleine Skizze des Gebietes von Turov und Pinsk), dem Gernihover und Pere-
jaslaver Territorium, ihrer Geschichte, ihrem kulturellen und socialen Leben
(Kap. IV und V). Das letzte Kapitel ist den Steppen am Schwarzen Meer
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft. 285
gewidmet, schildert die Ueberreste der kleinrussischen Colonisation in den
Steppen und die dortige türkische Colonisation (die Pecenegen, Torken, Po-
lovzen, ihre Colonien in der Ukraine, die Ankunft der Mongolen = Tatarenj.
Der dritte Band beginnt mit einer Skizze der galizisch-volynischen
Territorien; ein besonderer Abschnitt, welcher das Interesse völliger Neu-
heit hat, befasst sich mit Ungarisch -Ruthenien; hier sind Nachrichten der
ungarischen Urkunden des XK. — XIII. Jahrh. über ungarische, mit Ruthenen
besiedelte Provinzen gesammelt. Das folgende Kapitel gibt die Geschichte
des galizisch-volynischen Staates des XII. — XIV. Jahrhunderts (bis zum
J. 1340\ das dritte schildert die Schicksale der Länder am Dniepr unter der
Herrschaft der Tataren, welche den völligen Verfall des Staatslebens und der
Kultur hier herbeiführte. Die zweite Hälfte des Bandes (circa 320 Seiten)
enthält einen Umriss der politischen und socialen Einrichtungen, der ökono-
mischen Verhältnisse, der Lebensweise und Kultur der kleinrussischen Län-
der in der Periode ihres selbstständigen Staatslebens (X. — XIV. Jahrh.) : das
Staatensystem und die Verhältnisse der Fürsten zueinander, die politische
Organisation der Territorien, der Fürst und das Vece (Volksversammlung),
die Administration und die Gerichtsbarkeit, die Kirche und die Kirchenver-
waltung, die sociale Einrichtung — die Klassen, ökonomische Verhältnisse,
das Recht als kulturelle Erscheinung, das Privatleben — Familienverhält-
nisse, die damaligen Laster in der Darstellung der kirchlichen Literatur und
der Einflnss des Christenthums, das kirchliche Leben, die Kunst, Auf-
klärung, Gelehrsamkeit und die literarische Production.
Der vierte Band ist den äusseren politischen Ereignissen des XIV. bis
XVI. Jahrh. gev/idmet, welche auf die Schicksale der kleinrussischen Länder
von Einfluss waren und schliesslich zur Vereinigung dieser Länder unter pol-
nischer Herrschaft führten. Das erste Kapitel stellt die Geschichte derOccu-
pation kleinrussischer Länder durch das Grossfürstenthum Littauen und das
Königreich Polen im XIV. Jahrh., sowie ihren Kampf um die galizisch-voly-
nischen Länder dar. Das zweite wird durch den ungarisch-polnischen Streit
um Galizien eröffnet und geht hierauf auf die Ereignisse des XIV. und An-
fang des XV. Jahrh. über, welche auf die Beziehungen Rutheniens, Littauens
und Polens einen mächtigen Einfluss hatten und ihre Geschichte in den folgen-
den Jahrhunderten bestimmten: die Union vom J. 1385, den Vertrag über die
Incorporation der zum Grossfürstenthum gobörigen Länder unmittelbar an
Polen; die Opposition gegen diese Incorporation im Grossfürstenthum Lit-
tauen unter Führung des Vitovt ; die Aufhebung jener fast selbstständigen
Fürstenthümer, aus welchen die kleinrussischen Territorien des Grossf ürsten-
thums Littauen bestanden und ihre Umwandlung in einfache Provinzen. Das
dritte Kapitel schildert den Kampf klein- und weissrussischer Fürsten und Bo-
jaren mit der ihnen feindlichen Politik der littauisch-polnischen Regierung,
die Conflicte des autonomistischen Programms der littauischen Aristokratie
mit der centralistischen Politik Polens. Ein besonderer Abschnitt spricht
von den Schicksalen der Länder am Schwarzen Meere, von der Bildung der
Horde vonKrym, ihren Beziehungen zum polnisch -littauischen Staate und
tatarischen Verwüstungen, welche mit dem Anfange des XV. Jahrh. be-
286 Kritischer Anzeiger.
ginnen. Das letzte Kapitel schildert den Vollzug der Union und die Ver-
einigung der übrigen südrussischen Territorien mit Polen. Im pendant zu
dieser Uebersicht der äusseren Verhältnisse wird der V. Band die sociale und
kulturelle Evolution der kleinrussischen Länder während der littauisch-polni-
schen Periode zur Darstellung bringen. Dieser Band ist schon im Manuskript
fast fertig und wird wahrscheinlich in diesem Jahre (190.5) erscheinen.
Von speciellen Beiträgen zur alten Periode der Geschichte süd-
russischer Länder und des Slaventhums hebe ich folgende hervor : Panacovnyj
über griechische Colonien am Kubangestade (Zap. 2), meine Arbeit über die
Anten (ibid. 21) ; M. Korduba über das Reich Samo's (ibid. 13) und Z. Kuziela
Uebersicht der neueren Literatur betreffend die älteste Geschichte des
Slaventhums und Revision der darin hervortretenden Fragen (ibid. 52, 53;.
Hier seien noch Dykarivs Arbeiten zur vergleichenden Mythologie erwähnt:
«Mythologische Fragmente«, »Fragmente aus der griechisch-slavischen My-
thologie« *) U.A. Zur Geschichte des alten Kijever Staates: Gr. Velycko
über politische und kulturelle Beziehungen der Rus zu Byzanz — eine tüch-
tige Kompilation (Zap. 6); M. Korduba über sociale Klassen und politische
Parteien im Fürstenthum Halle bis zur Hälfte des XIII. Jahrh. — einige in-
teressante Bemerkungen, welche die Fehler und Trugschlüsse in anderen
Fällen wettmachen (ibid. 31,; meine Arbeiten über das halicer Bojarenthum
des XII. — XIII. Jahrh. (der Bildungsprocess einer geschlossenen Bojaren-
klasse und Ursachen ihrer Macht — ibid. 30; sowie über eine gegen das fürst-
lich-gefolgschaftliche Regime gerichtete Bewegung in den Stadtgemeinden
des XIII. Jahrh. (ibid. 1); B. Barvinskyj über die Pressburger Zusammenkunft
Daniels mit dem König Bela (Zap. 52;, meine kritische Prüfung der Urkunden
des Fürsten Leo, welche von früheren Forschern als authentisch angesehen
wurden (ibid. 45).
Den Versuch einer historischen Chrestomathie, enthaltend die wichtigeren
Abschnitte aus den Quellen zur kleinrussischen Geschichte des IX. — X. und
der ersten Hälfte des XI. Jahrh., mit einleitenden Anmerkungen und Erklä-
rungen gab ich im J. 1895 separat heraus u.d.T. »Ausschnitte aus den Quellen
zur Geschichte der Ukraine« (schliesst mit Skylitzes-Kedrenos und den
Sagen). Besondere Abschnitte der Quellenkunde behandeln folgende Ar-
beiten: Nik. Suchevyc über die Verträge der Rus mit den Griechen (Juridische
Ztschr.2); K.Levyckyj's Ausgabe der »Ruskaja Pravda« (nach Karamsinschem
Kodex) mit einer kleinen Einleitung (ibid. 5); meine Forschung über die Chro-
nologie der halyc-volynischen Chronik — enthält eine allgemeine Analyse.
Richtigstellung der Daten einzelner Vorkommnisse und einen chronologischen
Index zur Chronik, auf Grund dieser Analyse zusammengestellt (Zap. 41).
1) Beide mit anderen analogen Arbeiten Dykarivs, auf Kosten der Ver-
ehrer des Verstorbenen herausgegeben im V. Bde. der Sammlung der philo-
logischen Section , welcher ausschliesslich dem literarischen Nachlasse des
talentvollen Autodidakten-Philologen gewidmet ist, dessen Arbeiten werth-
volle ethnographische Beobachtungen enthalten, aber vom methodologischen
Standpunkte Manches zu wünschen übrig lassen.
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft. 287
Derselben Chronik sind auch einige kleinere Notizen gewidmet (ibid. 8,
47, 52).
Zur Geschichte der späteren Jahrhunderte (der littauisch-polnischen
Periode) haben wir folgende Arbeiten: P. Ivanov über die letzten Romano-
vicen und den Boleslav Trojdenovic (Zap. 2); Em. Terleckyj über galizische
Geschehnisse nach dem Tode Boleslavs (ibid. 12); für die Zeit des Vladislav
Opolskij publicirte ich einige noch unedirte Urkunden (ibid. 51); für das
XV. Jahrh. meine Notiz über den Charakter der Herrschaft der Kijever
Fürsten des XV. Jahrh. (zwei unedirte Urkunden des Grossfürsten Kasimir,
welche die Möglichkeit einer Einmischung des Grossfürsten in die innere
Administration des Kijever Fürsten involviren (Zap. 31) und eine grössere
Arbeit des Rudnyckyj über türkisch-tatarische Kriegszüge nach Galizien im
XV. Jahrh. und die Organisation der Verteidigung (ibid. 31 — 32). Für die
Geschichte der socialen Verhältnisse — der ökonomischen und juridischen
Formen jener Zeit wurden von mir edirt: einige Kijever Dokumente des XV.
und XVI. Jahrh. (Zap. 11), eine Eeihe ältester Inventarien aus dem Ende des
XV. und dem Beginn des XVI. Jahrh. der podolischen Schlösser (Zap. 9) der
Starostei von Lemberg (ibid. 12), Peremysl (ibid. 19) und Eatno (ibid. 26),
sowie zwei bäuerliche Verkaufskontrakte aus dem Anfang des XVI. Jahrh.
aus der westlichen Marke des galiz. Ruthenenlandes (Zap. 50;. Für die Hälfte
des XVI. Jahrh. bieten die Lustrationen der kleinrussischen, zum polnischen
Königreiche gehörenden Domänen eine ungemein wichtige Quelle. In der
Publikation »Quellen zur Geschichte der Ukraine« (Fontes historiae ukraino-
russicae) in vier Bänden edirte ich vollständig die Lustration der 1564—1565
und 1569 — 1570 Jahre, nur einige von der Kijever Archäographischen Kom-
mission (Prof. Vladimirskij-Budanov und mir) bereits edirten Abschnitte
bei Seite lassend. Sie umfassen Galizien und die Territorien von Podolien,
Cholm und Ratno und bieten äusserst wichtige Nachrichten über ökonomische,
juridische und nationale Verhältnisse dieser Länder. Als Einleitungen zu
diesen Bänden gab ich Abhandlungen über die ökonomischen Verhältnisse
des Bauernstandes in den königlichen Domänen Galiziens im XVI. Jahrh. her-
aus auf Grund jener Lustrationen, sowie zahlreicher Inventarien, welche von
mir kopirt und für die Edition in derselben Publikation der Gesellschaft vor-
bereitet wurden.
Ich erwähne noch meine Bemerkung über die im Archiv der polnischen
Finanzverwaltung gegenwärtig der Warschauer Finanzdirection) enthaltenen
Materialien, sowie ausführliche Recensionen über die Beschreibungen der
kleinrussischen Territorien von AI. Jablonowski (von mir und St.Tomasivskyj,
Zap. 17 und 51j und einige kleinere Beiträge (ibid. 13, 28, 43 u. A.).
Kulturelle, religiöse und Privatverhältnisse jener Zeit behandeln die Ar-
beiten: A. Lotockyj über westrussische Domkapitel (Zap. 9), meine und des
Dr. Prochaska über die Lage der orthodoxen Kirche in Polen (ibid. 27 und 30),
eine ausführliche, noch nicht geschlossene Abhandlung des AI. Susko über
Benedikt Herbest, einen der Vorläufer der Kirchenunion des XVI. Jahrh. mit
einer allgemeinen Schilderung des Zustandes der katholischen und orthodoxen
Kirche im XVI. Jahrh. anstatt einer Einleitung (Zap. 53, 55, 61), sowie seine
288 Kritischer Anzeiger.
AbhandluDg über die Einführung der Jesuiten in Polen (ibid. 57 und 5S ; Ma-
terialien und Anmerkungen über das Geschlecht der Bybelskyj, gesammelt
vomLemberger katbol. Erzbischof Prochnizki, einem Nachkommen der poloni-
sirten und katholisch gewordenen galizischen Bojarenfamilie (von mir für den
Druck vorbereitet), sowie Notizen über die Conversion der Orthodoxen zum
Katholicismus aus dem Samborer Matrikel vom Ende des XVI. Jahrh. iviele
orthodoxe Kriegsgefangene aus dem moskovitischen Kriege (Zap. 48 und 8)
und die von A. Susko herausgegebenen Akten der Warschauer S5'node aus
dem J. 1561 (Zap. 59). Ueber die ökonomische und juridische Lage der ortho-
doxen Dorfgeistlichkeit meine Arbeit gegründet auf Dokumenten des Sam-
borer Gebietes, mit Beifügung der Dokumente selbst aus der ersten Hälfte
des XVI. Jahrh. (Zap. 34), und spätere ähnliche Materialien mitgetheilt von
Mich. Zubryckyj (Zap. 25 und 34, Sammlung der histor. Section Bd. 5).
Vieles geben die Publikationen der Gesellschaft für die Geschichte des
Kosakenthums. Der Aufklärung der Frage über den Anfang und die ur-
sprüngliche Organisation des Kosakenthums ist mein Artikel gewidmet: Be-
merkungen zur Geschichte des Kosakenthums Zap. 22) ; dieselbe Frage be-
rühren meine zwei späteren kleinen Artikel: über die Kosaken vom J. 1470,
welche im Codex der genuesischen Kolonien erwähnt werden (Zap. 56j und über
denHetmanBohdanko Rozynskyj (ibid. 16), sowie E. Barvinskyj's über einen
Streifzug der Kosaken nach Ocakov im J. 1545 (unedirte Dokumente, ibid. 18;.
Ferner von demselben E. Barvinskyj über die Beziehungen Kaiser Ru-
dolphs II. und des Papstes Klemens VIII. mit Kosaken 1593 — 1594 (ibid. 10),
meine Materialien zur Geschichte der Bewegung der 1590er Jahre (ibid. 31
32) und ein analoges, von B. Domanyckyj edirtes Dokument (ibid. 40). Mit
dem Bande 60 beginnt eine noch unvollendete ausführliche Studie von dem-
selben B. Domanyckyj zu erscheinen: Das Kosakenthum an der Grenzscheide
des XVI. und XVII. Jahrh., wo alles bisher verötfentlichte Material zu diesem
Gegenstande gesammelt ist. Die Geschichte des Kosakenthums von dem
Aufstande des J. 1625, bis zum Aufstande 1630 inklusive, behandelt St. Rud-
nyökyj in zwei ausführlichen Abhandlungen, welche sich durch die Menge
des gesammelten Materials und die Exaktheit der Methode sehr vortheilhaft
auszeichnen (Zap. 17 und 31); wenn auch von einem Studenten geschrieben
würden sie einem auch mehr erfahrenen Gelehrten Ehre machen (zusammen mit
der weiter unten zu erwähnenden Abhandlung des Tomasivskyj waren dies
die besten Arbeiten, welche aus meinem historischen Seminar hervorgegangen
sind). Obwohl sich der Verfasser nur auf edirtes Material beschränkte,
führte er doch eine Reihe neuer Thatsachen und Details der Geschehnisse
ein und gab vielen eine neue Beleuchtung. Dem Antheil der Kosaken an
dem moskowitischen Kriege 1633—1634 ist die Arbeit des Oleg Celevyc ge-
widmet welche auch einige inedirte Materialen enthält (Zap. 28).
Vieles wurde gethan für die Geschichte der Epoche des Chmelnyckyj.
Zum 250 jährigen Andenken an diese grossartigste ukrainische Volksbewegung
(im J.1898) wurde ein Doppelband der Zapysky (23— 24) ausschliesslich seiner
Geschichte gewidmet. Hier erschienen: meine Studie über diese Bewegung,
dann eine ausführliche und sehr solide, auf Grund ganz neuen, vom Verfasser
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft. 289
selbst gesammelten Materials geschriebene Arbeit des St.Tomasivskyj über die
Volksbewegungen in Galizien im J. 1648 (in früheren historischen Arbeiten
wurden diese Bewegungen sehr wenig erforscht; ; eine interessante Arbeit des
Iv. Franko über zeitgenössische polnische Gedichte von Chmelnyckyj und den
Vorfällen der Jahre 1648—49; St. Rudnyckyj's Analyse der Nachrichten über
Chmelnyckyj und seine Epoche in der neuedirten Chronik des Temberski,
und einige kleinere Notizen und Recensionen. Aus Anlass des 250 jährigen
Andenkens an die Vereinigung der Ukraine mit Russland wurde ein kleiner
Artikel von mir im Lit. wiss. Boten (19üO, 1) veröffentlicht. Materialen aus
galizischen Archiven zur Epoche des Chmelnyckyj, gesammelt von Tomasiv-
skyj und theilweise (für das J. 1648) von ihm ausgenützt in der erwähnten
Arbeit, sind von ihm in den J. 1889 — 1901 in zwei Bänden herausgegeben-
■worden in der Serie »Quellen zur Geschichte der Ukraine«, Bd. IV und V; als
einleitende Studien wurden von ihm diesen Bänden zwei Abhandlungen bei-
gegeben : über die Wirksamkeit der galizischen Komitien während der Epoche
Chmelnyckyj's, und über die Veränderungen, welche diese Bewegung in der
Kolonisation des nordöstlichen Galiziens (des Lemberger Territoriums) verur-
sachte. Hier muss auch noch seine Arbeit über die Rolle des Lemberger
Bürgerthums in der Epoche Chmelnyckyj's und die Lebensverhältnisse dieses
Bürgerthums erwähnt werden (Zap. 15).
Die Epoche Chmelnyckyj's berührt auch die interessante Arbeit des
Em. Terleckyj über die Oceupation der Nachbarterritorien Weissrusslands
durch Kosaken und über die Ursachen ihres bekannten Conflicts mit der
Moskauer Regierung (Zap. 14;. Die Vorgänge unmittelbar nach dem Tode
Chmelnyckyj's schildert D. Korenec in der Abhandlung: »Verhandlungen
Ivan Vyhovskyjs mit Polen 1657 — 58« (Zap. 38); Vyhovskyj's Fall und die
weiteren Vorgänge beleuchtet Herasymcuk in der Abhandlung »Ivan Vyhov-
skyj und Georg Chmelnyckyj« (Zap. 59 und 60). Der Politik des letzten Mit-
streiters und Trägers der Ideen Chmelnyckyj's ist ein Artikel des Oleg
Celevyc »Verhandlungen Dorosenko's mit der polnischen Regierung« (Zap. 25)
gewidmet, eine auf zwar publicirten, aber bisher in der Historiographie der
Ukraine nicht ausgenützten Materialien gegründete Arbeit. L. C. gibt eine
allgemeine Uebersicht der durch das J. 1654 geschaffenen Verhältnisse — der
Gegensätze in den Bestrebungen der ukrainischen Gesellschaft zur Politik
der Moskauer Regierung feine nicht ganz komplette, aber nützliche Zu-
sammenstellung des Materials, Zap. 29 — 30J. Frau H.Radakova schildert auf
Grund publicirter und inedirter Quellen eine der schwersten Naturalleistungen,
welche die russische Regierung den Kosaken auferlegt hatte — das Graben
des Ladoga-Kanals (Zap. 12). Ivan Dzydzora gibt auf Grund neuerer Publi-
kationen eine Uebersicht des Verhaltens der russischen Regierung zur Ukraine
in den J. 1726 — 1737 (Zap. 61); er stellt auch Beiträge zu den inneren Verhält-
nissen der Ost-Ukraine zusammen, welche im III. Band der »Beschreibung
Kleinrusslands" von Lazarevskij verstreut sind (Bd. 58).
Zur Geschichte der galizischen »Oprysken« (Räuber) wurden herausge-
geben (richtiger wieder herausgegeben) die Artikel des Jul. Celevyc im XX.
Bande der »Historischen Bibliothek«, sowie spätere Lieder und Erzählungen
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 19
290 Kritischer Anzeiger.
über Miron Stola und andere Oprysken (Ethnogr. Sammlung Bd. V). Zur Ge-
schichte der »Kolijivscyna« (Gemetzel in ümanj im J. 1768, begann im J. 1904
die Publikation neuer Materialien : Memoiren und Briefe der Basilianer zur Ge-
schichte dieses Gemetzels, gesammelt von A. Kryzanovskyj und von mir be-
arbeitet (Zap. 57], Beiträge über die Antheilnahme der Kijever Mönche an
Hajdamakenbewegungen, von S. H. (Bd. 59), und ein anonymes polnisches
Gedicht, mit kritischen Bemerkungen über die zeitgenössische polnische Me-
moirenliteratur sowie deren neuere Bearbeitungen (Bd. 62). In früheren Bän-
den erschien eine Notiz des verst. AI. Markevyc über einige unberührte Nach-
richten von den Häuptlingen der Kolijivscyna (Bd. 45), sowie ein interessantes
Pamphlet, mitgeteilt von E. Makaruska (Bd. G).
Den kulturellen und religiösen Verhältnissen Galiziens im XVIII. und
der ersten Hälfte des XIX. Jahrh. ist der ganze V. Band des SolpHUK der
histor. Sektion gewidmet. Ich erwähne nur die wichtigeren Artikel und Ma-
terialien dieser interessanten Sammlung: Materialien zur Charakteristik der
Lebensweise galizischer Dorfgeistlichkeit im XVIII. Jahrh., gesammelt von
M. Zubryckyj; über den Kampf der Geistlichkeit mit Volksaberglauben, Ma-
terialien mit dem Vorwort des Iv. Franko; Materialien zur Geschichte der
Volksschulen zu Ende des XVIII. und aus der ersten Hälfte des XIX. Jahrh.,
gesammelt von G. Kmit, Iv. Levyckyj und Iv. Franko; Skizze der Entwicke-
lung des Schulwesens in Galizien von Iv. Levyckyj; über die erste ruthe-
nische Gesellschaft zum Zweck der Volksaufklärung (in Peremysl 1816 — 1818)
von Iv. Franko, sowie seine Mittheilung über einige unedirte ruth. Lehrbücher
aus dem Anfang des XIX. Jahrh. Ausser dieser Sammlung erwähne ich: Ex-
cerpte aus den Gestionsprotokollen der ruth. Pfarreien aus dem Ende des
XVIII. Jahrh., mitgetheilt von Iv. Franko (in kultureller oder socialer Hinsicht
interessante Anordnungen der Behörden, Zap. 27], die galizisch-ruthenische
Bibliographie 1772 — 1800 von Iv. Levyckyj (Zap. 52); ein Memorial der Dissi-
denten, präsentirt dem polnischen Landtage vom J. 1791, mitgetheilt von M.
Haluscynskyj (Zap. 51); schliesslich eine Arbeit des AI. Lotockyj über die
Lage der säkularen Geistlichkeit in Kleinrussland im XVIII. Jahrh. im Ver-
gleich mit Russland (Zap. 21).
Oekonomischen und socialen Verhältnissen des Abschlusses des XVIII.
und des XIX. Jahrh. sind folgende Arbeiten gewidmet : Iv. Franko über die
Wirthschaft des Hrymalover Güterkomplexes, an der Ortsgrenze Galiziens
f Jurid.-ökonom. Zeitschrift Bd. L ; Mich. Zubryckyj über die frühesten Eekru-
tirungen nach Volkserzählungen und Dokumenten (Zap., Bd. 42), derselbe über
die Hungerjahre 1846 — 1849 (Bd. 21), sowie seine kleineren Notizen im Bd. 50
und 58; L. Jendyk's Sammlung von Volkstraditionen über das Frohnwesen
(Ethnogr. Sammlung Bd. 5) und ein interessanter Artikel des Iv. Franko über
die Bauernverhältnisse in der Bukowina und den bekannten Deputirteu
Lukjan Kobylyca (Zap. 49). Derselbe Verfasser lieferte auf Grund polnischer
Memoiren ein lebensvolles Bild der polnischen Gesellschaft in den ukraini-
schen Gouvernements während der ersten Hälfte des XIX- Jahrh. ;Zap. 45)
und widmete einen speciellen Artikel einem Eepräsentanten der polnischen
Bauernthümelei, Anton Szaszkiewicz (Bd. 57).
Bericht über die Thätigkcit der Sevceuko-Gesellschaft. 291
Zur Geschichte des denkwürdigen Wendepunktes im galizischen Leben
im J. 1S4S gibt es einige kleinere, aber interessante Beiträge i;. Ein Bild
galizischen Lebens von diesem Wendepunkte anfangend zeichnet (nicht immer
vollständig, aber interessant) der ausführliche Artikel des verst. Eust. Ter-
leckyj, aus seinen Papieren herausgegeben^). Es wird durch Portraits einiger
Repräsentanten der damaligen Literatur und Politik vervollständigt, welche
von Iv. Franko lebhaft skizzirt wurden (Iv. Naumovic, Ant. Petrusevic, Iv.
Husalevic — Lit.wiss. Bote 1899 Heft 10—11, 1901 Heft3 und 1903 Heft 8— 11).
Wichtiges Material zur Kulturgeschichte der galizischen Ruthenen aus der
Mitte des XIX. Jahrb. geben zwei Briefsammlungen, welche Cyr. Studynskyj
publicirt hat, nämlich die von Uionys Zubryckyj (Zap. 43) und sehr reich-
haltige von Jakob Holovackyj, deren erster Theil als VIIL Bd. des philol.
Zbirnyk erschienen ist. Für die Geschichte der 70 er Jahre gibt viel interes-
santes die Biographie des Eust. Terleckyj , geschrieben von Iv. Franko
(Zap. 50 . Kleinere Notizen und Materialien zur Geschichte der letzten Jahr-
zehnte des XIX. Jahrh. will ich nicht aufzählen; Interessirte können dieselben
in den Inhaltsangaben finden. Ich erwähne nur den Artikel des Iv. Franko
über die kulturelle und litterariscbe Bewegung Galiziens in den letzten Jahr-
zehnten (Lit. wiss. Bote 1901, Heft 7 — 9), sowie meine Artikel über das kul-
turelle und sociale Leben Galiziens (ibid. 1899, Heft 2, 5 und 11), und eine
Anzahl Nekrologe der verstorbenen Repräsentanten der kleinrussischen
Wissenschaft. Eine allgemeine Skizze der nationalen kleinrussischen Wieder-
geburt im XIX. Jahrh. gab ich in dem öffentlichen Vortrag, gedruckt u. d. T.
»An der Schwelle des Jahrhunderts« (Lit. wiss. Bote 19ul, Heft 2).
Mich zur Literaturgeschichte wendend, will ich mit der Reihe
solcher Arbeiten beginnen, wo die Produkte des südrussischen Schriftthums
als Bindeglieder in der internationalen Geschichte weitverbreiteter Themen
der Weltliteratur erscheinen. Hierher gehören einige Arbeiten des Iv. Franko :
eine ausführliche literarische Geschichte des Romans von Barlaam und loa-
saph (Zap., Bd. 8, 10, 18 und 20), eine mit eben solchem grossen Apparat ge-
schriebene Geschichte der Legende vom Klemens Romanus: der Verf. beginnt
mit den altchristlichen Bestaudtheilen, um mit der Geschichte dieser Le-
gende in Altrussland zu schliessen; die Arbeit ist nicht zum Abschluss
gebracht Zap. Bd. 47, 48, 56, 59 und 60) ; eine Reihe Arbeiten über die Apo-
kryphenliteratur: das Evangelium Pseudo-Matthäi über die Geburt und Klnd-
1) »Der 1. und 2. November 1848 in Lemberg", offizieller Bericht, mitge-
theilt von Jul. Levickyj ;Bd. 25); G. Kmit »Das J. 1848 und das Lemberger
geistl. Seminar« Bd. 40); ders. »Ein Seminarist als Agitator (Bd. 41); ders.
»Aus den Verhältnissen eines galiz. Dorfes in der Mitte des XIX. Jahrh.
Bd. 44), s. ausserdem Bd. 52. 57 u. s. w.
~) Das galizisch-ruthenische Schriftthum in den J. 1848 — 1856 (Lit. wiss.
Bote 1903, Hefte 6 — 12 und separat u. d. T. : »Das galizisch-ruthenische
Schriftthum in den J. 1848 — 1865 auf Grund damaliger social-politischer Be-
strebungen der galizisch-ruthenischen Intelligenz«. Es ist eine Fortsetzung
der Arbeit desselben Verfassers »Die literarischen Bestrebungen galizischer
Ruthenen«, deren erster Theil 1892—93 in aCme i Ciobo erschienen war.
19*
292 Kritischer Anzeiger.
heit der Maria (Bd. 35), über alttestamentliche Apokryphen, apokryphe Evan-
gelien und Apostelgeschichten, — die drei letzten Arbeiten bilden Einleitun-
gen zu den drei bisher erschienenen Bänden eines grossangelegten Corpus der
Apokryphen in kleinrussischen Redaktionen gesammelt von demselben Ver-
fasser ij. Als ein Beitrag zur altkirchenslavischen Literatur muss auch der
bisher noch nicht abgeschlossene Artikel VI. Kocovskyj's über das Wirken
Cyrills und Methods genannt werden (Lit. wiss. Bote, 1904, Heft 1 u. 2*.
Eine allgemeine Uebersicht der zeitgenössischen Studien über die alte
kleinrussische Literatur gibt ein Referat des AI. Kolessa (Zap. 34". Eine all-
gemeine Skizze der alten kleinrussischen Literatur findet sich in meiner Ge-
schichte der Ukraine (Bd. III); ebenda (Bd.I) ist auch ein specieller Exkurs
der ältesten Chronik gewidmet. Es folgen die Artikel des Bas. Scurat über
die Bittschrift des Daniel Zatocnik (Zap. 9), meine Notiz über das Wunder
des heil. Klemens, welches vom Akad. Sobolevskij herausgegeben wurde
(Zap. 49), Iv. Franko über die »Sage von der Auferstehung des Lazarus»,
in welcher der Verf. ein altrussisches Gedicht über ein apokryphes Thema
nachgewiesen hat (Bd. 35), sowie desselben Verf. Arbeit über die wun-
derbare Verwandlung des Wassers in Meth im Chersonesus (Bd. 44 und eine
Variante Bd. 52). Für das XV.— XVI. Jahrh. — mein Artikel über die Lob-
rede auf Vitovt, welche in die älteste ruthenisch- litauische Chronik der
kurzen Redaktion einbezogen wurde, sowie über die Zusammensetzung der
Chronik selbst (Bd. 6) und die Erklärung aus Anlass der Hypothese, dass das
erste Litauische Statut gedruckt wurde (sie gründet sich auf einer irrthüm-
lichen Lesart) (ibid.). Für die polemische Literatur des XVI.— XVII. Jahrh.
eine umfassende Sammlung polemischer Schriften theils aus alten Drucken,
theils aus Handschriften herausgegeben von Cyr. Studynskyj (Denkmäler
Bd. V) — enthält Traktate von Herbest, Zebrowski, St. Zizanyi, Klerikus von
Ostrog und Meletius Smotryckyj, mit einer Einleitung vom Herausgeber);
Iv. Franko's Notiz über ein damals gedrucktes Sendschreiben des Ivan Vysen-
skyj (Bd. 35, 1), Cyr. Studynskyj über Hyp. Potij's Autorschaft des Antirrhesis
(Bd. 35) und AI. Susko's Bemerkungen über den Text der »Palinodia« Kopy-
stenskyj's und ihre Umarbeitungen (Bd. 54). Für die poetische Litteratur des
XVII. Jahrh. M. Favlyk — über Gawwatowicz, den Verfasser kleinrussischer
Intermedien vom J. 1619 Bd. 35). F. Zyteckyj über die »Ostroher Tragödie«,
ein versificirtes Poem, verf. um das J. 1630 (Bd. 51), Iv. Franko über anonyme
Verse eingestreut in die »Dioptra« vom J. 1612 (Bd. 22) und derselbe über ein
versificirtes Pamphlet des Lemberger Bischofs Sumljanskyj (Bd. 39,, sowie
die Reihe keinerer Notizen von C. Studynskyj über die versificirten Panegy-
rika des XVII. Jahrh. (Bde. 8, 12, 50).
1) Denkmäler der ukrainisch-ruthenischen Sprache und Litteratur. Bde.
I — IV (1896 — 1902). Die Untertitel dieser Bände lauten: »Apokryphen und
Legenden aus ukrainischen Handschriften gesammelt von Dr. Ivan Franko«.
Bd. I, Alttestamentliche Apokryphen ; Bd. II, Neutestamentliche Apokryphen:
A. Apokryphische Evangelien, Bd. III, Neutestamentliche Apokryphen: B.
Apokryphe Apostelgeschichten; Bd. IV (in Vorbereitung) wird apokryphe
Apokalypsen enthalten.
Bericht über die Thätigkeit der Sev6enko-Ge8ell3chaft. 293
Zur Geschichte des westruthenischen (galizischen und ungarischen)
Schriftthums des XVII— XVIII. Jahrh. gab Iv. Franko eine allgemeine Skizze,
begleitet von der Inhaltsangabe einer ganzen Reihe (25; handschriftlicher
Codices miscellanei, welche Denkmäler des damaligen Schriftthums enthalten
u. d. T. »Das karpatho-ruthenische Schriftthum des XVII.— XVIII. Jahrh.«
(Zap. Bd. 37, 38) — ähnliche Beschreibungen der Sammelbände und einzelner
galizischer Handschriften sind in den Zapysky auch sonst mehrere erschienen
(Bd. 10, 19, 37 u. a.). In einem besonderen Artikel befasst sich derselbe Verf.
mit den Spuren der Legende vom Presbyter Johannes und der Entdeckung
Tibets in einem karpatho-ruthenischen Texte (Bd. 41). Einige Legenden aus
einer im Dorfe Chitar befindlichen Handschrift aus dem Anfang des XVIIL
Jahrh. publicirte V. Hnatiuk (Bd. 16). Derselbe gab auch in zwei Bänden ein
Legendenkorpus aus der mündlichen Tradition des galizischen Volkes heraus
(Ethnogr. Sammlung Bd. XII— XIII;. Ziemlich viel wurde auch für die Er-
forschung der alten Verse und geistlichen Gedichte gethan: mehr oder
weniger bedeutende Sammlungen auf Grund alter Handschriften und der
neuzeitlichen mündlichen Tradition wurden von VI. Hnatiuk, Iv. Franko und
mir publicirti).
Zur Geschichte der neuen (wiedergeborenen) kleinrussischen Literatur
übergehend muss ich vor allem die vom verst. Em. Ohonovskyj verfasste Ge-
schichte dieser Literatur erwähnen, welche ursprünglich in der »Zorja« publi-
cirt und dann auf Kosten der Gesellschaft separat in sechs Bänden (1887 bis
1894; herausgegeben wurde 2 . Der erste Band, welcher die Jahrh. XI— XVIII
umfasst, kompilativ und sehr oberflächlich ausgearbeitet wurde, wurde
Gegenstand scharfer Kritik und verschaffte dem ganzen Werke eine ziem-
lich abträgliche Reputation. In Folge dessen wurde seine Literatur-
geschichte des XIX. Jahrh., welche die piece de resistance des ganzen Wer-
kes bildet, nicht nach Werth gewürdigt. Es ist richtig, der Verstorbene war
kein Literarhistoriker von Beruf, ihm fehlen leitende Gesichtspunkte, er zieht
es vor fremde Erscheinungen zu reproduciren statt eigene Urtheile zu fällen
und hat sein Buch in zwei Dritteln mit Inhaltsangaben der Literaturwerke
angefüllt; trotzdem aber hat sein Werk als eine Materialien- und Thatsachen-
Sammlung einen bedeutenden Wert und bleibt immer noch das wichtigste
Handbuch für die Kunde der ukrainischen Literatur des XIX. Jahrb., welches
durch nichts Besseres ersetzt worden ist. Eine allgemeine Skizze der Wieder-
geburt Galiziens bis zum J. 1870 gab der verst. Eust. Terleckyj in oben er-
wähnten Artikeln. Eine kurze Skizze der Literaturbewegung des Jahrhunderts
1) M. Hrusevskyj, Ein Liederbuch aus dem Anfang des XVIII. Jahrh.
(Zap., Bd. 15 und 17); VI. Hnatiuk, Ungarisch -ruthenische geistliche Ge-
dichte Zap., Bd. 46, 47, 49 eine grosse Kollektion); derselbe, Sammlung der
von den Leiermännern vorgetragenen Gedichte (Ethnogr. Samml. Bd. 11, und
kleinere Publikationen in Bd. 14, 21, 58 u. a.
-) Bd.I, Jahrh. XI. — XVIIL; zweiter Theil in zwei Bänden ~ die Poesie
des XIX. Jahrh.; dritter Theil in zwei Bänden — die Belletristik des XIX.
Jahrh.; der vierte Theil — Geschichte der Erforschung Südrusslands, un-
vollendet, umfasst die Ethnographie.
294 Kritischer Anzeiger.
gab AI. Kolessa im Artikel : »Das Jahrhundert der erneuten ukrainisch-ruthe-
nischen Literatur« (Lit. wiss. Bote 1898, Heft 11). Unlängst wurde aus den
Papieren Dragomanovs seine Skizze der ukrainischen Literatur des »Entre-
aktes« 1866 — 1878 herausgegeben (ibid. 1902, Heft 1—2). Eine allgemeine
Uebersicht der literarischen Bewegung der letzten Dezennien gab Iv. Franko
u. d. T.: »Aus den letzten Dezennien« (Lit. wiss. Bote 1901).
Gehen wir zu speciellen Arbeiten über. Das 100 jährige Jubiläum der tra-
vestirten Aeneis von Kotljarevskyj im J. 1898 rief eine kleine Kotljarevskyj-
Literatur hervor. Ausser der oben erwähnten Skizze Kolessa's erschienen im
Druck die damals während der »Akademie« zu Ehren Kotljarevskyj's gehal-
tenen Vorträge von Prof. St. Smalj-Stoökyj und der meinige (Lit. wiss. Bote
1898, Heft 11), weiter meine Notiz über die Ausgaben der Aeneis 'ibid.;, Iv.
Franko's »Kotljarevskyj in Galizien« (Zap., Bd. 26) und »Der galizische Soldat
derZauberer«(ibid. 27). Sehr viele Arbeiten wurden demSevcenko, dem Patron
der Gesellschaft gewidmet. Den ersten Platz in dieser Sevcenko-Literatur
nimmt die grosse Biographie des Dichters vom verst. AI. Konyskyj ein. welche
theilweise in denZapysky vom ersten Bande angefangen pnblicirt, und in über-
arbeiteter Form in zwei Bänden herausgegeben wurde u.d.T. »Taras Sevcenko-
Hrusivskyj, ('hronik seines Lebens« (Sbirnyk der philologischen Sektion Bd. I
u. IV, 1898 u. 1901; gleichzeitig erschien diese Arbeit auch russisch in Odessa
mit einigen Kürzungen). Dies ist die am meisten detaillirte Uebersicht der
Thatsachen des äusseren Lebens des grossen ukrainischen Dichters, doch mit
vollständiger Ausschliessung der Entwicklung seiner schöpferischen Thätig-
keit und überhaupt seines geistigen Lebens. Den Streitfragen über die Chro-
nologie einzelner Schöpfungen Sevcenko's widmete derselbe Verfasser zwei
besondere Artikel (Bd. 8 und 9), und ausserdem einige Notizen den Text-
fragen (Bd. 33 und 39). Den letzteren sind ausserdem die Arbeiten des Jul.
Romancuk und M. Kr-skyj gewidmet (Bd. 34 und 56). Dem literarischen Stu-
dium einzelner Werke Sevcenkos sind gewidmet die Arbeiten des Iv. Franko
über »Die Dienstmagd« (Zap., Bd. 6) und »An die Polen« (Lit. wiss. Bote 1904,
Heft 4), und des Iv. Kopac über den »Traum« (Zorja 1895) und des AI. Kolessa
über den Einfluss der Werke des Mickiewicz auf Sevcenko (Zap. 3). Viele
kleinere Materialien und Notizen über Sevcenko sind in der Zorja. im Lit.
wiss. Boten und den Zapysky verstreut. Unter der Redaktion des Em. Oho-
novskyj wurde von der Gesellschaft eine volle Ausgabe sämmtlicher Werke
Sevcenko's begonnen; diese Ausgabe umfasst bisher vier Bände, ist noch nicht
abgeschlossen i).
Der zweite kleinrussische Schriftsteller, für dessen Erforschung von
der Gesellschaft viel gethan wurde, ist J. Fed'kovyc, der bedeutendste unter
den älteren Schrifstellern der österreichischen Ukraine. In den Publikationen
der Gesellschaft erschienen : seine Biographie, geschrieben von AI. Kolessa,
welche in den Spalten der Zorja, wo sie zuerst erschien, eine lebhafte Po-
lemik hervorrief (Zorja 1893 und 1894), ferner Erinnerungen an Fed'kovyc, ge-
1) Eine bessere Textrecension gab die neueste kompakte Ausgabe des
Jul. Romancuk.
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft. 295
sammelt von Roman Zaklynskyj (Lit. wiss. Bote 1902, Heft 1 — 2) und eine
Reihe kleinerer Beiträge. Im J. 1901 schritt die Gesellschaft zur Herausgabe
einer vollständigen, wissenschaftlich ausgeführten Sammlung seiner Werke;
bisher erschienen drei Bände, welche seine Gedichte, Erzählungen und von
ihm übersetzte Dramen enthalten; zwei weitere Bände sollen originelle dra-
matische Schöpfungen, die Korrespondenz und sonstigen schriftlichen Nach-
lass, sowie eine Biographie des Dichters umfassen. Mehrere Arbeiten wurden
dem Kulis gewidmet: seine Biographie, geschrieben von J. Makovej (Lit. wiss.
Bote 1900 und separat), eine kritische Arbeit von Iv. Stesenko (Zap. 44), sowie
ein Artikel von V. Scurat über Kulis's letzten Aufenthalt in Lemberg (Zorja
1897). Mit ihm befasst sich auch hauptsächlich eine ausführliche kritische
Arbeit des St. Tomasivskyj «Marusia Bohuslavka in der ukrainischen Litera-
tur« (Lit. wiss. Bote 1901, Heft III— IV). M. Tersakovec gab einiges inter-
essante Material aus den Papieren des Markijan Saskevyc heraus (Zap., Bd. 58
— kleinere Ergänzungen und Berichtigungen dazu Bd. 61); Iv. Stesenko schrieb
einen Artikel über AI. Storozenko (Zap., Bd. 43), und eine ausführliche kri-
tische Uebersicht der Jubiläumsliteratur über Gogol' (Bd. 57 und 5S). Ausser-
dem findet man hier eine Reihe kleiner Mittheilungen über Rudanskyj, dessen
sämmtliche Werke ebenfalls von der Gesellschaft herausgegeben werden (bis-
her 7 Bände) u. a. m.
Eine Reihe literarischer Charakteristiken der modernen ukrainischen
Schriftsteller brachten die bisher erschienenen 27 Bände des Lit. wiss. Boten:
über Alexandra Kulisva (Hanna Barvinok) von Boris Hrincenko, über M.
Staryckyj und Lesia Ukrainka von Iv. Franko, über Karpenko-Karyj von
G. Kmit, über Kobylanska, Cajkivskyj, Hrabovskyj, Bordulak, Kovaliv von
J. Makovej, über Kobrynska und Semaniuk von mir u. dgl. m. Eine Statistik
der literarischen Produktion der Ukraine für das J. 1903 gab Iv. Kreveckyj
(Lit. wiss. Bote 1904, Heft 2). Ueberhaupt stellt die wissenschaftlich-litera-
rische Abtheilung des Lit. wiss. Boten für das Studium der modernen ukrai-
nischen Literatur ein förmliches Archiv dar, ebenso wie die letzten Jahrgänge
der Zorja, wo eine Menge literargeschichtlicher, biographischer und biblio-
graphischer Notizen zusammengetragen sind.
Für das Studium der kleinrussischen Sprache und ihrer Dialekte er-
wähne ich Folgendes : die von AI. Kolessa herausgegebenen Pergamentblätter
aus dem XII. — XIII. Jahrh. aus der Bibliothek des Basilianer Laura-
klosters, mit paläographischen und sprachgeschichtlichen Bemerkungen (Zap.
Bd. 54) ; die Abhandlung des Cyr. Studynskyj über die Lemberger griechisch-
ruthenische Grammatik Adelphotes vom J. 1591 (Zap., Bd. 7); J. Makovej's
über die ersten Schritte des wissenschaftlichen Studiums der kleinrussischen
Sprache in Galizien im XIX. Jahrh. (Zap., Bd. 51 und 54). VI. Ochrymovyc
veröffentlichte den ersten Theil seiner ausführlichen und sehr interessanten
Arbeit über die Betonung in der kleinrussischen Sprache (Zap., Bd. 33).
Sehr viel geben die Publikationen der Gesellschaft zur Dialektologie
der westlichen, der Karpathen-Territorien; ausführliche Arbeiten desIv.Ver-
chratskyj über ungarisch-ruthenische Dialekte (Zap., Bd. 27 und 40, 44, 45),
über den Dialekt der Lemken (Sbirnyk der philol. Sektion, Bd. V), der Nie-
296 Kritischer Anzeiger.
derungbewohner oder Dolynianen (bei Peremysl und Jaroslav), sowie der
Mischruthenen (oaMiuiaHui) im Bogen des Vislok (Zap., Bd. 3.5 und 36) — ent-
halten ausser einer Uebersicht phonologischer, morphologischer und zum
Theil syntaktischer Besonderheiten auch Text-Sammlungen und Lexica der
Idiotismen. Hierzu gesellen sich die Arbeiten VI. Hnatiuk's über die ungarisch-
ruthenischen Dialekte, speciell über die slovakisch-ruthenische Dialektgrenze:
»Die ßuthenen derEperjeser Diöcese und ihre Dialekte« (Zap., Bd. 35 und 36,,
kritische Bemerkungen zu derselben Frage (Bd. 38), welche auch separat u. d. T.
»Ungaro-ruthenica, 1900« erschien, und »Slovaken oder Euthenen?« (Bd. 42\
Eine reiche Textsammluug dazu wurde im IX. Bde. des Ethnographischen Zbir-
nyk veröffentlicht. Ich erwähne noch desselben Verfassers Notiz über einige
Besonderheiten des Bojken-Dialektes (Bd. 48). Schliesslich haben auch die
übrigen Sammlungen der Volksüberlieferungen von Hnatiuk, Jos.Rozdolskyj
u. a. einen bedeutenden Werth für dialektologische Studien, da sie mit voll-
kommener Bewahrung dialektologischer Merkmale aufgezeichnet worden
sind.
Zum Studium der Volkstradition übergehend muss ich vor Allem die
(posthume) Sammlung der Arbeiten Dragomanov's zur Literatur und Volks-
kunde erwähnen, welche von der philologischen Sektion in Angriff genommen
worden ist (Zbirnyk der philolog. Sektion, Bd. 11 und III). Die beiden bisher
erschienenen Bände enthalten (in Uebersetzung) die in Russland gedruckten
Studien; in den folgenden Bänden sollen die in verschiedenen anderen Spra-
chen veröffentlichten Arbeiten erscheinen. Hieran reihen sich folgende Ar-
beiten: Iv. Franko »Der Kosak Plachta, ein ukrainisches Volkslied, gedruckt
in einer polnischen Broschüre vom J. 1625« (Zap., Bd. 47) mit interessanten
Bemerkungen zur Geschichte des ukrainischen Volksliedes überhaupt; V.
Hnatiuk über die moderne Volksliederschöpfung, mit einer reichhaltigen
Sammlung solcher «neuer« Volkslieder (Zap., Bd. 50 und 52); derselbe, Volks-
lieder über den Räuber Janosik, sowie Erzählungen von ihm (Bd. 31); M. Dy-
kariv über die Weide in der Symbolik der Volkslieder (Zbirnyk der
philolog. Sektion, Bd. V); AI. Kolessa über die Elemente der ukrainischen
Volkspoesie in den Werken des polnischen Dichters Bogdan Zaleski (Zap.,
Bd. 1); Forschungen von Hnatiuk (Ethnogr. Zbir. 2) und Cyr. Studynskyj
(Zorja 1S94) über galizische Leiermänner, ihr Repertoire und ihr Argot. Sehr
viele Erzeugnisse der Volkstradition, besonders der galizischen und ungarisch-
ruthenischen wurden gesammelt und musterhaft, mit voller Beibehaltung der
ursprünglichen Form und Sprache, sowie mit Literatur- und Parallelen-Nach-
weisen herausgegeben. Auf dem ersten Plan steht eine Reihe systematischer
Sammlungen, deren Herausgabe die Gesellschaft in neuester Zeit unternommen
hat, mit kleinen, oft zufällig zusammengewürfelten Kollektionen, wie sie
gewöhnlich in verschiedenen ethnographischen Sammelbänden figuriren, sich
nicht begnügend. So gab V. Hnatiuk in zwei Bänden eine reiche Legenden-
sammlung (440 NN.), in Galizien aufgezeichnet (Ethnogr. Zbirnyk., Bd. XII—
XIII), einen Band Volksanekdoten (4700 NN.), ebenfalls in Galizien gesammelt
(ibid. Bd. VI), einen Band Volkserzählnngen zur Dämonologie (ibid. Bd. XV),
und begann eine reiche Sammlung der kurzen Lieder sog. Kolomyjki (erster
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft. 297
Theil Bd. XVII). Iv. Franko begann eine grossartige Sammlung galizisch-
rutheniseher Sprichwörter und Redensarten — die zwei bisher erschienenen
Bände enthalten nahezu lu. 000 NN. (sie sind nach Stichwörtern geordnet),
deren Stichwörter die Buchstaben A bis D umfassen, mit erklärenden Be-
merkungen und Parallelen zu jeder Nro. (Ethnogr, Zbirnyk, Bd. X und XVI).
Jos. Eowolskyj gab zwei grosse Sammlungen galizischer Volksmärchen und
Schwanke (ibid., Bd. VII u. VIII) heraus. Von kleineren Sammlungen hat eben
solchen einheitlichen Charakter Dykariv's Kollektion der Volkserzählungen
über Zarenkrönung (ibid., Bd. V), eine Kollektion von Volksanekdoten, ge-
sammelt von Symcenko (ibid.), eine kleine Sammlung obscöuer Hochzeitslieder
von Maxymovyc (Ethnol. Mater. I) u. s. w.
Eine zweite Serie bilden grössere Sammlungen folkloristischen Materials
aus einer bestimmten Ortschaft: V. Hnatiuk's Aufzeichnungen aus ungari-
schem Euthenenland in drei Bänden: die beiden ersten enthalten Legenden,
Schwanke, Märchen, Sagen und Anekdoten, gesammelt hauptsächlich im öst-
lichen Theile des ungar. Euthenenlands (Ethnogr. Zbirnyk, Bd. III und IV),
der dritte Band, im westlichen ungar. Euthenenland aufgezeichnet, gibt das
Material nach Dörfern geordnet, vornehmlich als dialektelogisches Material,
und dazu die in Backa ruthenischen Kolonien im Komitate Bacs-Bodrog —
ibid., Bd. IX) ; Iv, Kolessa's grosse Sammlung der Volkslieder aufgezeichnet
in einem einzigen Dorfe Chodovyci, Bez. Stryj, mit Melodien, welche von
demselben Sammler aufgezeichnet wurden 'Ethnogr. Samml., Bd. IX). VI.
Lessevic's reichhaltige Sammlung der Volkserzählungen aus dem Munde eines
einzelnen Mannes, Kosaken Cmychalo, aus dem Gouv. Poltava aufgezeichnet
(ib. Bd. XIV). Von kleineren Kollektionen haben solchen Charakter: Dyka-
riv's Volksmärchen und Anekdoten aus dem Kubangebiete (ibid. II), Prof.
Kaindls folkloristische Beiträge aus der Bukowina (ibid. V), Volksräthsel im
Dorfe Polove, gesammelt von J. Mykolajevyc (ibid.) u. s. w.
Nicht wenig wurde auch für das Studium des Volkslebens geleistet.
Das Volksleben und die Volkskultur ganzer ethnographischer Gruppen schil-
dern zwei grössere Arbeiten: von VI. Suchevyc über die Huzulen, diesem in-
teressantesten und originellsten unter den ukrainischen und vielleicht über-
haupt unter den slavischen Stämmen — bisher sind vier Hefte erschienen
(Ethnologische Materialien, Bd. 2, 4, 5 und '), welche ein äusserst mannig-
faltiges, in jahrelangen Beobachtungen gesammeltes, wenn auch nicht ganz
wissenschaftlich bearbeitetes Material bieten — eine schöne, mit vielen
Illustrationen versehene Publikation. Die zweite Arbeit von V. Hnatiuk
über die Euthenen in der Backa (ruthenische Kolonien an der Donau im
Komitate Bacs-Bodrog); ihnen widmete er eine ausführliche Arbeit u. d. T.
Euthenische Kolonien in der Backa (Zap., Bd. 22), eine reichhaltige Sammlung
der Liedertexte (Ethnogr. Samml., Bd. IX), und behandelt die Frage über ihre
Nationalität auch in seinen oben erwähnten Artikeln über die Dialektologie ;
überdies veröffentlichte er eine kleine Chronik von Kerestur, der wichtigsten
unter diesen Kolonien (Zap., Bd. 53). Leben und Bräuche der ungarischen
Euthenen schildert in einer kleinen Arbeit Georg Zatkovic, einer der lokalen
(leider so wenigen) ruthenischen Forscher aus Ungarn (Ethnogr. Zbirnyk,
298 Kritischer Anzeiger.
Bd. II). Schliesslich publicirte St. Tomasivskyj eine interessante Forschung
zur Statistik des ungar. Ruthenenlandes (Zap., Bd. 56).
Arbeiten über specielle Fragen: VI. Ochrymovyc über die Reste der
kommunistischen Ordnung unter den Gebirgsbojken (der Titel entspricht
vielleicht nicht ganz dem Inhalt, doch die Thatsachen der Gebirgswirth-
schaft selbst sind sehr interessant — Zap., Bd. 31); Iv. Cerkaskj'j über die
Beerbung nach ukrainischem Gewohnheitsrecht (Jurid. Ztschr., Bd. 9); Iv.
Franko und Phil. Kolessa Volksglaube im galizischen Pidhirje (Bez. Kolo-
myja, Stryj und Drohobyc — Ethnogr. Zbirnyk V) ; M. Dykariv's Beiträge zur
Mythologie, zur Volksbotanik, Volksglaube über den heil. Nikolaus, alle in
der posthumen Sammlung seiner Arbeiten. In seinem ungemein reichen hand-
schriftlichen Nachlass hat sich u. a. auch ein Volkskalender aus dem Gouv.
Voronez, gefunden, welcher im Bd. VI der Ethnologischen Materialien publi-
cirt wurde. Früher hat derselbe Verf. seine Beschreibung der Weihnachts-
feier aus dem Kubangebiete herausgegeben (Ethnogr. Zbirnyk Bd. I . Einen
kleineren Volkskaleuder aus dem westlichen Bojkengebirge in Galizien gab
Mich. Zubryökyj heraus (ibid., Bd. III,. Die Hochzeitsbräuche aus dem
Gouv. Cernihov wurden sehr ausführlich und sorgsam beschrieben von
P. Litvinova-Bartos (ibid.), sowie von Ch. Hrys aus dem Gouv. Poltava (ibid.,
Bd. I). Eine Sammlung huzulischer Zaubersprüche nach verschiedenen Auf-
zeichnungen gab Iv. Franko (Ethnogr. Zbirnyk V).; Kinderspiele, Kinder-
reime und Beobachtungen über das Leben der Kinder lieferte M. Derlyca (ibid) ;
über Zusammenkünfte der Dorfjugend gabDykariv ein Programm mit dem aus-
führlichen Kommentar (Ethnol. Mater. III) heraus, lieber musikalische Volks-
instrumeute schrieb der unter dem Pseudonym Bojan sich verbergende Ver-
fasser Zorja 1894), Ueber bemalte Ostereier aus nordöstlichem Galizien, ihre
Zubereitung und Ornamentation liegt eine Arbeit des M. Korduba mit einem
schönen Musteratlas vor (Ethnol. Mater., Bd. I). Für die materielle Kultur: V.
Hnatiuk über Volksspeisen und Volksküche in Galizien (Ethnol. Mater.. Bd. I),
und die sehr werthvoUe chemisch-physiologische Analyse der ruthenischen
Volksspeisen von dem bekannten Physiologen Prof. Iv. Horbacevskyj (Zbirnyk
der naturwiss. Sektion, Bd. V). Ueber die Einrichtung des Bauernhofes handelt
eine Arbeit von M. Mohyicenko (Beobachtungen aus dem Gouv. Cernihov) in
Ethnol. Mater., Bd. I ; über die Schafzucht bei den Bojken eine Arbeit des
M. Zubryckyj (ibid. VI) ; über die Fischerei der Ukrainer in der Dobrudza
eine Arbeit des J. Volkov (ibid., Bd. I). Zum Studium der Volksindustrieen
brachten die Bände I, III und VI derselben Materialien folgende Beiträge :
M. Mohyicenko über Töpferei in Olesnja, Gouv. Cernikov, M. Eusov über die
Töpferei in Oposnja, Gouv. Poltava, V. Hnatiuk über die Weberei und Kürsch-
nerei in Galizien, A. Veretelnyk und M. Rusov über verschiedene Arten der
Holzindustrie, P. Litvinova, A. Veretelnyk. M. Syskevyc über die Oelpressen
in Galizien und der Ukraine, Frau O.Radakova über die Bauernjuwelierkunst
im Gouv. Charkov.
Ich zählte hier nur dasjenige auf, was mir bei der modernen Richtung
der historisch-philologischen und ethnographischen Studien am werthvoUsten
und interessantesten schien. Die Interessirten können nach diesen Hinweisen
Iljinskij, Ein Fall der gramm. Analogie, angez. von Resetar. 299
mit Hilfe der jedem Jahrgange der Zapysky beigefügten Indices, sowie der
auch deutsch publicirten Chronik der Gesellschaft auch selbst das ihnen
Nötige finden. Wollte ich alles Neue hervorheben, was diese Arbeiten und
Publikationen für das Studium Südrusslands und des kleinrussischen Volkes
bieten, so müsste ich natürlich den Rahmen dieser schematischen Uebersicht
weit überschreiten. Auch so, wie die Sache gegenwärtig steht, in Betreff
einiger Fragen, z. B. bei einigen Abtheilungen der Geschichte Altrusslands
und speciell bei der Geschichte Galiziens in ihrem ganzen Umfange, bei der
Geschichte des Kosakenthums bis zur Epoche Chraelnyökyj's einschliesslich,
bei der Geschichte der neuen iikrainischen Literatur, bei der ukrainischen
Dialektologie, dem ukrainischen Folklore überhaupt kann kein Forscher ohne
genaue Bekanntschaft mit dem von der Sevcenko- Gesellschaft dazu Ge-
leisteten und Publicirten auch nur einen Schritt vorwärts kommen.
M. Hrusevsktp.
HjitHHCKiH, r.A., Oahhi. eüyiaH rpaMMaTH^iecKoä anajorm wh cepö-
cKOMi. H3BiKi (aus dem Cögphhk'b zu Ehren Lamanskij's).
Es handelt sich um die Erklärung der räthselhaften serbokroatischen
Endung -ä im Gen. pl. der nominalen Deklination. Da ohne weiteres zuzu-
geben ist, dass alle bisherigen Versuche nicht befriedigen können, stellt I.
eine neue Hypothese auf, wobei er — was von seiner Seite sehr angenehm
überrascht — in diesem -ü kein Pronomen sieht ; vielmehr nimmt er an, dass
dasselbe aus der ursprünglichen Endung -bjb der «-Stämme sich entwickelt
habe und dann auf alle Substantive übertragen worden sei; -yt hätte im
Serbokroatischen -bi, -bj, dann mit Vokalisation des Halbvokals -aj, endlich
nach Schwund des wortschliessenden -J (und gleichzeitiger Ersatzdehnung
des vorausgehenden -a-) ein -ä ergeben. Nach der Annahme I.'s hätte also
eine und dieselbe Endung -bß im Serbokroatischen bei den i-Stämmen ein -t
igösü, ndci), bei den übrigen Stämmen dagegen ein -ä [köüä, zenä) ergeben, in-
dem dort der erste Halbvokal verstummte und die auslautende Silbe Jb zu i
wurde, hier dagegen das erste & zum vollen a sich entwickelte und das y
schwand. Diese Divergenz in der Entwickelung einer und derselben Endung
sucht I. dadurch zu erklären, dass bei den t-Stämmen die letzte Silbe, d.i. der
letzte Halbvokal den Ton trug, während in den übrigen Kategorien «der Ton
jedenfalls auf das erste & fallen musste, wodurch dessen Vokalisation erklärt
wird« 'S. 6); wenn aber bei denselben Stämmen das auslautende/ schwand,
so erklärt sich das durch »den relativ späten und zufälligen Charakter
seines Ursprunges, der ihm keine Möglichkeit zuliess, sich zu befestigen«
(S. 7). Die Sache ist aber damit nicht erledigt, denn zunächst steht es speziell
für das Serbokroatische fest, dass die 2'-Stämme schon in der ältesten Zeit
aus der slavischen Endung -bß ihr gegenwärtiges -t entwickelt hatten; in
historischer Zeit konnten also die übrigen Stämme von den t-Stämmen als
Endung des Gen. pl. nur ein -l annehmen. Sollte man aber nur für das
300 Kritischer Anzeiger.
Serbokroatische an eine noch ältere konsequente Annahme der En-
dung der «-Stämme von Seiten der übrigen Substantiven denken, so muss
entschieden betont werden, dass es methodologisch nicht geht, für die ein-
heitliche Endung -hjb bei den übrigen Stämmen Betonung des vorletzten &,
bei den i-Stämmen selbst dagegen Betonung des letztens anzunehmen: hätten
die übrigen Stämme die Endung der «-Stämme angenommen, so hätten sie
ganz bestimmt auch die dieser Endung anhaftende Betonung angenommen
(vgl. z. B. prstä, noicdtä, aber prstt, nöJctt nach gdsü, nöct) und dann müsste
eben auch bei den übrigen Stämmen das urslav. -bjb zum -l werden. Es ist
ferner sehr fraglich, ob wir für das Serbokroatische als Mittelstufe zwischen
dem urslav. -hß und dem serbokroat. -i der «-Stämme ein -hi voraussetzen
dürfen, wie dies II. thut; höchst wahrscheinlich geht nämlich das -i auf die
Nebenform -iß zurück (mit der bekannten Verlängerung des 6 vor^), so dass
die von II. vorausgesetzte, in der Geschichte der serbokroat. Sprache gar
nicht vorkommende Form -hi, bezw. -hj, kaum als Ausgangspunkt für das -ü
genommen werden kann. Dies dürfen wir um so weniger thun, als die An-
nahme einer vorhistorischen Endung -y (woraus -«) bei den o- und a-Stämmen
direkt der schon genügend hervorgehobenen Thatsache widerspricht, dass
diese Stämme einen Halbvokal an vorletzter Stelle erhalten, bzw. in einer
auslautenden Konsonantengruppe sekundärer Weise entwickeln: otäcä, 7nä-
cäkä, bzw. vjetärä, sestdrä ; wenn man aber dem entgegen sagen wollte, dass
— was gewiss richtig ist — das auslautende -ä erst hinzutrat, nachdem der
urslav. auslautende Halbvokal verstummt war, daher auch der Halbvokal an
vorletzter Stelle sich erhalten, bzw. neu entwickelt hatte, so ist darauf hin-
zuweisen, dass 0- und a-Stämme, wenn sie wirklich die Endung der
«■-Stämme annehmen, auch in Bezug auf die Behandlung des Halbvokals
an vorletzter Stelle nach den letzteren Stämmen sich richten (vgl. nokdta,
inäjäkä, mazdkä, crkävä, bresäkä u. s. w., aber nökü, majki, mäzgt, crkv'i,
hreskvi u. s. w.). Das -« hat somit mit der Endung -hß der «-Stämme wohl
nichts zu thun ; woher es aber kam, das ist allerdings schwer zu sagen.
* M. Resetar.
Heinrich v. Ulaszyn, Dr. phil., lieber die Entpalatalisirung- der ur-
slav. e-Laute im Polnischen. Leipzig 1905, 92 SS.
Die Abhandlung ist ein Theil einer grösseren Arbeit, wie der Verf. im
Eingange des Vorwortes schreibt, um auf den Umstand hinzuweisen, dass
der für das Ganze gewählte Titel für diesen veröffentlichten Theil vielleicht
zu weit ist, da ja in der That nicht alle Fälle der »Entpalatalisirung«, z.B. im
Anlaut und in den Zusammensetzungen hier behandelt sind. Aber auch dieser
Ausschnitt zeugt von der grossen Gründlichkeit, mit welcher der Verf., der
früher schon auf dem Gebiete der historischen Studien gearbeitet hat, jetzt
in der slavischen Sprachwissenschaft die unternommenen wissenschaftlichen
Aufgaben erfasst und behandelt, man sieht den Einfluss seiner Lehrer und
V. ülaszyn, Entpalatalisirung, angez. von Nehring. 301
Führer, Baudouin's de t'ourtenay, früher in Krakau, der ihn in die slavische
Philologie eingeführt hat, Jagiö's in Wien und zuletzt Leskien's in Leipzig,
wo er die letzten zwei Jahre verblieb. Die Aufgabe, die Dr. v. Ulaszyn hier
sich gestellt hat, betrifft die Erscheinung im Polnischen, dass die Vokale e
und e, beide weich, vor den harten Konsonanten d t, z s, l n r zu io bezw.
ia umgelautet werden: wiosna las, vor weichen Lauten oder weichen Nach-
silben, und vor;?- und A-Lauten dem Umlaute ausweichen und in ihrer Qua-
lität verbleiben. Dieser Lautvorgang, der in der angegebenen Umgrenzung
dem Polnischen seit Beginn seines Sonderlebens eigenthümlich ist, war seit
jeher unter dem Namen Umlaut allgemein bekannt und wiederholt beleuchtet,
hier aber ist er mit einer wohl unnöthig gewählten neuen Benennung zum
ersten Male von Grund aus physiologisch und historisch geprüft und sowohl
in seiner lautgesetzlichen Folgerichtigkeit als auch in seinen Schwankungen
und Abweichungen, die auch erklärt werden, eingehend behandelt. Aus die-
sem Grunde ist die Arbeit des Dr. v. Uiaszyn als eine treffliche Einzelunter-
suchung, — und an solchen fehlt es in der polnischen Grammatik — , mit
Anerkennung zu begrüssen, und es ist zu wünschen, dass der Verf. auch an-
dere Eigenthümlichkeiten des Polnischen mit derselben Sorgfalt behandele,
oder dass andere zu ähnlichen Untersuchungen angeregt werden.
Im Einzelnen scheint mir in der besprochenen Abhandlung manches der
Vervollständigung oder Richtigstellung bedürftig zu sein. Zunächst wäre
der Hinweis auf die Assimilation im Bulgarischen in zelezo und zelezen, vera
und veren u. ä., und auf den Umlaut des e in e im Eussischen unter gewissen
Bedingungen: veselyj, bereza am Platze gewesen, — aber freilich, aus dieser
nur theilweisen Gemeinsamkeit waren für das Polnische keine Schlüsse zu
ziehen; vielleicht sind nachhaltigere Anklänge im Lausitzischen anzutreffen:
piscec und piscai, fensi und rany, aber auch diese Anähnlichung ist mit dem
polnischen Umlaute nicht gleichartig, und der Verf. beschränkte sich mit Recht
auf das Polnische. Bei dieser Beschränkung vermisse ich bei der Prüfung
des Lautvorganges, dass die p- und A-Laute den Umlaut aufhalten, den Hin-
weis darauf, dass diese Konsonanten im Polnischen auch sonst mit weichen
zusammengehen, die Gaumenlaute mehr, die Lippenkonsonanten weniger:
wielki nagi st. wielky nagy, wielkiego nagiego; gumien trumien pewien,
okien bagien; wieku duchu wie koniu u. s. w. ich darf mich begnügen, auf
diese Neigung des Polnischen hinzuweisen, — aber nicht des Polnischen
allein, hier möchte man auf grossrussische Dialekte hinweisen, welche nach
Potebnja (Zürn, minist, nar. prosv. 1874, HI 116) »zur unorganischen Erwei-
chung der Gutturalen und Labialen inkliniren«, worauf auch, sowie auf
gleichartige polnische Erscheinungen Jagic im Archiv I, 347 f. hinweist; es
ist demnach in der Natur der polnischen Lippen- und Gaumenlaute begrün-
det, dass sie den Umlaut aufhalten.
Was die einzelnen Erklärungen anbetrifft, so muss ohne Bedenken zu-
gegeben werden, dass das Fehlen des Umlautes bei dem Worte kobieta
richtig in dem Umstände gefunden wurde, dass dieses Wort spät in der
Sprache erscheint, denn erst im XVI. Jahrb. bei M. Bielski in Sejm nietciesci
im verächtlichen Sinne anzutreffen ist, dasselbe kann aber auch von anderen
302 Kritischer Anzeiger.
Wörtern, z. Th. von demselben Typus gesagt werden: zaleta podnieta, das
letzte folgte auch dem etymologisch homogenen, häufig auftretenden Worte
niecid, und wich dem Umlaute aus; tasak mag viel älter sein, die Wurzelsilbe
cies- wird aber durch eigenartigen Ablaut {e:a] sich zu tas und nicht zunächst
erst zu cias- und dann durch Verlust der Jotation zu tas gewandelt haben.
Die Wahrnehmung, dass der Vokal e, wenn er den Halbvokal 6 reflektirt, an
dem Umlaute nicht theilnimmt (pies nicht pios, giezlo-gzlo) ist im allgemeinen
richtig, aber es konnten solche Abweichungen wie dzionek wioska u. a. er-
wähnt werden : dzionek Deminutivum zu dzien folgte der Analogie von
pierscionek, promionek u. a., von Subst. auf -en gebildet, welche der Verf
S. 66 bespricht, wioska scheint eine unmittelbare Bildung zu sein, ist aber
vielleicht aus dem regelrecht gebildeten, vorauszusetzenden *wieska ent-
standen, ein Adjectivum *wieski (wiejski ist doch wohl nach der Analogie
von miejski aus miestski geformt) mag auch zur Bildung von wioska beige-
tragen haben, vielleicht existirte auch ein Deminutivum przycioska zu przy-
cies; an eine Analogie von piosnka, wie man meinen könnte, ist nicht zu
denken, weil in früherer Zeit, in welcher wioska entstand, das Deminutivum
zu piesn piasnka war. Mit wioska hängt zusammen wiochna und schliesslich
auch wiosnianka, wofür ein polnischer Dichter des XVII. Jahrh. willaneczka
aus dem Italienischen als ländliches Gedicht gebraucht. In chrzest wurde
der e- Vokal wegen der Flexionsformen chrztu chrzcie und wegen chrzcic als
ein beweglicher empfunden, aber chrzesny (mit Verlust von t) scheint die
Sphäre überschritten zu haben und erzeugte die Nebenform chrzasny. An
dieser Stelle möchte ich die Bemerkung einfügen, dass in den lautlichen Er-
scheinungen des Polnischen manches an Willkür streift, dass das Polnische
von einer gewissen Launenhaftigkeit nicht freizusprechen ist ; — man kann
es auch Hang zur Mannigfaltigkeit nennen — man vergleiche z. B. lesny und
wezesuy niewczesny doczesny, Adjectiva zu las und czas, dort s hier s, die
Wörter mögen früher doczesny n. s.w. gelautet haben. In der Erklärung nun
der Adjectiva mit dem Suffix -tny und -tnik, auch -Bszy möchte ich lieber
bei dem früher geltenden Satze stehen bleiben, dass bei diesen Bildungen f
z s und k g ch durch das einst wirksame 6 regelrecht erweicht oder palatali-
sirt wurden: dzielny, przasny, wieczny u. s. w., dass aber d < und r, auch n
ehedem den Konsonanten unmittelbar erweichten, die Erweichung aber all-
mählich einbüssten, so dass kwiet'ny, wier'ny u. s. w. zu kwietny, wierny etc.
geworden sind; wietrzny entwickelte die weitere Wandlung des r' in ?-r, weil
es an opatrzny, wnetrzny, in denen die Lautfolge -trzn- nothwendig war,
gleichsam ein Vorbild und einen Halt fand. Dass sich der Verf auf die Wör-
ter mit dem Suffix (dem »Formans«) -tni'y) beschränkt hat, ist vielleicht nicht
richtig, denn auch die Suffixe -Bski und -tstwo verdienten Berücksichtigung:
rodzenstwo (aus plur. rodzeni), mieszczanski (aus mieszczanin) u. s. w.
Noch eine Bemerkung. Die zwei besprochenen Umlautsprozesse (e : io,
e : ia) gehen parallel neben einander, ohne in einander zu greifen, d. h. e geht
nicht in ia, e nicht in io über, ein Zeichen, dass beide e einst verschieden
gelautet haben müssen. Daher sindUebergänge in die andere Sphäre äusserst
selten: piosnka für das ältere piasnka, vom Verf besprochen, wspomionac,
Trstenjak, Slovenen im Somogy. Koro., angez. von Jagic. 303
pieczara, kolaska, welches doch wohl den Stamm koles hat, und obiotowac,
welches einmal im Ps. flor. vorkommt. Nehring.
Slovenci v somodski zupaniji na Ogrskem. Napisal Anton Trste-
njak. V Ljubljani 1905. S«. 115.
Nicht um alle Bewohner slovenischen Volksstammes, die in Südwest-
ungarn wohnen, handelt es sich iu diesem kleinen Büchlein, das als Sonder-
abdruck aus dem »Slovenski Narod« vor kurzem erschienen ist, sondern nur
um die versprengten Reste in dem Somogyer Komitate. Der Verfasser er-
zählt theils aus Autopsie (Reiseeindrücke), theils nach gedruckten Werken.
Das erste Kapitel ist einem Dorf Tarany (1 1/2 Stunden Weges von Nagy Atäd
entfernt) gewidmet, dessen rein slovenische Bevölkerung nach der letzten
Volkszählung 1597 Seelen haben soll. Die Einwohner sprechen fast alle auch
magyarisch, namentlich die schulpflichtige Jugend singt nur patriotische
magyarische, in der Schule erlernte Lieder. Auch die Kirche ist durchwegs
magyarisch, mit dem Pfarrer an der Spitze. Der Verfasser vergass zu fragen,
ob die Leute auch magyarisch beichten müssen. Einst, vor mehr als fünfzig
Jahren, pflegten die kroatischen Franciskaner des Warasdiner Klosters
hauptsächlich in der Fasten- und Beichtezeit, den ungarischen Pfarrern jen-
seits der Mur Aushilfe zu leisten. Ob noch jetzt diese vernünftige Toleranz
geübt wird, weiss ich nicht. Im nächsten Kapitel wird nur ganz flüchtig von
den kroatischen Dürfern des Somogyer Komitates berichtet. Wichtiger ist
der Inhalt der weiteren drei Kapitel, der von der einstigen Verbreitung des
Protestantismus bei den ungarischen, jetzt zumeist magyarisirten Slovenen
handelt und namentlich auch über den bekannten ugroslovenischen Schrift-
steller Stefan Kuzmic einige Daten gibt. Zum Schluss werden die Erfolge
der energisch, um keinen härteren Ausdruck anzuwenden, betriebenen Ma-
gyarisation in diesen von vielen Kroaten und Slovenen bewohnten Gegenden
besprochen. Dieses Thema beherrscht überhaupt das ganze Büchlein, wogegen
ethnographische Schilderung stark zurücktritt, die Charakteristik der Sprache
fehlt leider gänzlich. Das letzte muss man sehr bedauern. Wir wissen über die
dialektologischen Eigenthümlichkeiten dieser Slaven so wenig ! Beachtens-
werth ist nur die auf S. 23 rhitgetheilte Notiz, dass die Bewohner von Tarany
früher tüdi (also ü für u) sprachen, jetzt aber rein u [tudi] aussprechen. Ist
das die Beeinflussung seitens der nicht weit abliegenden Kroaten ? V. J.
Kleine Mittheilungen.
Beiträge zur Geschichte der slavischen Philologie.
Briefe Vuk St. Karagid an Ign. AI. Brliö und Andr. T. Brliö. Mitgetheilt von
Prof. ö. Surmin in Zagreb.
Herr Dr. V. Brli6, Advocat in Brod a/S. erlaubte mir gütigst, diese
Briefe mitzutheilen, und ich hoffe, es wird sich manches in diesem brieflichen
Verkehr für die Entwicklung der slavischen Philologie finden.
I.
y Eeqy 6/18 okt. 825.
iby6e3Hii u MHoronoiuxoBaHH npnjaxe.ijy!
OjasHo 6h BaM oaroBopiio Ha hhcmo Bame oa 23. pyJHa, a.iu caM cne o^ie-
KHBao Urtheil, Kao raio cie mh nuca-ra, Äa hy ra ao ocaM aana äoöhtu. Ebo
caji CHHoh npuMuo u »era. 3a ose saM BejiuKa *a.!ia ! Bp.10 cre Äoöpo yiUHH.ra,
lUTO Mu Urtheil y opuruaajiy Hnjecie ca« no nomxu nocjiajiu. Ca CeöacTiija-
HOBüheM rJteÄajxe (F. CKajiHua u sn) KaKO sac Eor y^u: aKO ne anejrupa oh,
r.3eaajie He öiicxe atx ßapen rJiaBHe HOBiie (x. j. 57 ayKaxa) HniqynaJii, a Haj-
noc-iHJe II 500 f. W.W. ysiviuie (Eo.te je u nixa, ner' Huraxa — Oa sjia ayacHHKa
H Koay 6e3 MJtuKa). CaMO, ano ycHpaBUxe Vergleich, neMojxe aa Bac npeBaj)H,
aa ra HanoBO genaxe, Hero oaMa totobo aa ussaau u aa n-iaxu. Bp^io he aoCpo
6hxh, aKO öyaexe MorjiH yjarMuxu 10 150 f. oa $epHha; onaa 6hcmo ra Mor.JH
663 uixexe y ancy paHHXH, aKO He njaxu. SnaM aa F. CKa.3HHa caa pacxe. Oh
je jora npoteioc Kasao, aa he CeöacxHJaHOBHhy o6yhu ryaaH raoKaiKu, a Kanyx
aa he My npoaaxu.
Kanre Koa ce. Ane ja caM y3eo oaaia, KaKO caM npmino hhcmo, ajiu
HCMa Ocjegana, aa BaM jii noraibeM. CBaKii apyru aan nnxaM Koa npECHora
nnjexjra 3a OcjeiaHe, na ao caa Heaia HUKora. Jy^e mu Kasanie, aa he obo
aana HCKaKa 1^3T^)CKa KOJia no.Ta3HiH y Ocujck; saio caM mojiuo T. TupKv, aa
niixa one, Koju la kqjiz. onpeMajy, h, KaKo mh je oh Ka3ao, mucjihm sa unjejio,
aa he ce Bame KH>Hre ose He^e-f.e onpaBHxa xaMO. H3 obc Heay.i>e oa Kftuacäpa
Koa CB. Ane BHanhexe, aa caM ja 22 Kp. njiaxHO mio cy KH>Hre saMoiane, a ne-
KOJHKe cy BaM Kaare u Maibe aaJin, jcp Kaacy aa cie bu p^Bo pa^iyHajiu.
Mjioro caM ce Mopao HHaxmu c H>HMa: Hujecy hejin aa BaM ocxase 30 na 100,
Kleine Mittheilungen. 305
roBopehu aa cy saM npuje caMo 20 ocxaB.LaJii ; saxo cy roBopH.iH, aa bem na-
lucM, aKO ue hy laKO npuMiixu; a Kaa caM jum ja Kaaao, aa ucMa BpeivieHa aa
nHcaibe, OHaa cy ipaaui^iu no npoxoKyjiaMa, u jeasa iiaijy, aa cy bem no 30
0CTaB.i>a;iii ! 3a Te HCKO^uKe Kifaure, iuto cy EaM Maae aa^H, bh mohcctc ipa-
5KHTH, aKO MHCJHTe, aa Cy BaM HCnpaBO y^HHIUH.
$aja BaM ua npeaÖpojniiuHivia! Hero ce qyaHM, uito mu AaaM $u;iiraoBHh
iiHuiTa HG oaroBopu ! ^a cc ne 6yae pacpauo, luio caM My Bpjio cbojckh nucao?
To 6ii MU Bpjo acao 6uäo.
Konurap joni Huje ynpaBO iiauuHuo oiiii cjoBa, nero mh je caMO noKasHBao
KaKO MUCvin oa npujiuKe; iteroBo 6h h> 6h;io OBaKo tj^ (n u j), a ^ Ij (1 h j); i
ou MHCJH aa ce ysMC ynpaso c^raBCHCKO, a h h ^ cpncKa, a lu 6h ce Mopa^o
KaKO Ha^HHHTU, jep Kaate, aa cjiaBeHCKO ne Ba^a, a ac on mhcjih OBaKO x.
npoiuaBiue je roauHc Hsnuiao Lehrbuch der Windischen Sprache, von
Peter Dainko. Grätz bey Johann Andr. Kienreich 1824; a oBe je roanne
usHin.ia MeTCbKOBa (Metelko) KpaacKa rpaMaxHKa y ibyö.Laiiii (Laibach).
Te o6je Ba.-ba aa HapyiHxc (jep ju osi^e HCMa, a ja 6u BaM ju nociao); h y
jbHMa uMa HOBH c^EOBa. ÜHOMaaiie mu Kasa Konuxap, aa je ueKaKaB EurJiea
Bpjo CKopo Ha^uHuo ij^ sa HHaujauiie. Dainko UMa ij^ u ciaBCHCKO i, ajiH je
Mjecio m yseo 8 ! lo ue Ba.i>a. EyaHie sapaBU !
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sa KftHre, h rjeaahy aa saM u no npBOJ npu.aHniu onpaBUM y Ochjck ua
Tupuepa. /Kao mu je mxo cy BaM le npsauiibe uenpaBO y Epoa nociaxe; ja
caM Toöoace muciuo, aa ju xaKO aoöujexe kojh aau npuje, u Kojy Kpajuapy
je<s>iHHHJe. KaKO 6u 6ujo, aa mu apyru nyx numexe, aa saM KH.nre OB^e
aaM BesaxH (na 6u ouaa u apMuuuja, mhcium, 6uja Mana)? — SaöaBHUKe
caM nocjiao y Ilenixy JocH*y MuJOByKy, ue suaM jejiu JH BaMa onpaBHO. Ja
hy H c OBHM niKOJCKUM KH.nraMa nociaxu BaM 20 3a6aBHHKa (oa kojh asa, mo-
.1HM, noaajie AaaMy $HJHnoBuhy, koju mh je nucao, u nosapaBuxe ra .työesHo) ;
na aKO 6u aoin.au u ohu u3 IleniTe, a bu rjieaajxe aa mu jh pacnpoaaxe no
2 f. W.W. (a HU3ce He). HMa h KajieHaap y H>HMa. üpoaahe ce u no 2 f.
CBH, jep caM uauixaMnao caMO 1000 enseMn^iapa, a iniaM oko 700 npenyMe-
paHxa ! — Ebo BaM nia.T,eM jeano o6jaB.T>eHuje o »npoaojiaceHiio« acuBOxa, ue
aa ce noxnumexe, uero caMO aa ra Buauxe, a Kitury ly bu MOHceie 6o.'be lu-
laxH ua acMaiKOM jesuKy.
Ca OBUM uiKOJCKHM KiburaMa noc^ahy saM ueKO-iuKO or.ieaa cb. nucMa
Ha CpncKOM jesuKy, xe r.ieaajxe ne 6h .lu ju icaKOMe Capaj.iuju npoaaJiu
(6apeM no 10 npajnapa CM.), aa hoch onaMO sa ^euy — a u sa .i.yae.
luxe ce xHie CeöaciujaHOBuha rjieaajxe BU xaMO c F. ÜKajuuoM Kano sac
Eor yqu, a OB^e hy ce ja cxapaxu.
Archiv für slavische Philologie. XXYII. 20
306 Kleine Mittheilungen.
Elenchus vocabulorum Slavicorum magyarici usus ja caM aoöno, h Bpjio
je Äo6pa KBHra (y cbom poay) nero je ^einio npehepaHo, h. n. deak,
Erdel, paputs &c. — Ulxa qHHHie bh c rpaMaxHKOM ? Ohe jih cKopo 6hth
roTOEa? Ja 6h Bpjio ace^iiio ja ce OBl?e mxaMna.
IIo3/ipaBHTe Mu .iyöesHO TT. IIonoBuha, Paaii^eBHha nony, KyMa Mhj^'
(h CBHMa juM *a.?ia aa noajpaBy) ; nosüpaBHie mh laKo^ep ii T. Dr. E.iac.ia h
CoHeHÖepra, a CaHaaKyca KcMaarepa u ocia^e CBe nosnaanKe, a ocoöhto Bame
CBe aoMahe. KoiuiTapa hy BaM aanac nosapaBara.
EyÄHie sjpaBH a Bece.iH! C hcthbhm BHCOKonoiHTaanjeM ociajeM
Bam npajaie.'b
ByK Cie*. Kapaaah.
36H.i.a! nosapaBaie Ma a Aija-Cxjenaaa CMa.BaHaha, a aa T. CKajiaay,
10 ce Bch 3aa. —
III.
y Beiy 9. acK. (no Phmck.) 825.
ibyßesHH a BacoKono^HxajeMH npajaie.-by!
MacJiBM aa exe aaBHo npaMHja moj oaroBop na iihcmo Bame oa 8ra ciy-
aena. Kitare caii Bau oaMa Kynao, a.ia ao OHOMaane najecaM Morao yaecaxa
npajHKe aa a noni.iCM. Caa cy oxBni.!ie y OcajcK na Tapaepa, a oh Ba.ta aa
Beh 3Ha, mia he aa.te c H>aMa lanaxa. Hs obc aeay.te, ajH Koaxe, Baaaheie,
Äa caM ja 1 f. 22 fr. CM. Mopao aonjiaxHxa 3a Kaare: oaa Kaacy, aa bh Hajecie
Äo6po pagyaaJiH (caa Ba paqyaaxe aa hobo); a aa naKOBaibe n;iaiBO caM 36 xr. C.M.;
a apMaaaje 2 f. 24 xr. — Veltls Sprachlehre acMa ebko y Beiy (aaxa kg
apyra, ocbm oaa Koa cb. Ahhc, Ciiaje HMaia), a Koa cb. Ahhc ce mxaMna, Kao
raxo cy H aa kohxh xoj sanacaJiH. — Ca obbm KaaraMa nocjao caM 20 3a6aB-
HHKa a 20 orjieaa cb. nacMa aa CpncKOM jesany; 3a6aBBHKe, mcibm noKopao,
c npHJioaceHaM OB^e hbcmom noma.baxe y BaBKOBue T. npo*ecopy Bece.aoM
(caMO H saBBJie Majio, aa ce ae acKBape); a orjieae rjteaajie aa aaMeiaeTe
KaKBM CapajjHJaMa, Kao mio caM BaM aacao. Kaa 6a exe Morja KaKBora Ca-
paj.!iBJy aaroBopaxa, aa y3Me Kojy 100 xaje orjeaa, MaKap My aajia a je*iB-
Haje, caMo aena a aoca, aa ce qaxajy no Bocaa h no EpaeroBaaa. Bh exe
Bame SaöaBaaKe Beh mbcjibm npaMB^ia, jep mb Ma.iOByK name, aa BaM a je
nocjiao. — Illxa qaaHxe ca Ce6aciBJaaoBaheM? UosapaBBie mh r. CKajHay, a
Bame aoMamae, a a ociajie npajaxe.be a nosaaaHKe. üoaapaB.-ba Bac .i>y6e3HO
r. Koanxap. ^OK.ie exe aorn^a y aamoj rpaMaxana? Kaa hexe 6axH totobb"?
HaBajBxe mio 6pace. C bcxbebm BBCOKono^aiaaBJeM
jecaM Bam c-iyra
ByK.
Herrn Ignatz AI. Berlich in Brood
per Ofen — Essegg. in Slavonien.
Kleine Mittheilungen. 307
IV.
y Beqy 12/24 Jauyapa 826.
ibyÖeaHU u MHoronouixoBaHu npujaTCby!
HajaM ce na. exe npHMH.3ii Moje nucMO oä 9. ÄeKCMBpuja h y üeMy Konry
OÄ mK0.3CKU Kaura, KOJe exe Mopaju xaKoljep oaaBHO npHMHXH. Ja ca.M npuMUO
Baiue HHCMO OÄ 29. CryÄCHa (aa Jiu je oöuiHHJe cxysiba? Nora.: ciyaaifc,
PycKH: ciyÄCH)) h y fteiiy 20 f. W.W. Ebo ca;[ uixo caM ja sa Bac nJtaxuo:
ÄonaaxHO 3a npBe KH>iire — 22 Kp.
apMuuuje — — 1 f. 33 —
Äonjaxuo 3a Äpyre KibHre 1 — 22 —
apMHUHJe — — 2 — 24 —
lUTO cy aaBHJeHe — — — 36 —
6 f. 17 xr. CM.
TaKo npexjeqe Baiuu HOBaiia Koa MeHC 1 f. 43 xr. CM. Joui hy k obom
ja aojaxH 57 xr., xe hy saM KynHiH Taj'tuJHe njecMe, u no npBHM Ocjeqa-
HUMa noc.iaxu. IIIxo exe Haui.in MJecio 17 20 saoaBHHKa, lo Ba.La na. caM ja
2 nocjiao 3a A^aMa $u.iHnoBiiha, a jeaau Baiia sa cKyn-taibe (aecexaK) ; nero sac
MOJHM, rjieÄajie AaaMa aa HaMHpuxe, jep My u ja caj HeMaM npcKO Kora apy-
ror Qocjaxu.
JLo roauHe, aKO Bor aa 3ÄpaB.i>e, rjieaahy, aa 6yae saöaBHHK nyaujn 3a-
6aBe. ^uiuje Be.tKOBO CByaa iHiajy Hajpaauje, ajiH ^ckojh (ocoöuto KaJiy-
l^epa) Ha Ka.ieHaap Buiy ao 3.3a Bora, mxo caii ^eKoje CBCije noMcxao CpncKU,
H. np. BoKiih, CnacoBaaH h. t. a.
C.iaBOHCKHM Ka./ieHaapuMa, mxo mh 3 oöpuyexe nocjaxu, pajyjeM ce. Oßbe
HBKO npHJe Kasa, aa je y Byaujiy 3a OBy roanny H3iimao HeKaKaB CjaBOHCKH
3a6aBHHK noa hmchom Eßpona! He sHaM je jh io HCXHHa? TaKO^ep caM
qyo, aa ce u HSKaKa CjiaBOHCKa rpaMaxHKa y ByaHMy inxaMna; ho hh xo
He 3HaM saacia. 3a Bauiy rpaMaxHKy joui HHJecaM Morao pacnaxaxH, nomxo he
oa npu.3UKe xaöaK aohn 3a 500 KOMaja; ajin hy jaMaino rjieaaxu aa pacnuxa>r
KOJiHKo je Moryhe ( jep söor ohu KojeKaKU cjoBa, Koja he ce MopaxH naHOBO cjehn,
He MO/Ke ce ynpaBO Hasuaiuxn). HaBa.Juie bu caMO, xe CBpuiHxe rpaMaxHKy, a
ociajio he cbc öhih jiacHo. Ja ca.M qyo, aa ce Ka^uhese njecMC y ^yöpoBHiiKy
HaHOBo uiiaMnajy, a.iH aa cy OB^e y HCHsypu, HHJecaM Morao aosHaiH (npnje
he 6hxh y 3aapy); a 3a OcMaHuay ^yo caM, aa he je TpjecTancKu yiaxe-t,
Je*xa üonoBHh (poaoM U3 CpujeMCKU KapjiOBaua), HamuMa ciobume aa aaae
niiaMnaxH.
Ulxa yquHHCxe ca CeöacxujaHOBuheM? Ja jeaHaKO Koa anejramije pacnu-
xyjeM, naK jom neMa Humxa, a u bu mucihm aa 6h mu imca-iu, aa je mxo
nocjiaHO. Ba.i>a aa cy My onex npoayacu.iu poK 3a anejaijujy. r.!ieaajxe bu
caMO aa Bac xy ne npeBa2)u, a osaMO Kaa ao^e, Moja he 6nxu 6pura. TjieaaJTe,
He maJHxe ce, aa ce xu $epuheBH hobhh saapace. üosapaBHxe mu .työesHO T. Cna-
jiHHy, H r.ieaaJTe, xe paauxe KaKO Bac Bor yiu.
no3apaBnxe mh npBO CBe Barne aoMaiUH.e, na onaa CBe npujaie.bc u n03Ha-
20*
308 Kleine Mittheilungen.
HHKe ! Bac nosapaB.ia .iyöesHO F. Konmap. Ako ce i)e cacTaHeie c AaaMOM,
no3ApaBHTe ra .ty6e3HO oä
Bauiera noKopHor cjyre u
npiijaTe.Tja Byna.
n.n. Eto BaM lua.-LCM jejHO oßjaB.'beHHJe o Hochzeitlieder der Serben,
Koje he ce, mhcjium, o iiayheM üeniTaHCKOM Bamapy jiohH äoöhtu (noKypja-
^HJiH MB ynpaBO !). Ba.i>a na, hcMO CKopo u lIIa*<i>apiiKOBy HcTopujy jesuKa ir
JlmepaType CBujy CiaBeHCKn Hapo;ia äoöuth; HajiaM ce, aa he to öhxu suaTHa
KH>Hra.
V.
y Ee^y 29. Janyap (no Hain.) 826.
.l>y6e3HU npujaTe.-by !
Hauia cy ce nucMa onei MHMOiinua. IIo nucMy BameMy oä 26. CjeiH.a
iua.i>eM BaM Statuten von allgemeiner Versorgungs-Anstalt &c., sa Koje caM
naaTHO 24 xr. CM. — Weltgeschichte von Schneller, ano noje*THHo ysecuM
Koa KaKBa aiiiuKBapa, Kynnhy Baw ; .Iuuäob ETHMOJioriiKOH xeiuKO he ce äoöhtu
OB^e. — KoÄ ^(iBanoBuha 6iio caM ABanyx (jom noaaBHo), aum ce ayro HHJecMO
MorjiH pasroBapaiH, jep caai ra o6a nyia Hamao y hpkbh ^e qnxa pHmhaHHMa
II pHinhaHHiiaMa MCiHXBe u pasaaje 6.3arocjiOBe. Omhii hy My joni jeaan nyx,
u onex hy ra nosapaBuiu oa sac.
Ja MHC-iHM aa je oh jom (u Mopahe ocxaxii) npaBii lüoKaii. — Ha npe-
^aiuftera niiCMa Mora Bul)eheie, na, mc hh MaJio HHJecxe yBpHJeaiiJu c jiniii.'be-
H>eM BaniHM ii onhancKUM o iiojoj Jl&uunu; ajiu onex ja ne ap5KHM, aa je y
cy^eay o KauraMa vox populi vox Dei. Ty rocnoaapii sapaBH pasyii ti
HCTHHa, KOJH, «aHac HJiii cjyipa, Mopajy noÖHJeÄiixii. HMa KH>nra, KOJe
je Hapoa y no^exKy y SBajes^e KOBao, a nocjiHJe cy cbh npn3Hajrii, aa je
HiiuiTa; a iiMa ii, Ha Koje je Hapoa iis no^eiKa BUKao, a nocjiuje cy u npnsHa.iu
sa HajaparoujeHHJe cxBapu. Ja nnuiyhu HHKaa He mucjium Ha aanaiUHje iHxa-
ie.i>e OA npocxoxe, nero Ha KpuxiiKy ii na hoxomcxbo. — IIo npBOJ
npHJiHmi nocjiahy saM FpaMony rpaMaxuKy, a u Ta.a*UHe njecMe (aKO h Mor-
6yaeM äoöhxh). 3a CKa-aiiqiiHe ciBapa Hapy^HO caM jeanoMe koä anejianuje, u
^HHHhy ÄparoBO-tHO, nixo je ro^ Moryhe. FjieaaJTe h bu laMO ca CeöaciiijaHO-
BiiheM KaKO Bac Eor yqu. — IIosapaBnxe cbc.
ByK Cxe*. Kap.
Im Briefumschlag:
njecMe Ha ILeMa'jKo:\i jesiiKy u FpxiMOBy rpaMaxuKy nocJiahy BaM ca
SaöaBHHHHMa, jep cy Baiue niKo^iCKe KH>ure cnpeM-iene. IIjecMe npeBda Khii
Cxa(xc)paxa von Jacob, also Talvj snaqu Teresia a h i h xo Ba.ta aa cy ne-
KaKa ftCHa UMcna, vj je jaMaqno von Jacob. Ona ce poiiiJia y Pycitjii, u
xaKO nopea PycKora .lacno je Mor.ia CpncKU HayiuiH. 36ii.La ! ina**apuK,
npo*ecop y HoBocaacKOJ ruMHasHJii, H3Äao je oöjaB.teHHJe o aeroBOJ Ilcxopiiju
-iHiepaxype CBujy c.iiaBeHCKii Hapje^HJa. Iliijena äo ÄeKCMBpHJa 1 f.
30 xr. CM. a nocjuje he 6iixu 2 f. 30 xr. ja 6u BaM jejHO DöjaB-iennje nocjiao.
Kleine Mittheilungen. 309
a.m MU je /Kao ja n-iaruxc 14 Kp. BUiue. IIo3Äi>aBUTe iT.y6c3HO Baiue ÄOMahe h
CBe npHJaTe.T.e. Konuiap Bac nosapaB^a jbyöesHO. —
Herrn Ignatz AI. Berlich in Brood
per Ofen — Essegg. in Slavonien.
VI.
y Eeqy 12/24 *e6pyapa 826.
IIpeÄparu npHJaTe.Ly!
^aaac 15 jana, KaKo caM saM nociao Statuten von allgemeiner Ver-
sorgungs-Anstalt, H HaaaM ce, «a cie jh hphmhjih; caMo ne snaM, je.;iii iuto
noMorao Kreutzband, jep ^yjcM, «a ce 0Bi)e cjiaöo Ha to naau (a y TepMaHujir
je Bp.JO OÖUIHO).
Jyqe caM npuMuo oä CeöacTHJaHOBiiha obo hhcmo Ha KOJe My ja HHuiTa
HHJecaM oüroBopao, huth hy My niia OÄroBapaTU, Hero nucMO obo ma.LeM BaMa
u r. CK&JiuuTi, Äa sHaxe, luia mhmu Ce6acTHJaH0BHh. KaacuTe T. CKajiHUH, Hena
My Kaace (aKO je nyacHO) , aa ce oa Mene oaroBopy ne Haaa. Ja hc hy aa snaM
3a Kpa'^yHOBHha ; Hero bh (F. CKajtHua h bii) HaBa.iiuTe, HSKa npoiiec aae cbo-
JHM nyiCM, aa 6u ce uito npuje CBpinuo. Ako 6u CeöacxHJaHOBHh (nao mio
cie MH BH Her^e npuje nuca^u) noMOJiuo uapeM 500 f. W. W., CKajiuua UMa
B.iaci Ha^UHuiu Vergleich; a ano CeöaciHJaHOBHha Mpsu xo noMeayxH CKaAuuu,
a BH rjieaaJTe, xe oxBopHxe laj nocao npeno KaKBora CeöacxujaHOBuheBa npHJa-
xe.La; caMO r.!ieaajxe ao6po, aa Bac CeöacxujaHOBuh ne npcBapu, nero aa nojo>KH
roiOBO (ja MUCJHM aa 6h xo öhjio Hajöe/be u sa Mene h 3a CeöacTHJaHOBuha) ;
aKO -lu CcoacTHJaHOBHh hc 6yae heo Hainnum xaKOBora Vergleicha, a bh sa-
Ba.iuxe, aa ce cspum no cyay h no npaBUUH, na hcMO ra aaxBopuxH (nya
je oxHui^ao jyne, hck uae h J'^kc], a ja sa uuje.io muc;ihm, aa he u y KpuMU-
Ha.T aohH.
Ja ce ocjiaibaM na Bac u na T. CKa.iuuy, aa hexe bu xo cBpmuxu, KaKo
ce 6yae Haj6o.i>e MorJio. Hs nacMa OBora BHan ce, aa je CeÖacxHJaHOBHh yme-
npx.LHO, na 6h heo c hobom npajesapoM aa ce noMorne. Caa Ba.i>a HaBajHxn.
Moace 6hih, aa ce oh 6ojh anejtauHJe (a HMa u npaBO mio je ce 6ojh). — 3a
nociOBe r. CKa^mne Koa anejiaHHJe roBopuo caM c jeanuM, Kao niio caM BaM u
npnje nncao, a.iu joui HujecaM Humia Morao pasaöpaxu, ocoohio söor pl)aBa
EpeMCHa, Koje mu, HMa 10 aana, ne aa y rpaa oxnhu; nero öyanxe ■j^jepeHH, h
BH H OH, aa hy c naJBehoM paaocxH rjieaaxH, miorol) 6yae Moryhe oa Moje
cxpane. — Ha Koa ''IcBanoBuha 3a one KftHre jom HHJecaM 6ho. — IIo3apaB.-ba-
jyhu .T>y6e3HO, KaKO sac h Bauie aoMamae, xaKO h T. ÖKajiuHy, ociajeM c
uciHHHM noiuxanujeM Baui noKopHH cjiyra ByK. —
VII.
y Eeiy 13/25 AnpHJtuja 826.
üpeaparu u MHoronomxoBaHU npHJaie.i.y!
IIpuMUo caM Bauie .i,y6e3HO hhcmo oa 6. OBor MJecena (xpaEfta), laKo^ep
c'
H OHO Taapa CKa.iHHe oa 8. Mapxa. Ja caM joui npuje oBora nncMa Bauiera
310 Kleine Mittheilungen.
OB^e 6no Ä03Hao, «a je CeöacTHJaHOBHh peKypirpao Ha ane^iauHJy, a mhcjum aa
je oaaBae seh OTiiniJio Ha TaMoniKH MarHCTpai, aa ce jaBii, no oöH^ajy, KaKO
Ta CTBap CTOJH. CeöacTHJaHOBHh Mopa jaram u pacxesaxu kojihko je Moryhe,
ajtH he CBeiay tomc ÄohH Kpaj ; caMo F. CKajHuy mojihm, «a My ce ne Äocaaa,
na fla naM ce nocjiHJe cbcth h noacMHJCBa CeöacxujaHOBHh; nero HeKa ce apacH,
u HaBajiHTe, kojihko je Moryhe «a 6h ce Jurotulirung — Tagsatzung jpacao,
caMO Äa ce je^iaH nyi Ha anejranujy onpaBH. r.iejajxe n bu, mo.thm Bac, le
noMaacHie T. CKa^HUu y ^oiy öy^e nyacHO u Moryhe.
Bpjo MH je 5Kao Illxainipajöepa KpaHHa, aJH ce onex paayjeM mxo je ly
r. EpKHh Äouiao. KaÄ ce ibeuy caMO Äonaja aioj npaBonnc, sa jesHK heMO
JiacHo: MH hcMO aera yBJepHxn, «a je y BHAaKOBHheBUM (Kao ii y ocxajiHJe,
KOJH onaKO nHiuy) KanraMa HHKaKaB jcshk; a h mh heivio npu3Haxu aeiviy,
aa je H y ^eKOJHM luoKaqKHM KiburaMa jesHK Harp^eH ao sja Bora.
MojHM Bac, nosapaBHie mh .työeano F. BpKuha; Ba.-ba aa je npHMuo oaasHO Moj
oaroBop Ha nncMO aeroBO oa 10. *c6pyapuja.
C '"leBanoBHheM caM ce ao6po nosnao, h Bp;ro mc paao npuMa; MO»ce 6hxu
aa hy ra h cjyipa pano nooauxu. nocbeaan nyi Kaa caM 6ho Koa aera, aao
MH je 4 Ka^reaaapa nauiera AaaMa $ujunoBuha, oa kojh caM jeaan aao ^Ly-
öHöpaxnhy (KonHiapy), apyrn PyMHJy, xpehu noaiao ^oöpoBCKOMC, a leiBpin
yciaBHO 3a ceöe. Ako ^e suauxe AaaMa, noaapaßuxe mh ra .lyöesHO, h *ajia
My Ha KaJieHaapHMa I Moace 6uxh, aa iiy u ja ueuixo nanucaTH o aeroBoj pe-
uensHJH 0 nioKuiy, na hy My nociam, (aKO 6yae heo) HCKa mcxhc y Ka.ienaap
3a roaHHy 1827.
Ba-ta aa Bch uMaie ina**apuKOBy Hciopujy CjiaBencKora je3HKa h .ime-
paiype? KaKO BaM ce aonaaa? Ja My ocoöuxo ÖJiaroaapHM, mxo h CjaBonne
H JajMaiHHne h PsahaHe (nauie, a ho KcKaBue) ysHMa (no npasau) Me^y
Cp6e, Kao h BouiHiaKe u IIpHoropue.
nixa ^HHUxe BU c BamoM FpaMaiuKOM ? Kaa MucjiHie, aa he ce no^eiH
mraMnaiu? ileae HaBajiHie aa 6yae uixo öpace, jep 6h h ja paa aa nnmeM sa
Cp6e joui jeany (nosehy) FpaMaxHKy, na saxo acejiHM, aa sama Hajnpnje u3H^e,
aa yBMCM Bani CuHiaKcuc, aa ce ysa^iya ne MyquM oko aera (?).
Ja hy (aKO Bor aa 3apaB.-be) Hajaa.i>e ao aeceiaK aaaa nohH oaaBae y
IXemxy, 3äio auo mh mxo ycnuuiexe, usBOJuie nucMO onpasuxH Hä Mu^iOByKa
(mit Briefen des Herrn Jos. Milovuk in Pesth); lo ucxo, mojium, KaacHxe u
F. BpKHhy. Ako mh noiu.i.eie Kano nucaMue na F. Ha^a, 6uhe mh Bp.xo mh.io,
jep hy caa jaMaiHo rjieaaxu, aa ce c ann nosnaM.
üosapaBUxe mh .'by6e3HO F. GKajiuny. 3a no.aaHiHha npouec pasyMHJo
caM, aa je (e)xtrairat, ajiH ne 3HaM, Kaa he ce pe*epHpäTH, jep cy anejaHHOHC-
Räthe roiOBo cbh 6ojrecHu, a Ko3eji je (Kao mxo exe, mhcjihm, qyjiu) nocxao
Hofrath. ^hhu mh ce aa ce OB^e ciaöo rjeaa Ha Apelations-Beschwerde u
Ha Apelations-Einrede, Hero na npohec (Acta &c.), na onaa Ha cyaujuH
Urtheil u na Beweggründe. Saxo bh aKO ycnnniexe Einrede, r.ieaajxe aa
6yae mxo je Moryhe Kpahc; jep Kaa ce Kojemia naxpna, Kao mxo oöu^ho
qHHH CeöacxujaHOBuh, onaaj ce c.ia6o h ^uia. —
F. KonHiap h anpcKxop Joa.1 no3apaB.i>ajy sac .i)y6e3H0. Oa mchc, mojhm,
nosapaBHie Barne aoMamae, anpCKTopa Bjiacja, F. IIonoBHha ca CBHMa aoMahuM,
Kleine Mittheilungen. 311
Hauiera nony, aoKxopa CoHCHÖepra, T. PaÄii^cBiiha, A5H-CMH.i>aHHha h ocia^e
cse nosHaHDKe h npHJaxe.ie.
Bam
noKopHH Myra h npHJaxe.T,
ByK Cie*. KapauHh.
VIII.
y ByaHMy 19/31 Mauja 826,
jty6e3HH II MHoronoiuTOBaHn npHJaTe.i>y!
^aHac caM npiiMHO oj T. CKajiHue nucMo same oa 26. OBor MJecena. Bpjo
BaM ÖJiaroÄapHM na nucMy Ha T. Ha^a. Obo Äana otuKh hy aa ra noTpaacHM.
— ÜByaa je OHOMaüHe npoiuao laMO naiu aoöpn Fpra HcBanoBHh. Ako saM xy
ao^e, MOJUM, Äa Me ibOMy u yciMeHO npenopyiHxe. y Eeiy mc cbojckh no-
lacxHO y CBOMe HaaiacxHi^y. — ^Ccjihm aa Baia ÄHapHJa 6yae 2chb h aapaB h
cpehaH a geciHi; h aa cboj'hm poaHie.i.UMa 6yae Ha paaocx h na SHKy, Kao h
BH Bamuiia mxo exe. — F.ieaajxe FpaMaiHKy aa CBpniHie mio öpace. Moace
6hih aa 6h cie ETHMo.-ioruKOH bh sacaa uovjia h HaociaBHiH? —
0 CeöaciujaHOBHhy npunoBHJeaao T. CKa.iuHa cujia.. FjeaaJTe h y Ha-
npeaaK, iio.ium Bac, u HaBaJiuxe, mxo je Moryhe, aa 6h ce jeaaH nyi CBpmnjo.
— F.ieaajxe, mojhm Bac, aa mh no obom oöjaB.LCHHJy Hat)exe Kora npeaöpoj-
HHKa. — nosapaBHxe mh jtyÖesHO F. EpKiiha, a h AaaMa, aKO ra ^e Bnanie ;
xaKO H ocxajie npHJaie.te h nosHaHHKc, a ocoÖhto Bame aoMamae. — 3a qyao
MH je, KaKO ina**apHKOBe Hcxopuje HHJecie joni npHMu.in! Ba.i>a aa he BaM
je caa nooziaiu. — Bam npujaxe.t u no^Hiaici,
ByK Cie*. KapauHh.
IX.
y ByaHMy 26. aBr. (no namaMy) 1826.
Ilpeaparu n MHoronomxoBaHH npnjaxe.by!
Exo BaM ma.BeM 4 o6jaB.T>eHHJa o momc 3a6aBHHKy 3a roa. 1827. Uo
jeano, M0.IHM, noma.T>Hie y ITo/Kery n y FpaaumKy (a.iH KaKUM nosnaEHnuMa,
KOJH he ce noxpyaHiH aa 6u HamjH Kora npeHyMepama;. HaaaM ce, aa hexe
MH BH xy CKynnxu npeuyMepaHia 6apeM kojuko u JiaHH. 0 nayheMy UemiaH-
CKOM Bamapy npenopyquie KaKOMe sameM EpoJjaHHHy, neKa ce npnjaEH Mujo-
ByKy 3a KH>Hre. IIo3apaB.i)ajyhH KaKo Bac u Bame aoMamae laKo h F. CKajiHuy
H ociajie iipHJaxe.i.e h no3HaHHKe, ociajeM
Bam noKopHH cjyra
ByK Cxe*. Kapaijah.
Hern Ignatz AI. Berlich in Brood
per Efsegg.
312 Kleine Mittheilungen.
X.
y Beqy 15/27 okt. 826.
ilayöesHU H MHoronoiuTOBaHH npnjaTe.i>y!
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npouecoM.
IIosapaBiiTe MU .-byöesHO r. CKa.iuuy, h ocTajie nosHauHKe u npHJaTe.te.
Bac .iiyöeäHo uosapaB.ta T. KonuTap; a ja ocoöuro nosapaB.tajyhz u sac n sauiy
Focny c ucthhum BucoKonoiuTauujeM jecaM Baui noKopHU ciyra
ByK Ctc*. Kapauuh.
NB. IIucMa MU y nanpeaaK HaxnHcyjie : auf der Landstraße N^o 291 im
Hofe rückwärts im 1. Stock.
XI.
MHoronouiTOBauu Focnoauue!
IIpuMHO caM KaiaHiuheBO cbgto hucmo y 6 Kibura, KOJe ctc mh nocjia.3u
y uapyi, u BCJiuKa BaM xsajia 3a to. Kaa mh BHuie ue ycTpeÖa, Bpamhy BaM
ra ca 3axBa.Momhy, a aoTjie ucKa BaM obo HenoAUKO pujequ 6yay CBJeaoqaHCTBO,
aa cy noMGHyTe KibHre y Meue,
y Eeiy 2/14 aeKCMspa 846. ByK Cie*. Kapayuh.
BucoKoyqeHOM rocnoaHHy
Ah ap uj u EpüHhy y IlasMaHOBHHU.
XII.
y Beqy 4/16 JyjiHJa 1860.
MuoronouiTOBaHU rocnoauue u npHJaTe.i)y!
Eto BaM uia.icM 66 Mojujex HOBUjex KftUJKima: 60 sa Baute npeuyMe-
pauTe, a 6 oÖhihh aeceiaK. XBa.;ia BaM ua .i>y6aBH h ua ipyay.
Ja ce MUCJHM OBaje öaBHTU joui aBHJe ueaje.te aaua. Kaa öucie mh sa
Kleine Mittheilungen. 313
xo BpHJCMc Mor.TU HOCJiaTU aMO (y Moj cxapu KBapTup Landstrasse N° 517.)
uoBue 3a le Kiburc, yiiiHu^iu öHcxe mh bcjhky .työaB; aKO ;iu to ucöyae mo-
ryhc, a Bu ux noma.mTe y ScMyH Bacu.iujy BacuJHJCBiihy (Basilius Wasilije-
vits in Semliu).
yiunuju ÖHCTC Mu .i.yöaB KaA öuctc mu jaBUJiu mio oä Eociie, ocoöiito
iiiia ce qyjo sa one EomibaKc iuto cy npo.beioc 113 CpöHJe npeöjcrju npeno
/IpHHe y BocHy: aa PHCiy Jcjuha qyjo ce Äa cy ra Typuii >KiiBa yBaTn;iii,
a.iu lUTu ÄU jo ÖHito ozn Phctc JoBH^Hha kojh je oko J^yp^cBa Äue ca ueKO
7 — 8 apyra npeöjerao npcKO ^piine UH2te JIoaeHime? Ako ce obo niicMO c
KH>iiraMa He sasomm, mojihm Bac Äa öucie mu OÄroBopii;iu na ifa aMO, aKO äü
ce aaÄOiiHH, a Bu mu numre y Euorpaa. Baui ÄOJaKouiiLU npujaie.L
ByK Cie*. Kapayuh.
Spolari — Spolarich.
Ich erinnere mich aus meiner Jugend des Familiennamens Spolaric in
«Sveti Ivan na Zelini«, Damals lebte ein Arzt dieses Namens dort, von dem
man allerlei lustige Geschichten erzählte, z. B. wie er am Pulsschlag eines
Patienten erkannte, dass er nur — betrunken sei. Er hatte aber den Puls
seiner eigenen Hand betastet. Nach vielen Jahren, es war in Petersburg, im
gastlichen Hause des Fürsten Vjazemskij, während einer üblichen Freitags-
versammlung, kam mir das Buch »CurriculumPhilosophiae Peripatheticae etc.
Autore R. P. Melchiore Cornaeo« (Herlipoli Anno 1657) in die Hände, auf
dessen innerem Umschlag ich eine Notiz fand, die mir den oben erwähnten
Spolaric in Erinnerung brachte. Ich theile sie hier mit:
Ego Franciscus Spolari natus sum anno 1639 mense novembri tribus cir-
citer diebus ante festum S. Martini episc. et confessoris.
Quando igitur fui annorum 11, tunc incepi studere apud S^ura Joannem
in Zelina meaque ibidem studia inchoavi in anno dmni 1650 in initio mensis
Agsti. Deinde in anno dni 1652 recte ante festum S. Georgii veni Varaadi-
num, ibi factus sum maior parvista sub Rndo Magistro Magiaradi.
Man ersieht ans dieser unscheinbaren Notiz, dass der spätere Familien-
name Spolaric einmal (um die Mitte des XVII. Jahrh.) noch die fremde Form
Spolari führte. Nachher war die Slavisirung durchgeführt, das sieht man aus
einer späteren Eintragung in demselben Buch. Ein Besitzer desselben näm-
lich, vielleicht ans dem XVIII. Jahrh., trug seinen Namen so ein:
Fratris Michaelis Spolarich Ordinis Sancti Pauli primi Eremitae Pro-
fessoris.
Was für eine Schule in Sveti Ivan im J. 1650 vorhanden war, lässt sich
schwer sagen, jedenfalls nur irgend eine Elementarschule. Denn der Unter-
richt dauerte, wie man sieht, nur zwei Jahre. Gleich darauf kam der junge
Mann nach Warasdin, olfenbar in die dortige lateinische Schule, vielleicht
bei den Paulanern. Sein Lehrer seheint ein Ungar gewesen zu sein. V. J.
314 Kleine Mittheilungen.
Zier Etymologie von »pre^ustvou.
Schon Kopitar hat über dieses, wie es scheint, nur dem Slovenischen
eigenthümliche Wort nachgedacht, woher es wohl kommen mag. In seinem
Schreiben an Dobrowsky vom 7. IV. 1809 heisst es nämlich: »Woher wohl
unser preshustvati, ehebrechen? Die neueren Bibelübersetzer haben es von
shesti (sextus) abgeleitet und schreiben preshestvati: aber das wäre ein ku-
rioses 6tes Geboth auf dem Berge Sinai: 6tens du sollst nicht übersechsten:
Trüber schreibt preshushtvati, preshushnik, preshustnik«. (Siehe Briefwechsel
zwischen Dobrowsky und Kopitar, S. 56). — Ich glaube nicht, dass die Ab-
leitung von shesti die Schreibweise preshestvati veranlasst hätte, bin vielmehr
der Ansicht, dass die angeführte Schreibweise nur die spätere, jedoch von
shesti (sextus) durchaus nicht beeinflusste Aussprache wiedergibt, — wenn
es auch vielleicht richtig sein mag, dass die Ableitung von shesti (6tus) allen-
falls bei der Katechese der Kinder, wo man sich in die eigentliche Erklärung
dieses Gebotes begreiflicher Weise nicht recht einlassen kann, also etwa in
usum delphini ganz willkommen gewesen sein dürfte. Der Grund aber, dass
das ursprüngliche preshi^stvo mit der Zeit zu preshestvo wurde, ist annehm-
barer Weise in der eminent starken Betonung der Vorsilbe und die dadurch
hervorgerufene Enttonung der Stammsilbe zu suchen. In Folge der Tonver-
Bchiebung ist der volle Vocal der Stammsilbe zum Halbvocal eingeschrumpft,
während das einfache shustvo, das Trüber noch ganz wohl kennt, wenn es sich
erhalten hätte, wohl kaum zu shestvo hätte werden können.
Dobrowsky wusste auf die obige Frage Kopitars momentan — wie es
scheint — keiue Antwort; aber auch die, die er ihm diesbezüglich nach
21 Monaten zukommen Hess, konnte diesen bei der (fast möchte ich sagen)
cynisch-burlesken Auffassung des Wortes wohl kaum befriedigen. Dobrowsky
schrieb nämlich am 2. I. 1811 an Kopitar: »Ihr preshustvati ist wohl von
ssaustati, alt ssustati, wetzen reiben — also ein niedriger metaphorischer
Ausdruck für subo, subare. Die figürlichen Ausdrücke sind gewöhnlich nicht
am leichtesten zu erklären«. (Briefwechsel, S. 63). — Einen lediglich auf das
Slovenische sich beschränkenden Ausdruck aus einem xar iSo^v*' cechischen
»soustati« abzuleiten, das erregt schon an sich einiges Bedenken abgesehen
von der gar zu derb- sinnlichen Auffassung, die da zu Grunde gelegt wird.
Kopitar konnte sich mit dieser Naturwüchsigkeit in der erwähnten Etymologie
Dobrowsky's sicherlich nicht abfinden, doch er schwieg und Hess es auf sich
beruhen.
Nun kommt Miklosich in der vergleichenden Grammatik (II, 178) mit
seiner Ableitung von ched (resp. sid), die Form presestvo zu Grunde legend
und fasst das Wort als transgressio. Zu dieser Etymologie mag ihn wohl,
was die formale Seite betrifft, das altslovenische LUkCTBHI€ noQeia und
lUkCTKOKaTH odevBiy verleitet haben, in semasiologischer Hinsicht aber
dürfte die bekannte geläufige, aber deswegen noch nicht richtige Deutung
des lateinischen adulter (quod ad alteram se confert) für ihn entscheidend ge-
wesen sein, vielleicht auch das russische pacnyxcTBO (Liederlichkeit, Unzucht).
Es soll noch hervorgehoben werden, dass sich Miklosich die Ableitung nicht
Kleine Mittheilungen. 315
mit dem Suffix -Bstvo vollzogen denkt, sondern mit -tvo, wobei er die noth-
wendige Dissimilation des Dentals d vor t zu s annimmt. Diese Erklärung von
presestvo wiederholt Miklosich auch noch in seinem etymologischen Wörter-
buche auf S. 80, obschon sich mittlerweile P. Skrabec auf den bescheidenen
Umschlagblättern seines »Cvetje z vertov sv. Franciska« (111,4; ganz ent-
schieden dagegen hatte vernehmen lassen. Die Ausführungen des P. Skrabec
verdienen, insofern sie die Ableitung von der Wurzel sid zurückweisen und
das w in der Stammsilbe von preswstvo mit Berufung auf Trüber, Dalmatin
und Gutsmann in Schutz nehmen, die vollste Anerkennung, denn die Ab-
schwächung des presustvo zu presestvo ist leicht erklärbar, der Wandel von
presestvo zu presustvo wäre es jedoch nicht. Die ausschliessliche Verthei-
digung von presustvo dem presustvo gegenüber und die Annahme einer Wurzel
sus kann jedoch nicht auf gleiche Anerkennung Anspruch erheben. Wenn
ferner Skrabec sagt, er wisse nicht, woher Miklosich die Form »sustvo« habe,
denn ihm sei nur das Wort »zustvo« (Wucher vom mhd. gesouch = usura, Zins
od. Nutzen von geliehenem Gelde) bekannt, welches nach seiner Vermuthung
des Reimes wegen mit »presustvo« verbunden in Trubers metrischer Aus-
legung des Dekalogs sich finde: so ist dieser seiner Aeusserung folgende Er-
wägung entgegenzuhalten. Es ist zwar richtig, dass in Trubers »Ta celi cate-
hismus eni pfalmi« &c. sowohl in der Ausgabe von 1584, als auch in der von
1595 in der "ten Strophe der brevis ac dilucida decalogi explanatio zu lesen
steht: «Prefhufhtva sAuf htva varuj fe | sa tiga volo Svejt vus Potupil fe | lubi
Sakon, Vduftvu inu Divizhtvu« &c., — allein dieses »shufhtvo« ist wohl nicht
zustvo (Wucher), sondern sustvo (Unzucht). Trabers ausführliche Erklärung
der zehn Gebote ist nämlich so eingerichtet, dass nach der Einleitungsstrophe
in jeder einzelnen der darauf folgenden Strophen ein Gebot vorgeführt wird,
und demnach behandelt die Tte Strophe ausschliesslich nur das 6te Gebot, der
Wucher aber verstösst nicht gegen das 6te, sondern gegen das 7 te Gebot,
welches bei Trüber in der 8ten Strophe erörtert wird, wo es heisst: »Nekradi,
shuhaj, nenorri, | dobitak tiga della vus ti sgory, | tuj Kruh dobivaj vfem
Ludem pres f hkode, | Od shegna delanja tvojga, | vbosim resdeli ga«. (Ver-
gleiche die entsprechende Fassung bei Luther: »Du solt nicht stelen Gelt noch
gut I nicht wuchern jemandts Schweiss vnnd Blut« &c.). Es ist zwar sehr
naheliegend, neben zuhati (fenerari) auch ein zustvo (feneratio) anzunehmen,
doch in der angeführten Zusammenstellung mit presustvo ist es nicht richtig,
»sAufhtvoaals feneratio aufzufassen, sondern wir müssen dem Trüber hierin
einen orthographischen Fehler, d. h. eine Verwechslung des tönenden und des
tonlosen palatalen Zischlautes imputieren und shufhtvo als sustvo, nicht als
zustvo lesen. Solche Verwechslungen kommen bei der bekannten Mangel-
haftigkeit der Truberschen Orthographie häufig vor, ja sie sind beinahe Regel.
Krell war zwar bemüht, eine strengere Unterscheidung von /und s, von/A
und sh einzuhalten, doch Trubers orthographischer Wahnkurs behauptete sich
noch. Das parallele Auftreten von sustvo (Hurerei) neben seinem Compositum
presustvo (Ehebruch) kann aber noch durch andere Belegstellen bei Trüber
nachgewiesen werden, in denen die angeführte Bedeutung von sustvo durch
die entsprechende Übersetzung klar hervortritt. Im Jahre 1562 erschien neben
316 Kleine MittheiluDgen.
Truber's »Articuli oli deili te prave ftare vere kerszhanfke« auch die von
Stephan Consul und Anton ab Alexandro besorgte kroatische Übersetzung
des genannten Werkes und zwar in zwei Auflagen , in glagolitischer und cy-
rillischer Schrift. Diese Übersetzung bietet an mehreren Stellen für Truber's
»Curbarya inu Preshuftuu« die Version «blud i preljubodejstvo«, und ganz
die gleiche Version geben die Übersetzer an einer Stelle für Truber's »Shu-
shtuu inu Preshushtuu«, woraus ganz klar der Schluss resultirt, dass »sustvo«
gleichbedeutend ist mit »kurbarija«, resp. mit »blud« (ka;^^!^). Die be-
treffende Stelle ist im Schlussabsatze des Artikels »Od zakona ili zenitve po-
pov« auf der ersten Seite des SO. Blattes zu lesen und lautet: »Obtu to Gofpo-
fzhino viffoku opominaio, de tako Nezhiftoft, Shushtuu, Preshushtuu ne dopufte
poiti naprei, Temuzh de Smezhom, fto Jezho inu pregauenem shtrafaio inu
fubper ftoye«, und in der kroatischen Uebersetzung': »Zato gospodu telesnu
modno opominaju da takovoj necistosti, bludu, preljuhodejstcu nedadu naprid
poiti ni rasti , neg da s mecem, z vuzu s tamnicami i prognanjami kastigaju i
suproti stojen. — In Trubers Catechismus vom Jahre 1567 auf S. 17 lautet das
6te Gebot: >'Ne Preshußuai inu ne Shußuaiu mit der deutschen Uebersetzung:
»^icht Ehebreche vnd nicht Unkeusche». (Archiv XXIV, S. 165) und im »Cate-
hismus 3 dueima islagama« vom Jahre 1575 auf S. 26 wieder: »Ta shefta, Ti
ne imash Preshuhtuati inu shushtuati«. Noch eine Belegstelle findet sich auf
S. 470 des letztgenannten Catehismus mit folgendem Wortlaut: »Inu poteh-
mal ta hudizh ie vfi Boshy praui Ordningi inu poftaui fourash, fufeb timu
Sakonu, Vdushtuu inu Diuizhtuu, fatu on te ftauuue zhel'tu na nezhiftoft,
vshushtuu inu PreJ'ushtuu obrazhuie inu naklane« &c.
Aus den hier angeführten Stellen Truber's geht klar und deutlich hervor,
dass presustvo als Steigerung von sustvo aufgefasst werden muss, und dass
das pre- des Compositums nicht bloss die fast rein locale Auffassung von trans-
gressio (Uebertretung im Sinne der Phrase »über das Büglein treten«, sloven.
crez ojnice atopati = dem Ehegemahl untreu werden) markiren soll, sondern
dass es ein Uebertreffen des einfachen sustvo, also ein eminentes sustvo
ausdrückt. Wir haben es mit der gleichen Function des Präfixes pre- zu thun,
wie etwa in den aus dem Volksliede bekannten Compositis »joj prejoj « (wehe
überwehe), »cud' precud'« (wunder überwunder), wie in der Zusammenstellung
»lek in prelek« (medicamentum efficacissimum, bei Micaglia230 lik priki), wie
in »prelep« (wunderschön), »precista devica« (die reinste Jungfrau) u. s. w. —
Es verhält sich also presustvo zu sustvo gerade so, wie AWKO^'traHHie
noQyela zu np'kAK»K0;i,'6iaHHI€ /hoixeUc Eine analoge Steigerung dieses
Begriffes lässt sich auch im Deutschen nachweisen. Ich erinnere nur an die bei
Schmeller I, 11 5S sub voce Huer angeführten Citate: »Fornicatio huer, adul-
terium uherhuer, incestus sipphuer, stuprum magdehuer« — und weiter: »der
adulter wird der uberhuor, die adultera die uberhuor'm genannt«. Ich erinnere
ferner an Matthiae Coleri decisiones Germaniae in lucem editae a Jacobo
Schultes Elbingensi, Lipsiae 1603, wo wir auf S. 529 den Satz finden: »Das
heisst man Oberhurerei/, wann sich ein ehelicher Mann zu einer Ehefrawen
legt«. Desgleichen will ich noch Fiied. Jul. Rottmann, Rituale nupturientium
S. 395 citiren : »Wenn ein Ehemann mit eines andern Eheweibe sich fleisch-
Kleine Mittheilungen. 317
lieh vermischet und Unzucht treibet, ist die größeste schlimmste und böseste
Art des Ehebruches, dahero es auch insgemein ein doppelter Ehebruch oder
nach dem Sachsen-Rechte Ober -Hurerei/ genennet wird«. — Dieses Steige-
rungsverhältniss hat übrigens auch schon Miklosich in der vergleichenden
Grammatik II, 59 hervorgehoben, wo er sagt: »Ijuby verhält sich zu preljuby
wie ahd. huorä zu überhuorä«; sonderbar, dass er dabei trotzdem die Ana-
logie mit sustvo und presustvo nicht wahrgenommen, denn sonst müsste er
gleichzeitig ja auch die Unhaltbarkeit seiner Etymologie eingesehen haben.
Nachdem nun aus den bisherigen Darlegungen das Steigerungscompo-
situm presustvo klar geworden ist, erübrigt uns nur noch das einfache sustvo
richtig zu etyraologisiren. In Anbetracht dessen, dass sich das Wort pre-
sustvo auf das Slovenische zu beschränken scheint und in anderen slavischen
Sprachen nicht vertreten ist, wird man versucht, an Entlehnung aus einer
fremden Sprache zu denken. Diese Vermuthung hat schon P. Skrabec in
seinem Cvetje (X, 1) ausgesprochen; er gibt jedoch selbst zu, dass sich seine
dort gemachte Annahme nicht beweisen lässt. Auch ich habe anfänglich
unter dem Eindrucke der Form shuf htvo (als iustvo gelesen) an fremden Ur-
sprung gedacht. Und da ist denn das Wort Sucht (krankhafte Begierde,
leidenschaftlicher Trieb) mit seinen Compositis Buhlsucht, Mannssucht,
Weibersucht, Eifersucht, Löffelsucht, Vogelsucht gar so verführerisch. Der
deutsche Uebersetzer des Trostspiegels von Petrarca (De remediis utriusque
fortunae) gebraucht in derUebersetzung des Kapitels ,De gratis amoribus' au
zahlreichen Stellen regelmässig den Ausdruck Sucht; er übersetzt amor,
delectabilis morbus mit «Liebe, sanfte Sucht« und delectatio mor-
bum alit, sanus enim fieri respuit, quem delectat aegrotare
mit folgender Wendung: »der Lust aber zu der Sucht ist der Sucht Mästung«
und weiter: »Liebe ist gar ein schendtliche Sucht — die Sucht hat kein Ver-
nunfft — solche Sucht kann niemand heilen dann die Zeit — etliche setzen
unter dieser Sucht ein Artznei die Ersättigung des Wohllusts« &c. — Und
bei sustvo mit s im Anlaut drängte sich mit Hinsicht auf Truber's »susterna«
für Zisterne der Gedanke an Zucht (in Unzucht, Nothzucht &c.) vor. Allein
da gab es wieder allerlei Bedenken und Schwierigkeiten, die sich nicht ein-
fach beseitigen Hessen. Das einfache Fremdwort »zuht« oder »suht« kann
nicht belegt werden, und doch wäre es eigentlich für die weitere Zusammen-
setzung mit dem Suffix -tstvo unerlässlich. £s muss aber hier das Suffix -hstvo
(nicht -tvo!) angenommen tverden, wie uns die Ausdrücke ljubodejstvo(ljubodin-
stvoHabd.), lotrstvo, kurbarstvo, hotimstvo (concubinatus), hotinstvo (pellica-
tus), priljubodivstvo (= puteni grieh s tujom zenom, Divkovid), ferner vdov-
stvo (viduitasj, devistvo (virginitas) u. s. w. beweisen. — Ferner Hesse sich
aus einem angenommenen Fremdwort »suht« bei der Erweiterung mit -hstvo
nur die Form sustvo erklären, nicht aber auch sustvo, welches, wenn auch
jene Form häufiger vorkommen mag, dennoch so gut belegt ist, dass man es
nicht übersehen darf. (Vgl. Truber's Ta celi novi teftament v. J. 1582 S. 17 :
»kateri fe lozhi od fuie shene [famuzh fa volo Curbarie] ta fturi, de ie ona
ena preshus/ifniza, inu kateri eno odlozheno porozhi, ta ifti preshu/i^uje«.)
Wir sind also auch aus phonetischen Gründen gezwungen, uns nach einem
318 Kleine Mittheilungen.
andern Stamm umzusehen, aus dem sich mittelst des Suffixes -tstvo die Form
sustvo (mit s] ableiten Hesse, — die Form sustvo wollen wir erst dann zu er-
klären versuchen. Den Nominalstamm, aus dem mit der Ableitung'ssilbe BStvo
unser »sustvo« gewonnen werden kann, finden wir aber in UJOyT^K, nugator,
Lapp,Cver!iebfer] Narr. Aus sut wird sustvo mitAusfoll des t vor s ebenso ge-
wonnen, wie aus gospod gospostvo, aus bogat bogastvo. Vgl. das neusloven.
«bistvo« (die Wesenheit) mit dem asi. KTüTkCTKO fr7T«o^<5- substantia) und
das serb. npoKjecTBo (Fluch) neben npoK.iexcTBo. Nach den Ausführungen im
Archiv XXIV, 226 bezeichnen die mit dem Suffix -Bstvo gebildeten Substan-
tiva einen Zustand, also ist sustvo der Zustand eines löffelnden Buhlnarren oder
einer mannstoUen Th'örin und buhlsüchtigen Närriti. Um die semasiologische
Verwandtschaft der Begriffe Buhle und Narr [Thor, Läpp] darzuthun, will
ich einige Bibelstellen und sonstige Citate anführen. Im IX. Kapitel des
Ecclesiasticus lesen wir: »Ne fedi per eniga drusiga sheni inu fe shno ne
obiemli inu ne goftui fe shnio, de fe tuoie ferze k nei ne naklony inu tuio
pamet neijrenori . . . . leipe shene fo mnogiteriga obnorile« fschüne Weiber
haben manchen bethürt), «vinu inu shene prenorio te modre« (Wein und Wei-
ber bethören die Weisen). Auf alte Weibernarren und verliebte Närrinnen ist
das Sprichwort gemünzt: »Kdor mlad ne nori, pa star znori« (Wer in der Ju-
gend nicht thvrt, wird oft mit greisem Haupt ein Thor\ Damit zu vergleichen
der Ausspruch im Jesus Sirah [XXV. Kap.' : »Tri rizhy is ferza fourashim
inu mi ie flu shal na nih diaine: Kadar ie ta vbogi Offerten, ta bogati rad
lashe, inu kadar ie en ftar Norez preshushnik«. — Ich erinnere an Ausdrücke,
wie: »toll verliebt, liebetoll, liebebethürt, mit Mädchen thören und tändeln,
närrelen = tändelnd lieben, Sinnentand und Liebesgetändel, Lüffelei = Ka-
ressieren, Löffeler = Mädchenjäger, löffeln = sich tändelnd und läppisch
(wie ein Läpp oder Laffe) benehmen, Närrin = Geliebte, Bube (opp. Ehe-
mann) ist ein eitler Geck und wankelmüthiger Windheutier (Garcio vel bofo,
bub, est vir inutilis, qui sequitur vayiitates)« u. s.w. Erwähnenswerth ist auch
der wortspielende lateinische Ausspruch: »omnis amans est ametis [in quo,
respectu obiecti amati, non ratio sed appetitus sensitivus et affectus in amo-
rem proni, captivä ratione, inordinate dominantur]« und die Epitheta des
Amor: »stu/tus, pravus, insanus«. »Wan lieb macht läppen, des tregt meniger
ein jiarrenAappen". — Den schönsten Beleg für die aufgestellte Etymologie fin-
den wir aber in einem bei Miklosich im Lexicon palaeoslov. S. 1138 sub voce
lUOYTKAHK'k angeführten, dem russisch-slovenischen Homiliarium Izma-
ragd entnommenen Citate, worin die nugae amatoriae berührt werden ; es
lautet: HH HrpaHTf HrpOW, AWKHMH, UJ K»T A H BO W CTv MWJKHMH
H^fHaMH, HH CT». K0\'Mail1H, HH CK /ÄTpCKMH, HH CHOyaMH HH HAA-
UJHTf CK HHMH. Eine Stelle im Buche Genesis (XXVI, 8} erzählt, dass
Abimeleh das wahre Verhältniss des Isaak zu Rebekka, die dieser für seine
Schwester ausgegeben hatte, an dem Scherzen und Schäkern der beiden er-
kannte, als er ihnen durch's Fenster zuschaute (loci amatorii). — Error ist
der Liebeswahn als Gegensatz des concessus amor, und personificirt als !'Vr/;
(Verblendung, Verstandesverwirrung, Urheberin aller thörichten Handlungen)
erscheint er bei Ovid (Am. I, 1, 35) mit Blanditiae und Furor vereint im Ge-
Kleine Mittheilungen. 319
folge des Amor. Dieser »error« ist unser »blud« (ka;I\^V,'K) und »blazn«
(BAdSHTi) Wahnwitz, insania, und bei Micaglia: »mahnitost od gljubavi
(patja d'amore) rabies amoris« = ludost, ludovanje, mamenost. In diese
Sphäre gehören auch einige Personennamen, die häufig als Zunamen begeg-
nen, z. B. Blaznik, Blodnik, Grobnik, Praznik, Susnik (Susnik), Suc u. s. w.
Grobnik von rp;!^^!^^!!! (stultus, ineptus); Praznik von npaBA^^HTi (otio-
sus), eigentlich der Müssiggänger und dann fornicator, moechus, denn der
Miissiggang ist aller Laster Anfang, des Teufels Ruhebank, heckt tausend
Rasereien aus, er ist nach Logau auch ein Agent der Venus; — Susnik scheint
aus Susnik (sustvtnik) durch eine Art Metathesis der Sibilation entstanden
zu sein, so wie die bei P. Marcus in seinem «Tu malu besedishe« verzeich-
neten Formen: i)resushtne, a, u, ehebrecherisch, presushtnek Ehebrecher
und presushtujem (presushtuvam) ehebrechen; Suc ist aus suttc, wie Muc
aus mutBC, Buc aus buttc, Trenc aus Trenttc u. s. w. — Die bei Pletersnik
(II, 639) aufgenommenen Formen »sljuta« (tändelnde Person) und »sljutav«
(tändelnd' sind auch wahrscheinlich aus »sutlja« und »sutljav« entstanden.
Nachdem uns die Entstehung von «sustvo« aus «sut« (Narr) begreiflich
geworden, wollen wir aus dem Compositum »preäustvo« die weiteren Ablei-
tungen zu entwickeln versuchen, die nominalen (presusttn ehebrecherisch,
presustnik adulter und presustnica adultera) und die verbale presustvovati
(moechari). Aus presustvo wird mit dem Suffix tui. das Adjectiv presustvtn
gewonnen, welches sich zu presusttn verkürzt, analog wie rojsten (Geburts-)
aus rojstven oder velicasten (majestätisch] neben velicastven — und auf die-
ses Adjectiv gründen sich weiter die erwähnten zwei Substantiva presustnik
und presustnica (*presustvi.nik, *presustvi.nica). Andererseits ergibt pre-
sustvo (Erznarrheit) mit dem Suffix -ova den Infinitivstamm presustvova- ;
doch das presustvovati (bis terque stultum esse, ein Erznarr sein) wird natür-
licherweise bald zu presustovati und weiter zu presustvati. Dass dieses
unter der Wirkung des auf dem Präfix ruhenden Tones, wie oben eingangs
erwähnt wurde, sich leicht zu presustvati gestalten konnte, ist auch nicht
schwer zu begreifen. Ja der Vokal der Stammsilbe zum Halbvokal abge-
schwächt ist später sogar ganz geschwunden, die beiden Zischlaute vereinig-
ten sich, und das Wort erschien um eine Silbe reducirt. So lesen wir in Joh.
Nep. Edling's »Isvlezhik tiga velikiga Catehisma« aus dem Jahre 1779 auf
Seite 67 zweimal die Form »prifhtvo«, d. i. prestvo für presT.stvo — (: »V na-
zhiftoft all prifhtvu sapejle nefpodobnoft v' gvantnofte ali gvantanju« [Zur
Unkeuschheit verleitet Frechheit in der Kleidung]:]. Auf Seite 54 des gegen
Ende des XVIII. Jahrh. in Graz s. a. in mehreren Auflagen erschienenen »Ta
veliki Katechismus s prashanjam inu s odgovoram« (per Johannefi Kaiferi
Bukuvefarji] lautet das 6tp Gebot: »Ti nimafh preßvati ali Nezhiftofti fto-
riti« (sie!). — Diese Kürzung des presustvo zu prestvo hat ihre Parallele in
der Kürzung der Form »odresitvo« bei Trüber und Dalmatin, welche bei
Joannes Baptista a Santa Cruce im Sacrum promptuarium als »odrestvo«
erscheint. — Was schliesslich die Form sustvo neben sustvo anbelangt, so ist
zweifaches möglich, entweder hat der Zischlaut der ersten Silbe assimilirend
auf die zweite Silbe eingewirkt, analog der rückwirkenden Angleichung in
320 Kleine Mittheilungen.
cvicek neben evicek, zvizgati neben zvizgati &c. oder es ist, wie dem sustvo
sut, so dem sustvo suc oder suttc zu Grunde zu legen. Vgl. vdovstvo (Wit-
wenstand) von vdova, aber vdovstvo (*vdovcBStvo) (bei Trüber Cateh. 470
»vdushtuu«) und vdovistvo von vdovec oder vdovica. —
Das eine glaube ich bis zur Evidenz nachgewiesen zu haben, dass das
Etymon dieser ganzen Wortsippe in lilOYT'K (Narr) zu suchen sei.
Laib ach, im September 1904. L. Fintar.
Nachtrag zum Aufsatz »Eine altrussische Schrift« (S. 168 — 172).
Da Prof. V. Gardthausen in seiner oben gedruckten Abhandlung »Eine
altrussische Schrift« die Aufmerksamkeit auf die Kerbhölzer und auf die
darauf eingeritzten Zeichen gelenkt hat, wird es nicht ohne Interesse sein,
die Literatur darüber anzuführen und auf die Werke hinzuweisen, die mit
den Abbildungen versehen sind.
Vor allem kommt hier in Betracht die von AI. Petrow in der polnischen
ethnographischen Zeitschrift »Wisla« angestellte Umfrage über die Bilder-
schrift, deren Resultate in jedem Bande, vom 2. au bis zum 15. in der Ab-
theilung »Poszukiwania« veröffentlicht worden sind. Hier ist auch nicht nur
die betreffende polnische Literatur, sondern auch die anderer Slaven heran-
gezogen (z. B. L. Krzywicki in »Biblioteka Warszawska«, 1892. X. S. 91, 97 ;
über die Bulgaren VIL S. 172 u. s. w.).
Besonders aber wichtig sind die folgenden Stellen, wo ganze, interes-
sante Abbildungen gegeben werden: Ignacy Matuszewski: V. S. 918 — 921;
A. P. und Dowojna Sylwestrowicz : VL S. 672—675; ferner V. 431 ; XL 351 ;
XIII. 680. Zahlreiche Proben der Bilderschrift sind auch bei L. Malinowski
»Obraz pisma obrazowego« (Materyaly antrop.-arch. i etnogr., XI. S. 351) zu
finden. Ueber die serbischen Kerbhölzer erwähnt M. J. Milidevic in »^eeot
Cp6a ce.T>aKa« (Äpyro npepal)eiio h nonyiteHo usÄaite. y Eeorpasy 1894. S. 334;.
Die ruthenischen sind bei Kaindl: »Huzulen«. Wien 1894. S. 64, und bei Su-
chevyc: rynyjiBmiiua. IL lacxt (Maiepiajiu äo yKpaiHCi.KO-pyci.Koi exHO.iBorii.
T. IV). 1901. S. 209, behandelt und abgebildet. Ueber die russischen im eth-
nographischen Sinne kann ich nichts näheres angeben.
Endlich sei noch erwähnt, dass die sogenannte Kinder-Bilderschrift, die
von Säsinek (in »Dejiny drievnych narodov na üzemi terajsieho Uherska«.
V Skalici 1867. S. 239—240) mit der glagolitischen Schrift in Zusammenhang
gebracht wird, mit der aufg-^worfenen Frage nichts gemeinsames hat. Uebri-
gens vergl. darüber Fr. Bartos: Nase deti. V Brne 1880. S. 168, Ö. Zibrt in
»Cesky Lid« 1898. VII. S. 246—248 (Obrazove pismo-detska hra) und Ö. Lid
1900. IX. S. 56—57; Ed. Domluvil: Die Kerbstöcke der Schafhirten in der
mährischen Walachei (Festschrift aus Anlass des 10jährigen Bestehens des
Vereins f. österr. Volkskunde, hrg.v.M.Haberlandt. 1904. S.206— 210-i-3Taf.).
Z. Kuziela,
Die Vokale t, h in den Codices Zographensis
nnd Marianns.
Die folgende Untersuchung ist eine Fortsetzung meiner Ab-
handlung »Noch einmal 1%,, h», Archiv XXVII, S. 1 — 40, verfolgt aber
ein etwas w^eiteres Ziel. Wenn ich nach den grundlegenden Abhand-
lungen von Jagic (Arch. I, II), auf die ich mich gegebenen Falles
beziehen werde, noch einmal den Cod. Zogr. in Bezug auf ii, k be-
handle, so geschieht es, weil mir einige Punkte noch weiterer
Aufklärung und schärferer Bestimmung bedürftig erscheinen. Die
Grammatik des Altkirchenslavischen muss nothwendig auf die
Frage kommen, ob die Eigenthümlichkeiten der sUdslavischen
Ueberlieferung der Sprache, wie sie unseren Handschriften vor-
liegen, Niederschläge von Lokaldialekten der Schreiber und von
weiter entwickelten Sprachzuständen sind, oder ob einige dieser
Eigenheiten bereits in älterer Zeit vorhanden wareo, also auch in
den handschriftlichen Quellen der uns erhaltenen Texte. Es ist
klar, dass man am ehesten zu einer Entscheidung dieser Frage
kommen kann, wenn man einen inhaltlich gleichen Text in ver-
schiedener handschriftlicher Gestalt hat. Das ist der Fall bei dem
Evangelium in den zwei Tetraevangelien, Zographensis und Ma-
rianus, und in den beiden Lektionarien, Assemanianus und Savina
kniga. Zuletzt würde es darauf herauslaufen, ob es möglich ist,
ein Bild von der sprachlichen Beschaffenheit des ältesten Evan-
gelientextes der Zeit Konstantins zu gewinnen.
Zweifellos ist der Cod. Zographensis, wenn auch nicht in allen
Punkten, die hier in Betracht kommen können, doch in Bezug auf
die lautliche Seite der Sprache die alterthümlichste dieser Quellen,
die Betrachtung muss daher von dieser Seite ausgehen. Zeigen
sich, rein theoretisch gesprochen, bei Handschriften, die nicht eine
aus der andern geflossen sind, gleichartige Züge lautlicher Ent-
wicklung, so ist der Schluss gerechtfertigt, dass bereits eine ältere
Quelle, aus der beide stammen, solche gehabt hat.
Archiv für slayische Philologie. XXVII. 21
322 A. Leskien,
Die folgende Untersuchung ist bestimmt, einen Beitrag zur
Lösung dieser Frage zu liefern, soweit es die das Tv und h, betreffen-
den Vorgänge angebt. Dabei beschränke ich mich für den Cod.
Zogr. auf den sogenannten Umlaut des i». und k, weil die sonstigen
Schicksale dieser Vokale, Ab- und Ausfall oder Wandlung zu o, f,
weniger in Betracht kommen und von Jagic genau behandelt sind.
Bei der Betrachtung des Umlauts gehe ich zunächst von der wohl
allgemein angenommenen Ansicht aus, dass es sich dabei um einen
rein vokalischen Vorgang handelt, d. h. der Vokal i». in k, k in Tv
übergegangen ist. Auf eine andere mögliche Betrachtungsweise
komme ich am Schluss.
I. Codex Zographensis.
A. Wandlung des k in t», vor folgender Silbe mit nich,
palatalem (hartem) Vokal. Es muss von vornherein auffallent
dass der Vorgang sehr beschränkt ist; es werden von dem Umlaut
betroffen: 1. eine gewisse Wortgruppe lautlich gleichartiger Form,
die Infinitivstämme K-kpaTH, ^i.'kpdTH, 3Tv;i,aTH, n'kpaTH, ct'k-
AATH (für ursprüngliches KkparH u. s. w.); 2. die Adjektiva auf
-kHTi., deren altes k vor folgender harter Silbe bald erhalten ist,
bald als t^ erscheint; ihre ganze Masse bildet ja eigentlich nur
einen einzigen gleichartigen Fall; 3) eine Anzahl häufiger wieder-
kehrender, einzelner Wörter zeigen statt k entweder ganz oder fast
regelmässig!».: KT^^OBa K'k;i,OBHU,a (Smal, im Ind. lect. vor Lu-
kas, Bl. 129, steht Bk^OBHi^A); M'kS^k.a mit seinen anderen hier-
hergehörenden Formen (14 mal, Mk3A'» 4 mal, s. Arch. 1,40); TTvMa
regelmässig (etwa 12 mal, TkMa steht J 12. 35 im Text, aber die
Lesung ist unsicher); TiviUTa (3 mal), CB'tT'kAO cB'kT'Ka;?» regel-
mässig (5 mal) ; npaBT^A^ regelmässig (14 mal, cnpaBk4,ai*iuTn
L 16. 15 ist unsicher). Dazu kommen einige ganz vereinzelte Bei-
spiele: KHCkpa M 13. 45, b-kcä^^-R b'kc;ra<5V M 1. 45, L 9. 6
(Bkck und seine Ableitungen haben sonst immer k), ;i,'kHO\' J. 4. 43
gen. dual, zu A^^nk, das sonst immer k hat (A'*"'^V M 26. 2), ko-
T'kAor.n», Ma7. 4, ockaa L 13. 15, pacn'k.H;RTT». Ma 15. 15 (sonst
immer nkH-). Dabei habe ich ausgeschlossen cTivrHa, weil mög-
licherweise dies neben CTkrHa vorhanden war, a'^^*^'*? '"'eil hier
Tk als alt anzusehen ist, und Bp'k.T'kn'k (3 mal so), obwohl man
nach dem russ. BkpTkniv BepTtn-k. das k ansetzen möchte, weil
Die Vokale -h, b in den Codicea Zographensis und Marianus. 323
man bei dem etymologiscli dunkeln Worte zweifeln kann, ob nicht
eine Form auf -TiRTv vorhanden war (vgl. das in anderen Quellen
vorkommende ßpivTcmv). Vielleicht muss man auch Riv^oßa aus-
scheiden, weil es nicht sicher ist, ob nicht das i%. schon aus älterer
Zeit stammt. Vorläufig sind auch die Zusammensetzungen mit
-km;>r (h3km;i^, BT^aKM;^ u. s. w.) unberücksichtigt geblieben, die
später zu behandeln sind, weil sie aus den sonst bei t»., k zu beob-
achtenden Vorgängen ganz herausfallen.
Gegenüber den ausserordentlich häufigen Fällen, wo einer
k-Silbe eine andere mit hartem Vokal folgt, ist der Bestand der
Fälle des Umlautes von k zu 'k ein recht geringer. Warum bleibt
ausnahmslos das k in mkto, -;Kk,i,o u. ä., in B'SpkH'K und überall
bei diesen Adjektiven, wenn -kwi». die beiden letzten Silben bildet,
in -kCK'k und -kCTBO. Es muss also für die Wirkung des Umlauts
gewisse Schranken geben, und es sind in der That solche und zwar
ganz feste vorhanden.
1. Tv, obwohl ein harter Vokal, wirkt nicht auf ein k
der vorhergehenden Silbe, einerlei ob t», im Wortauslaut oder in
einer inneren Silbe steht, daher immer B'KpkH'k, ncnaAkHi^, hcth-
NkHiv, npaßk^i.kH'k, iiik;i,'k ujk;i,'kuja u. s. w., mka'k, npocTkp'k,
GHCkp'k, HikSAT»,, HaMkNlv HaHkH'klUf, npORkH'kmf , OVMkp'klUk,
OCkA-k, CB'kTkA'k, /k.kH'k (g. pl. zu AI^HI^lj Ol^kTTv, Orkp^kLUH,
BkSHkS'k, ^i.'STkCK'k, THTkATi, die Casusformcn der i-Stämme
wie Tpk]("k, AKJ^kMTv u. s. w. Davou gibt es im ganzen Denkmal
keine Ausnahme. Wenn man annimmt, dass zu der Zeit, als der
Umlaut von k zu t^ vor folgender harter Silbe eintrat, die schwachen
Vokale noch gesprochen wurden, muss man zu der Frage kommen :
warum wirkt gerade Tv nicht wie andere harte Vokale? Man pflegt
Ti, k als irrationale Laute zu bezeichnen; ich möchte den Ausdruck,
bei dem man sich nichts rechtes vorstellen kann, lieber vermeiden
und sie Ueberkürzen nennen, denn sie hatten, wie die gesammte
Entwicklung der slavischen Sprachen zeigt, den normalen Kürzen
gegenüber ein Mindermass von Ausdehnung. Es könnte demnach
der Satz aufgestellt werden : die Ueberkürze 'k wirkt wegen ihres
geringen Gewichts in der Aussprache nicht auf ein k der voran-
gehenden Silbe. Es würde aber dabei zu erwägen sein, dass, wenn
man in luk^x'kiuf, BlvpkH-k u. s. w. die beiden k-'k-Silben als
gleich kurz ansetzt, es nicht recht verständlich ist, warum ein über-
21*
324 A. Leskien,
kurzes 'k nicht auf ein ebensolches h wirken kann. Ich bin daher
der Ansicht, dass noch ein anderer Umstand in Betracht kommt:
die hier in Rede stehenden, durch t». der folgenden Silbe nicht affi-
cirbaren i^-Silben tragen entweder den Hochton des Wortes oder
einen Nebenton; Hochton oder Nebenton haben aber dem h, eine
der normalen Kürze gleiche oder annähernd gleiche Ausdehnung
gegeben ; auf ein solches k wirkt dann folgendes 1%. nicht, so wenig
wie etwa auf ein vorangehendes h oder (. Wo aber vor folgender
harter Silbe t». statt h, erscheint (ß'Sp'kHa u. dergl.), enthält diese
Silbe stets einen vollen harten Vokal und das i^ ist in diesem Falle
ganz tonlos. Auf diesen Umstand gehe ich indess hier nicht weiter
ein, da er nur durch eine Gesammtbetrachtung der slavischen
Sprachen begründet werden kann. An dieser Stelle genügt es, die
Thatsache festzustellen, dass kein t». auf ein k der vorangehenden
Silbe verändernd einwirkt. Man kann übrigens, was mit dem
gesagten zusammenhängt, alle oben angeführten Fälle auf eine
Formel bringen, es sind sämmtlich solche, in denen bei der Weiter-
entwicklung der Sprache das h nicht ausfallen kann und dann
auch in vollen Vokal, c, übergeht: EUpcH-k, me^'k uuf^-kuif,
Tßi^^ AlO^fM'k U. S. W.
2. Nach den palatalen Consonanten ik h m lur jka ^
H A stehendes k bleibt unberührt vom Einfluss harter
Vokale der folgenden Silbe, z. B. das sehr häufige HkTO, vgl.
sonst pasAHHkHTviMH, Mkco, HkT;i^T'k, B'tMkH;?»!:»^ (In allen laut-
lich gleichartigen Formen sehr häufig), KpdMkH'kll/Ä, HdHkH;?iT'k,
HCA'^^'^MI^'^? -H^k^O, TAIKkKO, B-kSMOJKkHO, CA^^HikK;^, npH-
AfJKkHO, KpamkHO, npHUJkAA, C'kllJkA'kl, HfMOllJTkHa,TT»-llJTkHO,
HC»iuTkH;*ibii, pojKAkCTBC (Über -kCTßO im allgemeinen s. u.),
cu,kTa, orHkH;^, EOAkiua, KO^nakHaaro u. s. f. Es kann also
k nicht entpalatalisirt werden, wenn es durch einen vorangehenden
palatalen Consonanten gestützt ist.
3. Vor palatalen Consonanten, h m lut u, s, h a fin-
det kein Wandel des k in ii statt. Die Sache liegt hier
einfach : da jene Consonanten noch = S' s' st' c u. s. w. sind,
lautet die folgende mit ihnen beginnende Silbe weich an , ihr an
sich harter Vokal ist daher unwirksam. Ich führe daher auch nur
einige Beispiele zur Veranschaulichung an: das -km- der präteri-
talen Participien und das gleichlautende Comparativsuffix bleibt
Die Vokale i, t in den Codices Zographensis und Marianus. 325
stets unverändert; bei diesen Formkategorien kommt natürlich zu-
gleich in Betracht, dass dem k immer auch ein palataler Consonant
vorangeht; sonst vgl. KOHkna, OBbi|;t^ oßhu,a u. s. w., 0ßkHax"k,
KOHKMaTH, miiIiit;?;, noAbsa; vor jka kommt kein Beispiel von
h vor. Ausnahme macht nur das dreimal vorkommende T'kiuTa
T'KiiJT;*i M 8. 14, Ma 1. 30, L 4. 38 (TkiuTH Index lect. Luc. hat
folgende weiche Silbe).
Also palatale Consonanten wirken genau so, wie palatale Vo-
kale der folgenden Silbe, sie erhalten das ihnen vorangehende k.
Die Sache liegt ja überhaupt so, daß die Wirkung nicht unmittel-
bar vom Vokal der folgenden Silbe ausgeht, sondern von dem durch
ihn beeinflussten vorangehenden Consonanten, z. B. B'fep'kHa kann
entstehen, weil das h hart bleibt, B'kpkHH bleibt, weil das h durch
H erweicht ist vdrhhi^ wie KOHkU,a KOHknaTH bleibt, weil = komca,
ko7ib6ati. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dass die Palatali-
sirung durch folgende weiche Vokale denselben Grad der Stärke
besass wie die der altererbten palatalen Consonanten, ein vSrhhi
ist verschieden geblieben von etwa koni kohh. Ich bezeichne daher
die durch palatale Vokale erfolgte Erweichung durch \
4. Unverändert bleibt k im Suffix -kCKT».; einzige Aus-
nahme «AHH'kCKaiuiH L 23. 38 gegen fast 50 Fälle mit k vor fol-
gender harter Silbe. Das eine -'kck- kann daher nur als eine zu-
fällige Verschreibung angesehen werden, jedenfalls lässt sich aus
der Sachlage nicht schliessen, dass der Schreiber oder seine Vorlage
ein -TkCK- gekannt hat.
5. Das k von -kCTßo bleibt unverändert mit Ausnahme
eines Falles, ^•feB'kCTBa L 2. 36; das gesammte Vorkommen er-
laubt aber keinen ganz sicheren Schluss: npoposkCTBö -HkCTBO-
BaTH, pO/K/\,kCTBC, MHCJKkCTBO, BAa^XTÜMkCTBO, BfSOMkCTBO,
c'kB'feA'^TeAkCTBO -AkCTBOBaTH müsseu nach 2. ihr k behalten;
i^'tcapkCTBO, das häufiger vorkommt, ist nie ausgeschrieben, sein
p war ebenfalls palatal. So bleiben nur wenig Beispiele : Bora-
TkCTBO -CTBa, A;RKaBkCTBC>, RklvHkCTBO, BAaCTkTBOBaTH,
zusammen 6 Fälle; es lässt sich darnach nicht bestimmen, ob js.'k-
BT^cTEa ein zufälliger Fehler ist oder ob in den 6 Beispielen mit
k eine ältere Vorlage befolgt ist, dem Schreiber aber eigentlich Tv
gemäss war.
Auch wenn man den letztgenannten Fall ausser Betracht lässt,
326 A. Leskien,
so zeigen doch 1 — 4, wie stark der Umlaut des k in 'k einge-
schränkt ist. Will man nun andererseits prüfen, in welchem Um-
fange dieser Umlaut nach Abzug der Fälle, wo er gesetzmässig
nicht eintreten kann oder thatsächlich fehlt , wirklich eingetreten
ist, so bieten sich dazu die zahlreichen Formen der Adjektiva auf
-kHT», dar. Ich zähle 124 Beispiele, wo -^h- vor folgender Silbe
mit vollem hartem Vokal zu -'kh- geworden ist (vgl. z. B. das häu-
fige K'fec'KHa u. s. w., K'feC'KHOBaTH, immer mitii), und zwar kann
das T». zwischen allen möglichen Consonantenverbindungen stehen.
Dagegen stehen 34 Fälle , wo in gleicher Stellung -kh- verharrt,
davon 14 auf ein und dasselbe Wort fallend, no/i,OKkHC> noA^EkHa^
alles andere sind vereinzelte Beispiele (s. Arch. II, 261). Wie vor-
eilig es wäre, aus dem häufigen no^OKkHO no;i,c»KkHa, neben denen
nur einmal nc>;i,OK'KHO L 13. 20 vorkommt, zu schliessen, die Ver-
bindung K-H hindere den Umlaut, erkennt man sofort an norplv-
c'kHOif M 6. 21, JCA-KB-kHadro M 16. 2.
B. Wandlung von ^k zu k vor folgender Silbe mit
palatalem Vokal. Es ist zweckmässig, aus den in Betracht kom-
menden Fällen die Formen ßk ßk.3 der beiden Präpositionen B'k
ß'KB als besondere Gruppe zu bebandeln und im Anschluss an sie
die andern Präpositionen. Ich beginne daher mit den andern Vor-
kommnissen.
1. Auffällig ist, dass der Umlaut regelmässig nur bei
einigen wenigen Wörtern auftritt: Kk;i,'kTH (15 mal, nur so),
BkH'R (10 mal, nur so), A^^ß^ A'^^t»''^'* (13 mal, nur so), 3kAH SkA'k
(5 mal, STvAli neben 3kA'k J 18, 23). Sonst kommen nur verein-
zelte Fälle vor: BpoTki^H M 5. 5, npoMkMc M 28. 15, nkXHi^k und
nkT1v^ik^a L 2. 24, 12. 24, OBkA« Ma 13. 21, L 17. 21, 23, an
allen drei Stellen in der Parallele ckA^ — oßkA«, wo also sehr
leicht das ckA^ ein OßkAC statt Oß'kAf uach sich gezogen haben
kann. Stellt man dies wenige zusammen mit dem sonstigen Vor-
kommen des gleichen Lautverhältnisses (Silbe mit t». vor folgender
Silbe mit weichem Vokal), so steht man eigentlich vor einem Räthsel:
ausnahmslos steht i». in den Formen und Ableitungen von K'kHHra
(93 mal), in den Casus der «/-Stämme auf --kek --kb« --kbh (45 mal),
in den Formen von at^iüT'h (24 mal), in B'kS'knHTH (23 mal), K'kAf
(18 mal), im Präsens ckakr (19 mal), in den Formen und Ableitun-
gen von KikHASk (17 mal), im Präsens ckoh- mit oYC'kn« oyc^knc-
Die Vokale -h, h in den Codices Zographensis und Marianus. 327
HHf (15 mal), KiknHTH (13 mal), a'kikk iVWA^i iVKHiH (l3mal),
CKTKHHK'U mit C'kT'k CkT-kYT». (13 mal), npHT'kMA -HH -MflA
(Umal), T'KUJTk -UIT/Ä OT'KUITfTHT'K (6mal), T'kKHfT'K -HfUJH
-HH (5 mal), Formen von at^^A»^ A'^^A"T" (4 mal), Participia
saB'kBEH'k, H3- oY-urkKeHT». (5 mal), »bj^^'kuh (3 mal). Dazu
kommt eine Anzahl vereinzelter Beispiele: /xaKT^Tk (2mal), x^-
mTHu,a (1), n-kc-kut (1), ckiuitax-;!^ (2), ckcki^a (1), onpHcH'kii,H (2),
O^CKUlf HCTsLlllfTT», (2), CkHlv (1), KfT'kCH (2), p'kHTj.UJTHT'k (1),
KTkJKkAO (1), die Instrumentale CAO\f\"kMk, C'kH'kMk, r/xackMk
(zusammen 4 Beispiele). Das macht in runder Zahl 340 Fälle;
eigentlich muss man noch dazu rechnen die 35 Beispiele von npH-
TTvMa -MaYT». -MaMH, da auch hier dem t». eine mit m palatal an-
lautende Silbe folgt, ebenso p'kn'kiiJT;iiT'k, A'kJK;R A'k/K;siiuTe;
endlich bleibt in der grossen Zahl der präteritalen Participien auf
-•KUJ- das T». unverändert (HiiikAt^iuf Ma 9. 30, noc'kAaßkmafrc»
J 13. 20 können dem gegenüber nur als Fehler angesehen wer-
den; an den Stellen Ma 6. 44, 8. 3 hat die Ausgabe 'kA''^i"M'Y''^)
'RA't^^u^'^j die Lesung ist hier unsicher). Wenn man annehmen soll,
der Schreiber des Codex oder der seiner Vorlage habe in seiner
Sprache den Umlaut von ix zu k allgemein oder in grosser Aus-
dehnung gehabt, so würde daraus folgern, dass er hunderte von
Malen eine ältere Quelle, die noch überall t». hatte, getreulich ab-
schrieb, aber gerade nur bei KkA'tTH, A'*^'^ A"»^^'^'^^: KkH'fe,
3kAlv 3kAH uud ciu paar seltenen einzelnen Beispielen in die Art
seiner Aussprache verfiel , ein schwer denkbarer Fall. Soll man
andererseits annehmen, er habe den Umlaut zu k nur in bestimm-
ten Fällen, nicht allgemein vor folgender weicher Silbe gekannt,
also nur in den oben genannten Wörtern, so ist die Frage nicht zu
umgehen , warum denn unter den gleichen Lautverhältnissen in
allen andern Wörtern nicht ? Es muss zunächst untersucht
werden, ob die Lautbewegung vor gewissen Schranken Halt ge-
macht hat.
a) Sicher lässt sich sagen, dass ein k der folgenden Silbe
nicht auf ^k der vorangehenden wirkt, daher a^'^^^A'»)
AAK'kTk, CkCklUa, T'kUJTk, T'kUJTkHO, AT»,JKK, C'kTkHHK'k,
KT».}KkAO, acc. wie i;pTs.KT».Kk, instr. wie CAOXfY'kiuik. Es sind
das die Fälle , wo in der späteren Entwicklung t». nicht ausfallen
kann und unter Umständen in vollen Vokal, o, übergeht. Der Vor-
328 A. Leskien,
gang deckt sich also genau mit dem oben S. 323 besprochenen bei
dem Lautverhältniss k-Silbe + 'K-Silbe.
b) Bei einer Anzahl von Fällen, wo in der zweiten Silbe ein
voller Palatalvokal folgt, kann man annehmen, dass die Stellung
zwischen Consonanten, die das t». weggedacht, eine schwere
Gruppe bilden würden, dem Tv eine grössere Fülle und damit
Widerstandsfähigkeit gegen den Umlaut verliehen hat : die Formen
von A^^iA^TH , die obliquen Casus von ai^h;ai»^ und at^^A^t"?
AT^ujTHi^a, HSA'KUJ«, T'KiKAf (Mar. tojka«), t-kiuta, ottvIut«-
THTH, pTkR'KlUTHTf, 0\f CTi.llJf, H'feC'kl^'fe, OHp'SCH'KUH, T'kKHeT'K
TI^KHH, ATiJKH.
Wenn man nun auch diese beiden Gruppen von Fällen als
normale Erhaltung des t^ abrechnet, bleibt immer noch eine ge-
waltige Zahl, der gegenüber man vor der Frage steht : warum nie
etwa KkHHTd, npHTkMa, BkHHTH, vih.,\i, chAm. u. s. f.; wie unter-
scheiden sich K'kA'^'rHj ß'KH'K von b'khhth, dass jene immer als
KkA'KTH, KhH'k erscheinen, dies niemals als b^rmth ? Dazu kommt
noch ein besonderer Umstand: der Codex hat nicht blos die Wand-
lung von altem 'k in k vor folgender weicher Silbe, sondern lässt
auch altes h vor solcher Silbe in 'k übergehen, ja diese Fälle sind
in ihrer Gesammtzahl sogar zahlreicher als jene, in runder Zahl
50 Beispiele der Wandlung von t». und h (wie ^kK'fe u. s.w., s. S. 326),
60 der Wandlung von k in ^k. Dabei will ich die mehr oder minder
vereinzelten Beispiele, wie das dreimalige K'kS'kp'kß'k u. a,, ganz
ausser Betracht lassen, weil man da vor zufälligen Verschreibuugen
nicht sicher sein kann. Aber siebenmal liest man TT^Mt: gegen
viermal TkMli. Man kann das, wie Jagic es Arch. I. 45 thut, er-
klären durch die Analogie von Ti^Ma, allein man gewinnt dabei
wenig, denn man fragt sich sofort, wie hier das durch den Umlaut
von k zu T». neu entstandene T'kima so stark wirken kann, dagegen
das 36 mal vorkommende j^^'KKA (Arch. 1. 19) nicht dazu geführt hat,
ein AT^B'Sj dessen t». ein altes ist, zu erhalten. Noch sonderbarer
ist das Verhalten der "on der Wurzel -kW- abgeleiteten Formen:
diese behalten gemäss der oben (S. 323) gefundenen Regel ihr k,
wenn dem im ein i». folgt, daher K'kSkU'k, HSkM'k, c'kHkM'k, OKkin»,,
B'kSkM'kiiiH (ausgenommen nurc'kH'kM'kMal5. 1 [LI 5.1, Arch. 1.49
ist Druckfehler], civH'kiui'kUJEM'k L12. 1); in B'k3'kM;RT'k h31i.m;i;
c'kH'KM'ki folgt eine harte Silbe mit vollem Vokal, daher ist die als
Die Vokale t, b in den Codices Zographensis und Marianus. 329
normal angesehene Wandlung eingetreten. Aber dem gegenüber
beisst es bei folgender Silbe mit vollem weichem Vokal 30 mal
CTvH'KMHUJTe (mir einmal ckhkmhuitio J 1. 49); die Formen des
Präsens -km;r (mit k'K3- H3-) haben vor weicher Silbe 20 mal TvI
B'KS'kM'Ktc, HS'kMfT'K, H3'kMn u. 8. w., nur 5 mal das zu erwar-
tende K: B'KSkMH ßk3kJlltT'K Kk3kM'kTf, dazu einmal OTkMeTTi.
(s. Arch. I, 48). Dass hier etwa die Analogie der beiden Präsens-
personen, die harte Silbe nach der k-Silbe haben, -'km;*^ -TvM;rt'k
oder das Particip -'kM;siiiJT- gewirkt hätte, wäre doch nur eine
willkürliche Annahme, und wie sollten diese Formen auf CKHk-
M H uiTf noch Einfluss gehabt haben ? Das ausnahmslos selbst und in
seinen Ableitungen mit Tv geschriebene ckpEKpo lasse ich bei Seite,
weil möglicherweise hier das t». älter ist als die uns beschäftigen-
den Vorgänge. Dass in dem T'kM'k, ckH'kMHiuTe eine beträcht-
liche Schwierigkeit für die Umlautstheorie vorliegt, wird man kaum
bezweifeln. Ich komme unten nach Besprechung der Präpositionen
darauf noch zurück.
2. Der Wechsel von ß^k und ßk, ß'k3- und Bk3-. Vor
folgender Silbe mit weichem Vokal wird so ungleichmässig bald
ßTv bald ßk, bald ß'k3- bald Kk3- geschrieben, dass die Masse der
Beispiele, in ihrer Gesammtheit betrachtet, nur den Eindruck eines
völligen Wirrwarrs macht. Es wäre unnütz, die Fälle der einen
oder andern Schreibung bei den gleichen Wörtern oder Verbindun-
gen aufzuzählen und neben einander zu stellen, denn es ist aus den
Zahlenverhältnissen nichts zu entnehmen. Ob einige Male mehr
ß'kHHTH oder ßkHHTH, BTvS/ÄTH odcr Bk3/ATH, BT». CA-tAT»^ odcr
Bk C/\ -6/1,1». u. dgl. vorkommt, kann bei der Möglichkeit, dass der
Schreiber in jedem Falle auch anders schreiben konnte — in neben
einander stehenden Beispielen im selben Satze kommen beide Schrei-
bungen vor — gar nicht in Betracht kommen.
I. Das Verhalten des bt». Es kommt auch hier darauf an
zu bestimmen, ob es Schranken für das Eintreten von ßk für bt».
gibt. Einige lassen sich sicher erkennen:
a) BTi. vor anlautendem h i€ hÄ ra (-k) wird nie ßk, daher
nur z. B. bt». hm/ä, ß-k (3tß0, ß-k lAS-kiK-k, ß-k -Km;^. Die Sache
ist bekannt, man kann sie, wenn man anlautendes h als n fasst,
so ausdrücken : vor folgendem i [j] bleibt ß-k unverändert. Die
Erklärung, das Verbleiben beruhe auf einer Art Dehnung des -k vor
330 A. Leskien,
i zu einem y-artigen Vokal ist richtig, vgl, die Schreibungen ßiü-
hh;^ e'ki-hcthh;s^.
b) Vor einem h der folgenden Silbe, das in der späte-
ren Entwicklung ausfällt, bleibt KT», ohne Ausnahme er-
balten; es ist die oben (S. 323) bei der Wandlung des k besprochene
Erscheinung in ihrer Anwendung auf t^. Es heisst daher ß'ksii-
P'Rth (22 mal; ich führe es hier mit auf, obwohl ß'ks- darin ent-
halten ist, weil es nur auf die Lautverbindung ßi»- ankommt), ß^K
TkMli (TikMli) ßi^ T'kM;!; (8 mal), E'k Hk BTs. Hk^KC (29 mal), ßi».
MkH-k (luiHt:, m'h'K; 11 mal), ß'kMkHer'k (2mal), ßT^NkSH (Imal),
vor den obliquen Casus von ai^">^: ^^ A^^hh, bt». a»^m*> ^'^ A^-
ütX'^ (17 mal), vor den obliquen Casus von ßkck, z. B. bt». ßkcsi
B'k BkCfH u. s. w. wie vor ßkC'SK'k (15 mal), b^k HkTO.
Dagegen schwanken die Formen B'k und ßk vor solchem k,
das nicht ausfallen kann und in der weiteren Entwicklung zu (
wird, in derselben Weise wie vor folgenden Silben mit altem vollem
palatalem Vokal: B'kmk^i.'k mit seinen Formen (10 mal) und ßk-
ujk;^''^ (2mal), B'k TkiuikHHi^H -u,;s^ (lOmal) und ßk t. (3 mal), B'k
BkCk (7 mal) und ßk b. (2mal), B'k ^kHk (5 mal) und ßk ji,. (5 mal).
Das ßk ck ß'KK'k (einmal vorkommend) ist keine Ausnahme,
denn sicher fiel das k von Ck in solchen Verbindungen nicht ab.
Die Umlautsregel für B'k ist demnach so zu fassen: B'k wird
zu ßk nur dann, wenn in der folgenden Silbe ein voller
palataler Vokal steht, dazu zu rechneu k, das gleich
späterem e ist.
Scheidet man die beiden oben behandelten Fälle als regel-
rechte Erhaltung des btv aus, so ist die übrige Menge einfach ein
Chaos: vor jedem beliebigen palatalen Vokal der folgenden Silbe
steht bald B'kn- bald ßkH-, vor jedem beliebigen Consonanteu und
folgendem palatalen Vokal bald B'k bald ßk; es ist mir wenigstens
nicht gelungen, hier irgend eine Regel zu finden. Zugegeben nun,
es sei in allen Fällen ßk vor folgender weicher Silbe in der Sprache
des Schreibers das normale und die so vorkommenden B'k nur ge-
treue Befolgung einer älteren Vorlage, so muss sich daran notwen-
dig die Frage knüpfen, warum gehen die ck, B'k, OT'k u. s. w. vor
folgender weicher Silbe nicht in ck u. s. f. über. Man sagt wohl,
solche Fälle kommen auch vor (vgl. Arch. IL 249 fg.): ck kommt
einmal vor in ckß-fe/i.'kTfÄkCTBOYH J 18- 23, in ck nißict MS. 11
Die Vokale x, b in den Codices Zographensis und Marianus. 331
ist die Lesung unsicher, für Ch HfKfce Ma. 11. 30 bat die Ausgabe
ch, ckKAsaKTkiuk M 27. 2 ist zweifelhaft, CKYO,\,/ÄiiJTk Mal. 10
und das zweifelhafte ckKOHKnaü^Ti». L. 21. 34 haben die Präpo-
sition vor harter Silbe und sind offenbare Verschreibungen ; — Kk
TfK'K M 14. 28, Kk HtMO^ M 13. 36 ist unsicher, vor harter Silbe
Kk oYMfHHKOM'K L 12. 1 (Lcsung unsicher); — OTk ß'c'kYT». L 21. 17j
OTk HHyk M 14.52 (zweifelhaft), OTkß'kujTaiU/Sv Ma 8. 4, OTk-
ß'feujTa M 15. 23, 24 (Lesung unsicher), OTkK'kmTaß'k. L 11. 17
(ebenso), vor harter Silbe OTk k;^^\'S Ma. 6. 2; — naehrmals steht
np'K;i,k: np-k^ki^i.eT'k L 1. 17, np1i/i,kiA^uiTa L 18. 39, np'k-
AikC'kA^*"'^'^ L 20, 46, npk^k AHi^fMk Ma 1. 2, L2. 31, npt^k
HHMk L 1. 17, 75; 5. 18, npU^k hhmh M 9. 2, dazu dreimal vor
harter Silbe: np'k^kCTOtAiUTHiM'k L 19,24, np'S/k.knoAardKRT'k
Ma 8. 6, np'k^k^C'A'ÄiUTa Ma 11. 9, aber dass diese Fälle zu
einem Wandel von t». in k gehören, ist äusserst zweifelhaft, denn
es wird neben dem Adverb np-fc^H eine Form npU^k existirt ha-
ben, vgl. das häufige Vorkommen von np'fe/i,H vor Verben der Be-
wegung; — OBk steht in OKkfMAMvTi». M 7. 16, OKkbÄTT». J 1, 15,
vor harter Silbe in 0Kk\-0JK;i,aaiuf Ma 6. 6, OKkCTOHWk L 21. 20,
es ist aber OKk eine alte Form neben ck'k. Man kann unmöglich
nach diesem Befunde den beiden Fällen von Kk, ck und den beiden
OTk gegenüber der Masse von ct\ kt^ ottv irgend eine andere Be-
deutung zuschreiben, als dass sie zufällige Versehen sind.
IL Das Verhalten des bt^b- vor folgender Silbe mit
weichem Vokal. Auch hier gehen die Schreibungen k'ks- und
ßk3- bei den gleichen Wörtern und vor gleichen Lauten oder Laut-
verbindungen, die Gesammtheit der Fälle betrachtet, völlig durch-
einander: ß'kSAWBHTH und ßk3-/\., BT^SHTH Und ßk3-, ßTv3/ATH
und Bk3ATH, ß'K3B«CTH Und ßk3ß., B'KSB'SCTHTH Und Bk3ß.
u. s. f. Es wird zunächst zu untersuchen sein, ob irgend ein fester
Punkt zu finden ist. Mir ftillt auf, dass vor den Präsensformen von
-hUüx ganz selten ßk3- steht: ßkSkmeTT». (3 mal), ßkSkiuiEM'K
(1 mal), fikSkUi-kTf (Imal), die sonstigen ca. 20 Fälle mit B'K3-
(s. Arch. I, 4S). Man trifft hier dieselbe Regel wie oben S. 323:
ein schwaches k nach der 'K-Silbe wirkt nicht auf i^ ; und man darf
annehmen, dass die wenigen Beispiele des ßk3- dem Schreiber
entschlüpft sind, weil er sonst so häufig Bk3- vor folgenden Silben
mit vollem palatalem Vokal schreibt.
332 A. Leskien,
Vergleicht man die bei den Präpositionen beobachteten That-
sachen mit den Erscheinungen bei den andern Wörtern, so stellt
sich heraus : die Präposition ktv geht nicht vor folgender weicher
Silbe in Kk über, dasselbe ist der Fall bei allen andern K'k-Silben:
KTvHHra K^KH/ftsii K'KA« (s- S. 330). Dieselbe Gleichmässigkeit
herrscht im Verbleiben der Präposition c'k und den sonstigen ck-
Silben vor folgender Silbe mit palatalem Vokal, es heisst ohne Aus-
nahme CKRH- (Präsensstamm zu cknaxH), ckai* ckAfTik, c'kM'tTH
u. s. f. (s. S. 327), obwohl an sich c vor jedem beliebigen palatalen
Vokal stehen kann und sehr oft steht, vgl. Ck, cfAO, chaj, cKth,
CA^/^. Wollte man die Fälle kt^- und ck- in Parallele stellen und
sagen, k könne überhaupt in der Sprache vor Palatalen nicht stehen,
es sei stets hart und bewahre daher auch folgendes t». vor dem
Umlaut zu k ; da ck ebenfalls bleibt, müsse man annehmen, auch
s sei nicht erweichbar und wo es, wie in cHAa u.s.w. vor palatalen
Vokalen steht, sei es doch an sich hart gesprochen worden, — so
käme man dabei mit andern Vorkommnissen in Widerspruch : man
müsste nämlich demnach auch annehmen, z. B. in sUd^ habe das
palatalisirte / nicht auf s palatalisirend gewirkt; wie soll man
dann aber Kk CA'k^'k u.a. erklären? Andrerseits ist auch nicht
abzusehen, warum bei der Ansetzung einer umlautenden Wirkung
z. B. des H auf ein Tv einer vorangehenden Silbe nicht ein KkHHra
= Hhniga hätte entstehen können, denn ein Ä-, wenn auch in älterer
Zeit nicht vorhandeo, konnte sich ja im gegebenen Falle sekundär
entwickeln, wie z. B. in Fremdwörtern, Kccapk u. dgl.
n. Codex Marianus.
Diese Quelle zeigt in Bezug auf die ümlautsverhältnisse auf
den ersten Blick nur völlige Regellosigkeit, 'k für k tritt vor folgen-
den weichen Silben wie vor harten ein, z. B. K'Sc'kH'RfMk wie
B'KcTvHa, KpaH'KHHH wic KpaM'KHOf, ßkcK wic K'kC'K, ^\s.ww wic
A'KHH U.S.W. Das braucht hier nicht weiter ausgeführt zu werden,
da sich jeder nach d3m erschöpfenden Index, den Jagic seiner
Ausgabe beigefügt hat und nach den Angaben in den ITpH-ioatemK
dazu (S. 427 fg.) sofort davon überzeugen kann. Die Frage ist für
mich hier, ob sich hinter dem Gewirr noch Züge entdecken lassen,
die sich mit denen des Zographensis decken ; und das ist in der
That der Fall.
Die Vokale t., b in den Codices Zographensis und Marianus. 333
A. Umlaut von k zu Tv vor folgender harter Silbe:
dabei muss bei der Beschaffenheit des Codex z. Th. die Erscheinung
des Wechsels von t». und k vor folgenden weichen Silben hinein-
gezogen werden.
1) Auf K wirkt ein 'b, der folgenden Silbe, das im
späteren Verlauf dem Ab- oder Ausfall unterworfen ist,
nicht ein, sondern entweder bleibt k, der seltnere Fall, oder es
ist bereits, der gewöhnliche Fall, zu ( geworden. Das k ist bewahrt
in bÄMkHTv, RHCkp'K (3 mal), ;i,kH'k g. pl. (daneben a^ht^)? uii^A^^
lUkA'kUJa U.S.W. (15 mal, regelmässig ujjat»^ uiij\,'KiuA), HdMkH'KlUE
(daneben -HfH'kiuf), nponkH'kiuc (2 mal), HfK-kpkHk (L-hts.), cawa-
pkCK'k. Die ausserordentlich zahlreichen Fälle, in denen altes k in
solcher Stellung zu ( geworden ist, zeigen eben, dass hier überall
in älterer Zeit k geblieben, nicht t». entstanden war. Wenn nun
abweichend von dieser Regel in dem Codex stehen: KOT-kai».
(1 mal), A;RKaß'KHTi. (1 mal), HfK'Sp'kHk (1 mal, vielleicht blosse
Verschreibung für Hgß'KpkH'k) neben öfterem K-kpfHi»., ockat».
(Imal), oi^TiTT». (1 mal), uitvAT^ (in npum'kA'K, lU'kA'^, uj'kAT^iU'»,
lU'kA'Kmf, also viermal), chat^ht». (1 mal, neben cHAfH-k), c-kin-fe-
lU'kH'k (1 mal), cHAoyaM'kCK'k (1 mal), T^'p'kCK'k (1 mal), HiTKp'k-
AkHEBivH'k (1 mal), so sind das weiter nichts als Fehler, d. h, bei
seiner nicht mehr sicheren Empfiudung für die richtige Stellung
von Ti und k schrieb der Schreiber in einigen Fällen t^ statt des
richtigen k oder seines normalen e. Gesprochene Formen sind ko-
TTiA'k ui'kAT* für ihn, oder wenn er sie schon übernommen hat, für
den Schreiber seiner Vorlage sicher nicht gewesen, denn man mag
sich noch so complicirte Lautverhältnisse eines altbulgarischen
Dialekts zurechtlegen, undenkbar ist es, dass in einer und derselben
Mundart lautlich gleichstehende Wörter, z. B. CK'tTkA'k und ko-
TkA'k einmal CK'tTfA'k, d. i. altes -TkAi»., einmal kottvAT». ge-
sprochen seien. In diesem Punkte deckt sich also der Marianus mit
dem Zographensis (s. o. S. 323).
2) Die Regel (s. o. S. 324), dass auf k nach palatalen Conso-
nanten ein harter Vokal der folgenden Silbe nicht wirkt, zeigt sich
deutlich bei der Stellung nach a : 64 mal steht c'KB'kA'^'''^^^**c'rß<5j
-cTßOBATH gegen 2 mal --kctb-, vgl. dazu 3anAkßaiiJ/?k nakBarH
nAkBaa\';^, KovnAkHaaro, auch orHkH;^»* kann hierhergezogen
werden; abweichend nur stMATvCKaaro (1 mal). Auf diesen Punkt
334 A. Leskien,
kann mau noch weiter eingehen : bei dem Suffix -km- des Compa
rativs und des Part. prät. akt. scheint der Codex ganz durcheinan-
der -1S.U1- und -Kiu- zu schreiben, z. B. A^cajKA'^ii^'^} KpkUJTkiue,
CKpaiUTkUlH, TpOY^A»^UJf, AO^MbUlf und Kp'KUJT'KUJf, B'Knpo-
iii'hiUHY'K, poJKA'kLUff, AoyMTviuHH u. s. f. Aber eine bestimmte
Grenze ist doch vorhanden: nach a (dazu zu rechnen auch die La-
bialen, wenn das /'nach der bekannten Regel nicht eingetreten isf ,
H, p' bleibt k in 68 Fällen: KOAkma u. s. w. 12 mal, ropkma 4,
AHBklllE CA 1, HSBaBAkLUEMk J, HCnA'kHklUE 1, MkHkUJH\"k Mk-
HkUJkMH 2, ocraBkiue ocTaBAkuie u. s. w. 10, noKaoHkiii« no-
KACtHkmaM'k. 2, npHCT;^nkiija u. s. w. 18, pas^'kakiue 1, ckTBO-
pkiue u. a. 12, OYtSBkUJf 1, -kBAkma 1, ;k,ptBkHHH\"K 2 (das Er-
weichungszeichen, das im Codex nicht geschrieben wird, habe ich
der Deutlichkeit wegen eingesetzt); t». ist ganz vereinzelt: ocTa-
BAikUja, AptB'kHHHMT». (2 mal). Man sieht jedenfalls, dass nach
a" h p" das k festgehalten wird vor folgender Silbe mit hartem wie
mit weichem Vokal ; in diesem Punkte herrscht also Uebereinstim-
mung mit dem Zographensis, d. h. der Schreiber des Marianus hat
die alten Formen getreu bewahrt, auch wo er das k, wie etwa in
BOAkUja rop'kma, nicht mehr sprach. Auf die andern palatalen
Consonanten, mit denen es eine besondere Bewandniss hat, komme
ich unten.
3) Anzuknüpfen ist zunächst die Frage, wie es sich verhält
mit der Bewahrung des k vor folgenden palatalen Consonanten
(s. 0. S. 324). Gegenüber der sonstigen Gleichgiltigkeit gegen 'k
und k vor folgenden weichen Silben, z.B. HacA'k.A.'kHHK'k, npaßi».-
A'fe u. s. w., zeigt sich vor h a p mit grosser Regelmässigkeit das
alte k: BAHH;kH/ivi>fv (2), BkH-RmTkHff (2), B'kH;i;TpkHfe (3), ji,o-
lUiamTkHHH -H/SVf/Ä (2), ^•»^MKkH'fearO (1), KpOlUI'tlUTkHIil^liR (3),
lUlkHHH U.S.W. (12), nC»CA'R;V,kHHH (26), nptAI^Hff U.S.W. (4),
np-KMkHiT^rT^ (1), nkp'S pacnkp'R c;f»nkp'K (7), ckB/ftakH-k (2),
TkAt (3), o^TpkHHH (3), 72 Fälle; denen gegenüber mit 'k :
APfB'kHHHM'k (2), M'kHHH U.S.W. (3), OC'kA"H (1), Oyxp'k.HHH (1).
B'k-(Bk-)H'KmTkH£« -HHHMk (2), B'kllU'kHliarC» U.S.W. (11), HHJK'k-
H'Karo -HH\"k (2), also 22 Beispiele (unberücksichtigt ist geblieben
HCKpTvHHH, weil hier die Schreibung der p^k-, pk-Silben hinein-
spielt), davon aber 15 mit iut lu jk vor k. Das führt nun zu der oben
ausgelassenen Betrachtung der Wirkung der palatalen Consonanten
Die Vokale i., b in den Codices Zographensis und Marianus. 335
ausser a h p : m jk uit tkjs, u, (s) auf folgendes k. Dies kann nach
hnen erhalten bleiben und wird in Befolgung älterer Tradition und
älterer Vorlage geschrieben vor weichen w^ie vor harten Silben, z. B.
epaH^KA'Ki, K'kMKH'KiH, rpHiuKHHK'K, onKTa u. S.W., cbcnsowohl
aber auch KKH-kujTTvHff, rpUiu'KHHK'K, A'^-kh^'khh, houjt'khIvH
U.S. f. Mau kann also zunächst daraus gar nichts schliessen. Nimmt
man aber eine bestimmte, häufig wiederkehrende gleichartige Wort-
kategorie, so löst sich die Sache. Ich muss dabei etwas weiter aus-
holen. Scheidet man aus der Menge der Adjektive auf -khtv
zunächst einmal diejenigen aus, wo dem -knix ein h jk iut :K,i,
vorangeht, so zeigt sich bei den übrigen, dass in nur 12 Fällen vor
folgender harter Silbe k bleibt: BOAkHJ (1), roY^i^no (2), ;\,o-
BOAKHO (1), A*>'^<^K"^"<^f (l)j 3aK0HkH0M0\f (1), HCTHHKHOf (1),
npanp;(^yi,kH;i>i7^ (1), ck^P'^"^"^ (^)> c;R/i,kH'KiH (1), tkmkho (2);
dagegen steht in 170 Beispielen t^, z. B. ka;rat^m*^> ka'Ra'^h^V'
KP'kMtHTvHOY, H3B'kcT'kHC>, AosikHaaro, norp'tB'kHOY U.S. f. Die
Beispiele aufzuzählen unterlasse ich; bei der angegebenen Zahl
kann ich mich um einige Einheiten verzählt haben, darauf kommt
es nicht an, von dem Gesammtbestande kann sich jeder durch den
Index überzeugen. Wo nun -kh- ausserhalb der obigen 12 Beispiele
erhalten ist, steht es jedesmal vor folgender weicher Silbe; die
Zahl der Fälle ist sehr gross, gezählt habe ich 176, wobei natürlich
die K vor oder nach a h nicht mehr mit gerechnet sind. Zur Charak-
teristik führe ich einige Beispiele an: B'tpkH« B'KpkHH, B'kp'kH'ki ;
A;^KaBkHH, AA^KAB'kHo; noA^BkHH no^OB'kHO -Ha (16 mal nur so);
CAAEkH-S, CAAB'kHTJ -H'klH)("K; KaMCHkH'kEMk, KaMtH'KH'klY'K i
paBkHti -HH, paB'kH'ki -Ha -HO. Nimmt man endlich dazu die Fälle,
in denen vor folgender weicher Silbe -TiH- erscheint, so beweist
den gegebenen Zahlen gegenüber ihr geringer Bestand, dass es
sich nur um eineAbirrung handelt; es sind: B'tvC'kH'keMk (1), B'ks-
raaB'KHHi^H (1 , AO\fX'<>ßT^n'^" (1), nah iuit^hhkt». (2), HacA-K^Tv-
HMKlk (3), HaCTaB-kHHMf (4), npaßC^'kHHK'k (3), npHCTaBTiHHKT».
(2), cB-kTHA-kHHK'k (2), cMOKOBiiHHU,a (5; -kHHU,a steht 10 mal),
C'kpEBp'kHHK'k (1), CkT-kHHKI». (3), TfM'kHHU.H -U,A (2; -kHHl^a
15 mal), zusammen 30 Fälle. Alles das zeigt, dass der Codex aus
einer Quelle geflossen ist, die in diesem Punkte genau so beschaffen
war wie der Zographensis oder dessen Quelle. Ganz anders aber
wird das Bild, sobald man das nach m :k u. s. w. stehende -kHi».
336 A. Leskien,
betrachtet, hier ist auch vor folgender weicher Silbe -'kh- in ausser-
ordentlicher Ueberzahl eingetreten. Ich stelle alle Fälle zusam-
men, wobei die als Stichwort gegebene Form zugleich die sonstigen
Formen des Wortes, wo -'KH- vor weicher Silbe steht, mit bezeich-
nen soll: KpaM-kHHH (1), KTvHtUJT'KHfe (3), B'WUJ'KHtarO (12),
K'&M'kH'bEMb (1), rOpWIJJ'KHt (1), rp-KlUlvH-Kf Mb (3), rpUUi'KHHK'k
(26), A'^''»^^'^""'^'*»^ (5)> K'kHHHiTvHHK'K (41), HHJK'KH'KarO (2), HO-
H;'KHKI^a (1), HOUIT'KH'SH (1), H;i^»;/^'kHHL^H (1), npHCTpamiiHH
(2), R'tHAIK'KHHK'K (1), Cß'KUJT'KHHK'k (4), Tp'K:K'KHHK'k (2).
T'kic;riijt'khhk'k (1), I/AS'kim'khhi^h (1), das sind 109 Fälle; da-
gegen ist -KH- erhalten: ßT»,3MC»KkH0 (1), ropo\fuJi^HO -Hoy (2),
rp'feUJKHHK'K (1), A'^T»^^!*"" (U, A'^'*»^^'»^""'^'^ (3), HCTOMKHHK'K
(2), K'kHHH;h.HHK'K (15), H^A^^'^HHK'k (2), OBElUTkHHl^H (1), npH-
AtTKhH'kt (1), n'bH/fVH^kHHKOM'k (1), Tp'kJKkHHK'K (2), T'KIC;SiUJTIi-
HHKTs. (1), Y'kiiijtkhhi;h (2), jjÄS'kiMkHHKT». (2), zusammcu 37 Bei-
spiele. Vergleicht man einen bestimmten einzelnen Fall, wie ein-
maliges rp'femkHHK'K gegen 26 mal rp'tiu'kHHKT». und stellt dazu
das Zahlenverhältniss der -hH- zu -'kh- ausser der Stellung nach
M u. s. w., so leuchtet ein, dass für den Schreiber des Codex oder
den seiner Vorlage nach diesen Consonanten 1%. das normale war.
Das lässt sich noch durch zwei andere Vorkommnisse stützen :
1) während -hiu- des Comparativs und Particips nach a h p sein
h behält (s. 0. S. 334), geht es nach m jk u. s. w. in i», über, vgl.
B'kSBpaiuT'kiu« (5), BksrH'tujT'klueM'K (1), B'ksaon^'kiiJf (1),
BTkSaOJK'kUJK» (1), BTvnpOllJ'kUJHHY'K U. a. (8), Kp'kUJT'kllJe (1),
aOVHT».UJH (2), HOLU'kUJ£ (1), CTp'fellJTs>llJa (2), IIOl'lllT'kllJH (1),
POJKA''^^^ (= P'^^Am 1)j pOJKAT^^lAlf -UiW (2), CTi.KpOYLU'KUUH (1),
OYK'feH^AT^^iAJ""'^''»^ (1)? YOJKA''»^^'^ (0> 29 Beispiele; dagegen ist
-km- erhalten: A^^canc^i^uJ« (1), KpkiuTkme (2), aoyHkiJUf (1), 3a-
CA;^>KAkLU<ftlift -lUHH^Tk (2), OBpaUJTkllJH (1), npHBAHJKkUJIC» (1),
npHKAWHkiuK» (2), TpoY^Ai^iu« (1), also in 11 Fällen. — 2. Mit
der beobachteten Erscheinung deckt sich das Verhalten von ur-
sprünglich auslautendem k nach m n; u.s.w., auch hier der Gegen-
satz von A H p und den andern alten Palatalen: in über 120 Bei-
spielen steht nach den a h p" das k, vgl. B-kSBaa-k, BT».3Aic>EA"k,
AtiAaTfA'k, HcnA'kHk (part.), npHCT;i^nk (= -nA'^k, 19 mal), c'kB'S-
AliTfAk, c'kTBopk, orHk u. s. f., dagegen t». nur in B'KRA'k (1),
KopaB'k (4; 15mal KOpack) KopacA'K (1), cphti (2; ISmal orHk),
Die Vokale i., b in den Codices Zographensis und Marianus. 337
nacTTüpT». (2 , np-twAOM-K (pait., 1), pasAt^^-K (part, 1], n-kcapTv
(22mal, 1 2 mal -pk), dessen Häufigkeit sich einfach durch das Hart-
werden des p erklärt, die bewahrten -pu sind Erhaltung der Schrei-
bung einer älteren Vorlage, wie das p in ulicaplv ivlvcap^». Sobald
man aber wortanslautendes k nach m, uj, ;k, ujt, ik/i,, u,, s be-
trachtet, beginnt das Schwanken mit grossem Uebergewicht von i%
(270 "K, 94 k): ein -i^k kommt überhaupt nicht vor, Hauj'k ßauiii
stehen immer so, zusammen gegen 40 mal, vgl. noch ß'ksrAaui'K,
OKpauJT'K (12mal, OKpauiTk 3mal), ß'kcaiKATv, n-tHAS'k (8mal,
vgl. zur Härte des s a. pl. ii'kH/AS'Ki], K'KHAS'K (8mal, KT^HASk
einmal) u. s. w. Es sind also diese Consonanten für den Schreiber
oder einen seiner Vorlage hart, daher das is.. Wenn öfter noch
k nach ihnen steht, z. B. M;*;H;k (17 mal), M;iiJK'K (IGmal), so hat
hier noch die älteste Quelle, die diese Verhärtung nicht kannte,
nachgewirkt. Die beschriebene Wirkung des m u. s. f. bildet einen
starken Gegensatz gegen den Zographensis, der sie gar nicht hat.
Es ist vielleicht nicht nutzlos, da einmal vom Wortauslaut
die Rede war, diesen überhaupt etwas näher zu betrachten. Bei
den alten k-Stämmen und den auf k auslautenden Adverbien hält
der Codex in beträchtlich über 600 Fällen das k fest; sie aufzu-
zählen, hätte keinen Wert, ich gebe nur einige charakteristische
Beispiele: 42mal KkCk (Dorf) und Rkck (omnis), 4mal ßkci».; 80 mal
^kHk (^fHk), 1 mal ;k,eH'k,; 23mal Kat.ifHk, ImalKaMCH'k: ITmal
uaTfpknurso; 14mal na'kTk, 4mal na'kT'k; 25mal n^Tk nur
so; 17mal n;^Tk, 4mal n;^^^; 20mal ce^Ok nur so; 13mal 3a-
noß'S^k, Imal-A'k; 17mal ßaacTk, Imal EAacTi^; lOSmal ck,
15 mal Ck. Von t». am Ende der betreffenden Formen habe ich
137 Fälle gezählt, darunter 39 mal rocno;i,'k, erklärlich durch die
Flexion rocno;4,a u. s. w. (28 mal steht rocnoAk). Die palatalen s
u. s. f. lassen in diesem Falle meist auch k nach sich bestehen,
doch nicht ganz: HOUiTk 11 mal, HOiur-k 5 mal, p'tHk 2mal, Imal
p'kMTk. ^lan kann also sicher sagen, dass eine Tradition verbun-
den mit dem Bewusstsein, dass diese Wörter einer bestimmten
grammatischen Kategorie angehören, hier wie auch in andern alt-
kircbenslavischen Quellen das k im Auslaut der e'-Stämme festge-
halten hat auch da, wo offenbar der Schreiber, wie hier der des
Marianus, ebenso gut hätte t». setzen können und es in einer immer-
hin beträchtlichen Anzahl von Fällen auch tbut.
Archiv für slavische Philologie. XXVH. 22
338 A. Leskien,
3. Die AuseinaudersetzuDg unter 2. habe ich angeknüpft an
den Umlaut bei den Adjektiven auf -kH^K, um an einem Falle, der
in so zahlreichen Beispielen vertreten ist, zeigen zu können, wie
es mit dem Umlaut von k zu 'K vor harter Silbe steht. Es müssen
noch die Fälle ausser jenen Adjektiven betrachtet werden. Wäh-
rend im Zographensis -kck- vor harten Silben unverändert bleibt,
ist das hier nicht der Fall; die Beispiele, in denen 'k steht, über-
treifen die mit k fast um das Dreifache (45: 17)^ beispielsweise
raA<»pHHT»^CK;K, «AHH'kCKa, AarHH'KCK'Ki, pHiiiini,cKaMH. Im Gegen-
satz dazu bleibt -kCK- vor folgender weicher Silbe in der Ueberzahl
der Fälle unverändert : roMopkcij^lvH (1), fAeoHkcii,1i (4), /\K>,\kcu,Hii
(4), MopkCT'K (3), CHAoraMkci^'t (1), C(5a«"^'i»cU'S (2), TaBopkt:-
Akcu,tyk (1), MactßliHkcii,1vrjk (l); t». nur in «AfOH'kcn'k (1), hhs-
poycaaHU'KCLili (1), Hop^aH'kCL^Ii (2), fifHHcaprr-kci^t (1). Aehn-
lich verhält es sich mit -kCTßC», die Schreibung schwankt, indess
steht auch hier von harten Silben 36 mal -'kCTKC, vgl. z. B. ^i^li-
K'KCTKa, .\;*\Kaß'kCTßO, HacA't^V'k.cTBOYKR, Hfßlip'kCTßO, nur
9mal k, z.B. nn-knkCTßO, HfßljpkCTßc; bemerkenswerth ist aber,
dass -kCTßH« fast regelmässig k behält: KoraTkCTßH« (2), ahyoh-
MkCTßllC (1), HEß-kpkCTßHC (2), OTk(f)MkCTBHf (6), WOZU UOCh
kommt ii,1icapkCTßHf, das so nie ausgeschrieben ist, dagegen öfter
als n'ScapfCTBHe d.i. -kCTBHf; die Schreibungen ßaa^'KiH'kCTBHf,
OT'kM'KCTBHe siud uach der Regel o. S. 336 normal.
Bei den Formen der Wörter auf -kii,k, ki^f, ki;a herrscht das
grösste Schwaaken zwischen 'k und k vor hartem wie vor weichem
Vokal nach i^, wenn auch die Zahl der "k (81) die der k (57) über-
wiegt. Als Beispiele seien angeführt: rpa;\,ku,A und rpa;k,'ki;/A ;
M'kiiLns.i;a M'kiLUi<i.u,ci;^; oßki;/Ä (4 mal) c»B'k^/A (18 mal); OTku,a
-^l<^ -u^iy^k, -n,H (zusammen 7 mal), OT'kii,a -i^n.ik -u,k> -uov; -u,u
(29 mal); ca'knkna und CA'kll'K^a; cp-k^ku.f cp'k^i.ki^HY'k und
cpTs.^k,!*!^« cp'k,\'Ku,n\"K. Ich möchtc dies Schwanken nicht auf
blosse Gleichgültigkeit gegen 'k und k, das in solchen Silben vom
Schreiber nicht mehr gesprochen wurde, zurückführen, sondern
annehmen, dass die Erscheinung des 'k zusammenhängt mit der
Entpalatalisirung des n, wodurch die so anlautende Silbe hart
wurde. Dafür spricht einmal das oben erwähnte beständige -i^'k
im Auslaut für altes -ij,k und die so häutigen Fälle von OT'Ki;a,
Oß'kH/Ä.
Die Vokale -h, i. in den Codices Zographensis und Marianus. 339
4. Zuletzt sind uoch die einzelnen Wörter wie TKMa u. s. w.
und die mit seltenen Suffixen wie -k,\^^ zn betrachten. Dabei muss
man sicli auf häufiger vorkommende, gleichartige Falle beschrän-
ken, denn bei der Beschaffenheit des Codex kann man bei mehr
vereinzelten Beispielen niemals ausmachen, ob eine zufällige Ab-
weichung oder Befolgung einer Regel vorliegt. Die Infinitivstämme
von B'i^paTH, AT^P'^TH, nKpaTM, cT'k/\aTH, STvA^^TH stchcn regel-
mässig so, in runder Zahl zusammen 60 Beispiele, dagegen i% nur
in c'kKKpauiA, CKKkpaAh., CKKkpa, also dreimal, wohl keine
Alterthümlichkeit, sondern eine Abirrung des Schreibers; iun»..3A*^
in den hierherzuziehenden Formen 13 mal, MkSA^» 3mal; K'kAOßa
B'kA<^i^Hi|,a 14 mal immer so (doch s. die Bemerkung o. S. 323);
TT^Ma in den Formen vor harter Silbe 12 mal, und wie im Zogra-
phensis erscheint auch ttvMIv 7 mal gegen einmaliges tkm'K ;
npaß'KA^ vor harter Silbe 11 mal, dagegen vor weicher npaßkA^
onpaßk^HTH 7 mal (neben je einmal npaß'k/k.'R onpaßT^AHU^H);
cßliTTvAC» 7 mal nur so.
Die Vergleichung der Gesammtbeschaffenheit der Handschrif-
ten ergibt, dass, da Zograph. und Marianns nicht einer aus dem
andern stammen, beide auf eine Quelle zurückgehen, die: 1. eine
umlautende Wirkung von 'k auf k der vorangehenden Silbe nicht
hatte, sondern nur die vollen weichen Vokale (darunter k = späterem
() so wirken Hess; 2. die den Umlaut hatte a) in den Adjektiven
auf -kHi».; b) in bestimmten einzelnen Wörtern , sicher in TT^Ma,
B'K.VCßa, ykSA*», npaß'k.V'») den Infinitiven E'kpaTH, ;k,'kpaTH,
R'kpaTH, CTTvAaTH, .s'kA'^THj ^^ cß'RT'kAo; ob noch weiter, ist
aus der Vergleichung des Marianus nicht sicher zu entnehmen;
3. der Marianus hat einige Erscheinungen, die im Zographensis
nicht vorkommen oder zweifelhaft sind: a) die Ausdehnung des
Umlautes auf -kCK- (fehlt Zogr.) und -kCTßO (Zogr. zweifelhaft);
b) Marianus hat die alte Regel, dass vor und nach palatalen Con-
sonanten k unverändert bleibt, nur noch bei a h" p", lässt dagegen
abweichend von Zogr. nach m. jk u. s. w. k in Tv übergehen.
B. Umlaut von T\ zu k vor folgender weicher Silbe.
I. Die Fälle ausser den Präpositionen bt». bt%3-. Die Ueber-
einstimmuugen mit dem Zographensis bestehen in folgendem :
a) negativ, in dem Unterbleiben der Wandlung der 'k zu k
nach gewissen Consonanteu und in gewissen Wortkategorien , und
22*
340 A. Leskien,
zwar: 1. Die Präpositionen ktv und ck bleiben unverändert; es
kommen zwar einige Kk vor, Kk iht».h'6 M 1. 28, Kk Hfiuio^ M 13.2.
26. 7, L 5. 33, 8. 4, ebenso einige Ck, ckHEiui-k M. 26, 59, ck muh
L 10. 37, ckHMHLUTa M 6. 2, aber diese bedeuten gegenüber der
ungeheuren Masse von Ck K'k eben so wenig wie die paar Fälle,
in denen auch andere auf Tv auslautende Präpositionen k zeigen:
^\A,^,h. Hk L 10. 37, H3k whocth L 18. 21, np'R;i,k MiHtWK L 9. 52.
np-S^k HHMH J 12. 37, np-k.vk H^A^uJTfH L 18. 39 (über np'k^.k
vgl. oben S. 331). — 2. Nach k und c unterbleibt überhaupt die
Wandlung, daher regelmässig K-kHHra, K'kHAS'k, K'k^e, c'kAi*
u. s. w., CTkRH-, c'kM'kTH, ckT'lv. Auch hier finden sich einige k
neben der Masse der 'k: KkHii/KkHHi^H M 23. 27, KkHHr'ki J 10.35,
19. 37, KkCHHT'k KkCH/ÄUiToy M 24. 48, 25. 5, L 12. 45 (aber
K'kCH'kauiE Ll,21), KkH<fvSM Ma3. 22, KkHASOv; L 12. 58, KkH/fisiv
J 12. 42, Kk^e J 20. 13, nockAJTk J 14, 26, ckH-k M 27. 19, die
Verschreiöung ckC'kU.H L 23. 29. Ein Verzeichniss der Fälle mit
erhaltenem 'k zu geben, wäre unnütze Papierverschwendung, jeder
kann sich durch den Text oder den Index vergewissern, wie regel-
mässig in den betreffenden Wörtern 'k geschrieben wird. Die
wenigen Beispiele von k stehen auf demselben Boden wie z. B. das
öfter wiederkehrende luikHor'k, sie sind Abirrungen des Schreibers
oder Ausfluss einer Stumpfheit gegen die richtige Stellung von
Tik, k. — 3. In A'kJKk und seinen Formen bleibt 'k; AkH;k nur
J 8. 44. — 4. Im Participium auf -t^uj- bleibt 'k; davon einige
kaum nennenswerthe Ausnahmen: LUEAkiiiE M 13. 28, L 17. 14,
1i.A,kLUTv M 15. 32, nponkHkuif M 27. 35. — 5. ß'k.s'knHTH wie
B'kRHTH bleiben so, und es kann kein Zweifel sein, dass der Codex
auf eine Vorlage zurückgeht, die hier 'k hatte: von K'kS'knuTH
kommen 24, von R'knnTH 12 Fälle mit 1%. vor, mit k nur KknHlvY;^
Ma 11. 9, L 13. 21, B'kSknMUJ/Ä Ma 15. 12, BkSknn M 27. 46. —
6. ^i.'kmTM mit seinen Formen hat nur 'k, obwohl öfter vor-
kommend.
Man kann natürlich noch eine Anzahl Fälle aufzählen, in
denen t». ohne Wechsel mit k steht, wie KfT'kC'k M 9. 16, ,^1^-
JK^HTTs. M 5.45, HSA'kiuf Ma 15. 37, L 23.46, K'kHfA'k L24.42 u.a.,
es hat aber keinen Werth, da man hier vor dem Zufall nicht ge-
sichert ist.
b) Nach der positiven Seite stimmen Zographensis und Ma-
Die Vokale t, i. in den Codices Zograpliensis und Marianus. 341
rianiis Uberein in der Wandlung von 'k zu k in folgenden Fällen
ausserhalb der Präpositionen K'k kt^s):
;i,kRlv ^v'^^'l^Ma an denselben Stellen in Zogr. wie Mar. M 10.
29, L 3. 11, 17. 35, J 2. 6 (im Text Zogr. A'»^R''i"*»: die Lesung ist
unsicher), 0. 7, 9; an den andern Stellen, wo die beiden Formen im
Mar. mit k stehen, M 5.41, 6. 24, 9.20; 14. 17,19; 18.8,9; 21.28,
24. 41, Ma 5. 25, 16. 12, schreibt der Zogi*. das Zahlzeichen oder
AB- A'ß- oder der Passus fehlt ihm; J 1 1. 9 steht eine andere "Wen-
dung mit ;k,'KKi\. Dagegen ist auch im Mar. x^^<^ die stehende
Schreibung, vgl. den Index, wo nur einmal ^KKa vorgezeichnet ist.
3KAlv M 17. 15 (fehlt im Z.), L 3. 19 (Z. ebenso), skah L 11. 13
Z. ebenso).
BkHt M 26. 69, Ma 1. 45, 3. 31, 32; 11. 4, L 1.10, 8, 20 (an
diesen Stellen Z. ebenso; KkH-k J 20. 11 fehlt im Z.); ßkHHf7i.A0V
M 23. 27, 28 (fehlt im Z.]; KkHUiUTkHfe L 11. 39 (Z. ebenso).
Formen von Kk^-feTH mit k in Z. und M.: M 25. 13, 26. 38,
40, 41, Ma 13. 34, 35, 37; 14. 34, 38, L 2. S, 12, 37, 39; 21, 36.
Beispiele dieser Wörter mit i». bei folgender Silbe mit wei-
chem Vokal: S'KAH M 12, 34, a-kA-k M 15. 22, L 7, 7, wo Zogr. k
hat; s-kA-k M 21. 41 fehlt dem Z. — at^kU AT^ß^iMa M 18, 8
fehlt Z.), M 6, 9, Ma 5. 13, 6. 37, 12. 42, L 14. 31, 16. 13, J 21.8,
an diesen Stellen Zogr. k; A'»^ß'*^ L 21. 2 (Z, im Text ebenso, doch
ist das 'k unsicher); an den übrigen Stellen M 5. 12, Ma 6, 38, 41;
9. 45 hat Zogr. Zahlzeichen oder ^ß-.
B'kH'kiiJT'kHef Ma 4. 11 (fehlt Zogr.), K'kHtujTkHce L 11. 40
Z. BkH-).
Was sonst vorhanden ist, sind einzelne Beispiele: nkTHUH
M 10. 29 (Z. HTHUH), MkllJM^;F. M 23. 24 (Stelle fehlt im Z.), npc-
MkHC M 28. 15 (Z. ebenso), ov'MkBfnaina Ma 7. 2 (Z. 'k), TkiuTk
Ma 12. 3 (Zogr. -k), saKkßfHa L 12. 6 (Z. -k), obka« L 17, 21 (Z.
ebenso), HrkAHU-t L IS. 25 (Z. t».), p'kn-kuiTHT« p-kiiiiiuT/iiT'k
J 6. 43, 7. 32 (Z. beidemal 'k), AWKkBk AioKkBe AK>BkBH J 5. 42,
13. 35, 15.9,10, 13 (Z. nur'k). Die ganz vereinzelten Fälle können
nicht in Rechnung gezogen werden: das Wort ii'kTHU.a wird ausser
der angeführten Stelle und ii-kTHU'k L 12. 7 (Z, nkTHU,k) abge-
kürzt iiTHi;- geschrieben, neben ov'MkBtHaMa steht zweimal ov'M'k-
BfHaMa, neben TkUJTk dreimal T'kiuTk ('k kann hier nach der
Ptegel S. 323 überhaupt nicht umgelautet werden), neben OBk^f
342 A. Leskien,
zweimal OK'k^e, neben htkahhIv zweimal ht'kahh'S; auch die
Gleichheit des Zogr. und Mar. in npoMkHf kann ein Zufall sein.
Dass man endlich nicht weitgehende Schlüsse aus dem -kß- der
y-Stämme ziehen kann, zeigt einmal AWKkßk (neben awe'KBTv
L 11. 42), wo 'k sich vor -Bk überhaupt nicht verändern konnte
(vgl. CKfKpoßk L 12. 53), daneben HeiiAo;i,'kßH L. 1. 36, 23. 29.
Aus den obigen Zusammenstellungen wird klar, dass beide
Codices hervorgegangen sind aus einer Quelle, die Umlaut t». zu k
hatten in Ai^ß'*^ ^kß'feya, 3k/\H SkAt, ßkHlv, Ek;k,1vTH. Der
Zographensis ist in dem k hier überhaupt konsequent, der Marianus
nur bei ßkN-K und Kk,\1vTM , die beiden andern Wörter schwanken
stark. Das kann auf einem Schwanken der gemeinsamen Quelle
beruhen, das im Zographensis ausgeglichen wurde, kann natürlich
auch auf üngenauigkeit des Marianus beruhen; das ist nicht auszu-
machen, sicher nur, daß in der älteren Vorlage ,\hE,'k u. s. w. be-
standen haben. Tm ganzen ist die Uebereinstimmung der beiden
Handschriften in dem Umlaut 'k — k nach der negativen wie posi-
tiven Seite so, dass mir kein Zweifel bleibt, es gehöre die Erschei-
nung in ältere Zeit. Um so verkehrter wäre es, aus ihr ohne
weiteres Schlüsse auf den Lokaldialekt eines Schreibers zu machen.
II. Das Verhalten der Präpositionen ß'k kt^s- vor fol-
gender weicher Silbe. Hier schwankt der Codex wie der
Zogr. zwischen ßi». und ßk, ß'ks- und ßks-, aber nicht in gleicher
Weise, er hat an vielen Stellen ein k, wo Zogr. t». hat. Dennoch
bekommt man bei genauer Vergleichung den Eindruck, dass beide
Handschriften aus einer Quelle stammen, die ungefähr an denselben
Stellen 'k oder k gehabt hat. Den Vergleich durch den ganzen Text
durchzuführen, würde hier zu viel Raum einnehmen, ich gebe daher
nur einige längere Stelleu. ]\[an vergleiche z. B. Joh c. 8 — 12:
übereinstimmend ß'k, R'kh haben Zogr. und Mar. an folgenden
Stellen: ß'k np'ki\K>KOA'liaHH 8. 4, ß'k T'kyK 8. 12, ß'k rp-kcKY'k
(bis) 8. 24, 9. 34, ß-k HHpt 8. 26, 9, 5, ß'k Hsro (Z. ß'k Hk) 8. 30,
ß'k ßtK'k 8. 35. 51. 52; 10. 28, 1 1. 26, ß'k MHp-k 9. 39, 10. 36, ß'k
npHTopt 10.23, ß'k urkHlv 10. 28, ßk ,i,»^mh U. 9, ß'k ,\w»( 11.9,
ß'k BHTaHHiÄ 11. 17, ß'k lU/Sv 11. 25. 26, B'kSkUi'kTe 11. 39, ß'k
H'K (= Hk) 11. 48, B'k3'ky;^T'k 11. 48; — für ßk ßkck UHpk
11. 27 hat Zogr. ß'k ünp'k;
übereinstimmend ßk, ßk3-: ßk ntuh 8.44, Bk3/AC<A 8.59,
Die Vokale £, l in den Codices Zographensis und Marianus. 343
10.31, 11.41. Rh Hii\"k 0.16, RK3eM/\niiH 19.24. KkHH,\<T'k(bis)
10. 9, KkCKp'kllJfHHf 11. 25, ßk CfKk 11. 38, Kk3Ke,V,t 11. 41, Kk
i\(rc< II. 45, Kk3ii,\,;si 11. 55;
Marianus hat 'k, Zogr. k: R'K3»iiiTiTi 8. 21 (Lesung k in Z.
unsicher], irkSHtcere 8. 28, R'k H«rc» 9. 3(3, 10. 42.
Marianus hat k, Zogr. t».: Kk npUAiCKOA'li'JHHH 8.3, Kk rp'kck
8. 21, Kk Hk 8. 31, KkM'kiiiTaar'k 8. 37. Kk3kMrr'K 10. 18, ßkc-
KpIvlUfHH« 11. 24, Kk KfCk 11. 30, KkCKpkCHfT'k 11. 24,
Im Marianus ist ein Ueberschuss von k vorhanden, trotzdem
stimmt er in der Erhaltung- des 'k bis auf 4 (3) Stellen mit dem
Zographensis zusammen.
Selbstverständlich ergeben sich aus andern Stellen andere
Verhältnisse, vgl. die beiden ersten Kapitel Lukas :
übereinstimmend im i^ beide Codices an folgenden Stellen:
KT», ^hH\i 1.5, KTx MHHOr 1. 8, ß'klUf^V'kmW 1. 9, K'KUJf.V'^ 1.28,
KT». ;K{Ha\"K 1.28, K'k.U.'kCapHT'k 1.33, K'k K-kK'kl 1. 33, K'k KkCfH
1. 65, K'K Hf3aan/i; 2. 13, Kk ,v,i^nf\'''*^ -• '^^5
übereinstimmend im k: Kk H/äike 1. 25, Kk cfß'k 1. 29, Kk
Hp-kK-k 1. 31, 2. 21, RkHH;i,e 1. 40, Kk3Hrpa 1. 41, 44, Kk3KfAH-
MHA-K 1. 58, Kk3AßHJK£ 1. 6), Kk HH\"k>Ke 1. 78, ßk3H;\6 2. 4,
Kk HHY'K 2. 9, KkK'kcTf 2. 27;
Marianus 'k, Zogr. k: K'k Kp-kr.i/A 1. 20, kt». lUfCT'ki 1. 26, K'k
Hp'kK'k 1. 41, K'k. JKeHay-k. 1. 42, K'kSHtce 1. 52, K'k.3H'kC/Ä 2. 22
(Z. k zweifelhaft), K'k \huw 2. 25, K'kSHCKaiiRUJTa 2. 45;
Marianus k, Zogr. 'k: Kk ,i,kHJ\"h. 1. 7, 18, Kk ;i,kHH 1. 25,
Kk T'kM'k 1. 79, Kk Ahmt 2. 1, Kk TkY'K 2. 49.
Die Fälle des Plus von k im Marianus sind bis auf Kk T'k\'k
solche, in denen der Zographensis überhaupt kein Kk haben kann
(S. 323), und ich komme hier auf die Frage, ob sich aus dem Ma-
rianus noch beobachten lässt, dass die Regel, nach der vor stumm
werdendem k der folgenden Silbe kein Wechsel von 'k zu h vor-
kommt, auch hier gegolten habe. Fälle wie Kk BkCH, Kk Hk (Hk),
Kk ;i,kHf\"k, Kk T'kUl-k. Kk3kp'kK'k. Kk KkC'kK'k, Kk ükH'k siud
häutig genug neben Kk ,vt^HH, ^'^ m*, Kk r.i'kH'k, K'k T'kU'k, K'k
K'KC'kKO u. a. Ich zähle sie hier nicht auf, weil ich meine, es lässt
sich erweisen, dass die Kk Kk3- an solchen Stellen nicht auf einem
lautlichen Vorgang beruhen , sondern einfach in der Unsicherheit
des Schreibers gegenüber 'k und k begründet sind, hier begünstigt
344 A. Leskien,
durch die Gewohnheit, das ßh bks- in vielen andern Fällen vor
folgendem weichem Vokal zu schreiben. Wäre nämlich ein bk
/k,kHH u. s. w. einmal wirklich vb chni oder vh dni gesprochen wor-
den, so hätte es bei weiterer Entwicklung te-dni ergeben müssen;
irgend eine Spur einer solchen Weiterbildung mUsste vorhanden
sein, es ist aber nie der Fall, vielmehr steht in allen gleichartigen
Fällen, wo die Quelle dem späteren Lautbestande nachgibt, bo bos-,
d. h. es ist bt». b'ks- von alter Zeit her erhalten geblieben, t^ nicht
zu K geworden, z. B. bo BKcei M 6. 29, L 12. 7, bo Bkcnjik J 13. 1,
BO Bkc1i\"K L 9. 48, BO BkC/Ä L 9. 13, ßo Bkc;s\ M 1. 28, L 2. 3,
6. 12, BO A>^"H 24. 37, L 6. 12, bo Hk Ma 7. 15, L 8. 30, J 2. 11,
7, 31 (u. s. w. s. Jagic S. 428), BOSkMH M 9. 7, boch1vKT».uik» (wo
zu denken ist BOCk-kETviuio) M 13. 6. Wenn die Präposition vor
k-Silben steht, deren k in der späteren Entwicklung nicht ausfällt
(zu E wird), kann wie im Zogr. Bk stehen, z. B. Bk A*^"*^ (A^mi*)?
Bk TkMkHHij|,H (TfMH-). Ich kommc daher zu dem Resultat, dass
sowohl dem Zogr. wie dem Mar. eine Quelle zu Grundes liegt, die
eine Wandlung von Tj. zu k vor einer Silbe mit schwachem k nicht
hatte.
Im Zographensis fanden wir (s. o. S. 328) einige Fälle, wo 'K
statt k auch vor folgender weicher Silbe steht. Diesen Punkt am
Marianus ins einzelne hinein zu verfolgen, würde zu nichts führen,
denn die Handschrift ist hier zu unregelmässig; man kann sagen,
dass in jedem Falle, wo k in offener Silbe steht und ausfallen kann,
vor jeder beliebigen Silbe auch ^ vorkommt, z. B. Bivce, B'kck,
B-kckyk, B'kcer.va, Ai^"^ Ai^"") AT^"*\*t^? AT^h^^i*- A*^"T^A*'*^*'
ocKAH, S'kpHiiJH, npHS'kpli, co.^Ti.pliaT'K U.S.W. Es ist ja
offenbar, dass dies nicht ursprünglich so war, sondern beruht auf
der Stummheit des alten k, auf einer Aussprache ßce, ^Hf, 3p1iTH
u. s. w., so gut wie die gelegentlichen k für 'k vor folgender harter
Silbe, z. B. LikHor'k, BkH;i^Tpk, BkK'Kicfe u. dgl. Daraufgehe ich
nicht weiter ein , nur auf einen Punkt möchte ich zur Beurteilung
des Verhältnisses von Zogr. und Mar. noch aufmerksam machen.
Es zeigte sich (s. o. S. 328), dass in der W. -kM- der Zographensis
auch vor folgender weicher Silbe fast regelmässig k hat; hier ist
entschieden der Mar. altertümlicher, es kommen vor mit k: bt^b-
(Bk3-)kMfT'k 9mal, B-kSkiuieiHTv Imal, B'K3-(Bk3-jkM'kTf 7mal.
B'k3-(B03~, Bk3)kMH 9mal, HSkOfTT». 1 mal, H3kMH3mal, OTk-
Die Vokale i., t iu den Codices Zographensis und Marianus. 345
UfT'K linal. also 31 Beispiele; dagegen mit i*: K'K3-(Kk3-]'KMfTTv
3 mal, K'kS'KMfUJH Imal. ii'K3-(KK3-)kLiH Imal, H3'kMn"K Imal,
H3'KMH Imal, also 7 Fälle. Noch auffälliger ist das Verhältuiss
bei CKHkMHiUTe: Zogr. einmal so, ckh'kmhuit« 30mal, dagegen
Mar. c'KH-(coH-)kMHiiiTf 3Umal, c'KH-(cOH-)'kyHiiiTf 6 mal. Es ist
klar, dass hier im Zogr. eine Manier vorliegt, die nicht in der älte-
ren Vorlage bestanden haben kann. Mau kann noch im Mar. die
Beobachtung machen, dass wenn -kui- vor einer harten Silbe steht,
regelmässig t». steht: K'k3'KMAi Imal, B'K3-(ßk3-)'kiui;*iT'k 4 mal
(einmal daneben K'k3u;RT'K), h3t%m;^ 2mal, c'KH'kMaaY;i^ Imal
^'on CTs>HkMaTH, kein Fehler für ckHHinaTH, sondern -kuaTH ist
in der Zusammensetzung der regelrechte Infinitiv zu i€Ma;^^); nur
einmal k in B'kHkiiiaTH M 16, 11.
Zu erwähnen ist endlich noch, dass im Zogr., wie wir sahen,
E'K erhalten bleibt vor folgenden i€, k», iwv, ra (-R), m^, h. Marianus
hat eine Anzahl Fälle, wo auch hier Kk steht: ßk 'Kupfx M 15. 14,
L 6. 39, Bk f,A,""^ M 20. 6, Ma 16. 2, L 17. 12, J 20. 19, Bk Uc-
a'SY'k L 2. 7, Bk nK>,\,fiiR L 2. 4, sonst steht b'k, und der Codex
widerlegt selbst, dass hier Bk lautliche Bedeutung habe, durch
seine Schreibung btü, vgl. das öfter begegnende B'ki HCTHH;ii(-H'fe),
B'ki HHA\ u. a. (s. Jagic S. 426).
Bei der ganzen bisherigen Ausführung bin ich, wie oben er-
wähnt, von der allgemein angenommenen Voraussetzung ausge-
gangen, dass es sich um wirklichen Umlaut von k zu t^, von 'k zu
k handle, d. h. also, dass ein in alter Zeit gesprochenes k in den
betreffenden Fällen als 'k, ein altes t^ als k wirklich gesprochen
sei. Aber mir ist es nicht zweifellos, ob die Annahme wirklich zu-
trifft. Ich möchte die These aufstellen, dass die ganze sogenannte
Umlautserscheinung auf einem Sprachzustand beruht, wo die
schwachen Vokale an den Stellen, in denen sie als umgelautet in
der Schrift erscheinen, überhaupt nicht mehr gesprochen wurden,
stumm waren, dass vielmehr was uns als Umlaut in der Schrift er-
scheint, Ausdruck für gewisse Consonantenveränderungen ist, und
gehe dabei zunächst von folgender Erwägung aus. Die alte Form
des Infinitivstammes nkca- (nkcaTH, präs. nHiij;si) steht lautlich
altem Sk^aTH (präs. 3hHvV,^) völlig gleich ; hier heisst es nun im
Zographensis beständig 3'k,V'^T") dagegen nie*n'KcaTH, der Codex
kennt nur nca- und n'ca (Arch. I. 41 werden ca. 50 Fälle aufge-
346 A. Leskien,
zählt). Jagic, dem das natürlich aufgefallen ist, meint: «offenbar be-
günstigte die Consonantengruppe nc die Auslassung des dazwischen
stehenden Vokals «. Die Annahme ist misslich , n c ist eine sonst in der
Sprache nicht vorkommende Lautgruppe, dagegen bekommt einer,
der aus 3k^\,aTn das k weglässt und zdati erhält, eine geläufige Con-
sonantenverbindung (Mk3A**, sb'Ss;»,**? ''ß'^^A'i^), trotzdem schreibt
der Schreiber immer 3T\,i,aTH, wie auch regelmässig E'kpaTH ck-
iU\TH, wo ein KpaTH ca^th gar kein Hinderniss fänden. Ferner,
neben nca- n'ca- kommt 5 mal cna- c'na vor; will man diese Fälle
nicht als Fehler ansehen, so zeigen sie, dass gerade die Lautgruppe
nc unbequem war und deswegen umgestellt wurde zu dem geläufi-
gen cn. Verlegt man den «Umlaut« von S'^A'*'''" in eine Zeit, wo
der schwache Vokal zwischen 3-^ noch gesprochen wurde, so hätte
nothwendig auch ein *n'KcaTH entstehen müssen; ich sehe wenig-
stens nicht ab, wie sich dies Wort hätte dem Umlaut entziehen
können; das zweimalige nkCCiuiTk M 15.26, Ma7.27 kann dagegen
nicht geltend gemacht werden, weil es zu vereinzelte Beispiele
sind (M 7. 6 steht ncoin'k). Mau kann aber einwenden: ein *inv-
caTH wird existirt haben, nur kommt es für uns nicht zum Vor-
schein, weil überall schon nca- n'ca geschrieben wird; es lässt sich
dabei nicht ausmachen, ob k oder 'k ausgefallen ist. Wie man sich
nun auch dazu stellen mag, es bleibt immer auffällig, dass Jemand,
der S'K.A.aTH u. s. w. regelmässig schreibt, aus einem nkcaTH oder
nikCaTH den schwachen Vokal ebenso regelmässig weglässt. Viel-
leicht liegt die Sache so, dass ein geschriebenes K'kpaTH, 3'kA'^I'"
neben gesprochenem braii zdati u. 8. w. das Sprachgefühl nicht
störten, weil in vielen andern Wörtern an zahlreichen Stellen 'k, w
geschrieben, aber nicht gesprochen wurden, dagegen wohl ein nb-
caTH oder '"n'kcaTH, weil der Schreiber überhaupt als gesprochen
nur nncaTH kannte (vgl. das regelmässige nnca- des Mar., der nur
vereinzelt nca- hat) und an einem nkcaTH oder etwaigem m».caTn
Anstoss nahm als in keiner Beziehung zu seinem nncaTH stehend:
er merzte es daher aus und schrieb überall das von ihm so gelesene
ncaTH (vgl. meine Bemerkung zur Sav. kn. Arch. XXVIL 14). Es
wird dabei, wie man sieht, von mir eine gewisse grammatische
Regulirung angenommen, und ich meine, ohne die Annahme einer
solchen kommt man unsrer Ueberlieferung gegenüber allerdings
nicht aus. Mir scheint es auch, gegen die Ansicht, die ich noch in
Die Vokale -h, l in den Codices Zographensis und Miuianus. 347
meiuem Handbucbe ausgesprochen habe, wahrscheinlich, dass die
bekannten Schreibungen wie f.iKp'IvTH für Mp'k'rii, K'KAaTH für
KAaTH, K'KpaTH (Supf., ZU Kopi*) für KpaTH, keine lautliche Be-
deutung haben, sondern zu einer Zeit entstanden sind, wo man
brafi zu Kfp;*^ , zreti für 3kp'kTH sprach, aber traditionell likpaTH
K'KpaTH, SLplvTH u.s.w. schricb, und darnach in die Schrift auch
Mkp'IvTH, K'KaaTH einführte. Ausserdem ist es mir unzweifelhaft,
dass wir es häufig mit orthographischen Manieren zu thun haben.
Im Zographensis wird das alte m-KHori». nach der Aufzählung Arch.
1.25 gegen 90 mal r.iHor'k geschrieben, ca. 20mal LrkHon»., der
Schreiber sprach sicher mnog- und ist auf dem Wege, das 'k in der
Schrift ganz aufzugeben; ähnliche Verhältnisse zeigen sich bei
MHOHf; M'KHOKR, MHlc MkH'U (Arch. I. 26j Und andern ähnlichen
Fällen, vgl. dazu die Neiguüg in den obliquen Formen von BkCk
und in ßkckK-k das k nicht zu- schreiben (ßCH, BCkKO u.s.w., Arch.
I. 31). Ich kann nun nicht glauben, dass Jemand, der lihop'k für
iH'KHcr'k sprach, noch ckaaTH und nicht caaTH, noch iHk-
HliTH und nicht LiHliTH gesprochen habe, weil ich mir keine ge-
sprochene Sprache denken kann, in der ein und dasselbe Lautver-
hältniss ganz willkürlich, bald so bald anders, behandelt wird.
Trotzdem wird beständig CKaaTH und mit einer Ausnahme konse-
(juent MkHivTH geschrieben (Arch. I, 27, 38). Das Verhältniss von
UHorTv und r.ikH'kTH u. a. d. A. ist demnach für den Schreiber der
Handschrift, möglicher Weise schon für einen seiner Vorgänger,
nur der Ausdruck einer orthographischen Wahl, einer Manier.
Nimmt man nun an, dass die schwachen Vokale an den Stellen,
wo sie später ausfallen — im allgemeinen da, wo eine Silbe mit
vollem Vokal folgt — schon nicht mehr gesprochen wurden, und
verlegt in diese Zeit die Erscheinung, die uns in der Schrift als
»Umlaut« entgegentritt, so muss man sich den Unterschied, an
einem beliebigen Beispiel demonstrirt, also z. B. von B'bp'kHa und
K'kpkHH folgendermassen vorstellen. Zur Zeit, als die schwachen
Vokale noch gesprochen wurden, hiess es virhna und verhul
mit ' will ich die schwache Erweichung des Consonanten durch
folgenden palatalen Vokal bezeichnen); als das k geschwunden
war, blieb verhna verhi^ in dem letzten erhält das palatalisirte ?i das
vorangehende )• in seiner palatalen Färbung, in ceYna dagegen
wurde }■ durch das folgende harte n entpalatalisirt, es entsteht
348 A. Leskien,
vSrna. Jemand aber, der in seiner gesprochenen Sprache veryia
hatte, kann wohl in Nachahmung seiner Vorlage B'tpkHa schreiben
und wird das, wenn er getreu abschreibt, sehr oft thun, aber nicht,
wenn er seiner Sprechweise folgt, dann wird er Bl;p'kHt\ setzen,
für veriii aber B'SpbHH behalten. Mit andern Worten, für ihn sind
Tv und K nur noch Zeichen der Härte oder "Weichheit des voran-
gehenden Consonanten. Es begreift sich darnach auch ohne wei-
teres, warum nur ß'h. A^^n^ aber nicht ßk A"*"*; dagegen wohl ßh.
A^Hk (neben ßi^ \h.y\h. aus älterer Vorlage) geschrieben wird. Ver-
legt man den »Umlaut ' in eine Zeit, wo das b in ßi^ ;k,kHf. ßi». x^y\h^
noch gesprochen wurde, so kann die umlautende Wirkung auf t^
doch nur ausgehen von der gesprochenen Silbe A"*-- "nd man muss
sich fragen, was ist denn der Unterschied zwischen ,\\^- in X^^^
und in ai*hk, dass es einmal wirkt, das andre mal aber nicht. Ich
kann mir keinen denken. Ein Unterschied kommt erst heraus,
wenn man einen späteren Lautzustand einsetzt: vo-dne (weiterent-
wickelt daraus vo-dne] und v-dui (weiter v-den)^ der eine ist =
?5?.-(r/we, der andere = ^^ew, d. h. in der Schrift ßT». J^y^wi und ßw
AbHK (A«Hk), und so in gleichartigen Fällen: X^v.& = dva^ ,\^^'^
= dve, s'KAO = c/o, 3kAli = zie u. s. w. Wenn nun beständig in
KTkHHra, c'KA'kcTH. CKHHT'k U.S.W, uud Überall da. wo dem alten
•K ein K oder c vorangeht, kein k erscheint, obwohl nach der obigen
Annahme hniga^ slesü., spit gesprochen wurde, kann das danach
nicht anders verstanden werden, als dass k und c auch in Conso-
nantengruppen, deren zweiter Bestandtheil palatal war, hart blie-
ben. Das ist nicht nothwendig ein Widerspruch gegen ßk caIv^Tv
u. ä., denn hier stand die Lautgruppe c -|- Consonant von jeher zu-
sammen, während bei dem Ausfall von 'k nach k, c solche Gruppen
sekundär entstanden sind, und die Gruppenpalatalisirung später
nicht mehr einzutreten braucht. Thatsächlich tritt im Zographensis
k statt altem 'k als eine einigermassen durchgehende Erscheinung
ja nur auf nach b. v (ok;i,'feTH. ßkH-K, ßk, ßks), nach z (3kAH
SkA'K), nach d [,\h.^ls. ,i.kßtMa), d.h. die Gruppen h, v, s, c?-|-Cön-
souanten waren erweichbar. Allerdings wird solche Erweichung
weiter gegangen sein (s. die andern Beispiele o. S. 326), aber aus
unsrer Ueberlieferung ist nicht völlig sicher auszumachen, wie
weit, denn mit vereinzelten oder seltenen Beispielen kann man
nichts erweisen.
I
Die Vokale t., h in den Codices Zographensis und Marianus. 349
Auf der gegebenen Grundlage lässt sich auch verstehen, wa-
rum TTvMlv und R'Ka'kM'kTf cTkH'KMHLUTf scheiubar gegen die
angenommene Umlautsregel geschrieben werden kann; es wurde
gesprochen ima tmd^ nzfuefe. Sonmiste, d. h. in den Grujtpen tm zm
nm wurden z, /", w von der Erweichung nicht ergriffen, daher nach
ihnen 0 geschrieben.
Ich möchte ausdrücklich noch einmal hervorheben, dass ich
damit nur eine These zur weiteren Prüfung vorlege. Sie ist mir
erwachsen aus der Betrachtung aller bei t^ und k in Betracht kom-
menden Entwicklungen , die mir immer von neuem den Eindruck
hinterlässt, dass man sich die Alterthümlichkeit unsrer südslavi-
schen Quellen des Altkirchenslavischen in Bezug auf die Erhaltung
von gesprochenem 'k, k zu gross vorstellt. Man kann demgegen-
über natürlich einwenden, dass in den allermeisten Fällen, nament-
lich im Zographensis, 'h. und k wirklich geschrieben werden, die
Weglassung hier verhältnissmässig selten ist. Aber hier wirkt
eben die überkommene ältere Form der Schriftsprache in der Or-
thographie nach, die überall sehr konservativ ist. Mein College
Sievers drückte mir das einmal so aus : wie lange muss eine Ver-
änderung der Sprache schon bestanden haben, ehe sie auch nur
ein oder einige Male in dem Geschriebenen zum Vorschein kommt.
A. Leskien.
350
Die neuesten Forschungen über den slayischen
Klemeus.
Der slavische Klemens (K.in-
MeHTt cjiOBiHCKiil) und seine lite-
rarische Thätigkeit fesseln in
einemfort die Aufmerksamkeit der
Forscher der altkirchenslavischen
Literatur, was auch begreiflich
ist. Denn während man von den
übrigen Schülern der beiden Sla-
venapostel sehr wenig, kaum mehr
als ihre Namen weiss, besitzen
wir über Klemens zwei Biogra-
])hien in griech. Sprache, eine
ausführlichere und eine kürzere.
Aus der ausführlicheren schöpft
man eingehende Charakteristik
seiner literarischen und kulturel-
len Thätigkeit und die Daten der-
selben werden durch die zahl-
reichen noch in verschiedenen
Abschriften erhaltenen literar.
Produkte Klemens' sehr gut bestätigt. Das Studium der auf Grund der
handschriftlichen Beglaubigung unzweifelhaft von Klemens geschriebe-
nen Werke gibt die Möglichkeit einer genauen Bestimmung ihrer cha-
rakteristischen Züge in der Darstellung, in dem Aufbau und der Aus-
führung. Auf Grund der so gewonnenen Resultate ist man dann im
Stande, weitere Nachforschungen über andere Werke Klemens' anzu-
stellen, um eine möglichst vollständige Uebersicht aller literar. Produkte
dieses ersten bei den Slaven selbständigen Verkünders des Wortes
Gottes zu gewinuen. Diese Vorarbeiten sind noch nicht zu Ende ge-
führt. Noch vor kurzem wurden mit dem Namen Klemeus neue Texte
gefunden: eine Lobrede auf 40 Märtyrer, von uns nach einer Chilen-
Die neuesten Forschungen über den slavisclien Klenieus. 351
darer Handschrift in den akad. IlsnicTia (III. S. 1086 — 1109) abge-
druckt; eine Rede auf den Palmsonntag, von L. Stojanovic in einer
Belgrader Handschrift vom J. 132S entdeckt, sie wird in dem akademi-
schen Petersburger) CöopimKii erscheinen; eine Rede von der heil.
Dreifaltigkeit, sie wurde von N. L. Tunicki in IIsBicxifl B. IX, 3. S. 215
bis 232 herausgegeben. Während bei diesen Texten die Autorschaft
Klemens' durch die Nennung seines Namens in den betreflfenden Hand-
schriften gesichert ist, sprechen bei vielen anonymen Reden oder Be-
lehrungen die inneren und äusseren Merkmale mit grosser Wahrschein-
lichkeit für Klemens als den Verfasser derselben. Zu solchen gehören:
eine Lobrede auf den Propheten Elias, herausgegeben von uns in den
akad. IlaBicxifl VI, 3. 236 — 280, eine Lobrede auf den heil. Irenäus,
herausgegeben von Sobolevskij in denselben Il3B. VIII, 4. 03 — 66, eine
andere aufdieKreuzerhebung, von ihm herausgegeben inn3B.IX.2.4 — 9,
und auf Christi Begegnung im Tempel, ib. 10 — 13, und mit weniger Be-
stimmtheit eine Lobrede auf das Kreuz, nach zwei Handschriften IIsb.
VIII, 4. 66 — 71 abgedruckt. Endlich schreibt L. Stojanovic auf Grund
einer Handschrift der Belgrader Nationalbibliothek aus dem XVI. —
XVII. Jahrh. (Nr. 479) noch folgende Belehrungen Klemens zu: auf
Maria Empfänguiss, auf Christi Geburt, auf Christi Taufe, auf Christi
Begegnung im Tempel, auf das Gedächtniss des Apostels Markus, auf
die Apostel Petrus und Paulus, auf Christi Verklärung, auf Maria Him-
melfahrt, auf den Sonntag des Cavniprivium, auf den Sonntag der Butter-
woche, dann die Rede von dem geistigen Vortheil, die Belehrung vom
Zöllner und Pharisäus, von dem Verlorenen Sohn, vom Fasten — im
Ganzen vierzehn Reden, darunter 12 neue. Dieses ganze Material wird
in dem Petersburger akadem. CöopiiHKi. erscheinen. Und auch damit
sind noch nicht endgültige Resultate erzielt. Zwei neue Reden haben
wir gefunden: 1) Lobrede auf den heil. Kosmas und Damian, 2) Lobrede
auf den Apostel Paulus.
Diese bisher genannten Bemühungen betreffen die Bereicherung
des Materials selbst, die Auffindung der Werke Klemens'. Einen an-
deren Charakter trägt die vor kurzem erschienene Forschung Prof. W.
Vondräk's, die unter dem Titel Studie z oboru cirkevneslovansk^ho
pisemnictvl (V Praze 1903) in den Schriften der Prager Akademie der
Wissenschaften herausgegeben worden ist. Hier handelt es sich um eine
andere Art der Konstatirung, welche Werke Klemens zuzuschreiben
sind; ohne neue Texte beigebracht zu haben, versucht Prof. Vondräk
352 P- A. Lavrov,
betreffs einer ganzen Reihe früher bekannter kirchenslavischer Literatur-
produkte den Beweis zu führen, dass sie Klemens zum Verfasser haben.
Darunter sind solche Texte enthalten, die Prof. Vondräk zuerst Klemens
zuschreibt, und zwar 1) Ordo Confessionis im Euchologium Sinaiticum.
2) einige Texte des Glagolita Clozianus. Für einige andere Texte war
schon früher von anderen Forschern die Vermuthung ausgesprochen,
dass sie Klemens zum Verfasser haben. Dazu gehören die sogenannten
pannonischen Legenden, dann einige Reden, wie auf die Geburt Christi
und Taufe Christi (Klemens zugeschrieben von A. N. Popov und mir).
Prof. Vondräk bespricht endlich in seiner Schrift auch noch solche
Denkmäler, wie die Freisinger Fragmente und die Legenda italica.
Bekanntlich hatte schon Vostokov auf die nahe Verwandtschaft
des Zweiten Freisinger Fragmentes mit einer Homilie auf einen Apostel
oder Märtyrer, die man in einer Moskauer Handschrift der geistlichen
Akademie, und zwar in einem Kodex saec XII, ohne Nennung des Ver-
fassers, aber zwischen zwei den Namen Klemens tragenden Texten vor-
fand, hingewiesen. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, dass auch
dieser mittlere Text (die Homilie) von Klemens herrührt. Allein über
das Verhältniss der Homilie zum Freisinger Text sind entweder gar
keine, oder ganz verschiedenartig lautende Ansichten ausgesprochen
worden, was den Verfasser vei'anlasste, diese Frage einer nochmaligen
Prüfung zu unterziehen (S. 5 — 18). Die eingehende Analyse der Texte
führte ihn zu dem Resultate, dass das zweite Stück der Freisinger
Fragmente vor der Homilie Klemens' da war, der aus demselben ein-
zelne Gedanken entlehnte. Der Gedankengang sei in dem Freisinger
Text konsequenter durchgeführt als in der Homilie, in welcher Stelleu
vorkommen, die man nur unter der Voraussetzung der Abhängigkeit der
Homilie von dem Freisinger Texte erklären könne, selbst die Beeinflus-
sung im Stile und in einzelnen Wendungen sei nachweisbar. Ausserdem
bemerkt Prof. Vondräk, das Freisinger Stück stehe in Zusammenhang
mit der Beichte, schliesse daher mit der Aufforderung zur Beichte.
Wenn man nun dasselbe auch in der Homilie Klemens', die auf den
Namen eines Heiligen lautet, vorfindet, so sei es klar, dass der Prediger
die einzelnen Stellen aus den Beichtgebeten, wie ein solches das zweite
Stück der Freisinger Fragmente darstellt, entlehnt haben muss. Man
könnte demgegenüber die Frage aufwerfen, ob nicht der unverkennbare
Zusammenhang davon herrühre, dass Klemens das Gebet, als es noch
unabhäno-ig von dem ganzen slavischen Officium war, benutzte. Prof.
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens. 353
Vondräk antwortet darauf verneinend. Die allgemeinen Ausdrücke
weisen auf die Abhängigkeit der slavischen Texte voneinander hin, eine
direkte lateinische Quelle für Klemens' Belehrung anzusetzen sei aus-
geschlossen.
Im nächsten Kapitel weist Vondräk durch Parallelen nach, dass
die Belehrung auf die Commemoratio apostoli wirklich von Klemens
herrühre (S. 19 — 22). Gleich darauf folgt die Analyse des Ordo Con-
fessionis im Euchologium sinaiticum, durch welche Prof. Vondräk den
Beweis liefern will, dass auch dieser ganze Ordo Confessionis Klemens
zum Verfasser hatte (S. 23 — 44). Auf die Arbeit Almazov's über dieses
Denkmal sich stützend und theilweise seine Schlussfolgerungen berich-
tigend, kommt Prof. Vondräk zu dem Resultat, dass dieser Ordo Con-
fessionis zum Theil selbständig nach verschiedenen Quellen der östlichen
und westlichen Kirche bearbeitete Stücke — das erste und vorletzte —
zum Theil Gebete, die wörtlich aus der griechischen Beichtordnung des
Johannes des Fasters entnommen sind, enthält. Ein Gebet ist aus dem
althochdeutschen Original übersetzt, wodurch auch die Behauptung
Prof. Almazov's, der den griech. Ursprung desselben in Abrede stellte,
bestätigt wurde. Die Autorschaft Klemens' betreffs der ganzen Beicht-
ordnung sucht Prof. Vondräk durch die Aehnlichkeit der Gedanken des
Ordo Confessionis mit anderen "Werken Klemens', durch die Aehnlich-
keit des Stils und durch die Uebereinstimmung in den Lesarten der aus
der heil. Schrift entlehnten Citate zwischen dem Ordo Confessionis und
den Reden Klemens' nachzuweisen. Dabei beschränkt sich in manchen
Fällen die Verwandtschaft auf einzelne Ausdrücke, wie z. B. npHM'k-
CHTH C/Ä, npHnd,i,aTH, KfcSMfHH, Hf Hp'KcTaHkHO, noAKHn».,
nOABHrH;RTH C/A, 0\fK/\OHHTH C/Ä, KTvSAPI^Jt^JTH CA, npHMA-
CTHTH C/Ä, BOAEI^ Hf ßOAJlTSx, CAOKCMk ^k.'KAOMIi H nOIUl'KIlUAeHH-
fMK. Alles das sind Wörter und Ausdrücke, die man in jedem beliebigen
kirchenslav. Texte antreffen kann. Nach unserem Dafürhalten muss
daher die Frage über Klemens als den Verfasser dieses Ordo Confessio-
nis, soweit die von Prof. Vondräk angeführten Argumente in die Wag-
schale fallen, nur als eine Vermuthung angesehen werden.
Wir übergehen das nächste Kapitel S. 45 — 66), in welchem über
den Entstehnngsort der Freisinger Fragmente gehandelt wird, und kom-
men auf die Frage über die pannonischen Legenden (Vita Cyrilli und
Vita Methodii). Prof. Vondräk hält beide Legenden für das Werk eines
Autors und als solchen lässt er Klemens gelten. Bekanntlich war diese
Archiv für slavische Philologie. XXVII. . 23
354 P. A. Lavrov,
Ansicht schon früher von anderen vertreten und doch erfreut sie sich
noch immer nicht der allgemeinen Anerkennung ^j . Prof. Vondrak be-
mühte sich, das ganze Material zusammenzustellen, in welchem An-
klänge dieser Legenden an die unzweifelhaften Werke Klemens' ent-
halten sind, woraus er dann die Autorschaft Klemens' folgert. Wir
persönlich stimmen der Ansicht Vondräk's bei, auch uns kommt die
Autorschaft Klemens' betreffs der beiden Legenden wahrscheinlich vor,
doch für uns hat in dieser Frage die handschriftlich beglaubigte Autor-
schaft Klemens' betreffs der Lobrede auf Kyrill ausschlaggebende Be-
deutung, Aus der ausführlichen griech. Vita Ciementis weiss man, in
wie nahen Beziehungen Klemens zu Method stand. Beides zusammen-
genommen gibt uns Grund zu der Annahme, dass die Biographien der
beiden Apostel von ihm geschrieben wurden.
Hier möchten wir aber der Frage über den Inhalt und Bestand der
beiden Legenden, namentlich der Vita Cyriili, etwas näher treten. In
letzter Zeit hat V. I. Lamanskij der letztgenannten Legende eine lange
Reihe kritischer Bemerkungen in seiner noch nicht vollendeten aus-
führlichen Studie »CjiaBflHCKoe aciixie cb. KHpiiJija KaKX pejiiiriosHO-
9nHqecKoe nponsBeAeHie h KaKt HCTopH^iecKiH hcto^hhki« (im Journal
d. Min. d. Aufkl. B. 346, 190.3 ff.) gewidmet. Lamanskij bezweifelt, dass
die Legende in unveränderter Gestalt so auf uns gekommen sei, wie sie
im IX. Jahrh. geschrieben wurde. Er erinnert daran, dass sich die Le-
gende erst in späten Abschriften aus der zweiten Hälfte des XV. Jahrh.
erhalten hat. »Wer wagt es zu behaupten, dass in der der Abfassung
nächstfolgenden Zeit, im X. und XI. Jahrh., die Legende nicht modifi-
cirt, berichtigt, ergänzt werden konnte und dass der heute bekannte
Text genau das Original des IX. Jahrh. wiedergibt und nicht jene be-
richtigte, ergänzte, folglich mehr oder weniger im Laufe der XL — XV.
Jahrh. umgearbeitete Fassung des Denkmals, das ja bekanntlich in Bul-
garien, Serbien, Kroatien und Russland vielfach abgeschrieben und ver-
breitet wurde«. Bei einer solchen Auffassung des Denkmals entsteht
die Frage, was der ursprünglichen Redaktion angehört hatte und was
später dazukam. Es ist zwar richtig, dass wir bis heute keinen älteren
Text dieser Vita kennen, als aus der zweiten Hälfte des XV. Jahrb.,
allein wir sind doch nicht ganz entblösst von Hilfsmitteln, um ihren
vermuthlichen Umfang: auch für das IX. — XI. Jahrh. zu bestimmen.
Vergl. nach dieser Abhandlung »Meine Zusätze«. V. J.
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens.
355
Ein solches Mittel besteht in Folgendem. Wir besitzen bekanntlich die
Vita Methodii nebst einer Lobrede auf die beiden Glaubenslebrer schon
in einer Handschrift aus dem Ende des XII. Jahrh. Ihr Original dürfen
wir, ohne fehlzugehen, wenigstens um die Mitte des XI. Jahrh. setzen.
Ist das der Fall, dann sind wir in der Lage, für verschiedene Stellen
der Cyrilli-Legende den Beweis zu führen, dass sie schon damals ebenso
lauteten, wie wir sie jetzt haben. Die Einleitung dieser Vita stimmt in
einer Reihe von Ausdrücken mit der Einleitung der besagten Lobrede
überein. Das zweite Kapitel, das über die Abkunft der beiden Brüder
handelt, erinnert ebenfalls im hohen Grade an die Lobrede. Leo hat in
der Lobrede wie in der Vita sieben Kinder, er wird mit Job verglichen.
Vergl. noch solche Wendungen, wie: HC Toro KOpEHE ß'KCHiacTa
H3AP'ÄA•»^^'S A'kTCtpacAH in der Lobrede und: h A'^^pa KopfHf
;i,c»Kpa /VKTopacAh, in der Vita. Die Phrase der Lobrede np'KiuiOY-
APCtCTh. CfK'K raKO H cfCTpoy CTßopkUja lässt in der Vita die Er-
zählung vom Traume voraussetzen. Aus verschiedenen Worten der
Lobrede kann man erschliessen, dass die Vita in der That von der Dis-
putation bei den Sarazenen und Chazaren erzählte. Der Anfang der
Erzählung, wo in der Lobrede der Vergleich mit David erwähnt wird,
ist dem 6. Kapitel der Vita entnommen. Vergl. die beiden Stellen in
folorender Parallele:
Lobr. (Bodjanskij,^TeH. 1 865, IL 6) :
BT». CpaUHH-SYT», }K( H K03A-
pIv^Tv raBAi%iija CA HEnoB't/k.kHa
H-K raKOJKf A^^ßHAT«^ HHonae-
MEHkHHKOV,' HHlvr^a HHS'KAO-
M^HB-K r'Kp'k^'KlHK' I€r0 RO-
TpliBH, npooBpasoBaBTv Tpo-
\i\i,K> TpklUH KaMeHH H CBOHMk
tMoy MEHkMk ri\aBO\' orckK'k-
Vita Cyrilli ed. Mikl. 17:
CBCTkiE TpoHi;« cao\fra h
OyMEHHKk • • • raKO AP^^V'"'^''*^
/i,aBHA4 HOBa tdBHTk Ha Fo-
M\t3J{,A Ck rpkMH KaMtHkMH
H noB'S/K/i.kUja.
Die Ausdrücke der Lobrede cbohmh hmtv KHHraMH h aS'U-
K'kMk fallen mit den Hinweisen der Vita auf die Reden Mohammed's
(Kap. VI — XI) zusammen. Die Wirkung der Predigt Konstantin's wird
in der Lobrede sehr ähnlich den Worten des X. Kapitels der Vita aus-
gedrückt :
23*
356
P. A. Lavrov,
Lobr. ib. :
H H;HAOßkCKC\fK» SAOßOy
AOY\'OBH'KIHMk LlfMkMk OT-
c'KK'kiua noTpUKHCTa /äko
RA'fcBeA'K H nonaAHcra A<>V"
YOBHOK» KAarO^.aTHK'.
Vita Cyr. ib. 23 :
OySpHTk CAOBfCkHOYKt CH-
AO\f OTk KO^KHie KAarOA'tTH
»KO H HAaMEHk ropEi(jk Ha
npoTHBkHkiie.
Man vergleiche noch diese Parallele
Lobr. ib. :
a CAOBO rccnO;i,kHf BikcK-
lacTa MKC» H nkmfHHi^M» bt».
Ckp;i,HkH'bMk CEA'k H BkC<ft
HaCAa;i,MCTa UtA^^TOMH-KIHMH
CAOBEClvI.
Vita Cyr. ib. :
AOCkiTH HacAa;K;L,k Bk-
CK^k Hkl ME^kBkHklMH CAC-
BECkl CBETkiyk KHHTk.
Die Zahl der getauften Chazaren ist in beiden Texten dieselbe. In
der Vita dankt Chagan dem Kaiser dafür, dass Cyrill CKasa jCpHCTH-
raHCKOr B'fepOY CAOBOMk H BCljJkMH, CBfTOy TpC»HU|,0\,' H OyB't-
A'fe\'C»Mk raKo TO i€CTk HCTaid BUpa nnd in der Lobrede heisst
es: o^KABacra bt». i€;i,HHOMk coynJkCTB'k paBkHkCTB'kiuik cHia-
HMIja OTku,A H c'kJHa H cBATarc ;k,oy\*a, TaKO la oyaoBHCTa
raKO H p'kiE'kl CAOBfCkHOW Mp'KJKfK».
So entnehmen wir aus den Worten der Lobrede, dass ihr dieselbe
Vita Cyrilli zu Grunde lag , die auch wir noch heute besitzen. In ihr
stand auch die Erwähnung von der üebersetzung der Disputation Kon-
stantin's bei den Chazaren aus dem Griechischen durch Method, denn
die Ausdrücke nonaAHCTa ;i,ov'XC»bhc>k> KAaro;i,aTHK» sind daraus
entnommen.
Die Erzählung von der Mission der Brüder zu den Slaven steht
gleichfalls in der Fassung der Lobrede sehr nahe der Vita Cyrilli. Die
Worte BkCk L^kpK'KBkH'KiH saKOHTi. Rp'tAOHikiua entsprechen dem
in Kap. XV Gesagten : BkCKOp'K JK« ßkCk u^pkKOBHkiH MHHk np-fe-
AOH;k; die Worte Tpkias'KiHkHHKOiil'k S'KAOKOY HMSTkACiKkiua be-
ziehen sich auf Kap. XVI; MpaKa rp-KyoEkHa orrHaB'Kiija iipo-
CB'feTHCTa BoyKiiBaMH dürften eine Anspielung enthalten auf die
heidnischen Aberglauben, von denen im XV. Kap. der Vita die Rede
ist; die Worte HaoyMkma c>\'MeHHK'ki i^kpKBkHOLiov; MUHoy hc-
niiAHk beziehen sich auf den Anfang desselben XV. Kap., nur steht
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens. 357
hier statt des Ausdruckes saKOHii. der in der Vita angewendete mmhiv.
Die weitere Erzählung von der Reise nach Rom und dem Empfang durch
den ihnen entgegengekommenen Papst berührt sich mit den Worten :
H^f CBfTHTk cyMEHNKk CBOHY«^ in Kap. XV, mit dem VI. Kap. der
Vita Methodii und dem Anfang des XVU. Kap. der Vita Cyrilli. Endlich
zeigt auch die Erzählung von dem Tode Cyrill's in der Lobrede, dass das
letzte Kapitel der Vita entsprechend dem heutigen Texte lautete. Wenn
man noch die von Klemens verfasste Lobrede auf Cyrill heranzieht, ge-
winnt man noch weitere Parallelen. Und zwar den Hinweis auf die Er-
zählung von dem Streit CyriH's mit den Ikonoklasten und ihrem Anführer,
dem Patriarchen Jannes, den Hinweis auf die Predigt Cyrill's bei dem
Volke Phul (es ist OovlXa oder al OovXlot in der Krim gemeint), wovon
die Vita spricht. Die Erzählung von dem Aufenthalt Konstantin's in
Cherson wird durch den Brief des Anastasius bestätigt, ebenso durch die
slav. Uebersetzung der griech. Legende von der Auffindung der Reliquien
des heil. Klemens. Die Nachricht von der Erlernung der hebräischen
Sprache findet in gewisser Hinsicht ihre Bestätigung durch die italische
Legende, die von der Erlernung der chazarischen Sprache spricht.
Wahrscheinlich sind beide Sprachen gemeint, die von den Unterthanen
Chagans, den Mohammedanern und den Hebräern gesprochen wurden.
Das Interesse Konstantin's für die hebräische Sprache kommt auch sonst in
der Vita zum Ausdruck. Neben der Entzifi'erung einer Inschrift sei auf die
Gespräche mit einem Hebräer über Christus in Rom hingewiesen, woraus
sich die nothwendige Voraussetzung der Kenntniss der hebräischen
Sprache für Cyrill ergibt. Zuletzt ist auch nach der üblichen Deutung
der slavischen Alphabete, mag nun das glagolitische oder cyrillische von
Konstantin herrühren, ein Zusammenhang mit der hebräischen oder
samaritanischen Schrift nicht abzuweisen. Die Erzählung von einem
grammatischen Leitfaden der hebräischen Sprache wird zwar von V. I.
Lamanskij in Abrede gestellt und natürlich auch der für die hebräische
Sprache nicht anwendbare Hinweis auf octo partes orationis. Allein
diese Einzelheiten werden auch von Lamanskij so aufgefasst, dass sie
auf der Wiedergabe des durch Vermittelung Method's Gehörten und
zwar in einer erst in dritter Reihe folgenden Darstellung des Verfassers
beruhen. In der That kann man in diesem Falle eher an eine Ueber-
treibung oder ein Missverständniss schon seitens des Verfassers der Vita
denken, als alles das erst einer späteren Umarbeitung zuschreiben. Zu
solchen Stellen gehört auch die Erzählung von den auf den christlichen
358 P- A. Lavrov,
Häusern gezeichneten Figuren der Dämonen nach der Vita statt der an
die Häuser angelehnten Holzfiguren des Teufels nach den arabischen
Quellen. Hier steckt allerdings eine üngenauigkeit, aber anderseits
auch ein Beweis dafür, dass der Verfasser auch diese ihm vielleicht von
den Reisebegleitern Konstantin's zu den Chazaren mitgetheilte Erzäh-
lung nicht ganz übergehen wollte. Ist das der Fall, dann mögen auch die
Gespräche Konstantin's mit den Sarazenen auf gleicher Quelle beruhen,
wodurch sich auch ihr Charakter erklärt. Man hat es nicht nöthig, sie
als urkundliche Aufzeichnung aufzufassen, wovon in der Vita keine Rede
ist, aber auch die Behauptung, dass sie Auszüge aus polemischen, gegen
die Mohammedaner gerichteten Schriften des XH. — XIH. Jahrh. enthal-
ten, müsste erst bewiesen werden. Ebenso wird es kaum einem Zweifel
unterliegen, dass der Autor der Vita bei der Wiedergabe der Disputa-
tionen Konstantin's bei den Chazaren eine von Method übersetzte Nie-
derschrift Konstantin's vor Augen hatte. V. I. Lamanskij findet eine
solche Arbeit seitens Method's unwahrscheinlich, zumal er als Erzbischof
keine Zeit dazu gehabt hätte. Allein wenn Method bei dieser Gelegen-
heit als Erzbischof bezeichnet wird, so ist damit noch nicht gemeint,
dass er erst in der letzten Periode seines Lebens, da er Erzbischof war,
diese Uebersetzung zu Stande gebracht. Die Zweckmässigkeit aber einer
solchen Uebersetzung ergibt sich schon aus der Erwähnung (in den
Antworten des Papstes auf die Fragen der Bulgaren) von gottlosen
Büchern, die die Bulgaren von den Sarazenen bekommen haben sollen.
Der Ausdruck np'kAOH^HTH wird in der Vita von der Uebersetzung der
gottesdienstlichen Bücher in Kap. XV, in der Vita Methodii Kap. XV
ebenso betrefifs des Apostolus, Evangeliums und Psalters u. s. w. ange-
wendet, dagegen steht K£C't;)i,OY nHcaTH fßaHrfAKCKOY nur dort, wo
es sich um die erste Anwendung der neu erfundenen Schrift handelte.
Es bleiben somit ohne jede weitere Bestätigung durch auderwärtige
Quellen nur die Behauptungen der Legende von den samaritanischen
Buchstaben, von dem Psalter und dem Evangelium mit russischen Buch-
staben und von dem Lidividuum, das dieser Sprache kundig war. Uu-
beglaubigt sind ausserdem einige Einzelheiten aus der Jugendzeit Kon-
stantin's, solche Stellen wie das Kapitel und die Erzählung von der
Entzifferung des Bechers Kap. XHL V. I. Lamanskij hat gegen die
übliche Deutung der russischen Schrift und Sprache als gotische sehr
gewichtige Gründe vorgebracht, die beachtet werden müssen, allein die
Annahme späterer Einschaltungen in die Vita Cyrilli hat schon wegen
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens. 359
der Gleichartigkeit der Darstellung in allen Texten der Legende wenig
Wahrscheinlichkeit für sich. Die von V. I. Lamanskij in den Bestand-
theilen der chazarischen Disputationen hervorgehobenen Ungleichheiten
können leicht erklärt werden. Die Ausdrücke HW^m und /KH,\,okhh'K
mit ihren Ableitungen werden auch sonst promiscue angewendet: in
Kap. IX. X. XI steht HK»^\fH, aber auch Kap. X JKH^OKHH'k und
Kap. XI npHraTEAEF.ik -.KH;i,OBCKKiMk, iKHAOBCKiü MOAHTBKi. Aber
auch im Inhalt der Erzählung ist nichts ungleichartiges wahrzunehmen.
Sie besteht aus mehreren Theilen : aus dem Gespräch Konstantin's mit
dem ihm entgegengeschickten Mann, aus den Tischgesprächen bei Cha-
gan, aus dem Disput mit den wortgewaltigen Hebräern, in welchen
von den Citaten der heil. Schrift häufig Gebrauch gemacht wird, aus der
Rede in Parabeln, wobei neben den Hebräern auch die Mohammedaner
als Zuhörer auftreten, die nicht so sehr auf schriftkundige Männer wie
auf das einfache Volk berechnet war. Abgesehen von dem Disput mit
schriftkundigen Männern, wo selbstverständlich die volle Aufmerksam-
keit auf den Büchern konzentrirt ist, alles Uebrige trägt den Charakter
der Gemeinverständlichkeit, die allerdings in erster Linie dem Verfasser
der Vita zuzuschreiben ist ; wie es sich damit in der Darstellung Kon-
stantin's verhalten haben mag, das ist freilich eine andere Frage. Auf
jeden Fall trägt die Redaktion dieses Theiles der Vita alle Anzeichen
der Ursprünglichkeit an sich. Wir hatten schon bei der Uebersetzung
der Vita ins Russische (im zweiten Heft der von Prof. Vinogradov heraus-
gegebenen Vorlesungen über die Geschichte des Mittelalters) Gelegenheit
darauf hinzuweisen, dass die Erzählung von verschiedenen Arten der
weltlichen Herrschaft die damaligen Menschen sehr interessirte, und bei
Johannes Exarchus bulgaricus liest man in dem Theil, der als originelle
Arbeit gilt, die bekannte Erzählung, die an die Auseinandersetzung
Konstantin's in seinen Gesprächen mit dem Chagan der Chazaren erin-
nert. Wenn dieser Parallelismus zeigt, dass solche Gespräche im IX.
und X. Jahrh. geführt werden konnten, so ist es gar nicht nothwendig,
zu der Vermuthung zu greifen, dass in der Vita »alles das aus einer
späteren slav. Uebersetzung irgend eines noch unbekannten griechischen
Traktates über die Disputationen mit den Sarazenen und Hebräern ent-
lehnt sei« und dass »in der ursprünglichen Redaktion der Vita Constan-
tini, wenn sie zu Ende des IX. oder zu Anfang des X. Jahrh. geschrie-
ben wurde, solche Auszüge nicht enthalten waren« i).
1) Ich verweise auf noch eine Quelle, die als Nachweis, dass sich die
360 P- A- Lavrov,
Nach unserer Ueberzeugung kann man also die Vita Constantini in
der Gestalt, wie wir sie kennen, als ein Denkmal des IX. Jahrh. gelten
lassen, unter Ablehnung der Annahme von späteren Interpolationen ^);
Vita Constantini in treuer Ueberlieferung erhalten hat, dienen kann. Das
sind die Lektionen in den Glagolit. Breviarien, von denen die Monographie
Brcic's (Dvie sluzbe rimskoga obreda za svetkovinu svetih Öirila i Metuda,
U Zagrebu 1870) handelt. Man vergl. dazu noch meine Bemerkungen in dem
»Fünften bibliographischen Beitrag« (Anzeiger der philos.-histor. Classe vom
18. Oktober 1899, Nr. 20), wo ich für den sprachlichen Ausdruck der Vita in
ihrer ältesten Fassung einige nicht unbedeutende Beispiele lieferte, wodurch
der Text der Vita Cyrilli demjenigen der Vita Methodii näher gebracht wird.
V.J.
1) In der Abhandlung »TojKOBaa IlajicH h JßxonHCB« brachte A.A.Schach-
matov jene Stellen der Palaea zur Sprache, die in ihr aller Wahrscheinlich-
keit nach aus der Vita Cyrilli entlehnt sind. Er meint, dass die Disputationen
der kommentirten Palaea aus den von Konstantin, dem Slavenapostel, mit
den Hebräern und Sarazenen gehaltenen Disputationen hervorgegangen
seien. Auf die bekannte Stelle von der Uebersetzung der Disputationen Kon-
stantin's durch seinen Bruder sich berufend, folgert er daraus, dass Method
nicht das, was in der Vita Cyrilli steht, sondern etwas anderes übersetzt habe.
Wir haben in einem am 4. Okt. 1894 in der Archäolog. Gesellschaft zu Moskau
gehaltenen Vortrag bezüglich einer Chilendarer Redaktion der kommentirten
Palaea (vgl. die Protokolle zu TpyÄii ciaB. komm. I, S.35) auf zwei Stellen hin-
gewiesen, die mit der Vita Cyrilli zusammenfallen (es sind dieselben, auf die
sich Akad. Schachmatov bezieht) und gleichfalls die Entlehnung derselben
für die Palaea aus der Vita Cyrilli vorausgesetzt. Allein in Ermangelung an-
derer Berührungen konnten wir an die Disputationen Konstantin's als Quelle
der kommentirten Palaea nicht denken. In der Vita steht ja deutlich aus-
gesprochen, dass die Disputationen Konstantin's sein Bruder Method über-
setzt habe. Wenn also die Palaea die Uebersetzung Method's erhalten hätte,
80 würden wir in ihr mehrere Parallelen zu dem in der Vita Cyrilli vorliegen-
den Auszug aus jenem Werke vorfinden müssen. Weiter verweist A. Schach-
matov auf die Parallelen in dem Kommentar zu den Propheten (nach einem
KijewerText des Golddachigen Michaelklosters) und meint, dass dieser Kom-
mentar einen Theil des ursprünglichen Palaeatextes bildete. Allein auch
dann würden wir volle Uebereinstimmung mit dem in der Vita Cyrilli be-
findlichen Text erwarten. Diese beschränkt sich jedoch nur auf einzelne
Stellen. Wir dürfen weitere Aufklärung von neuem Material erwarten, fürs
erste kann ein gewisser Zusammenhang zwischen dem in der Vita Cyrilli ent-
haltenen Text der Disputationen Konstantin's und der Palaea sowie dem
Prophetenkommentar zugegeben werden. Diese Thatsache, da sie nicht so
gedeutet werden kann, dass die Vita aus der Palaea geschöpft hätte, spricht
schon wieder gegen die Annahme einer späteren Einschaltung dieser Episode
in die Legende.
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens. 361
sie kann also mit anderen Texten aus jener Zeit, wozu die verschiedenen
Werke Klemens' gehören, verglichen und geprüft werden. Doch wollen
wir auf die von Vondräk vorgenommenen Vergleiche nicht näher ein-
gehen, es sei unsererseits nur auf die in beiden Legenden wahrgenom-
mene Liebe zu Antithesen hingewiesen. So lesen wir in der Vita Cyrilli
Kap. IV EW MaAtyk CACßtcf^i^ bcankk o^mii, Kap. V oysptBK
$HAOCO$a K"Ha T'KAOMk, A H« ß'^A'^ CTapa 0\'Ma Rk HfMK,
Kap. XVI TpkHK H CAA^I^KK RAOA^, ib. V Ht AK>AkCKaro OBKiHara
Api^^KH c( HK BC»/KHH\'K sanoBtA"" 3pH , Vita Meth. Kap. III
npÜAOHIH SfMKH'Kira TkM'Kl BOAK> HA HtBECkH'kira MIÜCAH, ib.
Kap. II CAOBfCkHTviia a'^^tjakk» np'tcn'feB'K a A'^TfAkHivira cao-
K'kMk, ib. CAOBO CHAKHOie H KpOTT»,KOl€, CHAh.HO HA npOTHBk-
HTjjra a KpoTTi.KOie Ha npHi€MAK>4iAra kasahhic, ib. Kap. IV chh
/K« MOAHTBOKJ A 4>HA0C0$'k CAOBtCKl.
Wir kommen zur Frage über die Abkunft Klemens'. Prof. Vondräk
äussert sich dahin (S. 92), dass er wahrscheinlich aus Macedonien oder
jedenfalls aus einer Gegend, wo man die Sprache der cyrillo-methodia-
nischen Uebersetzung der heil. Schrift sprach, stammte. Er sei kein
pannonischer Slovene gewesen, sonst würde man bei ihm Spuren der
Sprache der Freisinger Fragmente wiederfinden, er war auch kein
Mährer, da auch keine Spuren der westsl. Sprache in seinen Werken
durchschimmern. Er sei fortwährend unter dem Einfluss der üeber-
lieferungen der griech. Kirche gewesen. Mit den angeblichen Spuren
des Bogomilismus, welche Voronov in der pannon. Legende von Kon-
stantin zu finden glaubte, erklärt sich Prof. Vondräk nicht einverstanden
(S. 93). Während wir die südslavische Abstammung Klemens' sehr
wahrscheinlich finden, scheint uns die Annahme, dass die Legenden im
Süden, in Macedonien geschrieben wurden, weniger wahrscheinlich zu
sein. Wäre das der Fall, so würde man wenigstens irgend welche An-
spielung an das Land, in welchem der Verfasser schrieb, erwarten.
Und doch ist in keiner der beiden Legenden auch nur der Name ge-
nannt, weder Bulgarien noch Macedonien. Wir sprechen gar nicht da-
von, dass nach unserer Auffassung die beiden Legenden nicht zur selben
Zeit abgefasst wurden, da die Annahme, dass die Vita Constantini älter
sei, aus der Natur der Dinge sich von selbst ergibt. Doch nur sehr nahe
Beziehungen zu den beiden Glaubenslehrern konnten den Verfasser der
Legenden in die Möglichkeit versetzen, so viele Einzelheiten aus ihrem
Leben und ihrer Wirksamkeit mitzutheilen. Auch die Vita Methodii
362 P- A. Lavrov,
wird durch die Kürze des Umfanges, durch ihre nahen Beziehungen zur
Vita Cyrilli, wobei die Bekanntschaft mit dem Inhalt dieser Vita voraus-
gesetzt wird, in eine solche zeitliche Nähe zu jener gerückt, dass man
ihre Abfassung mit grosser Wahrscheinlichkeit noch in die Zeit des
Aufenthaltes der Schüler der ersten Glaubenslehrer in Mähren ver-
setzen darf. Nicht lange blieben sie zwar in Mähren, doch immerhin
war für die Abfassung dieser Legende Zeit genug vorhanden. Die Auf-
werfung der Frage, wann die beiden Legenden im Vergleich zu anderen
Werken Klemens' entstanden sein können, und die Behauptung, dass
Klemens erst nach der Erlangung einer gewissen Fertigkeit durch die
Abfassung kleinerer Werke sich auf diese grösseren Leistungen einlassen
konnte, sollten nach unserem Dafürhalten besser unerörtert bleiben
(S. 94 — 95). Denn erstens gibt es unter den kleinen Schriften Klemens'
auch solche, die Prof. Vondräk selbst nach Mähren und Pannonien ver-
setzt. Dann aber kann die Thätigkeit Klemens' doch nicht auf die Ab-
fassung selbständiger Belehrungen eingeschränkt werden. Mit gi'osser
Wahrscheinlichkeit kann man vielmehr auch seine Betheiligung an der
Uebersetzung der heil. Schrift und der liturgischen Werke in der Eigen-
schaft eines Mitarbeiters der ersten Glaubenslehrer voraussetzen. Bei
dieser Gelegenheit konnte er auch die nothwendige Gleichförmigkeit in
dem sprachlichen Ausdrucke sich aneignen. Dagegen möchten wir den
grössten Theil seiner Reden der späteren Zeitperiode, da er in Macedo-
nien als Bischof an der Spitze einer zahl- und umfangreichen Heerde
stand, zuweisen. Einige Dissonanzen zwischen den beiden Legenden
möchte Prof. Vondräk durch die schon in eine gewisse Ferne gerückten
Ereignisse, von denen die Rede ist, erklären. Unsere Annahme der
zeitlichen Verschiedenheit betreffs der Abfassung der beiden Legenden
lässt ebenfalls die Nichtübereinstimmungen erklärlich erscheinen selbst
bei der Voraussetzung eines und desselben Autors der beiden Legenden.
Dennoch sei uns gestattet, bezüglich der beiden Legenden noch
einige Bemerkungen zu machen. Ein Umstand fällt auf, der bisher un-
seres Wissens wenig beachtet wurde. Die Vita Methodii zeigt ungeachtet
ihrer Kürze eine ganze Reihe von dunklen Stellen. Z.B. im IV. Kapitel
ist zunächst von Chazaren und von Konstantin die Rede, die Worte
»OHTv JKf pfK'K raKO rOTOßl». fCMK 3a KpkCTHmHCKOV'K» K'kpOY
oyiuip'kTH« sollten sich auf Konstantin beziehen, in der That, in der
Vita Cyrilli Kap. VI, wo von der Mission zu den Sarazenen die Rede
ist, werden die gleichen Worte so gelesen: ck pa^oCTHio H^'^y 3a
Die neuesten Forschungen über den slavischeu Klemens. 363
YPHCTHraHkCKOYK» KlipOX," MKTO BO MH l€CTk CAaiK^KUJf Ha CtlLIK
CB'tTiv HK 3a CRfTO^K» TpOHU^O^ JKHßO^ KKJTH H 0\'Ilip1vTH.
Nun heisst es aber in der Vita Methodii als unmittelbare Fortsetzung
der oben angeführten Worte : He ocAOXfiU'* CA mk^'k caoy/KH raKO
paK'K MkHKLUOY KpaTO^, diese Worte können nur auf Method be-
zogen werden, was aber grammatisch so ausgedrückt ist, als würde noch
immer von Konstantin die Rede sein. Also eine auffallende Satzver-
bindung. Auch in den Anfangsworten des IV. Kapitels muss die Prä-
position no vor $HAOCO$a ausgelassen werden oder aber ein ganzer
Satz, etwa 4,«* "A^Ti*, vor ß^k KOSapivi eingeschaltet werden. Am
Schluss desselben Kapitels, wo von dem Kloster Polychronos die Rede
ist, enthalten viel dunkles die Worte: i€MO\f'Kf «ctk c'kM'Kpa K h ;v,
cncy^Oße saara a c»tku,k obha« o kt». iweuw lecTk. Zum Schluss
des fünften Kapitels: h Tpkimiv A'KTOM'k HUik^i^Tviiityk ß03ßpa-
THCTa CA H3 Mopaß'ki, OYHfHHKTvi Hao^Mkiua, lässt der Text alles
zu wünschen übrig. Wohin kehrten die beiden Glaubenslehrer zurück ?
Wahrscheinlich muss irgend eine Lücke angenommen werden. Das
VI. Kapitel beginnt mit der Nennung des Papstes Nikolaus, alles weitere
bezieht sich jedoch auf den Papst Hadrian.
Merkwürdig, in der Lobrede, die unmittelbar nach der Vita folgt,
steht richtig der Name Hadrian's. Auch in der Vita Cyrilli ist diese
Stelle besser redigirt, dort steht im ersten Falle nicht der in der Vita
Methodii genannte Papst und weiter wird richtig Hadrian genannt. Es
gibt noch geringfügigere üngenauigkeiten. So schreiben gleich zu An-
fang der Einleitung alle Texte lupkTB^K i€CTk, das von den Heraus-
gebern in MOij';i,pkCTßO\feTk ca berichtigt wird. In Kapitel VIII steht
minder richtig aH^pHaH'K «nHCKcym». h paß'K eo:khh, während es
in der Lobrede richtiger heisst: aH^k.pnaH'k niHCKom». paß'K ßkcRMT».
paßOM'K BOJKHierJlTi. In Kap. IX setzt Miklosich den ausgelassenen
Namen Svjatopolk nach den Worten iCTep'K ;i,po\j'r'k voraus. Zuletzt
sei noch die unlängst von Sachmatov so tiberzeugend berichtigte Stelle
erwähnt: ;i,a ßO\,';i,«Tk OT-kAcyMeHi», h« T'kkmo ß'kcoY^a Hii h
U,pkKßr, d. h. das Wörtchen HTv des Textes muss in H£ korrigirt wer-
den. Uebrigens diese letzte Stelle ist wohl nur als nachträgliche, wahr-
scheinlich durch den verdunkelten Ausdruck ßT^coy^ija hervorgerufene,
Textverderbniss unserer Abschrift anzusehen. Woher diese vielen ün-
genauigkeiten in der Vita Methodii an den sonst ihrem Inhalt nach ein-
fachen Stellen, während in der Vita Cyrilli, ungeachtet ihres längeren
364 P- ^- Lavrov,
Umfangs, solche Fälle nicht vorkommen? Einige dunkle Stellen kom-
men hier nur in der Disputation mit den Chazaren vor, die bekanntlich
einen Auszug der Uebersetzung aus dem Griechischen bildet. Die
dunklen Stellen können ebenso in der ungenauen Uebersetzung wie in
dem ungenauen Auszug ihren Grund haben. Sonst sticht die Vita Cy-
rilli, obwohl sie nur in späten Abschriften enthalten ist, durch ihre Ge-
nauigkeit gegenüber der Vita Methodii ab. Soll man die Schäden der
letzteren nicht vielleicht in den traurigen Verhältnissen, in welchen sich
die Schreiber des Methodius nach dem Tode des Lehrers befanden,
suchen ? Der Verfasser der Vita Methodii schrieb dieses Werk unter
beständiger Voraussetzung der Bekanntschaft mit dem Inhalt der Vita
Cyrilli. Er vermied die Ausführlichkeit dort, wo schon in der Vita Cy-
rilli von der Sache die Rede war, doch wo zu dem in der Vita Cyrilli
Gesagten etwas noch hinzuzufügen war, verursachte das Schwierigkeiten
und Störungen im Verlaufe der Erzählung, wie z. B. in Kap. IV oder in
Kap. VI. Merkwürdig jedoch, nachher als die Lobrede abgefasst
wurde, hat der Verfasser die Unebenheiten der Vita ausgeglichen,
namentlich die dunklen Stellen derselben wurden einfach ausgeschaltet.
Wir hätten freilich einer Erklärung derselben den Vorzug gegeben.
Und doch möchte ich in Uebereinstimmung mit Prof. Vondrak und an-
deren Forschern gleicher Ansicht an einem Verfasser für beide Legen-
den festhalten. Denn beide Legenden beruhen auf der Voraussetzung
griechischer Quelle der ganzen Gelehrsamkeit des Verfassers. Man
vergl. solche Graecismen wie: afpi». K. XVI, aMHHk K. XI. XVI. III.
M. VIII, aHarwocTT». M.VI, apH«.M£THKHra K. IV, apx'HicriHCKon'k
M. II, acHKpHTT4, K. VI, acTpoHOMHra K. VI, ßapBapTv K. XVI,
BHBAOTHKap'k K. IV. XVII, FfWUlTßHa K. VI, rpaMOTHKHia K.
VIII, AMi^ß^^'^T»" K- XV. M. I, AH'<i>^<>"'^ M. XIII, jyHaAtKCHKA K.
IV, A'^MOH'k K. VI, i€BaHreAHi€ K. XVIII. M. VIII. XV, mwcKon-k
K. XVIL M. VIII, «RHCTCAHra K. XIV. M. XII, »epfCk K. XVI. M. I.
XVU, HroifMfHTi K. X. M. IV. V, haoa-k K. X. M. I, HieptH K.XV.
M. I, HKOHa K. XVin, H H AH KTTv M. XVIII, HOnaTOpkCKT». M. XII.
HHOcrack K. VI, oynocrack M. I, KaHOHii M. VIII. IX, KarcaH-
KHra M. VIII, KAHpHK-K M. XVII, KAHpOCk K. VUL M. XV, KOp£Hk-
«^iWMTv K. XVI, AHToyprHia K. XVII, aoro^tT'K K. III, OHAOTk
M. I, MOHacTkipk K. IV. M. IV, mohhcto K. U, MoycHKHra K. IV,
HOMOKaHOH'K M. XV, OATApk K. IV. M. VI, naTpHapY'K K. IV.
M. IV, narpHKHH K. V, noTHpk K. XIII, ncaAcm-k K. X. XVI,
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens. 365
ncaATHpk K. XIII. M. XV, pHTOpHKura K. IV, ckhhh» K. X,
CTpaTHTT». K. II. III, COrMKOATk M. I, TaAaHT'k K. III, THTAa
K. XV, <I)aTHM K. XVII, «-fO/ion^ K. III. M. I, «IhiaocccI)!^, ^h-
AOCO^Hra K. IV, 'O'rMiaM'h. K.X. Die Monatsnamen werden in griech.
Form gebraucht : MapoTv M. XV, OKTARpk ib., ^'^^P^V'^P'" K-^V.
Die Völkernamen begegnen in doppelter Form: rpKKOM'k K. XVIII,
1131». rpkKT». M. V. VI, rpKMkCKKI M. XVII, EAAHHkCK'K K. IV, fA-
AHHkCKkl K. XVI; pHIHAUHf K. XVII. XVIII, pHMCKTvIH UMICA^'K
K. XVII, pHMkCKkl M. VIII, AaTHHT». M. VI, AaTHHkCKT». K. XV,
AATHNkCKTü K. XVI (ancli im Evangelium findet man fAHHT». Marc.
rpkHkCKkl ib., pHMA'kHHH'k, pHMkCK'kund AATHUkCKkl), arap/AHH
und cpau,HHH K. VI, jKH^.OBHH'k und iEßtUH'K (ebenso im Evangelium).
Die Deutschen werden HlvlHkU,H M. V und H'bMkMkCK'k M. X genannt.
So auch in der griech. Vita Clementis: Ne(.iLT^oi. Vergl. übrigens in
engerer Bedeutung für das Schwabenland: CBacki. Die Slaven führen
beständig den Namen CAOß'feHHH'k, CAOK'tHkCK'k K. XVI. M. U.V. VI,
der Name BA'krapHH'k, KAT^rapcKT», fehlt gänzlich, wodurch sich die
pannonischen Legenden von der griech. Vita Clementis wesentlich
unterscheiden. Daraus könnte man auf den macedonischen Ursprung
Klemens' schliessen, da damals noch der Ausdruck Bulgare, Bulgarisch
auf Macedonien keine Anwendung fand. Darum wird auch Klemens in
alten Texten seiner Werke mit dem Epitheton CAOß'RHkCK'k näher
charakterisirt.
Bei der Prüfung der sprachlichen Seite der beiden Legenden suchte
man aus der Wiederkehr derselben Ausdrücke in beiden Legenden den
Schluss auf die Provenienz derselben von einem Verfasser zu ziehen.
Prof. Vondräk findet für die Mehrzahl der Fälle diese Beweisführung
nicht ausreichend (S. 68 — 71). Wir könnten diese Ansicht nicht theilen.
Uns scheint die lexikalische Identität ebenso bedeutsam zu sein wie die
Vergleichung der Citate aus der heil. Schrift oder die stilistische Gleich-
heit. Darum möchten wir einige Beispiele anführen: KfCt^OKaTH
K. Vn. M. XVI, EEljJHHkE K. XV : ßEl^IHHkH-k M. III, KO\j'KKkl M. VI.
K. XIV. XV, BAa^kiKa K. VI (vom Herrscher der Saracenen), K. VI
(vom byzant. Kaiser), M. V (in Anwendung an den Kaiser). XVI (vom
ugrischen König), rAaroAkUHKi». K. XVI, rAaroAATH sehr häufig,
z. B. K. X. XI. M. IX, HS'krAaroAATH MOAHTßoy K. III, oiTAaro-
AATH CAOKKkl K. XIII, A*>CTOHHO M. XVII. K. VIII. IX, ;k,OCTOtaTH
K. X. XIV. XL M. XVI, AOcn-RTH M. VIIL K. XI, HikAATH mit der
366 P- A. Lavrov,
Präposition Ha K. I. M. VIII, HSBkiBaTH K. XVI, hsgkith M. IX.X,
AaKOMkCTBO M. IX. K. X, MA'Kßa M. III. XV. K. VII. XIII, mho-
rOlUlA'KKliH'k K. I, lUlHOrOp'kHHB'K K. MHOrOp'kHkH'K M. XVII,
MpKSOCTk K. XI, MpbS'KK'K M. I, HaAOJKHTH C/Ä Ha lUlOAMTBOy
M. V. K. XIV (weitere Beispiele fehlen bei Miklosich und Sreznevskij),
HapHU,aTH HMA FHl M. I : HapEljJH CfK-t HM/Ä K. XVIII, HapEKLUE
naM/ftTk CTPO KAHiuifHTa ib. X\T:I, HEnkipfBaTH M. XVI. K. VI.
0CT;RnAfHHie M. XI : ocT;s;nHTH K. VIII, nane^Kk M. XII. II. K.
XVI. XVII. XVIII, in beiden Legenden auch anocTOAHK'k (sonst in
dem kirchensl. Lexikon nicht belegt), noraHT». M. XI, norankCK'k M.
XI. K. XL XVIII, noraHkCTBO M. I K. XIV, nonaAH M. I. K. XV,
non-K M. VL K. XVI, nonoBkCTKO M. VI. K. IV, nocnty-k M. XV,
nocnlvUJkHHKTi. M.I, cknocn'kiuHHK'K K.XIV, npHcntTH K.XIV;
noMHTH 0 PH M. XVII. K. XVIII, npHidTCAk K. XI : npHßTH M. X,
npoBOAHTH M. XIII : npcKOH;A«HHi€ cktbophth K. XVIII, np-fc-
AtA'k M. IX. K. X, npUAOJKHTH K. XVIII. M. XV, riptcraBHTH ca
K. XVm. M. I, novfCTkiHH M. L K. VI, paskiTH ca M. XII. K. IX.
XI. XII, ptHk in der Bedeutung res K. VIII. XIV, canii K. IV, cao-
BtCkHla, : -CHAA K. X, CTs.lUI'KICA'k M. I, CkBpkUUaTH M. III, CTv-
BpkUJHTH M. I : CkBpTvlUHTfAk K. VI, C'kHkM'k M. I. K. XIII,
CkHkMHHK'k M. I, -C'kCTABHTH KfCS^OV M. V : -CHAkI K. XVIII,
-HOYA"TH K. IV. M. IV, OY^^'THTH M. I. K. VIII, MMMT». M. IL III.
VIII. K. IX. X, OKpas'k Ha cjb'K raBAraTH M. IL K. IV. V, wvth ca
n;RTH K. IX. M. V, no LiaAOY M. IL K. I, B'kCKop'k M. XL K. XIV.
VIII, (CmlvTaTH K. I : — C/Ä M. X. VIII, AOKsaTH K. XVIII : aok-
SaHHie ib., IVKAOKkISaTH M. XVI, nOKOH npHMlTH M. XVI.
K. XVIII, K. XII noTpOYA'^T'" ^'^ io <5ei' Bedeutung »gehen«.
Wie in allen übrigen Produkten der ältesten kirchenslavischen
Literatur, so kann man auch in den beiden Legenden einige Worte
hervorheben, die mit grosser Wahrscheinlichkeit auf den Eintlass der
westslavischen Dialekte zurückzuführen sind. In der Vita Cyrilli findet
man K. I }¥iAjK,AA ha noHaaHic, vergl. HoyoTH Ha KOJKfCTBO ib. XI,
oder K.X B'kHpccHTf na CT'kSA rocno^^HA B'Sshw^ä [höhm.fazfe
se na stezky stare^ gr. eQsvvrjaaTe TQißovg xvQiov cdioviovg). Wir
haben in »KjiHMeHT'L cüOBincKiS« auf die böhm. Beispiele wie zediti se
na penize hingewiesen. Vergl. K. IV ovcKOf Mopt, böhm. uzke more^
K. VI pa^T^ HA'^V — radjdu^ K. VII CBATkiH ^,iy\h, — svaty den^
K. VII ro^HHa in der Bedeutung Zeit: /lodina; K. IX Bkce xpo« BT».
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens. 367
MfCTk HMlieTk, vergl. höhm. j'mieti koho ve dsti (Gebauer Staro^.
slov.), der Unterschied ist nur im Casus, ib. hkcthk'K : dstivy^ ib. X
HfCTH ^xlvieMTk : d^Je se dest (Gebauer), mit A^^^P"^ A'^'^T" vergl.
böhm. dohrodejc^^ -ec, dohrodäjnik^ dohrodejstm., dohrodienie u. a. (bei
Gebauer), K. X oyToprii ca : böhm. utrMi se, K.X npHyRcHTH C/ä :
höhm. primisiti se k 6emu (Kott); K. VI pa3MlvUiafTe h (sc. e,\HH'K
KOrii) Ha TpH : böhm. rozmUati] npHKAaAOM'K vergl. höhm. priki ad
(Kott) und äloY.priklad (bei Miklosich), K. VIII onAfTe ca o HfMk
(sc. rpa;i,'fe) : böhm. oplesti se okolo deho, bim (Kott), K. IX i4JC,v,pKiH
rocno^H : böhm. stedry Kristus bei Hus (Kott); K. XII caaTHHa : böhm.
slatitia, t\i\\\Q'MCTK<:' :höhm.lakomstvi. Sehr häufig begegnet ^OCTOraTH
in der Bedeutung: gebühren, vergl. böhm. bei Gebauer s.v. dostati; K.XI
AOcnlCTH : böhm. dospejeme, K. XII OYT'kya : böhm. uUcha\ ib. Ke-
HCpraTH : böhm. vedere\ ib. CfKHpa : böhm. sekyra, K.VIII ckIvTHAH
Ha^lk HHMk A^^^"^ M HOiiJb i böhm. svitili nad nim den i noc. Solche
Worte; wie nancHCk, anocTOAHK'k, paKa K. XVIII kann man ans Mo-
ravien ableiten. — In der Vita Methodii: imn^iua aus missa XI, K;i^n{-
Tpa XI, CKOBOA«» iui;¥;jKK XVII : höhm. svohodny pän, khah;he nicht
bei Gebauer, aber in der Wenzelslegende kommt dieselbe Form vor, die
Varianten zeigen, dass auch in der Vita Cyrilli diese Form bekannt war
Font. r. B. I. 1. 5; c'KHi^M'b : böhm. s7iSm, vergl. Vita Cyrilli ct^hk-
MHHKT»,; paMHTH IV : böhm. raHti\ kawmcaP'^^^i^U,'* VIII: bei Ge-
bauer y6';2i drzis klide kralovstvie neheskeho\ p'tHh, als res V, ebenso
in der Vita Cyrill; B'Kc;^ai»> ib., gefunden bisher nur in den Kijever
und Wiener Blättern; Kpaak, KpaasKTv; H3HHU,a IX vergl. böhm.
znice; A'I^'^th sprechen : böhm. diti\ pasKfCTM XI : in derselben
Bedeutung böhmisch; okawkhth, o^aiokhth XIII. XVI, vergl. böhm.
ohlibiti, ulihiti se.
In beiden Legenden begegnen einige Eigenthümlichkeiten, die wir
aus der Evaugelientibersetzung kennen, wie z.B. die Adjektivanwendung
in solchen Fällen: n;RTH ca acta MopaßkCKaro, yasap^CKaro,
BT». cfAOYHKCT-tyk ppa^'S, AK«AH MopaßkCKki, vergl. im Apostolus
m;i^/Kh a^^HHmcTHH, \'a3apkCKara p-Knk: die Angelegenheit der
Chazaren. Namentlich kehren viele Ausdrücke aus Apostolus in den
Legenden wieder, z. B. Kf3 pOA^, K63Apc»A'^MT^j GfUJHHkie, Kfi|iH-
HOßaTH, KfipHHOY, R-feAHTH vergl. Apost. ed. Kaiuzniacki 265,
KAaAklMkCTBO-ßAaAWHkCTKHie, B'K3ABH3aTH, B'k3M'STaTH
-njMaAk Vita Cyrilli, -npaX"K apost., rAaroAkHHKTv in Vita Cyrilli aus
368 P- A. Lavrov,
Apostolus, vergl. auch o^rAarc^AaTH u. s.w.; roB'kHH'k, ;i,OKpo;k,'KH,
AOKpOAliraHHie, HSK'RljJfHHie, HCKOYdkHTi vita Cyr. und HCKOy-
uibH'K apost., HCT'k, a'Khhth C/ä in der Bedeutung zögern: H(
AtHH CA nOTpOY^HTH CA A*> HHX"K K. XII, HaAOJKHTH CA,
oehh;rth ca; viele Ableitungen von cbkijjk, cf. OKKUJHHa K., no-
Kopik und noKopcHHie, noneipH ca K., non'K, nonoBkCTBO, nc-
cn'EuikHRK'k, noTaraTH ca K., npaßHAO M., npHrKOS^HTH
vergl. OTTirBOS^HTH K., npHM'KiiJaTH CA, H'KCHk in der Bedeu-
tung Psalm M. , pasM'KcHTH vergl. paam-kiuaTH K., pii.nTHB'h,
P'knTaHHie vergl. op'knTHTH M., CACtBcckHik K., cBpkujaTH ca,
CBphUJHTfAh, C'KMhJCAKH'K, CKHOCn'felllliHHK'K , OYHptAHT";
mtJS.ß'KK., nt:ilJk HTM, HHEO, nO^MHHa, CTO^AT*, cTksra, o^TpoEa,
HKCTHB'K, U. V. a.
Nach den Legenden unterzieht Prof. Vondräk einer Betrachtung
die mit ihnen im engen Zusammenhang stehenden Panegyriken auf Cyrill
und Method (S. 96 — 111). Hier muss man den Panegyrikus auf Cyrill
und Method zusammen von dem Panegyrikus auf Cyrill allein unter-
scheiden. Wer die beiden Legenden Klemens als Verfasser zuschreibt,
der wird auch die Lobrede auf Cyrill und Method ohne Anstand dem-
selben Verfasser zuschreiben, denn diese ist gänzlich vom Inhalt jener
abhängig und der Form nach nähert sie sich stark der Vita Cyrilli. Die
Lobrede auf Cyrill allein wird schon auf dem Titel Klemens zugeschrie-
ben. Diese Autorschaft ist nach unserer Auffassung schon desswegen
kaum möglich in Zweifel zu ziehen, weil es in der That recht sonderbar
wäre, wenn Klemens, ein Schüler der ersten Glaubenslehrer und her-
vorragender Prediger, als Verfasser verschiedener Lobreden bekannt,
versäumt hätte auf seine Lehrer Lobreden zu schreiben , deren Ver-
dienste um die Verbreitung des Christenthums bei den Slaven er wohl
kannte, eben so wie die von ihnen herrilhrende Begründung der slavi-
schen Liturgie und des slavischen Schriftthums. Die feierliche Com-
memoratio der ersten slavischen Glaubenslehrer innerhalb der slavischen
Kirche wird schon in den ältesten Quellen erwähnt. Nur bezüglich der
Reihenfolge möchten wir einer andern Meinung Ausdruck geben, als sie
Prof. Vondräk vertritt. Nach unserem Dafürhalten war zuerst der
Panegyrikus auf Cyrill verfasst und dann erst, nach dem Tode Method's,
die Lobrede auf die beiden Glaubenslehrer. Bei der entgegengesetzten
Annahme müsste man zugeben, dass Cyrill ungeachtet des Bestehens
des slavischen Gottesdienstes, gelegentlich seiner Erinnerungsfeier lange
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens. 369
Zeit ohne jede kirchliche Glorifikation gelassen wurde. In dem Officium
auf Cyrill und Method wenden sich an den erstem folgende Worte :
MOpaKKCKaa CTpaHO BfAHH SaCTO^IVK H CT'KAR'K HM'kra Klk
Koro\(', TOKOK» npocu'kin«Ha HaoyHH ca B'KcnlißaTH ktv ckoh
raSKiK'i^ Oi^K H. Wir hatten schon einmal Gelegenheit zu bemerken,
dass die Lobrede auf Cyrill Spuren der Umarbeitung zeigt. In der älte-
ren Redaktion kamen die subjektiven Gefühle des Verfassers in stärke-
rem Grade zum Vorschein. Von den Slaven spricht er in den Aus-
drücken MOfMoy <^3iüK0Y u. s.w., das von der Predigt Cyrill's erzielte
Gut ist auch sein persönliches Gut, daher solche Ausdrücke wie: MOHMa
o^cTHawa, luioeMO^ '^h'A'^V? MOHMa OHHMa, cp'K;i,kMH;i;/8v iuih
CA'knoT;!^ u. s. w. In der späteren Redaktion ist das Wort moh ent-
weder ausgelassen oder durch Haiuk ersetzt, nur einmal blieb MOCM^
/ftSKiKS. In dieser Lobrede ist auch die Wendung bezüglich Roms, als
der Stadt, in welcher Cyrill seine letzten Tage zubrachte, und der Kirche,
in welcher seine Gebeine ruhten, beachtenswerth: Baa^K^; fipliMbCTk-
HAiA TBO;?. U,PKBK, BT», HfHJKf AfJKHT'K MH0rC»pa30l|'MHklH BOPO-
raaroAHBKi tbch wpraHk; Baan;eH'K rpa^xT^ tt». npHCMiüH rp«-
THaro c'KBp'kQiHTeAlv BOHxHfO CMOTpfHHK>. Damit kann man ver-
gleichen die Stelle des Officiums: no^^i|i;^;i^ ta Blipo;*i h w pai^'K
CTO;>^HJHYTv TBOerO Ttaa nOM'KHH Raa/K£H£ CBO/A i>H(HHKkl.
Hier wird die Thätigkeit der Glaubenslehrer stärker mit der apostoli-
schen verbunden, wie die Ausdrücke zeigen: naBA/A OCTaHKki Ha-
HAkHlvaUJE, TCW Bp'kyOBHOlO CBtTHAO^' OCTAHkK'k HCHAkH'klifV.
Zuletzt mag erwähnt sein, dass die Einzelheiten über die Bekämpfung der
Ikonoklasteu seitens Cyriirs, über die Predigten bei den Heiden Kryms
verständlicher sind bei der Annahme einer frühen Abfassung der Lob-
rede, denn diese Episoden aus dem Leben Cyrill's, die in die erste Pe-
riode seiner Wirksamkeit fallen, treten später ganz in den Hintergrund.
Alle diese Eigenthümlichkeiten der Lobrede auf Cyrill sprechen nach
meiner Ansicht dafür, dass sie früher zu Stande kam als die Lobrede
auf die beiden Glaubenslebrer.
Wir kommen jetzt zu dem Kapitel über die Beziehungen der pan-
nonischen Cyrill-Legende zur sogenannten italischen Legende oder
TranslatioClementis(S. 111 — 117). Prof. Vondräk neigt zu der Ansicht,
dass der Verfasser der italischen Legende die paunonische benutzte,
einige neue Daten derselben seien zweifelhaften Werthes, an einigen
Stellen weiche er als Anhänger der römischen Kirche von den Angaben
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 24
370 P- A. LavTov,
der pannonischen Legende ab. Wir stimmen ihm bei, soweit es sich
um die Bischofswürde Cyrill's handelt, da diese Nachricht ganz ver-
einzelt dasteht. Doch wird es uns schwer mit Prof. Vondräk für einen
überflüssigen Zusatz der italischen Legende die Behauptung, dass das
Gerücht von der Thätigkeit Cyrill's bei den Chazaren zu Ohren Rostis-
lav's kam, zu erklären. Prof. Vondräk meint, in diesem Falle hätte ja
Rostislav gleich den Namen Cyrill's nennen sollen. Das ist jedoch nicht
nothwendig. Rostislav konnte an ihn gedacht haben ohne ihn zu
nennen, sonst begreift man nicht, wie er aus Konstantinopel einen
Lehrer , der in slavischer Sprache zu predigen im Stande war, bekom-
men zu können hoffte. Dagegen wird das begreiflich, wenn die Nach-
richten von der durch Cyrill begonnenen Evangelienübersetzung und
der Erfindung des Alphabetes bis nach Mähren drangen. Nach der
Darstellung der pannonischen Legende ist dagegen die Hoffnung Rostis-
lav's weniger begreiflich. Wenn man dabei das von Chrabr erwähnte
Datum S55 betreffs der Erfindung der Schrift in Betracht zieht, wird
die Darstellung der italischen Legende um so weniger auffallend. Dar-
nach ist es kaum nötig zu einer solchen Erklärung Zuflucht zu nehmen,
dass der Verfasser der italischen Legende vom Standpunkte der römi-
schen Kirche den Satz OTT* Back EC» Ha Ect crpaHki ^ocpKiH
SaKOHiv HCYC»;i,HTT!L ausgelassen und ihn durch die Erwähnung der
Chazaren ersetzt habe. In gleicher Weise ist es nach unserem Dafür-
halten nicht nöthig zu behaupten, dass der Verfasser der italischen Le-
gende von der Ankunft der Brüder nach Mähren und ihrer Ankunft
nach Rom unter dem Einfluss der pannonischen Legende gesprochen
habe. Warum sollten die Mährer über die Ankunft der beiden Brüder
mit den Reliquien Klemens' und der Evangelienübersetzung sich nicht
freuen können und nicht ihnen entgegen gegangen sein , um sie feier-
lich zu empfangen? Nach der Entdeckung des Schreibens des Biblo-
thekars Anastasius scheint uns wahrscheinlicher die Anuahme des
Akademikers Jagic, dass beide Quellen, die italische und pannonische
Legende, unabhängig von einander stehen. Darum ist kaum wahrschein-
lich die Voraussetzung Vondräk's, dass dem Verfasser der italischen
Legende ein Auszug aus der Vita Constantini in griechischer Sprache
vorlag, und dass jener Auszug Klemens zum Verfasser hatte.
Was die Betheiligung Klemens' an den unter dem Namen des Gla-
golita Clozianus bekannten Texten anbetrifft (S. 117 — 124), so hat
Prof. Vondräk schon früher darauf hingewiesen , dass einem Text des
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens. 371
Glagolita Clozianus auf die griechische Spur zu kommen unmöglich sei.
Jetzt sucht er den Beweis zu führen, dass dieser Text (eine »Rede«)
Klemens zum Verfasser habe. Die Textvergleiche sind auch im ge-
gebenen Fall wenig überzeugend, dagegen kann man die Bekämpfung
der heidnischen Sitten vielleicht besser so erklären, dass man sagt, diese
Rede sei sehr früh nach der Bekehrung der Slaven zum Christenthum
zu Stande gekommen und ihr Verfasser sei ein Slave gewesen, ohne
gerade die Autorschaft auf Klemens zu beschränken. Auch die Ueber-
setzung einer Rede des h. Epiphanius wird von Prof. Vondräk Klemens
zugeschrieben. Ohne die Möglichkeit gerade in Abrede zu stellen,
möchten wir nur folgendes bemerken : Klemens kannte in der That diese
Rede, doch ob im griech. Original oder in der slav. Uebersetznng, das
ist eine andere Frage. Eine im Cod. Suprasl. enthaltene Stelle
scheint er in der Lobrede auf Cyrill nachgeahmt zu haben. Vergl.
BAdH;;^ PA^IJ^'K TKOH W HWCh4>6, BAaJK;^ OHH TBOH, BAa»;;f; AH^f
TBOf, E/\a>K;*i pawfe tboh, baa^k;^ rAaB;R tbois^^ Supr. ed. Sever.
457 — 45S und BAaJK;i% tboh o^cthIv, 0 BAan^EHki wne KypHAf.
BAAH^;^ AHU,e TBOf, OHH, 3liHHi^H, pA^i^-fc u. s. w. üeberzeugt von
der Beteiligung Klemens' an dem Euchologium Sinaiticum und Glagolita
Clozianus, zwei glagolitischen Denkmälern, erblickt Prof. Vondräk
(S. 124 — 126) darin den Beweis dafür, dass Klemens das glagolitische
Alphabet gebraucht hatte. Für uns, die wir auf die beiden Denkmäler
anders blicken, entfällt diese Schlussfolgerung. Kräftiger wäre jeden-
falls der Beweis, wenn sich wenigstens ein Text Klemens' in der glagol.
Handschrift nachweisen Hesse, was bekanntlich nicht der Fall ist.
In einem Kapitel (S. 126—142) stellt Prof. Vondräk die Charak-
teristik der Werke Klemens' nach Inhalt, Stil und Sprache zusammen.
Im Inhalt hebt er die fortwährende Aufforderung Klemens' zu der Be-
thätigung der Barmherzigkeit hervor und erblickt darin den Einfluss
der Beichtformeln. Daneben vertrete der Prediger die Ideen des Aske-
tismus. In Bezug auf den Stil wird die Liebe zu Vergleichen, die in
vielen Reden wiederkehrt, hervorgehoben. Dann werden die sprach-
lichen Eigenthümlichkeiten behandelt. Dabei charakterisirt er die
Sprache Klemens' auf Grund solcher Texte, wie das Euchologium Sinai-
ticum, Glagolita Clozianus und andere nur sehr problematisch dem
Klemens zugeschriebene Werke. Vorsichtiger wäre es gewesen, sich
auf die bestimmt von Klemens herrührenden Texte zu beschränken.
Allerdings sind nur wenige Texte in der Üeberlieferung des XII. Jahrb.
24*
372 P- A. Lavrov,
mit dem Namen Klemens' erhalten, aber aus dem XIV. Jahrh. rühren
viele her und man darf nicht sagen, dass darin die sprachlichen Eigen-
thümlichkeiten gänzlich verwischt sind.
Die Beweise dafür, dass die Belehrungen auf Christi Geburt und
Taufe — wovon Vondräk im nächsten Kapitel spricht (S. 142 — 151) —
zu den altkirchenslav. Originalprodukten gehören, hat A. N. Popov er-
bracht. Er hob auch hervor, dass diese Reden das Dogma filioque
mit solcher Vorsicht berühren, die nur zu Beginn der Trennung der
beiden Kirchen möglich war. Prof. Vondräk stellt noch Vergleiche mit
der Vita Methodii an und behauptet, jene Reden seien vor der Vita Me-
thodii verfasst worden. Auch wir theilen die Ansicht, dass wenn jene
Reden von Klemens geschrieben sind, sie ihrem ganzen Charakter nach
nach Mähren zu versetzen wären. Dafür spricht auch eine Reihe von
Ausdrücken, die A. N. Popov mit den böhmischen zusammengestellt hat.
Am Schluss des Werkes kommen noch zwei Beilagen. In der
ersten (S. 151 — 153) bekämpft Vondräk die Ansicht Suvorov's, dass
der Ordo confessionis im Euchologium Sinaiticum mit den vorhandenen
griechischen nichts gemeinsames hat. Er setzt voraus, dass es eine
ältere Redaction der uy.o'Lovd-ia gab, als die bei Morinus gedruckte,
und dass ein den bei Morinus gedruckten ähnlicher Text schon zu Ende
des IX, oder zu Anfang des X. Jahrh. bekannt war. In der zweiten
Beilage (S. 153 — 166) werden Ordo confessionis und andere von Von-
dräk dem Klemens zugeschriebene Texte mit neuen von Stojanovic ent-
deckten Texten der Reden Klemens' zusammengestellt.
Am Schluss folgen Bemerkungen über die vermuthliche chronolo-
gische Reihenfolge der bekannten Werke des Klemens. Zu den ältesten
möchte Prof. Vondräk den Ordo confessionis und von den Reden und
Belehrungen jene auf das Gedächtniss des Apostels, Ermahnung betreffs
der Festtage, und auf die Auferstehung und Verklärung zählen. Bei
seiner Voraussetzung, dass die Legenden über Cyrill und Method und
die Lobreden auf dieselben in Macedonien geschrieben seien, nimmt es
uns nicht Wunder, dass er die Hauptthätigkeit Klemens' in dieses Ge-
biet versetzt.
Aus der gegebenen Uebersicht kann sich Jedermann leicht über-
zeugen, wie viel Mühe und Arbeit Prof. Vondräk auf die Aufhellung
der literarischen Thätigkeit des hervorragenden Repräsentanten der
Anfangsepoche des kirchenslav. Schriftthums verwendet hat.
St. Petersburg. P. A. Lavrov.
Zwei Lobreden, vielleicht von Klemens verfasst. 373
Zwei Lobredeu, yielleicht von Klemens geschrieben.
Im Anschluss an die vorausgehende Besprechung der neuesten,
dem slavischen Klemens gewidmeten Studien mögen hier noch zwei
Texte folgen, die wir mit einiger Wahrscheinlichkeit Klemens zuschrei-
ben möchten. Wir fanden sie in der serbischen Cetja Mineja der Mi-
hanovic'schen Sammlung der südslavischen Akademie in Agram; der
Folioband auf Papier ist aus dem XVI. Jahrb., er trägt jetzt die
Signatur III. C. 22. Eine nochmalige Vergleichung der Abschrift mit
dem Original verdanken wir der Freundlichkeit des Herrn P. A. Za-
bolotskij.
Rk TkJKf j!k,Hw no\*Ka CTro naßAa anaa ba'ko kakh.
ü{\ii k'to au'^V naßixa ßfAHKaaro paH ;k,YOK'HKiH npo30-
KfTk HAH CK'tTHA'HHKa HapfTk, H( Cß'RHie HCTHHkl AO^Maie
Kfc1vA0V>€Tk. HciiAkH KO dvAUJE ca^a BH^ßHaro H l^'ß'KTa
;i,Y<>ß Haaro. koi€ ko katm he oßpEipeiiJH ßk hi€; HCßOHk
Hs'ßpan'Hk ckcov'4,k ßki Koif, omthk' a ßcaM'cKki, ,\,a TlvMk h
CTklH ^\\h WKklA'HO ßkCEAH d Bk Hk. H pliKkl BArO;i,1vaHHia
H3ki;i,oiiJf HS" Hiero, h( mko^kc h3 para Merkipiuiki no^Tki
TCKSipC, Hk H 3'bAO B0AI6 H3AHßaKM|Ja HO ß'CC ^HkJH, H HE paH
6AHHk HanaraHMjja CAro.i.'kaHHra, Hk bcK j\,ui( nocASmaKMjJH
ero. A^* '^U^^ "^ kh cao rp'kB-R hah no\'ßaAa, hiui'jke KkiY<>
;i,OHHlv no\'BaAHAH ero, HBHaarc» maka h 3EiiikAHaaro arraa;
KAKO AH MOH;£Mk CKa3aTH CTpTkl CEfO TpkH-KAHßarO CAOßfCE;
KÖH AH e.3klKk ^OßCAHk l€ CtTO HCHOB'k^l.aTH Be3'U'kp^Hkl6
B-K^l^ H Kf3* nOKOra K^UHHie, HAH HE HaCklTEljJOY CE STpOBOy,
HAH H^E^Haa OVCTa HAH HArOTOK« T 0 LI kl M 0 16 TlvAO, 3HM0IO H
3H<M€, HAH CD HBlv COyipH^k ßpÄrk HAH Ak^KEL|JEI€ BpATkie
CHA'HCt; wcTABAK» CETO (Dr'HAHHra H Ha coy^'k nocTaß'Ai€HHra
H BE3aHHm H CtKAEBETAHHra HO ßCE MaCkI , H ^HEß'Hklie
CMpTkl, H KaMEHHI6 nOBHI€HHra, H H;E3'AkHHI€ pAHkl H OC'^O-
'Ai(H»a ;k,Akrara, h 3EMAkHkii€ nanacTH, h luiop cKkie B'K^.ki.
Kaia TkM'HHU,a nO 3ELrAH Hlv HMAAA CTO, HAH MOpCKAa BAkHA
naKOCTH H'b ckTBopHaa TonEUJin ero; Bli;i,ki jke npHHiuiaAk ßk
374 P- A. Lavrov,
AOMb KpkfJif. ToyHie BAroß'fenJfHHie 4,'liAaiU6. ck nosopHUJf
C -T^ ~ Jl, ~ ~ ~
Bu arrAOiuiiv h MAKCiiik, nocpli ktk hakk croie, sa makki
Tp8jKai€ Cf H MAf, H Kk KC»\" npHBAH>Kai€ HapO^kl CC^aAHß'tUf l€
ce. TaKo BO 16 cHra A^^^ npHidSHHBara. Ht E'k ciuiOTpciiJH,
Hk BcemS pc»A*>V mahk» caiiik b'S^w AK>Tkii€ h CTpTki npH-
l€MAI€, a HAKkl (Ü B%l,k HS'BOA^- A*» I^TO CfPO BCAHKAarO H
B^KBHaa^o iLio^^Ka nsk^Verk A^HHaa h npaßEA"'^'^ CTpoieHHia,
ra/K£ nO BCE AHKI TBOpaiiJE; Ck BO HM'baiJJE CKp'Bk H ncMaAk
0 ßCt L^pKCaYI», H Kk BCbMk MATk H BArOI€ Cpi^«. aijJf K'TO
noTkKH'Sujf, To naß'Ak likS'BOA-Suif. Bks'üoyiiJaiue ah a Suw
MHH, naBAk Bksrapaiue. n-kA'Bki pas'AkiMHkiie kto Mo>KfTk
CKasaTH, hm'h;{ B'kaiiJf Kk koi€ Bp'kMf iioBai€Tk nocaaBfipt
iJHHTH, H naKkl rapOCTHIO BkCneTHTH, A** "* paCAaBAI€HHI€ük
norkiBHtTk HH naKkl rapkiMk np1iijimHi€Mk CünaieTk csk«.
Hk c»BC»i€Mc»\- roA»^ B-tA»»^'", TaKO HcnpäßAtaujf mamckob nA'kr.ic.
'f ■ — • ,
n<:»E.ls.,\A\e ßk saKOHk h;h paßOMk rHkiMk, ßaacrfMk h BAaAi>-
L^JHMk, MO\j•^KkCKOY nOAi> H /KJHCKS, pOTfAI€L1k H A'^'^fMk,
I^HKIMk H H^EHaTklMk, H ßkSpk^KtljJHM' C£ H KpkFJEl{JHMk, H
npliMo^Api^"'^'*^ H rpSBynik, h nakT'HkiMk h a\'*^^'h>^i^>^- 3a
ß'ce A^^Kp'RA'JpcT'ßf Ba h lulTxf. oßki ßk ß-KH'i^e h paAO npH-
3kißai6, a AP'^'^V'^'^ Bf30\-MHkii€ HapHSf. Oßki npoßajKae npa-
ßkiMk saKOHOOk ^oAtMif, '^ AP^^V*^*^ ßkSßpanjaie 3A'k rp«-
A8i|jei€. OBora nAanc sa'K rptAC>VMJ") oßora pa\,-i€ ce o oynpa-
BHßkiiiHY' c« A'^'^P't- oßora TaHHkiH BfAUKkiie raß'Aiaie
ß'kp'HkiHMk, oßora nocAAK'Araie Hcnpkßa. oßora ßks'ßkiiuaie
Ck coBow, oBora HJkSAOiuik np-RTHTk. Oßora awkobhk» h
AX^''^'»^ KpoTKkiMk ck-kiiiaßaieT' c« npHHTH. oBora Bks'ßkiLiia-
I6T' ce Ck ßklCOKklLiy, OßOra CHHSHT' C£ Ck HHCKkllUIH, ECK anAk
Ä ... ■? w ^ ~ -
YOY»;kLlJHH H MkH LUm TBOpamC. C£ /KE raßAßie rAALUE Ka
ßk CEB'6 raiiia. c'e /KEA^^IU« CklUip'TH \6Tt H3klTH CC MHpa
CErO, CE JKE Tp-kBUJE nOKa30ßaLilE 6JKE np-RBklTH ßk llAkTH H
A'Ka'MA. he BO CEB'K A'^^P'^ " nOKOra HCKaiUE, Hk CßOHMk ME-
Zwei Lobreden, vielleicht von Klemens verfasst. 375
^oMk HjKf fY/iHi€Mii poA"- ^^ ^0 16 BkCk ^YOß'Haaro npH-
CTARA H SHEHHra SaKOHk, S^Vit H( CfKlv TkMHM», HK MHOS'bMk
ME/i^oiuik \e HA noA'sS, Tkra h ciE'k R<iyji,(Th. ha oycn'K. T-kMk
CMOTpCl|lE naKkl JCUaAfT' C( HEMOljl'Mkl H nfMaa'iuiH, aKkl J^O-
KpOTIiapklK» KpaCI€T Cf lUipTKOCTHK» AV*^^"*^*^- " liklCOKk l€
nakT HkiMH Tpo\^A»^ " A\'*^ß"*^'^^V i"^'^*^K> pa\-i€ C«, Hf^K«
rpÖKk RH^'kHHieyk, Hh. A'^-^P^ "^ko h cKpos't spku^aao i^psa
HKHaro, SnoBaie aV*^"^**? " AP'^V^"'^*^ nakxk 0MHi|jai€. hjco-
M0\' H;E Hkl i^HHTk, Hk ^\,A HE CEAHMaKiM' CE 3EM7\kHklMkl CHMkl,
~ M
HH na'TH KOAK» TBopEi^E ^lAJ* norc>\,'Karai€. ßCE 3acToynai€Tk,
H 3a KCE Ka MAHTk. BCliMkl KOAHTk H 3a BCE HEMET' CE, H
BkH'k COyilJIHMH 3aK0Ha H Bk 3aK0H'K JKHAOBkCKkl npHCTaß'-
HHKk. 0 HkiyJKE H AP*^-^*^ ^^^ ^'^^' '!>\'^^ CAUh (CnacTH \ß
CaaBkl BEAHKkie, HEJKE AH A** ^klH nOrklBHO\j'Tk Bk HEBivHkl H
T'M'fe. 3'kACt BO \-OTliaUJE npHBECTH l€ Kk KOy H Ji,A O^B'S-
AETk cBOjero TBop ^a. c'e jke aPi^^hobehhc b-Suje ceb'S ha
cncEHHe, coyiijTH beahkSio caabS. w BtAHKara luikicAki HBCHaa.
vö BEAHKara TEHAOTO AV^"'*'*- "^^ ^0 HOApajKaiemH ^a, hh;e
Bkl 3a Hkl KAET Ba H HaUlE HEMOljJH Bk3Bkl/KE. J!l,A H THH Bk
0Bpa3k TBÖpE t6 H3rAa, yOTE TkHHK» Ji,A EklUIE Ckl CHCEHH
BklAH, a HE nOrklHÖAH. H BCa TA SMEHHia pa3'AklMHa TBOpE,
raKkl JCHTpkl Bpa H U.'feAHTEAk yO^A^^'''^? BCfeMk npOTklBOy GS't
AUM'Rkl TBOpE. TO 16 A<>Kpa Bpa A'^'^'^j laKOJKE H Tkl TBO-
PHUJH. OBkl UAE H PAilA«; ^HEHHieililk A'KMHUJH mKOH^E HOBAieTk,
a AP'^V'''^'^ rapkIMk i>HEHHI6Mk H ^KECTOKklMk. TaKOBaa coyTk
TBOra 8HEHHlä, A^^^Pi^'i TpoYA'*""^* X^^- '^^^^ "^f Y*^4^^'*''^
noYBdAHTH, To toa'ma CE CÜA'^AHTk A^^""'^ no^BaAnTH,
eVima TKt pa3H0 HR 3EMAra CD HBCk. KAK' BO Tk YOllJETk BkITH
63klKk, H>KE TE Bk A-fcHOTOY A<^""*^ nO^BAAnTk; Tkl BO BCE
AORpO HBCH0I6 H HAMCKOie HMaUJH CkBpaBk Bk CEBtl. TO H^E
b'CE H3pEAH'tl€ BCli. OBaME HE TOTO pa ^BO^BUiE H SMAkKHEMk,
Hk na TOrO A'^'^'^ rAI€Mk. HEBOHk H CE BEAHKaa \E.AAA l€
YBaAHMOMö, era y^«*'^*" " noBlvA<»»€ a*^^P<^I3 a'^'^'* A*^^-
376 P. A. Lavrov,
THTHeTK. H CITO Hf A^^cTuiK'Hliie UA^t ßck YKaAk cAaß'H'tf \e.
MKI :K6 YÖTfl^KH YB'^'^H'T'" A*^KP*2»HhCTHB'KMk aBEAtL npHAO-
^KHMk BEAHKaaro naß'Aa. h no ctuw Bk piji,w cAOßümt, euoyiKt
TaKO CkTBOpHMk, KÖHU,'k CAOBECH CfMCy" CAOJKHB'Uif Bk
no^Baacy h ctro ^'t/xia h OH'tY"*- ciuiorpH n^e KpaTC, noaojKH
aB«Ak Tp'feBOY Eci\% BArOMkCTklH TBOp'u^A, ^a TlvIUIk H CAO-
BtTk. Hk M\i( naBAK< Tp'RKOl' npHAOHCHUJH Kk CfH, TÖ KOA'MH
C( raBHTk KÖAIUIH H Bkim'lilklH. GAkMA EO M HBO SJfilAie. KOlO
noB'K;i,a xp'RBb, HfKO e^HHa i€. caw bo cobok» no Bce j^nu
Tp'feBOY' noAarame Bcera, cMpVk npHienAie RAkTHio cKOieio.
HEBOHk Ha B-Iv^kl ItUlkAk B'Same npHO CO\'liitl€, H CMp'Tk
npHieMauiE canoY'J'Tkih?. Tano bo ch i€ct'bo nakT'cKoie
SlUipr'Bkl, raKO HHMHWI'JK« BkITH O^H^UUS HH TKHB-KHUJS BpABk
3aKC»AI€H'Hkl HA Tp'ÜBHUJH. H« ;1,0B0A'H0 CkTBOpH Hk H BkCk
MHpk AKKI KpHAATk Op'Ak HA Bijpoy npHBO^« Kk B0\', Hf
npOCTO HH npas'HO CK\-Ct;V,6, Hk TpkHkll€ rpIvX'OBHOie HCTpk-
sae, H CAO BAroBtp'Hoie ckcfeBae, npt:Ak Hs'roH« a hcthhoy
BkBOAC, H MAKkl ATPAkl TBOp«. Hk rAI€lliH np-^AkCTkllO RO-
rOVBH KAHHk aBCAa. Hk aS' TH MHOrkl CMp'Tkl nOKasa. TOAHKO
BC H npHI€, 6AHKC» }Vi( H ^HklH JKHB« Bk ;k,0Bp1v B-Kp-fc Ckl.
aHJf AH H \'öliJfUJH ;i,1vAC>Mk BH^-feTH CkMpfk npHI€MliJa, TO
BAiCAH, oh' bo cd KaHHa Bpa cBOiero ciuipk npnie, hh ^i^oßpa
leMoy hh saa ckTBopk. a ck vC» T'^yk o^iuip-K, h^'^k« yoT-kam«
CP lUiHoraa 3aa HCTpkrHOVTH. h nocrpa mhto tom ai€hhi€
npHI€M'AI€. Hk HOI€ AH npaB';k,HBkl CkBpLUCHk Bk pOA'^ CBO-
l€Mk, e'AHMi* Ck CBOHMH ^-kT'Mkl CHaB'^V,!: C(. Hk Ck CTklH
BEA'MH BOA'uJÖ nOTOn8 CO^MJ^» HfB'kpkCTBOMk Bk MHpli CfMk
H Y^Tf^M^V nOTOHHTH HAMCK0I6 HA-RME, HE ^kCKAMkl CkCTa-
BHBk KOpaBAk, Hk eRHCTOAHIO CAOJKk H MHpk BkCk ÖTAna-
KMJJk CÜ CpliA«^" R10\fTEl4JH C( BO^k HCTpkPk H HS^BA-feME. HH
TAKk B'KaiilE KOpaB'Ak Bk M-fe HAABaie, Hk ;i,0 KpaH SEMAkHkl
AOUlk, BkBO^HTk b'cE H /l,OCEA'k BAPOB'fep'CTBOlUlk. H KOpaB\\k
HOI€Bk BpaHkl H BAkKkl npHI€Mk, Tkl >KE BpAHkl H BAkKkl
Zwei Lobreden, vielleicht von Klemens verfasst. 377
HCnorCTH, H CfKf He OXj'KpOTHßKI. A cL Hl TaKO. viw RAbKKI
npHI€Mk, Oß'Hf CkTKOpH l€, H RpaHkl H Haß'KKI lipHI€Mk, TO-
/io\fKki ckTKopH e. H Kcor Koi'ivcTk HAHCKaro lecTßa np-k-
lUlIvHH H ^\\'Oß'HO\'ICt KpOTOCTk ßkBf^\f. Hk aßpaaMO^ C( HO^-
^\fTk ß'CH, nOHK-IK« CAkimaKk, H H3ki^\f H3k 3fM'/\ie CKC»l€f, H
(C» po^\a cBoierö, ocraßn (I'hc'tkc» h ,\OMk, h ^vporrw h o\j'-
/KHKkl, H 3A ß'ce nOI€ nOßCA'kHHI« RHUIE. H Mki KO Cf 0 TOMk
Hio^Hiuik K5IUIS. Nk naß'aS k'to boya^''''^ Ton'Hk, lajKc hh
iÜMkCTBO HH ,\<:>UW HH Cpk,\OBOaklH TkMHM» OCTaßH , Hk H
BkCk MHpk H BCe IKHTklie Bk H»€, H HfßO HRCHOI€ ICA pa^H.
Hk eAHHkll€ TkHHIO HCBa AIOBBE \'Bkl, HH HaCTOiei^lHId BO pC
caaßa, hh rß(j\,^i]ina, hh ßks'ßkiiiieHHe, hh rao^ßkina mo-
>KfTk Ha (DaShh (C aK)BB£ X""^"^'- "^ aß'paaiuik, peiun, Bk K'k/i,o\'
Cf BkßpkH^E H CHOBf CBOK; paTkl HS'ßpkJK«. a Ck HH CHOBC
HH E rpa HH MHpk BkCk HE \ß ßOHHk Hk (U COTOHHHOY pSBO\f
H3BE. HE CB'SAOMkl HO BCE ^\HU R-^J^^hl npHI€M'ai€. Hk CC EIUI8
16 BOAUJEie Ji,'^A(:> H B'kH'l^k, e'jKE CHk CßOH A<»TH Ha 3aB0/\l€-
^ v^ - «? ~ x\
HHI6. Hk H npH CEMk naß/\k BOAHH 16, HE BO CHa A^'^'"''^; "1^
CaM CE Ha lUIHTkl CMpTkl Bk^aiCTk. IdBOH^E H Hp'tJKE PAa^OMk.
Hk HtaBOß'AH AH CE Bp'kHOCTkl H TpkR-kHHra HHHHI« HIOTk. H
B'TO I€ /KECTOKk AKkl BpEIUlkl, HJKE lUlOHiE aBkl HaßAk TßpV
BkITH; HE BO J^ß-k A-t pABOTa, Hk BCO\f CBOK» ;KH3'Hk U,pKBE p*a
)fBkl. HE 3H0l€IUIk TOpE A^I^HI^I^I^? "" CTOYA*""»^ HOljJHOK".
Hk MHOPkl B'kAkI npHI6MAI6, ÖßOra paHki H OBOPa BaililEHHie
nocHnai€Mk, oßora 3Blvpki np1vAai€Mk, h npno h3' TpH3'HHi|ja
Hc'Aknaie. h 3'ß'fepEiuik raA*?'^'»^*'' <>ß''M, H3'' rpkTanki HEnpH-
ras'HkiH'na HcrpkHCE. hh HC»CH4>k nncTk pEiuH CC cß'ßpkn'na
AtiAA. Hk a3k coym'Hio ce, e,\A h cim-R^-k bo^a^t'*» naß'aa T-kink
YBaAHTH. ck BO IUIOI|"Kk BEAHBklH HE TkMHW CEPO OMTHCE, Hk
H npH BCEMk paCHEA' CE BliUJE Rk MHp'k CEMk. HE BO TkHHK»
CBliTAkl T'kAECk, HW H BCETO HMAHHia TaKO HE BpIvIKAUJE H
npüOBkiA'kujE, idKOH;E h luiki npkCTki h nE(nE)Aa. hah öko^ke
MpTBkl Kk MPT'bOMÖ he lUlOJKETk npHCTO\f HHTH , TABOJBE Ck
378 P- A. Lavrov,
B'KaUJC T'Bpi%/l,OllilO\f I€CTB8 K0\^0CTK ÖTOAHAb. HW;k,JT d HOBOV*
ßCH HAb1j,H, A-RnO KO l€, H ECAHKk 16 CTpTOTpi»,n'u,k. lUlO-
'^ 'c
>K6T' KO H Kh. naß AOy npHACJKH TpKn1iHH»€Mk H HTOTOW,
nOHI6H{E H Kh CB'feTfAkCTBÖieTb 0 H(6Mk, Kp-RnO lEMO^ laß'-
Aiaie H HKt/l.HOlflO nOB't,l,0\'. HK naB'Ak he 11111,« M'HOrkl TAKO
lUiÖMj cf H TOM« ce npt:BHBaujf, hk MHoraa aIvTa hh np'SnHHOio
orp'KBaie rHora CC cfBt, hk bk camiaa taa oycra hscto Bknaie
COTOHHHa, H Cb MHOPKIMH nAKOCTblUlM HOB'kH^aie C{, BCaKOTO
KaiuiEHt M^KTonaH bki. he \Jö rpe hh CD HETwpe ^k^poyrik, Hk iC
BCS MAKU HECKpHhJ \-OVAfHHlä H 0l,rK0pH3'HhJ npHI€M'AI€. Hk
MVVyCHH rAI€LUH BEAHKk 3lvA0. I€ Hit TO TAKO, BEAHKk 16
MWY'cTh. Hk Ck H TOrO, M'HK», BEip'uJHH Bf AHM'CTKOMk. BEAHKA
BO l€MOy CO^Tk HHAa A'^^'^? "^ ^^'^ BOAIUE Ckl B'KH'Urk BCkMk
AUJf CTklH 16, eJK« H3'B0AH nOrklEHOlf'»'" H HS'ßplJljJH
H3' K'HHPk HM£ CßO«, AljJf l€ HK>AfOMk nC»rO\,'BAI€HOILlk KkITH,
Hk Ck H3BpaH'HklMH norklKHO\,'TH . Haß'Ak Hf TAKO, Hk A<» BH-
Ul( H Hki CriCAH, a Ck vUnaAk CAAßkl BECKOHks'Hkie. Oßk Ck
4>apaoHOMk, a oßk ck AHt^^^*'^*^'''!'^ "*> ^ce a^ki TOMAramt. oHk
W le^HH-t AlOA't, A Ck 3A ßkCk MHpk TpO^A"^ npiHMAUJe, HE
nOTOMk Hk KpkßkllO BkCnOAHBAie ^E. üpHAOHIHMk 6L|JE ICA
Haß'ry'Ha, h caiuiOHAA, h HHkie nppßki. Hk hh, hh ce js,a he
oyAP'^^"''''* ^^^j "H ^^ ßpkYOß'Hkin/ik np-feHAf^ii^. era ko cki
BOAklH raßHT" CE Tk, CO AP^V*^ "^ ^^A^ HHKOI€ 6h;e npHi€.
KTO H;E Ci>Tk BpkyOß'HKIH, pa3B'S A^A** " HAHie, KOie Hif l€
H3PEA'H0I€ ;^'^i\0 AB*?; "^ cyfepEHHie ah H AlOBkl Kk Koy H3-
AH^ara; to kto Tk^'n-KH na naßAOBH ji,uii AioKki ra; Ck ko
OKOie TO A<5 KOH'l^a Ckßp'lUEH'nO ßk CEB'K HM'fcraUJE. HTO AH
l€ MIOAHtie HAH6, HJKE HKO 3aKAI0MH BE'aP*?'^'**? " TAAA»^
npHBE, H Orn'k C HKCE CBE. he MHK> aSk to, Hk I€>KE 3aBHCTk
ßk3E nO K3't, ThJ Orn'ra AlOT'feH, Hk aHJf pa301|'M'Sl€llJH
naßAOßS 3aßHCTk, to toa'ma h bhujh h KOA'uiaa coyiiia
5 ^ X 0 w v\
HAH6, 6AM a 7K( H Ck HH'K RppKk. HHMECO/KE Ck HE Kp-KHCALUE
npH AlOK'ßkl K^KIH, HH ßHMkll€ ^TBApkl CEI6 16 MHpCKOG, Hk
Zwei Lobreden, vielleicht von Klemens verfaast. 379
Ä
HHOy Hf COyiliy CAOKfCC CkTBOpH, aR\\a\€. HSpCHOyK^ Kk KAL^t
^Oy. Hh. H'lOaHk pdllH ßtAHKKlH, HTKE ROAKIII 16 liC'k\'k lippKk,
BCAHHoy APi^^o iioKasa h Hpo^a okah npHO ^\o ciuip'THaro
j\,m. Hk H ck n{ 6AHHoro HH ^E.'^» , Hk Efc MHCAa Tai^t:
OKAklHH, IIa JKf H aWTlvHUlf TOPO C^HIf MTAIC, MO TOM' >Kf
BkC\'0;V,El|J£ Ha HBO, H lipHAOJKHMk H Kk arrAOlUlk. Hk HE
vV , C
SaapH HHKTOJK« ^pk3 HOKtHHIC CfMO\". HapHMfT KC» HHHHIC
Hoana arraa. ^a aL|j£ ccro npHAOH^HMk Kk rop'HkiMk CHAaMk,
TO Ht HHK0>6*/KE HK». KOI€ >Kf l€ T-fe^k KOAie A'^'^*^! "^ "^^ ^H
Hs'pf^MO np" ß'cfMk nocASuiaTH ca. taKOJKf h a^A"* nwAf c«
TATk- CHA'HklH Kp'kMOCTHW TKOpfipEH CAOBO CTO. C6 KO H'fe
CÖa'lUE HHHEC02KE. TO KO H KA^KH'HKIH TßOpETk H CTklH, HMJK«
HE OCAOYlUaWT'CE HOBEAliHHra THm HHKaKOJKE. Hk H C( K'feTH
i€ naß Aa HspE Tßopei|ja. he eo TkMHW CAOßo leiuioy cnaß a'^>
Hk H nOBEA'kHHie H UHMO n0ßEA'kHH6. H CE ldßAldl€ TAUJE,
Kara LIH ÖKO KOYA^Tk RilkSa A^ KArOß'SCTE KE3k KpkME.
KAroß'tipoY HeY'^Hie Y'^*^- ^fcoMoy ce HHOMOif o hü A"ß"T''»
nppKk; HE hjke ah rAi€Tk, TBopEH arpAki cßoie aX^j " CAÖrw
CB06 OrHk naAELjJk. Hk H CE HpH RaßA'k l€ BHA'^TH. AKkl j(^h.
H Or'Hk ßkCEAI€H'HOV>0 OE'TEHE H ßk ß'CEH 3EMAH HC'Tp'tKkl
BCO\- CK'ßpkHOy AY'^KMklMk RAaMEHEMk. KaKk TH l€ ßk CEMk
MOyH^H OPHk H HAAMki, KaK' AH 16 MIOA'Hki Ck lUlS^Kk J^A H ßk
EPEH'h-K T'feAECH Cki, Ck HECHkIMH arPAkl pa\-|€T' CE. Tß<M€
HEMaAkl H O^Skl KTO MOJKETk A^^H'^ HCnOß'tA^T'" MTHkl AHAE;
Kaa KO Tkiui'HHi^a ßk cek1v teke h-R HMaaa cß^kTEipaa; a** ^^^t^
MOJKETk TßOI€ CTpTkl H TpOV'AkI HCHOB'tTH, HJKE l€CH ^A ßA
noAi^>€Ak; A<^Mac'Kk toeok» beahhaict' ce h Ck BclirJik MHpoMk
liaK'AE. BHA'b EO TE RpHEHOy npHI6M'uJa CB'kTO BEAHKklHMk.
H p\-Mk npHHMk TH KpkBk, H Tk KpACOyiCT CE H BEAHMai€T CE
TOEOIO, HTHklH aHAE. Hk H TAp'Ck RaHE BCt pa\-|€T' CE, AK>EE
H HTE TB0I6 REAEHkl. H Mkl 8E03kl T0E0K5 Y'bAAHM' CE, H ßk
CHI6 M'tCTO CT0I6 A""^ CkßkKOynHBUJE, BECEA^yieMk 0 TEEt
pEKOyijJE- Q CiUmE BCEPO MHpa. Tkl EO l€CH CB'tTk RO HCTHHii
380 P- ^- Lavrov,
Bcero Hapo^a, TBOie ko SneHHie no bceh 3fMAH hski^,?, ha
KC»H'u,k KkCfAI€H'HKI6 CAOßfCa ÖCT'Hk TßOH. TKI KpklAaT'lH
MOV^KCy OCTAK'aIi 3fM'AK«, H BkSA^^X'* " OKAAKKI, H A<5 ^pf-
THiarC» HKCJ BKUJk, H Bk pAH CkUJk, H CAkiuJABk CAOBfCA HY'jKf
Hf nCKAI€Tk HAMk CAklUiATH, 64,HHAHt Bk KdA-fe CfMk KAAm-
KMjlfMk, H TkMHivH CfH /KHSH'kl UkICAkMkl npHAnKfiye. Tkl
BEAHKklH ARAf, JKfA'^H^^ BC^X"»^ CnCfHHra, MKO;«« Mkl HE MOH^EUk
nfi4JH ce 0 cBOiemik k'to cnccHkiH. — 0 a^^kP"^" ömhtsaio
HUJk. W?» CAAA'KWH npABHTfAW BCfe^k MAKkk. W BEAHKklH
0\'Mf, H ME;1,C*B HAA CAOBECA H CAAKAU. U' BkICTpiH BkCKOp'^
T ^ ' '^
OK TCKkl BCO\- BkC(AI€HkH0l'IO. W CAAKklH CAABHW, HJKE Bk BCt
i;pKBA\'k SCBkIH. TBCHMkl KO bHfHIH l|,pKBkl bTBpkIKAICT Cf
H B-tpA np-Rieiui'AieTk. kto eo cm-KieTk pAs'B'k TBOiero Sm«-
HHia HAH npHAOJKHTH MTO HAH vC'I^TH ; IV npHldS'HHBklH
pAKf H ;i,OKpklH nOKOHHHH« THk. Ji,Hh TBOie CTpTkl H CKOH-
HAHH» HAkTHArO HAMfTk TBOpfipf, pA^HM^Jf H BfCfAfljJf C£
rAJ€Mk- pA\-H Cl HfHCnOBtC^VAH HklH HABHf. pA\'HC6 BfAHKkl CAC-
B'tHf YpTHiaHO, H/Kf CB0I6 H;H3'Hkl HfEp-ferk 3A CB<M€rO TA H
3A BCC YpTHraHklH J\,Hh. CBOIO TAABS nOKAOHHBk ScKKHOBCHHIÖ.
IlA>KHk Tk OkMk, HJKf CKp03'k TBOH PpkTAHk npOH;\,f. BABHO
TO [UI'feCTO, H>Ke TBOW KpkBk npHI€. M'H'S BOV'AH MkHk Tk, Bk
M-RCTO BCerO BOrATkCTBA H HM-SHHß. H M'HOSW ^pOY3kl HpH-
nd^ Uif, Kk MlvCTOr TOM H M HK» I^-RAOBATH M H HACkITHTH C(
yOTfipe AWKOBkllO. — GklH MOl'JKk BpATkll6 BEAHKklH , KCA-
H CKkl C6 TpOV";i,HBk CBOieMO^ BAU.'fe \'0I,' M Ali, H CKOH HA CB0I6
CB'feTfAkCT'BO, H Bk pHMkCU,1vlUlk rpA;4,1v CIH'pTk npHI€Mk (U
HjpOHA IJ^pA. Bk HACk >Kt U,pB0l'IOL|J0y' rO\' HUJfMOY ICk \0y .
6M8h;C CAABA MTk K ;k,pk»;ABA, Ck B{3HAAHHMk OL^EMk, H
npcTkiMk ,\,YOMk, HHra h npHO h Bk BKki v • *
Ml^A HK>AA A ^H CAO H 0 ^ K ^ '^ H 0 C T \- k K «3 Hl k3;i, H kl K k.
KpOYrOB'HkliUk TEHHI€Mk, OBk\'A^KAI€ TOKk CAHMHklH
CB'kTAOCTHIO 03ApAJ€Tk BCtPO MHpA. 3eMAkHkl>€ JKf BO H
Zwei Lobreden, vielleicht von Klemens verfasst. 381
*JIOTKC»p'HKII€ K'feTKKI llpOBCIlUJC Ha UliA'KOy Hf,V,OV'/K'HKIMK,
3AäT03ap'HlvH KpaMfKKCHlvH Cß'kTHAiv, KliH'HaLnf ^V, «^"^'^P *-'•''' "^l^*-
r ^ ß, X
MOy^VpO KO ,\\'CtKHO .-JaMkH'lUH, KATKIK» nOKHTk Kt.S'MhSH'kH
CH 3apKi, pfKoy ;k6 iiptKAiKH'Haaro KÖs'Moy H ,\aMHaHa, h
Btc'u.'kH'HKir.lK K'kH'll,aiK üßiM MHOrOMlÖCH'k PAaii'k l€IO,
e^'ACKKiMk cAOKOiHK iiplinowca, raKOHie pe bk- KC»A«njei€ ii,'k-
AHTf, MpTßKIK; ßkCKptiUiaHTf , HpOKa/Kf h'hKIIC OHHljJaHTe,
K'kCKl HSVOHHTf, TOlfHIC RpHieCT« TO^Hie ^AJ\,HT(. Hk ßKOH^E
Bk KpiJS'k HBCHliMk 3K't3HaarO AHKa, HHKTOJKC H( MOHxSTk
HCHHCTH, TaKO H Kk 3eiUl'AkH'kMk Kk3paCT't CtK» MK>Ck HH-
KTOJKf nOCTHTHCTk H3kMHCTH. CHAA KO ^V'^BM'*'* A**P<* K^H«,
HanAkH'ujHra u.-kA'ßHkiie iiotokki, »;HBOTk Hauk (0 HkiK»
HCTOMH. B'kCTa /KE 3paK0Mk H OBAkll€Mk IdKO arTAA B>KHra,
AWBOKHW H B'SpOK» SKpaiUf H'Ha, /KHTHI€M' TKi HHCTkIMk BklLUE
HAHA coyqj'cTBa ci>i|ia. raiKe BkcriHTt: h nopo^n np'kHTHaa
♦eoA^^'n " Bk;i,a la Kk HaKa3anHi€ rnie ykiTpocTH BcaKOH
ÖMHTHCe. nOHOY;i,H JKf a pkBCHHie B^KHG HA BCaKO A'^'^'^
BArO. H BkCKkin-R Bk HklK) ^,i\0h, BpAMEB HklH, MICCki H 3B'k3a-
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e^HHO^ujHaa h eAHHOMkicAkHaa, ckBpujaieMaa ^\'OMk cTMk,
382 P- A. Lavrov,
BkCnHTliHd AYOB'hOIO nHUJfW, HanCtl€Ha KArOÖ\'äHHI€Mk, MW-
cAKHaa H ;i,OKponAo;v,'H't pas ca^KtH na npH hcjcoahiijhh >kh-
BOTHKi ß6jk,h, HanAkH'iiiHra BkCK MHpk MKtcMKi, HanoHß'ujaa
Hf;i,OYM<'HKII€ KaAkCT'KCMk, OCkHHß'lUa EOA'Hkie MATKIW,
Bk3Bkl3aKM(Ja H{M0ip'Hkll6 BATHIO, .^aKpKIArdKMjJa BivpHkiE CD
BcaKOie HanacTki, npocB'Si[jai<M|ja Tkiiifikiie Hc'utUAieHHieMk,
CHraKM|ia Bk MHp'k HKtcki, idKO ut3A)(C'j^(i\iHta CAHU,H, Bapaioipa
Bcera Hci;'kAi€HHi€yk np1i/Kf copTH. np'KcTOKMjja \'Bki HHia
Bk CBlLTt HfHSpfHHt:, npOCBivTHTa MATHIO H MAROK» M06
oiupaMfHHe, CTpTkJ CüroHfqjf, BOA'bs'Hki p-feujfiija, rp-k^ki CünS-
LjjaKMjja, ne^aAki vüroHfiiia, MHpa ck^paHrawiiJa, noB'k;i,o\'
npocfiiJf (D \'a, npaBOBlip'HOMOY no ks''S caMOBAäcTHOMo^
HßOy HlllfMOy, MATBAMkl BaLUHMH B'KH'MaHTa H, CHAOK> np'K-
noracaKM|JE, Bl^pOlO BkOpOY^KaKMfJE, BATHIO SaijJHL^aiOljJE, MAC-
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ijja 3a Hki BHHOXf npcToyio Tpi;oY, CHrawiiJoy Tpkiuiki cbohct bw
Bk e^HHOMk b^kb'I^, o^a cHa h cTaro A,X'^, HHt-ä h npHO h
Bk BKkl B-KKC» •: •
Von den beiden hier abgedruckten Texten liegt der Lobrede auf
den Apostel Paulus die erste, diesem Apostel gewidmete Homilie des
Joannes Chrysostomus zu Grunde, vergl. Migne Patrologiae c. c. ser.
gr. L, S. 473 — 47S. Aus dieser Homilie ist der Anfang, ungefähr die
ersten zehn Zeilen des slavischen Textes, entlehnt. Die Fortsetzung,
ungefähr bis zur Zeile 25/6 auf S. 375 reichend, konnten wir im grie-
chischen Text nicht nachweisen, obwohl man auch hier irgend eine
griechische Vorlage voraussetzen darf. Der weitere Verlauf des slavi-
schen Textes knüpft wieder an die besagte Homilie an, nur stellenweise
mit Auslassungen. Von der Z. 22 auf S. 379 weiter geht uns wieder
die griechische Vorlage ab. Ein Nachschlagen in anderen Eeden des
Chrysostomus, die sich auf den Apostel Paulus beziehen, im 3. Band
Migne's, ergab keine Beziehungen zur Darstellung im vorliegenden
slavischen Text. Vielleicht liegt gerade darin ein Hinweis auf die
Autorschaft eines Slaven. Beachtenswerth ist der Schluss der Lobrede.
Darin wendet sich der Redner an den Apostel Paulus mit den Worten :
payH C( BCAHKki CAOB'tHE ^P'*'"'^"*^) womit Vielleicht die Voll-
kommenheit der Rede, welche der Apostel Paulus im hohen Grade be-
Zwei Lobreden, vielleicht von Klemens verfasst. 383
herrschte, ausgedrückt werden sollte. Die Kürze der Darstellung, die
die panegyrischen Giussfoimeln, die übrigens an diejenigen erinnern,
die wir bei Chrysostomus in der Lobrede auf die beiden Apostel, Petrus
und Paulus, finden — alles das stimmt zur Annahme des Klemens als
Verfasser. Was die Beziehungen zum griechischen Text anbelangt, so
ist die slavische Redaktion derartig, dass ein freies Verhältniss ange-
nommen werden muss. Einige Zusätze sind im slavischen Texte nach-
weisbar, die in der griechischen Vorlage fehlen, z. B. naB/\a k«ah-
Kaaro hat im griechischen Texte dieses Adjektiv nicht. Auch der
Ausdruck für CE'bTHAHiiKa fehlt dort. Manche Phrasen oder Aus-
drücke des griechischen Textes w^erden ganz frei wiedergegeben, ohne
nahen Anschluss an die griechische Vorlage. Z. B. outio tvoIv }.iiv
T]vd'£i Tfj ^äqLxt lautet im Slavischen: hcr/Oh ko RlJauJ« CA^A
CH^BHarc H n'KiLTa ;i,\-OBHarc. Das griechische ey.lsias [tov ovqa-
vöv] wurde übersetzt: 3aKAK>HH Kf,\poiiJib, ICrjhooev durch saßHCTk
Kk3f, VTt€Q evog ed-vovg: 0 le^^HHlv aw^'k, ro -/.ecpälaLOv rtuv aya-
&i&v: KOaiiJfi€ A'^'^*^ n K'^h"!;!». Die Kürzungen oder Auslassungen
sind nicht immer gelungen. Z. B. im griechischen Original folgt auf
Abraam noch die Erwähnung Isaak's: ti av rig d-avf.iaa£ie tov 'loaä'/.,
im slavischen Text (S. 377, Z. 20): Hk HraKOß'aH ah ce KplinocTKi
u. s. w. Die Auswahl der Ausdrücke erinnert an entsprechende Anwen-
dung in alten Denkmälern. Miklosich war bei der Zusammenstellung
des altslovenischen Wörterbuchs dieser Text bekannt, wenn er dabei
hom. mih. XIII s. citirt, so mag das entweder auf einer Verwechselung
des Homiliariums mit dem Menaeum beruhen, oder ist der Ausdruck
hier wie dort zu finden. Beim Worte Maß'KKa sagt Miklosich, es komme
in altslovenischen Quellen nicht vor, das ist jedoch unrichtig, da wir es
hier (S. 377, Z. 2) als ßpaHKi ii MaK'KKi lesen, was dem griechischen
Uqa/.ug -/.cd y.oloLovg entspricht. Von einzelnen Ausdrücken seien her-
vorgehoben: Tp-kKHUJe, TpHSHHipf, nAfM/Ä, TOMHTH, HCAkHATH,
oyTBapk, nc<KOHHHMc, BpaHk, rAa;i,MTH, npHCTaB'HHKk, \-o\'A<^'''^)
AOKpOMkCTHBk, A<2»KpC>TBapk U. a,
Ist diese Lobrede Klemens' geistiges Eigenthum, so kann sie als
interessantes Musterbild angesehen werden, wie der slavische Prediger
die griechische Vorlage benutzte, um sie durch eigene Einschaltungen
zu modificiren.
In dem Stile der zweiten Lobrede findet man noch mehr Anklänge
an die Werke Klemens'. Wir heben hervor Ausdrücke wie BaakCTBO,
384 P- A. Lavrov, Zwei Lobreden, vielleicht von Klemens verfasst.
KaAh.CTßkH'k Und BpaHJßkCKTs., BpdHiBHkJH. Am ScWuss ist be-
achtenswerth die Erwähnung des Kaisers: npaBOß-bp'HOMOY no KSt
caiuiOBAacT'HOMoy npoy HiufMov".
Der griechische Text gestattet einige Berichtigungen im Slavi-
schen. Auf S. 377, Z. 8 ist laJKe wohl in hjk« zu berichtigen = gr. og
Migne S. 475, S. 378, Z. 21 ist ein hh überflüssig = gr. äll^ %va (.irj.
P. A. Lavrov.
Meine Zusätze zum Studium der Werke
des slavisclien Klemens.
I.
Sind die beiden pannonischen Legenden von Klemens
yerfasst ?
Ich kann nur meiner aufrichtigen Freude darüber Ausdruck geben,
dass sich immer neue, frische wissenschaftliche Kräfte der Lösung vieler
Fragen, die mit den Begründern der kirchenslavischen Liturgie und des
altkirchenslavischen Schriftthums in Zusammenhang stehen, widmen.
Namentlich ist die Vertiefung in die Gedanken und die sprachliche Form
der Denkmäler, ihre philologische Durchforschung, eine erfreuliche Er-
scheinung der neuesten Zeit. Gewiss wird dadurch die Lösung mancher
schwebenden Fragen, wenn nicht geradezu endgiltig erzielt, so doch
wenigstens stark gefördert werden. In der vorliegenden Besprechung,
die der literarischen Produktion des slavischen Klemens gewidmet ist,
begegnen sich zwei hervorragende Forscher gerade auf diesem Gebiete:
Professor P. A. Lavrov in Petersburg und Professor W. Vondräk in
Wien. Beide stellen sich die Aufgabe über den Umfang der literarischen
Thätigkeit des slavischen Klemens, des hervorragendsten Schülers der
ersten Glaubenslehrer der Slaven, möglichst viel Licht zu verbreiten.
Während Prof. Lavrov in dem unermesslich reichen Vorrath der kir-
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens. 385
chenslavischen handschriftlichen Schätze nach neuen Belegen für die
Autorschaft Klemens" sich fleissig umsieht , worin ihn auch andere Ge-
lehrte, wie die Akademiker Sobolevskij in Petersburg und Stojanovid in
Belgrad, durch glückliche Funde unterstützen, hat Prof. Vondräk einen
anderen Weg eingeschlagen, auf welchem allerdings auch schon von
Lavrov tüchtig vorgearbeitet wurde, doch nicht in dem Umfang, wie das
bei Vondräk der Fall ist. Das ist der Weg der inneren Beweisführung
auf Grund der eingehenden Analyse aller sprachlichen, stilistischen und
rhetorischen Mittel, die aus einzelnen Texten hervorleuchten, um bei
sorgfältiger Prüfung aller dieser Mittel zur Bestimmung der ganzen
geistigen Individualität des Schriftstellers zu gelangen. Das ist, man
muss es gestehen, ein mühevoller, langwiei'iger Weg, der weder schnell
noch sicher genug zum Ziele führt. Viel kommt es dabei auf das sub-
jektive Gefühl des Forschers, auf seinen feinen Geschmack an, der ihn
über das Mass des Ausreichenden zur beruhigenden Ueberzeugung führen
muss. Wir sehen es schon bei der vorliegenden Besprechung Lavrov's,
dass ihm, trotzdem er sich in vielen wichtigen Punkten mit Prof. Von-
dräk nahe berührt, doch nicht alle Beweise des Letzteren einleuchten
wollen. Manches, was für Prof. Vondräk nach seiner Auffassung und
Argumentation als sicher und erwiesen gilt , möchte Prof. Lavrov nur
als eine beachtenswerthe Vermuthung zugeben. Zwischen mir und
Prof. Vondräk ist der Abstand noch viel grösser. Er ist mit meinen
Behauptungen , ich mit seiner Beweisführung wenig einverstanden.
Wenn ich auch gern zugebe, dass mein subjektives Gefühl, weil es
nicht auf genug ausgedehnter Beobachtung beruhte — man kennt ja
auch jetzt noch Klemens nicht vollständig — nicht immer richtig ge-
wesen sein mag, so kann ich doch auch jetzt noch bei sorgfältiger Prü-
fung der vom Verfasser ins Feld gerückten Beweise nicht immer seine
Ueberzeugung teilen. Ich bin eben nicht für die Glaubensseligkeit, die
ihn auszeichnet, so leicht zu haben. Ich schätze ungemein hoch das
Mittel, das er anwendet, durch Parallelen in Gedanken und im sprach-
lichen Ausdruck die geistige Verwandtschaft zu konstatiren, doch haben
diese Parallelen in meinen Augen nicht immer die gleiche Tragweite,
wie in seinen. Seine Operation mit den Nachweisen von Parallelstellen,
sei es in gedanklicher, sei es in sprachlicher Beziehung, so sehr ich sie
verdienstlich bezeichne, scheint mir doch mehr als eine einzige Deutung
zuzulassen. Prof. Vondräk ist nach meiner Ansicht, die ja auch un-
richtig sein kann — das müssen eben andere beurteilen — viel zu
Archiv für slarische Philologie. XXVII. 25
386 V. Jagiö,
schnell mit der Schlussfolgerung zur Hand, dass die von ihm gefundene
Gleichheit des Gedankens oder Ausdrucks auf die Identität des Indivi-
duums zurückzuführen sei, während mir noch zwei andere Möglichkeiten
vorschweben: einmal die des zufälligen Zusammentreffens zweier ver-
schiedener Individuen in einem und demselben oder ähnlichen Gedanken
oder in der Anwendung gleicher Ausdrücke, dann aber auch die der
bewussten Nachahmung oder Entlehnung einzelner Ausdrücke oder
Phrasen. Allerdings ist es nicht so leicht in jedem einzelnen Falle zu
entscheiden, welcher von diesen Möglichkeiten man den Vorzug geben
soll. Das macht auch das Erzielen der Uebereinstimmung unter ver-
schiedenen Forschern so schwierig. Für meine Skepsis gegenüber den
Ergebnissen Vondräk's ist neben anderen Erwägungen namentlich auch
der Umstand ausschlaggebend, dass wir uns da in der allerältesten
Epoche des altkirchenslavischen Schrifttums befinden, wo das Hervor-
treten des Individualismus noch sehr schwach zur Geltung kommen
konnte, wo man sich in ziemlich engem Kreis der Gedanken, Bilder und
Ausdrücke bewegte, wo sich die einzelnen Individuen auch in der lite-
rarischen Production sehr ähnlich waren, wo man daher viel stärkerer
Beweise, als sie durch einzelne Parallelstellen geboten werden, benöthigt,
um mit einiger Sicherheit auf die Identität der bei der geistigen Arbeit
betheiligt gewesenen Person schliessen zu dürfen.
Ich befinde mich im gegebenen Falle in der unangenehmen Lage,
dass ich nicht gegenüber einem einzigen, sondern gegenüber zwei
Specialforschern (Vondräk und Lavrov) einen abweichenden Standpunkt
einnehmen zu müssen glaube — wenigstens in der Frage über den
Verfasser der beiden pannonisehen Legenden. Während näm-
lich Lavrov und jetzt auch Vondräk für beide Legenden einen Verfasser
und zwar Klemens annehmen, sehe ich zunächst von der Person des Ver-
fassers ganz ab und begnüge mich mit der Ueberzeugung, die ich im Ge-
gensatz zu den beiden verehrten Forschern seit längerer Zeit theile, dass
die Vita Cyrilli Jemand andern zum Verfasser hat, als die vita Methodii.
Die Gründe zur Erhärtung dieser Ansicht hole ich freilich nicht aus
der Anwendung der sprachlichen Mittel , die so stark bei Vondräk und
Lavrov in die Wagschale fallen. Mir genügt es in dieser Beziehung zu
behaupten, dass die mit grossem Fleiss gesammelten Parallelstellen
nirgends zwingende Beweise der persönlichen Einheit des Verfassers
liefern. Der ganze Gedankenkreis und Wortvorrath jener ersten Zeit
war nicht sehr gross und individuell entfaltet, er bewegte sich in sehr
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens. 387
engen Dimensionen, so dass auch zwei oder drei verschiedene Personen
sich sowohl in den Gedanken wie in dem sprachlichen Ausdruck fort-
während enge berühren mussten. Diese Verwandschaft ist eben ein
Kriterium der pannonischen Epoche der literarischen Wirksamkeit mit
Hülfe des neuen, erst vor Kurzem für christlich-literarische Zwecke auf-
gekommenen Idioms. In der That kann ich in der Mehrzahl von Paral-
lelen, die von Prof. Vondräk mit grosser Sorgfalt gesammelt sind, nichts
finden, was mich veranlassen könnte, daraus nur auf einen Autor für
beide Legenden zu schliessen , da ja ähnliche Phrasen oder Wieder-
holung einzelner Ausdrücke doch aus der Gleichartigkeit der allgemei-
nen Betrachtungen sich von selbst ergeben. Ein no;i,KHr'k oder
rpOVAT^j CAaKOCTIi und A-SHOCTI*, O^CTHTH, HdCAa^HTH CA
OTTkLl-tTaTH C/Ä, ein SaKHCTAHBklH TpkKAATKIH ;i,HraBOATk
oder CTapkiH Kpar'K ;i,HaBoa'K oder AkCTK ;k,HiaBO/\ra, B-bHkHa»
M^HAHlIJa oder MO\,'Apa M/Ä^*^? KfCnAT^TkHKI/Ä CHAKI, BpIvMtHa
H A'Kra, hat eben so wenig etwas ausschliesslich individuelles in sich,
wie die Wendungen bakohti A'*'^", 3fMAh> ochobath, ckBpk-
lUHTH BkCK> TBapk, OMpaMHTH O^M'k, TfM(HH»€ CKBpKUJHTH
oder CkKOHkHaTH, >K/Jv;i,aTH noKaaHHra oder 0JKH/i,aTH noKaa-
HHI€, JK/Ä^aTH CknaCEHHra, OT'k HECklTH» KT», BklTHI€ npH-
B6CTH, Ha coifAT»^ "T'"> i€peck B-kSABMrHOifTH u. 3. w. Warum
alle diese Ausdrücke oder Phrasen gerade nur von einem Individuum
hätten geschrieben sein müssen, das kann ich nicht einsehen. Wenn
man sich das Verzeichniss aller derartiger Anklänge bei Vondräk näher
ansieht, so bemerkt man auch das, dass in der Mehrzahl der Fälle nicht
die beiden Legenden untereinander, sondern jede von ihnen abgeson-
dert mit irgend einem anderen Texte, der Klemens zugeschrieben wird,
in Zusammenhang gebracht wird, wobei auch solche Texte herangezogen
werden, von denen es noch gar nicht so sicher steht, dass sie Klemens*
geistiges Eigenthum sind. Ich will aus dem ganzen beigebrachten Ma-
terial nur einen Punkt herausgreifen. Prof. Vondräk hebt (S. 80) die
häufige Anwendung des Ausdrucks npaßOB'KpkH'k bei Klemens her-
vor und citirt in der That mehrere Beispiele aus der Vita Methodii, kein
einziges jedoch aus der Vita Cyrilli, da er hier nur KAarOE'KpkHTsk fand.
Er darf aber diesem Unterschied nach seiner Beweisführung kein zu
grosses Gewicht beilegen, er glaubt, dass auch in der ursprünglichen
Redaction der Vita Cyrilli das Compositum npaBOB'bpkH'k habe
stehen können. Ich nehme die Sache nicht so leicht und für die Be-
25*
388 V. Jagic,
hauptung, dass die Vita Cyrilli von Anfang an nur BAaroB'KpbH'k
schrieb (auch in dem Apostolus kommt für evaeßi'jg nur diese Form vor),
kann ich mich auf den glagolitischen Text bei Bercic (Dvie sluzbe, 8.58)
berufen, der sonst viele ältere Ausdrücke, als sie in den üblichen Texten
der Vita Cyrilli vorkommen, bietet, aber an EAarOB'KpaH' fest hält.
Für mich hat also dieser Unterschied zwischen einem mehr dem öst-
lichen (BAaroBpkH'k) und dem anderen mehr dem westlichen (npaßo-
B'KpkH'k) Sprachgebrauch ähnelnden Ausdruck immerhin eine gewisse
Bedeutung. Es gibt auch andere Abweichungen im sprachlichen Aus-
druck zwischen Vita Cyrilli und Vita Methodii, die von Prof. Vondräk
nicht übergangen worden sind (S. 90 — 91). Nur findet er sie nicht
bedeutend genug, um sich dadurch von seiner Annahme, dass Klemens
Autor beider Legenden gewesen, abbringen zu lassen. Ich muss aller-
dings auch meinerseits hinzufügen, dass wenn keine anderen Anzeichen
für die Verschiedenheit der Verfasser vorhanden wären, die sprachliche
Seite allein die Annahme eines einzigen Verfassers in meinen Augen
weder abweisen noch befürworten könnte. Wenn ich dennoch für
zwei verschiedene Verfasser eintreten möchte, so bewegt mich dazu die
von mir stark aus den beiden Legenden herausgefühlte Verschiedenheit
der Stimmung der beiden Legenden ihrer Hauptperson gegenüber, die
Verschiedenheit der Auffassung seiner Aufgabe seitens des Verfassers
in jedem einzelnen Falle und die Verschiedenheit der Ausführung dieser
Aufgabe in ihren Einzelheiten. Der Verfasser der Vita Methodii
war entschieden ein anders gesinnter Mann, als der Ver-
fasser der Vita Cyrilli. Auch die geistige Potenz war bei beiden
Verfassern eine verschiedene.
Man hat nicht umsonst bei der Vita Cyrilli an die Möglichkeit der
griechischen Originalvorlage gedacht. So sehr wurzelt der Verfasser
dieser Legende in der byzantinisch-christlichen Weltanschauung. Für
ihn ist Konstantin ein gelehrter Byzantiner, mit Glaubenseifer und be-
sonderer Neigung zur Missionsthätigkeit, die ja auch Disputationsfähig-
keit voraussetzt, ausgestattet. Von erster Jugend an liebt er Bücher, liest
die Werke des heil. Gregorius, lernt in Konstantinopel die ganze damalige
byzantinische Gelehrsamkeit, doch neigt sein Geist zur Askese. Statt eine
glänzende Karriere im Dienste des Staates zu machen, wird er Priester
und als solcher sollte er Bibliothekar bei der Sophienkirche werden,
doch nach kurzer Zeit flüchtete er in ein Kloster, aus welchem man ihn
kaum herausbekam und überredete, die Professur der Philosophie an-
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens. 389
zunehmen. Hier beginnt gleich seine erste Disputation mit dem ge-
wesenen ikonoklastischen Patriarchen Jannes (Kap. V), es ist Jannes
Synkellos gemeint (837 zum Patriarchen gewählt, 842 ins Kloster ge-
steckt, Muralt I. 426), offenbar fand die Disputation mit ihm erst nach
seiner Absetzung statt. Gleich darauf kommt (Kap. VI) seine Reise und
Disputation bei den Sarazenen an die Reihe. Nach der Rückkehr von
dieser Mission (über die jetzt Lamanskij sehr originelle, aber gewiss un-
annehmbare Kombinationen ausgesprochen hat) lebte er in der Einsam-
keit an einem ungenannten Orte und nachher beim Bruder Method auf
dem Olymp. Die nächste Aufgabe betraf abermals eine Mission in
Glaubenssachen, eine Reise nach Cherson und zu den Chazaren (Kap.
VIII — XII), die den Mittelpunkt der ganzen Legende durch ihre fiber-
mässige Ausführlichkeit bildet. Die Erzählung nämlich von der Reise
zu den Chazaren hat äusserlich grösseren Umfang, als die ganze darauf
(Kap. XIV — XVII) folgende Schilderung von der Ankunft der Gesandt-
schaft Rastislav's in Konstantinopel, von der Abreise Konstantin's nebst
seinem Bruder Method nach Mähren, von seiner dortigen Wirksamkeit,
von seinem Aufenthalt bei Kocel in Pannonien, von seiner Disputation
in Venedig, von seiner Ankunft und seinem Ende in Rom. Der Wirk-
samkeit Konstantin's unter den Slaven (nebst ihrem Abschluss in der
Reise nach Italien, nach Venedig und Rom) ist also kaum ein Drittel des
ganzen Umfangs der Legende gewidmet. Man kann auch nicht sagen,
dass in diesem, den Slaven gewidmeten Theil ein anderer, wärmerer
Ton, als sonst in der ganzen Legende herrsche. Im Gegentheil, jede
nationale Anspielung auf den Namen der Slaven wird möglichst gemie-
den. In dem ganzen XIV. und XV. Kapitel ist nur ein einziges Mal von
der »slovenischen« Schrift die Rede (CAOß-tHkCKW khhpki), inKap.XVI
wird von dem venetianischen Klerus dem Konstantin vorgeworfen, wa-
rum er den Slovenen (cacbühomt»,) Schrift verfasste; nur im vorletzten
Kap. XVII (als Konstantin nach Rom kam) werden KMHPki CAOB'RHk-
CKklie, CAOB'tHkCKKlE OysCHMKRI Und CAOB'bHkCKKlMk l€3KlK0Mb.
erwähnt. Also im ganzen kommt der Ausdruck nur fünfmal in der Le-
gende vor. Auch in diesem slavischen Theil der Legende tritt die be-
sondere Neigung Konstantin's für gelehrte Disputationen stark hervor.
So erzählt in Kap. XV die Legende bedauerlich wenig von der sonstigen
Thätigkeit Konstantin's in Mähren, wohl aber betont sie seinen Wort-
streit mit den Widersachern der slavischen Liturgie und ebenso erzählt
sie von seiner Bekämpfung verschiedener Aberglauben und der laxen
390 V. Jagic,
Auffassung der Heiligkeit der Ehe. Das ganze XVI. Kap. ist wieder der
Disputation Konstantin's mit dem latein. Klerus von Venedig gewidmet.
Und als er schon in Rom war, hören wir (Kap. XVII) abermals von einer
Disputation, die er mit einem Juden hatte. Gewiss ist dieser Grundzug
der Legende wesentlich in der Disposition des Verfassers derselben be-
gründet. Wie ganz anders ist die Vita Methodii beschaffen. In ihr
tritt der nationalslavische Standpunkt merkwürdig stark hervor. In der
Vita Constantini wird nur einmal, im ersten Kapitel, Konstantin als
Lehrer HJKf npocKliTH lesKiKK HdUJk bezeichnet, wobei man nicht
einmal sicher sagen kann, ob sich npocß'tTH i63KiKk Haiuk wirklich
auf die Slaven und nicht vielmehr im allgemeinen auf die Byzantiner
bezieht. Denn diese »unsere Zunge« wird so näher charakterisirt :
»CAaKOCTKK» OMpaMklUE OyiUlk CßOH, naM£ Hie AKCTHIO ;k,HraBC»i\l€IO
HC Y'^'*"^^*^^* ^^ CKivTk KO^KHH saHOB'^AHH Y<2»A"'''Hc(. Diese
Worte sind gewiss keine ganz entsprechende Charakteristik für ein
heidnisches Volk, dagegen ganz zutreffend, wenn man sie auf die da-
malige, von den Ikonoklasten zerfleischte byzantinische Christenheit be-
zieht. Wie ganz anders in der Vita Methodii. Da lesen wir gleich im
II. Kapitel ß'K Hama tvkTA i€3KiKa paAH Hamtro o Hi€Mk»;E
cra H« et hhk'ktoh;« hhkoahjk« nonfKA'K — eine merk-
würdige Gefühlsäusserung, die den Slaven verräth. Wo von einem
hohen Amt Method's in khi<i>kehhi€ caoß-SHkCKO die Rede ist, ver-
weilt der Verfasser länger dabei, und erzählt, das sei geschehen, als ob
der byzant. Kaiser vorausgesehen hätte, KaßO H yoT'feujf oyMHTfAia
CAOB'kHfM'K nOCTvAaTH • • Ji,A RTü HpOOlfMUATi Cid BCKMT». OKTÜ-
MaieMTk CAOß'kHkCK'kIHM'k H OETvIKA'k a HO MAAOy. In Kap. V
spricht Rastislav wieder von den Slaven »a lUliü CACßtHM npocTa
Ma^ka und der byzant. Kaiser hebt ebenfalls ihre Kenntniss der slav.
Sprache ganz im nationalistischen Sinne hervor: CfAOi'HiaHE ßkCH
MHCTO CAOB'kHkCK'Ki EfC'feA^V^'^**- ^^^ Erfindung der Schrift wird
hier bei ihrem wahren Namen als CAOß'tHkCK'Ki khhptiJ bezeichnet.
In dem angeblichen Briefe Hadrians lesen wir wieder, der Papst schicke
denMethod nicht bloss zu Kocel, sondern BkctM'k CTpaHaitn». TUM'k
CAOB'tHkCK'kiiiii'k (nochmals in Kap. XII: Bkcra CACß-fcHkCKTüia
CTpaHTvi); in dem Briefe steht es sogar, dass der Papst a priori jeden
verdammt, der die «khht'KI idSnüKa Baiuero« beschimpfen würde. Im
weiteren Verlauf wird selbst die Erstarkung der weltlichen Macht Mäh-
rens mit dem Wirken Method's im slavischen Sinne (denn seinem Einzug
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens. 391
ging die Vertreibung der deutschen Priester voraus] in Zusammenhang
gebracht (Kap. X). Selbst der byzantinische Kaiser in Konstantinopel
war angeblich den slavischen Büchern wohlwollend gesinnt (Kap. XIII).
So stark hebt sich das slavische Element in der Method-Legende von
dem allgemein christlichen Hintergrund ab. Man kann nicht einwenden,
dass der verschiedene Charakter der behandelten Persönlichkeit diesen
Unterschied der Behandlung hervorgerufen habe, denn die Verschieden-
heit tritt schon in den beiden Legenden gemeinsamen Theilen hervor,
die den Faden der Erzählung bis zum Tode Konstantin's fortführen.
Aber auch sonst ist die Behandlung der Hauptperson in beiden Legen-
den eine ganz verschiedene. Hat etwa Methodius nicht auch zu kämpfen,
nicht auch zu disputiren gehabt? Wie schildert ihn der Verfasser in
dieser Rolle? Das sieht man aus den wenigen Worten Kap. IX, die gar
nicht in dem Tone der Vita Cyrilli geschrieben sind, ja man findet hier
sogar eine gewisse humoristische Seite angeschlagen, die ganz gegen
den Charakter des Verfassers der Vita Cyrilli verstösst (eiserner Berg
und knöcherner Schädel, das Schwitzen Method's wie ein Ofen). Die
ganze Legende Method's ist bekanntlich viel kürzer und präciser gehal-
ten, als jene Konstantin's. Hängt das etwa mit dem Mangel an Material
zusammen ? Durchaus nicht, sondern es ist eben eine ganz anders auf-
gefasste Aufgabe. Daraus erklärt sich auch der gewaltige Unterschied
zwischen der verhältnissmässig kurzen Einleitung zur ausführlichen Vita
Cyrilli und der ausführlichen Schöpfungs- und Entwickelungsgeschichte
der alttestamentlichen Menschheit in der Einleitung zur kurzen Vita Me-
thodii, ein Gegensatz, der die wenigen Anklänge hundertmal aufwiegt.
Dass eine und dieselbe Person so verschieden ihre Aufgabe bei
jeder von beiden Legenden aufgefasst hätte, ist mir durchaus unwahr-
scheinlich. Viel natürlicher liegt wohl die Voraussetzung zweier ver-
schiedener Autoren. Dann kann man sich auch die Abweichungen in
der Darstellung derselben Thatsachen, die zwischen den beiden Legenden
wahrzunehmen sind, leichter erklären. Ich lege kein grosses Gewicht
darauf, dass nach der Vita Cyrilli c. VIII der byz. Kaiser Konstantin,
der im Olymp versteckt lebte, erst suchen lassen musste, um ihn zu den
Chazaren zu schicken, während nach der Vita Methodii c. IV er einfach
um ihn schickte — das kann eventuell auch nur Kürze des Ausdrucks
sein. — Auch die Nichterwähnung der Auffindung der Reliquien des
h. Klemens und der von Konstantin abgefassten und von Method über-
setzten Disputationsschrift, die ja doch, da sie Method anging, in seiner
392 V. Jagiö,
Vita am Platz gewesen wäre — kann man auf Rechnung der Kürze in
der Darstellung setzen. Allein wie reimt sich das zusammen, dass in
der Vita Cyrilli c. XIV Rastislav allein beim Namen genannt wird , in
der Vita Methodii aber c. V Rastislav und Svjatopolk als solche gelten,
die die Bitte nach Konstantinopel ergehen Hessen? Die Einzelheiten
der nach dieser Petition erfolgten Vorgänge in Konstantinopel stimmen
auch nicht ganz überein, doch diese wollen wir mit Stillschweigen über-
gehen. Wichtiger schon ist der Fortgang der Erzählung. Von dem
Aufenthalt der beiden Brüder in Pannonien bei Kocel weiss die Vita
Methodii gar nichts. Soll man auch das durch die Kürze entschuldigen ?
Eben so erzählt sie von ihrem Aufenthalt in Venedig gar nichts. Da-
für aber wird hier der Wortstreit, der nach der Vita Cyrilli in Venedig
statt fand, nach Rom übertragen. Wie kann dieselbe Person solche
Widersprüche aufkommen lassen? Auch seit der Ankunft in Rom
gehen nach der Vita Cyrilli die Ereignisse anders vor sich als nach der
Vita Methodii. Nach der ersten Legende wird ausdrücklich die Mariä-
kirche, Phatne genannt, als diejenige bezeichnet, wo zuerst die slav.
Bücher deponirt wurden, nach der Vita Methodii wurde den Büchern
diese Ehre nur in der Petrikirche zu theil. Davon was Konstantin dem
Bruder sagte, als er von ihm Abschied nahm, namentlich dass er nicht
das Klosterleben im Olymp der neuen Wirksamkeit vorziehen sollte, ist
in der Vita Cyrilli keine Rede. Dort nimmt Konstantin die Mönchskutte
an, empfiehlt im Gebete seine Herde der Obhut Gottes, bittet sie vor
den Angriffen seitens der TpH»€3WMHaia lepeck zu schützen, doch
Method's geschieht keine Erwähnung. Erst nach dem Tode des Bru-
ders tritt Method handelnd auf und auch das nicht im Sinne der Method-
Legende. Er wollte die sterblichen Ueberreste nach der Heimath über-
führen, wodurch stillschweigend auch sein Wunsch, in die Heimath
zurückzukehren, ausgesprochen wird — also das Gegentheil davon,
was Konstantin-Cyrill nach der Method-Legende von ihm wünschte.
Prof. Vondräk glaubt, dass Klemens, als er die Method-Legende
schrieb, seine eigene friihere Arbeit, die Cyrill-Legende, vor Augen
hatte und in dieselbe dann und wann hineinblickte (S. 91). Doch ist
er bereit auch davon abzustehen und zur anderen Ansicht sich zu be-
kehren, nach welcher Klemens seine Werke, also im gegebenen Falle
die Cyrill-Legende, auswendig gewusst und keine Nothwendigkeit hatte
in den Text hineinzublicken. Mir will weder die erste noch die zweite
Kombination einleuchten, nicht bloss darum, weil ich an die Einheit des
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens. 393
Verfassers nicht glauben kann , sondern auch deswegen , weil die Ein-
sichtnahme in die Cyrill-Legende oder Erinnerung doch wenigstens in
denjenigen Bestandtheilen der Method-Legende, die die schon in der
Cyrill-Legende zur Sprache gebrachten Thatsachen zu wiederholen hatten,
eine grössere, vernünftigere Uebereinstimmung hätte zur Folge haben
müssen. Man vergleiche die Angaben über die Abstammung und den
jugendlichen Lebenslauf Konstantins in Vita Cyrilli c. II — IV und die we-
nigen Worte über Method in Vita Methodii c. II, wo von seiner Erziehung
kein Wort gesagt wird, und das betreffs der nkpkij^H (causidici) Gesagte
nicht verständlich ist. Schwerlich hätte Klemens, wenn er nach der Auf-
fassung Vondräks seiner über Konstantin gemachten Mittheilungen auch
nur oberflächlich sich erinnert hätte, aus dem gleichen Anlass über
Method so schreiben können, wohl aber wird uns diese Verschiedenheit
bei der Annahme einer anderen Persönlichkeit ganz verständlich. In
der Vita Cyrilli wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, dass Konstantin
den Bruder Method auf die Missionsreise zu den Chazaren mitnahm,
allein aus einer Episode c. XII wird uns klar, dass Method sein Reise-
begleiter war, und schon in c. X wurde gesagt, dass Method die Dis-
putationen seines Bruders mit den Juden in besonderer Bearbeitung, in
acht Kapitel eingetheilt, übersetzt hatte. Von alle dem will der Ver-
fasser der Vita Methodii nur so viel wissen, dass Method seinem, das
grosse Wort führenden Bruder »als Sklave diente« und ihm nur mit
Gebeten zur Seite stand. Hätte derselbe Verfasser, der sich unter Kon-
stantin's Adresse des Bruders Method erinnerte, nicht auch in der dem
Method selbst gewidmeten Legende etwas mehr von seiner Betheiligung
an der Reise zu den Chazaren gesagt, wenn beide Legenden dem Kopfe
eines Individuums entsprungen wären?
Die vorgebrachten Gründe sind für mich ausreichend , um die von
beiden vorerwähnten Gelehrten vertretene Ansicht nicht anzunehmen.
An die Einheit des Verfassers betreffs beider Legenden glaube ich zu-
nächst noch nicht. Die bisherige, zu Gunsten dieser Ansicht vorgebrachte
Beweisführung konnte mich in der entgegengesetzten Ansicht nicht
schwankend machen. Selbstverständlich ist damit nicht gesagt, dass
nicht wenigstens eine von den beiden Legenden von Klemens ver-
fasst sein könnte. Ob und welche, darauf kann ich nicht eingehen.
Mir scheint es nothwendig, zunächst die Werke Klemens' genau zu ken-
nen, was zur Zeit noch kaum möglich ist, da sehr viele Texte, die man
glaubt ihm zuschreiben zu müssen, noch nicht herausgegeben sind.
394 V. Jagic,
Schon jetzt z. B., so weit ich die mit handschriftlicher Beglaubigung dem
Klemens zugeschriebenen Reden und Lobreden kenne, finde ich die den
beiden Glaubenslehrern gewidmete Lobrede (bei Bodjanskij ^.Temu
1865 II) durch ihr rhetorisches Pathos stark abstechend von den ge-
wöhnlichen Leistungen Klemens', könnte mich auch sehr schwer dazu
entschliessen, einen solchen Auszug aus den beiden Legenden, wie er
hier vorliegt, Klemens selbst zuzuschreiben, der ja doch von allen den
hier erwähnten und nicht erwähnten Ereignissen Zeuge war. Man lobt
ja sonst bei Klemens selbst in seinen Lobreden eine gewisse Schlichtheit
der Darstellung, seine Vorliebe für die Einflechtung belehrender Citate
aus den Evangelien oder Apostolus. Man vergleiche damit die Ueber-
treibungen in der Charakteristik der Frömmigkeit Method's auf S. 3 — 4
Bod., oder die Hervorhebung des von ihnen gebrachten Opfers »np'fe-
CEAkHHKa B'KICTa OTkMECTBa CBOI€rC H npHllJkAblJ^<fV Hd 3EMAI0
ToyjKK>«, oder den bombastischen Vergleich des Bruderpaares mit Moses
und Aaron auf S. 5 Bod. Hätte Klemens wirklich verschmäht die Sprache,
die hier mehrere Male nur raS'KiK'K HOß'K heisst, beim Namen zu nen-
nen? Hätte ihn das rhetorische Pathos so weit hingerissen, dass er beide
Apostel bei den Sarazenen und Chazaren wirken liess? (S. 6 Bod.).
Hätte Klemens in seiner Lobrede übersehen bei der Erwähnung ihrer
Reise nach Rom der Reliquien, die sie nach Rom brachten, zu erwähnen?
Hätte er, als Verfasser der Vita Cyrilli (so glauben Vondräk und Lavrov),
in der Lobrede wirklich von den Wundern, die am Grabe Cyrill's vor
sich gingen, gesprochen? Hätte er es unterlassen zu sagen, dass Papst
Hadrian Method nach Pannonien schickte , während es in der Lobrede
iraPlural lautet: cB/Ai|JktuE TKt . . yf^^o^Hia Ha ap\'HEnHCKC>nkTCBO. .
RoycTHiiJa H Ha CTpaHki caOB'^HkCK'kira? Hätte Klemens, der
nach der Auffassung Vondräk's und Lavrov's die Method-Legende ver-
fasste, wirklich unterlassen der Verfolgungen, denen er in Pannonien
ausgesetzt war, Erwähnung zu thun? Hätte er von seiner aus Rom
direkt nach Mähren erfolgten Ankunft wirklich in dem Tone gesprochen,
als wäre er noch nie daselbst gewesen ? (S. 8 Bod.). Nein, mir geht das
nicht in den Kopf. Da muss ich schon sagen, dass die Lobrede auf
Cyrill allein, die Klemens als den Verfasser führt, einen ganz anderen
Ton zeigt. Keine solche Uebertreibungen , keine Wunder, direkte
Nennung des caoB'KHkCKk i€3kiKk (drei Mal), einmal selbst MOi€MO\'
leSklKOlf-
Ich überlasse diese Bemerkungen dem Urtheil der Mitforscher, sie
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens. 395
mögen dieselben neben ihren Parallelen in die Wagscbale legen und
prüfen, ob sie soviel Gewicht haben, um zunächst die beiden Legenden,
dann aber auch die beiden Lobreden von einander zu trennen.
II.
Hat Bischof Klemens für eine seiner Homilieu den Text
des Freisinger Denkmals vor Augen gehabt?
Diese Frage ist alt. Sie fällt schon in die erste Periode der slavi-
schen Philologie, da noch Männer, wie Dobrovsky, Kopitar, Vostokov,
Koppen, Undolskij das grosse Wort führten. Sie wurde von Vostokov in
seiner Ausgabe der Freisinger Fragmente auf die Tagesordnung gesetzt
(1827). Später, in der nächsten Periode, war sie von Sreznevskij und
Miklosich, dem letzteren zu wiederholten Malen, zur Sprache gebracht.
Die jetzt lebende Generation hat ihr ebenfalls ihre Aufmerksamkeit ge-
schenkt, ja sogar viel eingehender, als es früher der Fall war. Den
Bischof Klemens und seine literarische Wirksamkeit ans Licht zu bringen,
dieses Verdienst gebührt nach den gestörten Versuchen Undolskij 's in
neuerer Zeit Prof. Lavrov. Kritisch sucht in die einzelnen Fragen ein-
zudringen Prof. Vondräk. Der an die Spitze dieser Zeilen gesetzten
Frage trat er nahe schon in seiner Ausgabe der Freisinger Denkmäler
(1896). Doch die damals von ihm gewonneneu Resultate erlitten bei
dem erneuerten tieferen Studium der Werke Klemens', soweit sie ihm
bekannt und zugänglich waren, eine wesentliche Modifikation, die in der
Schrift »Studie z oboru cirkevneslovansk^ho pisemnictvi« (v Praze
1903, auf S. 5 — 22) niedergelegt ist. Ich setze die Geschichte der
ganzen Frage als bekannt voraus. Wer sie in seinem Gedächtniss kurz
rekapituliren will, findet das Wichtigste bei Vondräk gesagt. Wenn ich
mir erlaube, nochmals auf diese Frage zu kommen, veranlasst durch die
vorausgehende kritische Besprechung Lavrov's, so geschieht es darum,
weil ich, vor die Wahl zwischen der früheren und jetzigen Ansicht Prof.
Vondräk's gestellt, offen gestehen muss, dass ich mich von der Richtig-
keit der für seine neueste Ansicht, nach welcher Klemens für seine Ho-
milie auf einen Märtyrer geradezu den Text des erhaltenen Freisinger
Denkmals vor Augen gehabt und benutzt habe, beigebrachten Beweise
nicht habe überzeugen können und noch immer seine frühere Ansicht
vorziehe, die ich jetzt so auffasse, dass bei unverkennbarer Zusammen-
gehörigkeit einzelner (nicht vieler) Stellen der Homilie und des Freisinger
396 V. Jagic,
Denkmals das sie verknüpfende Band in einer dritten Vorlage zu suchen
sei, die wir nicht kennen. Sie kann, muss aber nicht in slavischer
Sprache vorhanden gewesen sein. Prof. Vondräk hat mit grosser Evi-
denz dargethan, dass einige Gedanken, die in der Homilie und dem
Freisinger Denkmal gleichmässig wiederkehren, aus dem Bereich der
Beichtgebete und Beichtformeln geflossen sind. Als solche haben sie
sich besser, d. h. ursprünglicher in dem Freisinger Text erhalten, als in
der freien Benutzung dieses Materials für eine Homilie seitens Klemens'.
Das Freisinger Denkmal liefert uns sozusagen das rohe Material, die
Homilie dagegen stellt die mit einiger Benutzung eines derartigen Ma-
terials zu Stande gekommene literarische Leistung dar. So weit gehen,
glaub' ich, unsere Ansichten parallel miteinander. Doch während ich
noch in der Schrift »Zur Entstehungsgeschichte« (11.54) die Frage über
das gegenseitige Verhältniss zwischen der Homilie und dem Freisinger
Text als »noch nicht endgiltig aufgeklärt« hinstellte, geht jetzt Prof.
Vondräk einen Schritt weiter und sucht den Beweis zu führen, dass
Klemens geradezu das Freisinger Denkmal gekannt und einzelne Ge-
danken aus demselben für seine Homilie verwerthet habe (S. 9). Gegen
diese Beweisführung sind meine unten folgenden Einwendungen und
Bedenken gerichtet. Fangen wir mit dem Freisinger Text an. Ueber
den Zusammenhang einzelner Theile desselben zueinander äussert sich
Prof. Vondräk dahin, dass bis zur Zeile 66 das Ganze eine Einheit bildet
(S. 9), und zwar denkt er sich diese Einheit so vollständig durchgeführt,
dass er nicht nur nichts vermisst, sondern sogar alles, was darüber hinaus
anderswo (also im gegebenen Falle in der Homilie Klemens') vorkommt,
als eine nachträgliche, nicht zur Sache gehörige Erweiterung beurtheilt.
Ja, er geht noch weiter und, die Homilie Klemens' mit dem Massstab
eines Beichtgebetes oder einer Beichtformel beurtheilend, erklärt er sie
für eine schwache Kompilation, in welcher Klemens seine eigenen Ge-
danken mit jenen, die er dem Freisinger Denkmal entnahm, gar nicht
in richtigen, befriedigenden Zusammenhang zu bringen verstand. In
dieser Verurtheilung Klemens' kann ich dem Verfasser dieser kritischen
Studie nicht beistimmen, und nach den Gründen mich umsehend, die ihn
veranlassen konnten, diesen extremen Standpunkt einzunehmen, erkläre
ich mir das dem Klemens zugefügte Unrecht als eine nicht aus der
Sache selbst sich ergebende, sondern durch die unrichtige Voraussetzung
dem Verfasser aufgenöthigte Schlussfolgerung. Das ttqCotov tpevöog^
wenn ich mich so ausdrücken darf, liegt in dem obersten Grundsatz,
I
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens. 397
den Prof. Vondräk aufstellt, indem er die Ziele einer Homilie mit denen
eines Beichtgebetes identificirt, Klemens habe gerade den im Freisinger
Denkmal erhaltenen slavischen Text vor sich gehabt. Dem gegenüber
könnte ich zunächst ganz allgemein fragen, wie soll man diese Behaup-
tung (S. 18) mit den vielen und wesentlichen Abweichungen zwischen
dem Text nach der Redaktion des Freisinger Denkmals und nach der
Homilie in Einklang bringen? Selbst an den wenigen Stellen, wo in
beiden Texten der gleiche Gedanke zum Ausdruck kommt, ist die voll-
ständige Uebereiustimmung so geringfügig, sie fällt gegenüber den Ab-
weichungen so schwach ins Gewicht, dass der Glaube an eine unmittel-
bare Entlehnung überall eher auf Widerspruch stossen als Billigung finden
wird. Ja selbst Prof. Vondräk entschlüpfte einmal (auf S. 13) die Be-
merkung, dass der Freisinger Text an einer bestimmten Stelle (wo es
sich um die Aufzählung der menschlichen Sünden handelt) einst viel-
leicht ausführlicher lautete als jetzt. Offenbar fühlte er gerade an dieser
Stelle (sie ist aber nicht die einzige) den Abstand zwischen den beiden
Texten und die Unmöglichkeit, den einen unmittelbar aus dem anderen
abzuleiten, so stark, dass er durch seine unerweisliche Annahme der
später im Freisinger Text vorgenommenen Auslassungen eine Brücke
zum leichteren Uebergang von dem einen Texte zum anderen schlagen
wollte. Wenn jedoch Bischof Klemens wirklich ein so schwacher Kom-
pilator war, dass er nach der Annahme Vondräk's nicht einmal in be-
friedigender Weise seine eigenen mit den aus einem fertig vorgelegenen
Denkmal entlehnten Gedanken zu verknüpfen verstand, so müssen wir
erstaunt fragen, warum er aus einer ihm vorgelegenen Quelle überhaupt
so wenig entlehnte und auch das angeblich Entlehnte statt es in wört-
licher Wiedergabe zu lassen, durch verschiedene Aenderungen im Aus-
druck, durch Auslassungen oder Zusätze, fast unkenntlich gemacht hat.
Wozu diese doppelte Erschwerung der Aufgabe ? Doch gehen wir zu
Einzelheiten über.
Prof. Vondräk findet gleich an dem Anfang der Homilie Anstoss,
namentlich an gewissen Wendungen, die er als Beweis der schriftstelle-
rischen Minderwerthigkeit Klemens' hinstellt. Ich vermag ihm in dem
Vorwurf gegen die Einleitung der Homilie nicht zu folgen. War es etwa
unstatthaft, einige Gedanken, die Klemens vielleicht aus irgend einem
Beichtgebet oder einer Beichtformel in Erinnerung hatte, bei einer Ho-
milie zu verwerthen? Oder sollen wir alle Zusätze, die vielleicht in
einer seinem Gedächtniss eingeprägten Beichtformel nicht vorkamen,
398 V. Jagic,
die er aber zur weiteren Ausführung seiner Gedanken oder als Aus-
gangspunkt seiner Betrachtungen nöthig hatte, schon darum für verfehlt
ansehen? Sehen wir uns zuerst den Anfang des Freisinger Textes an.
Dieser beginnt eigentlich ohne richtigen Anfang, fällt gleich in medias
res : Hätte Adam nicht gesündigt, so würde ihm ein ewiges Leben, ohne
Kummer, ohne Leid, ohne Tod beschieden gewesen sein. Da er aber
durch den Neid des Teufels aus dem Paradies vertrieben wurde, kamen
über ihn und durch ihn über das ganze Menschengeschlecht Sorgen,
Leiden und Tod. Dieser Gedanke eignete sich allerdings zur Verwen-
dung bei verschiedenen Gebeten und Mahnungen, man muss aber zu-
geben, dass er in dem Freisinger Denkmal ohne jede Einleitung ganz
ex abrupto beginnt und was noch merkwürdiger ist, die darauf folgende
Auseinandersetzung keinen glatten und befriedigenden Zusammenhang
mit dem Vorausgehenden bildet. Denn wir lesen gleich weiter: Und
wieder wollen wir Brüder dessen eingedenk sein, dass wir
Kinder Gottes genannt werden, U.S.W. Was bedeutet hier und wieder?
warum steht erst hier bei dem und wieder die Anrede »Brüder«?
Sieht diese Fortsetzung nicht so aus, als würde diesem zweiten und
wieder ein früheres »Brüder vergessen wir nicht« oder etwas der-
artiges vorausgegangen sein ? So unbefriedigend lautet also der Anfang
und die unmittelbare Fortsetzung davon in dem Freisinger Denkmal.
Ganz anders steht die Sache in der Homilie Klemens'. Er beginnt mit
dem Gedanken, dass Gott immerdar das Heil der Menschen wünsche,
sie in das Himmelreich rufe, indem er ihnen befiehlt, sich von jedem
Makel fernzuhalten, reines Leben zu führen, um des Himmelreiches
theilhaftig zu werden, dessen sie durch die Uebertretung des Gebotes
Gottes verlustig wurden. Dieses Gebot war nämlich Adam dem Urahnen
der Menschen im Paradies auferlegt, damit er Enthaltsamkeit übe.
Hätte er das Gebot befolgt, so würde er ewig leben u. s. w. Allein der
Neid des Teufels verführte ihn zur Unenthaltsamkeit, wofür jetzt das
Menschengeschlecht büssen muss. Ich finde diesen Gedankengang klar
und befriedigend ausgedrückt. Mit den Anfangsworten npHCHO >Kd^ara
cnacEHHid Hamero lässt sich vergleichen der gleiche Anfang der Rede
auf Pfingsten (Stoj. VHI 1): npHCHO w>KH^ai€H Kork cnacfHHra Ha-
luero. Vergl. noch dieselbe Wendung, wenn auch nicht am Anfang:
OJKH^aie Haiufro cnac^Hia (Stoj.XXIL 13) und ctJKH;i,aeTk Hamtro
cnacEHia (Stoj. XXI. 24). Auch die Wendung npH3'Kißai€Tb. htj
Klk B'bHkHOie HCBECHOE i^apkCTBO hat ihre Anklänge bei Klemens:
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens. 399
BivM'Haro i;apkCTRHrd j\^a aoctohnh boya^i^»^ (Stoj. VIII. 74).
Mit anderen Worten ausgedrückt kehrt der Gedanke, dass die Menschen
des Paradieses und paradiesischen Lebens durch Adam verlustig wur-
den, auch sonst wieder. Man vergl. bei Popov (in dem Katalog Chlu-
dov's) 388: paHCKO»€ jkhthh-, h3 HtroJKf Hcna^i» np'k,\'k/k,k Hauik
a^aMk oder Stoj. V. 45 — 47: i€>K« CTKopH npa^'t^A'^ aA^Mh. Bb
paH ji,ßtßAC AP'lißH'^»^ K*^ CH'kAHK» K-RyoMk HcnaAH HC no-
pOAi^- Wer nicht wüsste, dass der zweite Absatz der Einleitung mit
dem Freisinger Denkmal sehr nahe sich berührt , würde nie in Ver-
suchung kommen, zwischen diesen zwei Hälften der Einleitung irgend
ein Missverhältniss zu finden. Selbst wenn bewiesen werden könnte,
dass Klemens den Gedanken von Adam's Sündenfall wirklich gerade
aus dem Freisinger Denkmal entlehnt hat, was ich in Abrede stelle
auch dann müsste man wohl zugeben, dass er diesen aus einer fremden
Quelle geschöpften Gedanken vortrefflich für seine Einleitung zu ver-
werthen und in den richtigen Zusammenhang mit den vorausgeschickten
Worten zu bringen verstand. Worüber sich Prof. Vondrak wundert,
nämlich dass die Zuhörer mit Adam identificirt werden (h3 HfrO/Kf
HcnaAOJCOMTk sanoß'SAk bo^khio npfCTO^nAkLU«), das sollte doch
wohl keinen Anstoss bilden, da ja Adam als npa^'^A'^ des Menschen-
geschlechtes nach der bekannten Erbsünde mit diesem auf gleiche Linie
gestellt wird (S. 10). Ich wenigstens finde darin keine Uebertreibung,
keine den Zuhörern Klemens' zugefügte Beleidigung ! Zumal der Red-
ner gleich darauf die Erklärung anschliesst, dass diese Uebertretung
des Gebotes Gottes seitens des Menschengeschlechtes durch Adam
geschah.
Nun folgt der Absatz, der mit dem Freisinger Denkmal sich be-
rtihrt. Um die Ansicht, dass Klemens gerade aus dem Freisinger Text
seine Darstellung geschöpft, in Bezug auf ihre Wahrscheinlichkeit zu
prüfen, stellen wir die beiden Stellen nebeneinander:
Preis. Text:
Ecce bi detd naf nezegrefil be
vueki gemu be fiti ftarofti ne pri-
gemlioki, nikolige fe petfali ne
imugi, ni flzna telefe imoki, nu u
vueki gemu be fiti. Bonefe za-
vuiztiu bui nepriazninu uvignan
Klem. Hom. :
Üijje KO Bki K» (sc. sanoBliA'»
KOJKHK») C'KYpaHHA'kfsC.aAaM'K),
TO Ell B-RKId l€MOy KTvIAO >KH-
THI€ BfC ntHaAH H K(-CMKpTH,
cTapocTH Hf npHieMawijie hh
CAkSkHa A'^^** (var. T'RAa)
400
V. Jagic,
od fzlauui bofige, po tom na na-
rod zlovuezki ftrazti i petzali
boido ne i moki i bz zredu ze-
mirt.
HMOYHJf. Hl». SdBHCTHK) Ji,ha-
BOAieiO (D/\0\'MH C/Ä iC CAdB'KI
BOKHtd HfB'K3At^P^<^HHI<l ^-fe-
Ara, (D TOA'k Hdna^OLua ha
P'^A'^ MAOßtMkCKTvlH H nEHdAH
H CTpdCTH H CMkpTIi, HptMH-
HOyiOLpd JKHTHI€ HAOßtHkCKO.
Ein gedanklicher Zusammenhang zwischen diesen zwei Texten ist
unverkennbar. Allein schon ein schnelles, unmittelbares Durchlesen
nacheinander der beiden Parallelen erzeugt den Eindruck nicht einer
unmittelbaren Entlehnung, sondern eher einer Anlehnung an irgend eine
dritte Vorlage. Im Wortlaut decken sich eigentlich nur zwei Phrasen.
Zuerst CTdpocTH H( npHi€MANM{je und starosti ne prijemljoci. Ist
aber diese Phrase in der Wahl der Ausdrücke so eigenthümlich, dass
sie nicht in zwei verschiedenen Texten, die denselben Gedanken, nach
irgend einer dritten Vorlage, wiederzugeben hatten, unabhängig von-
einander hätte entstehen können ? Muss die Phrase Klemens' gerade
aus dem Freisinger Denkmal geschöpft sein? Was kann es doch ein-
facheres geben, als das Verbum npHi€MAKR mit einem Objekt dazu, im
gegebenen Falle CTapocTK? Ich fand zur Probe in dem Codex su-
prasliensis neben verschiedenen anderen bei diesem Verbum noch fol-
gende Objekte: CAOyjKkKÄ^ (192.210), CATümaHHie (206), CpkBAHHie
(217), CkHTi. (201), TH'tß'K (303), Hap;f^rdHkra (445), A'^caJKA«""'^
(185), hhujtct;?» (251), ocrpocTk (383) u. s. w. Klemens spricht an
einer Stelle von Adam, dass er HCTA'feHHie npHi€Th. (Stoj. V, 25).
Wenn Prof. Vondräk den formalen Unterschied zwischen der Phrase
der Homilie (auf-to^Jt) und des Freisinger Textes (auf -ki = ci) auf
das Substantiv >Khthi€ (angeblich störend statt des Infinitivs JKHTh)
zurückführt, so möchte ich das nicht so erklären. Ich glaube, dass für
die Wahl der Participialform auf -ipi die Form des vorausgehenden
Wortes, ob HxHTh oder h;hthi€, ziemlich belanglos war; denn für die
absolut stehende Participialform npHi€MAi<M|ie (die sich nicht auf >KH-
THie, sondern auf Adam bezieht) war ausschlaggebend der Dativ leiuoy
des logischen Subjektes im vorausgehenden Satz. Die Anwendung des
absoluten Particips auf -i|J« in derartigen Fällen ist bekannt. Vergl.
Miklosich Syntax S. 829. Dagegen möchte Vondräk selbst die Freisinger
Form auf -ki (= ci) dem kroatischen Einfluss zuschreiben (S. 59), also
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens. 401
mit anderen Worten er gibt zu, dass die Vorlage Klemens' nicht gerade
so gelautet haben muss, wie wir es im Text des Freisinger Denkmals
lesen. Nun kommt allerdings in diesem Zusammenhang noch eine zweite
Phrase vor, die in beiden Texten gleichlautend ist. Das sind die Worte
»ni slzna telese imoci« und hh C/\K3i%Ha TlvAa (vi. A'^Aa) HMOifqiE.
Hier ist die Zufälligkeit der Uebereinstimmung nicht so gross, wie im
vorerwähnten Falle. Die Phrase ist nicht so nahe liegend, dass man nicht
geneigt sein könnte, sie aus einer einzigen slavischen Quelle abzuleiten.
Das gebe ich gerne zu. Und doch ist auch hier die Möglichkeit nicht
ausgeschlossen, dass für die beiden uns vorliegenden Texte eine dritte
Vorlage, sei es in der slavischen Sprache, sei es in fremder Fassung,
die Grundlage bildete. Denn wollte man gerade vom Freisinger Text
als der unmittelbaren Vorlage ausgehen, so entsteht wieder die Frage,
warum Klemens einen anderen, zwischen den beiden erwähnten stehen-
den Participialsatz ausgelassen hat und dafür als Zusatz zu JKHTHie
die Bestimmungen Kfc HfMaAH und Ef-cMpkTH geschrieben. Und wenn
jene beiden Anklänge an das Freisinger Denkmal wirklich direkt aus
demselben in seiner slavischen, uns vorliegenden Form geschöpft wären,
wozu hätte Klemens nöthig gehabt, im weiteren Verlauf der Erzählung
eine Reihe von Phrasen ganz anders auszudrücken, als er sie in seiner
Vorlage fand? Im Freisinger Text lesen wir: j)poneze zavistiju by
(richtiger wäre byst, ist nicht die Form by für K'KICT'K auch kroatischer
Einfliiss?) neprijazninu vygnauff. In der Homilie lautet derselbe Ge-
danke anders: Hl». saßHCTHK» A'^'^ß^^A'^io (üaoyHH C/ä. Selbst wenn
wir annehmen, dass das Adjektiv ^kraßOAieK» durch spätere Aende-
rung den Ausdruck HenpHiaSHHHOKt ersetzt hat, immerhin bleibt das
Verbum CDaoyMH CA ohne Vorbild des Freisinger Textes, weil ßu-
PHaHT». leicht durch HsrHaH'k ersetzt werden konnte. Klemens ge-
braucht dieses Verbum öfters, z. B. Stoj. XXIII. 35: js^A hhktojkc lü
HACh HSPHaHk ßO^A^TK Mp'kTora. Für die ganze von Klemens an-
gewendete Phrase gibt uns Cod. suprasl. eine ganz gleich lautende Pa-
rallele (supr. 139. 15): apHH ßO H ßT». h'kih'Sujkhhh h ßi». ß;^^'^"
UJTHH ß'feK'K Ji,A ß;ixA<T'k OT'KA;^HfH'k OTTi CAaßTÜ ßOH^H/Ä. Wie
diese Stelle es nicht nöthig hatte, aus dem Freisinger Denkmal entlehnt
zu werden, so konnte offenbar auch Klemens seine Phrase gebrauchen,
ohne direkt aus dem Freisinger Text zu schöpfen, um dann erst zu än-
dern! Weiter lesen wir im Freisinger Denkmal: »po tom na rod (ich
halte na narod nur für eine Verschreibung) clovecki strasti i pecali
Archiv für slayische Philologie. XXVII. . 26
402 V. Jagic,
poidoc. Die Phrase lautet bei Klemens schöner: ot'K roAt Hana-
;i,ciUA Ha po^T^ MAOB'feHbCK'KiH RfMaAM H CTpacTH. Für diese
Ausdrucksweise lag schon im N.T. vor: h CTpax"K Hana^E Ha-Hk
(Luk. 1. 12) oder Hana^t ha-hk ci'JKacK (Act. X. 10), Hana^c Ha-HK
TkMa (Act. XIII. 11) oder im Psalter: h noHOUiCHHra Hana;i,;f; Ha
M«Ä (Ps.LXVUI. 10). Das weiter folgende will schon gar nicht zueinan-
der stimmen. Denn im Freisinger Text steht: »ne i moki i bz zredu
zemirt«, das man seit Vostokov's Einfall »i nemoci i bez redu (oder be-
credu) s'Lmrtt« zu lesen pflegt. Klemens gibt dagegen folgenden Wort-
laut: »H CklUipkTh. nptlUlHHOV'KMpa JKHTHie HAOB'kHkCKO « (für Hßt-
lUiHHOYHMjJa findet man in anderen Texten: np'bM'tHraK>i4JH, offenbar
ist np'tMHH0\fK^4JH zu lesen). Prof. Vondräk wird vielleicht sagen,
Klemens habe den Freisinger Text nicht verstanden und durch etwas
aus eigenem hinzugedachtes ersetzt. Es ist aber anzunehmen, dass seine
Vorlage doch nicht so unverständlich war, wie der uns erhaltene Text
— Prof. Vondräk gibt ja selbst an einer Stelle für den Freisinger Text
Auslassungen zu — , folglich bleibt viel wahrscheinlicher die Annahme,
dass Klemens auch hier irgend eine dritte Quelle vorgeschwebt hat, die
er aus seiner Vertrautheit mit allerlei Texten (der Bibel und anderer
belehrenden Werke) kannte. Um auch über den Wortlaut des Freisinger
Textes einiges zu sagen, will ich bemerken, dass mich die auch von
Prof. Vondräk angenommene Lesart «strasti i pecali i nemoci i bez redu
stmrtbcc nicht befriedigt. Ich will dahingestellt sein lassen, ob nach
»strasti i pecali(f (bei Klemens besser nfMaaH = seelische Leiden,
H CTpaCTH = körperliche Leiden) auch noch »i nemoci« am Platze ist
(HCMOLpk bedeutet uoS-eveia, im Gegensatz zu CH/\a, vergl. Kor.i XV.
43: ckieTK C/Ä bt». hcmc>l|jh, B'kCTaieTk b'k chaov;). Allein was
soll »bez redu« oder »be-credu« s^mrLtb besagen? Ich glaube, man
erwartet vielmehr, dass nach allen anderen Leiden «an der Reihe« oder
»in der Reihe« der Tod erfolgen soll. Darum möchte ich in »bzzredu«
eher einen Akkusativ »v credu(f in der Bedeutung -/.ad-e^i^g vermuthen.
Noch etwas über einige von diesen Phrasen. Ob CAkBiiHa T'Kaa
oder CAKSkHa A?^'^** für ^as ursprüngliche zu halten sei, darüber kön-
nen die Ansichten auseinandergehen, nur so viel steht fest, dass nur
eine Lesart richtig sein kann. Ich hatte anfänglich der Lesart CAkSiiHa
yk.'kAa den Vorzug eingeräumt, weil in dem ältesten cyrillischen Text
(vor 1200) so zu lesen ist. Für die Wendung mit A'^'^*^ schwebten mir
solche Beispiele vor, wie Rom. XIII. 12: A**^'^^ TbIUltkHara {ra e^ya
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens. 403
Tov G'KÖTOvg) oder Gal. V. 19: ^tAa nAivTkCKara [ra tqya rfjg oaq-
y.ög). Allein in einem dem Klemens zugeschriebenen Text (Hsb. IX. 3.
S. 21S) finde ich eine Parallele, die mir für die Phrase CAkSkHa T-kaa
(resp.T'SAfCf) zu sprechen scheint : Cü TOA'k BKiCTk t1vA0 cf Haiuf
CATskSHO H crapocTH iiOßHHiiHO. Es ist auch hier gerade von dem
Sündenfall des ersten Menschen die Rede. Man sieht, dass Klemens die
Phrase geläufig war, ohne gerade in einen Text als Vorlage Einblick
thun zu müssen. Für das Adjektiv CAkSi^H'k haben wir noch eine Pa-
rallele im Psalm LXXIX. 6 : HaTpoK«iiJH hij Y^iliKa CAhSkHa, vergl.
auch Supr. 209: CAkSlkH'KiH A'^P'^- — Die Zusätze in der Homilie
Kfc nfMaAH H Ke-CkiuipkTH zu dem Substantiv jkhthi€ — die in dem
Freisinger Text nicht vorkommen — enthalten richtige Gradation und
erinnern an solche Stellen des N. T. wie: npHCKp'KEkHa iCT\s. ^oyiua
MO-k x»^ C'KMpi^TH (Matth. XXVI. 38, Mark. XIV. 34) oder Kor.2 VII.
10: c«ro lUiHpa nenaAi^ CkMpkTk c'k;i,'SKai€Tk, oder im A.T. Sirach
XXXVIII. 18: OTTv RfMaAH KO CkMpkTk KTüBaiCTk (vergl. auch
Jon. IV. 9). — Der Gedanke, dass durch den Neid des Teufels der Tod
über das Menschengeschlecht kam, steht schon in der Weisheit Salomos,
wo man IL 24 liest: saßHCTHK« :k£ ;i,HraßOAnc» CKMpkTk bii.hhac
B'k MHpTi. Klemens spricht ihn zu wiederholten Malen aus. Il3B. IX.
3. 217 liest man vom Teufel, dass er Adam »CTBOpH npecTC»\'nHHKa
3aBHCTHic»(f. — Endlich will ich noch auf ein Zeugniss vernünftiger
Selbständigkeit Klemens' seinen wirklichen oder angeblichen Vorlagen
gegenüber hinweisen. Nach seiner Darstellung war Adam im Paradies
die eyKQärEia (B'kSApkJKaHHie) anbefohlen worden — das Freisinger
Denkmal erzählt nichts davon. — Bei der Erwähnung der Folgen des
Sündenfalls wird ganz folgerichtig als das Gegentheil von dem voraus-
gegangenen Gebot die a/.Qaoia (HfB'K3APi^>KaHHi€) hervorgehoben.
Das Wort BT^s^pi^^KaHHie und das Verbum B'kSAP'^JKaTH CA be-
gegnet bei Klemens recht oft.
So sieht der angeblich direkt aus dem Freisinger Denkmal ent-
lehnte Absatz der Homilie aus. Man wird doch zugeben müssen, dass
die Summe der Abweichungen die wenigen üebereinstimmungen stark
überwiegt.
Nun folgt aber in der Homilie Klemens' eine, wie ich glaube, gut
angeknüpfte Fortsetzung. Sie besagt, dass heilige und gerechte Männer,
mit dem Schilde des heiligen Glaubens den Feind bekämpfend und
niederringend, zurück in das Paradies, d. h. Himmelreich, einzutreten
26*
404 V. Jagic,
bestrebt sind und auch wirklich eintreten, ausgerüstet mit guten Werken,
die hiesige trügerische Welt, die wie ein Schatten vorübergeht, als etwas
nichtswerthes ansehend. So mögen denn auch die vorausgesetzten Zu-
hörer der Homilie Klemens' thun, entsagend den Gelüsten des Lebens,
wie sie es vor vielen Zeugen bei der durch die Taufe erfolgten Wieder-
geburt gelobt hatten. Diese ganze Reihe von Gedanken stellte Klemens
aus seiner Vertrautheit mit der heil. Schrift und der Lehre Christi zu-
sammen. Irgend welche Schwierigkeit bei der Verknüpfung derselben
lässt er uns nicht merken, trotzdem er in seinem angeblichen Vorbilde,
dem Freisinger Denkmal, keine Stütze mehr dafür hatte. Eine kurze
Analyse dieser Gedanken wird uns zeigen, dass er selbst manches davon
auch anderswo ausgesprochen oder in der heil. Schrift die Ausdrucks-
weise fertig vorfand. Dass die heiligen und gerechten Männer sich nach
dem früheren Ort, dem Paradies, d. h. dem Himmelreich, zurücksehnen
(TOro M'RcTt> ^KfAaKMjif steht in der Homilie), das entspricht ganz
dem bei Klemens wiederholt ausgesprochenen Gedanken, dass die Men-
schen durch Christus »bk npbBOie M'Kcto« zurückgebracht wurden
(Stoj. n. 65, XXIV. 62), Der Phrase > Kp-knKO np-knoracaHa sp-kCAa
CBOra« liegt natürlich der Evangelientext (Luk. XII. 35) zugrunde:
k;i^^;^ Mp-SC/va Baiua np^bnc^racaHa. Klemens bedient sich auch sonst
des Bildes, z.B. Stoj.III. 14: luioyjK'cKH nplinoracaB'iiJf Mp-fecaa cBcra
BTiSAP^^^VMHieyk. Unrichtig ist die Lesart der Texte: H cpaHk
npHHM'Kiuf cB/äto\'K» Blipov'. Nicht von cpaHk ist hier die Rede,
sondern von ifiMTik oder cpivHra. Auch dieses Bild war ihm aus der
heil. Schrift bekannt: Ephes. VI. 16: npHHM'KiUE ipHTT». B'Kp'Ki und
noch näher Thess.^ V. S: OKA'KK'KiiJe CA Biv Bp'KHbA Blipiü. Eine
Paraphrase davon gebraucht er selbst in der Lobrede auf 40 Märtyrer
(Il3B. IIL 1106): BT». BpkHb lUHiCTO lVB/\kKbUJ£ Ci B-fepOK» H B'k
ijJHTa lUl'ScTO npkCTOlUk. Die späteren Texte, an dem Worte cpaHk
festhaltend, entfernten denAccusativ CB/JVTC>yic> Btipoi', weil er störend
war. Zu der Phrase A'^^^'W A'^KpT^M'^'M O^Kpauikiue C/SV kann man
aus Klemens selbst, der ja fortwährend auf guten Werken besteht, viele
Parallelen citiren, z. B. Stoj. XVn. 29: ß-fepOK» h aWKOBiK» hhctok»
H HEsaBHCTHOio ^'^'^•^ ^OBpkiMH o^Kpaiukiuf C(, bei Popov in
MaTep. XX. 73: A*^KpoA'kT6/\kMH o^KpaiUkiUE CA, Popov im Ka-
talog Chludov's 392 : A<^^P<^MH ^-Raki o^fKpamaKMpe ce. Das trü-
gerische Leben wird auch sonst bei Klemens »;hthi€ AkCTkHOie ge-
nannt, z. B. bei Stojan. XXIV. 108 : /Khthi€ c( akCTHOc Rptsptme.
i
I
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens. 405
Und für das Verbum h( akcthm'K ctKli gibt er uns eine Parallele Stoj.
XXII. 103: Hf AüHHTf C( Kparif h h« AkCTtTf C(. Der Vergleich
des Lebens mit dem Schatten liegt so nahe, dass es nicht nothwendig
erscheint, an Paralipomena XXIX. 15 zu erinnern: Ai*M"i€ HaiUH raKO
ctHk 3fM/\H. Für die Wendung H( E.'K;L,&HU'h. C/ä nox^OTKM'K lag
schon im N.T. vor Act. XXVII. 15: CkA^^ßT^UJ« C/ä KA-KHaMTi, und
Klemens selbst sagt einmal: MplißKHHM' et AdKOluikCTBCMk BK/^ack
(Stoj. III. 205). Die no^'OTH na'k.TkCK'KiWi werden schon im N.T.
angeführt, Klemens gebraucht den Ausdruck häufig, so bei Popov
(Chlud. Katalog) : nakTkCKkiMyk no^OT-KH, Stoj.XXI. 19: no\-OTkMH
rp-fiYOBHkiHMH. Bei den Worten: hh;« ko m;hthk> cfMO\f K'kA'^C'^'*
C/Ä, TO Bpar'K BOJKHH BTdBaieTk konnte Klemens sich einer Stelle
aus dem Briefe des Apostels Jakob erinnern (IV. 4): H/KC BO anie H3-
BOAHTk ApOVri». CBUTOY CflUlOy BTÜTH, Bpar'K BOJKHH B'KlBatTk.
Bei der Substantivirung des Abstraktums HaroYß<» zum konkreten na-
rOYBkHHK'K ;i,oyiiiH cboi€H erinnert man sich unwillkürlich der Vor-
liebe Klemens' für solche Wendungen, wo konkrete Substantive in
grosser Zahl angewendet werden. Vergl. Stoj. I. 181 — 188, wo es von
Lazarus heisst: rop^KkiH nocpaM'HHKk, CAaAi«^>^i^H BkSAWBAfHk-
HHKk, npkBkiH npooBpaskHHKk, aHr«AOiuik npHMfCTkHHKk, rop'-
KkiH OBAHHkHHKk. Oder bei Popov (Chlud. Katal. 388): MoyHHTeAk,
BklCraBHTfAk, paSAP'KlUHTtAk, KOraTHTfAk, npOCß'KTHTfAk,
KptHHTfAk! Auch die Wendung Hi^ B'kcnpAHlvM'k noH-fe (CciA-k
ist bei Klemens sehr beliebt, man vergl. Stoj. III. 241: Hk nOHt \ß
csAt BkcnpeH-feT«, HsB. IX. 3.225: ho noHt (CcfAH BOCnpAHfM'K,
stoj. XIII. 52: His. BTicnpfHeiuik raKO CC C'KHA. In gleicher Weise
liefert er selbst zu dem Satz: He AHiuaHHii. ca caiuioyothio Hm3-
/i.pEHCHkH'Kiid CAaBTvi EC»*/KH/Ä folgende naheliegende Parallele Stoj.
IIL 239: camoYOTHM» AHiuaie ce iuihaocth bo>khi€. Ein Lieblings-
wort Klemens' ist das Adjektiv HfHSApe^fHkH'K (im N.T. wendet man
HtHsrAaroAaHT», an). Von der y\(H3j\,ße^(HhHAa caaba spricht er
nicht bloss in dieser Homilie, sondern auch in der Lobrede auf 40 Mär-
tyrer (Il3B. III. 1107): B'kHku.k HEH3p£HfHHkie CAABki, oderllsB.IX.
3. 224: CTk caaBOK» HEH3peMEHH0K>, Popov Maxep. XX. 73: HfH3pf-
HtHntLH caabU. Es kommen aber ausserdem Hm3pfMfHHara ßA-
AOCTk, TaHHa, HfH3pfMfHHkIH 0\f7K.i\Clx, TßimTls., H(H3Ji,ß(^(lHi0i
BH;i,'kHHi€, BpaiuHO, HfH3peHfHHkiH CB'KT'k U.S.W, vor. Selbst für
das nicht häufige Verbum B'kCT/fvrH;f;TH CA (hti BTiCTArHOVi|Jf ca
406 V. Jagic,
in unserer Homilie) liefert Klemens selbst eine Parallele: Stoj. IV. 95:
Hk noHt: CD cfA'S BkCTerH'ty^ ce CC 3/\a. Für np'kAh.cTH MHpa
cero sagt er anderswo (Lavr.-Ünd. 13) npjAiiCTH /^.HraBOAhfv.
Nach dieser längeren Auseinandersetzung, in welcher er sich ganz
in seinem beliebten Gedankenkreise bewegte, folgt abermals ein Absatz,
der mit dem Freisinger Denkmal Berührungspunkte zeigt, ohne sich je-
doch so nahe an den Wortlaut desselben anzulehnen, dass nicht selbst
Prof. Vondräk seine Bedenken gegen die unmittelbare Entlehnung des
Textes der Homilie aus dem Text des Freisinger Denkmals haben
mtisste. Die Worte OTpHU,aw C/ä cotohtü h rkcIvY'k A'^'^'^ »^ro
kommen überhaupt erst in einem anderen Fragment des Freisinger
Denkmals, und zwar in anders lautender Form vor, während das von Kle-
mens angewandte Verbum c>TpHU,aK» CA schon im N. T. seine Vorbilder
hat: Luc. XIV. 33: hjk« he OT'KpjHET'k CA Kbcero cBOfro hm'K-
HHia, U.S.W. Es entspricht ganz der Redseligkeit Klemens", dass er, so-
bald einmal die Werke Satans im allgemeinen berührt wurden, auf die
Aufzählung derselben näher eingeht. Wichtig ist dabei nicht so sehr
die grössere Anzahl der Ausdrücke in der Homilie, als in dem Freisinger
Text, als vielmehr ihre ganz im Sinne der griechischen Wortbildung
gebildete Form, durch die uns Klemens so recht anschaulich als ein
griechisches Geisteskind, als ein in dem Rahmen der griechischen rhe-
torischen und stilistischen Regeln stehender Schriftsteller entgegentritt.
Für seinen Ausdruck H^.CAOH^p'KTBHra schwebte ihm aus dem N. T.
H^i^OAOJKp'KTBbHT». odcr H^CAO/KkpbU,k vor. Für EparoHmaBH-
;\'SHHra lag als Vorbild EpaTOAK>KHi€ sehr nahe, das im N. T. öfters
begegnet und zwar in den ältesten Texten gerade in dieser Form, die
erst später dann und wann durch RpaTOAWBkCTBHie ersetzt wurde.
Aus der gleichen griechischen Rüstkammer ging auch rH'KBo;k,pkH;a-
HHi€ hervor, wozu in Antioch's Pandekten eine Parallele mit der grie-
chischen Vorlage }.ivi]OLy.cr/.la, eine zweite in der Form rH'KBO;k,p'KJKHl€
für dasselbe griechische Originalwort von Amphilochius beigebracht
worden ist. Für ;k,'KTOrov'KHi€ gibt uns Klemens selbst Stoj. IX. 130
einen Beleg in der Form ;i,lJToroYKAfHHra, und für cpaMOCAOBHie
[alGXQoloyia] liegt eine nahe Parallele in Koloss. III. S vor, wo neben
TH'feB'K, rapocTk, 3A0Ea, ^^V'^'^"'^'^ ^^^^ cpaMOCACBHi€ begegnet.
Bei KAATBonp-ScTOV'nAfHHie lag das Substantiv KAATBonp'fe-
CT;RnkHHK'k Timoth.i I. 10 vor; wenn das letzte Wort für L-tioQ/.og
gut war, so war auch das erste ganz brauchbar für emoQy.ia. Warum
I
I
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens. 407
das unrichtige Uebersetzung sein soll (Vondräk 11/12), vermag ich nicht
einzusehen. Unter der Aufzählung der Sünden (als der Werke des
Teufels) findet Vondräk am meisten auffallend (nejvice je näpadne) den
Ausdruck n/\T».TH OYroJK;i,eHHi€, natürlich darum, weil daneben im
Freisinger Text »pulti ugongenige« vorkommt. War es aber wirklich
nothwendig, um diesen Ausdruck zu gewinnen, gerade direkt den Frei-
singer Text zu benutzen ? Konnte Klemens nicht eben so gut ha^kth
OYro;i,Hta aus Rom. XIII. 14 im Gedächtniss haben? Er spricht (Stoj.
XXII. 103) von TlJ/\ecHaa OYrc>;i,ia, er kennt daneben auch den Aus-
druck o\fro:K^eHHi€. Nach welcher Logik hätte er also gerade diesen
Ausdiuck aus dem Freisinger Text herholen sollen, während er es bei
so vielen anderen nicht gethan ? Klemens liebte in den Predigten seinen
Zuhörern den Spiegel der Sünden vorzuhalten. Daher wiederholen sich
mehrere von den hier angehäuften Ausdrücken in verschiedenen an-
deren Texten, die mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit Klemens
zugeschrieben werden. Z. B. Lavr.-ünd. 30: cc HAOB'kK'k KAfBeTOK»
MA CkTA/KA, SdKHCTHK» C'kBkpa, AH)fBOKt H 0BH;1,'SHH»€I11K CTv-
T/ÄH;a, Stoj. IX, 129: AK)BO;i,'kldHHra paSKCHHIU TaTBKl KASBeTW
H KCpfHHia ;i,UTOrOyEAfHHta RHiaHbCTBa AHYOHMaHHra, ib. XII.
14: paSBCfMk H KAEB£TaMH TaXBOK" H GAO^A'^^"'^? ib. VIII. 59:
SAOBoy iCBpbkr'me CC ceBt saBHCTk kacbetki h cToy'A'^'A'^'^""'^?
ib. XXIV. 33: (D KA«BeTKi h babhcth h rH'feBa, ib. 43 fi".: bt».
cBap'fe- KAO\'A'^--^'i^>*^'*-- i^^^^KfT'K •• niaH'cTB'S, ib. 106: rH'kBk
H rapocTk. IIsB. IX. 3. 224: Yi^^^^""^i^ii>^? Ab/KaMH KAeßeraMH
pasBOH, Stoj. XXI. 15: b-k ak)BOA^<^hhh h np'feAK>BC>A'K'»HTH, ib.
76: BpaiKA^, KOTOpS, 3aBHCTk. Dass das N.T. reiches Material
lieferte, zeigen solche Stellen wie die aus Koloss. III. 8 schon oben an-
geführte (für rapocTk, Y^V'^*""*^ ^^^ cpaMOCAOBHie), oder für bat».-
ujBEHHie Act. XIX. 19, für KAO^'^KACHHie Thess. II. 3, für rp'KA^'CTk
Act. XXV. 23.
Klemens sagt weiter, wenn man diesen bösen Werken entsagt und
den Tugenden nachgeht dabei das Citat aus Psalm. XXX. 14: o^kaohh
C/Ä OT'K STkAa H C'KTBOpH A<>Kpo), SO werde man leicht wieder in
das Paradies kommen (oyA*^^''»^ naKTü BT^HHAem». bt»^ roy^Kf no-
pOA^Y)- I^ieser Gedanke, nämlich dass gute Werke in das Paradies
führen, findet sich bei ihm ausgesprochen Stoj. IX. 120: noKaraHHie
i€CTK noyTk BkBOAfH Bk nopoAC>V, ib. 135: noHA'^Mk no ro^th
rocnoAHK» BfAfi|J«?MOY Hki Bk nopoAOY. Da begegnet wieder ein
408 V. Jagic,
Satz, der an das Freisinger Fragment erinnert und natürlich von Prof.
Vondräk im Sinne seiner Hypothese verwerthet wird. Wir lesen nämlich :
hmhh;e Ha C/A rH'SBa KOJKHia npHBAdHHM'K, und im Freisinger
Text steht es: nizce tel del mirze ne pred bofima ozima. Nach Prof.
Vondräk soll diese Stelle das wichtigste Kennzeichen der Priorität des
Freisinger Denkmals enthalten (S. 13). Ich habe selbstverständlich
gegen die Priorität nichts einzuwenden, wohl aber gegen die Annahme,
dass Klemeus seinen Satz gerade aus dem Freisinger Text geschöpft
haben soll. Klemens sagt: wenn wir nun diesen bösen Werken (die
er eben sehr ausführlich aufgezählt hatte) entsagen und uns gegen sie
mit guten Werken ausrüsten, so kommen wir leicht wieder ins Paradies.
Was ist denn hässlicher als solche Werke seitens der Menschen, mit
denen sie den Zorn Gottes auf sich ziehen. Darum wollen wir das un-
serem Herrn Gott gegebene Gelöbniss erfüllen, um in das Himmelreich
zu gelangen, wie es der heilige Märtyrer N. gethan. Dieser Zusammen-
hang, bei dem man die bekannte Neigung Klemens' zu kleinen Wieder-
holungen nicht übersehen darf, lässt sich ganz gut hören. Prof. Von-
dräk scheint vor allem an dem Komparativ Mhp'KSH'kie Anstoss zu
nehmen, weil zur erwarteten Gradation (im Komparativ) kein Positiv
desselben Ausdrucks vorausgehe, wie das im Freisinger Denkmal der
Fall sei, wo weiter oben jene Werke Satans mit dem Adjektiv lAßh-
S'kK'k bezeichnet werden. Das ist allerdings richtig, der Positiv Mßh-
S'KK'K ist nicht da, doch er ist ja durch das Adjektiv st^at^ vertreten.
Wir lesen ja unmittelbar vor dem Komparativ IUI kpT»,3H 'feie die Bezeich-
nung J\,A Al\l( WCTAHfMT». CA CÜ CfAli 3A'lvl\"K T'^^'*»^ A'^'^'^ (vergl.
bei Klemens XXI. 35: oCTdHfM' C« SAWHYI^ ^^X^ A'^Ab), die voll-
ständig genügt, um den Positiv lupkS'kK'K zu ersetzen, üebrigens ge-
braucht Klemens anderswo, ohne an die Freisinger Vorlage zu denken,
gerade von den Listanschlägen des Teufels das Adjektiv MpbS'KK'K.
Wir lesen Zan. IX. 3. 218: akti^mh lUipkCKdMH K03h ca HapHMd-
WHJf (vergl. id. ib. 229). Ich kann also auch an dieser Stelle für die
direkte Entlehnung aus dem Freisinger Denkmal bei einem so allgemein
lautenden Satz mich nicht entschliessen. Den Text des Freisinger
Denkmals lese ich, um auch das noch zu erwähnen, anders als es Prof.
Vondräk auch jetzt noch thut, der die Transskription so vornimmt: nie
ze tech del mirzneje pred bozima ocima, also aus mirzene korrigirt er
mirzneje, als Komparativ von einem sonst nicht in dieser Bedeutung
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens. 409
belegten Adjektiv MpkSkH'K. Das glaube ich nun nicht. Nachdem
derselbe Text mehrere Zeilen vorher den Positiv in der deutlich ge-
schriebenen Form »mirzcih« gegeben, wird er nicht den Komparativ dazu
von einem anderen, nicht belegten Adjektiv *llipk3k Hl», bilden. Darum
schlug ich schon im Archiv XVIII. 601 vor, mirzene in mirze ne zu
trennen und mirze als Komparativ zu MpkS'KK'K, doch von dem ein-
fachen Stamm MpkS'K zu bilden, also UßWTKf, ne aber gehört als Ko-
pula für H'R (statt HliCTk) ganz gut dazu, so dass das Ganze lautet :
nie ze teh del mrze n§ pred bozjima ocima. Ich halte diese Erklärung
der Lesart auch jetzt noch für allein richtig. Es ist eine merkwürdige
üebertreibung, wenn auf S. 41 sogar der Vermuthung Raum gegeben
wird, dass die Bekanntschaft des Klemens mit dem Adjektiv lUipkS'KK'k
auf der Freisinger Vorlage beruhe !
In der Phrase H^k ,\& CKKpkUJHiun». OB^STOßaHMra Hdijua ra^e
KTk rc»cnc»,4,0Y Koro\j' HameiuiOY muss zunächst die graecisirende Kon-
struktion (die Anknüpfung einer Apposition mit Hilfe des Artikels hjkj
= gr. 6) hervorgehoben werden, dann aber auch die Anspielung an das
früher bei der Taufe abgegebene Gelöbniss — ein neuer Beweis, dass
Klemens sehr gut verstand, den Zusammenhang seiner Gedanken auf-
rechtzuerhalten. Den Ausdruck OK'STOKaHHie liebte Klemens. Man
kann auf viele Parallelen verweisen, z. B. no iVR'tTOßaHHW Popov
(Chlud. Kat.) 389. 392, iVB-kTOßaHHieMk KkSKtmifHO ib. 391, apy-
aHrtAkCK'kiM'k OKlvTOBaHHieMT». /k,'KiiU/Ä Und. 24. Zu dem folgen-
den auf Hebr. XTII. 1 — 2 beruhenden Citate möchte ich, mit Hinweis
auf Vondräk 8. 128, als unzweifelhaft noth wendige Korrektur des Textes
betonen, dass statt npocßkTOynJe zu schreiben und zu lesen sei
npou^ßkTOYiiJe. Das wird durch verschiedene Belegstellen bestätigt.
In einer bei Stojanovic unter Nr. XV abgedruckten Paraphrase unserer
Homilie (v. 64 — 65) lesen wir abwechselnd i^T^ßTfijjj und CB'tTeni« ce,
ib. IX. 60 steht ^Oßpiü ^-tTliAH hmh>KE i^ßkTki, ib. XIII. 54/55
sehr nahe an unsere Homilie anklingend : CM'bpEHJcrwlk np0CB'kL|jai0i|JC
cf, BpaTOAioBicMk i;kBT0\fi4je h cTpaH'HoawKifMk, IIsb. EI. 1106
steht HHLjJEAlOBiEMk — CBkTivllJf Cf und Und. 24 CTpaHHOAtOßHEMl».
U.B'kT'KiH. Im weiteren an die Erwähnung des Märtyrers angeknüpften
Verlauf der Erzählung wird statt noraHkCTBO, wiewohl man dafür auf
eine Parallele aus Stoj. IX. 113 verweisen könnte, richtiger wohl KO-
raTkCTBO zu lesen sein, weil die Apposition TkA'SieMO coyipe h
ßp'KMEHkHO dafür spricht. Vergl. bei Popov (Maxep. XX. 74): Bp«-
410 V. Jagid,
MEHHam ßC/Ä raKO TA'tHHara iOM'RTara. Für noABHrHOij' C/ä ßi»,
B'kHHa H^HAHijja vergl. Stoj. XIX. 8: a>^i^<^>^ "P'^A'^A^^V <*A'*'^*^V
B^HC»\fKa H rocnojKA'* ^^ B'kH'Haa :KHAHLjja B'KyoAHT'k. Das
Verbum no^BHPHOYTH ca ist, wie schon von Prof. Vondräk hervor-
gehoben wurde, ein Lieblingsausdruck Klemens'. Im nächstfolgenden
Citat aus dem Evangelium hat Prof. Vondräk (S. 21) bloss Matth.X. 28 als
Quelle angeführt, und da er in der Homilie einige Abweichungen von die-
sem Text bemerkte, wunderte er sich über einen »bedeutsamen Zusatz«
TOro oyBOHTi C/Ä. Doch allen seinen Kombinationen wird die Spitze
abgebrochen durch den Hinweis auf eine andere Stelle, das ist Luk.
XII. 45, die Klemens bei seinem Citat vorschwebte. Daraus hat er so-
wohl den »bedeutsamen Zusatz« m Toro oybc»ht£ ca als auch die
Worte oyKOHTf CA HiuioyiiJaro BAacTk, die bei Matthäus nicht in
dieser Form ausgedrückt sind. Selbstverständlich entfällt dadurch jeder
Anlass (wenigstens an dieser Stelle), von der freien Benutzung der Ci-
tate bei Klemens zu sprechen.
Auch die Schlussworte der Homilie enthalten Mahnungen, die auch
sonst bei Klemens häufig wiederkehren. Neben B'kSAPh^^'^HHC legt er
grosses Gewicht aufs Fasten. Gerade vom Beten, Almosengeben und
Fasten spricht er sehr häufig, z. B. Stoj. VIII. 92: nocTfH bc ce H
MHAOCTkiHK» TBope Kfc Tpoy^^* "<* "*K*^ Bkc^o^HTti. Oder XXII.
22 ff.: BK3API^>Kai<M|Jf T'RAfCa BT». CKMk nocT't h b'^v'^H'*'^'»)
MOAHTBaiUlH KT». BOroy npHBAH>KaK)L(JE C( •• MHAOCTKIHhdMH A^^P"
HpcTBHia COßp'Ksawijif. . . . Wie das Fasten beschaffen sein soll, da-
von spricht Klemens noch XXIV. 26 ff., da kehren die Worte unserer
Homilie m t'kkmo ct^k BpaiiikHa B'KS^kpjKaTH ca in der Form
CD BpauJHk C( K'K3j\ß'K}K,n\i( wieder. Auch der Glanz, der die Sonne
übertrifft, ist bei Klemens ein bekanntes Bild. Vergl. zu den Worten der
Homilie nanf CHmHHra CAkMkHbHarc die Parallele Stoj. IX. 23: npo-
CB'tTH lero nasf CHraHHa CAkHkMHaro. Für das Verbum TOMcy
cyBO nopkBHOYHM'k die Parallele Stoj. XIV. 39: tako h M'ki, Bpa-
T'ie H B^OBHl^E nOpfBHSHTf H npHT^kKAHT« KT». L^pKBH. Und für
BkCAKOy 3A0B0Y B'KSHfHaBH/V'^ vergl. IX. 99 — 100: TO KO l€CTk
HCT0B0I6 ncKaraHHie h^kc BkcaBoy Henpaßk^oy BkSHEHaßH-
A'Sth,
Meine Auffassung betreffs dieser Homilie geht also dahin, dass
Klemens allerdings verschiedene Beichtgebete und Beichtformeln, die
zu seiner Zeit geläufig waren, theils in griechischer, theils in lateinischer
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens. 411
Sprache, ja vielleicht einiges selbst slavisch, soweit die frühere fränki-
sche Geistlichkeit solche Sachen den Slaven Mährens und Pannoniens
in ihrer Sprache beigebracht hatte, gekannt und bei der Homilie, von
welcher die Rede ist, einigen Stoff aus solchen, ihm im Gedächtniss
vorschwebenden Vorlagen geschöpft und frei verwerthet hat. Man
kann aber durchaus keine sicheren Beweise dafür anführen, dass er bei
seiner Abfassung der in Frage stehenden Homilie gerade den Text des
Freisinger Denkmals vor Augen gehabt oder bewusst aus ihm geschöpft
hat. Die Homilie war ganz allgemein zu Ehren irgend eines heiligen
Märtyrers geschrieben (der Zusatz anocTOAa könnte auch nachträglich
hinzugekommen sein). Dafür spricht deutlich die nachfolgende Stelle :
nß(Ji,Aa RATs^TK CBOK» Hd CTpaCTH H HA ftAWU H C'klUiph.Th, nC-
HOCkHoyic» XiiHCTA pa^H CKiHa KOJKHra. Da aber der Märtyrer
nicht beim Namen genannt ist, so behandelt ihn der Redner nur neben-
bei, ohne auf seine Lebensumstände näher einzugehen. Dagegen ist die
Homilie voll Mahnungen an die Zuhörer, durch gute Werke, durch Ver-
achtung dieser Welt und ihrer Tücken, durch Enthaltsamkeit, Fasten
und Bussethun sich das Himmelreich zu verdienen. Dieses Thema
wiederholt sich bei Klemens sehr oft. Von welchem immer Heiligen
oder Fest er auch sprechen mag, nie vergisst er der guten Werke zu
gedenken, mit denen man das Himmelreich verdienen kann. Um nur
einige Beispiele anzuführen, in der Lobrede auf Zacharias lesen wir
gegen Schluss: hhoh ;i,OGpo^1iT'6i\H nopfßHOBaKMpf A<* cta-
:KHM'k EparoaiOKHf, hh^jeaiobhe, cTpaHkHonpHraTHie, noiiif-
HHi€, KpOTOCTk, K'k3;i,kpjKaHHi€ (Lavr. Und. 3 1). In der Lobrede
auf den heil.Klemens von Rom wird gesagt: noABHrHüiui c/^ GparHie
H lUlTd ßT». A<>VX'*^^"''^" nOABHn». ;i,0\'LUOIf H T'SAO OMHCTAllJf CH
nocTOMTv H lUiOAHTKaiuiH (MaTep. XX. 78). In der Lobrede auf Jo-
hannes den Täufer kehren dieselben Mahnungen am Schluss wieder:
O^KKICTpHIH" C( HA nOKai^HHie ^OEpKIMH ^k.'kAKI OYKpaUiaKMjJC Cf,
nocTOHiK EkwpoYJKkiue ce Ha npoTHßHarc Bpara -MHAOCTHHieio
H HHCTOTOW oyMk CH npctCB'KTei|J£. In der Homilie auf Christi Be-
gegnung im Tempel wird betreffs der Prophetin Anna hervorgehoben :
HC HCYOJK^aiUe ßlvHk H3 U,pKßE nOCTOMk, MOAHTßOK» CAOyJKflJJH
BT^ jiL,hHH H BT». HOijJH rocnoAfBH (Stoj. IV. 37 — 38). Die Predigt
auf Mariä-Empfängniss schliesst mit den Worten: Tfl^'feMK Ha MC-
AHTßKI CK CTßA\OMh. CKOHIUlk, OTßpkS'tMk A^^P" HfRfCHarO
HpkTOra, BA'tHHtM' H MOAHTBOK» H MHAOCTHHfK» H HCCTOMk
412 V. Jagid, Meine Zusätze zum Studium der Werke des slav. Klemens.
(Stoj. X. 15 — 17). In der Homilie auf den Palmsonntag steht die Mah-
nung: npHKAHJKHM' Cf OyKC» ^k.OBpOA'ST'feAKMH KT». KOroy MHCTfUIf
C( nOCTOMk H MHACCTWHfK»- HOCTb BO A<>V^*^V " T"KAC» HHC-
THTb a MHAOCTKIHH Bbnfp'üJH OyUh Ha H«BC» BK3H0CHTK (Stoj.
in. 189). In der Predigt vom Zöllner und Pharisäer werden die Christen
belehrt: aijje bo h TkMatiiiH rp-S^Ki, to CM-feptHifMi^ noTp-RBHiuik
H^h H BpaTOAWBifMk OHHCTKMK H^fk, MCtAHTBOK» npHBAHJKHM" CS
KTs. caMOiuiOY BAaAwi;'^ BoroY (Stoj. XX. 44 — 47).
Ich kann nach allem, was ich gesagt, dieser Homilie keine Aus-
nahmestellung zuschreiben, am allerwenigsten sie wegen einiger An-
klänge an das Beichtgebetmaterial als eine misslungene Kompilation
gerade des Freisinger Textes gelten lassen.
V. Jagic.
Noch einmal Klagenfurt-CeloYec,
nebst einigen prinzipiellen Bemerkungen über die Ortsnamen-
forschung in gemischt-sprachigen Gegenden.
Die Notiz Baudouins de Courtenay in Nr. 1 des 26. Jahrgangs
dieser Zeitschrift über die Namen Klagenfurt -Celovec bedeutet un-
zweifelhaft einen bedeutenden Fortschritt für die Lösung der Frage
nach ihrer Herkunft. Es ist wohl sicher, dass die slov. Bezeichnung,
die im Tolmeinischen cvdUuc lautet — die Gailthaler sagen mit Meta-
these und Assimilation des v ans folgende l zu b cdhlöuc — zu cviliii
gehört. Der Stamm kvü- und sein Synonym kvik- wird im Slavischen
mehrfach zur Bildung von Ortsnamen verwendet, vgl. tschech. Kvilice,
Kvice, Kmcovice, poln. Kwiköiv (Galizien) und Kioiltsch (Posen). Frei-
lich kann man sich mit der Ansicht Baudouins, der slov. Name sei eine
Uebersetzung von »Klagenfurt« und dieses selbst eine volksetymologische
Umdeutung des lat. Claudiiforum nicht einverstanden erklären. Denn
das lat. Wort ist sicher nichts anderes als eine gelehrte Spielerei.
Gegen diese Erklärung des slav. Namens aus urspr. Cvilomci —
richtiger wäre ein Cviljavici (oder Cviljevici) anzusetzen, denn die
\
Noch einmal Klagenfurt-Celovec. 413
mundartliche Form setzt IJ (palatales /) voraus, da / vor dunklen Voka-
len in den slov. Mundarten Kärntens zu consonantischem u wird —
wendet sich Prof. Pintar in Nr. 4 desselben Bandes. Seine Deutung des
Namens aus der Form stvolovec mit / ist nach dem oben Gesagten un-
möglich ; es könnte höchstens stcolj'evec zu Grunde liegen , dessen ev
sich in geschlossener Silbe vielleicht zu ov hätte entwickeln können
(ich kenne zwar kein Beispiel einer derartigen Angleichung in Paroxy-
tonis), doch scheint mir die Erklärung wegen der deutschen Parallele
sehr wenig Wahrscheinlichkeit zu besitzen. Pintar hat wohl die Er-
fahrung, dass die deutschen und slovenischen Namen sich in den mei-
sten Fällen irgendwie entsprechen, zum Versuch einer Etymologie des
deutschen Namens »Klagenfurt« geführt. Da hat er allerdings, wenig
vertraut mit den Laut- und Ausspracheverhältnissen in den deutschen
Dialekten, einen tüchtigen «Schnitzer« begangen. Aus einem »G'laggen-
word« kann nach den Lautgesetzen des kärntnischen Dialekts nie ein
Kldqgnfürt (oder Kchlognfürt) werden, wie der Ortsname mundartlich
lautet. Denn 1. nie verwandelt sich anlautendes g in der Ma. — die
Vorsilbe ge- vor r ausgenommen — in aspirirtes k. Das klander bei
Lexer ist nur eine ungeschickte Wiedergabe des ma. kalander^ klander
mit unaspirirtem k. Das Beispiel klagfeur entstammt den nördlichen
Mundarten des bair.-österr. Dialektgebietes, wo anlautende g und k vor
Consonanten in hauchloses k zusammengefallen sind, kann also für
Kärnten nicht in Betracht kommen. kJeger für gleger konnte ich nir-
gends finden. 2. Nie wird im Kärntnerischen die inlautende Fortis gg
(das ist die oberdeutsche Schreibung für unaspirirtes k) zu g. Uebrigens
ist die Form lägge (spr. lokke) nur lesachthalerisch, im übrigen Kärnten
erscheint das Wort mit Aspirata. 3. Nie erscheint ursprüngliches w
im Dialekt als f. 4. Würde man bei einer alten CoUectivbildung Um-
laut erwarten und die Endung -en wäre beim Collectiv unverständlich.
Schliesslich 5. ein ico7-d, ivurt = Werd, Werder existiert nicht. Das
niederdeutsche »Wurd«, »Word«, worauf Schmeller gelegentlich hin-
weist, bedeutet etwas ganz anderes und dürfte wohl kaum mit Werd
(Insel) zusammenhängen. Die Schreibung »Wörth«, durch die vielleicht
der Verfasser zur Gleichsetzung veranlasst wurde, beruht auf der ö-arti-
gen dialektischen Aussprache des (primären) ümlauts-e. Wenn -furf
urk. -uu7't geschrieben wird, so hat u die Geltung eines v] die Lenis /
wird in mhd. Quellen ja fast regelmässig durch u oder v wiedergegeben.
Die slov. Bezeichnung des Wörthersees » Vrbskoj'ezeroK als » Vrdskoj.«
414 P- Lessiak,
zu deuten, wie dies der Verfasser allerdings mit einem Fragezeichen
thut, ist unmöglich, denn Vrhsko kommt von dem Ortsnamen Vrha =
Velden, der selbstverständlich mit vrha = Weide identisch ist, wie
schon die deutsche Bezeichnung lehrt (Velden mit Dissim. des h aus
urspr. Velben, Velwen zu mhd. velwe Weide, vgl. Vrha »Velben« in
Oberkrain). Die ältesten Schreibungen des Namens mit Ch und g (der
erste urk. Beleg ))Chlagenuiirt(i stammt nach Dr. v. Jaksch aus dem
letzten Jahrzehnt des XII. Jahrh.) und die lat. Uebersetzung des Viktrin-
ger Abtes Johannes (i 1345) Querimonice vadum weisen darauf hin,
dass der Name seit jeher mit anlautender Aspirata und inlautender
Lenis gesprochen und mit Klage ma. klilog identisch gefühlt wurde.
Die Deutung ))G''laggenworcl« ist daher ebenso wie die alte 'oGlanfurU
schon rein lautgeschichtlich eine Unmöglichkeit •).
Prof. Scheinigg hat in der Carinthia I (91. Bd.) einmal die Ansicht
ausgesprochen, dass in dem ersten Bestandtheil von »Klagenfurt« ein
Personenname, etwa ein ahd. *Klago stecken müsse. Denn nahezu
sämmtliche mit fürt komponirten, etymologisch deutbaren germanischen
Ortsnamen enthalten als Bestimmungwort entweder eine genetivische
Bezeichnung eines Lebewesens, sei es nun ein Personen- oder Thier-
name, vgl. etwa Erfurt {Tlrpisford\ Frankfurt [Trane onofurt\ Ochsen-
furt (vgl. auch engl. Oxford), Schweinfurt, Wolfsfurt, oder sie sind mit
Adjektiven zusammengesetzt, z. B. Breiten-, Hohen-, Tieffurt. (Da-
neben erscheint allerdings auch ein Sandfort, bezeichnender Weise aber
als echtes Compositum, denn »Sand-« vertritt hier ein Adj." . Ein Eigen-
schaftswort y>klagii gibt es nun im Germ, nicht, ebenso ist ein Manns-
name Klago nicht belegt, wohl aber ist uns ein Femininum Klaga in dem
sehr konservativen Dialekte der Sette Communi in Italien erhalten in
der Bedeutung «gespenstisches Trauerweib« (vgl. Schmeller-Bergmann,
Cimbr. Wörterb. 136). Auf dieselbe Form altoberdeutsch Chlaga ist
das bair.-österr. Klag F. zurückzuführen ; nach Schöpf (Tirol. Idiotikon
1) R. V. Jaksch hält in seinem Aufsatz »Vom alten Klagenfurt«, Fest-
beilage der »Freien Stimmen« vom 1. I. 1905 noch an dieser Erklärung fest
und weist zur Stütze seiner Ansicht darauf hin. dass die Kärntner nicht
»Mohn«, sondern Mag'n siDrechen. Dagegen ist einzuwenden, dass die Form
Magen nicht aus Molin hervorgegangen ist, sondern beide stehen sich schon
in früheren Sprachperioden gegenüber, mhd. muhen und mäge. — Interessant
dagegen sind seine Angaben über die Lage von »Alten-Klagenfurt«.
Noch einmal Klagenfurt-Celovec. 415
319) bedeutet 63 einen sehr unheimlichen Vogel «der schreit wie ein
weinendes Kind, und wer ihn hört, stirbt bald«, nach Schmeller (Bair.
Wb. 1, 1328) ist die Klag eine gespenstische Erscheinung in Gestalt einer
feurigen Kugel, welche knarrend und schleifend vor dessen Thür hin-
kollert, der zum Tode reif ist. Schmeller führt als Bezeichnungen für
den Todtenvogel (Eule, Käuzchen) auch Klag-Weihlein, Klag-Mueter
an, die auf eine ältere Auffassung desselben Wesens in Gestalt eines
gespenstischen, todverkündenden Klageweibes, also einer Art Ahnfrau,
schliessen lassen. Schon in dem alten Münchner Zaubersegen wird der
Klage-Mutter als eines Gespenstes Erwähnung gethan. Die Vorstellung,
dass Seelen Verstorbener — und als solche haben wir uns die «Klage«
oder Klage-Mutter wohl zu denken — ihren Aufenthalt in Thierleibern
nehmen, ist ja ungemein verbreitet (vgl. Mogk, Paul's Grundriss d. germ.
Philologie III, S. 263) und Uebertragungen ähnlicher Art lassen sich
auch sonst nachweisen, ich erinnere an lat. strix [striga) Nachtvogel,
Hexe. Bemerkenswerth ist die Aeusserung Mogk's a. a. 0. S. 284 «die
Norne fällt oft mit der Todesgöttin zusammen und wird als die dunkle
geschildert, die wie ein schwarzer Vogel durch die Lüfte dahinfliegt«.
Eine ähnliche Rolle wie die y>Klaga>.'^ spielt im kärntnischen Volks-
glauben die Teadin (d. i. Tödin). Man sieht sie häufig in der Nähe von
Wasserübergängen, wie sie, ähnlich der schwedischen i/o/XV-w, die
Todtenlaken wäscht, ihr Anblick verkündet Sterben. Lexer K. Wb. 65
kennt sie in der Bedeutung Hexe, Pestfrau. Verquikungen von Wind-
geist (Seele) und Wassergeist sind nicht selten. Wir finden sie in der
Gestalt der Melusine, von der man sich (nach E. H. Meyer, Mythologie
d. Germanen S. 168) in Böhmen erzählt, sie fliege im Winde mit ihren
Kindern jammernd durch die Luft. Von Frau Holle, die uns als Wind-
und Todtengottheit, als Herrin des Seelenheeres entgegentritt, wissen
wir, dass sie sich gerne in Gewässern aufhält oder in Bergen, zumal da,
wo sich Quellen oder Teiche in der Nähe befinden (vgl. Mogk, a. a. 0.
S. 279). Auch für die Thatsache, dass Wasserfurten als Aufenthaltsort
verderblicher Geister betrachtet werden, finden sich Belege. Der Natur
der Sache nach wäre es eher auffallend, wenn es keine gäbe. Als Bei-
spiel citire ich eine Stelle aus Meyer, S. 132: »So scheuchte schon der
alte Inder seine Plagegeister . . . mit feierlichen Worten zu Wasser-
furten und bewipfelten Bäumen (f. Dieselbe Vorstellung hat ofi'enbar
auch zur Bildung der Gestalt der bulgarischen yi Brodnicmi , des Furt-
weibes, Anlass gegeben (Duvernois, Slovar' bolgarskago jazyka I, 151).
416 P- Lessiak,
Ich glaube, die angeführten Thatsachen i) genügen, um uns mit der Mög-
lichkeit einer Deutung des Namens Klagenfurt als Chlagüti- oder
Chlagöno-furt d. i. Furt der »Klage« oder »Klagen« (Klageweiber) ver-
traut zu machen. Und so wäre demnach auch das slo venische Cvilj'avec
als Ort, wo sich cvilje^ Klagefrauen (vgl. Pletersnik, Slov.-Nemski
Slovar p. 91 cvilja, Winselerini aufhalten, wo gejammert oder geklagt
wird, zu erklären. Die Bildung wäre ähnlich der des oben genannten
tschech. Kvidovice, falls dieses wirklich zum Stamme /cvik- gehört. Dass
Bezeichnungen für mythologische Wesen auch zur Ortsnamenbildung
verwendet werden, zeigen alpenländische Namen wie kämt. Truttendorf
(zu ma. trutta, trut Druckgeist. Slov. heisst der Ort nach dem Reper-
torium Sepec, wohl zu sopsti, sipiti keuchen), Elbling (vgl. auch Elber-
feld; Eiber ist PI. zu Alp, Elbe), steir. Schrattenberg, krain. Sh'atov^de
(zu Schratt, slov. skrat Kobold) und vielleicht gehören auch die zahl-
reichen vom Stamme mor- abgeleiteten slov. Ortsnamen wie Moravec
u. s. w. teilweise hierher (slov. mora = Mahre).
Die Bemerkung Pintars, die Erklärung des Namens aus * Cvilj'avec
sei schon deshalb unwahrscheinlich, weil die meisten Ortsbezeichnungen
auf -ovec von Baum- oder Pflanzennamen abgeleitet sind, ist doch nicht
stichhaltig, wenn wir slov. Ortsnamen wie Jankovec, Karlovec, Kral-
ovec oder Kraljevec^ Mihalovec^ Farovec^ Anovec, Banovec, Rihar-
Jevec, Markovec u. ähnl, betrachten.
Prof. Pintar hat auch die heikle Frage von der Entstehung der
deutschen Ortsnamen in slovenischer Gegend berührt. Meines Er-
messens befindet er sich durchaus nicht auf der richtigen Fährte, wenn
er annimmt, dass sie in den herrschaftlichen Kanzleien von deutschen
Beamten und Verwaltern fabricirt worden seien. Es ist hier zwar nicht
der Ort zu einer längeren Auseinandersetzung über dieses nicht un-
interessante Thema, das ich gelegentlich in grösserem Zusammenhange
behandeln will, aber ein paar berichtigende Bemerkungen möchte ich
mir doch in aller Kürze erlauben. Erstens ist die Behauptung, dass der
naive Bauer weder Zeit findet noch den Drang hat Etymologien nachzu-
grübeln, nicht richtig. Ich hatte Gelegenheit mehrere deutsche Sprach-
1) Zu erwähnen wäre etwa noch Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube
§ 52 f. Der Nix . . . seine klagende Stimme lässt sich besonders abends
hören, oft wie der Hilferuf eines Ertrinkenden, um Menschen heranzulocken.
— Die Nixen erscheinen meist des Nachts auf dem Gewässer, unter Brücken
oder auf denselben.
Noch einmal Klagenfurt-Celovec. 417
inseln in Italien kennen zu lernen, und da fand ich, dass die dortigen
Deutschen (Bauern und Keuschler) fast für alle irgendwie in Betracht
kommenden Ortsnamen der fremdsprachlichen Umgebung deutsche For-
men besitzen; es sind dies theils Uebersetzungen oder Halbübersetzungen
(wie etwa Cercivento — Tschurtschendorf) , theils lautgesetzliche Ent-
wicklungen aus der romanischen Namensform und theils völlig selb-
ständig gebildete Bezeichnungen, die mit der fremden in keinerlei Zu-
sammenhang stehen — also genau dieselben Fälle, wie wir sie im slow.
Sprachgebiete finden. Da es dort nun niemals deutsche Beamte u. dgl.
gab, die deutschen Namen von amtswegen nie anerkannt wurden, so
könnte man die Thatsache nicht begreifen, wenn man nicht ein im Volke
selbst wurzelndes Bestreben, sich die fremdsprachigen Elemente mund-
gerecht oder verständlich zu machen, annähme. Ebenso habe ich
auch von den Zarzern in Oberkrain eine Reihe von deutschen Bezeich-
nungen (darunter auch Uebersetzungen ! ) für die umliegenden sloweni-
schen Ortschaften gehört, die weder in einem Ortsverzeichnis noch auf
der Karte stehen und kaum je amtliche Geltung hatten. An allen
Sprachgrenzen finden wir dieselbe Erscheinung, und dass der slowenische
Bauer sich grundsätzlich nie zu einer Uebersetzung aufgeraff"t haben
soll, klingt doch recht unwahrscheinlich. Die Thatsache, dass sich die
meisten deutschen Ortsbenennungen in Krain, soweit sie nicht Ueber-
tragungen sind, den Lautgesetzen der bair.-österr. Ma. entsprechend aus
der slow. Form entwickelt haben, vgl. etwa Ziri — Seirach, Ribno —
Reifen, Loz — Laas, 3Ioimk — Möttnig u.s.w., spricht für ihre volks-
thümliche Tradition, die ja auch begreiflich ist, wenn man die Rolle,
welche früher das Deutsche in den slow. Ländern spielte, in Betracht
zieht: es gab da nicht nur zahlreiche deutsche Grundbesitzer und Ver-
walter, sondern auch eine stattliche Anzahl deutscher Ansiedelungen
und in den Städten und Märkten wurde, wenigstens zum grossen Theil,
deutsch gesprochen 1).
1) Inkonsequenzen in der Behandlung einzelner Laute bei Ortsnamen in
slov. Gegend erklären sich daraus, dass die Namen nicht alle zur selben
Zeit übernommen wurden, und vor allem auch aus der starken Rückwirkung
der slov. Namensform. Urkunden weisen daher oft noch ältere Formen auf.
Im Allgemeinen lassen sich 2 Gruppen, eine ältere und eine jüngere, unter-
scheiden (vgl. Feistritz-Wistritz). Sogar im heute deutschen Sprachgebiet
kommen hie und da Schwankungen vor, aus denen man auf frühere oder spä-
tere Germanisirung schliessen kann, wenngleich die Unterschiede nicht so
gross sind.
Archiv für slavische Philologie. XXVII. . 27
418 P- Lessiak,
Man wird doch in Anbetracht der genannten Formen, für die sich
eine Unzahl Parallelen finden, den deutschen Beamten nicht die Kennt-
niss der erst in den letzten Jahrzehnten entdeckten Lautgesetze zu-
muthen wollen. Dasselbe — nämlich volksthümliche Entstehung und
Ueberlieferung — gilt offenbar auch für die Mehrzahl der üebersetzun-
gen. Manche darunter wie Lengenfeld, Eibenschuss, Lutergeschiess
(slow. Dovje^ Ivanje selo, Lutersko selo) u. s. w. sind schon formell so
beschaffen, dass sie nicht als Ausgeburt eines spintisirenden Kanzlei-
beamten betrachtet werden können. Dass in Krain vielleicht mehr
übersetzt wurde als anders wo, erklärt sich einfach aus der Thatsache,
dass die deutsche Minderheit zumeist doppelsprachig war, also die slav.
Namen, deren Etymologie auf der Hand lag, verstand und übrigens der
Mehrzahl nach der »Intelligenz» angehörte, bei der allerdings das Stre-
ben nach Nationalisirung des Fremden stärker hervortritt als beim
schlichten Landvolk. Selbstverständlich haben sich bei der Nieder-
schrift der dialektischen Formen zahlreiche »Fehler« eingeschlichen,
indem die Schreiber sich bemühten, nicht schriftgemässe Lautverbin-
dungen in schriftsprachliches Gewand zu kleiden, sie bekannten Laut-
komplexen anzunähern. Hierher gehört etwa der Name Rothwein aus
slow. Hadovina^ der, wenn eine dialektische Tradition bei den Krainer
Deutschen noch bestünde — von den Sprachinseln abgesehen wird ja
dort gegenwärtig Schriftdeutsch gesprochen — Itqdxoein lauten müsste
und ähnl.
Derartige »Missgriffe« finden sich aber nicht nur dort, wo es sich
um die Wiedergabe entlehnten Wortmaterials handelt, sondern auch bei
rein deutschen Namen massenhaft, da die mundartlichen Formen von
der schriftsprachlichen Entsprechung oft stark abweichen. Ganz die-
selben Fehler begehen ja auch die Slovenen, wenn sie die dialektischen
Bezeichnungen der Schriftsprache gemäss zu normalisiren suchen. In
Krain, zumal in Unterkrain, werden solche Missverständnisse seltener
vorkommen, aber wenn wir für das oberkrainiscbe Rothwein im Reper-
torium die slow. Form Radolna finden, so ist das u der dialektischen
Aussprache Radouna offenbar vom Schreiber unrichtig gedeutet worden.
Noch weit krassere Fälle bieten die Schreibformen kärntnischer Orts-
namen. So verdankt etwa nVelikovecx sein Dasein nur dem Einfluss
des deutschen »Völkermarkt«, gesprochen wird Bhhouc (aus Boljkovec
oder Bolikovec vgl, tschech. Bolikovice). Kostmije — wie der slow.
Bauer »Köstenberg« etymologisch richtig nennt — wurde unter der be-
Noch einmal Klagenfurt-Celovec. 419
denklichen Voraussetzung, dass es dort heute keine »Kosten« (d. i.
»Kastanien«) mehr gibt, dass aber die Gegend dereinst sehr waldreich
war, in Gozdanje umgetauft, obwohl ein slov. g im Dialekt nie zu k
(sondern nur zu /i), ein intervokalisches zd nie zu &t wird. Neuerdings
glaubt man, da die Ableitung von gozd offenbar sprachliche Schwierig-
keiten bietet, es stecke ein Personenname Gvozdan dahinter — die
deutsche Uebersetzung «muss« eben unrichtig sein! Wie sonderbar
nehmen sich doch Rekonstruktionen wie Loga ves (Augsdorfj oder Pod
Vetrovami (Föderaun) aus dialektischem tiahms und pod bdtrüam
aus — und solcher Beispiele gibt es eine Menge.
Der Verfasser führt auch drei Beispiele »monströser« deutscher
Umformungen an : Sinja gorica^ Schweinsbüchel, Podsinja ves^ Hunds-
dorf, und Zidanj'a vas, Seiden dorf. Ich will gar nicht bestreiten, dass
fehlerhafte Uebertragungen vorgekommen sind, zumal in Fällen, wo der
Slowene die eigentliche Etymologie selbst nicht mehr fühlte (vgl. etwa
Dobravce, Gutenhof, u. ähnl.), aber Pintar hat keine guten Beispiele
gewählt: 1. Für Si?ija gorica hat das Repertorium — und dies ist in
dem Falle doch massgebend — Scheinbüchel, das als etymologisirende
Kanzleiform aus »Seinbüchel«, wie die volksthümliche Entsprechung
wäre, aufgefasst werden, aber auch auf alter Volksetymologie beruhen
kann. Wenn in der Karte »Schweinbüchel« steht, so ist dies auf Rech-
nung der Mappeure zu setzen; auf unseren Specialkarten kann man
allerdings jeden Finger breit einen Fehler entdecken. 2. Podsinja ves
existirt zwar seit ein paar Jahren auf dem Papier, gesprochen wird aber
Psinja lies und so muss der Name auch schon vor 400 Jahren gelautet
haben, sonst wären die Deutschen doch nicht auf den Gedanken ge-
kommen »Hundsdorf« (urk. schon 1488) daraus zu machen. Höchst-
wahrscheinlich liegt der slow. Bezeichnung der Personenname Psina
(vgl. Kott,Cesko-Nem. SlovnikVH, 531) zu Grunde, der auch im tschech.
Psinice stecken mag. Mit dem Ortsnamen Na Sinah lässt sie sich
schon wegen des Suffixes (man würde nach Analogie ähnlicher Fälle
Podsinska v. erwarten) nicht zusammenbringen. Das im »Schlusswort
zur Ortsnamenforschung in Kärnten«, S. 12, angeführte Siti/'a gora ist
eine dem Volke fremde Neubildung, der »Singerberg« heisst slow, dia-
lektisch Zinharca [= Zingarica)^ von dem Hausnamen Zinhar d. i.
Singer. 3. Seidendorf braucht keine fehlerhafte Uebersetzung aus
Zidanja vas zu sein, sondern aus *Z«c?aw-Dorf, das genau so eine
Halbübersetzung ist wie das obengenannte »Tschurtschendorf« oder wie
27*
420 P- Lessiak,
franz. Thionville (Diedenhofen), musste sich im Deutsclien ganz regel-
mässig Seidendorf ergeben; denn der Uebergang von i > s, die Diphtlion-
girung des urspr. langen ?', das Verklingen des Vokals der nach deutscher
Accentuation unbetonten zweiten Silbe sind ganz lautgesetzliche Er-
scheinungen (ich verweise da auf meine Abhandlung in Sievers' Beitr.
z. Gesch. d. deutschen Sprache, Bd. XXVIII 1, §§ 61, 109, 111). Wirk-
lich fehlerhafte, d. h. der ursprünglichen Bedeutung des Namens nicht
entsprechende üebersetzungen kommen verhältnissmässig selten vor,
und wo sie vorkommen, sind sie aus den bereits genannten Gründen in
der Regel leicht zu erklären. Freilich darf man nicht mit den geschrie-
benen Namensformen allein operiren, die sind recht unverlässlich. Für
Krain, wo, wie gesagt, die mundartliche üeberlieferung zum grossen
Theil nicht mehr besteht, ist man hinsichtlich der deutschen Namen
allerdings darauf angewiesen. Vielfach aber belehren einen ältere ur-
kundliche Formen über die zu Grunde liegende dialektische Aussprache.
Es mnss als ein grosses Unglück für die Ortsnamenforschung betrachtet
werden, dass nationale Interessen dabei so sehr in den Vordergrund ge-
rückt werden und dass man nationale Vorurteile der Gegenwart auf die
Vergangenheit überträgt. Falsch wäre es, die volksthümliche Umfor-
mung als Verballhornung zu bezeichnen. Nach dieser Ansicht wären
auch die Lehnwörter, die der Sprachwissenschaft zur Bestätigung ge-
wisser Lauterscheinungen und zur Aufklärung der Lautverhältnisse
vergangener Sprachperioden so grosse Dienste geleistet haben, nichts
anderes als Verballhornungen. Ja, jede sprachliche Veränderung, die
auf Kosten der einem Lautkomplexe innewohnenden Bedeutung vor sich
geht, müsste dann so bezeichnet werden. Tiefe Einsicht ins Sprach-
leben, gründliche Kenntniss der einzeldialektischen Lautgesetze, ein-
gehendes Studium der Ortsnamenbildung bei den einzelnen Volksstäm-
men können allein zum Ziele führen.
Prag, Ende Februar 1905. P. Lessiak.
In der letzten Nummer dieser Zeitschrift ist inzwischen ein neuer
Aufsatz über das oben behandelte Problem von J. Scheinigg erschienen,
der mich veranlasst einige Bemerkungen hinzuzufügen.
Ein Personenname (ahd.) *Klago^ mit dem Scheinigg, seine Aus-
führungen in derCarinthia I wiederholend, Klagen(furt) zusammenbringen
will, ist denkbar, aber es muss nachdrücklich betont werden, dass es
keinen Beleg dafür gibt, was bei dem zahlreichen ürkundenmaterial
Noch einmal Klagenfurt-Celovec. 421
immerhin auffällig ist, und zweifelsohne hat meine Erklärung in Folge
der sachlichen Anhaltspunkte die weit grössere Wahrscheinlichkeit
für sich.
Geradezu peinlich berührt mich aber die Logik, mit der Scheinigg
die Schreibform Celovec vertheldigt. Er sagt S. 148: »Die schriftliche
Fixirung des Namens reicht allerdings nicht weit zurück« (nämlich bis
1780), und ein paar Zeilen weiter: »es ist nicht zulässig, die Erklärung
altbezeugter Ortsnamen auf moderne Dialektformen zu stützen«. Man
tiberlege sich doch einmal die Sache: Der slov. Name lautet in Mittel-
kärnten C9lm[9)c oder häufiger Cldn{d)c mit Schwund des 9. Was ist
da natürlicher, als dass Gutsmann, der nach Scheinigg's Angabe den
Namen zuerst schriftlich fixirte, den Vokal der Ruhelage (s) durch e er-
setzte, ein Verfahren, das ja auch in der slow. Schriftsprache üblich ist
(vgl. pes, godec für pds^ goddc) ? Gegen die Behauptung , in Kärnten
kenne man ausnahmslos nur die Form CSlövec^ muss ich entschieden
protestiren. Die Aussprache mit e gehört in Kärnten nur den gebildeten
Kreisen an und ist ohne Zweifel rein schulmässig (d. h. durch die
Schreibung beeinflusst). Echt mundartlich könnte sie nur dort sein, wo
sich unbetontes d regelmässig zu e wandelt, so etwa in Untersteier (vgl.
Grafenauer, Archiv 27, S. 139). Geradezu unbegreiflich finde ich, wie
ein Ortsnamenforscher der Ansicht sein kann, es sei misslich moderne
Dialektformen zur Erklärung von Ortsnamen heranzuziehen. Die mund-
artliche Aussprache der Ortsnamen, mag sie noch so beschränkt sein,
bildet doch da, wo ältere urkundliche Belege fehlen, die einzige Grund-
lage für den Forscher; und selbst wo solche vorhanden sind, muss die
Dialektform unbedingt herangezogen werden, da sie uns in Folge der
grossen Konsequenz der lautlichen Entwicklung in den Mundarten über
gewisse Lautqualitäten oft Aufschluss zu geben vermag, während die
urkundlichen Formen uns diesbezüglich häufig genug im Stiche lassen.
Im höchsten Masse verkehrt ist es, von modernen Schreibformen auszu-
gehen, die ja, wo sie nicht sozusagen buchstäblich mit der volksthüm-
lichen Aussprache zusammenfallen oder auf alter Ueberlieferung be-
ruhen, nur als Rekonstruktionen im Sinne des gegenwärtigen schrift-
sprachlichen Lautstandes zu betrachten sind, deren Richtigkeit aber
keineswegs immer feststeht, sondern von der grösseren oder geringeren
Vertrautheit des Schreibers mit dialektischen Lautverhältnissen abhängt.
Wohin die Unterschätzung der Dialektform führt, zeigt das von Schei-
nigg — vielleicht in Hinblick auf meine in der genannten Abhandlung
422 P- Lessiak,
S. 1 18 aufgestellte Etymologie — vertheidigte Velikovec (Völkermarkt],
das ich oben als ein gradezu typisches Beispiel einer falschen Rekon-
struktion angeführt habe. Scheinigg stellt die Sache gerade auf den
Kopf: Das Volk ist im Irrthum, seine Aussprache — Bhköyi[9)c^
Bllioii[d)c — beruht bloss auf gelungener Volksetymologie und der
kaum erst der Gegenwart entrückte Schreiber, der in seiner Deutungs-
sucht das »Monstrum« Velikovec schuf, ist unfehlbar. Dem Herrn Prof.
wird doch die urkundlich oft belegte Namensform Volkin — Volchen —
Volke-marchet bekannt sein, deren erste Hälfte sicher ein slov. Bolik-,
Boljk- voraussetzt. Denn 1. regelmässig entspricht in früh entlehnten
Wörtern dem slow, b im Deutschen die Lenis f (meist v geschrieben),
während der Uebergang von slov. ü, das die Mehrzahl der kärntner
Slovenen noch in seiner ursprünglichen Geltung als Halbvokal u
(= engl, w) bewahrt hat, zu deutschem v {= f) unerhört ist, wenig-
stens in Kärnten. In Südsteiermark, zumal im Osten, wo jenes wohl
schon frühzeitig zu stimmhaftem Reibelaute wurde , wo es vor stimm-
losen Konsonanten gegenwärtig geradezu als f erscheint, wie etwa im
Russischen, kommt eine derartige Substitution allerdings vor. Das
kärntnerische Beispiel Viktring (gespr.^^n'w^), slov. Vetrinj\ das etwa
entgegengehalten werden könnte, kann ebenso wenig in Betracht kom-
men wie das oben angeführte Pod Veti-ovami^ Föderaun, da « Vetrmj((
im Volksmunde gar nicht existirt. Die deutsche Form (urk. X. Jahrh.
Vitrin) setzt ein slov. dial. Bdtrinj{e) voraus, und so lautet der Name
auch im Villacher Bezirk (in Viktring und Umgebung sagt man dafür
KuqHr d. i. Kloster). — 2. Der Uebergang von e [Velik-] : o {Volkin-)^
das unter dem Einflüsse des folgenden i zu ö umgelautet wurde, ist
schier undenkbar. Man könnte dagegen einwenden , däss in deutschen
Namen zuweilen ö für urspr. e eintritt, vgl. z. B. Wörth für altes
Werid{e)^ Hörzendorf für Herzogindorf \ dieser Vorgang ist aber
keineswegs etwa als »Umlaut« zu bezeichnen, wie Scheinigg dies S. 150
in Bezug auf Wörth thut, sondern die Schreibung mit ö beruht, wie
schon erwähnt, auf der mundartlichen Aussprache, in der etwa seit dem
XV. Jahrh. e und ö in gewissen Fällen in ein geschlossenes (ö-artiges)
e zusammengefallen sind ; vor dem XV. Jahrh. ist eine solche Vertau-
schung ausgeschlossen, ^Bolikovec « hat übrigens zahlreiche Parallelen,
vgl. etwa Bolikovice, Bolkov {Bolikov) in Böhmen, Bolikov in Mähren
(2 mal), Bolkovci in Serbien. Dazu gehören Bölk, Bölkoic^ Bölken-
dorf in Nord- und Ostdeutschland, wo im Gegensatz zum Süden slav. h
Noch einmal Klagenfurt-Celovec. 423
unverändert übernommen wurde, weil die Norddeutschen germ. h als
stimmhaftes h bewahrt haben, während es im Süden zu p wurde. Daher
war man hier gezwungen zu einem Ersatzlaut zu greifen : der nächst-
liegende war die — früher wahrscheinlich stimmhafte — Lenis f (ge-
schrieben v] , die ja auch umgekehrt im Sloveniachen durch b vertreten
wird, z. B. Fleck, hlek^ Hafner, hahnar u. s. w.; erst später tritt dafür
w ein, das allmählich seine Aussprache gewandelt hatte, sein ursprüng-
licher Lautwerth war nämlich u wie noch im Englischen. Ueber diese
Substitutionsverhältnisse, die wenigstens zum Theil auch für das Nord-
slavische (speciell Tschechische) gelten, vgl. Sievers' Beitr. 28, S. 1 1 7, 1 36.
Der Name Bolikovec könnte zu holjka^ Ruchgras (Pletersnik S. 44) ge-
stellt werden, ist aber eher von dem Eigennamen, tschech. Bolik, Bolek^
Bolko (nach Kott, VI, 1033 eine Koseform zu Boleslav) abzuleiten.
Das deutsche Volkin- (genauer Vblkin-^ denn die älteren Quellen lassen
den Umlaut häufig unbezeichnet) kann am ehesten als Gen. Sing,
eines schwachen Maskulins * Volko aufgefasst werden, das genau einem
slav. Boliko entspäche. (Deutschen Ursprungs kann der Name schon
deshalb nicht sein, weil ihm unaspirirtes k zu Grunde liegt, wie dies
die ältesten Schreibungen mit »/t« — d. i. unasp. k im Gegensatz zu ch
oder kell — zeigen.) Dass sich aus "^ Bolikoiäci dialektisch Bl{d)köii9c
entwickeln konnte, ist selbstverständlich (vgl. etwa Broide aus Borovlje^
ncp aus noco u. a.).
ZurErklärung von Klagenfurt möchte ich noch bemerken, dass man,
einen Gen. von Klago (ahd. Klagin) vorausgesetzt, statt des dialekti-
schen klilqgn- ein khlügn- mit hellem, d. h. Umlauts-a erwarten würde,
da a in solchen Fällen regelmässig sekundär umgelautet erscheint, vgl.
Ratzendorf (zu i^a^o), Grafendorf (zu gravo), gesprochen rats?i-, gräfn-
nicht rqtsti-, grofn-. »Grafenstein« bildet allerdings eine wegen seiner
Lage leicht zu erklärende Ausnahme. Was die Form Celovec betrifft,
so ist sie lautgesetzlich ebenso unmöglich wie Stvolovec. cSlo lautet in
der Ma. ganz regelmässig ceuu^ demnach sollte man die Aussprache
ceiiöiic erwarten [e = geschlossenes e) ; auf Grund der Dialektform
konnte man höchstens *celjevec ansetzen, was immerhin Schwierigkeiten
bietet. Es liegt aber auf der Hand, dass man das Auftreten eines v in
konservativeren Dialekten nicht als sekundäre Erscheinung betrachten
darf. Dass der Labial vor dem zu d geschwächten (vielfach übrigens
ganz geschwundenen) nebentonigen i schwinden konnte, ist leicht
begreiflich, zumal in Mittelkärnten, wo wir nicht v sondern ti
424 P- Lessiak, Noch einmal Klagenfurt-Celovec.
vorauszusetzen haben. Richtig ist Scheinigg's Bemerkung, dass modern
slov. cviliti und nhd. klagen sich nicht vollkommen decken, aber sie
ist schliesslich doch recht belanglos, wenn wir die übrigen slav. Sprachen
in Betracht ziehen , wo das Wort (das übrigens im Tschechisch-polni-
schen mit anlautendem ^ ei'scheint, also dem Urslavischen angehört)
auch die Bedeutung «wehklagen, jammern« hat (z. B. tschech. kviliti
n^koho jemand beweinen). Ebenso wird auch das deutsche »klagen«
noch häufig genug im Sinne von »jammern« gebraucht und dient in
Dialekten (z. B. in der Ma. der Sette Communi) geradezu zur Bezeich-
nung des Gewinseis der Klageweiber.
Man möge mir verzeihen, wenn ich Einzelnes zu breit behandelt
habe; aber es geht nicht an, die Ortsnamen ausser allem Zusammenhang
mit den lautgeschichtlichen Verhältnissen der zuständigen Mundarten
zu betrachten. Denn fast kein anderer Bestandtheil eines Sprach-
schatzes ist so sehr Individuum, erfordert ein so tiefes Eindringen in
das Sprachleben einer örtlich beschränkten Sprachgemeinschaft wie der
Ortsname. Wird dieser Grundsatz verkannt, so ist es schlechterdings
ausgeschlossen, die Ortsnamenforschung noch ernst zu nehmen und sie
als Wissenschaft zu bezeichnen. P. L.
Ein GrigoroYic'sclies Menaeum- Blatt aus dein
XII. Jahrhundert.
Unter den im Rumjancov'schen Museum in Moskau aufbewahrten
Handschriften der Sammlung V. I. Grigorovic's befindet sich unter
Nr. 1727) ein Pergamentblatt des Menaeums, enthaltend Sticheren auf
das Fest der Mariä-Himmeifahrt sowie den Schluss der achten und die
ganze neunte Ode des auf dasselbe Fest bezugnehmenden Kanons
(15. Aug.). Ungeachtet des ganz unbedeutenden Umfangs (1 Bl. 20 X
12,5 cm.) zeichnet sich das Fragment durch so wichtige paläographische
und sprachliche Merkmale aus, dass es vollauf verdient herausgegeben
und analysirt zu werden. Die von Sreznevskij vor mehr als 35 Jahren
Ein Grigorovic'sches Menaeum-Blatt aus dem XII. Jahrh. 425
veranstaltete Ausgabe dieses Fragmentes in dem Werke »^peBHie cja-
BKHCKie naMHTiiHiai locoBoro nnctMa« S. 213 — 214 muss als in allen
Beziehungen unbefriedigend bezeichnet werden. Zunächst ist bei ihm
der Text nicht vollständig herausgegeben. Dann aber auch trägt
das Mitgetheilte alle Anzeichen einer sehr nachlässigen Publikation
an sich.
Auch die paläographische Charakteristik des Fragmentes ist sehr
ungenau. Er behauptet z. B., dass in der Handschrift der Buchstabe ß
der Form D sehr nahe komme, allein bei näherer Betrachtung findet
man auf der rechten Seite des Buchstabens einen genug tiefen Bug.
Auch die Behauptung, dass in dem Fragment neben A auch noch a be-
gegne, ist ganz unrichtig. Der einzige Fall, wo man a so erklären
könnte (1. 7), rührt davon her, dass der Buchstabe durch dicke Auf-
tragung der Tinte undeutlich geworden ist.
Auch die Datirung der Handschrift bei Sreznevskij (XIII. Jahrh.)
erregt Bedenken, da weder paläographische noch sprachliche Merkmale
des Textes etwas bieten, was gegen das XII. Jahrh. sprechen würde.
Die Handschrift ist mit kleiner Halbuncialschrift geschrieben, die
eine kleine Senkung nach rechts zeigt, 32 Zeilen auf jeder Seite. Sie
wird durch die konsequente Anwendung des Vokals k statt 1%. charak-
terisirt. Zuweilen sieht das Zeichen k durch einen oben angebrachten
kleinen horizontalen Strich sehr nahe der Figur T^. Vergl. Kf CKMpkT-
Hdrä 1 3; MHOJK'kCTßO 1 "^ 29. Selbstverständlich wird auch ki immer
nur so geschrieben, und zwar findet die Verbindung der beiden Be-
standtheile durch einen horizontalen Strich statt: u. Beachtenswerth
ist die Anwendung des Buchstaben a, der unter gewissen Bedingungen
regelmässig angewendet wird. — Der Buchstabe ö wird zweimal im In-
laut: JKHBOTÖ 1 23 und TliAÖ 1^ 8, sonst nur im Anlaute gebraucht :
i^cncHH 1 lo; Hföciüna;Ri|JA l 12; ScneHHK» 1 30; ÖEAH^aJTk Vi. —
Ebenso kommt nur im Anlaute der Buchstabe W vor. — Einen alter-
thümlichen Charakter drückt dem Fragment die Abwesenheit der jotir-
ten Vokale auf, mit Ausnahme des Buchstaben ra. Die Jotation des ü<
und ( wird meist durch den darübergesetzten Punkt angedeutet: fCH
1 2, TBCjro 1 4, cKHHHe 1 5, ix^ l 6, no;i;iiJH 1 i:, HfSckindÄ\ip/Ä
1 12 u. s. w. Uebrigens dieses Zeichen wird auch auf a und selbst auf
H und w gesetzt: räno 1 1; np-tMTarä 1 2; ccckMpkTHarä 1 3; Ck-
MOTp^HHiä 1 4; wmecKHrii 1 4-5; ßkRHrayA 1 e; YO^iidraHi^A 1 12;
426 Gr. Iljinskij,
ivCTaKUUH 1 14, H 1 17; WCTH CA ib. U.S.W, — Der Doppelstrich dient
hauptsächlich zum Ersatz des schwachen Vokals: mjct"ho 1 26; Hf-
np'6cTaH"H0 l'' 11; HJH3pfMeH"H0 ib. 13-14. Als Interpunktions-
zeichen gilt der Doppelpunkt (:). Zuletzt seien drei nicht uninteressante
Schreibfehler erwähnt: noKOHiua statt noKOHijja 1 3; HfnocTb^HA
statt HmocTbj;i,H/Ä 1 12 und EkKO^nlv A^^CTaiUA statt BbKOVn'6
npk;l,bCTaUJA 1 24-25.
Was die grammatische Seite des Fragments anbelangt, sei zuerst
der Gebrauch der schwachen Vokale hervorgehoben. Die Zahl der
Fälle, wo die schwachen Vokale durch volle Vokale ersetzt werden, ist
T
im ganzen nicht gross, und zwar 4 mal in den Wurzelsilben : lUiiiECBHra
1 4-5, H6CT"hc» 1 20 und KfCK 1 ü, 17 und 3 mal in den Suffixen: ^Ht
1 13,31 und 1^ 19. Wenn nicht bei dem geringen Umfang des Fragmentes
der Ersatz des 1%. durch 0 nur zufällig fehlt, so könnte man nach der
Sprache das Fragment als ostbulgarischen Ursprungs bezeichnen, worauf
auch der Fundort (irgendwo im Balkangebiete) hinweisen würde. Die
Wahrung des schwachen Vokals findet namentlich in den Präfixen statt,
zumal bei ck: ckMpkTH 1 1; ch,Mpb,Th> 1 2; KfCkMpkTHa 1 3; Ck-
MOTpCHHra 1 4; CkPAaCHO 1 26; Ck3kIBa;i^L|JE 1^1; bei BTv und BT\3:
BkHHräY/fV 1 e; BkCKpCEHHEM 1 17-ls; BkSBfAHHH CA 1 Is; BkC\'kl-
ipaa^A 1 23; BkKOYn-k 1 24; BknHrauiE 1 26-27; BknHEM l"" 1; Bks-
AkiYa;^i|j£ V T, BknHiiiiiJE r s-9; Bkcnoeiuik 1^13; Bknaki^m ca
l'' 14; BkM'Kl|JkLUH 1^ 16; BkCA'6;\k 1"^ 2o; BkSkHHEMk T 25; BkCt-
aeh'Kh 1^ 30 ; in wet^: WKkCT0;s^4J6 V 6. In Suffixen hat sich der
schwache Vokal nur 7 mal erhalten: BkCkHkCKoa 1 9-10; KpTHiaHk-
CKkl V 3; EkC'kHkCKkllUlk 1^ lo; anCCTOAkCKkl 1 lS-19; B63Hf-
B-KcTkHaia 1 27-2s; TpkJKkCTB--;iiTk 1 31-32; aHkrakCKoe 1^27-28,
und nur 4 mal in der Wurzel: BkC'Rii/i'K 1 2; BkCkKk 1 s; BkCH 1 30;
TkA/A 1 7. Ausgelassen wurde k 3 mal bei Präpositionen: c TOKOä
1 28; c HHiuiH ib.; b p/ftu,t: 1^ 23; 16 mal in den Präfixen, und zwar
bei KfSTs.: CECkMpkTHara 1 3; KfSHtB'KCTkHara 1 27-28; bei dem
Präfixe B'KS'k: BkSBEAHMH Ci 1 is; BkCKpCfHHJM 1 17-18; BkC^kl-
ipaa^'Ä 1 23; Bk3AWY^^'^4^^ ^"^ '5 BkcnotMk P 14; bei h3'K :
HC 1 7, 11; H3B04,Ai4JH le; HcnoB'k^a;RHJA;R F 26-27; bei ck.
CHTH 1 29 l"" 12, is; crcThmk» F 3; bei wb^k: WBpaA<>B'»Hara 1 27;
und pa3: pacferaHH 1 24. Ferner fehlt der schwache Vokal 22 mal in
den Suffixen: ncrpEBiUH 1 1; wcraBiUH 1 14; HH»;HH\'k 1 14-15;
Ein Grigorovic'sches Menaeum-Blatt aus dem XII. Jahrb. 427
BivpHKiMK 1 16; HfnopoHHaa 1 is; npno;i,OKHKi\'K 1 19-20; mktho
1 21.; ch.rAacHO 1 20; lUKpa^OBaHaa (?) 1 27; KpacHOMO^ 1 30;
.^{MHKlMk r 1; Hfnp'kCTaH'HkIMH l'' 2 ; RÜpHO Vi] HIO;k,H0V
l^s; ß(AMH 1^ y; HmpIvCTaHHO l'' 11; (^,ha r 12; Hm.speMfHHO
P 13-14; np'fe;i,aEiiJH 1' 17; ;i,aRKicKki;R Tio; np aaBHa» 1^23;
TKOpi^oy V 92-30. Nur 7 mal findet man den schwachen Vokal in den
Wurzelsilben ausgelassen: ScntHH 1 10; o\fcn£HHJ 1 22; öcneHHio
1 so; MHorcMk 1 15; 3p1v\'/A 1''7; ßctuh 1 24; rji,( 1 5. Einmal
steht k unorganisch: aHkrakCKO« V 27-2S.
Was die Anwendung der Nasalvokale anbelangt, so sei zuerst die
Unterscheidung zwischen A und ä hervorgehoben. Während das letzte
Zeichen in den Fällen steht, wo der Nasalvokal noch nicht der Labiali-
sation unterlag, dient a zum Ausdruck des bereits labialisirten Lautes,
und zwar nach in, i]i, H^, JK^k, und u,, und vielleicht nach c und p. Man
vergleiche einerseits solche Schreibungen, wie: hskoaalijh 1^3; rOTO-
BAL{J<A CA 1^10; rÄll|lf 1' IG und 26; HÜÄÄljJH N,! 1^ 31; BfAÄTK CA
1 9; KanATK 1 13; TÄ 1^7,9,27; npt/KH CA 1 14; BABH CA 1 il ;
— j .1 c
WCTH CA 1 17; BkSBEAHHH CA 1 18 ; pa\-H-A 1 27; MH CA 1 29; CRTH
CA 1 29; pa\'H CA P 2; roTOB'feuje ca Fe; mah ca Tu; Bknak-
l|J6H CA 1^ 15; npHBf^/ATCA 1^ 27; npHB6,l,/ÄTk CA V 22; np-RCTA-
B'ktTCA 1^25; mÄhmth CA 1^32; 3£MA GM 14 — Und anderseits
solche Beispiele: HESckina;f^i|j/ft Ac,' 1 12; rOTCBAiji/Ä ACf P9-10;
BHJK/A Ft\ V ^; X^/\ Aa^ 1^19; y<5A<*t<»hha Ae^ 1 12; ki^a Ac^
1^ 21, 27; C/si\it 1 24; pAL^t Ac2 V 19, 23. Da in unserem Texte das
Zeichen a nie nach den palatalen Zischlauten begegnet, so muss in den
Beispielen: jkaao li; ctauja I25; ;v,uja Ac^ r2o; Hauj<ft ACf 1'' 20
nicht das etymologisch verlangte A gesucht werden, sondern jener
Laut, der in den übrigen Fällen der mittelbulgarischen Texte durch ;r
ausgedrückt wird. Nur in zwei Fällen scheint A als Aequivalent des
alten Nasallautes A zu gelten, und zwar in: npt:cACtBAi|jHta 1^ 24, 25
und TA 1 10. Das Beispiel TkAA GM 7 ist zweifelhaft. Beachtens-
werth ist es, dass a nicht selten statt ^ nach harten Konsonanten
steht: MiAHTBA Ac^ 1 11; caaB/ä Ac^ F 13; J,e,a V u; actB/Äijje
l^'ie; HenocTk;i,HA ACf 1 13; e;k,HA Ac' l"" 13; no^BaA/Ä Ac^ l^'i;
np'tcT/ftÄ Aci r 17; n(iiiRi;i,ATh. 1' 21 u. 22; BkRHia^/Ä 1 0; Bkc-
X'kiLpaaY'A 1 23; sp'KYA 1' 7; ;i,HB'kX''^ l"" 8- Da die Beispiele zu
428 Gr. Iljinskij,
zahlreich sind, als dass man in ihnen Schreibfehler erblicken dürfte, so
erscheint als das einzige Mittel, diese Formen zu erklären, die Annahme,
dass A hier den seiner nasalen Resonanz entkleideten Laut 7f>. aus-
drückte. Diese Annahme findet ihre Bestätigung in dem Umstände, dass
die hervorgehobene Erscheinung — mit einer einzigen Ausnahme in
dem Beispiele 3C>ß/Äi|je 1^ lo — nur im absoluten oder nichtabsoluten
Auslaut vorkommt. Es ist aber bekannt, dass die Nasallaute vor allem
und zuerst im Auslaut in die reinen Vokale übergehen. Was endlich
den Vokal ?h anbelangt, er wird sowohl an seinen ursprünglichen Stellen
aufrechterhalten wie auch für A nach/. Z.B.: npH;iiTH 1 i; npH;^Aa
1 2; t;R/Ke 1 0 und 1"^ 25; nc»;*iiiJH 1 7; nc<;i\4JE 1 20, P 26; paoY;¥vHJf
1 13; TpkJKkCTB--;^Tk 1 32; kjkh;*; Gf 1 32; Ck3KiBa;^i;jE 1^ i;
WKkCTo;i;i|jf P 1; BkSAi^X'^'^U^' ^"^"5 np-ScTA;^ Ac/ 1^14;
HT-Nx Ac' 1^14; ^aBkicKKi;^ ACf F20; kTkh;^ ACf 1"^ 26.
In nachfolgenden Fällen wird t in der Bedeutung von i<i angewen-
det: BH^'kTeA't 1 5; BkckKk 1 s; BbcKMkCKam l 0-10; seniAt 1 n;
BCAHH'KEMk 1 20; rCTOB'SllJf CA P 5-6; yk.HB'^YA CA 1"^ S ; BkCt-
MkCKyMii l^io; np-kcTaßlvfTCA 1^25.
Die Zusammenziehung der Vokale ist durch folgende Beispiele ver-
treten: ScnEHH 1 10; B'KpHkiMk D^ 1 le; anocTOAkCKki N^ uis-io;
npnc»A<?KHki\-k 1 19-20; BknHrä\'A 1 c; HMark in; BknHrauj£
1 26-27; SfMHkIMk D3 1^ 1 ; Hf np'RCTaH"HkIIUlH IJ^ 1^ 2 ; ;i,HB'K)C/Ä CA
V s; BknH»LlJ{ ns-9; BkCkSkCKklMk 1"^ lo; HAHkCKkl 1"^ 20.
Die Consonantenassimilation findet man in folgenden Fällen : K(Ck-
MpkTHAß 1 3; rj\,( 1 5; HC TkAA 1 7; HC TfK« 1 11 ; BkCKpCfHHfü
1 17-is; BkCYkinjaa\'/Ä 1 23; pacfewHH 1 24; BkcnoeMk 1^ 13; Hcnc-
B'b;^a;^i|j/ft;f^ r 20-27.
i epentheticum fehlt beinahe gänzlich: norpECiUH 1 1; Kan^Tk
1 13; Sfiuii 1 14; wcraBLUH 1 14; np-tcTaßjHHk» 1 32; np-Scraßf-
HHE 1 5; roTOBtuif CA 1 5-6; AUß'^X'^ CA 1^ 8; nptcTaB'RfTCA
V 25; 3fMH n 30 ; ein eluziges mal liest man stluiA'K 1 i7.
Von den morphologischen Eigenthümlichkeiten ist erwähnenswerth
bloss H4,£UJk 1 5 statt h;i,«ujh. Ist das Schreibfehler?
BtHHE npH;f;TH : räKO H^<^AO CkMpkTH HCrpEBUJH :
BkctvMk ckLipkTk nptMTarä npH;¥kAa kh : h
Ein Grigorovic'sches Menaeum-Blatt aus dem XII. Jahrh. 429
•.e: Ha noKOHiUiV i np'kM,\,E BCCKMpKTMara :
GkMOTpfHHiii Tßoiro : CD MHpa Kh Koy : vOiueckh
ä CAOBfCf ßH;i,'kTfAlv : r^( a H^fiuii^ ckhhhc 5
CTarii : ßknHräYA^ caksho : i^ HSKO^AipH :
HC TKAÄ'* Bk h;h3hk : no;^LyH ak»« np**; :
Il'k : «■ : H6;k,oo\'M'KiTK ßcRKh, : —
EfCK MHpK paytTK CÄ : H ßfi\4Tk C4 ßkCkMkCKa
ä : a ScnfHH th ^bo nVarä : ta ko MAßHk po^i^ 10
liMaTk : Kk po:KeHoyov hc tee« : mhtba
HE^Ckina;f^L|j<A : Yct;i,aTaHi^/Ä H«nocTk;i,H/A ^ ;
a KanATk ropki ;i,h6 p^\^^m( cä : macTHTa ko
ropa : (D SfiHA np-R/KH cä : he wcraBiuH hh
JKHHyk : MHoronik niocpHfMk : np-feHTa« 15
:k: rn^e : ß-SpHkiMk npHG'KH\HL|J£ : —
SfMA-t KABH CA : H BfCk J!L,\h WCTH CA : BkCKpCC
HHtM^ TH HcnopoHHara BkSBEAHMH CA : ano
CTCAkCKki AHKk : H naTpHmpyk h MHKk np
no;i,OBHkiYk : no;i^i4JE kh/ä BEAHH'keMk : 20
•^ Gth : TAa : H : B : —
Ha Bf •■• pkTHOf ' OYCRJHHe TH : KU,e UTÜ iKHBC»
TS : w-a-H^ ÄHAki HfBH^V"'^'*^ BkCYkinJaajC'Ä :
Bk BCfMkä MHpIvio C/Äipe padvräHH : EkKorn-R ^h
Anmerkungen: 1) Sic. 2) Sic. 3) In diesem Worte ist
der rechte oberste Theil durch ein Loch verletzt. 4) man kann es
vielleicht auch als TkAA lesen. 5) Sic. 6) Der linke Theil
des Buchstaben h hat vom Loch gelitten. 7) Nach e sind Spuren
von c und der rechte Theil von M sichtbar. 8) Zwischen w und a
standen einige, durch das Loch zerstörte Buchstaben; zwischen den
Buchstaben a und H stand noch ein Buchstabe, den wir nicht entziffern
konnten. 9) Beinahe der ganze Buchstabe k und ein Theil von
M ist durch das Loch zerstört. 10) Der linke Theil des Buchstaben
M ist verstümmelt durch das Loch.
430 Gr. Iljinskij,
crauj/Äii : np-feHTOiuioyis ^,^^ t'Saoy : f^K« norpe 25
B011J13... HecT"HO : r/\a •• aßpHAki* ckr^acHO BbnHra
me :• pa\'H .ais: wKpaAOßaHaia ;i,bö BesHtB-kcTk
Hara : ri^ c TOBCt;ii : c HaMH ^^ >Ke läKO CHoy ch h BÖy :
JI ■!?
MH CA HAUh CHTH CA :
üpHA'tTe BkCH KpacHoiuioY ScnfHHk» : np'kHT'fe^^ 30
H BU,H npaSHOyCMb : ;^HE BO aHI\\H TpkJKkCTElS...
;¥»Tii : np'KHTOiuio\' np-kCTaBEHHio : b^;^ luii^---
Ha no\-Baa/!\ SfiuiHkiiiik : cb3iviBa;f;qj£ BbnHEM th 1^
Henp'KcTaH"HyMH raacKi : payH cä : Ha;i,c^c
CnCEHHK» HamCMOY • ^^^^ KpkTHtilHkCKK|20 ßC>Ji,h
BijpHO ÖBA/KatTk : ~
6r;i,a np'KcTaBtHHE : np-kcTOMor T'kaov' ro 5
TCB'kuie ci : Tor^a anaH ivBhCTo;^HJ«2i xi^^h. : ch.
cTpayoMk TA 3p'kX''Ä : u'bh Bk3Ai^\'^^L|JE : T'b
a8 MK»;i,HOY AMß'^Y'*^ ci : ncTpk cw caksaniH Bk
nHtiJLUc TH : w ^bo : bh^K/A t\ beamh : roTOBa
4i/Ä CÄ Kk (r'\-On;fHHK> : ^KHBOTf BkCt^MkCKklMk : 10
np'kHTara 22 ^h cä Hfnp'KcTaH"HO : cho\' ch h Boy
chth rpa;k,k cboh he^bh^hmo :
^ Ha caaB/A : h h "nt : (;\,ua CD hh : raa : ^ •
ripHAtTf BkcnofMk AK>e : np'RcT/Sv;^ ;i,b^ hta;*; : neii
11) Sic. 12) Zwischen np'tHTO und luioy sieht man eine Rasur.
13) Nach uj ist ein Buchstabe verwischt (a?). 14) Von A ist nur
ein Theil übrig geblieben. 15) Von c sieht man nur schwache Spur.
16) Der Buchstabe a ist verstümmelt durch das Loch; vielleicht sollte
man lesen c hhmh. 17) Der rechte Bestandtheil von 'S ist abgerissen.
18) Der Buchstabe 0^" ist abgerissen. 19) Die übrigen Buch-
staben sind abgerissen. 20) Sic. 21) Ein Theil von ^ ist
durch das Loch verstümmelt. 22) Das linke Ende des horizontalen
Striches von 'S ist durch das Loch zerstört.
Ein Grigorovic'sches Menaeum-Blatt aus dem XII. Jahrh. 431
3peMfH"H0 npOH;i,£ : KknAKL|lfH CA CAOKO (ÜMf : 30 15
B/M{JE H rAAL|IE : I^ABEHa TKl BK »^{Ha\'li : RA^KEHA
i<i Bk rpoBlv : BkMliqjiiUJH ya : ciuioy^E bk npü
c'Fkh pale'S js^iii ch np'K^\aKiuH : iuioah npli-TA^s
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/^aBkicKu;^ n-bHiü : jv,n( a\c( nomh : yoy Boy npH 20
BC;i,<IiT C\ Aßhl : i;pi;H ;1,B'KH BKCAtl^li (Jf, i npH
Bt;i,ATK Ci Bk BECEAHE H pA^OCTk : HBO ••• ClvM£
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HJKra29 np'kcTaB'keT ca : E/'rjk« rano iupe b»;h;^ : 25
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üpICHTHOMOY TH t'Sac»y : np-RMTaiä ;i,BO : aHk
PAkCKOE MHCH^kCTBO HA HEBEYI^ ' H MAMkCKkl
po;V,k HA 3fL1H EA/KHTk : räKO MTH Bkl TBO 30
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pij,o\' : BkCEAEH-kii \c>y KOY : Toro maljjh Henp
CTAH 3a Hkl : MHIUI TH CA : TJB't BO CA Ha^'^CIUI"
23) c und ein Theil von B sind durch das Loch zerstört.
24) Ein Theil des Buchstaben 0 in hbo, beinahe das ganze W und ein
Theil von ( sind zerstört durch das Loch. 25) Die vorausgehen-
den Buchstaben sind verwischt. 26) Die Buchstaben a und u, haben
durch das Loch gelitten. 27) Die fehlenden Buchstaben haben durch
das Loch gelitten. 2S) Das Fehlende ist verwischt. 29) Die
Theile der Buchstaben n und p haben vom Loch gelitten. 30) Ein
Theil von i|i ist durch das Loch verstümmelt.
Gr. Ilßnskij.
Zusatz. Wir hätten gewünscht, dass der zweite Herausgeber des
Blättchens sich auch nach dem griecli. Original des Textes umgesehen
hätte. Für die Sticheren, von Zeile 22 angefangen, hätte er selbst in
den gewöhnlichen griech. Menaeen den Text gefunden, z. B. in der
432 Grr. Ujinskij, Ein Grigorovic'sches Menaeum-Blatt aus dem XII. Jahrb.
venezianischen Ausgabe vom J. 1884 steht auf S. 79 der Text; ttj
dd'avdTfp oov yioii-irjasL für das erste Sticheron (Ha CECbMpkTHOE ov'-
cniHHi), daraus gewinnt man für die Lücke der Zeile l'* 23 die richtige
Lesart WBAai^ii (griech. verpelccL). Für das zweite Sticheron npH/k.'kTe
BiiCH (Zeile 1*^ 30) findet man den griech. Text auf S. SO: Jevte xr^v
7tcr/Y.öofXLOV y.oiuriaiv, woraus ersichtlich ist, dass man Z. 32: B/Kh;i;
lUITfpe lesen muss (griech. riig d-EOj.ir^xoQog]. Für das dritte Sticheron
(Z. l'' 5 tr^a np-KcTaBeHHf) liegt der griech. Text auf S. 74 vor: "Ore
fj /.lerdoTCiOig tov axQÜvtov oov OKrjvovg. Dem Sticheron Z. V 14:
npH/i.'KTf EbcnoJMk entspricht der griech. Text auf S. 73: Jevre
UVV uvrioio 1.18V Xccol ri]v Ttavcr/iav. Das nächstfolgende Sticheron
Z. l'' 20: y\,aßiü/k,kCKKi;¥; H'Schh findet man griechisch auf S. 74:
JavlTLY.riv v)öi]v arji.i£Qov, man sieht daraus, dass in der Z. 21 ;i,B'Kh
zusammen als ein Wort gelesen werden muss, obgleich der slavische Text
mit dem gedruckten griechischen hier nicht übereinstimmt, denn statt
i;pi^H /k.K'SH steht im griechischen: rcp ßaoilel, so auch im heutigen
slavischen Synodaltext: ij,pio ^iiBKi. In der Z. 22 muss die Lücke
durch (0 (ctMfHf) ausgefüllt werden (Ix aTtsQuarog), das weitere je-
doch stimmt zum gedruckten griech. Text abermals nicht, es müssen
offenbar andere Lesarten des griech. Textes vorausgesetzt werden, da-
rum ist auch die Ausfüllung der Lücken im slavischen Text (ohne andere
Parallelen) nicht möglich. Das letzte Sticheron Z. 1"^ 28: np'KsTHO-
MOY TH T'Saoy kehrt im griech. Text auf S. 73 — 74 wieder: Ti]v
jtüvGeTcrov oov ■/.oi/.irjOiv . . .
Diesen noch jetzt in gedruckten griechischen Ausgaben nachweis-
baren Sticheren geht jedoch ein Kanon auf die Mutter Gottes voraus,
den ich in den mir augenblicklich zugänglichen Texten, weder im grie-
chischen noch im slavischen, finden kann. Gewiss wird jedoch dieser
besondere Kanon in alten griech. Handschriften seine Vorlage haben.
Man müsste sich eben darnach umsehen. Dann würde man auch den
etwas dunklen Sinn der mit CkMOTpeHHia Z. 4 beginnenden Strophe
leichter enträthseln. V. J.
Kritischer Anzeiger.
Die neueste Uebersetziing des »Evgenij Onjegin« ins Polnische.
Russische Dichter sind bei uns nicht populär. Die Jugend in Kongress-
Polen lernt sie unter gar misslichen Umständen kennen, nur mit Gewalt in
der Schule, welche mehr von den politischen als von pädagogischen Grund-
sätzen geleitet wird. Es ist daher auch nicht wunderlich, wenn sie die Werke
dieser Dichter mit einem solchen Widerwillen studiert, wie sie etwa die un-
regelmässigen Verba aus dem Griechischen und Lateinischen einpaukt; und
hat der Schuldruck nachgelassen, so nimmt sie von den russischen Dichtern
mit Freude, ja oft mit Hass Abschied.
Die übrige polnische Jugend kennt die Hauptvertreter der russischen
Poesie nur vom Hörensagen, im besten Falle aus polnischen Uebersetzungen,
welche nicht gar zahlreich sind und ihr Wert gewöhnlich — unter aller Kritik.
Am seltensten und am schlechtesten wird Puskin übersetzt. Bisher hatte
man nicht einmal eine mittelmässige Uebersetzung seines Meisterwerkes, denn
jene, welche im Jahre 1847 erschien, gleicht eher einer Parodie, als einer
Uebersetzung. Sechsundzwanzig Jahre später hat Budzinski, seines Zei-
chens Jurist, das erste Kapitel der Dichtung übersetzt. Er erfüllte seine Auf-
gabe nicht viel besser, als der erste Uebersetzer — Sikorski. Ungleich
besser machten ihre Sache in kleineren Fragmenten: Plug, Bartoszewicz
und Gomulicki.
Endlich erschien im J. 1902 die zweite vollständige Uebersetzung »Ev-
genij Onjegin's«. Uns beschenkte damit ein Petersburger Advokat unter sei-
nem Pseudonym »Leo Belmont«.
Der Uebersetzung geht eine ausführliche Einleitung voraus, in welcher
man uns versichert, dass »die Form des Originals genau wiedergegeben ist«.
So etwas hat bisher noch [Niemand erreicht ! Zwar hat der deutsche Ueber-
setzer, Dr. A. Lupus , die Form des Originals bewahrt, aber nur ein Kapitel
gegeben, hier jedoch haben wir eine ganze Uebersetzung.
Aus der Einleitung geht eine grosse Selbstzufriedenheit mit der voll-
brachten Arbeit hervor und die Ueberzeugung, dass sie so ausgeführt wurde,
dass man in ihr »subtil den Geruch des Originals« nachspüren kann. Wir er-
fahren, dass Wi. Spasowicz, nachdem er die zwei ersten Kapitel der Ueber-
setzung kennen gelernt hatte, den Uebersetzer »lebhaft aneiferte«, er möge sie
weiterführen. Wir erfahren ferner, dass der Uebersetzer sich unter dem Ein-
Archiv für slavische Philologie. XXVn. ' 28
434 Kritischer Anzeiger.
flusse dieser Anspornung auf die weitere Arbeit warf und das Ganze, mit
Ausnahme einiger Strophen, die er noch »auf der Schulbank« übersetzte,
»binnen nicht ganz zwei Monaten beinahe mit schöpferischer An-
strengung beendete und zwar mit jenem halb schmerzhaften, halb wollüstigen
Feuer, welches die grosse Liebe zu dieser Arbeit anfachte; mit jenem grossen
Zauber der wahren Poesie, der auf ihn einwirkte; mit jenem grossen Glauben,
dass er seinem Leserkreis etwas Ureigenes zu Nutzen bringt und schliesslich
aus grossem Bedürfnisse — seiner selbst zu vergessen«.
Mit um so grösserem Interesse kommen wir zur Uebersetzung.
Die Dichtung enthält bekanntlich zwei ^Tinderschöne Briefe: Tatjanas
und Onjegins. Den Anfang des ersteren finden wir so übersetzt;
» Pisze do pana — czegöi wiecej ?
To jedno zdradza serca statt.
Czy wydrwisz zapal ten dziewcz^cy?
Czy mnie ukarzesz wzgarda pati?
0 nie ! — w to wierze najgorecej,
Ze mi litosci podasz znak,
Ze nie zostawisz pan mnie tak« . . .
Und das soll heissen :
»Ä Baut nnray — lero ace 6o.il?
Y/«o ji Mosy eme cKaaamh ?
TenepB, k sHaio, bi Baraeä BOJii
McHH npeapiHiCM'B HaKaaait.
Ho ehi, K'o Moeü HecHacnmoit dojm
Xmih KanjiTO otcamcmu xpauji,
Bu He ocmaeume Menn«.
Das ist doch etwas ganz anderes ! Im Originale fliessen die Worte aus
dem Grunde eines bewegten Herzens und finden daher Ausdruck in natür-
lichen Wendungen, wie sie im Leben vorkommen. Da gibt es keine solche
gekünstelte Redensarten, wie : to jedno zdradza serca stau, oder : ze mi litosci
podasz znak, ze nie zostawisz pan mnie tak . . . Die Reime finden sich fast ohne
Mühe zusammen, sodass man sie nicht vermisst, ohne zugleich damit die Sätze
anzugreifen. Anders steht die Sache in der Uebertragung. Wenn wir in dieser
das Reimwort ^«« weglassen, so gewinnt nur dadurch der Satz, denn er ist
eines blossen Reimwortes entledigt. Nicht besser ist der übrige Teil dieses
Briefes und der ganze Brief Onjegins übertragen. Von beiden sind wir ent-
täuscht. Ausserdem stossen wir auf eine Ueberraschung. Der Uebersetzer
versicherte uns, die Form genau bewahrt zu haben, in beiden Briefen finden
wir jedoch eine abweichende , frei gewählte Form. Der Brief Tatjanas, der
um einen Vers länger geraten ist, hat nur 37 von 80 Reimen in der Reimweise
des Originals. Der Brief Onjegins zählt aber in der Uebersetzung 74 Verse,
also um 14 Verse mehr, als das Original; von diesen 74 Versen stehen nur 12
in der Reimweise des Originals. Also wir finden in der Behauptung des
Uebersetzers eine Ungenauigkeit. Hier konstatieren wir noch eine andere
merkwürdige Thatsache. Nach der Uebersetzung folgen die Anmerkungen.
Puskin's Onjegin in poln. Uebersetzung, angez. von Nakonieczny. 435
Zu einigen findet sich die Kürzung (p. a.), d. h. »Anmerkung des Autors« und
wieder bei anderen — fp. t), d, h. »Anmerkung des Uebersetzers«. Mit der
letzteren Bezeichnung sind 11 versehen, doch von diesen sind durch ein Ver-
sehen 7, die von Puskin herrühren, dem Uebersetzer zugeschrieben. Sehen
wir nun. wie die Uebersetzung sonst hier und da gerathen ist. Schlagen wir
das Buch beliebig auf und lesen wir z. B. die 7. Strophe des III. Kapitels:
»Tatjana z gniewem plotek slucha,
Lecz mysl ta jej nie puszcza z kleszcz (!)
I minioicoli to giohi ducha
Dziwnej radosci budzi dreszcz;
I w serce tvjjija si^ potrocha (!)...
Czas przyszedl — i Tatjana kocha!
Tak ziamo pada w grünt . . . a wiew
Wiosniany cieplem iywi siew . . .
Zdaicna tpskniqcej icyobrazni
Potrzehnq hyia nowa tresc;
Pieszczotr pragnie tcziqc i niese.
Zdradziecki poryw serce drazni,
I mtoda piers jej nie chce schnqc (!)...
Dusza czekala . . . kogobadz!«
Die entsprechende Strophe des Originals lautet:
»TaTLflHa ciyuiajia ex aocaaoä
TaKia cmiemu; ho maÜKOMh
Co Heus^jicHUMOW ompadoü
HeeojbKO dyMajia o mojm;
H So cepdne dyjna sapoHUJiacb ;
Ilopa npHni.ia, ona Bj;io6iiJiacB.
TaKt BT. 3eMj[io naamee sepHO
BeCHLI OrHGMT. OjKUHÄeRO.
Jlaeuo en eooö'ßaoKenhe,
Ceopaji HJheoii u mocKoii,
AjiKttJio nmnu poKoeou;
HaßHO ce'pdeHHoe moMMme
TjhCHiiÄO eil MÄadyjo epydh ;
Ü^Tua acaaJia . - . Koro-HiiöyAt «.
Der auch hier einfache und klare Stil des Originals ist in der Ueber-
setzung gekünstelt und verdunkelt, und die Reimnoth führte sogar zu gram-
matischen Missbildungen : kleszcz (st. kleszczy oder kteszczöw) und potrocha
(st. potrosze oder potrochu).
In den ersten fünf Versen sagt der Dichter, dass Tatjana mit Unwillen
solchen Tratsch anhörte, aber insgeheim musste sie doch unwillkürlich daran
mit einem Gefühl unsäglicher Erleichterung denken, und das Sinnen vergrub
sich in das Herz. Was macht daraus der Uebersetzer? Er personificirt »den
Gedanken« und legt ihm dreierlei Functionen zu: Tatjana in eine Zange zu
fassen , auf dem Grunde der Seele unwillkürlich (gegen wessen Willen ?; ein
28*
436 Kritischer Anzeiger.
Erbeben sonderbarer Lust zu erwecken, und allmählich sich in das Herz ein-
zusaugen.
Vergleichen wir die fünf letzten Verse. Das Original sagt uns: »Ihre
verzärtelte und sehnsuchtsvolle Phantasie hungerte nach der fatalen Nah-
rung; die lange Qual des Herzens drückte ihre junge Brust.« Diese zwei ganz
klare Sätze werden in der Uebersetzung zu vier unklaren erweitert: »Ihre
sehnsüchtige Phantasie verlangte schon lange nach neuem Stoffe ; die Zärt-
lichkeit (Object) wünscht sie (wer? die Phantasie?) zu fassen und zu tragen;
der verrätherische Drang (wessen?) reizt das Herz, und ihre junge Brust will
nicht eintrocknen (sie!).« Es ist nicht leicht zwischen diesen Sätzen einen
Zusammenhang zu finden, und der letzte Satz ist geradezu komisch.
Aus den gegebenen Beispielen kann man zwei Schlüsse ziehen: dass
der Uebersetzer nicht vermochte einen entsprechenden Stil zu treffen, und
dasB er in Reimnoth nicht immer das richtige Wort traf. Man muss aber be-
kennen, dass er mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Die Dichtung
ist in 14 zeiligen Strophen verfasst. Die Strophe zerfällt in drei Einheiten zu
je 4 Zeilen und eine zu 2 Zeilen. In den ersten vier Zeilen haben wir über-
greifenden Reim, die weiteren 4 Zeilen reimen fortlaufend paarweise, die üb-
rigen vier haben die Reimstellung: die erste mit der vierten und die zweite
mit der dritten. Die abschliessenden zwei Zeilen bilden für sich ein Reim-
paar. Schon diese complizirte Reimtechnik musste dem Uebersetzer genug
Schwierigkeiten bereiten — wenn er die Form des Originals einhalten
wollte. Aber er fand nicht allein diese Schwierigkeit, die ausserdem nicht
einmal die grüsste war. Die männlichen Reime überwiegen in der Dichtung
entschieden gegenüber den weiblichen, denn es kommen ihrer in jeder Strophe
acht vor. In der russischen Sprache konnte man dafür, bei der Beweglichkeit
des Accentes, auch mehrsilbige Worte gebrauchen, während man im Pol-
nischen dafür nur einsilbige Worte verwerthen konnte und solcher hätte man
fast 3000 brauchen müssen. Diese Nothwendigkeit war es gerade, die dem
Uebersetzer die grössten Schwierigkeiten im Reimen bereitete. Um sie zu
überwinden, bediente er sich der mannigfaltigsten Kunstgriffe. Am häufig-
sten hat er die einfachen Sätze des Originals entweder in gekünstelte , oder
in banale umgewandelt. Wo der Dichter den Lesern seine Heldin vorstellt,
heisst es :
»HraKt, OHa suajiacL TaiLaHofi.
Hu Kpacomoii cecmpu ceoeä,
Hu CEiacecTLH) ea p3rMaHofi
He npuBJieKjia 6i> ona oiefi«.
Der Uebersetzer:
»A zatem zwano j^ Tatjana . . .
Nie wiem, iv czem byi jej wdzirku Mucz ? . . .
Swieiosci^ siostry swej rumiana
Nie moglaby poci^gnac ocz«.
Der erste und dritte Vers sind wörtlich übertragen, weil hier im Pol-
nischen derselbe Reim möglich war [Taijanq — rumianq). Der dritte Vers be-
dingte die wörtliche Uebersetzung des vierten, dieser aber, da er auf das
Puskin's Onjegin in poln. Uebersetzung, angez. von Nakonieczny. 437
Wort öcz ausklang, nüthigte den Reim dem zweiten auf. So entstand die
ungeschickte und gekünstelte Wendung: Niewiem, w czem hyi jej wdzi^ku
klucz ?
Solcher und noch ärgerer Beispiele gibt es in der Uebersetzung eine
Fülle, z. B.: O ekonomii powziqt sqd (S. 51) (H öLi-it rjiyöoKiir aKOHOM-tj, Az go
fortuna pcJmfia wtyi (S. 48) (H npoMOiajc/i HaKOueitt), Wizycie nadac dalszy ciqg
(S. 218) (IlycTLiHHbiii saMOKt naEtmaxt) u. S. w.
Die 12. Strophe des dritten Kapitels schliesst mit einem Excurs auf
Byron. Im Originale :
»jropat EaSpouT), npuxoxtio y^aiHou,
OöJieK'o 6h yHhlJlhlÜ pOMÜHmiUMh
H 6e3Hadeo/CHhiü ^^0U3M^«.
In der Uebersetzung:
»Lorda Byroua kaprys zreczny —
I egoizmu ciemny swiat
Przyoblöki w romantyzmu kwiatc
Das Bild, dass man eine rätselhafte »dunkle Welt des Egoismus« in eine
Blume einkleidet, ist sonderbar. Es wird nicht Jedem einleuchten. Der
Uebersetzer liebt gewiss die Blumen und schmückt daher so oft damit den
Versschluss, dass man von seinen Blumen einen hübschen Strauss zusammen-
binden könnte. Ausser lebenden benützt er auch Kunstblumen. Davon haben
wir solche: »der Romantik Blume« (S. 110), »der Liebe Blume« (S. 112), «der
Seele Blume« ;S. 136), »der Täuschung Blume« (S. 87) und sogar dreimal »der
Schwärmerei Blume« (S. 147, 205, 239).
Die Künstelei und Banalität begegnet sehr oft; seltener sind die Verse
angestückelt mit Zusätzen, wie: wstecz, otözmasz, snadz, ha, ot, ach u. s.w.
(Vgl. S. 217; 105, 118; 78; 49; 151, 169; 69, 132, 226). Es sei nur ein Beispiel
angeführt: Xie pr^dko krok stqd cofnie wstecz. (Im Originale fehlt dieser Vers).
Kann man denn etwas vorwärts zurückziehen? Daher ist auch wstecz
vollends überflüssig. Und so sind auch die anderen angeführten einsilbigen
Reime, meist Interjectionen, überflüssig.
Auf solchen Wegen kam der Uebersetzer zur erforderlichen Anzahl ein-
silbiger Worte. Diese Wege sind aber nur zu sehr ausgetreten von unzähligen
Reimschmieden; wirkliche Dichter gehen nicht so vor.
Die Worte , welche der Uebersetzer nur um den Raum auszufüllen an-
wendete, dienten ihm zugleich zu einem noch anderen Zwecke: er künstelte
damit an dem Rhythmus. Nehmen wir einige Beispiele: Po tamtej stronie-ha!
nikogo, ktoby pomocnq podal dion (S. 163) (He eujuix HUKoro, kto pyny et Tofi
CTopoHti no;iajn> 6h eii); Ow Grandison . . . ba! graczem hyi . . . (S. 96) (Ceä
rpaHaucoHt ÖBiJfi . . . nrpoKt); Wipc pana, ach! nasz skromny sad nie zn^ci
woniq niezahudek" . . . (S. 121). Im Originale fehlt dieser Vers. Augenschein-
lich dient die Interjection ha im ersten Beispiele zu dem Zwecke, um den
zweiten Trochäus der Reihe nach anzustückeln.
Aehnlichen Dienst leisten auch die Interjectionen in den übrigen Bei-
spielen. Im Vorworte sagt der Uebersetzer, dass man bei der Uebertragung
438 Kritischer Anzeiger.
eines dichterischen Werkes auf zwei Dinge zu achten habe : auf die gestal-
tende Kraft, das heisst die Details treu im Geiste des Originals anzubringen,
und die Ausdrücke im Originale mit synonymischen Bildern zu ersetzen. Be-
trachten wir die Uebersetzung noch von diesen zwei Gesichtspunkten.
Nehmen wir z. B. ein Verspaar aus der 35. Strophe, Kapitel I:
»Bciaexi Kyneii'B, iidenro pasHOcnuKo,
Ha öirpacy thhctch hbbos^hki«.
Der üebersetzer hat das so wiedergegeben :
»Wstal kupiec, ledicie ziciöczy troszka,
Na stacye wlecze si^ doroika«.
Hier haben wir also ein Detail, das nicht im Originale ist, doch zweifeln
wir, ob es im Geiste des Originals und überhaupt nöthig ist — ausser wegen
des Reimes dorozha. Vor allem macht dieses Detail einen komischen Ein-
druck und ausserdem ruft es eine Frage hervor, auf die wir nicht zu antwor-
ten wissen: »Womit säumt der Kaufmann?« Nicht mit dem Aufstehen, weil
er sich schon erhoben hat, also womit? — Es gibt noch andere merkwür-
digere Details. Greifen wir z. B. vier Zeilen aus der 18. Strophe des IL Ka-
pitels heraus :
«TaKX TO^HO crapLiü uHEajHAt
OxoTHO njiCHHit cjiyx-B npH.ieacHi>iH
Kx pascKasaJit iohhxx ycaieü,
SaÖBixLifi BX suaeuHi CBoeu«.
In der Uebersetzung werden diese Zeilen so wiedergegeben :
»Ach! inwalida stary tak,
Kiedz wasaczöw mladych spotka,
Siyszy ic sicej chacie annat ryk,
0 nowe boje pytac zwykl«.
Auf Jemanden treffen (begegnen) kann man nur ausserhalb des Hauses,
im Inneren kann man Jemanden nur empfangen, begrüssen, aber nicht treffen.
Der alte Invalide also verlässt sein Haus und begegnet jungen Soldaten — da
hört er in seinem Hause zugleich Kanouengebrüll und fragt diese über neue
Kämpfe. Von woher , um Gottes Willen , kamen in sein Haus Kanonen und
wozu brüllen diese? Wenn sie ein Zeichen der Kämpfe sein sollen, denen
der Invalide beiwohnte, wozu hat man sie in das Haus gebracht, und vorher
den Hausherrn hinausgeführt? Wir glauben nicht , dass ein Hinzufügen sol-
chen Details treu im Geiste des Originals gehalten ist, dessen Autor
einen so reich entwickeltbu Kunstsinn besessen hat. Das Ist wahrlich eine
Zumuthung, die man hier einem grossen Namen in der Literatur zufügt.
Vielleicht aber sind dem Üebersetzer synonymische Bilder gelungen?
Das wollen wir sehen.
Zwei Worten aus der 43. Strophe des I.Kapitels nosdnew no;poii entspricht
in der Uebersetzung ein »synonymisches« Bild: Gdy 7ioc rozpostrze ciejnnq
dion. An anderer Stelle (Kapitell, Strophe 38; der Ausdruck: m otcusHU eoece
oa;./zad7bJ2Z) ist wiedergegeben mit einem solchen Bilde: j/'aÄ&y z iyciem zerwal
Puskia's Onjegin in poln. Uebersetzung, angez. von Nakonieczuy. 439
slub. Statt der Wendung : JPasMiHHo nomiop/imb odm (Kapitel IV, Strophe S)
haben wir: Ti/ch samych siöio spozyicac tvikt (sie !).
Diese Bilder erinnern an sehr ferne Zeiten, etwa in pseudoklassischer
Zeit hat man solche gemacht. Noch ein Bild ! Im Originale lautet der Anfang
des I. Kapitels der 52. Strophe:
»BÄpyrt no.iygiiitx oui. bx caMOMi. a§jl
Oti. ynpaBUTCüfi ÄOKjaÄ'B,
Y;«o d/iöji npu cjuepmu ez nocmejm,
H. et HUM-s npocTUXBCfl 6i>i.n> 6bi paat«.
Die entsprechende Stelle der Uebersetzung :
»Wkrötce mu rzadca przy raporcie
Doniösl, ie wuj opuszcza swiat,
/ ie, w Letejskiin stojqc porcie,
Poiegnac si^ z siostrzanem rad«.
Dieser Onkel hat sich verspätet: im Hafen Lethes stehend, konnte er
nicht mehr von seinem Neffen Abschied nehmen , wenn er es auch noch so
lebhaft gewünscht hätte.
Wir wollen nicht weiter die Beispiele mehren , denn es ist uns nur um
die Charakteristik der Manier des Uebersetzers zu thun.
Es gibt auch bei ihm hübsche Stellen, sogar sehr gute, ja vortreffliche.
Was aber — wenn diese nur sehr wenige Verse zählen! Noch viel schwerer
ist es eine ganze Strophe zu finden, die vollkommen genügen würde, obwohl
es auch solche gibt. Wir führen nur eine an, die thatsächlich sehr ge-
lungen ist.
Im Originale :
»HeaBnaciiM'i ohi. .leaca-ix, ii CTpaHCHt
Elijix TOMHbiH Mupt CFO qe.ia.
IIo;i;i. rpyst ohi. öbmi. na s.hiÄQi'h paneH^;
^BIMaCB, USt paHBI KpOBB TeK.ia.
Tony Hasa^'B ojho JirHOBeHBe
Bx ceii-B cep;w£ öh.iocb BSoxHOBeHBe,
Bpaacaa, Ha;ie2C3;a u jiioöobb,
Hrpajia aoisHB, Knni.aa KpoBB:
TenepB, KaRX bi. aoMi onycTijroMt,
Bce B-B Hejix h tiixo, u tcmho;
3aMOJiKjio HaBcerÄa oho.
BaKpUTtl CXaEHH, OKHa Mi.IOMl.
3a6i.ieHBi. XosafiKii h^t-b.
A r;3,i, Eorx BiciB. npona.ix u ciij-B ! «
In der Uebersetzung:
»Le:^al bez ruchu. Dziwnie byia
Spokojna twarz . . . Smierc starla gniew.
Kula na wylot, piers przebila;
Dymi^c sie, z rany ciekla krew . . .
440 Kritischer Anzeiger.
Wczesniej o jedno okamgnienie,
A bilo w sercu tem natchnienie,
Nadzieja, milosc, bolesc, gniew,
Igralo iycie, wrzala krew.
Teraz, jak w domu opuszczonym,
Cisza i zirfrok ... Na pustki znak
W niin okienice przywarl hak
Ku szybom, kreda pobielonym.
üszla zen pani kedys w swiat . . .
Gdzie jest? — wie Pan Bog . . . Przepadl slad« . , .
(Kap. VI, Str. 32).
In dieser Strophe finden wir zwar »ein Detail« 'smierc starta gniew),
welches nicht bei Puskin ist, aber es ist in der That treu dem Originale nach-
gebildet und schadet daher gar nicht. Wenn die ganze Uebersetzung dem
Werthe nach dieser Stelle gleichkommen würde, so hätten wir für den Ueber-
setzer nur Worte des Lobes und Dankes. Leider! die ganz gelungenen Stro-
phen kann man auf den Fingern zählen, in der übrigen Uebersetzung suchen
wir vergebens jene Vorzüge, die der Uebersetzer selbst dem Originale aner-
kennt: weder die reizende Einfalt der Sprache, die Trefflichkeit und Kraft
des Stils, die Leichtigkeit des Eeimens und die unverdorbene Reinheit des
Rhythmus , noch die Fertigkeit im Schaffen von Bildern finden wir in der
Uebersetzung.
Die ersten Kapitel sind ganz unzulänglich, die letzteren vom fünften an
sind im grossen und ganzen besser ausgefallen. In ihnen finden wir weniger
willkürliche und ungerathene Details und schiefe Bilder, welche als synonyme
Wendungen zum Originale fungiren sollen, die aber in der That ein Merkmal
der Schwäche des Uebersetzers sind. Je weniger Künsteleien darin, um so
häufiger finden wir dafür kunstvolle Züge, wofür das beste Beispiel die obige
Strophe aus der Duellscene sei. Man muss bedauern , dass die Uebersetzung
in so ungewöhnlich schneller Zeit zustande gebracht wurde. Hätte sie einige
Jahre gedauert, so würden wir vielleicht eine Uebersetzung bekommen, die
zwar sicher nicht dem Originale gleich , aber doch nicht so weit davon ent-
fernt gewesen wäre. Anstatt dessen hat sich der Uebersetzer die Aufgabe
erleichtert und, wie er selbst mittheilt, »fast in zwei Monaten« beendet. Und
daher gestaltete sich in der Mehrzahl der Fälle diese Uebersetzung zu einem
Convex-Spiegel, der die Züge des Originals schlecht wiedergibt.
Wlodzimierz Nakoniecz7iy.
Neueste Publikationen über Kijever Blätter, angez. von Jagic. 441
H. K. rpyncKiii. IlaMHTHHKH h Bonpocti ;i;peBHeejaBflHCKOH nncLMeH-
HocTH. ToMT, I. lOpLeBt 1904 (besteht aus vier Heften, die drei
ersten unter dem Titel : KieBCKie rjiarojimiecKie jiiictkii, auf 60. 59.
52 Seiten; das vierte unter dem Titel: IIpaatcKie rjiarojiHqecKie
OTptlBKH H MST, HCTOpin XOpBaXCKOH TJiarOJEHUiLl).
Prof. Dr. Vaclav Vondrak. 0 püvodu kijevskych listü a prazskych
zlomkü a o bohemismech v starsich cirkevneslovanskych pamat-
kach vübec. V Praze 1904. 8«. X. 114.
Die glagolitischen Kijever Blätter fesseln in einemfort die Aufmerk-
samkeit der slavischen Philologen. Im vorliegenden sind zwei dieser Frage
gewidmeten Werke citirt. Das erste rührt von einem aus der Charkover
Universität hervorgegangenen, jetzt an der Dorpater (= Jurjever) wirkenden
russischen Slavisten her, das andere von unserem Wiener Kollegen, aber in
Prag in den Publikationen der böhm. Gesellschaft der Wissenschaften heraus-
gegeben. N. K. Grunskij behandelt das Denkmal recht ausführlich (in drei
Heften, zusammen auf 171 Seiten). Seine Darstellung beginnt immer mit sehr
genauen Rückblicken auf all' die bisher lautgewordenen Vermutungen be-
treffs der Entstehung, des Ursprungs und des Alters des Denkmals. Dann und
wann beschränkt sich sogar seine Aufgabe auf die Aufzählung fremder An-
sichten mit Hervorhebung derjenigen, denen er beistimmt. Bei diesem eklek-
tischen Verfahren kommt das Endresultat wenig in Betracht. Besondere
Aufmerksamkeit wurde der paläographischen Seite der Kijever Blätter zu-
theil, der Analyse der verschiedenen supralinealen Zeichen, die als Spiritus
und Accente zu fungiren scheinen. Nun bildet aber auch in der viel kürzer ge-
fassten Studie Vondräk's (auf 47 Seiten) gerade diese Seite des Denkmals den
Hauptanziehungspunkt und es liegt der Wunsch nahe, die beiden Forschungen,
die unabhängig nebeneinander gehen, einer Vergleichung zu unterziehen. Ihr
Standpunkt ist stark verschieden. Prof. Vondräk geht auch hier wie bei den
wenigen in Freisinger Denkmälern vorfindlichen Zeichen von der althoch-
deutschen Bezeichnung der Vokale mit Accenten aus (S. 7 — 9) , er setzt also
offenbar voraus , dass die althochdei;tsche Graphik auch hier wie bei den
Freisinger Fragmenten vorbildlich einwirkte. Merkwürdigerweise hindert
ihn das dennoch nicht, auch den griechischen Einfluss zuzugeben, z. B. betreffs
der Anwendung des Gravis (und wohl anch der Spiritus). Anders Grunskij.
Er sucht für die Zeichen, die er in den Kijever Bildern findet, zunächst Pa-
rallelen in den übrigen slav. Denkmälern, er glaubt sie hier und da gefunden
zu haben, den Hintergrund aber für alle diese Erscheinungen bilden aus-
schliesslich die Vorbilder der griechischen Graphik (S. 30 — 33), von der alt-
hochdeutschen Bezeichnung (den Notker'schen Noten) ist keine Rede. Ich
möchte allerdings dieser letzteren Ansicht mich anschliessen und von den
althochdeutschen Einflüssen gänzlich absehen. Denn zunächst ist die Setzung
der Zeichen - und h für den Spiritus auf dem vokalischen Anlaut doch wohl
nur eine Nachahmung der Griechen, sie spricht also für die Abhängigkeit
der Schreiber des Denkmals in ihren Anschauungen von der Praxis der
442 Kritischer Anzeiger.
griechischen Geltung solcher Zeichen. Darum fällt es mir schwer zu glau-
ben, dass daneben noch die althochdeutsche Bezeichnung mit im Spiele
war. Ferner die Anwendung dreier Zeichen, des Cirkumflexes ^, des Aku-
tus ' und des Gravis ^ — um von dem vierten ^ zunächst abzusehen — ,
spricht ebenfalls mehr für die griechische, als althochdeutsche Nachahmung.
Desgleichen auch die einige Male begegnende Kombination des Spiritus mit
dem Accent: "' (Taf. V^. 3. 11, VK 8, VIP'. 13] und selbst -''^zweimal. Doch
viel wichtiger ist die Frage über die Bedeutung dieser Zeichen. In dieser
Beziehung stimmen die beiden obengenannten Gelehrten insofern überein, als
sie den Gebrauch der verschiedenen Zeichen nicht als eine äusserliche gra-
phische Nachahmung der Griechen ohne tieferen inneren Sinn auffassen, wie
es Karinskij that, sondern darin eine bewusste Wiedergabe der tonischen
Seite des slavischen Textes erblicken, sei es dass es sich um die Aussprache
mit Rücksicht auf die Betonung, sei es bloss um die Bezeichnung der Vokal-
länge handelte. Um zu dieser schwierigen Frage Stellung zu nehmen, will ich
bemerken, dass ein gewisses Bestreben des oder der Schreiber, die Zeichen
mit grammatischen Kategorien in Zusammenhang zu bringen, sich allerdings
nicht in Abrede stellen lässt. So vor allem die Bezeichnung des auslautenden
X im Genit. plur. der Substantiva mit ^ (rpixx, ai.iT., aisi, cnji, aHhe.ii, anoc-
TOJi% MA^esuKi. (gegenüber dem unbezeichneten Nom. oder Accus. : noapGyr-B,
oy^CHHKX HaMiCTtHiKT), HaciiatHiKi., aapi., EXCmÄt, npHHOCi., acuEOTT., njtHi). Das
ist gewiss bewusst und absichtlich geschehen, der Bezeichner stand dabei auf
dem Boden der slavischen Grammatik. Es fragt sich nur, ob die Bezeichnung
des Genitivauslautes i. mit ^ wirklich in der verschiedenen Aussprache die-
ses auslautenden -h ihren Grund hat, oder vielleicht nur eine graphische Aus-
einanderhaltung zweier sonst gleicher Formen bezweckte ? Die Hinweise auf
die serbische Schreibart in den Texten des XIV. — XV. Jahrh. mit tB und auf
den modernen Auslaut des Genitivs plur. auf ä — liegen doch im Verhältniss
zu dem hohen Alter des Denkmals sehr weit ab. Ich würde mich aus sprach-
geschichtlichen Gründen sehr schwer dazu entschliessen, die Bedeutung des
^ in diesem Falle so aufzufassen. Es scheint mir noch immer näher die An-
nahme, dass man mit ^ nur äusserlich den Genit. plur. vom Nom. Acc. sing,
unterscheiden wollte. So könnte man auch mit ^ auf -h in offenen Schluss-
silben, wenn man das als Betonung auffasste, sehr schwer auskommen. Prof.
Vondräk spricht in der That nur von der Bezeichnung der Vokallänge bei ^
und ^, doch bei ' gibt er auch die Accentgeltung zu. Betonungen, wie mu-
jtocTHBti, Biqi.H'i.t, EtceMon.!, npHHeceHii, CH.n.i, npHCHoaiBti wird es kaum je
gegeben haben. Ebensowenig wie nma, 6ms, MapHil, M&geHimu, npiapar'Ha,
ö^raaceHHu. Als Quantitäts^">ezeichnung aber ist mir die Anwendung des Zei-
chens nicht sehr wahrscheinlich, aus verschiedenen Gründen. Wenn hinter der
Setzung des Zeichens auf auslautendem h etwas mehr steckt als graphische
Klügelei, warum schrieb man neben ati sehr häufig hi>u (z. B. Taf. Illa^ 14,
Illb 17. 20, IVa 6. 16, IVb 5. 21, VIb 14, Vlt^ 10, VII^ 17, VIH^ 9. 20, VIII» 12).
Wodurch unterscheiden sich diese h-lu von den Hi>i und wenig zahlreichen
H1.U ? Warum schrieb man, wie Vondräk bemerkt, in geschlossenen Silben
auf 'iu, a, i-H, i und a nicht '", sondern '', z. B. xoÄaiaämo, oyinace, Toäae,
Neueste Publikationen über Kijever Blätter, angez. von Jagic. 443
CBaiTii, BtceMortiii, neöecBCKtiBi, B^JK^rwöjcHtüii, iLMtH-LÜxi), saKOULuiKa, ma-
'^CHlKa, HaMiCTLHlKt, UaCaiiUBHlKI., npOClM^, HOCIM'B, ULCTIMI,, XOySlMX, CÜMB,
MOÄuyi-h, Bi'iLuiML, njiiHii, liMB, HBCXuäro, nosäcB, Bxsjpäcxe'rt, caMt, XBa-iih.
Diese Anwendung eines zweiten Zeichens kann doch weder in der Betonung,
noch in der Quantitätsbezeichnung begründet sein. Es ist eher eine graphi-
sche Spielerei, vielleicht gar Noten. Wenn z. B. npöcnix und npociMt, müjumi,
und MO.iiiMi, cii-i-Bu und ci.i'LU nebeneinander geschrieben wird, so scheint da-
mit keine Betonungs- und Quantitätsverschiedenheit ausgedrückt zu sein,
sondern die Wahl des Zeichens geschah willkürlich, richtete sich aber nach
dem Vokal; war 0 mit dem Zeichen zu versehen, so setzte man ', war i oder
H, so schrieb man ^ oder ^. Denn wie im Griechischen kein Cirkumflex auf
e o steht, so fehlt er auch hier auf e 0, dagegen kann ( den Cirkumflex haben,
daher auch pa«!, npHMi und selbst npiMi. Ich glaube nicht, dass je die Aus-
sprache paaii vorhanden war. Nur die Vorliebe für die Setzung des Circum-
flexes auf auslautendem Vokal veranlasste den Schreiber, neben vielen unbe-
tonten Formen paai eben so oft auch pa;],i zu schreiben. Die Hinweise auf ähn-
liche Betonung in verschiedenen späteren mittelbulgarischen Texten (bei Grun-
skij 48/9) haben für mich so lange keine Beweiskraft, bis nicht aus dem Zu-
sammenhang der ganzen Bezeichnungsart jedes einzelnen Textes konstatirt
ist, ob und wie viel man jenen Bezeichnungen Glauben schenken darf. Ich will
den Versuchen, hinter diesen Bezeichnungen reale Gründe der Aussprache zu
entdecken, keineswegs mit Geringschätzung entgegentreten, nur meine Be-
denken gegen zu starke Vertrauensseligkeit wollte ich geltend machen, die
namentlich in den Kombinationen Prof. Vondräk's zum Ausdruck kommt.
Wie reimt sich z. B. das zusammen, dass der Text npociMt, Hociait, mojihmi.,
gBCTÜMt, aber Becejiiini (warum nicht Becejcimi), und ausserdem noch npöcHMi.,
MÖJiiiMt schreibt? oder würden wir nicht ecü oder eci statt ecu erwarten?
nicht BT.BjpacTeTT. eher als Bi.sjpäcTei'B, da wir EXEtMeMt haben? Statt ib-
CTQite sollte analog zu xo;i:aTaiÄmo gtCTaue stehen, zumal wir gtcThix haben.
Neben dem Imperativ oihcth, nociäBH steht CBaii, oyxBpBji, cBiBopi, man hat
samiixi und sain^ixi, npiisBpi und npiisLpT, HanjiBHeHi neben äöcxoihi, neben Ha-
ciiaoBäxu haben wir noMi.30Ba, u. s. w. Man kann freilich sagen, dass die Ge-
nauigkeit in solchen Dingen nicht zu verlangen sei, oder man kann auch von
Störungen sprechen, die bei späteren Abschriften sich einstellten. Auffallend
bleibt es immerhin, dass sehr viele wichtige Wörter keine Bezeichnung der
angeblichen Aussprache tragen (über 400 mehrsilbige Wörter), dafür aber auf
manchen einsilbigen das Zeichen steht, so : njin-B, bbcI, cäi-b, cümb, xiMt,
säsB, HäMX, HäcB, näiuL, BBcixi., xd, IIa, xö. Diese Ungleichmässigkeit beein-
trächtigt jedenfalls stark die Beweiskraft, die man in diesen Zeichen als
Accenten und Quantitätsbezeichnungen zu erblicken geneigt ist. Prof. Von-
dräk sucht sich freilich zu helfen, er setzt das althochdeutsche System der
Bezeichnung nur für die ursprüngliche Vorlage voraus, die bei der uns zu-
gänglichen Abschrift etwas modificirt worden sei und zwar von jedem der
beiden Schreiber in etwas anderer Weise, woraus er sogleich den Einfluss
verschiedener Dialekte ableitet (S. 20). Auf diese Weise bekommt er aller-
dings grosse Freiheit der Bewegung und Erklärung, aber über dem Ganzen
444 Kritischer Anzeiger.
schwebt die Gefahr der grössten Ungewissheit. Z. B. die merkwürdige Be-
zeichnung des genitivischen Auslautes i. mit ^ möchte Prof. Vondräk nicht
der ältesten Vorlage, sondern den letzten Abschreibern zuschreiben, weil an-
geblich bei den in der Vorlage schon befindlichen Bezeichnungen keine
solche Ausnahmslosigkeit herrsche. Und da er in diesem i den Vorläufer des
heutigen serbokroatischen ä erblickt, so glaubt er zur Behauptung berechtigt
zu sein, dass die Kijever Blätter nicht im Bereich des eigentlich kroatischen
Idioms, sondern anderswo geschrieben wurden (S. 2ö], jedenfalls, wie er meint,
in einer stokavischen Gegend (S.29;. Für diese Annahme stützt er sich ausser
den Genitiven auf ^ auch noch auf einige Betonungen, die er natürlich alle ohne
Widerspruch als den richtigen Abklatsch der wirklich vorhanden gewesenen
Aussprache der letzten Abschreiber auffasst. Er gibt zu, dass die älteste
Schicht des Denkmals das pannonisch-slovenische Idiom gebildet haben mag
(S.30). Man wird aber fragen, woher die Bohemismen mit c-z für sf-zd''? Die-
ser Thatsache ist nicht aus dem Wege zu gehen, Vondräk sucht sie so zu er-
klären, dass er den Text, wie er uns vorliegt, von irgend einem aus Böhmen
in das Gebiet der Kroaten verschlagenen Glagoliten geschrieben sein lässt
(S. 40). Dass auch ein solches Zusammentreffen von Umständen möglich ist,
wird niemand bestreiten wollen; ob aber die Annahme eines solchen Falles
auch wahrscheinlich, das ist eine andere Frage. Prof. Vondräk geht noch
einen Schritt weiter, er will überhaupt alle in den äitesten glagol. Denkmälern
nachweisbaren Spuren einer böhmischen lautlichen Beeinflussung (S. 40 — 42;
so deuten, dass er sie im Süden von den aus den nördlichen Gebieten angekom-
menen (flüchtigen) Glagoliten, die der Nationalität nach dem böhmischen
Volksstamme angehörten, geschrieben sein lässt. Prof. Vondräk ist ordentlich
verliebt in diese seine Entdeckung der Böhmen bei den Kroaten. Denn zu
meinem nicht geringen Erstaunen lese ich bei ihm auf S. 91/2, dass auch die
bekannte Wenzellegende nicht ein Böhme zu Hause in Böhmen, Gott be-
wahre, sondern bei den Kroaten geschrieben habe. Gegenüber dieser künst-
lichen Erklärung möge man mir gestatten, bei der älteren Ansicht zu ver-
harren, nach welcher die betreffenden Bohemismen, ebenso wie die Pannonis-
men als unansehnliche Eeste älterer Vorlagen in den südslav. Abschriften
sich erhalten haben. Ich glaube nämlich, dass ein geborener Böhme oder
Mährer, wenn er in dem südlichen Nachbarlande als Schreiber fungirte,
schwerlich so wenige Spuren seines Idioms in der von ihm gemachten Ab-
schrift hinterlassen hätte, wie wir sie in Glagolita Clozianus, Marianus und
Psalterium sinaiticum vorfinden. Ich stimme aber darin mit Vondräk über-
ein, wie ich das schon längst ausgesprochen habe, dass die erste Uebersetzung
jenes katholischen Kirchenbuches fSacramentariums' , dessen Eeste uns in
den Kijever Blättern vorliegen, offenbar irgendwo in Südpannonien 'wozu
auch das nordwestliche Gebiet zwischen der Mur — Drave und Save zu rechnen
ist) zu Stande kam, und zwar gewiss sehr früh (dafür spricht die feine Regel-
mässigkeit der Sprache, mit einigen Pannonismen). Dann mag der Text nach
meinem Dafürhalten bei einer, vielleicht selbst nicht der letzten, d.h. der uns
erhaltenen, Abschrift das böhmisch-mährische Medium durchgemacht haben.
Dagegen eine Metamorphose des Denkmals (mit stokavischer Beeinflussung)
Neueste Publikationen über Kijever Blätter, angez. von Jagic. 445
will mir nicht einleuchten, da ich die supralinealen Zeichen {schon wegen der
beiden Spiritus) für sehr alt halte und ira für mtj möglicher Weise nur einen
dialektischen Zug des ersten Uebersetzers darstellt. Man müsste sonst wegen
ina bis nach Macedonien wandern, denn das aus Glag. Cloz. citirte Beispiel
wird kaum als Kroatismus aufzufassen sein, vergl. Evang. Dobromiri I. 9. 63.
Vondräk's Kombination vergl. auf S. 114. Ich muss dabei einen kleinenFehler
berichtigen, der sich auf S. 3-1 aus Belostenec irrthümlich eingeschlichen hat.
Das in seinem Gazophylacium bei czirkva stehende (D) bezieht sich nicht auf
diese Form, die bei Belostenec nur als kroatische gilt, sondern auf die nach-
folgende des Wortes, auf czarkva, nur diese galt ihm als dalmatinische, wäh-
rend cirkva bekanntlieh noch heute in ganz Civilkroatien und in der Murinsel
gesprochen wird (vergl. die Ortsnamen Cirkvena in Kroatien, Cirkovljan in
der Murinsel).
Prof. Grunskij bemüht sich ira Gegensatz zu Vondräk zu beweisen, dass
das erhaltene Bruchstück des Sacramentariums in der ursprünglichen Form,
nicht aber als Abschrift sich erhalten habe S. 56), dadurch glaubt er Metho-
dios von dem Verdachte befreien zu können , als ob schon zu seiner Zeit der
lat. Ritus bei den mährisch -pannonischen Slovenen Eingang gefunden hätte.
In seinen Schlussbetrachtungen gibt er zwar zu, dass die Kijever Blätter ein
Denkmal seien, das mehr als die übrigen der Zeit der Wirksamkeit der beiden
Slavenapostel nahe kommt, nur mit meiner Ansicht, dass die Bohemismen des
Denkmals ein in den kirchenslavischen Text nachträglich hineingekommener
dialektischer Zug seien — etwa sowie die Russismen in das Ostromirsche Evan-
gelium — kann er sich ganz und gar nicht befreunden (S. 62). Ich bedauere
sehr bei ihm den Eindruck hervorgerufen zu haben, dass ich aus gewissem
Fanatismus zu allerlei Kunstgriffen Zuflucht nehme, um nur die Entstehungs-
zeit des Denkmals möglich hoch (d. h. unmittelbar in die Methodianische
Zeit) setzen zu können. Die übrigen russ. Gelehrten, deren ich eine grosse
Zahl persönlich kennen gelernt, haben mir (wenn man von Budilovic absieht)
diesen Vorwurf nie gemacht. Seine väterlichen Mahnungen verspreche ich
schon zu beherzigen, sobald ich mich von der Richtigkeit dessen, was ein
Budilovic oder Florinskij gegen meine Darstellung geltend machen, über-
zeugt haben werde. Fürs erste muss ich jedoch den mir gemachten Vorwurf
der »Unduldsamkeit«, ja sogar der »äussersten Unduldsamkeit« (III. S. 15)
aufs entschiedenste zurückweisen. Bevor Grunskij das Recht sich anmasst
mir vorzuwerfen, dass ich V. N. Scepkin persönlich nicht klug nannte, sollte
er besser deutsch lernen. Ich sagte (Entstehungsgesch. I. 58) bezüglich einer
Anmerkung Scepkin's: »Man liest die lange Note und wird nicht klug«. Bei
allen, die deutsch verstehen, bedeutet das nur soviel, dass der Sinn oder die
Tendenz der langen Note nicht klar sei. Wo ist da irgend ein persönlicher
Vorwurf zu finden? Freilich, Prof. Grunskij würde es gewiss ebenfalls als
eine persönliche Beleidigung auffassen, wenn ich zu seinen angeblichen Pa-
rallelen, die er auf S. III. 37 anführt, dafür, dass ci-Taxt in den Kijever Blät-
tern ein — Genitiv sei, die kleine Bemerkung machte, dass er dadurch einen
Schnitzer gegen die kirchenslavische Syntax gemacht habe. Nein, ich sage
446 Kritischer Anzeiger.
das nicht, aber hervorheben darf ich schon, dass in dem Beispiel npioötmiHTi
HH laiHaxt kein Genitiv, sondern ein regelrechter Lokal steckt.
In beiden Werken wird auch ein zweites glagolitisches Denkmal, die Pra-
ger Fragmente, behandelt. Prof. Vondräk weist in klarer präciser Weise nach,
dass der Text der beiden Blätter (von drei verschiedenen Händen, theilweise
wahrscheinlich aus verschiedenen Zeiten herrührend) auf Grund einer bulga-
rischen Vorlage in Böhmen selbst etwa zu Ende des XI. Jahrh. zustande kam.
Neu ist der Nachweis, dass das russische Medium auszuschalten sei. Prof
Vondräk bringt nämlich die scheinbaren Russicismen mit den altböhm. Voka-
lismen in Zusammenhang. Ich muss dieser Erklärung darum beistimmen,
weil ich in dem absoluten Vorherrschen des schwachen Vokals % für i., wenig-
stens auf dem zweiten Blatt, wohl eine bulgarische Vorlage, nicht aber ein
altrussisches Medium voraussetzen kann. Grunskij schliesst sich in diesem
Punkt an Sobolevskij an, und sucht in t einen orthographischen Bohemismus
(S. 30). Einen nicht zu übersehenden Zusammenhang zwischen den Prager
Fragmenten und den Kijever Blättern möchte ich zu Vondräk S. 53/4 nach-
tragen, das ist das Verbum cxBicroBaTii, das im Prag. Fr. als .n.acectBicTOBaxoy
und inKijev. Bl. als cxBicToyeiix Htu (Fol. VI. 6/7) gebraucht wird. Das Wort
kommt in dieser Form und als cxBicTuiH für anayyüJM in den Propheten
sehr häufig vor, merkwürdigerweise gerade in jener üebersetzung, die nicht
in das Methodianische, sondern in das Symeonische Zeitalter versetzt wird.
Die Bemerkungen Grunskij's besagen, im Vergleich zur Studie Von-
dräk's, nichts wesentlich verschiedenes, sie beschränken sich auf die Ueber-
sicht der von anderen Gelehrten ausgesprochenen Ansichten mit sehr genauem
Eingehen auf die paläographische Seite des Denkmals. Da beide Werke eine
nochmalige Wiedergabe des Textes der beiden Fragmente enthalten, kann
zwischen den beiden Ausgaben eine Vergleichung angestellt werden. Es er-
geben sich folgende Abweichungen. Auf Bl. I^ 3 liest Grunskij vor ru noch -''
3i, dafür fehlen bei ihm die Buchstaben t. . . i . . na . . , 4 liest er zuerst den
Buchstaben c (bei Vondräk fehlt er), -5 hat G. nach o noch n (also on), 6 steht
bei G. vor m in einiger Entfernung c, bei Vondräk % 10 vor 6oyÄeT bei G. nur
?
M.. 15 liest G. H§Moy, 17 bei G. csi, bei V. CBii, 18 nach xBa.ioy bei G. noch
ein isolirtes t, 19 bei V. 6o: bei G. 6o, bei V. h6: bei G. H<5a, bei G. nur bc: bei
V. BejiH, 20 vor öt bei G. rt, 24 bei V. t^h: bei G. xtii, 28 G. oimoy: V. otb-
uoy, bei G. paa: V. pa(a;. Bl. I^ stimmt in beiden Ausgaben genau überein. nur
ist Z. 25 bei V. der Druckfehler 6ni (statt 6ni) geblieben. In II^^ 9 ist bei G.
whJi wohl nur ein Druckfehler statt ni.i, 19 bei V. (r)jia(c)T.: bei G. .lacx, d.h. c
wäre sichtbar, 20 hat G. gegen seinen Grundsatz, unsichtbares nicht in Klam-
mern beizusetzen, statt loso geschrieben (u)ioäo. In 11^ 8 hat G. r.iac-B, V. nur
rjact, 20 G. npaBtSTbaaro : V. npaBBa^aaro.
Sehr erwünscht sind die bei Grunskij am Schluss gegebenen, zumeist
paläographischen Beobachtungen über einige glagolitische Fragmente kroa-
tischer Provenienz, die er in Petersburg und Wien fand. V. J.
Jevaejev, Das Buch des Proph. Daniel, angez. ven Jagid. 447
HsaHT. EßcieB-L. Knnra npopoKa ^aniiLia Bt ApeBiiec.iaBflHCKOMX ne-
peBOAi. BBeAenie h tbkcti.. MocKBa 1905. 8°. XC. 183.
Der Verfasser der vorliegenden Ausgabe des kirchenslavischen und
griechisclien Textes des Propheten Daniel hat sich in der slavischen Philo-
logie durch ein grosseres Werk über den griechischen und slavischen Text
des Propheten Isaias (1897) und eine Reihe von anderen Abhandlungen, die
sich mit dem kritischen Studium der altkirchenslavischen Bibeltexte, zumeist
der Propheten abgeben, sehr vorteilhaft bekannt gemacht. Seine Leistungen
rufen uns die guten alten Zeiten eines Gorskij und Nevostrujev in Erinnerung.
Ueber die letzten, dem vorliegenden Werk vorausgegangenen Abhandlungen
hab' ich im Archiv XXIV, 254—262 referirt, worauf ich wegen des Zusammen-
hangs verweise. Das jetzt erschienene Werk über Daniel besteht aus dem
Text und der Einleitung. Beim Buch Isaiae beschränkte sich der Verfasser
statt des vollen Textes auf allerlei Auszüge und Varianten. Wir geben selbst-
verständlich entschieden dem jetzt beim Buch Daniel eingeschlagenen Weg
den Vorzug. Man kann nicht oft genug die an die russischen Gelehrten zu
stellende Bitte wiederholen: gebt uns gute alte Texte heraus. Dass der
Herausgeber diesem Wunsche nachkam, schon das ist ein Verdienst, das alle
Anerkennung verdient. Er gab aber mehr als einen slavischen Text heraus.
Das Resultat seiner Vorstudien führte ihn zur Wahrnehmung von drei, ja
teilweise selbst vier verschiedenen Redaktionen des slavischen Textes dieses
Buches. Alle drei oder vier wurden in dem erreichbaren Umfang parallel
nebeneinander abgedruckt. An erster Stelle, d. h. in der vordersten Kolumne
links, stehen die in den Parömienbüchern angetroffenen Kapitel, das sind
Kap. II. 31— 36. 44— 45, Kap. III. 1—88, Kap. VII. 1—2. 9 — 11, 13 — 14,
Kap. X. 1 — 21. In der bibliographischen Uebersicht des Quellenmaterials,
die in der Einleitung auf S. LH— LXX gegeben ist, zählt der Herausgeber
nicht weniger als 53 Parömientexte auf, aus welchen er die aufgezählten
Bruchstücke schöpfen könnte. In der Wirklichkeit sind davon nur vier Hand-
schriften herangezogen (S. LXIX), die nicht alle derselben Zeit und derselben
Redaktion angehören; aus einigen anderen (im ganzen 19) wurden Varianten
verwertet. An zweiter Stelle, dort wo Parömienstücke vorhanden sind, sonst
an erster Stelle , wo es keine Vertretung aus den Parömien gab , steht der
vollständige (mit ganz geringen Auslassungen) Text des Buches, dem russi-
schen Chronographen des Moskauer Archivs (des Ministeriums der auswär-
tigen Angelegenheiten) entnommen, mit den Varianten aus einem Chrono-
graphen der Wilnaer Bibliothek. Diesem Text fehlen nur Kap. I. 1 — 2,
IX. 5—19, XII. 6—13, das ganze XIII. und vom Kap. XIV. 1—30. Wie der
Verfasser dazu kam, die Bruchstücke aus den Parömien als den Text Kon-
stantins und den in den beiden Chronographen erhaltenen Text als den Text
des Methodios zu benennen, davon werden wir später reden. An letzter
Stelle, d. h. in der letzten Kolumne nach rechts ist der Text abgedruckt, der
in der Regel mit den kommentirten Texten der Propheten zu einem Ganzen
vereinigt ist, wenn auch gerade das Buch Daniel ohne Kommentar steht.
Dieser Text ist vollständig und nach der bibliographischen Uebersicht des
448 Kritischer Anzeiger.
Herausgebers in 45 Handschriften erhalten. Der vorliegenden Ausgabe liegt
ein Moskauer Text (des Cudovo-Klosters) saec. XV zu Grunde, noch 10 andere
Texte wurden für das Variantenmaterial verwertet. Diese Redaktion versetzt
der Herausgeber in das bulgarische Symeon'sche Zeitalter und nennt sie auch
so. Das Kapitel X ist in einem bulgarischen Parömienbuch in einer anderen,
von den übrigen abweichenden üebersetzung vertreten. Auch diese wurde
vom Herausgeber herangezogen und abgedruckt. Sie ist ungeschickt gemacht
und wird vom Herausgeber in die sogenannte mittelbulgarische Periode (vor
das XIII. Jahrh.) versetzt (vergl. Einl. S. XLI— XLII).
Aber auch der griechische Text wurde herangezogen und zwar ebenfalls
doppelspaltig, zwei verschiedene Redaktionen darstellend, eine konstantino-
politanische , auch Lukian'sche genannt, und die andere Alexandrinische,
auch Hesychi'sche genannt. Ob es gerade nothwendig war, wegen der im
ganzen nicht zahlreichen Abweichungen zwischen diesen Redaktionen den
Text vollinhaltlich zweimal zum Abdruck zu bringen, darüber kann man ver-
schiedener Ansicht sein. Der Herausgeber legt dieser Auseinanderhaltung
der Redaktionen des griechischen Textes auch beim Studium der altkirchen-
slavischen Üebersetzung ein sehr grosses Gewicht bei, er äussert sich wieder-
holt darüber in etwas überschwänglichen Ausdrücken (vgl. Einl. S. Ylll, XI,
XXXI), die ich nicht alle mitunterschreiben konnte, obschon ich die Bedeu-
tung der Frage innerhalb der slavischen Philologie keineswegs unterschätze.
Ja die slavische Philologie hat schon im XVIII. Jahrh. durch das Beispiel
Dobrovsky's ihr Interesse für diese Frage kundgegeben, und im XIX. Jahrh.
haben t?afarik's, meine, Vondräk's und NachtigalFs Beiträge, denen sich in
Russland Voskresenskij 's, Speranskij's und Sobolevskij's Studien zur Seite
stellen, klar bewiesen, dass man immer mit der Frage über die Beschaffenheit
der der altkirchenslavischen üebersetzung zugrunde liegenden griechischen
Vorlage wenigstens Fühlung aufrechtzuerhalten trachtete. Wenn Professor
Jevsejev mit den bisher erzielten Resultaten nicht ganz zufrieden ist (vergl.
S. LXXIX — LXXX), so richtet er mit Recht seinen Vorwurf mehr an die
Adresse der westeuropäischen Bibelforscher als an die der slavischen Philo-
logen, von deren Resultaten er fleissig Notiz nimmt. Die bibliographische
Uebersicht der griechischen Texte, aus welchen er das Buch Daniels in zwei
Recensionen schupfen konnte, ist auf S. LXXXIV — XC gegeben, sie erreicht
bei ihm die Zahl 133, wobei man das Bestreben sieht, nicht auf fremdes Ma-
terial allein sich zu beschränken, sondern auch manches aus eigenem hinzu-
zufügen. Von den aufgezählten 133 griechischen Texten benutzte er -41, davon
32 nach der grossen Oxforder Ausgabe vom Jahre 1827, 7 nach eigenen
Studien der in den Bibliotheken Moskaus und Petersburgs befindlichen grie-
chischen Handschriften, 2 nach anderen Ausgaben. Ja er legte seiner Ausgabe
des Buches Daniel in der Redaktion des Hesychios einen Moskauer Kodex
saec. X (bei ihm unter Nr. 21 angeführt) zugrunde, und bei der Redaktion des
Lukianos verwerthete er einen anderen Moskauer Kodex saec. XII (bei ihm
Nr. 22). Doch druckte er nicht die Texte dieser beiden Handschriften wörtlich
ab, er verfuhr vielmehr eklektisch, worüber er auf S. LXXVI — LXXVII
Rechenschaft ablegt. Ich überlasse es den Vertretern des kritischen Studiums
Jevsejev, Das Buch des Proph. Daniel, angez. von Jagic. 449
der Bibeltexte, über dieses Verfahren des Herausgebers ihre Ansieht auszu-
sprechen. Für uns genügt es, hervorzuheben, dass nach der Darstellung
Jevsejev's die beiden ersten kirchenslavischen Eedaktionen auf der Lukian-
schen Textgestalt, die dritte 'die sogenannte Symeon'sche) auf der Hesychi-
schen beruht.
Ungemein wichtig ist die XC Seiten umfassende Einleitung des Ver-
fassers zu seiner Ausgabe der Texte. Hier wird theils zum wiederholten,
theils zum ersten Mal eine Reihe von wichtigen Fragen aufgerollt, die die
slavische Philologie sehr nahe angehen und in einer Weise beantwortet wer-
den, dass man vom Standpunkte unserer Wissenschaft dazu Stellung nehmen
muss. Vor allem müsste man sich darüber freuen, dass der Verfasser an
seiner schon früher gemachten Entdeckung , dass beim Buche Daniel der
Parümientext von Konstantin, der volle Text von Methodios herrühre, noch
immer festhält. Leider vermag ich diese Freude nicht zu theilen. Wir sind,
fürchte ich, noch nicht soweit gekommen, um einen Unterschied zwischen der
literarischen Arbeit der beiden Apostel machen zu können. Z. B. wenn der
Verfasser für alr^d-Eic. die Uebersetzung durch uciHHa dem Konstantin, durch
picHoia dem Methodios zuschreiben möchte (S. XVIl! , so würde ich fragen,
was soll mit der Uebersetzung desselben griechischen Wortes durch picHOTa
im Psalter geschehen, dessen Uebersetzung doch auch Prof. Jevsejev Kon-
stantin zuerkennt? Die dem Methodios zugeschriebene, in zwei russischen
Chronographen erhaltene Uebersetzung zeigt in der That Spuren einer alter-
thümlichen Sprache, die der Verfasser auf S. XVII — XVIII einzeln aufzählt,
aber desswegen sie gleich zum Unterschied von der Uebersetzimgsthätigkeit
Konstantins dem Methodios und seiner Schule in die Schuhe zu schieben
sammt allen Fehlern , die nach der Behauptung Jevsejev's bei der Ueber-
setzung »einem Menschen, der nicht genügend griechisch kannte, der nicht
genug in den Kulturbegriflfen, zumal im Bereich der Strategie und des
Marinewesens bewandert war« ;S. XVIII passiren können — das scheint
mir doch im hohen Grade gewagt zu sein. Wenigstens die Möglichkeit
einer späteren Aenderung mancher Stellen des Textes ist ebensowenig
ausgeschlossen , wie die Annahme mancher Textverderbnisse. Ich will das
durch Beispiele, die ich auf S. XVI — XIX zusammengestellt finde, näher
erklären. Dan. 10, 5 ist esuHi) für das griechische ßaö'ö'ly gewiss nur ein
Schreibfehler, man hatte ursprünglich den fremden Ausdruck unübersetzt
lassen wollen, aus etwaigen bootht. ist im Laufe der Zeit einHi. geworden.
Dan. 7, 3 ist paaMticiH für Siaq}iooi'xa gewiss ein Schreibfehler statt des
richtigen pa3.aiiqtHu , man liest ja doch ib. 7, 19 in demselben Text mko 6i
pa3.iuqHo (in der neueren Redaktion an beiden Stellen pas-iuiB). Dan. 3, 99 in
npA MH§ steckt auch ein Schreibfehler, nach npi. ist die Silbe mo ausgefallen,
man muss npAMo mhI lesen, vergl. ib. 3. 10 npAiio cjioBicBMi., 6. 10 npAMO
lep.iMs, 6. 22 npAMO eMoy, 10. 13 npiMO mh^ (auch in der zweiten bulgarischen
Uebersetzung npiMo naMa), 10. 16 steht ebenso npAMO mh§ im zweiten Parö-
mientexte und im vollen Archivtexte, aber in dem alten Parömientexte das
üblichere npoTHEoy. Statt araBUi Dan. 6. 2 muss natürlich oraBiiA gelesen wer-
den und dann hört das Wort auf unbekannt zu sein ; für lyo/Xeli' ist oraBHie
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 29
450 Kritischer Anzeiger.
TBopHTH oder ä^hth ein bekannter Ausdruck vergl. Mikl. s. v., oder Ps. 34. 13
BXHerÄa ohh oraBUK TEopiaxiiL pog. bon. Mit a steht das Wort geschrieben in
Antioch's Pandekten saec. XIV — XV, einem russ. Kodex (araBuie:, während
der alte Text an derselben Stelle das richtige orasue hat (vergl. G. N. opis.
2. 2. 261, Amphil. cjiob. nsi. naHÄ. 85). Auch das angebliche aocriÄOKx 11. 4
ist nur ein Schreibversehen für nociiflOK-b, die Parallelen 8. 3. 19. 23 bestäti-
gen, dassman 11.4 ebenfalls Ha nocii^oKi. lesen muss; auch derWllnaerText
gibt diese richtige Lesart. Die zu 10. 4 mit Fragezeichen versehene Korrektur
üji statt des falschen msja wird durch Ps. 67. 26 uai noiöiinTuiix'i., 93. 15
HÄi KU. bestätigt. Das Wort ocxiHuie 9. 25 entspricht nicht dem griech. xel/o;,
sondern genau dem ebenfalls zusammengesetzten neqixEixog. Ob nicht auch
Is. 26. 1 für nEoiTEixos in alter Uebersetzung dieser Ausdruck vorkommt?
Für y.vqiEveiv steht zwar Dan. 11.5 im Text oyaoöHA, doch ist das entschieden
ein Schreibfehler für eine Form des allein richtigen Verbums oyiio6.iiTu (oder
oy3;o.aixii) ; für das Futurum y.voievaei würde man nur oyadieii. oder oyÄO-
ÖJicTL, also in spätrussischer Form oy;io6.!iAeTB erwarten; oyao.iieTB kommt in
derThat ib. 43 vor. Falsch ist Dan. 2. 2 aus Kopenima der Nominativ KopeHunt
abgeleitet, schon die Schreibart des Wilnaer Textes, wo über na ein t steht,
hätte den Herausgeber auf die richtige Form kopghhtbhb bringen können, die
auch bei Vostokov, Miklosich und Sreznevskij belegt ist. Das Wort kommt
für fiäyog schon im Apostolus vor. Auch für (p^.oytCa) 3. 34 ist aus wcmaäc,
das für icployla&i] steht, nicht genau ein transitives Verbum ocmajutu ange-
setzt, in der transitiven Form würde es wahrscheinlich ocMm^uxu lauten; aus
ocMAÄe in der neutral-passiven Bedeutung muss vielmehr ein ocmah&th (statt
ocbahatu), parallel mit npucBAHäixii, angesetzt werden.
Um dem Verfasser zu zeigen, dass es nicht genügt, auf die Lesarten
allein sein Augenmerk zu richten, sondern dass man auf die Richtigkeit der
grammatischen und lexikalischen Form Acht geben muss, will ich noch eini-
ges ebendaselbst bemerken. Für Dan. 7. 19 Xetztvvov (part.praes.neutr. gen.;
schreibt der Verfasser ühth und fragt, ob nicht i.Emvvo) als Tiiyoi aufgefasst
wurde. Allein im Texte steht ganz richtig Mjtiu n tha, und tha ist Particip
vom Verbum tbhhth, praes. tbhhi-tbhhtb, das Miklosich kennt, vergl. in Dan.
2.40 atejiiso THHTB [Xbtitvvei o aidr-Qo^) und auch inExarchsSestodnevfol.29'i:
aeöejo coyme tbhutb k. Für o xariaxvoiy 11. 6 ist die Form oyciOMHne doch
wohl nur ein Schreibfehler statt der Participialform oycxoMu (oycroaD), im
Wilnaer Text steht noch ganz richtig der Dativ eu (für das griechische avtr^v)
dabei, aus oycxoMu en wurde durch Schreibversehen oycioMHue gemacht. Bei
Xirp, slav. -lUBa 8. 1 und 8. 9 ist die Konfusion nicht so gross, wie es nach den
Angaben des Verfassers aussieht, wornach -lUBa einmal für b-bctoubhi, ein
anderes Mal für sanaÄT., griech. Svvafus, stehen soll. An erster Stelle hat sich
der Uebersetzer offenbar nach der Lesart (die auch belegt ist) y-al ßo(jQäi' y.al
vötou xal lißa gerichtet und wörtlich richtig übersetzt: u Ha ciBept n na cyn^
u Ha jhbs. An zweiter Stelle wurde offenbar im griech. Texte dvaiv (statt
dvyafiip) gelesen (diese Lesart ist ebenfalls belegt) und wieder richtig mit
Ha jiuBoy übersetzt, weil man ).ixp als Südwestwind auffasste, steht ja schon
Ps. 77. 26 im Psalterium sinaiticum sanaaeHt für .ihba. Wenn zur Ueber-
Jevsejev, Das Buch des Proph. Daniel, angez. von Jagic. 451
Setzung der Stelle 9. 27 : xccl Inl xovioig inl xo teooy, die so lautet: ii kbiuht.
B-B CTBiHu, der Herausgeber zu kliuh-b ein Ausrufungszeichen setzt, so ist das
wohl begründet, denn es handelt sich oflfenbar auch hier um ein Schreibver-
sehen, KtiuHX ist vielleicht aus kt. cumt. hervorgegangen, obwohl inl xovtoi;
eigentlich o cuxi lauten müsste; aus Kt cumt. konnte leicht k73umi>, allerdings
nicht so leicht daraus weiter kthiut. werden. Die Lesart xjiiöa jKajaaA 10. 3
für aoTov knid^vuiüi' möchte der Herausgeber so erklären, dass der Ueber-
setzer statt inid^vixiüv an das Particip tnid^vixwv dachte. Ich glaube, es liegt
noch näher, acaaaaa für einen Schreibfehler statt aca^auHA zu halten, das würde
der Lesart des alten Parömientextes xjiiöa acejaHiiio sehr nahe kommen,
vergl. noch 10. 11 MoyacH) ace^iaHHia. Dan. 11. 28 Bwinue für vnaq'iig statt
uMiHHe halte ich einfach für ein Schreibversehen. Die Stelle 4. 1 cuji^'ho bt.
jciOÄexi. Moiixi würde durch kleine Korrektur in cujibex bx jiiojexi. mouxx für
nitov if x(p ).a(o fj.oi einen immerhin annehmbaren Sinn geben, denn Tiioiv, das
sonst durch ToyM:i.Ht und aiacTUTi. wiedergegeben wird, könnte hier durch cu-
jiBHi. in der Bedeutung »mächtig« übersetzt worden sein. Eine sehr erwünschte
Bestätigung dieser Erklärung ergibt sich aus 11.24, wo der Archivtext bi>
cujHiii cxpaHti, der sogenannte Symeonische et 6./iaacaHmaMH CTpaHa.MU bietet
und in der griechischen Vorlage offenbar die nachweisbare Lesart kv nioac
'/(iioais vorauszusetzen ist. Dass niMu neben ToyqiH-B auch durch öjan. wie-
dergegeben wird, das führt der Verfasser selbst in seinem Buch Isaiae an.
Den merkwürdigen Fehler 11. 15 kx npxcxH für tt^o/cj^« (das der Ueber-
setzer als noog xüua gelesen), erwähne ich bloss darum, um an diesem einen
Beispiele, neben vielen anderen, klar zu zeigen, dass dem Neubearbeiter der
sogenannten Symeonischen Redaktion die ältere Vorlage gut bekannt war —
eineThatsache, die auch der Verfasser jetzt nicht mehr ignoriren kann, obwohl
er dann und wann noch immer von einer ganz neuen Uebersetzung spricht.
Auch der Deutung der Stelle 11.40, wo iy vavaly noX'/.alg durch h npexojti
MHorti übersetzt worden ist, muss ich entschieden widersprechen. Der Ver-
fasser meint, der Uebersetzer habe entweder die Bedeutung des Wortes 7'aig
nicht gekannt oder er sei mit dem Begriff des Schilfes nicht vertraut gewesen.
Nun ist allerdings für ycevg die übliche Uebersetzung Kopaöjit, allein die spe-
ciellen Benennungen einzelner Schiffsgattungen können verschiedenartig ge-
lautet haben. Man kennt z. B. den Ausdruck Hacajx aus der altrussischen
Sprache (auch bei den Südslaven bekannt). Ein ähnlicher Fall dürfte beim
Worte npixojt gewesen sein. Wir haben einen überzeugenden Beweis dafür,
dass npixo;!'! ein Schiff bedeutete, in der diminutiven Form, die wir aus Act.
27.32 kennen: bohhu roTpiaaBime oyaca npixoÄtiia (t« axoiviu xrjg axäcpr^;].
wo statt npixo;ii>Ha oder im Dativ npixojtuoy andere Texte (nach Amphi-
lochius) q-iBHOKt, qo.iHt, jra;muua anwenden. Man sieht daraus, dass es doch
etwas voreilig war, dem Uebersetzer des Buches Daniel, wer er immer ge-
wesen sein mag, die Unkenntniss des Marinewesens vorzuwerfen. Vor solchen
allgemein lautenden Urtheilen soll man sich hüten.
Der Verfasser hat bei seiner dem Buche Daniels gewidmeten Studie
auch die Resultate Dr. Nachtigall's bezüglich der in den glagolitischen
Missalen und Breviarien enthaltenen Bruchstücke dieses Bibeltextes, zumal
29*
452 Kritischer Anzeiger.
der Propheten, vollauf gewürdigt , um dadurch weitere Beweise für die Be-
hauptung zu gewinnen, dass die erste vollständige Uebersetzung der Pro-
pheten, als Ergänzung zu den in den Parömien enthaltenen Stücken, in der
That schon in Methodios' Zeiten versetzt werden muss. Sehr beachtenswerth
ist die dabei angewendete Beweisführung, die endlich und letztlich in der
Behauptung kulminirt, dass Methodios entsprechend der Ueberlieferung in
der Legende mit seinen Schnellschreibern in der That alle Theile der Bibel,
die nicht schon durch Konstantin übersetzt worden waren, fertig gestellt
habe. Ich anerkenne die Gewandtheit des Verfassers , doch glaube ich, dass
wir zunächst noch sehr weit davon sind, einen vollgültigen Beweis dafür
leisten zu können. Selbst die näher liegenden Ziele lassen sich nicht so glatt
erreichen, wie es nach der Darstellung des Verfassers den Anschein hat. Er
ist zwar mit meiner Unentschiedenheit, die ich ja selbst nicht loben will,
nicht ganz einverstanden S. XXX), aber auch ich noch weniger mit seiner
zur Schau getragenen Sicherheit. Ich will das an einem Beispiel zeigen. Auf
S. XXVII behauptet er, dass während im XIII. bis XV. Jahrh. der Text der
kleinen Propheten aus der vollen Uebersetzung jener ersten Periode, die er
mit dem Namen des Methodios kennzeichnet, in die katholisch-glagolitischen
Breviarieu und Megsbücher übernommen wurde , jene andere Uebersetzung,
aus Symeon's Zeiten, darnach von ihm symeonisch benannt, den slavischen
Verfassern der glagolitischen Breviarien und MessbUcher völlig unbekannt
war. Nach seiner Auffassung nämlich ist die alte methodische um seinen
Ausdruck zu gebrauchen) Uebersetzung der Propheten zu den Kroaten aus
den pannonischen Gebieten [er meidet zwar den Namen pannonisch, aber was
anderes ist es als pannonisch , wenn man von ci, ciBcpa ott. xopEaroBt spricht
S. XXVIII) heruntergelangt. Er spricht es als seine Ansicht aus, dass in den
kroatischen Breviarien und Messbüchern »die glagolitischen Texte der Pro-
pheten aus der ersten Hand, und nicht durch die Vermittlung des Südslaven-
thums (er meint Macedonien und Bulgarien) entlehnt seien« (ib.). Nun aber
machen gerade die Kapitel aus dem Buche Daniels, die in den glagolitischen
Breviarien und Messbüchern enthalten sind , einen gewaltigen Strich durch
diese Eechnung. Das muss der Verfasser selbst auf S. XLIII etwas kleinlaut
eingestehen. Freilich behauptet er, um die unerwartete Erscheinung etwas
abzuschwächen, das Buch Daniels habe sich in der ursprünglichen Fassung
in dem glagolitischen Texte nicht erhalten , oder diese sei uns wenigstens
nicht bekannt. Doch diese Beschönigung wäre besser ausgeblieben. Mit
solchen Nothbehelfen zu operiren, wie das oder jenes sei verloren gegangen,
ist nicht rathsam. Die Thatsache steht fest, die der Verfasser doch selbst
zugeben muss, dass die bei Bercic abgedruckten Stücke aus dem IL Vrbniker
Breviarium (das übrigens nicht erst dem XV. Jahrh. angehört, sondern im
Jahre 1391 geschrieben wurde) ganz deutlich den Zusammenhang mit der
sogenannten Symeonischen Uebersetzung Daniels verrathen. Nichts berech-
tigt den Verfasser in dieser Beziehung einen Unterschied zu machen zwischen
den Breviarien des XIII. und den späteren des XV. Jahrb., insofern er glaubt,
dass nur in den letzteren die aus Bulgarien herübergebrachten Texte (der
Symeon'schen Redaktion enthalten seien (S. XLII). Die jüngeren Texte pfle-
Jevsejev, Das Buch des Proph. Daniel, angez. vou Jagi(5. 453
gen sich von den älteren nur durch den grösseren Grad der Beeinflussung
seitens des lateinischen Yulgatatextes zu unterscheiden — ein lehrreiches
Beispiel dafür gab ich schon 1866 in Primeri II. S. 67 — 70 aus dem I. Kapitel
des Propheten Joel — an dem ursprünglichen slavischen Grundtexte wurde
jedoch nicht in der Weise gerüttelt, dass z. B. die ältere (Methodische; Re-
cension später durch die jüngere (Symeonische) ersetzt worden wäre. Eine
so gedachte spätere Beeinflussung ist gänzlich ausgeschlossen. Wir stehen
also betreffs der Einschaltungen aus Daniel vor einem Räthsel oder besser
gesagt, wir müssen volens nolens doch sehr alte Beziehungen zwischen den
Kroaten und Bulgaren (Macedoniens) zugeben, die sich auch in Büchern ab-
spiegelten. Interessant ist dabei zu beobachten, dass i;ngeachtet des Zusam-
menhanges des glagolitischen Textes mit der sogenannten Symeonischen
Redaktion einzelne Ausdrücke im glagolitischen Texte dennoch in älterer
Form, als sie diese Redaktion hat, sich erhalten haben. Z. B. 1.3 Berc. ci-
MCHB (so auch Method.l: njiCMcne Sym., 1. 12 paöB tbohxb Berc. paöti tboa
Meth.: OTpoKH TBOA Sym. (ebenso ib. 13), 1.15 rjraro.ia Berc. Meth.: öeciaoBa
Sym., 2. 7 sTopimeio Berc. Meth. : Bi.xopoe Sym., 2. 8 eb ucTUHoy Berc. bx p6-
CHOToy Meth.: no ucxuni Sym. (so auch 2.47), 2.33 lecxB exepa CKcy/ti^BHa
Berc. ^ACXB cKsae^iHa eauna Meth. : ^iacxb eicpa 3B3;aHa Sym. (im alten Paröm.-
Text: iiACxi. c^Hua rHujina), so auch 2. 34 cK03-ai.iHi Berc. CK&aejiHiii Meth.
2. 35 cKoyj'fe.iL Berc. cRoyÄe^iB Meth. — dagegen in Sym, sB^aHiu, sb/jx, im
Paröm.-Text THajiiuin, vuaji&. — dieses Verhältniss kehrt auch sonst wie-
der — ; 2. 35 paspasu xijio Berc. Meth. paa-B^ipasu xisio Paröm.: pasÄpaau oöpasa
Sym. ; 2. 44 pas'BiexB Berc. und der alte Paröm.-Text : usBiex-B Meth. und
Sym.; 3. 2 na CBemeHiie xijia Berc. na csmeHue x£joy Paröm. ua wcmeaie xi^ia
Meth.: Ha noHOBjeHiie K&Mups Sym. (doch 3. 3 haben alle Texte CBmenue oder
0CBI^eHIIe); 3.5 cnimonnc Berc. coyE-B^OHui Paröm.: corjacHUUB Meth. CBrjiacB-
H-Hiix-B Sym. (hier kann der glagolitische Ausdruck auch nachträglich unter dem
lateinischen Einfluss hineingerathen sein) ; 3.6 b neinB orncMB ropoymoy Berc. :
B n. 0. ropAmoyio Paröm. Meth. : e n. 0. no.'TAini& Sym. (doch schreibt sonst
auch Sym. ropimoyio); 3.16 noJiOTKa saBixB Berc. Meth.: nojioaai sanosiax
Paröm. sanoEija sanoEisB Sym.; 3. 15 b xae lacB Berc. b-b xou qacB Meth.: b-b
xou roa-B Paröm. bx ti roax Sym. ; 3. 62 cihuc h joyna Berc. Meth.; cji-hunQ u
MicAUB Paröm. Sym.; 14. 32 aa CHiaciB aaHue.ia Berc. aa aauujia CHiaAiB Meth. :
aa usiaix'' jaHu.ia Sym.
Ich habe diese Zusammenstellung gemacht, um zu zeigen, dass wir nicht
glauben dürfen, in den uns erhaltenen Texten des XV. Jahrh. überall die
Textüberlieferung des X. Jahrh. vor uns zu haben, es wird vielmehr noch
sehr viel Mühe kosten, bis wir durch sorgfältiges Studium der Texte, die zum
sehr grossen Theil nicht einmal in der ältesten erhaltenen Ueberlieferung
herausgegeben sind, eine klare Einsicht in die Sache gewinnen. Bis dahin
ziehe ich vor, etwas weniger zu wissen als der Verfasser des vorliegenden
Werkes. Es lassen sich z. B. sehr schön hören die von ihm für das Auf-
tauchen einer kommentirten Ausgabe (natürlich nur in Handschriften) aller
Propheten-Texte vorgebrachten Kombinationen und Vermuthungen (S, XXXV
bis XXXVIII), aber in meinen Augen haben diese Einfälle keine grosse Be-
454 Kritischer Anzeiger.
deutung. Denn woher weiss der Verfasser so sicher, dass diese Arbeit gerade
zur Zeit Symeon's und zwar schon vor 927 fertig war (S. XXVIII;? Woher
weiss er, dass im Symeonischen Zeitalter die kirchenslavische Sprache der
damaligen Schriftsteller einheitlich und zwar von der älteren pannonischen
Tradition wesentlich verschieden war? Wer gibt uns das Recht zu behaup-
ten, dass man damals durchweg so schrieb, wie es z.B. ein Joannes Exarchos
machte ? Sind denn alle Schriftsteller der ältesten macedonisch-bulgarischen
Periode auch nur ordentlich herausgegeben? Auf alle diese Fragen lautet
vorläufig wenigstens die Antwort verneinend. Selbstverständlich berühre
auch ich diese Fragen nur darum, weil dadurch das Verdienst solcher For-
schungen, wie die vorliegende, um so stärker hervortritt. Ich freue mich
über diesen neuen Beweis der tüchtigen Leistungsfähigkeit des Verfassers
und wünsche ihm den besten Erfolg in seinen weiteren wissenschaftlichen
Arbeiten, die freilich auch seine vorgesetzten Behörden wesentlich fördern
könnten, wenn sie ihn nicht zu lange in solchen Provinzialstädten, wie Ka-
menec-Podolsk oder Orel, aufhielten, sondern bald nach Moskau oder Peters-
burg ziehen Hessen, wo das grosse Arbeitsfeld gerade solche frische Kräfte
nöthig hat. V. J.
A. B. MnxaHjroBi). Kt Bonpocy o .iHTepaTypHOMt HacttiÄiH cbb. Kh-
pHJjia H MeeoAiÄ btb rjarojH^ecKHxi. xopEaTCKiixt MHCcajiax'L h 6pe-
Biapiaxi.. BapmaBa 1904. 8°. 145.
Prof. Michajlov konzentrirt schon seit vielen Jahren seine Aufmerksam-
keit auf das Studium der kirchenslavischen Uebersetzung des ersten Buches
Mose, der Genesis. Als das letzte Resultat dieses Studiums erscheint eine
kritische Ausgabe dieses Textes, mit Heranziehung eines sehr reichen Les-
artenmaterials aus fast allen ihm zugänglich gewesenen Handschriften. Da-
von sind in den Jahren 1900 — 1903 drei Hefte, auf 310 Seiten die Kapitel I bis
XXXVI umfassend, unter dem Titel : Knura ötiTiji npopoKa Moucen Et jipeEne-
c.iaBHHCKOM'i nepeBoai erschienen. Der Herausgeber kann jetzt, wie kaum ein
Zweiter, über die innere Geschichte der kirchenslavischen Uebersetzung des
ersten Buches Mose Rechenschaft geben. Allerdings beruht seine Ausgabe
ausschliesslich auf den cyrillischen Texten, die er in doppelter Form vorfand :
in Bruchstücken der sogenannten Parömien südslavischer und russischer
Provenienz, und vollständig in den alle fünf Bücher Mose enthaltenden
Texten, ebenfalls südslavischer und russischer Provenienz. Die Handschriften
erster Art reichen bis in das XII. Jahrb. zurück, die letzteren sind nicht älter
als aus dem XV. und XVI. Jahrh. Da der Druck der Ausgabe noch nicht
vollendet ist, so fehlt auch die zusammenfassende Darstellung der auf die
innere Entwickelung des Textes bezugnehmenden Thatsachen. Ich finde zwar
auf S. 88 des oben citirten Werkes in der ersten Anmerkung den voraussicht-
lichen Titel dieses Werkes angegeben : Onwxi. usyieniH icKcxa kh. EbitIh np.
MoHceH sn, ÄpeBHecji. neperoji, doch dieses Werk ist meines Wissens erst unter
der Feder des Verfassers. Inzwischen aber richtete er seinen Blick auf die
Michajlov, Altes Erbe in kroat.-glagol. Kirchenbüchern, angez. v. Jagic. 455
Beschaffenheit desselben Textes in einer anderen Art von Handschriften, die
weder cyrillisch geschrieben noch für die liturgischen Zwecke der orthodoxen
Kirche bestimmt sind. Das sind die Lektionen oder Perikopen aus dem
Buche Genesis, die in den in der katholischen Kirche gebräuchlichen Missalen
und Breviarien in ihrer glagolitisch-kirchenslavischen Gestalt begegnen. Die
Aufgabe der vorliegenden Schrift besteht darin, den in letztgenannten Bü-
chern enthaltenen glagolitischen Text mit dem entsprechenden cyrillischen
zu vergleichen, um ihr gegenseitiges Verhältnis klar zu stellen. Derartige
Versuche wurden allerdings schon früher gemacht, z. B. betreffs des Evan-
gelientextes von mir schon vor 42 Jahren , betreffs des Psalters in einer
grundlegenden Untersuchung meines verstorbenen Freundes, Prof. Valjavec
(in den Jahren 1889—1890, Rad Bd. 98, 99, 100). Zuletzt unterzog diese Frage
im Umfange des griechischen Parömienbuches einer Untersuchung Dr. Nach-
tigall im 3. Band der Moskauer archäologischen »Tpyaw caaBHucKofi komucIh«
(1902, S. 175 — 213). Dass diese Arbeiten die Untersuchung Michajlovs nicht
überflüssig machen, liegt schon darum auf der Hand, weil er sich über einen
Text verbreitet (die Genesis), der von mir und Valjavec gar nicht, von
Dr. Nachtigall nicht in dem Umfang, wie es hier geschieht, behandelt wurde.
Die gegen Nachtigall auf S. 49 — 51 geführte Polemik finde ich ungerecht-
fertigt, da er andere Ziele verfolgte, als der Verfasser der vorliegenden
Schrift. In jener Abhandlung sollte das russische Publikum, soweit es
sich für die Forschungen der slavischen Philologie interessiert, auf die
Bedeutung der glagolitischen Texte, die in den katholisch -liturgischen
Büchern stecken, aufmerksam gemacht und der Beweis geführt werden, dass
die glagolitischen Texte, neben den offenbaren Spuren der Beeinflussung
seitens der lateinischen Vulgata, auch noch deutlichen Zusammenhang mit
der altkirchenslavischen, auf griechischer Vorlage beruhenden Uebersetzung
zeigen. Da es ihm auf eingehende Untersuchung eines einzelnen Stückes der
biblischen Bücher nicht ankam, sind auch die auf S. 50 — 51 ausgesprochenen
Rügen unverdient. Selbstverständlich will ich damit nicht sagen, dass ich
nicht einer eingehenden Untersuchung von Buch zu Buch den Vorzug gebe.
Uebrigens könnte man, wenn schon auf möglichst erschöpfende Ausnutzung
der Handschriften Gewicht gelegt wird, auch dem Verfasser der vorliegenden
Schrift den Vorwurf machen, dass er nicht alle bisher erschienenen glagoliti-
schen Texte verwertet hat. Er führt zwar an einer Stelle meine «Primeri«
an (S. 43), ohne jedoch den dort abgedruckten Text (Gen. I 1 — 31 , II 1 — 25,
III 1 — 8, XXII 1—19) bei seinen Vergleichen herangezogen zu haben. Ich
könnte allerdings nicht sagen, dass diese Erweiterung des Materials auf seine
Schlussfolgerung einen Einfluss ausgeübt hätte, doch für das auf S. 102 ff.
gezeichnete Bild der Verschiebung des ursprünglichen Textes nach der latei-
nischen Vorlage hätte immerhin manches gewonnen werden können.
Sonst bin ich von der Darstellung des Verfassers vollständig befriedigt,
soweit er das Verhältnis des glagolitischen Textes zum cyrillischen veran-
schaulicht (S. 62—140). Er hat klar dargelegt: 1) dass im ganzen und grossen
der glogolitische Text mit den cyrillischen (nach den Parömienbüchern) über-
einstimmt (S. 62—82), und dass diese Uebereinstimmung auch dort sichtbar
456 Kritischer Anzeiger.
ist, wo in der griechischen oder lateinischen Vorlage Leseverschiedenheiten
vorkommen (S. 82 — 86); 2) dass der glagolitische Text näher steht dem cyril-
lischen der Parömienbücher als jenen der vollen Genesis (S. SS — 95), und
dass er hier und da selbst ältere Formen erhalten, als der cyrillische Text der
Parömienbücher (S. 95—97) . Merkwürdig, dass der Verfasser das selbst zugibt
und doch an einer früheren (oben erwähnten) Stelle stark gegen Nachtigall
polemisirt, der mit seiner Bezeichnung »älter« doch nichts anderes aus-
drücken wollte, als dass hier und da in den glagolitischen Texten sich eine
ältere Fassung des Textes erhalten hat. Weiter konstatirt der Verfasser,
dass an einigen Stellen der Wortlaut des glagolitischen Textes mit dem spä-
teren cyrillischen (der durch den vollen Umfang der fünf Bücher Mose ver-
treten ist) sich deckt (S. 97 — 102), doch geschieht das nur in sehr massigem
Umfange. Ich möchte hinzufügen , dass wir kleine Schwankungen im Aus-
druck schon für die älteste Zeit, die sogenannte pannonische Epoche des
Schrifttums, zugeben müssen, während die auf S. 101 angeführten Abwei-
chungen, die weder in den cyrillischen Parömien noch in dem vollen cyrilli-
schen Text der Genesis anzutreffen sind, einfach auf dem Einfluss des lokalen
Dialektes, dem Streben nach grösserer Verständlichkeit des Textes, die dem
Abschreiber vor Augen schwebte, beruhen. Man vergleiche solche Ausdrücke
wie Tc^am für AiJia.TU , leacaKt für lA^apL , cixani, JüHiieiiB , inno [japno] für
Mijx, roBopaxy für rjiaroJiaxoy u. s. w. Merkwürdig ist das Wort MamKaiu
Gen. 26, 8 und das Substantiv MauiKauuc 29, 3, die an -M^mK&xn-miaszkac erin-
nern. Ich stimme dem Verfasser bei, wenn er auf S. 110 ff. die Ansicht aus-
spricht, dass es eine konsequent durchgeführte Umänderung des altüber-
lieferten kirchenslavischen Textes nach dem lateinischen Vorbild nicht gab,
mögen auch, wie die von ihm angeführten Beispiele (S. 103 — HO) zeigen, auf
jeder Seite die Einflüsse des lateinischen Textes sichtbar sein. Dazu will
allerdings nicht ganz stimmen, wenn er auf S. 113 der Ansicht Valjavec's be-
treffs des Psalters sich anschliessend, die Vermuthung ausspricht, dass die
Hauptrevision des Textes mit Hinblick auf die lateinische Vulgata einmal vor
sich ging und zwar, wie er glaubt, damals als das Buch Genesis in die glago-
litischen Breviarien Aufnahme fand. Ja wenn man das wüsste ! Allein das
kritische Studium der glagolitischen Texte kroatischer Heimat hat kaum erst
begonnen. Man ist so ziemlich auf die Ausgabe Berlic's angewiesen, wo der
kritische Apparat gänzlich fehlt. Andere Texte, ältere und jüngere, wurden
bis jetzt nur sehr selten zum Vergleich herangezogen. Vergl. ein solches
Beispiel im Archiv XXII, 525 — 542, aus welchem man nicht auf so grosse
Uebereinstimmung unter den einzelneu glagolitischen Texten schliessen darf,
wie es nach einigen Handschriften allerdings den Anschein hat. Noch un-
glaublicher klingt die Ansicht Michajlov's, dass der Uebergang der Kroaten
zum katholischen Ritus in grossen Massen erst nach 1248 stattgefunden habe
(S. 113), einzelne frühere Fälle nicht ausgeschlossen (S. 114). Wenn der Ver-
fasser sich auch auf mich als den Vertreter dieser Ansicht beruft (S. 114
Anm. 1), so ist das falsch. Ich sprach einst in der Tisucnica (1863), ohne eine
Ahnung von den Kijever Blättern zu haben, schon vom XI. Jahrb. als der
mutmasslichen Zeit der Einführung des lateinischen Ritus — das XIII. Jahrh.
Michajlov, Altes Erbe in kroat.-glagol. Kirchenbüchern, angez. v. Jagic. 457
galt nur als der ungefähre Zeitpunkt der stärkeren Textrevision. Dem be-
kannten Breve des Papstes Innocenz vom Jahre 1248 wird, nach meinem
Dafürhalten, viel zu viel Gewicht beigelegt, dagegen die Thatsache, dass in
den Kijever Blättern ein Bruchstück des nach lateinischem Ritus eingerich-
teten Messbuches (Sacramentariums) vorliegt, zu gering bewerthet. Ich habe
nirgends behauptet, dass gerade Method selbst den römischen Ritus in
Mähren- Pannonien eingeführt, es war nur von jener Zeit als dem frühesten
Moment, wo dieser Process hat anfangen können, die Rede. Ich bin mir der
wissenschaftlichen Objectivität, mit der ich dabei vorging, voll bewusst und
würde sie in gleich hohem Grade so manchem russischen Gelehrten wünschen.
Was Michajlov, mit Hinwels auf die angeblichen Beweise Florinskij's, da-
gegen vorbringt (auf S. 33 — 34;, kann mich in meiner früher ausgesprochenen
Ansicht auch jetzt nicht wankend machen. Wenn er auf die Einschaltung der
biblischen Texte in das Kijever glagolitische Sacramentarium hinweist (S.35),
so scheint er übersehen zu haben, dass auf dem ersten Kijever Blatt der Zu-
satz der Perikope (ad Rom. XIII. 11 — 14, XIV. 1 — 4) von einer späteren Hand
herrührt (vergl. Glagolitica S. 56 — 58) und für die ursprüngliche Abfassung
des glagolitischen Sacramentariums nicht in Betracht kommen kann.
Der ganzen verdienstvollen Beweisführung, gegen die ich sonst wie ge-
sagt nichts einzuwenden habe, geht eine Einleitung über die äussere Ge-
schichte der slavischen Liturgie in Kroatien- Dalmatien voraus, die auf
fremden, zum Theil jetzt schon veralteten Forschungen beruht (S. 2—49). Es
wäre zweckmässig gewesen, auch hier so manche Behauptung, die er aus
Tkalcic,Broz oder meinen Jugendarbeiten schöpfte, von neuem zu prüfen oder
nach neuesten Forschungen zu bearbeiten. Z. B. die Behauptung, dass die
Slavenapostel durch Kroatien nach Rom reisten (S. 2] , steht auf sehr schwa-
chen Füssen , da das Land zwischen Mur, Drave und Save damals nicht zu
Altkroatien gehörte. Die ganze Darstellung der Beziehungen des Bischofs
Gregorius von Nona zur römischen Kurie sollte jetzt schon weder nach Broz
noch nach meiner Literaturgeschichte , sondern nach den späteren Forschun-
gen Racki's erzählt werden. Solche Behauptungen wie (S. 6), dass »vor dem
Auftreten der nationalen Kirche bei den Kroaten die Romanisirung des
Küstenlandes und anderer kroatischer Gebiete schnell und unbehindert vor
sich ging« oder dass »solange die römische Kurie der nationalen Kirche bei
den Kroaten zugethan war« (ja wann war denn das?), »die lokale italienische
Geistlichkeit nicht energisch genug entgegenarbeiten konnte« (S. 7) oder dass
»die Politik der Nachgiebigkeit, Versöhnlichkeit und der Annäherung zweier
Nationalitäten, der römischen und slavischen, ganz fremd und feindselig
dem kroatischen Volk, in ihren Folgen selbst der staatlichen Macht in
Kroatien verderblich war« (S. 9), oder, dass »der Papst Johannes X zum Glück
den Bestimmungen der Synode vom Jahre 925 seine Zustimmung versagte,
nachgebend in diesem Fall der eindringlichen Bitte des Bischofs von Nona
Gregorius, der sich auf die Bullen Hadrians II. und Johannes VIII. berief« (ib.)
— alles das sollte in einer kritisch sein wollenden Schrift heute nicht mehr
wiederholt werden. Immerhin ist die Schrift ein schätzbarer Beitrag. F. J".
458 Kritischer Anzeiger.
J. Baudouin de Courtenay. Szkice j^zykoznawcze. Tom. I.
Warszawa 1904. 8». VII. 464.
Die Stellung Professor Baudouins in der slavischen Sprachwissenschaft
ist eine ganz eigenthümliche. Vor allem ist er kein slavischer Philolog. Denn
nach dem, wie er auf S. 25 — 27 die Sprachwissenschaft gegenüber der Philo-
logie abgrenzt , wie er in der Sprachwissenschaft sogar den schädigenden
Einfluss der philologischen Gesichtspunkte hervorhebt — kann man unmög-
lich ihn zum Anhänger einer solchen Richtung zählen, die er mit ziemlicher
Geringschätzung behandelt. Er ist aber auch kein Linguist im Sinne der ver-
gleichenden indogermanischen Sprachwissenschaft, in der Richtung eines
Bopp, Schleicher, Joh. Schmidt, Brugmann u. a. , auch nicht auf dem engeren
slavischen Sprachgebiete in der Art eines Miklosich. Statt der Verwerthung
der vergleichenden oder geschichtlichen Momente — die letzteren sind be-
kanntlich auch bei Miklosich nicht immer deutlich und ausreichend — erfasst
er die Spracherscheinungen als Produkte der psychisch-physiologischen Pro-
cesse, die er durch eine besondere wissenschaftliche Behandlung veranschau-
lichen und erklären möchte. Zu diesem Zwecke gibt er der lebendigen
gesprochenen Sprache in ihrer dialektischen Mannigfaltigkeit als einem zweck-
mässigeren Object des Studiums den Vorzug vor der in alten Denkmälern
deponirten todten Form derselben. Der Wunsch, alle gleichartigen Erschei-
nungen mit Präcision zusammenzufassen und sie unter eine Formel zu brin-
gen, wobei die Abspiegelung der psychischen oder lautphysiologischen Vor-
gänge zum Ausdruck kommen soll, erzeugte bei ihm eine besondere Vorliebe
für die Aufstellung mathematischer oder mathematisch aussehender Formeln
und einer ganz eigenartigen Terminologie zur Benennung dieser Vorgänge,
die vielfach Kopfschütteln bei den Mitforschern hervorrief und nur zu einem
geringen Theil allgemein angenommen wurde. "Weiterhin mag seine grosse Nei-
gung zur minutiösen Eintheilung und Klassifikation der Erscheinungen und
zur Heranziehung der Parallelen aus dem Bereich der Naturwissenschaften her-
vorgehoben werden. Will man noch dazu seine Neigung zur Geisseluug der
eigenen wie auch der fremden Irrthümer hinzufügen , so hat man ein unge-
fähres Bild der hervorragenden Eigenschaften dieses slavischen, y.c.x iioyr^v
polnischen Sprachforschers gewonnen. Seine persönlichen Verhältnisse ge-
stalteten sich so , dass er den grössten Theil der Wirksamkeit nur auf den
russischen Universitäten, zum Theil in Dorpat, das damals noch deutsch war,
entfalten konnte. Der Aufenthalt in Krakau bildete nur eine kurze Episode
seines Lebens. Da er aber einen grossen Theil seiner wissenschaftlichen
Operationen an der menschlichen Sprache in ihrer polnischen Verkörperung
und Gestalt ausübte und infolgedessen an seinen Leistungen vor allem die
polnischen Lesekreise das grösste Interesse haben müssen, so lag der Wunsch
nahe, die in verschiedenen Zeitschriften zerstreuten Abhandlungen des ehren-
werthen Gelehrten, wenigstens soweit sie die polnische Sprache hauptsächlich
berücksichtigen, in einer polnischen Gesamtausgabe zu veröffentlichen. Eine
Stiftung, sie führt den Titel »Hilfskasse für die auf dem wissenschaftlichen
Felde arbeitenden Personen Namens Josef Mianowski«, ermöglichte die
Baudouin de Courtenay, Sprachwiss. Skizzeo, angez. von Jagic. 459
Herausgabe zunächst des I. Theils (von der Fortsetzung der Publikation
spricht der Verfosser allerdings nicht mit voller Zuversicht), in welchem we-
nigstens ein Theil seiner Beiträge nicht etwa in chronologischer Reihenfolge,
sondern wie es scheint, mehr nach dem Inhalt geordnet, zur Ausgabe kam,
wobei das allgemein Orientirende oder in die Sprachwissenschaft Einführende
an die Spitze gestellt wurde. Die erste Stelle dieser »Sprachwissenschaft-
lichen Skizzen« nimmt ein im Jahre 1901 erschienener Aufsatz »Sprach-
wissenschaft oder Linguistik im XIX. Jahrh.« (S. 1 — 23) ein, gleich darauf folgt
ein Vortrag aus dem Jahre 1888 »Ueber die Aufgabe der Sprachwissenschaft«
(S. 24 — 49). Der dritte Beitrag »Ueber die allgemeine Ursache der Sprach-
veränderungen« datirt aus derselben Zeit (S. 5U— 94), beruht wesentlich auf
physiologischen Wahrnehmungen, als dem Hauptmittel der Erklärung sprach-
licher Vorgänge. Breiten Raum nimmt die vierte Abhandlung ein, die der
Beurtheilung linguistischer Arbeiten des gewesenen Professors Mich. Kru-
szewski gewidmet ist (S. 95 — 175). Kr., ein Pole von Geburt, studierte zuletzt
in Kazan unter der Anleitung Baudouin's, war sein Schüler und nachher
Professor der allgemeinen und vergleichenden Sprachwissenschaft an dersel-
ben Universität (S. 97 — 175). Beachtenswerth für das Verhältniss des Lehrers
zum Schüler ist die Thatsache, dass manches von dem was Kr. in seinen
Werken als eigene Theorie hinstellte, von Band, als sein geistiges Eigenthum
in Anspruch genommen wird (vergl. die Bemerkungen auf S. 125 — 126). Mögen
auch die vielen Einwendungen Band. 's gegen Kr. begründet sein , so würde
ich doch eine Kürzung dieser ausführlichen Anzeige gewünscht haben, zumal
der Leser, dem die Originale Kr.s nicht vorliegen, nicht leicht in allen Einzel-
heiten der Beurtheilung folgen kann. Die fünfte Abhandlung enthält in poln.
Uebersetzung den Beitrag Band, s aus dem VI. Band der Kuhn-Schleicher-
schen Beiträge »Einige Fälle der Wirkung der Analogie in der poln. Dekli-
nation«, wobei in der Einleitung ein damals von Schleicher gekürzter Absatz
jetzt in vollem Umfange zum Abdruck kommt (S. 176—247). Zahlreiche Be-
merkungen unter der Zeile machen den Leser auf die Stellen aufmerksam, wo
Prof. Band, jetzt nicht mehr so, wie im Jahre 1868 sich ausdrücken würde.
Aus derselben Zeit stammen die sechste und siebente Abhandlung, ebenfalls
zuerst deutsch in den Kuhn- Schleicher'schen Beiträgen im VI. Band abge-
druckt ;S. 249 — 256, 257 — 263). Sehr ausführlich angelegt ist als neunter Bei-
trag aufs. 264 — 401 dieRecension über die bekannte polnische Grammatik von
Franz Xav. Malinowski, sie erschien zum ersten Mal in der poln. Zeitschrift
»Niwa« im Jahre 1874, hier findet man viele bei der ersten Publikation der
Anzeige nicht aufgenommene »Beilagen«. Das Ganze ist zwar lesenswerth,
doch nach meinem Dafürhalten für die Jetztzeit etwas zu ausführlich. Im
zehnten Beitrag (S. 402 — 412 , den ich ebenso wie die vorgenannten bisher
nicht kannte, wird mit humoristischer Kritik das unvollendet gebliebene
Buch Budilovic's nepsoötiTHLie cjaBAHe besprochen (aus dem Jahre 1879).
Nr. XI gibt eine schon in den Krakauer Sitzungsberichten abgedruckte In-
haltsangabe einer Abhandlung über Sandhi-Erscheinungen im Sanskrit und
im Polnischen (S. 413 — 423;. Wir hätten bis zur Publikation der vollendeten
Arbeit warten können. Nr. XII und XIII bringen wieder zwei schon im
460 Kritischer Anzeiger.
Jahre 1868 für dieKuhn-Schleicher'schen Beiträge geschriebene Kleinigkeiten
(Hinneigung zum e im Polnischen , Zetacismus) mit reichlichen Warnungs-
anmerkungen. Nr. XIV und XV sind ebenfalls den Krakauer Sitzungsberich-
ten entnommen (Etymologische Kleinigkeiten und etymolog. semasiologische
Kombinationen betreffs der Wurzel ha im Polnischen). Gut ausgeführte In-
dices (auch die besprochenen Wörter umfassend) beschliessen den ersten
Band dieser Skizzen.
Von einem näheren Eingehen in den Inhalt des hier zusammengetragenen
Stoffes kann um so mehr abgesehen werden, als ja das Archiv (wie die von
mir im I. Band gegebene Uebersicht und der von Prof, Pastrnek verfasste
Supplementband des näheren ausführen) immerfort die wiss. Leistungen Bau-
douin's sorgfältig registrirte. Ich kann nur dem Wunsche Ausdruck geben,
dass der Verfasser in die Lage kommen möchte, seine Skizzen fortzusetzen,
wobei ich seinen schon angekündigten Entschluss, nicht alles in extenso zum
Abdruck zu bringen, durchaus billige. F. J.
Beiträge zur polnisclien Wortbildung von Titus Benui. I. Einfüh-
rung, Produktive Personalsuffixe. Leipzig 1905. S^. 48.
Das vorliegende Heft enthält »Einführung«, in welcher auf die neuere
Behandlung des Gegenstandes zum Unterschied von dem frühereu starren
Formalismus, wie er z. B. im Werke Miklosich, hervortritt, hingewiesen
wird; dann folgt die Aufzählung der substantivirenden Suffixe im Polnischen.
Der Verfasser steht auf dem Standpunkte der isolirten Einzelbehandlung,
dabei wird auch der eventuellen geschichtlichen Entwickelung keine Rech-
nung getragen, obwohl gerade diese Betrachtungsweise manchmal erwünschte
Uebergänge oder fertige Vorbilder für die erweiterte Anwendung einzelner
Suffixe abgeben könnte. Das Beste an der kleinen Schrift ist die Zusammen-
stellung von Beispielen, ihre Gruppirung nach den Bedeutungssphären, wobei
selbst die Neugebilde modernster Zeit (aus der Tagespresse, der wissenschaft-
lichen Literatur) mit aufgenommen wurden , z. B. schyikoiviec für Dekadent
(S. 15), strejkoicicz für Streiktheilnehmer (S. 46) u. s.w. Einzelne Ausdrücke
hätten verdient herausgehoben zu werden, z. B. rumieniec (S. 14 und noch-
mals S. 19) gehört wohl nicht in die übliche Gruppe der Bildungen auf iec
wegen seiner abweichenden Bedeutung (vergl. das russ. p-jTMflHeut). Warum
dziuraiciec auf S. 14 und abermals auf S. 18 zur Sprache kommt, ist ebenso-
wenig einzusehen, wie warum ulnhieniec auf S. 14 und obluhieniec a.ui '&. 19
erwähnt wird. Auf S. 20 ist zunächst vom Suffix -ik, dann auf S. 21 vom -nik
die Rede; wie kamen aber S. 23 (und 24) peicnik Axiom, poiudnik Meridian
und S. 24 röwnik dazu, gerade unter dem Suffix -nik erwähnt zu werden? Beim
Suffixe -arz, an dessen Unursprünglichkeit im alten slavischen Wortschatz
gar nicht gedacht wird, sollte die Frage, wann ein Wort auf -arz und wann
auf -iarz auslautet, beantwortet werden. Das geschieht ganz mechanisch auf
S. 31. Kann man -niarz vor -narz den Vorzug geben (S. 31) angesichts nicht
i
Benni, Zur poln. Wortbildung, angez. voa Jagic. 461
nur der Fremdwörter (z. B. dykcyonarz, marynarz, misjonarz), sondern auch der
echt polnischen Bildungen: mlynarz, dztvonarz? Die übrigens unverkenn-
bare Vorliebe für -iarz (namentlich bei Neubildungen) muss offenbar auf einer
späteren Analogieiibertragung beruhen. Auch slovakisch finde ich zwar
mäsiar neben cech. masar, sloven. und serbkr. mesar verzeichnet, allen dem
poln. rzezhiarz steht slovak. rezbdr, cech. rezbär u. s. w. gegenüber, ebenso
dem poln. siodlarz das slov. sedldr, cech. sedldr, südal. sedlar u. s. w. Die Vor-
liebe für -iarz scheint also auf der Analogieübertragung entweder der berech-
tigten Fälle auf -iarz oder auf den Einfluss von -ierz (aus dem deutschen er)
zu beruhen, vergl. farbiarz xmdfarbierz, oder mit nialarz vergl. cech. malir.
Die alten Bildungen lauten auch im polnischen auf -ars, z. B. gospodarz (falsch
vom Verfasser für eine Ausnahme erklärt S. 31). Wo ein fremdes Verbum
auf -otüac lautet, kann das Substantiv auf -ar;: als polnische Bildung dazu
kommen , oder auch umgekehrt zu dem Substantiv das Verbum hinzutreten,
doch ist es wohl falsch arenda erst von arendowac abzuleiten (S. 30). Das
Substantiv arenda kennen auch solche slav. Sprachen, die das Verbum aren-
doioac nicht gebrauchen, z. B. die serbische. Nach der Lehre des Verfassers
soll das Suffix -ciel seine Lebensfähigkeit eingebüsst haben und an seine
Stelle -i'cz'e^ getreten sein, mittelst welcher Form von Verben auf -ic Nomina
agentis gebildet werden. Ja wer sagt denn dem Verfasser, dass in mysliciel
gerade -iciel Suffix war? Er hätte doch sich vorsichtiger ausdrücken sollen
und sagen, dass infolge der meisten Bildungen von den auf -tc auslautenden
Verben in dem Sprachgefühl der Redenden -iciel als ein einheitliches Suffix
gefühlt wurde. Daher die nicht gerade schönen Wortbildungen posiedziciel oder
skaziciel [^.ib). Unrichtig werden die Wortbildungen, wie i(jus[h\\gnQ\:),siugus
(Bedienter) u.s.w. (S.40) als Latinisirungen aufgefasst, also auf gleiche Linie
gestellt mit chudeusz, bideusz, chytreusz u. s. w. (S. 41). Hätte der Verfasser in
der Grammatik Miklosich's S. 327 nachgeschlagen, würde er eines besseren
belehrt worden sein. Dass man ideat, mszai, rytuai u. s. w. nicht erst aus den
Adjektiven auf -ahiy abzuleiten hat, das gibt der Verfasser selbst zu. Nun
ist es wohl nicht nothwendig, auch bei kryminai oder nacjonat, liberai gerade
von den Adjektiven kryminalny, nacjonalny, liberalny auszugehen. Wenn man
im deutschen Nazional, Liberal, als Substantiv (ein Nazionaler, ein Liberaler)
und als Adjektiv (ein nationaler Gedanke, ein liberaler Gedanke) anwenden
konnte, so unterschied man im Polnischen das Substantiv vom Adjektiv, wobei
eher beim Adjektiv die Weiterbildung anzusetzen ist. Noch weniger ist es
angezeigt, beim Kryininal = Kriminalgefängnis vom Adjektiv auszugehen.
V. J.
A. S. Petruszewicz, 0 pierwszym zawifizku familii u aryjskich na-
rodow w szczegölnosci u Slowian na podstawie ÜDgwistycznych
badaii. Lwöw 1903. S». 32 + 2.
Dieser kleinen Schrift sei Erwähnung gethan, weil in ihr ein 85jähriger
Greis mit seiner wissenschaftlichen Thätigkeit abrechnet und von der gra-
462 Kritischer Anzeiger.
phischea Bezeichnung der altslovenischen Nasallaute ^glagolitisch und cyril-
lisch) ausgehend (die zum Theil richtiges enthält, worüber ich schon in meinen
HeiBipe cxaTBu gehandelt habe), eine Reihe von Etymologien bespricht, für die
er hier und dort einen realen Hintergrund in den uralten Kulturzuständen
nachzuweisen sucht. Es gebührt dem alten, verdienstvollen Forscher aller-
dings grosse Anerkennung dafür, dass er in seinem hohen Alter noch Erschei-
nungen neuester Zeit, wie z. B. 0. Schrader s Reallexikon der indogerman.
Alterthumskunde (1901) für seine Kombinationen heranzieht. Doch ändert
das nichts an unserem Urtheil, dass seine Etymologien meistens sehr gewagt
sind , dass ihnen die vorsichtige Beobachtung der Lautgesetze abgeht. Dass
er sein grosses über ein halbes Jahrhundert gesammeltes Material zu einem
allslavischen Etymologikon (50 ellenlange Holzkistchen umfassend)
der kais. Akademie der Wissenschaften in Petersburg zur wissenschaftlichen
Verwerthung überlassen hat und von dieser dafür durch Ernennung zum
Ehrenmitgliede belohnt wurde, — gegen diesen Austausch von Liebens-
würdigkeiten haben wir selbstverständlich nichts einzuwenden, wohl aber
würde eine Publikation des Materials die grössten Bedenken hervorrufen
müssen, ich würde sie höchstens nur in sehr sorgfältigen und vorsichtigen
Auszügen für erspriesslich halten. Dafür liefert ausreichende Beweise schon
die vorliegende kleine Schrift, in welcher z. B. auf S. 7 die polnischen Aus-
drücke cerulik- cyrulih^ dann weiter ceroioac - cyrowac ohne Bedenken als echt
slavisches Material mit uiji^ nijioEaTu zusammengestellt werden, während
schon Linde das richtige sah; oder auf S. 15 wird das Wort cziowieh von
*kalioa (so sollen die Urslaven das Wort statt *galica = rjiaBa einst gespro-
chen haben!] abgeleitet. Auf S. 20 wird KopoBaii (südsl. kravaj] mit Kopo^-j^H-B
(südsl. kracmio) in Zusammenhang gebracht , was gewiss nicht angeht, mag
auch der Versuch Schuchardt's nicht geglückt sein. Auf S. 22 hören wir, dass
sam-sama (für Herr und Frau) mit ciMi,, ja selbst mit c§mä in Verbindung ge-
bracht wird. Auf diese Weise kann man freilich, bei einiger Phantasie, die
den alten Herrn noch nicht verlassen hat, alles mögliche beweisen. Z. B. in
einem russ. Ortsnamen (er schreibt ihn Pantalicha) erblickt er noch die Wah-
rung des uralten Nasalismus , denn Pantalicha ist nach seiner Erklärung =
puf lycha (also u&tb .luxa) ! Dadurch ist gleich das russ. uaHTa-iLiKt (z. B. in
der Phrase cöhtb et naniajibiKy) erklärt. Namentlich die Annahme des Ueber-
gangs von n in l wird für eine Reihe von Etymologien ausgebeutet. Nach
Petruszewicz ist ^^3:1. mit ^cjimäb identisch (S. 10), denn aus n in ^ä^b sei / ge-
worden (warum, das wird nicht gesagt), allein dafür muss das englische child
herhalten. Die russ. Phrase neöo mo.iojutch (vergl. im serbokroat. zamladiti se
von der Wunde = vernarben) soll nicht von mo-ioit. herrühren (S. 13), sondern
auf M&TUTu durch Uebergang von n in / beruhen. Nach diesem Lautübergang,
der ja wohl möglich ist, aber immer seine besonderen Gründe hat, die der
verehrte Etymologe gänzlich übersieht, wird auch kakojb und ko.iokoji'b auf
eine Wurzel zurückgeführt (S. 14) und auch *Km6jo (poln. k^hlic, k^htac, cech.
kublatt) nach derselben Theorie mit Ko.iiöain identifiziert (ib.). Man kann
nach diesen Proben nur bedauern, dass das vielleicht in seinem Inhalt sonst
sehr reiche Material in falschen Zusammenhang und schlechte Beleuchtung
Dezelic, Biographie des Maxim. Vrhovac, angez. von Prohaska. 463
gebracht ist, wie z. B. auf der letzten Seite selbst der Name Pyci. aus dem an-
geblich kroatischen arsal als slavisch abgeleitet wird. Was ich in meiner
krit. Ausgabe des Viuodoler Statuts auf S. 135 über den Ursprung des ara-
bischen Ausdrucks, auf welchem arsa^ beruht, gesagt habe, das blieb dem
alten Herrn unbekannt. Möge er seinen Lebensabend in dem Bewusstsein,
dass wir seinen durch so viele Werke an den Tag gelegten wiss. Eifer willig
anerkennen, möglichst angenehm zubringen. V. J.
Maksimilijan Vrhovac (1752 — 1827) napisao Dr. Velimir Dezelic.
UZagrebu 1904. 8«. 217.
Die vorliegende Studie entwirft ein interessantes kulturhistorisches
Portrait aus dem josephinischen Zeitalter. Einer der markantesten Vertreter
der Aufklärung in der oesterreichischen Monarchie war der Agramer Bischof
Maksimilijan Vrhovac. Ein Kulturheld für sein Volk war er, wie später im
XIX. Jahrh. Bischof Strossmayer. Der Verf. hat ein breites Material studirt,
das muss ihm besonders zu gute gehalten werden. Er blätterte in den Agramer
Archiven des Domkapitels, des Komitates, auch kleine Bausteine aus Flug-
schriften, Memoiren, Broschüren, Eeisebeschreibungen u. dergl. sammelte er.
In chronologischer Entwickelung giebt er aus diesen vielseitigen Quellen eine
geschmackvolle Studie seines Objektes. Und das war nicht so leicht. Ein
Bischof, der zugleich ein geriebener Diplomat, ein energischer Feldherr, ein
tüchtiger Priester, ein Mäcen und Unternehmer bei verschiedenen Institu-
tionen war, ist nicht ohne Schwierigkeiten in eine einheitliche Synthese zu
bringen. Der Verf. theilte daher seinen Stoff in kleine Kapitel auf, von denen
ein jedes eine neue Seite dieser encyklopädischen Erscheinung hervortreten
lässt.
Die Keime zur späteren Mannigfaltigkeit des grossen Bischofs werden
in der Familie gefunden: hier leuchteten gleichviel »der Degen und die Mitra«
als Vorbild (K. Il — Femer wird auf die politische Lage Ungarns und Kro-
atiens vom Standpunkte des Bischofs aus ein Licht geworfen. Beide König-
reiche litten unter der drückenden Fürsorge Joseph II. In Kroatien trat
der Gegensatz in der Gestalt eines bürokratischen Banus Balasa gegenüber
dem unabhängigen Vertheidiger historischer Rechte M. Vrhovac auf. Der
Kampf beider Parteien wird gut geschildert (K. II). — Der Verf. hält den
Faden zu fest in der Hand, er hat die Tugend eines richtigen Biographen:
alles womöglich aus dem Standpunkte des Helden zu betrachten. Man würde
aber wünschen, dass er im IV. Kap. seinem Gegenstande fremder und objektiver
gegenüber stehe. Hier wird die revolutionäre Verschwörung Martinovic's,
eines ungarischen Abtes, mit welchem Bischof Vrhovac verbunden gewesen
sein soll, nur scheinbar unparteiisch wiedererzählt: der Verf. lässt den Pro-
cess in dialogischer Form abspielen. Vrhovac vertheidigt sich gegen die An-
gaben des Angeklagten Martinovic. Aus allem geht aber hervor, dass der
Bischof thatsächlich mit der revolutionären Bewegung in Fühlung stand. Dem
464 Kritischer Anzeiger.
hätte man etwas rücksichtsloser tiefer nachgehen sollen. Zwar hätte das
auf den Character M. Vrhovac's kein vortheilhaftes Licht geworfen, da er von
sich alle Beschuldigungen abwies, aber seine individuelle Physiognomie wäre
klarer geworden. — Seine persönliche Grösse entfaltetet sich am meisten zur
Zeit der napoleonischen Kriege mit Oesterreich. Er warf 16975 Mann aus dem
kleinen Kroatien — damals! — zur Vertheidigung alter historischer Eechte
seines Vaterlandes gegen den grossen Usurpator auf das Feld. Und darauf
folgt die Tragik und Ironie, die der Patriot Oesterreich zu verdanken hat, er
muss für die in Illyrien gelegenen Theile seines Bisthums dem Besieger —
Treue geloben!
Wichtiger sind die Kapitel , wo die Kulturbestrebungen M. Vrhovac's
beschaut werden. Ich würde hier eher einen Vergleich mit I. Strossmayer als
Lj. Gaj empfohlen haben. Eine Parallele zwischen dem josephinisch- auf-
klärerischen Bischof und dem romantisch-nationalen Führer der Illyrier ist ja
schliesslich möglich, wenn man— den Unterschied hervorgehoben hat. Vrho-
vac ist kein wirklicher Vorläufer Gaj's. Gaj knüpft ja gar nicht an ihn an —
in keinem Punkte. Ich vermisse es also, dass der Verf. den »Vorläufer« nicht
in eine historische Perspektive gegenüber seinem Nachkommen gerückt und
den Unterschied der Aehnlichkeiten nicht genügend hervorgehoben hat
(S. 215 f.). Seine Anregungen schöpfte Gaj aus dem Safarik-Kopitarschen
Gedankenkreis und jenem romantischen Geist, der in die oesterreichischen
Universitäten drang. [Doch der Verf. verwahrt sich gegen die Betonung
»fremder Einflüsse« (S. 102 f.). Ich füge hier hinzu, dass ich damit gar nicht
einverstanden bin , und noch immer bei der Auffassung Murkos bleibe. Dass
selbst Snrmins »Preporod ..iv.« diesen Zusammenhang nur oberflächlich be-
handelte, beweisen seine unglaublichen Parallelen der Illyrier mit den — Jung-
deutschen!]
Was das berühmte Rundschreiben M. Vrhovac an seinen Clerus über
das Sammeln von Volkslieders, Sitten und Lexicis anbelangt, so wird das ganz
auf Anregung Kopitars zurückzuführen sein. Es geschah ja erst 1813, gerade
zur Zeit, wo sich Kopitar am lebhaftesten dafür interessierte und seinen —
Karadzic fand. Auch die Erfolglosigkeit der Sache des Bischofs zeugt davon,
dass sie nicht von ihm selbst angeregt wurde, dass er hier eine fremde Rolle
spielte.
Im Grossen und Ganzen verdient diese Leistung des Verf.'s Anerken-
nung, da er ja einen ziemlich unbetretenen Pfad ging. I). Prohaska.
Kleine Mittheilungen.
Sloven. -bim.
K.Z. XXXVII 345 f. habe ich aus slovinz. iotim, sloven. bom ein iirslav.
*bqmb erschlossen, welches ich auf ein grundsprachliches ««-Präsens *bhii-
nümi : *bhundni(is zurückgeführt habe. Wenn ich jedoch a.a.O. gesagt habe,
dass *bqmh anstandslos ans einem älteren *biin9mi hergeleitet werden könne,
ist dies in dieser Fassung aller Wahrscheinlichkeit nach unrichtig, für das
un9 in der 1. Sing. *bim9mi und der 1. Plur, *hundmes ist eine andere Entwick-
lung anzunehmen.
Im Slovenischen findet sich nämlich in der Komposition neben bom auch
das Präsens -bim, z. B. dobim zabim. Dies als eine Neubildung des Sloveni-
schen aufzufassen, ist nicht gut möglich, denn wie sollte es etitstanden sein?
Es läge ja nahe, den Inf. biti für das Auftreten des i verantwortlich zu ma-
chen, dann wäre aber ein anderes Eesultat zu erwarten. Wäre nämlich dobim
eine Neubildung zu dobiti, so könnten als Vorbilder nur die t- Verben wie no-
siti Prs. nosim, tyieriti Prs. merim gedient haben. Wie aber diese dazu gekom-
men sein sollten, auf das Kompositum dobiti einzuwirken, ist nicht ver-
ständlich, ganz abgesehen davon, dass sich diese Einwirkung nur auf den
Ind. Prs. erstreckt haben könnte, der Imp., welcher stets dobodi heisst, aber
unberührt geblieben ist. Wenn der Inf. dobiti den Anstoss zur Neubildung
des Präsens gegeben hätte, so wäre diese doch sicher im Anschluss an die
Komposita der übrigen einsilbigen Verben auf -iti (urslav. -iti und -yti) wie
piti siti kriti miti vor sich gegangen. Diese bilden aber sämmtlich ihr Prä-
sens nach der je-Klasse : izpijem nasijem pokrijem omijem. Hiernach wäre nun
auch zu dobiti ein *dobiJem zu erwarten, was aber nicht vorhanden ist. Es
bleibt demnach nichts anderes übrig, als in dem -lim eine lautgesetzlich ent-
standene Präsensform zu sehen.
Das sloven. -biin muss der Nachkomme eines urslav. *bi/mb sein. Als
idg. Grundform für Hijmb wird man zunächst ein *bhümi erschliessen. Dass
ein solches Präsens existirt haben kann, wird man nicht ableugnen dürfen, es
würde als Aoristpräsens zu aind. abhüt, griech. 'icpv, zu charakterisiren sein.
Es ist jedoch wenig wahrscheinlich, dass ein Präsens *bhümi ins Slavische
gekommen ist. Fest steht, dass das Urslavische ein Präsens *bqmb aus grund-
sprachlichem *bhu7iämi besessen hat, für sein Vorhandensein bürgen sloven.
bo7n und slovinz. boum. Dass neben diesem Hhummii auch ein *bhümi aus
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 30
466 Kleine Mittheilungen.
der Grundsprache herübergenommen ist, ist nicht anzunehmen, besonders da
das urslav. *hymh auch aus dem grundsprachlichen *bhunä7nt hergeleitet
werden kann.
Bekanntlich wirkte im Urslavischen ein Lautgesetz, nach welchem die
Gruppe Vokal + Nasal I + Nasal II nicht zu Nasalvokal + Nasal II, sondern
zu Vokal + Nasal II wurde, d.h. dass von zwei unmittelbar benachbarten
Nasalen der erste sich dem zweiten assimilirte, und der so entstandene lange
Nasal dann gekürzt wurde, bevor die Vokale mit ihnen folgenden tautosylla-
bischen Nasalen zu Nasalvokalen wurden, z. B. abg. im^ (urslav. *Jbinf] aus
*bnm(, idg. fitnen, vergl. preuss. enmens, serb. Plur. Dat. gradj'am, Instr. g7-a-
dj'ami aus *gordjan7n^ *gorcljanmi, vergl. gradjane. Auf Grund dieses Gesetzes
möchte ich auch die Entstehung von urslav. *hymh aus *bundmi, der Umbil-
dung von *bhuncmii, erklären. Hierbei ist allerdings eine Reihe von Schwie-
rigkeiten zu überwinden.
Die Assimilation des nm zu mm und der Uebergang dieses gedehnten
mm in einfaches m muss eingetreten sein, bevor die langen Vokale mit tauto-
syllabischen Nasalen die Verbindung zum Nasalvokal eingingen. Dies zeigen
die serbischen Formen gradjam gradja?ni, welche als in irgend einem Punkte
nichtlautgesetzlich anzusehen wir kein Recht haben. Zu der Zeit nun, als die
Gruppe langer Vokal + Nasal zum Nasal vokal wurde, kann das aus älterem
M«a erstandene ün — dass dies die Vorstufe zu dem späteren q gewesen ist,
wird durch den steigenden Ton in serb. düti büdem bewiesen — noch nicht mit
idg. ün zusammengefallen sein , denn sonst müssten wir für uns wie für ün
slav. y antreflfen. Am nächsten liegt hier die Annahme , dass der schwache
Vokal von tma zu dieser Zeit noch vorhanden war. Dann müsste, falls wir an
der Herleitung von *bymh aus Hunami festhalten wollen, angenommen werden,
dass das Assimilationsgesetz der Nasale zweimal gewirkt habe, einmal vor
der Entstehung der Nasalvokale aus langem Vokal + Nasal und dann, nach-
dem uns zu ün geworden war. Andererseits kennt auch das Litauische den
Uebergang von un9 zu ün, wie dmnti zeigt. Hierdurch wird der Gedanke nahe
gelegt, den unter Dehnung des vorhergehenden Vokals erfolgten Schwund
des a in die Zeit der baltisch -slavischen Sprachgemeinschaft zu versetzen.
Ob dies richtig ist, ist nicht zu erweisen, die Zahl der für unser Lautgesetz in
Betracht kommenden Beispiele ist zu gering, jedenfalls kann von keiner Seite
ein ernsthafter Widerspruch erhoben werden. Der einzige Einwurf, der ge-
macht werden könnte, wäre der, dass man für dies neu entstandene ün die-
selbe Behandlung erwarten müsste wie für das aus der Grundsprache ererbte
ün, dass also auch dies hätte zu y führen müssen. Darauf ist aber zu erwi-
dern, dass das grundsprachliche ü ein geschlossenes, das grundsprachliche u
dagegen ein offenes u war. Wenn nun auch dies ehemals kurze u zu langem
ü wurde, brauchte es dadurch keineswegs zu geschlossenem u zu werden.
Dass ein ün und daraus entstandenes ü mit offenem «-Laut sich anders ent-
wickeln konnte als ein ün bzw. ü mit geschlossenem M-Laut, dürfte keinem
Widerspruch begegnen. In einem Falle finden wir allerdings, dass ein aus
einem kurzen u gedehntes ü vor Nasal dieselbe Entwicklung durchgemacht
hat wie das idg. ?7: im Akk. Plur. der t<- Stämme syny aus *sfimtns. Diese
Kleine Mittheilungen. 467
Dehnung ist aber für eine viel spätere Zeit anzusetzen und — andere Zeiten
andere Lautgesetze.
Kehren wir jetzt zur Entwicklung des *bhu)iä7m bzw. des daraus umge-
bildeten bwi9mi zurück. Die ursprüngliche Flexion war:
Sing. *bun9mi Plur. *bundmes
*bun9si *bun9te
*bu)i9ti 1)
Durch den Uebergang von un9 in ün entstand hieraus:
*bünmt-] *bünmes
*bünsi *bünte
*bünti
Durch das Wirken der beiden Lautgesetze: Assimilation von um zu mm
m und Uebergang von Vokal + Nasal in Nasalvokal, entstand dann:
*bymh *bym'o
*bqsb *bqte
*bqh
Hierdurch zerfiel das Paradigma: auf der einen Seite standen die
1. Sing, und 1. Plur. mit dem Stammvokal y, auf der andern Seite die übrigen
Formen mit dem Stammvokal q. Beide Formengruppen ergänzten nun ihr
Paradigma: zu *bymh *bym'o wurden *bysh *byth *byfe geschaffen, deren
Nachkommen wir in sloven. -bitn antreffen, neben *bqsb *bqio *bqte ent-
wickelten sieh *5fifm& *i(j?n^ , ihre Abkömmlinge finden wir in sloven. botn,
slovinz. boiim und in weiterer Umbildung in dem gemeinslav. bqdq.*)
i; Die 3. Plur. *bhunenti hätte im Slavischen zu *b-onfto führen müssen,
sie ist natürlich untergegangen.
-) Auch das lit. hünu kann eine Umbildung eines älteren *bünmi aus
*bundmi *bhunämi sein.
F. Lorentz.
Preuss. wuhri.
Im Elbinger Vokabular Z. 82 ist überliefert : Wimpro Wubri. In einem
Abdruck des Vokabulars verbessert E. Berneker, Die preussische Sprache
S. 23.5, dies in Brmci, wodurch sich das preussische Wort an lit. bruv'is an-
schliessen würde. Die Möglichkeit dieser Aenderung an sich ist nicht zu be-
streiten, da auch sonst im Elbinger Vokabular Schreibfehler in grosser Menge
vorliegen, ich glaube aber, dass die Annahme einer solchen bei unserem Wort
nicht nothwendig ist.
Nesselmann. Thesaurus S.212, sagt über unser Wort: »Das preuss.toMÖW
mit beginnendem Hülfsvokal u wie griech. ocpovg, böhm. obrici und vorgesetz-
tem IV wie toundan neben undan«. Hiernach muss Nesselmann angenommen
haben, dass das -bri des preussischen Wortes irgendwie dem griech. -cpqvs,
*] Nicht alles, was lautlich erklärt werden kann, ist sprachgeschichtlich
w^ahrscheinlich oder annehmbar. V. J.
30*
468 Kleine Mittheilungen.
idg.*bhrüs entspreche, lautgesetzlich kann dies aber auf keinen Fall sein, was
wohl keiner Erörterung bedarf.
Auch bei Berneker's Annahme einer fehlerhaften Ueberlieferung macht
das auslautende -i Schwierigkeit. Wenn louhri bzw. hruwi ein Nom. Sing,
sein soll, müsste man nach den verwandten Sprachen den Ausgang -is er-
warten, die Annahme, dass unser Wort im Preussischen neutrales Geschlecht
angenommen habe (nur bei neutralen i- Stummen ist ein Nom. Sing, auf -i
lautgesetzlich möglich), wäre doch recht unwahrscheinlich. Ausserdem
könnte man nur noch an einen Nom. Dual, denken, doch würden wir in die-
sem Falle wohl den Ausgang -ei finden.
Zuletzt hat über dies Wort I. I.Mikkola, Baltisches und Slavisches S. 27,
gesprochen. Er sieht in ihm eine Entlehnung aus dem Ostseewendischen und
vergleicht es mit polab. ivahhra, indem er als gemeinsame Grundform vohr-,
welches durch Metathesis aus brhv- entstanden sei, annimmt, lieber den
Auslaut äussert er sich nicht.
Auch ich bin der Ansicht, dass das preuss. tcuhrt aus dem Ostseewendi-
schen stammt und eine mit polab. wabbra identische Form fortsetzt. Darin
kann ich Mikkola jedoch nicht beistimmen, dass hier eine Metathesis vor-
liegt. Ein dem polab. wabbra entsprechendes Wort ist nämlich auch für das
Kaschubische bezeugt und dies weist uns andere Wege. A. I. Parczewski,
Szcz^tki kaszubskie S. 113, führt aus dem Dialekt des Kirchspiels Leba, also
wahrscheinlich aus Czarnowske, das Wort öjebro »brew« an. Parczewski's
Lautbezeichnung ist leider sehr mangelhaft, aus den von ihm angeführten
Wörtern geht aber hervor, dass er mit oje (auch dje oje geschrieben; den Laut
uie bezeichnet, welcher im Kaschubischen und ebenso in Czarnowske das
betonte kasch. ce vertritt. Was aber das auslautende -o von öjebro •, das in
seinem ersten Theil durch j/iebr- wiedergegeben ist, bezeichnen soll, weiss
ich nicht. Ich vermuthe, dass es hier den das kasch. -e vertretenden Laut -ä
darstellen soll, den er sonst meistens durch i/ oder i, häufig auch durch e
wiedergibt. Nehmen wir an, dass dies richtig ist, so würde öjebro, d.i.utebrä,
aus urslav. *obri/ hei zuleiten sein und dem griech. ocpQv^ Laut für Laut ent-
sprechen 2). Aus diesem ^obnj ist auch das polab. wabbra, welches dann nach
Schleicher's Transskription durch vabry, wiederzugeben wäre, zu gewinnen.
Dass das anlautende o- als vä- erscheint, ist, da die nächste Silhe keinen
Palatalen Vokal enthält, ganz in der Ordnung, und das auslautende -a für
urslav. -y ist bei Parum Schnitze, welcher uns das Wort überliefert hat, etwas
ganz gewöhnliches.
1) Ich setze dabei voraus, dass dies Wort slavisch ist. Das von Par-
czewski S. 112 angeführte derjeryst «listwa przy drzwiach« (aus Schmolsin
stammend), welches nichts anderes ist, als die niederdeutsche Form für hd.
Thürgerüst, erweckt allerdings den Verdacht, dass öjebro die niederdeutsche
Form des hd. Augenbraue ist.
-) Der urslav. Nom. auf -y hat sich ausser in diesem mebrii im Kaschu-
bischen noch in dem kabatk. Ära, urslav. *kry erhalten, das Slovinzische hat
ausser krä bekanntlich noch cerfn und märxi-
Kleine Mittheilungen. 469
Bei der Herleitung des preuss. tvubri aus diesem nunmehr gesicherten
ostseewendischen *vobri macht nur das z< Schwierigkeit, da sonst einem sla-
vischen o in Lehnwörtern preuss. a gegenübersteht. Es ist aber zu berück-
sichtigen, dass das Kaschubische anlautendes vo- zu y,o- hat werden lassen
(oder, worauf es hier nicht ankommt, anlautendes uo nicht in vo verwandelt
hat), und dies uo- kann im Preussischen leicht zu lou- geführt haben. Zu be-
weisen ist dies allerdings nicht, da es keine weiteren analogen Fälle gibt.
F. Lorentz.
Slovinz. prousc und verwandtes.
Im Slovinzischen gibt es ein YQvhuva pr6ti^sc »bringen«, welches in kei-
ner andern slavischen Sprache, nicht einmal in dem nahe verwandten Ka-
schubischen. vorhanden ist. Das Verbum proiisc hat perfektive Aktionsart
und ist völlig gleichbedeutend m\tpränesc aus urslav. *pri-nesti. In der heu-
tigen Sprache wird pröusc nur noch selten gebraucht, von einigen Seiten
wurde es mir geradezu als veraltet bezeichnet.
Lässt schon der Umstand, dass die Aktionsart dieses Verbums perfektiv
ist, die Vermuthung auftauchen, dass wir es hier mit einem Kompositum zu
thun haben, so wird diese Vermuthung zur Gewissheit, sobald wir weitere
damit zusammenhängende Verba antreffen. Ich habe nun folgende Verba ge-
funden, welche unzweifelhaft derselben Grundform entstammen: dousc »bis
zu einem Punkte hin tragen« (= duonesc, poln. doniesc], rueznöii^sc »auseinan-
dertragen« {= rüeznesc, poln. rozniesc), vnoiisc »hineintragen« {=vn\esc, poln.
jmiesc), vämusc »hinaustragen« (= vänesc, poln. icyniesc), zqnöu^sc »bis wo-
hin tragen« =zqnesc, \io\\i.. zaniesö)^ snoiisc »zusammentragen« {■=zn\esc, poln.
zniesc). Auch diese Verba sind nur im Slovinzischen vorhanden und werden
auch hier sehr selten gebraucht.
Mit Ausnahme von pfoie^sc, dou^sc und S7i6usc sind diese Verba scheinbar
Komposita eines *n6iisc, Prs. *ti6usq. Da das diesen Verben zu Grunde lie-
gende Simplex unzweifelhaft in irgend einem Zusammenhange mit 7testi, idg.
Wz. 7iek- steht, würden wir in *i'töttsq eine reduplicirte Bildung, \dLg.*ne?ikÖ7n,
anzunehmen haben. Hier weisen aher pi-6t^^sc und dousc darauf hin, dass das
n das sog. epenthetische n ist, welches auch sonst im Slovinzischen bei Kom-
positen vokalisch anlautender Verba häufig auftritt. Dass dies auch hier der
Fall ist, beweist S7wusc, denn das Präfix s^- tritt als s- vor n nur da auf, wo
dies 71 nicht zur Wurzel gehört, also in Fällen wie s)uc, stmnäc, S7iääac, wäh-
rend es vor wurzelhaftem ?? stets als ~- erscheint. Als Simplex dieser Verba
haben wir demnach *Jüusc, Prs. *jöii^sq anzusetzen und dies auf urslav. "^Vs^^
*j(sq zurückzuführen.
Die Etymologie dieses urslav. ''|;'f*<j ergibt sich nach dem Gesagten schon
von selbst. Als idg. Grundform ist *enk5m anzusetzen, mit der aus aind.
änqsa, griech. ^veyxou bekannten Ablautsform enk- der Wurzel e7iek-.
F. Lo7'entz.
470 Kleine Mittheilungen.
Urslav. ezb »Schlange«.
In allen ostseewendischen Dialekten haben sich die Nasalvokale, wie ich
an anderer Stelle beweisen werde, ebenso entwickelt wie im Polabischen und
im Slovinzisch-Kaschubischen, soweit hier nicht der Einfluss des Polnischen
Abweichungen veranlasst hat. Wir finden demnach für das urslav. « nur eine
Vertretung, nämlich q, während urslav. f z. T. entpalatalisirt, z. T. palatal
geblieben ist. Das entpalatalisirte p ist dann qualitativ mit dem urslav. q
zusammengefallen und von ihm nur durch vorhergehende Konsonantenerwei-
chung unterschieden, das palatal gebliebene tritt je nach dem Dialekt als f
oder i auf.
Gegen diese Gesetze scheint nun ein in den Urkunden des Klosters
Colbatz öfters genannter Ortsname zu sprechen, nämlich der »Wormgraue«
bei Pützerlin (nordwestl. von Stargard a. d. Ihna), welcher 1220 Yenzidulgh
(Varianten: Yenzidul Henzidol), und 1226 I'eHSJC?o/ (Variante: Jenzidul] heisst.
Die beiden Urkunden sind allerdings unecht und nur in Abschriften in der
Colbatzer Matrikel überliefert, an der Echtheit des slavischen Namens ist
aber nicht zu zweifeln. Ebenso kann auch bei der nur unbedeutenden Ver-
schiedenheit der Varianten kein Schreibfehler in dem Wort stecken, das
Schwanken zwischen -dulgh -dul -dol deutet vielmehr darauf hin , dass den
Schreibern der Name ganz geläufig war und dass jeder sich bemühte, ihn so
zu schreiben, wie er ihn aussprach. Es muss danach als sicher angenommen
werden, dass »Schlangengraben« im Pommerschen, wenigstens in der Star-
garder Gegend, ^'f 2« dol (oder dul, die Aussprache war vielleicht (7o7 mit einem
dem poln. 6 ähnlichen Laut) hiess.
Aus dem Slavischen ist nun das Wort qzb »Schlange« bekannt, und mit
diesem muss das pommersche Adjektiv jfizi in Zusammenhang stehen. Eine
Herleitung aus einem urslavischen Adjektiv qzhjh ist allerdings nicht möglich,
dies hätte, selbst wenn die oben aufgestellten Gesetze über die Vertretung
der Nasalvokale nicht richtig wären und auch urslav. q unter Umständen zu f
geführt hätte, niemals j^zi ergeben können. Denn anlautendes urslav. q er-
hielt, wie die zahlreichen mit Waii- beginnenden Ortsnamen erweisen, einen
Vorschlag von v, nicht von j. Dieser ist aber bei palatalem Anlaut bekannt,
und dadurch werden wir auf ein urslav. f%'& als Grundform für das pomm.
y^zt geführt, welches dann vollständig lautgesetzlich ist. Ob neben diesem
Adjektiv ^zhjh auch ein Substantiv fit bestanden hat, ist natürlich nicht zu
erweisen, aber doch sehr wahrscheinlich , da ein Ablaut — und ein solcher
liegt in dem Nebeneinander von qzh und §zhjh vor — zwischen Substantiv und
davon abgeleitetem Adjektiv nicht zu erklären wäre. F. Lorentz.
Preussische Bevölkerung auf dem linken Weichselufer.
Im Allgemeinen wird auf Grund der Nachrichten der Deutschen Ordens-
chronisten angenommen, dass die Weichsel die Westgrenze der preussischen
Bevölkerung bildete, und dass das linke Ufer derselben ausschliesslich von
Kleine Mittheilungen. 471
Slaven bewohnt war, Dass diese Annahme nicht haltbar ist, dass vielmehr in
Pommerellen links der Weichsel neben der slavischen auch eine preussische
Bevölkerung anzunehmen ist, hat schon Lotar Weber, Preussen vor 500 Jah-
ren S. 3 ff. , behauptet, doch scheint sein Hinweis, soweit mir bekannt gewor-
den ist, nicht die Beachtung gefunden zu haben, welche er verdient.
Dass in dem Reich der pommerellischen Herzöge eine preussische Be-
völkerung vorhanden gewesen sein muss, ersehen wir daraus, dass 1271 bei
einem Einfall in das Ordensgebiet von Nessau Preussen aus dem Lande des
Herzogs Mestwin betheiligt waren Urkunde vom 31. Oktober 1271 : Ceterum
aliquos homines et Prutenos de terra domini Mestwini ducis Pomoranie ibidem
fuisse . . . contestamur. Perlbach Pommerell. Ukb. Nr. 247) und dass — wahr-
scheinlich in demselben Jahre — Mestwin die Markgrafen ven Brandenburg
bittet, ihm, seinen deutschen Bürgern von Danzig, seinen Preussen und Pom-
mern zu Hülfe zu kommen (undatirte Urkunde von ca. 1271: . . . precipue
nobis et maxime burgensibus Theutonicis fidelibus sepedicte civitatis Geda-
nensis, Prutenis quoque et nostris quibusdam specialiter fidelibus Pomeranis.
Perlbach Nr. 250 . Die Wohnsitze dieser Preussen findet L. Weber in dem
Gebiet von Mewe und weist zweifelsohne richtig darauf hin, dass in den
Urkunden von Wisoka und Riewalde die Preussen in Selbigrimm (Zabianken)
als Nachbarn genannt werden, dass Tulke, Feodarius in Treugenhof (Klo-
nowken), ausdrücklich sein Gut zu preussischem Dienst erhält, dass in dem
Privilegium von Riewalde von 1341 das Gericht über Preussen, Polen und
Kassuben, in dem Privilegium von Wisoka von 1352 das Gericht über Preus-
sen, Polen und Wenden, in dem Fundationsprivilegium von Mewe vom
25. September 1297 das Gericht über Preussen und slavische Fremdlinge ge-
nannt wird, und dass endlich der Bezirk von Mewe zur Ordenszeit 31 preus-
sische Reiterdienste und nur einen polnischen leistet und wie Preussen
zehendfrei ist. Hinzuzufügen ist noch, dass 1299 der Preusse Vagala mit
seinen Söhnen Premislius und Peter mit dem Kloster Oliva um den Besitz des
Dorfes Brust streitet, ein Streit, welcher am 30, April 1299 zu gunsten Olivas
rechtskräftig entschieden wird (Perlbach Nr. 573).
Was Weber sonst noch als Beweis für das Vorhandensein einer preussi-
schen Bevölkerung im Mewe'schen anführt, kann ich allerdings nicht als
zwingend anerkennen. Die Namen Waisil, Glabuna, Diwan, Ramota bewei-
sen gar nichts. Denn selbst wenn wir sie als preussisch anzusehen haben, ihre
Träger können dennoch echte Slaven sein. Sehen wir doch, dass der Sohn
der als solcher ausdrücklich bezeichneten Preussen Vagala den echt slavi-
schen Namen Premislius führt, da können wir umgekehrt auch Slaven mit
preussischen Namen erwarten. Heirathen zwischen Slaven und Preussen,
durch welche die Namen des einen Volkes zu dem andern kamen, können
nichts ungewöhnliches gewesen sein, wollte doch nach Swantopolk's Aussage
(Urkunde vom 8. Dezember 1248, Perlbach Nr. 113) sein eigener Bruder Sam-
bor, also ein slavischer Fürst, sich mit der Tochter des Preussen Preroch
vermählen. Dass solche Heirathen am häufigsten bei den in der Weichsel-
gegend angesessenen Familien vorgekommen sind, ist natürlich, wenn wir
hier preussische Namen finden, so beweist das nur, dass ihre Träger irgendwie
472 Kleine Mittheilungen.
mit Preussen in Verbindung standen, dass diese Preussen auf dem linken
Weichselufer wohnten, oder gar, dass die betreffenden Personen selbst
Preussen waren, ist damit nicht zu beweisen.
Auch der Umstand , dass 1306 das Kloster Pelplin mit dem Preussen
Zeadel im Streit lag, kann das Vorhandensein einer preussischen Bevölkerung
um Pelplin nicht sicher stellen. Im Gegentheil, es spricht alles dafür, dass
dieser Zeadel auf dem rechten Weichselufer, also im eigentlichen Preussen,
angesessen war. Der Streit zwischen ihm und Pelplin, bei dem es sich nicht
um den Besitz von Gütern, sondern um Körperverletzung und Todschlag
handelt, wird nämlich in Marienburg durch die Vermittlimg des Bischofs
Christian von Pomesanien und des Mewer Komthurs Heinrich von Ysenberg
beigelegt (Urkunde vom 22. Juli 1306 Perlbach Nr. 646). Hätte der Preusse
Zeadel in der Pelpiiner Gegend seinen Wohnsitz gehabt, so wäre gar nicht zu
verstehen, wie die Vermittlungsaktion in Marienburg hätte stattfinden und
wie der Bischof von Pomesanien, welcher auf dem linken, dem Bischof von
Kujawien unterstehenden Weichselufer gar keine Interessen zu vertreten
hatte, dabei als Vermittler hätte eingreifen können. Dies lässt sich nur so
erklären, dass Zeadel ein Unterthan des Bischofs von Pomesanien, also auf
dem rechten Weichselufer ansässig war, weshalb dem Bischof sehr daran
liegen musste, den Streit desselben mit Pelplin zu beenden und ihm zu seinem
Recht zu verhelfen.
Müssen wir so auch die beiden letzten Beweispunkte Weber's als hin-
fällig bezeichnen, so bleiben doch noch genug Umstände übrig, durch welche
erwiesen wird, einmal dass in Pommerellen eine preussische Bevölkerung
vorhanden war, und dann, dass diese in der Umgegend von Mewe und zwi-
schen Preussisch Stargard und Dirschau, wo die Dörfer Klonowken,Riewalde,
Zabianken und Brust liegen, zu suchen ist. Gerade in dieser Gegend werden
in den Urkunden mehrere Ortsnamen genannt, welche, wenn sie auch unver-
kennbar slavischen Ursprungs sind, doch in ihrer Lautgestalt sich weder aus
dem Polnischen noch dem Pommerellisch-Kaschubischen, den beiden einzigen
slavischen Sprachen, welche hier in Betracht kommen können, erklären lassen.
Es liegt daher die Vermuthung nahe, dass die urkundlich überlieferte Form
aus preussischem Munde stammt.
Hier ist zunächst der Name des schon öfters erwähnten Dorfes Brust zu
besprechen. Nach Ketrzynski lautet der heutige polnische Name des Dorfes
Brzuszcz, welchem die urkundlich überlieferten Formen Brus 1299, Brusche
1301 , Bruscze 1301 und 1303 ziemlich genau entsprechen. In Urkunden aus
den Jahren 1275, 1293 und 1295 heisst der Ort aber Brust. Da nun im Preus-
sischen, speziell in dem benachbarten Pomesanischen, welches im Elbinger
Vokabular erhalten ist, in polnischen Lehnwörtern sc durch st vertreten ist,
vergl. J. J. Mikkola Baltisches und Slavisches S. 26, werden wir Brust als
preussische Aussprache des poln. oder pommerell. Brusc (genauer Brusc an-
zuerkennen haben. Dass das st von Brust nicht etwa pommerellisch ist, be-
weist ausser den nur wenig jüngeren Formen Brus, Brusche, Bruscze, das
schon vom Jahre 119S überlieferte Scedrou (Schadrau im Kr. Bereut' poln.
Szczodrowo.
Kleine Mittheilungen. 473
Ebenso zu beurtheilen ist das 1245 überlieferte C'liestoho (Name einer
untergegangenen Ortschaft im Lande Mewe), welchem 1279 Clesow, 1281 Cles-
sotce, 1283 Clesso entspricht. Der Name ist offenbar identisch mit dem häu-
figen Kleszczeivo , auch hier steht dem poln. sc im preussischen Munde st
gegenüber. Nebenbei mag auch noch auf das ie dem poln. e gegenüber hin-
gewiesen sein, was zu Mikkola's Erörterungen B. u. S. S. 15 passen würde,
doch ist mir nicht bekannt, ob das e in Kleszczeivo e oder e ist.
In derselben Urkunde , Inder die Form Cliestoho erscheint, wird eine
andere Ortschaft im Lande Mewe Medivedidol genannt. In andern Urkunden
heisst diese Ortschaft 3feznezidos 1279, Mvsvesdol 1281, Mesvezi/dol 1283,
3Iesuezydol 1283, Mezuezidol 1283, d. i. Medzvedd dol^). Das Medwedtdol von
1245, welches denZetacismus noch nicht zeigt, ist nur im Munde eines Preus-
sen verständlich, denn auch in unsern Gegenden war damals der Zetacismus
schon längst durchgeführt, wie z. B. die Stadt Schwatz poln. Swiecie schon
1198 Zwece genannt wird.
Weiter kommt hier in Betracht der urkundliche Name des Dorfes Mös-
land (Kr. Marienwerder) poln. Micdzyl^z: 3fedilanze 1282, 3fedißanze 1282,
später Meselancz 1399, 1408, 3Ieselanz ca. 1400, 3feselantz 1564. Da nicht an-
zunehmen ist , dass das urslav. dj an der Weichsel im XIII. Jahrh. noch dj
gelautet habe, kann die Schreibung 3Iedilanze, 3Iedylanze nur auf der
Aussprache preussischer Bewohner des Ortes oder preussischer Nachbarn
beruhen.
Endlich ist vielleicht die preussische Aussprache noch in dem Namen
der Ortschaft Schlanz (Kr. Dirschau) erhalten : nach Ketrzynski ist die pol-
nische Form Sionea, in den Urkunden heisst das Dorf (und ebenso der vorbei-
fliessende Bach) Slancia 1248, Slancza \2%(i , 1284, *S/a«::a 12S0, 1282, 1284,
1291, Slanca 1280, 1312, Slantza 1283. Das a gegenüber dem poln. 0 würde zu
Mikkola's Ermittlungen B. u. St. S. 18 f. gut passen.
Dass die besprochenen Ortsnamen nicht so vollständig prussifizirt sind,
wie die von Mikkola ermittelten Lehnwörter, und infolgedessen manche Un-
gleichheiten aufweisen, kann nicht Wunder nehmen. Der Preusse ersetzte
bei diesen Namen eben nur die seiner Zunge unbequemen Laute durch die ihm
geläufigen , und Hess sie im übrigen unverändert. Dass die Namen auch so
für die polnisch-pommerellische Sprachgeschichte von Wichtigkeit sind, ist
nicht zu bestreiten, doch gehe ich hierauf nicht weiter ein. Es genügt mir,
hier festgestellt zu haben, dass auch links von der Weichsel eine preussische
Bevölkerung gesessen hat und dass diese in dem von den Städten Mewe,
Preussisch Stargard und Dirschau gebildeten Dreieck nachweisbar ist.
^1 Dieser Ortsname ist auch deshalb wichtig, weil er zeigt, dass die Be-
völkerung an der Weichsel, wenigstens in der Mewer Gegend, nicht pom-
merellisch-kaschubischen, sondern polnischen Stammes war. Wie dieser
Ortsname im Pommerellischen hätte lauten müssen, zeigt ausser dem heutigen
kasch. mjedvjezi auch der 1273 aus der Kaminer Gegend überlieferte Orts-
name 3fetuezablota, d. i. 3Iedvedza hiota.
F. Loi'eniz.
474 Kleine Mittheilungen.
Bemerkungen zu den in päpstlichen Urkunden überlieferten ostsee-
wendischen Namensformen.
Baltisches und Slavisches S. 23 f. führt J. J. Mikkola gegenüber End-
zelinaus, dass urslav. or im gesammten Ostseewendischen neben ar auch
durch ro vertreten sei. Zum Beweise stützt er sich besonders auf die in päpst-
lichen Urkunden überlieferten Bezeichnungen der Stadt Stargard a. d. Ihna
Stargrod \\^.^ un^ Staregrod M'^l ^ und meint, dass diese in Eom geschrie-
benen Urkunden sicher keinen polnischen Einfluss zeigen könnten. Man sollte
dies eigentlich annehmen, aber, wenn man gewisse andere Papsturkunden ins
Augefasst, fängt man an, daran zu zweifeln. In mehreren Urkunden des
Bisthums Schwerin wird nämlich ein Ort an der Warnow Namens Stülp ge-
nannt. In der Bestätigungsurkunde des Papstes Urban III. vom 23. Februar
1186 heisst dieser Ort Ztulp, die Bestätigungsurkunde des Papstes Cölestin III.
vom 5. August 1197 nennt ihn Stülp, während die Bestätigungsurkunde des
Papstes Clemens III. vom 30. September 1189 Slup schreibt. Dies Slup kann
unmöglich richtig sein, denn sonst ist in dem ganzen ostseewendischen Gebiet
bis zur Stolpe in Hinterpommern kein einziger Name nachweisbar, in wel-
chem das urslav. 'ö^ durch In und nicht durch ol (auch ul und al geschrieben)
vertreten wäre, und auch in dem Gebiet zwischen Stolpe und Weichsel, wel-
ches schon von Beginn der historischen Zeit an dem polnischen Einfluss unter-
worfen war, sind die Formen mit ol mindestens eben so häufig wie die mit lu.
Wenn ich nun auch a priori die Möglichkeit, dass im Ostseewendischen neben
ol auch lu als Vertreter des urslav. -ol auftreten könnte, nicht bestreiten
möchte — das Nebeneinander von ar und ro, er und re, ol (oder al) und lo für
urslav. or er ol gibt in dieser Hinsicht zu denken — so kann dies Slup es doch
nicht beweisen. Ja, wenn die Urkunde noch im Lande selbst geschrieben
wäre ! Aber dass sie im Auslande und noch dazu in Rom geschrieben ist,
macht mir das Slup als unter polnischem Einfluss entstanden verdächtig. Ich
erkläre mir die Sache so , dass in der päpstlichen Kanzlei , deren Verwaltung
doch eine genaue Kenntniss der verschiedensten Länder und besonders ihrer
Rechtsgebräuche verlangte, Beamte der verschiedenen Nationalitäten be-
schäftigt waren. Wenn nun hier für die Korrespondenz mit den Wenden-
ländern, über welche die Polen bekanntlich die Oberherrschaft beanspruchten,
Polen angestellt waren, so konnte es leicht geschehen, dass diese die wen-
dischen Namensformen durch die ihnen geläufigeren polnischen ersetzten. So
konnte Slup für das meckl. Stülp, so konnte Starg^-od, Staregrod für das pomm.
Stargard, Siaregard in die Urkunden kommen, dass die Mecklenburger und
Pommern selbst Slup bzw Stargrod, Staregrod sprachen, ist durch die päpst-
lichen Urkunden nicht zu beweisen.
Ausser in diesen beiden päpstlichen Urkunden hat der Name der Stadt
Stargard die Lautfolge ro noch in Zitarigroda bei Ebbo , dem Biographen
Otto's von Bamberg. Hier liegt es auf der Hand, dass ro durch polnischen
Einfluss zu erklären ist: Otto kam auf polnische Veranlassung nach Pommern
und seine Begleiter und Dolmetscher waren Polen.
Wenn ich so auch dem Stargrod u. s. w, keine Beweiskraft zuerkennen
Kleine Mittheilungen. 475
kann, bleiben doch noch genug Beispiele für ostseewend. ro aus urslav. or.
Besonders interessant sind die ältesten überlieferten wendischen Personen-
namen. So wird 789 ein wilzischer Fürst genannt: Dragaicitus (Einh. Ann.),
Dragoidus (Ann. Naz.), Dragovid (Ann. Guelferb.), Tragowit (Ann. Alam.),
Dragitus (Ann. Chesn.), Tragwitus (Ann. Lauresh.), ein anderer heisst in dem-
selben Jahre Drago in den Ann. Chesn. Ein in den Jahren 798 bis 819 oft
genannter obotritischer Fürst heisst Thrasuco (Ann. Lauriss.j, Thrasico, Dra-
soco , Drasco, Thi-asco , Trasco (Einh, Ann.), Trasucho [Ann. TU.) , Drosocus,
Thersosuc (Chron. Moiss.), Thrasucho, Trasuclio, Thrasco, Trasco (Ann. Fuld.),
ein anderer in den Jahren 817 bis 826 Ceadragus, CecZra^ws (Einh. Ann.),
Ceadrogus, Cheadi'ogiis [Ann. Fuld.), Ceadragus, Ceradraus, Cecidr aus (Vita,
Klud. Imp.;, 823 heisst ein wilzischer Fürst Cealadragus , Cealadargus (Einh.
Ann.), Celeadragus , Cedeadrugus (Vita Hlud. Imp.), ein obotritischer wird bei
Helmold I, 19 Anadrag genannt. Bei diesen Namen fällt es auf, dass fast aus-
nahmslos ra, nicht ro geschrieben ist. Da vereinzelt auch ro vorkommt, und
später ro allein üblich ist, wird durch das ra ein rä ausgedrückt werden sollen.
Nimmt man aber an, dass die Metathesis von or zunächst rä ergeben hat, so
schwindet die Differenz in der Entwicklung dieses Lautes zwischen dem
Wendisch -Polnisch -Sorbischen und Cechisch- Südslavischen: dort ist das «
mit dem qualitativ nahestehenden o, hier mit dem quantitativ gleichen a ver-
einigt. Dasselbe ist ja auch bei der Umstellung des urslav. er eingetreten,
welches dort mit dem qualitativ gleichen e, hier mit dem quantitativ gleichen e
zusammengefallen ist. Auch das anlautende ro- im Südslavischen würde
hierbei seine Aufklärung finden: da ä hier kurz war, konnte es sich nicht an
das lange a anschliessen, es blieb also nur das kurze o. Die Sache verdient
jedenfalls genauer untersucht zu werden, als ich es hier kann.
In den Urkunden sind Namen mit der Lautfolge ro selten , ich habe nur
folgende gefunden: Broneko>c 1411 — 1412, wahrscheinlich identisch mit Bar-
nekoice 1280, 1283, d. 1. Hob. Barnekow bei Grimmen, vergl. poln. Bronikowo
(Kr. Sensburg, Ostpr.), Bronesowe 1248, Bronsowe 1253, 1266, 1282, Brunsowe
1269, 1310, Brunsoio 1292, 1305, d. i. Hob. und Sied. Brünsow Kr. Demmin,
Gruttecoice 1183, 1304, Grotcov 1214, Grotkow 1304, d.i. Grüttow Kr. Anklam,
vergl. cech. Hrddkov, Hradkov, Drogewiz 1211 , Kirchdorf bei Stendal, Oro-
gaviz, Oro^awi^z (Schreibfehler für Z)ro-) 946, Drogaioizi 1150, 1179, unter-
gegangener Ort im Kr. Jerichow IL Sonst findet sich nur die Lautfolge ar.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf einen schon recht alten
Irrthum hinweisen, der immer noch ohne Widerspruch zu finden von neuem
vorgetragen wird: ich meine die Herleitung des Wortes *korljb »König« aus
dem Namen Karl's des Grossen. Ist es schon an sich recht unwahrscheinlich,
dass dies über alle slavischen Sprachen verbreitete Wort, das man getrost als
Musterbeispiel für die Behandlung des urslav. or hinstellen kann, ein so
spätes Lehnwort ist, so wird diese Annahme ganz unmöglich, wenn zur Zeit
Karl's des Grossen die Metathesis schon vollzogen war. Und dass dies der
Fall war, zeigen die oben angeführten wendischen Personennamen.
J^. Lorentz.
476 Kleine Mittheilungen.
Zivei IrieflicJie Aufzeichnungen P. J. Safai-tk's, mitgetheilt von
Wh NeJiring.
1.
An irgend einen Buchhändler des Auslandes richtete P.I.Safarik folgen-
den eigenhändig geschriebenen Brief:
Neusatz d. 4. April 1833.
Hochgeehrtester Herr!
Sne Excellenz, Hr. Stephan von Stratimirowitsch, griechisch-nichtunir-
ter Erzbischof in Karlowitz, ist erfreut, das Buch: Hoicel Synopsis canon. ss.
Apostol. etc. Lond. 1708 durch Sie erhalten zu können, und beauftragt mich,
Ihnen zu schreiben, dass Sie das Buch ungesäumt an Schaumburg in Wien
einsenden sollen, wo er Ihnen das Geld dafür f. 20 CM. anweisen wird.
Ich verlasse morgen Neusatz und ziehe nach Prag in Böhmen. Ich
hoffe gegen den 10. Mai in Prag einzutreffen. Auf der Reise werde ich Hrn.
Schaumburg sprechen, dem ich das Geld für Sie (ich glaube f. 19 CM.) schon
im Jäner 1. J. geschickt habe. Ein hiesiger Bischof sucht: Beveregii Jus ca-
nonicum ecclesiae graecae. Leunclavii Jus canonicum ecclesiae graecae. Die
Titel will ich Ihnen von Prag aus genauer angeben. Meine Adresse nach
Prag ist: An P. J. S. Mitgl. mehr. gel. Gesellschaften, Stephans-Gasse Nr. 646
in Prag.
Mit Hochachtung Ihr ergeb. Paul Joseph Schaffarik.
Auf der Rückseite des Blattes, die leer war, hat eine andere Hand (die
des Empfängers?) mit Tinte geschrieben: 1833 Schaffarick Neusatz 4 April/
13 d*o. Auf der Vorderseite steht ganz unten in rother Tinte Porto 10 p., dann
mit Bleistift Berl. S. und ganz unten: Schaffarik Paul Joseph 1795 — 1861.
Ich will noch erwähnen, dass bei K. Jirecek (P. I. Safarik mezi Jihoslovany,
napsal Dr. Konstantin Jirecek, V Praze 1895) auf S. 131 nicht der fünfte, son-
dern der sechste April 1833 als der Tag der Abreise angegeben wird. Uebri-
gens bemerkt er in der Fussnote, dass die verschiedenen Angaben, die er bei
der Bestimmung des Tages der Abreise vor sich hatte, nicht übereinstimmen.
Aus unserem Briefe würde sich der 5. April ergeben, doch ist es immerhin
möglich, dass eine Sitzung des Patronats des Gymnasiums, die vielleicht am
5. April stattfand, ihn noch einen Tag in Neusatz zurückhielt. Die Angabe
der zukünftigen Prager Adresse stimmt zu dem, was darüber bei Jirecek
(aufS. 133) gesagt ist.
Auf einem Zettel stehen folgende Worte, von der Hand Safarik's ge-
schrieben:
0 felix hominum genus,
Si vestros animos amor,
Quo coelum regitur, regat.
Pragae die 6 Aprilis 1849. Paulus Josephus Schafarik m. p.
Es sieht so aus, als hätte sich ein Autographen-Sammler an Safarik mit
Kleine Mittheilungen. 477
der Bitte gewendet, ihm etwas Eigenhändiges zu schiclien. Denn die Zeilen
sind mit ruhig-feierlichen Zügen geschrieben.
Diese beiden Erinnerungen an P. J. Safarik hatte vor Jahren Professor
W. Nehring bei dem Breslauer Antiquariat Jacobsohn entdeckt und für das
slavisch-philologische Seminar gekauft, dessen Eigenthum sie jetzt sind. Im
Antiquariat wusste man nicht mehr, wie man in den Besitz dieser zwei Auf-
zeichnungen gelangt war. Nach dem Jahre 1861 scheint wenigstens der unter
Nr. 1 mitgetheilte Brief in Berlin gewesen zu sein. Darauf deutet hin die Ein-
tragung Berl. S. V. J.
Ein Brief V. Oblak's an St. Novakovic^ mitgetheilt von St. N.
Cilli 15. 8. 1893.
Sehr geehrter Herr!
Ich wollte Ihnen nicht früher meinen aufrichtigen Dank für Ihr grosses
Werk sagen, bevor ich es gänzlich durchgelesen. Die Neugierde Hess mir
zwar keine Ruhe und ich musste das III. Cap. über die Besiedelung der Bal-
kanhalbinsel durch die Slaven sogleich durchlesen, aber dann war ich nicht
zu Hause. In Ihrem Werke sind eine ganze Reihe der schwierigsten Fragen
berührt, denen man theilweise bis jetzt sorgsam aus dem Wege ging, und
einige sind auch befriedigend gelöst. Aber auch dort, wo bei unserem dürf-
tigen jetzigen Material eine Lösung noch nicht möglich war, führt uns das
Buch durch die Präcisirung vieler Fragen recht nachdrücklich die grossen
Lücken unserer Kenntniss zu Gemüthe, und auch dies ist ein Verdienst. Be-
züglich des Gebietes der Thätigkeit des Klemens, der Lage seines Bisthums
und Glavenica's sind wir jetzt im Klaren, auch die Conjecter betreffs Velica's
lässt sich ganz gut hören. Ich möchte nur bemerken, dass Drinov in einer
Abhandlung im aCMH. 1885 (Aprilheft) die Ansicht aussprach, dass unter
BeUx^u gar nicht ein Ortsname zu verstehen sei, sondern dass es gleichbe-
deutend ist mit BcüUKa (MopaBa), als eine verworrene Erinnerung an die Her-
kunft Klemens', wie man dies in einem bulg. Synodicon findet. Wenn es auch
unzweifelhaft ist, dass ein Hauptcentrum der kirchenslav. literar. Thätigkeit
in Westmacedon. u. Epirus war, so ist es doch auch sicher, dass daneben
schon zu Ende des IX. u. Anfang des X. Jahrh. auch in Ostbulg. eine rege
liter. Thätigkeit herrschte. Sichere Nachrichten sind ja darüber in den Wer-
ken Constant. Presbyter, wie Sie selbst bemerkten, und auch im Job. Exarch.
Bulgar. Und wenn wir darüber auch gar keine solchen Zeugnisse hätten, so
spricht das Werk selbst, die neue Emendation der Texte genug laut. Diese
muss schon im X. Jahrh. stark entwickelt gewesen sein, sonst wäre sie im
XI. Jahrh. nicht die ausschliessliche in Russland u. Cod. Supr., also ein Denk-
mal des XL Jahrb., beruht gleichfalls auf einer solchen Vorlage neuer Re-
daction. Treffend finde ich Bemerkungen, dass die griech. Geistlichkeit in
Bulgar. die slav. Liturgie nicht mit offenen Armen empfieng, das ist viel
wahrscheinlicher als die griech. slav. Phantasien Budilovic's, ein Beweis da-
für ist ja die Vertheidigungsschrift Hrabr's. Schön auseinandergesetzt finde
478 Kleine Mittheilungen.
ich unter anderem auch die Wege, auf welchen dies slav. Schriftthum nach
den serb. Gebieten gelangte. Unstreitig waren im serb. Süden Zeta und
dann Rasa die ersten Gebiete mit slav. Liturgie, vergl. Mirosl. u. Vuk's
Evangel. Die neuesten Untersuchungen (das noch nicht herausgegebene
Vrbniker oder Gerskovic'sche Fragment) bestätigen auch Ihre Vermuthung,
dass das Schriftthum nach Bosnien vom Norden kam. Wäre im XL u. XII.
Jahrh. die literar. Verbindung Bosniens mit den serb. Hinterländern lebhafter
gewesen, so hätte sich die Glagol. in Bosnien wohl schwerlich bis zu Ende
des XII. Jahrh. gehalten (aus dieser Zeit ist das genannte Fragment) u. wir
hätten ausserdem in den ältesten Denkmälern, die dort geschrieben wurden,
stärkere Spuren der neuen Emendation des Textes. Dagegen kann ich mich
nicht überzeugen, dass die serb. Redaction aus dem Ende des IX. und Anfang
des X. Jahrh. stammen würde. Dem widersprechen manche Thatsachen. In
den ältesten serb. Denkmälern aus der zweiten Hälfte des XII. Jahrh. sehen
wir die serb. Redaction noch gar nicht ganz durchgeführt, erst aus dem Ende
des XII. Jahrh. haben wir Denkmäler mit reiner serb. Recension u. zwar
zuerst gerade in Bosnien. Wenn demnach noch in der zweiten Hälfte des
XII. Jahrh. Spuren der bulg. Redaction sichtbar sind, so kann man im X.
Jahrh. noch von keiner serb. Red. sprechen. Und wo sind denn solche Denk-
mäler serb. Red. aus jener Zeit? Cod. Marian. stammt ja gerade aus jenen
Gegenden, aber von einer serb. Red. kann bei ihm keine Rede sein. Gehen
wir weiter nach Norden, so sehen wir dasselbe an Glagol. Cloz. Mir scheint
es deshalb wahrscheinlicher, dass sich die serb. Red. erst um die Mitte des
XII. Jahrh. ausbildete u. zwar auf Grundlage der bulgar. u. nicht der reinen
»altsloven.«. Ich glaube nämlich, dass der Gebrauch nur des b aus bulg.
Schriftthum geschöpft ist. Dem widersprechen nicht im geringsten die
Mihanov. Blätter, sie sind gewiss nicht älter als aus dem XII. Jahrh., gegen
ein höheres Alter spricht ganz entschieden die Palaeographie.
Am meisten interessirte mich gegenwärtig der Abschnitt über die Her-
kunft der Balkanslaven. Da sind manche neue Ansichten, im Grossen u.
Ganzen schliessen sich aber die Ausführungen doch an das in der Abhand-
lung über h n. ^ gesagte. Ich erlaube mir nur die Bemerkung, dass sich im
neuesten Bande (1887) der germ. Alterthumskunde MüUenhof's eine Abhand-
lung über die Richtung der ältesten Slaveneinfälle in die Balkanländer im
VI. Jahrh. befindet.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die Slaven in die Balkanländer
aus den Gegenden nördlich der Donau zwischen den östl. Karpaten u. heuti-
gem Slavon. kamen, dass sie aber sogar aus Grossmähren u. den nördl. Theilen
Pannon. gezogen wären, das glaube ich nicht. Damit stimmen die sprach-
lichen Thatsachen nicht überein. Denn wo gibt es in der Gegenwart im Süden
einen Dialect, der mit dem mährischen (slovak.) besonders nahe verwandt
wäre? Nirgends. Ja, aber das »altsloven.«, das hat doch ganz den macedon.
Charakter, ganz richtig, denn es ist ja auch ein maced. Dialect. Oder finden
wir in den heutigen slovak. Dialecten nur die geringsten Anzeichen dafür,
dass einst ihr Dialect den Charakter des altsloven. hatte. Gewiss nicht.
Dümmler's Theorie ist nichts als eine Hypothese, die sich durch gar nichts
Kleine Mittheilungen. 479
stützen lässt. Sie möchten allerdings den grossen Unterschied zwischen den
heutigen macedon. Dialecten n. den pannon u. mährischen durch die An-
nahme späterer Einflüsse und Mischungen beseitigen, aber damit kommt man
nicht aus. Dieser Mischungsprocess hat ja gar nicht vermocht, die charak-
teristischen Merkmale jener macedon. Dialecte, den Rhinesmus, sc u. zd zu
beseitigen, und anderseits war dieser Process im Ostbulg. in jener Zeit noch
stärker u. doch hat sich der Typus der Sprache durch ihn nur unwesentlich
verändert. Den Dialect der Shivinija dürfen wir nicht zu sehr in Gegensatz
mit den anderen maced. u. bulgar. Dialecten bringen. Denn einerseits ist er
heutzutage durchaus nicht einheitlich, die Unterschiede bezüglich der Nasal-
vocale u. Halbvocale sind innerhalb derselben nicht geringer als etwa im
Vergleich mit einem ostbulg. Dialecte, der Rhinesmus ist in Ochrida nur in
drei Beispielen, davon eins noch unsicher, bewahrt, anderseits ist es aber
sicher, dass in alter Zeit denselben ebenso die ostbulg. Dialecte hatten, denn
noch heute finden wir ihn in einzelnen Beispielen im Ostbulg. Ebenso glaube
ich, dass sich sc und zdz. erst aus einem weichen st' u. zd' entwickelten, mit
dem altsl. stimmt er jedenfalls nicht. Ich möchte auch nicht die »Slovonen«
Macedon. in Gegensatz bringen mit den slav. Vorfahren der heutigen Bulga-
ren, ich glaube vielmehr, dass sowohl die ersteren als die letzteren »Slovenen«
waren u. ich schliesse davon auch die Serben u. Kroat. nicht aus, denn an
das Märchen des Const. Porphyr, glaub ich nicht. Aber am besten ist es,
diesen Namen fremder Schriftsteller ganz aus dem Spiel zu lassen; jedenfalls
waren die unter dem Namen »Slovenen» zusammengefassten Slaven kein ein-
heitliches Volk, sondern mehrere Stämme. Über ihre Verwandtschaft zu
einander gibt uns nur die heutige Sprache Aufschlüsse, u. diese verbietet uns,
die macedon. Dialecte in Gegensatz zu bringen mit den anderen bulgar.
Wenn Pic's (Die Csergeder Slaven etc.) Vermuthung richtig wäre, dass we-
nigstens die östl.TheileDaciens von russ. Stämmen besiedelt war, so würden
sich bezüglich Ostbulg. noch grössere Schwierigkeiten ergeben. AuchHasdeu
leitet in seiner neuesten Schrift (Strat si Substrat Genealogia poporelor bal-
kanice 1S92) die Serbokroat. aus Böhmen (gestützt auf Const. Porph.;, die
Bulgar. aber aus Polen ! Dafür glaubt er in der Sprache Beweise gefunden
zu haben, Bulg. u. Poln. haben u. hatten 1. Nasalvoc, 2. dz, 3. i = 'a. Böhm,
u. Serb. haben l.r, 2. Quantität u. 3. theilweise ähnliche Accentuation (in
einigen maced. Dialect.). Er entwirft uns hinten sogar einen solchen Stamm-
baum I — Dass es im IX. Jahrh. noch keine bulgar. Sprache im heutigen
Sinne gegeben hätte, wird sich nicht beweisen lassen. Alle Abweichungen
der ältesten altslov. Denkmäler, z.B. Cod. Supr. vom idealen altsloven. Typus
haben doch bulgar. Charakter bis auf einzelne locale Abweichungen. Ich will
damit nur sagen, dass damals in sprachlicher Hinsicht der Amalgamirungs-
process der Slaven mit den fremden Elementen schon vollzogen war.
Über die alten Wlachen, ihre Lebensweise u. manches andere sind sehr
schöne Notizen in Vasilievskij's CoBiiLi u pasKasti BusaHTiiicK. 6ojifl:p. XL Bina.
Über die heutigen slav. Dörfer südlich vom Prespa-See sind einige wenige
Notizen in Matov's Abhandlung über die Nasalvocale in den Co.!iyH. Knuaomu,
u. in Draganov's Beitrag über die Nasale im Pycc. *u.a, Eici.
480 Kleine Mittheilungen.
Da^s die byzant. Slaven nicht wie die mährischen die Nothwendigkeit
einer slav. Liturgie fühlten, das erkläre ich mir durch die verschiedenen Ver-
hältnisse. Mähren mit Eastislav an der Spitze war fast ein vollkommen un-
abhängiges Reich, das sich vom fremden deutschen Einflüsse emancipiren
wollte, bei den byzant. Slav. war dies nicht der Fall, bei den bulgar. waren
aber die culturellen Bedürfnisse ganz andere als bei den Mährern, wie auch
heutzutage ein gewaltiger Unterschied hinsichtlich der Bedürfnisse zwischen
den Maisbrod u. Knoblauch essenden Bulgaren und den materiell gut situir-
ten Hannaken besteht.
Dies sind meine Bemerkungen zu einigen Behauptungen Ihres sehr lehr-
reichen Werkes, die mir gerade besonders im Gedächtniss geblieben sind.
Ich wollte mit denselben nicht zurückhalten, denn bei so schwierigen Fragen
sind immer verschiedene Ansichten möglich, und in der Wissenschaft —
sententiae sunt liberae.
Ich habe schon lange keine Abhandlung mit solchem Interesse gelesen
und deshalb danke ich nochmals für die Zusendung derselben. Lavrov's
Werk Oösopt sByKOB. u ^opMajiHtixi. ocoöch. 6ojirap. H3biKa kennen Sie wahr-
scheinlich schon, es enthält viel schönes Material aus mittelbulg. Denkmälern,
auch die Erklärungen sind besser als in Kaiina.
Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr V. Oblak.
^yBeHAHJa.
D'abord dans le CpncKn Pjcihuk de Vuk et apres dans le dictionnaire
Ivekovic-Broz on a traduit le mot i)yBeHOTJa par les mots »latronis turcici
serva, die Sclavin eines Kpyajiuja«. Le dictionnaire academique de Zagreb
donne, comme explication »Krgalijinska robina, tur. güvendi-meretrixu, adop-
tant ce qui est mentionne ä ce sujet par Gj. Popoviö dans son Dictionnaire
des mots turcs (Glasnik 59, 81).
II faut remarquer l'explication de Cousinery, observateur illustre qui a
passö sa vie ä etudier la Macedoine et le littoral de la mer Egee. Dans sa
description des montagnards de Rhodope qu'on appelle ailleurs Krdzalis il
ajoute: »Dans toute la Thrace et toute la Macedoine on connait le penchant
» de ce peuple pour le vagabondage, inconnu dans le reste de la Turquie ; et
»pour caracteriser ces montagnards on leur a donnö le nom de Guvendegis,
»mot forme de deux langues, de Guvende mot persan qui signifie dmiseuse et
»de la finale dgi, desinancc turque qui exprime une profession comme dans le
»mot caffedgi — cafetier, tutindgi — vendeur de tabac«. (Voyage dans la Ma-
cedoine. Paris 1831, II, 82.)
St. Petersbourg. St. N.
Die Vokale Ti und h im Codex Snprasliensis.
Das Verhalten der Suprasler Handschrift im Gebrauch der
Vokalzeichen t». und h habe ich nach der Ausgabe von Miklosich
vor vielen Jahren dargelegt in der Abhandlung »Die Vokale iv und
k in den sogenannten altslovenischen Denkmälern des Kirchensla-
vischen« (Berichte der k. sächs. Ges. d. W. 1875, Bd. 27, S. 92).
Miklosich hat die Zeichen über den Buchstaben, abgesehen von
dem grammatisch nothwendigen " über a h k r, nicht mitgegeben.
Seit der von Severjanov veranstalteten photographischen Repro-
duktion des Laibacher Teils der Handschrift (1896) und desselben
Ausgabe (St. Petersb. 1904), die die Handschrift genau wiedergibt,
kann man die Verwendung jener Zeichen untersuchen.
Angewendet werden : 1 . " über h a k r in der bekannten Weise
als Zeichen der Palatalität der Laute. Dasselbe Zeichen steht über
oy K5 I*, wenn diesen, sei es im Auslaut eines vorangehenden Wor-
tes, sei es in Innern Silben, ein Vokal vorangeht, z. B. cBiT;Ri*
HO\^\HraHHi*, sarpa^H oycra, HacyneHHia, mä o\^Kor;Ri*,
B'KaujE oy Hjro, CTpoK», nocTaßki*; auch über w kommt es vor,
'i'ifaH'K, zuweilen ohne die angeführte Bedingung, luwcfa; ganz sel-
ten trifft man es sonst, so S. 70 (der Ausgabe) CTvKAaSH'k gen. pl.,
Z. 16.
2. Ein nach rechts gerichteter sich verjüngender Strich oder
Haken (in der Ausgabe durch ' gegeben) steht über allen Vokalen —
ausser i nach h — wenn diese auf Vokal folgen, z. B. bh^.'Sth
;r3w, ktv Hi5/\HiaHm, pen« leMoif, ctohluh, Bt^Ai^ «ko, CA'kuiaaY;«;
i€i5, M(M€i5, 3'K/\'KiH\"k, cßAUhtkÄ, E'kA\!f^\ in der Verbindung hi
steht 1, z. B. CTO/ÄUJTHiY'k, c;f^;k,HiiiiTa, nayAk h lOYAHraHHH'K,
HHCTH 1 aKid Gora.
3. Ein nach links gerichteter sich verjüngender Strich oder
Haken (in der Ausgabe durch ', Apostroph, gegeben) wird gebraucht,
wenn ein ursprünglich vorhandener Vokal, in den meisten Fällen i».
oder k, nicht geschrieben ist, ebenso zur Trennung von Consonanten-
Archiv für slavische Philologie. XXVU. 31
482 A. Leskien,
gruppen in Fremd wörtero, z. B. btjk'ujh, M'Hor;^, k'to, h'to,
c;RüJTfM', lUlHp'kCKd'ro; ap'yar'riAOM'k, KaAMOBivi, zuweilen
auch bei slavischen Consonantengruppen, z. B. Bk3ABHr'H;K,T'k,
OYctK'H;^^^, nor'KiK'HtTTv, pasr'HtßaBTi., hoym;'a**<*V^j ^6^""
wendet; ausserdem kann es gebraucht werden wie ' über dem
zweiten von zusammenstossenden Vokalen, der Gebrauch ist aber
weit seltener als der von*^, und tritt am meisten ein bei h nach
anderen Vokalen, z. B. chh, npaß'AHBTdH, o\'M'KiiiJAi<iH, sonst
vgl. CBOi€, cTpora.
Der Zweck der genannten Zeichen, die natürlich nicht überall
da stehen, wo sie stehen könnten, ist ohne weiteres klar, wie sich
denn auch gleichartige Gebrauchsweisen in andern altkirchenslavi-
schen Quellen finden.
4. Auffallend und für die Handschrift charakteristisch ist, dass
das unter 3. genannte Zeichen ' durch den ganzen Codex hindurch
unzählige Male über jedem beliebigen h in beliebiger Stellung steht.
Es geschieht oft so regelmässig, dass man ganze Seiten findet, wo
auf keinem b das Zeichen fehlt, z. B. auf S. 80 der Ausgabe kom-
men 32 h vor, alle mit dem Zeichen versehen; auf S. 79 begegnet b
24 mal, 18 mal k, viermal nur b (ungerechnet zweimaliges Ha Hk,
wo eine Concurrenz zweier Zeichen eintreten würde) ; zur Veran-
schaulichung führe ich einen Satz an (Z. 15 — 18): Whi rdKCHCC
H.3MpkAH K'KY^^MTv CkHCMT»., CH'k JKf bLaIv BT». Bkc;^ HClUTk,
H BivH{3aan;pk bLsboyam "i^- So geht es durch den ganzen Co-
dex, beispielsweise: S. 487 haben von 54 dort vorkommenden h.
49 das Zeichen, nur 5 nicht. Gegen die ungeheure Menge der L
ist der Gebrauch des Zeichens über iv selten, und man kann an
Stellen, wo nebeneinander das gleiche Wort oder gleiche Wortfor-
men mit k und mit t». geschrieben werden, oft beobachten, dass der
Schreiber das Zeichen über t». vermeidet, vgl. z. B, S. 52 Z. 24
BkSAOVX'*? Z. 28 B'kSAoVV'^V' ^^ 2- '-' A^VX'^'^'*» ^- 29 a^V"
YOMTi (beides instr. sg.) ; 65 Z. 6 i€Ahho»^ a^"«»* h leAHHtMk
CYMODiT».; 96 Z. 18 BkCKpkMHaa, Z. 20 B'kCKp'hMkieH'k, Z. 22
Bkc;^, 23 B-kc;^; 140 Z. 20 ckiuipkTk, 21 CKMpkTk; 210 Z. 22
B'fep'kH'kiHM'k und B'KpkH'KiH.M'k; 228 Z. 19 JK'kpku^oy, 22 >Kk-
pki;o\f, S. 230 Z. 14 H^kpkMkCK'k. Bezeichnend ist bei der An-
wendung des ', dass k auch da so geschrieben ist, wo das k nach
sonstigem Sprach- und Schreibgebrauch des Schreibers unrichtig
Die Vokale i. und b im Codex Suprasliensis. 483
für Tv steht, z. B. bLsa^VX'* i^^^ ß'i^3.), ^\,omL (für aomtv), ocTa-
HKK'kl (=-H'KK'Id), OT'KrkHaK'k (= -r'kHaii'K), kLnIv (= K'KHIi)
S. 229 Z. 19 (Z. 15 steht richtig k'KH'k) u. s. w.
Die Deutlichkeit, mit der in der ganzen vortrefflich geschrie-
benen Handschrift die Buchstaben i^ und k unterschieden sind,
macht die Annahme unmöglich, dass es sich bei dem k etwa um
eine Verdeutlichung des k-Zeichens gegenüber dem t», handeln
könne. Man kann überhaupt den Gebrauch durch etwas rein Gra-
phisches nicht erklären, und es bleibt nur übrig anzunehmen, dass
der Schreiber für sich und die Leser durch das Zeichen ' dem k
eine bestimmte Qualität verleihen wollte, dass es also eine gram-
matische Bedeutung hat, so gut wie ^ über a h diesen Consonanten
eine bestimmte palatale Färbung verleiht. Man muss also versuchen
zu erklären, was es bedeuten soll.
Es ist mir zweifellos, dass der Schreiber des Codex die Vokale
Tk, k an all den Stellen, wo sie in der späteren Entwicklung der
Sprache ausgefallen sind, also im allgemeinen im Auslaut und in
offnen Silben des Inlauts, schon nicht mehr gesprochen hat. Das
geht hervor: 1. aus den Hunderten von Fällen, wo die Vokale über-
haupt nicht geschrieben sind, z.B. TfMHHua = TkMkHHua, kjs,( =
KT^^V,«, KHASTk = KT».H43k, KHHra = K'KHHra, MHOri». = M'KHOP'k,
le^HO = i€^kHO, ji,EA = A'i^Ka, TOAina = TCAkMa, o^npaa-
HHTH = -npas^kHHTH (vgl. dazu o\fnpa>KNfHHi€ für cynpaBAi^-
HEHHI6) u. s. w. 2. aus der Vertretung des k durch (, wenn in der
folgenden Silbe ein k oder Ti stand; nur wenn dies stumm gewor-
den war, also die vorangehende Silbe dadurch zur geschlossenen
wurde, konnte k zu « werden, z. B. TfiuiHHua = TkM(k)HHi;a,
lUfA'^ d- i- ^ßd für lUkA(iv), B'KpeH'k d. i. viren für R'KpkH('k), Ha-
MEH'kUJf d. i. nadense = HaMkH(l».)iiJf , ja,(HW d. i. de?i = A,^H{h)
u. s. f. (vgl. meine oben angeführte Abb. S. 103).
Das k ist also nirgends mehr als solches gesprochen worden,
sondern entweder ausgefallen oder in ( verwandelt. Das Verhalten
des Tv ist in einem Punkte ganz gleich, es ist im Auslaut abgefallen,
im Inlaut bei offner Silbe ausgefallen, aber wo es bei eintretender
Geschlossenheit der Silbe nicht ausfallen konnte, ist es nicht in einen
andern Vokal (das o anderer Quellen) übergegangen, sondern hat
seine Qualität behalten, z. B. KpoT'kK'k d. i. KpoTi^K; mit andern
Worten, die Sprache des Codex oder seiner Quellen gehört einer
31*
484 A. Leskien,
Dialektgruppe an, die wohl den Uebergang von k in e , aber nicht
den von t^ in o hatte, sondern das t»- in alter Weise fortsetzte. Wenn
nun der Schreiber über dem h das diakritische Zeichen ' anbringt,
so hat er damit ausdrücken wollen: das k hat als solches keine
Bedeutung, sondern ist entweder wegzulassen oder als t zu lesen.
Ueber Ti war dagegen ein Zeichen nicht nöthig, weil es in geschlos-
senen Silben so gesprochen wurde, oder wo es stumm geworden,
aber in der traditionellen Orthographie als Schriftzeichen beibehal-
ten war, sich für den Leser die Stummheit des Zeichens von selbst
verstand.
Wenn das richtig ist, so geht weiter daraus hervor, dass man
aus der Verwendung des k in der Handschrift, aus der Vertretung
von k durch iv und umgekehrt, gar keine Schlüsse auf den ge-
sprochenen Dialekt des Schreibers ziehen kann; die k sind aus älte-
ren Vorlagen übernommen, und natürlich auch die "k da, wo sie
nicht in geschlossener Silbe erhalten bleiben mussten. Hier tritt
also die Frage ein, wie verhält sich diese Tradition zu der andrer
ältester Quellen.
Eine grosse Gleichartigkeit in der Behandlung der alten t».-
und k-Silben geht durch die ganze Handschrift, bei näherer Be-
trachtung findet man aber doch Verschiedenheiten in den verschie-
denen Bestandtheilen. Begreiflich ist das schon daraus, dass die
48 Stücke des Codex, sämmtlich Uebersetzungen aus dem Griechi-
chischen, 28 Legenden (Nr. 1—19, 22—25, 46—48, S. 1—237,
252—278 der Ausgabe und 513 bis Ende), 20 Homilien (Nr. 21, 22,
26—45, S. 237—252, 303—513), mit zwei Ausnahmen Nr. 29,
S. 332 (von Photius) und Nr. 40, S.447 (von Epiphanius von Cypern)
alle von Chrysostomus (oder Pseudochrysostomus), sicher nicht das
Werk eines Uebersetzers sind, die Vorlagen des von einer Hand
geschriebenen Cod. Sup. demnach in Sprache und Schrift nicht
gleich gewesen sein müssen.
Bei der Untersuchung möchte ich zunächst den Weg einschla-
gen, dass ich einige Stücke des Codex aus seinen verschiedenen
Theilen genau in ihrem Verhalten zu 'k, k darstelle, dann aber die
ganze Handschrift summarisch zusammenfasse und dabei die Ver-
gleichung mit dem Cod. Zogr. anstelle. Ich nehme zunächst Nr. 44
(S. 498 — 505 der Ausg., Homilie des Chrysostomus).
Die Vokale i. und t im Codex Suprasliensis. 485
•K, h im Inlaut und in den Präpositionen rt^, B'ka, ck.
1. Die Präpositionen bti, rt^s, ck. Es kommen in dem
Stücke vor 26 Fälle der Präposition ßi^ vor folgender weicher Silbe,
davon nur 4, in denen bt». geblieben ist (genau genommen nur 3,
denn bt». hcthh;^, mit i». vor weichem Vokal, behält nach dem
auch sonst in der Handschrift befolgten Verfahren sein iv ; sonst
B'k A""; ^'^ JKHBOTT»,, BT», ta), in 22 Fällen steht Bb, z. B. Bh.
HCiOH^E, Bk AHKTv, Bk THH;ft, BkA'feSf, BkHHA« u. s. f. Ferner
gibt es 20 Beispiele von B'kS- vor folgender weicher Silbe, aus-
nahmslos Bk3- geschrieben, B'ks- kommt so überhaupt nicht vor,
z. B. BkSATH, Bk3AK)BH, BkSHfcoY'k, BkaHCKaBii u. s. w. Rech-
net man die 6 Fälle von Formen und Ableitungen von BkCKpk-
CH;*iTH hinzu, was man kann, da ja die Silbe -rt- von Haus aus
weich war, so wird das Verhältniss noch auffallender. Beispiele
von Ck vor Silbe mit weichem Vokal sind 8 vorhanden, in 7 steht
Ck, Z. B. Ck THYOCTHKR, Ck CBATTÜHMk, CkBfCTH, einmal CTiTk-
piTTk 506. 23. Man kann also sagen, dass in diesem Stücke der
Schreiber die bekannte Umlautsregel so gut wie konsequent befolgt.
Von andern Präpositionen kommt mit k statt t^ vor OTk, einmal
OTk TfK« 507. 17, sonst OTk HH)("k, OTk HfrO, OTk-H;^A'^^^
(das einmalige OKkSHpaA 502. 25 lasse ich bei Seite, da hier OKk
alt sein kann).
Nun hat aber das Bild eine Kehrseite: Bk steht 12 mal auch
vor folgender harter Silbe, Bk saKAiOMEH-ki/fi 498. 25, BkcraH;?;
499. 15, BkAOJK;^^ 500. 10, Bk^o^oy 501. 23, BkAO>KH 503. 26,
Bk KOVnk 504. 28, BkCTABH 505. 9, Bk RAkTk 505. 25, Bk TOWk
506. 27, Bk Hdiua 507. 3, Bk htü 507. 5, BkAdSHTiv 507. 29;
ebenso BkS- zweimal in Bkc^OTtv 500. 14, 502. 5; ck in derselben
Stellung (abgesehen von ckMpkTk) 12 mal, also öfter als vor fol-
gender weicher Silbe: cknacHTfAk, ck bamh, ckTBopH, cknacd,
cknaco^f, CknacTH, ckCTBaBkicH'k, cknacfiuH, ckiioAOKOKHY'k,
ckTBopH, ckB;R3'ki, ckBAaMÄLUTf; ferner 7 Fälle von ck- in Casus
und Ableitungen von ckMpkTk, wobei zu bemerken, dass es als
eine Manier des Codex bezeichnet werden kann, das Wort so zu
schreiben.
2. Der Umlaut von k zu t». vor folgender harter Silbe.
Beispiele solcher Stellung sind 71 vorhanden, davon nur 4 mit dem
486 A. Leskien,
Umlaut zu T*: HA'kT'kH'kiHMH, pasATi-P^ 503. 21, HbCTivHO, yv,*^-
MaaMiyHiü/A, alle andern und zwar in den verschiedensten conso-
nantischen Verbindungen mit k, z. B. TaHKkHO, HAOßtMkCKTü/Ä,
nEHaAkHaa, pacnkpkH;^ii^, npHUJh^'kiijaaro, B'^uiTkCTBoy, fCTk-
CTßa, nonh.pa (505. 24), KO^KbCTßO u. s. f. Einmal steht Tv statt k
vor weicher Silbe ij^-tcapTkCTEHie, ein offenbares Versehen. Auf die
Beispiele lU'kA'k (2 mal), iJJTk;k,mf (Imal) komme ich unten zurück.
3. Der Umlaut von 'k zu k vor folgender weicher
Silbe: BkHt 498, 29, -AiCKkßhH;^!* 500. 18, ckMt:iJf; 501. 22;
dazu noch norp;R3HßkUJf 503. 30, ßH;i,'KßkUJEH 506. 13, nosHa-
Bkiua 507. 16. In i^pkKiißk ist t». verblieben.
Fast gleiche oder ganz ähnliche Verhältnisse zeigen andre
Bestandtheile der Handschrift, so Nr. 45 (S. 508 — 513, Homilie des
Chrysostomus).
1. Von ßiiB, BT», CK vor weichen Consonanten, zusammen
29 Fälle (einen von ßkCKpkCf eingerechnet), ist kein einziges geblie-
ben, es heisst nur ßk, Bk3, ck; einmal steht OTk TtKC 513. 6; Oßk-
in OBkA<^ 509. 14, OBkieMii 513.2; dabei stehen ßk, ßks, ck
mehrmals vor folgender harter Silbe: ßkaasHTTv, ßk koh; ßkCY'W-
THTTk, ßkCY'WTH; Ck OBklUTHHMk, Ck MHOK^, CkROB'feA'*!^, Ck-
impkTk ckMpkTH; ferner Vgl. SkAOETd 512. 16.
2. k vor folgender Härte ist geblieben in 45 Fällen : darunter
TkM;^ 509. 5, Mk3A^ 512. 6, 513. 5; zu t». geworden in 6 Bei-
spielen C'KS'KA'^M^'* 509.5, C'kS'kA^TfAra 510.13, T'kM'kl T'kiuia
509. 5, h'Kt;rtti 509. 9, oyKHTfAkHHM'kCK;^. Vgl. noch ckiiiTk-
;\,'KlilHHM'K, lUTiCTHra.
3. Tk ist vor weicher Silbe zu k geworden in BknHie 510. 7,
BkH'feKRyl.OY 511. 21, 3kAt 512. 14; vgl. dazu ß^Hknaßkuia
513. 9; in c;RnocTaTT».MH, t^kuitä ist t». geblieben.
Nr. 41 (S. 471 — 479), Homilie des Chrysostomus.
1. Bk vor weichen Silben 24mal, b^k vor weichen 2 mal kt».
BkCk, BT» KHT'fe, die sonstigen 7 b-k stehen vor Vokal als regel-
recht BT»- hcthh;^ (4mal), bt», HepoycaAHMt: (3 mal); Bk3- in glei-
cher Stellung 9 mal, BT».3 3 mal; ck 11 mal, ck 4 mal (3 mal Formen
von CT^BASaTH, Imal c'k.ßA'SMt); vgl. ferner OTk hh^'k 471. 17,
472. 18, OTk HtK» 475. 3, H3kAHra 476. 28. Vor harten Silben steht
Bk in ßk Tk (T-k) Ai^Hk 471. 17, 472. 19, ßk tts. nack 473. 3,
ßk HOiUTk 475. 16, Bk CTpacTH 478. 21, Bk poßt 478. 22; Bk3
Die Vokale -h und b im Codex Suprasliensis. 4g7
in Bk3M;*^TH 471. 25, BkCTOKii 476. 10, npOBiiCTp;i^KH 478. 23;
Ck in CkTKopH 473.8, CbKOHknaKa/A 476. 8, dazu 13 mal chMpKTk
mit seinen Formen und Ableitungen, wozu mau noch ck MpkTBki^H
472. 27 vergleichen kann.
2. k vor folgender harter Silbe geblieben in 66 Fällen, zu i%.
geworden in 11 : 1 mal, in npHKAiOM'KiUHHY'k 475. 14, i^ aus k vor
weicher Silbe.
3. Ti vor weicher Silbe zu k in Bk Tk ^\hHh 471. 17, KpnkMk-
MHüR, KpkMkHH 472. 13, 17, BkRHieTTk Bkrik^ujE 475. 2, 477. 16,
CMOKkBHHi^;«; 476. 24, AkJKH 477. 14, ^i.'kAkMk (i. sg.) 476. 27;
dazu kann man rechnen KiviBkmara 475. 8, r/\aroAaBkujo\f 477. 24,
HaHpkTaBkujOY 478. 6. In ;»,kBa 471. 17 und AkraTH 474. 26
steht k für Tv vor harter Silbe. Geblieben ist t». vor weicher in
KHHT'kHHH, CKnAUJTÄ, TTiHkKR, HC'kJfH'feaUJ«, CACBT^MTi (= CAO-
B'kMk i. Sg.), ATiJKf.
Unter der Reihe der Legenden (von S. 1 — 303) stehen zwei
Homilieu des Chrysostomus, Nr. 20 (S. 237—243), Nr. 21 (S. 243—
252); die erste gibt fast ganz dasselbe Bild, wie die oben ange-
führten Stücke: 1. BTk, B'kS kommen vor weichen Silben überhaupt
nicht vor (das zweimalige bt». hh;r ist normal), ck 3 mal gegen
einmaliges c'k.BaJK;^; Beispiele von Bk, Bks, ck vor harten Silben
fehlen.
2. k ist vor harten Silben verblieben 31 mal, zu t^ geworden
11 mal; vor weichen Silben zu ^k in ETvCkKO 240. 20.
3. Tk vor folgender Weichheit zu k in a'^M'^^^uJ« 239. 27, sonst
bleibt es: A'kJKa, BniSi^nki^ 240. 16, T'k.Hki*, KTk^f, ttvIuti-
T'KH'klHIUl'k.
Nimmt man alle Homilien des Codex zusammen, so ergibt
sich trotz mancher Verschiebung der Zahlenverhältnisse im einzel-
nen doch eine grosse Gleichartigkeit in den oben behandelten Punk-
ten. Etwas anders dagegen steht es in den Legendenstücken.
Auch davon gebe ich einige Proben, zunächst Nr. 23 (S. 254— 272):
1. Bk vor weichen Silben 9 mal, dagegen 20 mal btv vor sol-
chen Silben (nicht eingerechnet zweimaliges bt», hh;r, einmaliges
B-K laM;^); Bk3-2mal, B'kS- 5 mal; ck gar nicht, nur 3 mal CTi,
abgesehen von einmaligem ckMpkTk; ausserdem 2 mal OTk Htro
258. 14, 263. 9; np'KA'^C'feA''^iA'< 258. 20 kann altes np'K;i,k ent-
halten.
488 A. Leskien,
2. k vor harten Silben erhalten 59 mal, in t», verwandelt 32mal ;
vor alten weichen Silben erscheint statt k das t». in HtTvptTd 256. 28,
^KiipEiUH 261. 18, MTkCTkHC 262. 1, npaßTiAT»^M<5 262. 9, caov-
^K-KB-b 262. 11, np-KTTiptHOif 269. 6.
3. T». vor folgenden weichen Silben zu k: A'^K'^Ma 257. 4,
SkA-S 265. 16, CAaAi^iJ^'^ 267. 11, AiOBkBC 267. 23, A'^B"*'^«ht^)
wenn es hierher zu rechnen ist, 262. 20; vor harter Silbe: Mk-
H03H 267. 9, A'^ß*^'€ 270. 6.
Nr. 24 (S. 272—278)
1. vor weichen Silben 4 mal Bk, 5 mal B'k, kein Bk3, dagegen
3 mal B'kS, 2 mal ck, 6 mal ck; dazu noA»* hhmt». 276. 3.
2. k vor folgender harter Silbe erhalten 14 mal, durch ^k ver-
treten 33 mal; Imal vor weicher Silbe B'kim'kHWOY'^'OV ^73. 21.
3. Tk vor folgenden weichen zu k in awBkBkKR, BccckHHieM'k,
CkH'K, BkPAkM'k, A*^B*^'"MT»^j nknpHUJTk; vor folgender harter:
Bk Ji,A^^ [m nplv^k nockaaBT», 273. 22 kann k das ältere sein).
Statt k erscheint vor folgender weicher silbe 'k in OTT^i^k (2 mal),
BOrOBHAT^U^H.
Trotz mancher Verschiedenheiten im Einzelnen hat man den
Eindruck, dass die legendarischen Stücke sich in Bezug auf inlau-
tendes 'k, k und das is. der Präpositionen etwas anders verhalten
als die homiletischen. Sehr bedeutend ist, wie sich unten zeigen
wird, der Unterschied nicht, ich halte es aber für zweckmässig, bei
der näheren Betrachtung die beiden Gattungen zu trennen, weil bei
dem Nachweis der Gleichartigkeit der Erscheinungen in den Thei-
len verschiedenen Inhalts eine Bestätigung für die aufgestellten
Thesen gewonnen wird. Die folgende Untersuchung will zu be-
stimmen suchen, wie sich die Ueberlieferung des Tv und k im
Suprasliensis zu der des Zographensis verhält, den ich zum Ver-
gleich wähle, weil in ihm die Verhältnisse am klarsten liegen. Bei
den vielen Verhandlungen über die Vokale Ti, k der altkirchen-
slavischen Denkmäler kommt es am Ende darauf an, ob man
bestimmen kann, welcue gemeinsame Abweichungen sie vom ur-
sprünglichen Bestände des ii, k haben und worin die jedem eigen-
thümliche lautliche oder orthographische Weiterentwicklung be-
steht. Wenn ich mit der Ansicht, dass der Schreiber des Codex den
Vokal k in seiner ursprünglichen Geltung überhaupt nicht mehr
gekannt habe, dass also die Anwendung des Buchstaben gar nichts
Die Vokale x und b im Codex Suprasliensis. 489
mit seinem lebendigeu, gesprochenen Dialekt zu thun hat, Recht
behalte, so muss in gewissem Grade, wahrscheinlich in hohem Grade,
der Gebrauch des k sowohl da, wo es an seiner ursprünglichen Stelle
steht, als da wo es altes 'k vertritt, in den älteren Vorlagen gege-
ben gewesen sein. Wenn ferner das t^ in offner Silbe bereits ge-
schwunden war, so wird auch die Wandlung von b zu t», nicht der
täglichen Rede des Schreibers entsprechen, sondern ebenfalls aus
älterer Zeit stammen. Dabei kann der Schreiber sich gewisse Ma-
nieren im Gebrauche von h, 'k geschaffen haben, und hat es sicher
gethan. Es ist natürlich nicht sicher auszumachen, ob er solche
nicht auch schon vorgefunden hat; jedenfalls muss auf diesen Punkt
geachtet werden, wenn nicht ganz falsche Vorstellungen von einem
so oder so gesprochenen altbulgarischen Dialekt entstehen sollen.
Ich beginne mit den homiletischen Theilen der Handschrift.
Citiert ist in allem folgenden nach Seiten- und Zeilenzahl der Sever-
janovschen Ausgabe, doch habe ich es unterlassen, die Tausende
von Beispielen, die in Betracht kommen, alle so zu eitleren. Solche
Zahlenhäufungen bringen keinen Nutzen; eher als dass einer sie
nachschlägt, kann er die Quelle selber lesen. Der Bequemlich-
keit des Druckes wegen lasse ich auch die ' über k weg.
A. Die Präpositionen.
I. KT», bleibt vor folgenden weichen Silben unverändert, mit
Ausnahme von kl HtiuiOY 249.2, 319.1, genau wie im Zographensis
(Arch. 27, 331).
IL BT», und KT-kS.
1. BTv bleibt wie im Zogr. vor Silbe mit anlautendem h, i€ (e),
a, K> erhalten. Ich habe 77 Beispiele mit kt». gezählt: bt^ hh;r,
BTv hcthh;^, Bik öMÄ^ u. s. w., dagegen nur 8 mit Bk: bk (\fAfi-
AHaY'K, Bk e\j-arreAHH, Bk wr'K, Bk «rynT'k (2mal), Bk erynTTk,
Bk ajü,h., Bk hmä (daneben in demselben Stück 20mal bt». hmä).
In dieser Nr. 28 kommen 18 Beispiele von bti vor consonantisch
anlautender weicher Silbe vor, davon 13 mit Bk; dagegen ebendort
20 mal Bik HMÄ, 1 mal Bk hmä (322. 7).
2. Das allgemeine Verhältniss von BTk und Bk (vor consonan-
tisch anlautenden weichen Silben), bt^s und Bks ist in der Ge-
sammtheit der homiletischen Stücke so, dass Bk Bks ungeheuer
überwiegen, in runden Zahlen 500 mal Bk, BkS, 140mal bt», bt^s.
490 A. Leskien,
Das im einzelnen auszuführen, unterlasse ich, man kann sich leicht
durch das Lesen beliebiger Stücke davon überzeugen, auch geben
die oben mitgetheilten Proben davon eine Anschauung. Jedenfalls
hat für den Schreiber Bh. bks in dieser Stellung als das eigentlich
Normale gegolten. Die Frage bleibt, ob für die Wandlung von et».
in Bb, BTk3 in bls Schranken bestehen wie im Zogr. (s. Archiv
27, 330).
3. Die Regel des Zogr., dass bt», und B'ks verbleiben vor
schwachem, in der späteren Entwicklung ausfallendem h. (s. Arch.
a. 0. 330, 331), ist im Supr. nicht bemerkbar: es heisst bt», TkwK
und ßh TkM'K, BT». A""> B"^ •^c*) ausschliesslich Bk Hk, ich habe
überhaupt von bt». in solcher Stellung nur notirt zweimal bt».
TkM-R, je einmal BTk.HkMeT'k, kt». j^hh, sonst fast überall Bk. Für
BTvS- kommen nur in Betracht B'kSkp'tTH und die Präsensformen
von B'k3kM;ii: Bkakp-tTH steht sogut wie durchgehend; BkSkM;«^
BkSkMiLUH U. S. W., Bk3kMH BkSkM'RTf 24 mal, nur 7 mal B'KS.
Ich komme auf die Lautfolge t». vor folgender k-Silbe in anderem
Zusammenhange unten zurück.
4. Bk und Bk3 vor folgender harter Silbe. Diese Schreibung
ist gar nicht selten, in den homiletischen Stücken kommen reichlich
hundert Beispiele vor ; eine Regel des Auftretens gibt es nicht, im
selben Stück, z.B. Nr. 43, steht btv CAacTH und Bk cAacTk, b'ks-
KOY^HTH und Bk3K0\fA"'r'l*> KTvCTa Uud KkCTa, B'KSMOJKtT'K
und Bk3M0iiJTH u. s. w. Dass eine lautliche Wandlung von Ts. in k
bei dieser Stellung stattgefunden habe, ist ausgeschlossen, der
Schreiber hat so geschrieben, weil ihm das Bewusstsein von der
regelrechten Stellung des Bk Bk3 vor weichen Silben fehlte, und
die Gewohnheit vor solchen k zu schreiben hat ihn verführt, Bk Bk3
fälschlich auch vor harten Silben zu setzen. Es ist dabei nicht ohne
Interesse zu beobachten, dass es Stücke gibt, wo Bk Bk3 vor har-
ten Silben nicht vorkommen; so Nr. 33 und 34 (S. 384 — 395), ob-
wohl dort BT». BT^s 25 mal vor solchen Silben steht. In andern
Stücken sind die falschen Bk Bk3 selten, so Nr. 35 (S. 395 — 405) :
Bk npa3A»^H'K, Bk cpkA'UHXT*, Bk caVA'fe, dagegen 21 mal bt».
B'K3 richtig vor harten Silben. Das Zahlenverhältniss durch die
einzelnen Stücke durchzuführen, hätte wenig Wert, denn natürlich
ist es reiner Zufall, ob in einem Stücke, wo der Schreiber überhaupt
Die Vokale i. und i. im Codex Suprasliensis. 491
Bb ßk3 vor harten Silben öfter schreibt, er einige Male weniger
oder mehr in diese Manier verfällt.
III. Die Präposition CK. In dem Verfahren bei dieser, ihrer
sehr häufigen Form cb, besteht die stärkste Abweichung von der
Art des Zographensis. Näher betrachtet verhält es sich so:
1. Da BT», vor anlautendem palatalem Vokal bleibt, hat man
dasselbe bei ck anzunehmen, thatsächlich kommt auch kein ck in
dieser Stellung vor, sondern nur ck, aber die Beispiele ck hh'Kmh,
CK icoYcoM'K, CK fr^'nTTk.cK'KHM'K sind 80 spärlich, dass sich aus
dem Material kein Schluss ziehen lässt.
2. In den homiletischen Theilen des Cod. Supr. wird ck vor
folgender Silbe mit palatalem Vokal wie btv und bt^s behandelt,
während das im Zogr. nicht der Fall ist (s. Arch. a. 0. S. 330).
Das CK überwiegt an Zahl bedeutend das verbliebene ck (210mal
CK, 140 mal ck) ; in den einzelnen Stücken ist das Zahlenverhält-
niss sehr schwankend, zuweilen gleich viel ck und ck, z. B. Nr. 36
jedes 18 mal, Nr. 40 27 ck, 28 ck; in andern tiberwiegt wieder ck,
z. B. Nr. 28 20 mal ck, 7 mal ck. Das im einzelnen auszuführen,
wäre müssig, denn da jedes beliebige hier in Betracht kommende
Wort bald mit ck bald mit ck geschrieben werden kann, ist auf ein
häufigeres oder seltneres Vorkommen der einen oder der andern
Schreibung nichts zu geben.
3. Die Frage, wie weit i». vor folgender Silbe mit schwachem,
später ausfallendem k unverändert bleibt, steht bei ck folgender-
massen: in den gesammten homiletischen Stücken findet sich ck
BKCtMK (Nr. 36 , CK BkcbMH (Nr. 40), dagegen: ck BKCbMii
2mal (Nr. 26), ck B'cffiR (Nr. 43), ck bkcKmk (Nr. 36), CKTKpe
(Nr. 26), CKTKp-KM-K (Nr. 30), ckt-kp^hh für -TKp- (Nr. 40), ck-
TKpETT». (Nr. 44). Die Zahl der Fälle ist nicht gross, aber doch
bemerkenswerth, und man kann wohl annehmen, dass es sich mit
CK hier ebenso verhalte wie mit bt^.
4. CK vor folgender harter Silbe findet sich in den homileti-
schen Stücken 165 mal in allen möglichen Verbindungen ck hamh,
CK BaMH, CK arr'fA'KI, ck C»TKU,KMk, CKna/k,E, CknaCf, CkTBOpH,
CKBpaTHBTk u. s. w. Aber es fällt dabei verschiedenes auf. Von
den 165 Beispielen fallen 101 auf ckmpktk mit seinen Formen und
Ableitungen. Das andre besteht aus mehr oder minder vereinzelten
Beispielen. Anführen will ich noch, dass Formen und Ableitungen
492 -^- Leskien,
von CKnacTH 17 mal mit ck- erscheinen. Ferner fällt es auf, dass
von jenen zahlreichen Beispielen des cw nur 10 auf die Stellung
vor Casus fallen, cb OTki|,iiMk (Nr. 29), ck arreAU (30), Ch mho-
stMik (32), ch, ;RpOA»^M'WHMH (36), CK HdMH 2mal ch rauh (43),
Ck KdMH (44), Ck ockLiiTHHMk Ck MHOi^ (45), alle andern Ck-
stehen in Compositis.
Prüft man diese Verhältnisse des ck und ck an einzelnen Ho-
milien, so stellen sich oft recht merkwürdige Dinge ein. In Nr. 35
(S. 395 — 405) steht in Compositis vor folgenden weichen Silben
überwiegend ck- (ckB'kT'K mit Ableitungen und CKß'kiiJTaTH
15 mal, dazu CKKHßaay;?;, CKKHpaaY;^, ckke^«), ck- nur 7 mal
(2mal CKB'tT'K, dazu ckiuiA'tujA, ckjkäth, cKnpaTa/Ä, ckm'S-
JKHB'KUJ«, CKKHpaHHie); CK vor harter Silbe kommt 28 mal vor,
davon einmal CKMpKTH»*, ck vor harter Silbe nur in dem sechs-
maligen ckMpkTk. In Nr. 40 (S. 447 — 471) stehen Ck- und ck- in
Compositis vor weichen Silben gleichvielmal (27 und 28); ck- vor
harter Silbe in CKnacEHHie (450. 30), sonst nur in cKiuipKTk und Ab-
leitungen (6 mal) ; ck steht vor harter Silbe in Compositis (ausser
CKiuipkTk) 44mal, 14mal so vor Casus, ferner lOmal in CkMpkTk.
Man kann aus diesen Thatsachen sicher schliessen, dass die ck vor
harten Consonanten nur hervorgerufen sind durch des Schreibers
Gewohnheit, ck vor weichen Consonanten zu schreiben; da er weder
CK- noch CK-, sondern nur c- sprach, ist diese Abirrung leicht er-
klärlich. Das häufige ckiuipKTK ist weiter nichts als eine Manier.
Wollte man hier etwa annehmen, dass aus urslavischem *mhrih her
das pK noch palatale Färbung hatte und daher wirkte wie palatale
Vokale, so widerspricht dem, dass derselbe urslavische Laut in an-
dern Worten nicht so wirkt, vgl. inNr.35 ckbpkiijehh»€ ckbpkluh
CTkBpKUJHA'k CK spKHA ; weuu gelegentlich ein ckbpkuihth vor-
kommt, so gehört der Fall unter die allgemeine Unsicherheit des
Schreibers in Bezug auf ct». und ck,
IV. Das auslautende T\ der übrigen Präpositionen. Die auf
-31». auslautenden kommen fast gar nicht in Betracht, da sie im
Cod. Supr., wenn er auch eine grössere Anzahl von hs'k KtS'K auf-
weist, wie in andern Quellen regelmässig schon h3- eo- pas-
lauten; es kommt einmal vor hskah» S. 476. 28. Die Formen
CKK- (ORKieMKKI^TTv 385. 21, OBKATH 480. 29, OKK/ÄTOy 492. 12,
OKKSHpa/Ä 502. 25, OKKAa 509. 14, OKKi€M'k 513. 2) und nptA»^
Die Vokale -h und b im Codex Suprasliensis. 493
(np-KAL CHMk 317. 1, np'K;i,k hsboaht'K 330. 30, npli,\,K AHUfMK
394. 26, np-k^i* renaa^^ 467. 25) müssen unberücksichtigt blei-
ben, weil OKk und iip'kA'* alte Formen sein können (s. Arcb.
27, 331). Statt noA'K kommt einmal noA«» c-feHK vor S. 353. 23;
ausserdem kommt nur noch ot'k in Betracht. Dies findet sich in
der That als OTk vor folgenden weichen Silben. Ich habe in den
homiletischen Stücken 33 Fälle gezählt; dabei fällt aber eins auf:
21 mal steht OTb vor obliquen Casus oder vor Ableitungen des
anaphorischen Pronomens, also vor h": otk heaii^ke 245. 7 (Z. 8
OT-K-H.), OTk Hfro 320.4, 325.29, 346.8, 359. 4, 363.17. 370.2,6,
377. 20, 387. 11, 455. 19, 475. 3, 500. 3, OTk HHY'k 324. 26,
328. 28, 368. 28, 471. 17, 472. 18, 498.22; OTk hsa 485.12, OTk-
h;^^^^^« 503. 2. Ausserdem steht OTk TfK« 250. 4, 351. 30,
507.17,513.6, OTkpHH;*^ 346.9,13, OTkßtuJTdHHra 393. 12. OTk-
B-kiUTa 427.16, OTkc-kT-k 422.22, 433.3, OTkMiiuTA^T-k 426.24,
OTk T'tY'k 443. 3. Dass diese letzten Vorkommnisse gegen das
überall vor weichen Silben sonst stehende OT-k wenig bedeuten,
davon kann sich jeder durch das Lesen einer beliebigen Homilie
überzeugen; um ein Beispiel anzuführen: in Nr. 32 (S. 368—384),
wo dreimal OTk hj ro, einmal OTk hh\"k steht, kommen ausserdem
14 Beispiele von ott»,- vor folgender weicher Silbe vor, z. B. ott^
cero, OTTk A'^'^T^) OT'kßtT'k u. s. w., einmal auch ott^ Hfro
377. 24. Dass keine Neigung bestand, otTj. vor solchen Silben in
OTk zu wandeln, kann man auch indirekt zeigen; während ßk
ßk3 Ck vor harten Silben vorkommen aus Anlasseiner Nachahmung
dieser Schreibung vor weichen, habe ich von OTk nur die Stellen
bemerkt: OTk Toro 335. 12, OTkH;!^^«^ 454.5, 497.27; es fehlte
eben der Anlass zu einem solchen OTk. Die Frage kann also nur
sein, ob das häufigere OTk vor h eine Bedeutung hat; denkbar wäre
es durchaus, dass von dem stark palatalen h eine palatalisirende
Wirkung auf t, nach dem t* nicht mehr gesprochen wurde, aus-
gegangen sei, also ot' nego ot' nich u. s. w.
Fasst man das ganze zusammen, so stellt sich heraus:
1. in ßk ßk3 vor folgender weicher Silbe stimmt der Supras-
liensis zum Zographensis mit der Erweiterung, dass diese Formen
auch vor schwachem, später ausfallenden k stehen können; dieselbe
Schreibung vor harten Silben ist nur eine Nachahmung der Form
vor weichen Silben, hat lautlich keine Bedeutung.
494 A. Leekien,
2. ck wird in Abweichung vom Zogr. behandelt wie bt^ bt^s,
also in den betreffenden Fällen zu ck; das ck vor harten Consonan-
ten ist zu beurteilen wie unter 1 .
3. Das auslautende t». der andern Präpositionen, ktv noA'K
u. s. w. unterliegt weder im Zogr. noch im Supr. der Wandlung in
k vor weichen Silben, doch scheint ott», vor h zu OTk d. i. ot' zu
werden.
B. T»., k ausserhalb der Präpositionen.
I. Umlaut von k in t^ vor folgender harter Silbe.
1. In nicht suffixalen Silben. Es handelt sich hier a) um die
lufinitivstämme KkpaTH, a^^P^th, JKkA«»TH, 3k;i,aTH, nk-
paTH, CTkAaTH, -klliaTH (BTiSkWaTH, OEkMaTH), nAkßaTH,
KAkUJTaTH. Die wenigen vorkommenden Beispiele von nakßaTH
(4) haben nur k, ebenso das zweimalige KAkiuTaTH; diese geringe
Zahl bedeutet an sich nichts, k muss sich aber erhalten wegen der
Stellung vor ujt und nach ^ (vgl. dazu das Verhalten des Zogra-
phensis und Marianus, Arch. 27. 321, 333). Die übrigen oben ge-
nannten Infinitivstämme stehen 12 mal mit k: CkpaTH 373.28,
406. 12, 409. 10, 324. 27, 347. 23, a«-P^th 438. 16, 485. 22, JKk-
A^TH 473.3, Sk^aTH 468.26, nkpaTH 505.24. CTkaaTH 326. 15,
-kMaTH (B'k.skMaTH) 359. 4; dagegen 32 mal mit 'k: Bi^paTH
317. 11, 335. 2, 3S5. 9, 13, 17, 20, 26; 439. 18, A'h-paTH 454. 12,
485. 21, 503. 21, JK-kA^TH 313. 22, 332. 31, s-kA^TH 244. 13, 14;
247. 15, 18; 357. 15, 17, 19; 456. 4, 459. 24, 468. 14, 482. 22,
509. 5, 510. 13, n-kpaTH 388. 19, 418. 15, 462. 30. --kimaTH
(B'kS'kMaTH, OB'kinaTH) 335. 7, 390. 25, 396. 3. Es kann dem-
nach kein Zweifel sein, dass dem Schreiber die normalen Formen
die mit ^ sind (vgl. Imal SkAarn gegen 13 mal s-kA^^H). Ueber
die Formen mit k lässt sich ein sicheres Urtheil nicht fällen : sie
können, und ich halte das für annehmbar, aus älteren Quellen,
die k bewahrt hatten, getreu übernommen sein, können aber auch
Fehler sein, d. h. in die Classe der Schreibungen vor k für t». vor
harten Consonanten, die sonst in der Handschrift vorkommen, ge-
rechnet werden.
b) Ferner kommen in Betracht die Wurzelsilben folgender Verba
in den Fällen, wo sie vor folgender harter Silbe stehen: ->Kkr-,
:KkA-, KrtkH-, Ukp-, Hk3-, RkH-, -CKBkp-, CAkR-, CTkp-, Tkp-,
Die Vokale i und b im Codex SupraBlienaia. 495
URkT-, MkH-, HKT-, -kM-, luwji,- (dies letzte schliesse ich hier zu-
nächst aus, weil es eine besondere, unten zu besprechende Stellung
einnimmt). Hier ergibt sich nun die Regel, dass ein 'k der folgen-
den Silbe auf k der vorhergehenden nicht wirkt (s. Zogr. Arch.
27, 323), klar genug: in 35 Fällen bleibt k, z. B, kTv3- (K'k3-)kM'k,
CTTi.HkM'k, HankHik, oyMkp'k, npocrkpik, pdCKßkp'k (über diese
Formen, deren k eine mit 'k auslautende Silbe folgt, s. u.), ß'kak-
MivUJC, pacnkH-kUJE, oyiukp^kiiiaaro u. s. w. (vgl. dazu npccTf-
P'KUJoyoYMOi,'' und gleichartige Formen mit f aus k). Ausnahmen
machen nur: c'kT'kp'kUJH 317.8, noH'kT'kUJf 386. 2, noM'k.T'kUJd
458. 2, o^M'kp'KiiJHHMH 449. 10, OYM'kp'kUj;^ 480. 26, npOH'kS'k,-
ujOYO\f«iioy 462. 21 ; bei einem Unterschied z. B. von o^nkpikiiie
und oy'M'Kp'KüJt ist ausserdem zu bedenken, dass hier eine dialek-
tisch verschiedene Entwicklung vorliegen kann: umtrSe (daraus
umerSe) und umrh.
Steht das k vor einer Silbe mit vollem hartem Vokal, so ver-
halten sich die Beispiele wie folgt: mit k B'kSkiui;!; OBkM;f^ (3 mal)
part. u,ßkT;i^iiJT- (2 mal), vereinzelt pacnkH;?;, 0CAknH;^iUÄ. Hd-
MkHOMC», oyMkpijJH, HkTTsj; mit "K M'kT;RT'k (3mal), kat^h;^ und
part. K/\'kH;^iiJTadro (je einmal), vereinzelt HaM'KH;RTTi, HTkT'kiH,
JK'k^;^, >K'kroiui'kiHM'k, npcu.ßTvTOUJÄ, ein Verhältniss, aus dem
man an sich gar nichts entnehmen kann, als dass die letzten Quel-
len des Codex sicher überall hier k gehabt haben.
c) Von Nomina kommen zunächst hier in Betracht TkMa und
Mk3A<^; mit li TkM;^ 407. 18, TkMaiuiH 400. 17, Mk3A<f^ 512. 6,
513. 5 ; mit -k T-KMa 509. 5, T'h.MJi. 324. 22, 370. 8, 378. 3, 425. 8,
426. 1, 448. 26, TivMaM-k 424. 5, T-kMaMH 308. 30, 399. 20,
463. 16, 492. 30, T'KM'KI 365. 11, 463. 16, 509. 5, also TkMa drei-
mal, T'kMa 15 mal; M'k3A^ 406. 15, M'k3A<iMH 427. 10. Dass
das Verfahren sich mit dem des Zogr. deckt, ist klar (s. Arch.
27,322), Ich will gleich dazu bemerken, dass sich ein T'KM'fe, wie
im Zogr. mehrmals (s. a. 0. S. 328), nicht findet.
Die Form ßkca (zu ßkck omnis) und was sonst vor diesem
Worte vorkommt mit zweiter harter Silbe hat k, ausgenommen ein
zweimaliges ß'kCA^A'^V ^^^- ^> ^'"^^- ^4, alles andere ist fast ver-
einzelt: zweimal liest man M'kco, einmal m'kto, neben Gf3Ai^H^
467. 6 steht Ef3;vT»'"'*^ 453. 4, neben dreimaligem onkTa ci^kTiv
einmal oi^T^ra 455. 19, JK'k3aa 442. 10, »»'kroM'k; in Akß-k kann
496 A. Leskien,
wegen des stummen 1%. der zweiten Silbe kein Umlaut stattfinden,
in den Formen von noAhsa und OKbiiiTk (oKkUJTa u. s.w.) unter-
bleibt er, weil die vor alters weichen Consonanten s und uit fol-
gen (s. u.).
2. Tk für k suffixaler Silben vor folgendem harten
Vokal. Zunächst ist festzustellen, wann der Umlaut von k zu ^k
regelmässig unterbleibt; das ist a) ausnahmslos der Fall, wenn der
die Silbe anlautende Consonant u, oder h ist, es heisst immer
OTkna OTknoy KOHku,a OBki^a u. s. w. (solche Fälle kommen
gegen 80 vor), KOHknaTH OTkM;s; u. a. (30 Fälle). Selbstverständ-
lich liegt hier die Sache so, dass angenommen auch, der Schreiber
habe diese Consonanten hart gesprochen, ihre ehemalige Weich-
heit (c 6') das Erhalten des vorangehenden k bewirkt hat. Die Par-
ticipia und Comparative auf -km- behalten vor harter Silbe durch-
weg ihr k, Ausnahmen bilden 3aKA;RHJA'^uJöVC>YMC»Y 247. 14,
\'OY>KATs.iiiaaro 372. 2, poH;A'»»^ii^'***''0 416. 22, npocB'kiiJT'k-
uioyoYMOY 457. 12, npocA'kJK'kUJC»YOV'MC»\f 457. 16, nocAoyjKT».-
UJHH 457. 20, npHAC^K'kiiJH 458. 1, bemerkenswerther Weise nicht
nach M.
b) Wenn dem k der Suffixsilbe ein schwaches, dem späteren
Ab- oder Ausfall unterworfenes t». folgt, tritt der Ablaut nicht ein
(vgl. dazu HaMkH-k, OYiUkpi». u. s. w. oben S. 495). Zum Belege
dafür: 60 mal kommen Adjektiva im Nom. auf -kHi^ vor (ß'KpkH'k,
CAaßkH'k, ;ii,A'k/KkHT». u. s. f , so in Nr. 41 CHAkHi». nur so 11 mal),
mit -'kH'k nur ^A'k^K'kHTs. 393. 27, noycTOiu'kH'k 433. 30, npH-
CTpaujT».H'k 464. 27, npHCKp'kK'kHTv 460. 25. Die selten in der
unbestimmten Form gebrauchten Adjektiva auf -kCKi^ haben so in
MAOB'tMkCK'k (zweimal), i^'6capkCK'k,>KH;»,0BkCK'k, apYarrsAkCK'k,
BCtteBOAi^CK'k, AkBkCK-k, also siebenmal, -'kckt». in co;i,OM'kCK'k
304. 29, /KH;k,cȧ'kCK'k 403. 15, K'RcoBTvCK'k. Das andre be-
steht aus mehr vereinzelten Beispielen: CB'kTkA'k 445. 12, 464. 14
(cB'feA'kA'K 430. 10), öpkiuiTk. Ferner werden die Casusformen auf
-kMTv, -kyT». nur so geschrieben, z. B. ^k.KkpkM'k, rpkui'k, Tpk]("K
(neben -(WK, -f\'Tv aus älterem -kM'k, -ky'k). Demnach kann kein
Zweifel sein, dass die für den Zographensis (Arch. 27, 333) ausge-
sprochene Regel auch hier gilt. Ausserdem zeigt die Handschrift
durch die Schreibungen B'kpfH'k, ;i,A'kiKfH'k u. dgl., dass hier k
bestehen blieb. Auffallend ist nun, dass der Schreiber nicht auch
Die Vokale x und i. im Codex Suprasliensis. 497
bei BTi und M'Ka dieselbe Kegel befolgt, sondern auch vor aus-
fallendem k Kk und Kk3 schreibt (s. o. S. 490 , während im Zogr.
in allen Fällen gleich verfahren wird. Ich komme daher zu der
Vermuthung, dass diese Bk, Bk3 des Supr. vor ausfallendem k so
gut wie die Schreibungen Bk, Bk3 vor folgender harter Silbe (s. o.
S. 490) nur auf einer Fortsetzung der Gewohnheit, Bk, Bks vor
vollen weichen Silben zu schreiben, beruht, also auf Nachlässigkeit
oder Unkenntniss des älteren Gebrauches.
c] Ak- und Hk- vor folgender harter Silbe bleiben erhalten:
von A- kommen einige 60 Fälle vor, so CkB't^k.'KTCA'kCTBOBdTH,
M;*iHHTfA'kCTBO, ^"feAkMA (dics allein gegen 50 mal); ati- ist mir
nur ein einziges mal aufgestossen in .vIvAT^ma 396. 13; Hk- begeg-
net viermal (orHkHA u. ä.), kein ht».-. Das alte p ist im Supr.
durchweg hart geworden, trotzdem steht als alte Ueberlieferung
beständig vor harten Consonante^ pk-, betreffende Formen von
H'kcApkCTBO, i^'fecdpkCTBOBATH, [^ ScdpkCKA 20 mal, einmal i^p^k-
CKOi;^ 360. IS. Der Zographensis verhält sich ebenso :s. Arch,
27, 324), aber die Erscheinung ist hier umfassender, da auch nach
den andern alten Palatalen, jk m lu u. s. w., das k erhalten bleibt.
Das ist im Supr. nicht so; t«. statt k erscheint vor harter Silbe auch
nach >K, H, lu, lut, jka; ich habe einige 30 Fälle in den homileti-
schen Stücken gezählt, z. B. täjktvKO, bpa^kt^^tü , aamt^ktü,
cTpAUi'k.HoyoYMOY, HOUJT'kHOie, Hoi'>K;i,'k.HOi€. Das erinnert also
an den gleichartigen Vorgang im Codex Marianus (s. Arch. a. O.S. 336).
Dennoch glaube ich bestimmt, dass der Supr. in diesen Theilen
auf Quellen beruht, die nach ik m u. s.w. das k bestehen Hessen,
denn die Beispiele von Tv sind fast alle vereinzelte Fälle, und die
Zahl der erhaltenen k, reichlich 180 mal, ist so überwiegend, dass
man sofort geneigt ist, hier die alte Regel zu finden. Einleuchten-
der wird das noch, wenn man einzelne häufig vorkommende "Wörter
betrachtet: B'RHkHA und überhaupt Formen dieses Wortes, wo -kH-
vor harter Silbe steht, begegnen 19 mal, einmal BtM'kH'ivi; haob-K-
HkCKA u. s. w. 25 mal, einmal MAOKivH'kCK'kiHMH ; eo^KkCTBO (mit
OYBOJKkCTBo), und sonstige hierher gehörige Formen 20 mal nur
so; MHOJKkCTBO lOmal nur so; npopoMkCKA u. s. f. 8 mal nur so;
Bkc-feHkCKA U.S.W. 7 mal nur so. Man wird also, was die t». betrifft,
sagen können : der Schreiber hat die Consonanten jk m u. s. w. hart
gesprochen, daher eine Neigung nach ihnen t». zu setzen (vgl. dazu
Archiv für slavische Philologie. XXVII. ' 32
498 A. Leskien,
Cod. Mar. Arch. 27, 335). Bestätigt wird das durch die Fälle, wo
er nach jenen Consonanten auch vor folgenden weichen Silben ly
setzt, z.B. B'kJK'KJKeiJUH 457. 11, oraJKTvHHAa 485. 12, no»;'kpEiiJH
460. 12, nptJKA'^""'^''^ 400. 8, 11, noH'KTfH'KiH\"k 382. 25
u. a. d. A.
d) Lässt man also die Fälle, in denen k der betreffenden Suf-
fixe vor oder nach palatalen Consonanten stand, femer die k, die
vor folgender i^-Silbe mit schwindendem t». standen, ausser Be-
tracht, d. h. lässt man die Ansicht gelten, dass in diesen Fällen h.
gesetzmässig bleiben musste, so handelt es sich um den Rest. Der
besteht aus den Beispielen, wo k nicht nach palatalen, nicht vor
palatalen Consonanten und vor vollem hartem Vokal der folgenden
Silbe stand. In Betracht kommen dabei, abgesehen von einigen
ganz vereinzelten Fällen, die nichts entscheiden, die Suffixe -h.Ha
(diese Form mit hartem Vokal der folgenden Silbe gedacht als Ver-
treterin aller solcher Stellungen), -kCKa (ebenso), -kCTBd, -wea,
-hj!k,A, -hAA (ebenso). Es genügt hier festzustellen, dass zwar die
Zahl der verbliebenen k doppelt so gross ist als die der Wandlungen
zu Tk, dass aber in den genannten Fällen überall 'k stehen kann
und vorkommt. Dass fast regelmässig -kca (13 mal) und -kyj^a
(10 mal) steht, nur selten -i%ea (1 mal), -T^^a (2 mal), kann nur als
Zufall angesehen werden. Im ganzen stimmt das Verfahren des
Zographensis mit dem des Suprasliensis überein.
II. Umlaut von ^k zu k vor folgender weicher Silbe.
Der Zogr. hat diesen Umlaut regelmässig bei den Formen von Kk-
^V'Sth, bei A'^ß'^ A**ß'^'^<*j BkHt:, SkA'R skAH; ganz ebenso in
den homiletischen Stücken des Supr.: Kk;i,'STH (5 mal, 323. 6,
335. 4, 369. 14, 375. 5, 439. 8, nur so); A"^k1v 376. 6, 7, A'^K'kMa
369. 19 (nur so, die Formen sind deswegen so selten, weil meist k
gar nicht geschrieben wird), BkHt (12mal, 319. 16, 327. 18, 366, 15,
370. 8, 374. 18, 430. 28, 467. 17, 490. 11, 13; 497. 28, 498. 29,
511. 21, B'kH'K fehlt ganz); akAt und 3kAH (18mal, 324. 7, 333.
10, 21, 29; 335. 15, 336. 30, 359. 18, 380. 7, 8; 391. 2, 420. 5, 7;
465. 2, 469. 17, 484. 7, 512. 14; 401. 6, 433. 8), dazu noch 03k-
AiNHH 436. 23, S'kA'R nur 406. 6.
Damit hat aber die Gleichheit des Zogr. und Supr. ein Ende.
Der letzte geht in dem Umlaut von t». zu k bedeutend weiter, die
Formen von at^-u^th (6mal, 248. 26, 308. 5, 324. 18, 337. 2, 4;
I
Die Vokale t und b im Codex Suprasliensis. 499
480. 26) haben nur k; rkhhth und ßknAk sind fast dnrcligefülirt
(zusammen in 23 Fällen, nur dreimal k'kiihth: irKnHiüM'k 319. 29,
K'KnHuiiic 452. 6, ß'knHieT'K 493. 2 (die wenigen Beispiele von
B'kS'KliHTH schwanken in der zweiten Silbe zwischen iv und k);
die Casus von awkiü erscheinen ausnahmslos als AWKkßf, ak>-
BkBH, AiciBkBkiT^ (-KHt*), zusammcD 12mal (357. ö, 384. 29,
385. 9, 395. 10, 399. 18, 406. 4, 426. 2, 453. 30; 405. 7; 251. 26,
335. 6, 463. 14; dazu ein vereinzeltes HinAOA^^KH 245. 13); da-
gegen behalten die Formen von u.p'kK-ki das t».: up'kk'kbe u. s.w.,
vgl. dazu das vereinzelte cmoktvKhkr (2 mal, 350. 6, 8). Ferner
besteht eine entschiedene Neigung, die Präsensformen von cknarH
mit k zu schreiben, dazu auch oycknf und ovcKniHkie (zusammen
12mal (dagegen 5 mal mit ii); man kann dazu noch rechnen ckHl:
306. 14, 434. 14, ckH-t^T»^ 434. 14.
Zu dem eben Angeführten kommt eine grössere Anzahl mehr
oder minder vereinzelter Fälle, so A'»^^*'t'*uJf 239. 27, obetkluh
247. 17, OHkA« 370. 22, Ck^H-kaiue 344. 11, sa^i^Y"''^'*^* 466. 13,
einige Male cky-kTH u. a., das ich hier nicht aufzähle, weil man
nicht entscheiden kann, ob hier eine wirkliche Lautbewegung oder
Fehler vorliegen, und den Beispielen mit k immer ebenso verein-
zelte mit T», gegenüberstehen (HCT^yH-kaiuf, CKM-tieiuH, hh^k^,«
u. 8. w.). Wenn in 7 Beispielen das -TkUJ- der Partizipien, das in
den andern unzähligen Fällen immer erhalten bleibt, als -km- er-
scheint, z. B. norp;^3HBkiije 503. 30, nonüKkUjeie 346. 2S, so
halte ich das einfach für Versehen. Dagegen ist es nöthig, auf
einige fast durchgehende Fälle der Erhaltung des t^ aufmerksam
zu machen: TTiHkiiR findet sich gegen 50mal, dagegen TkMkKR
nur 343.26, 359.8, 487. 17; Tkiuxera 428. 5, dagegen T'kiiJTfTa
mit Ableitungen, dazu Formen des Verbalstammes T'kUJTH-, rik-
uJTk zusammen 14mal; einmal Kk^e (vgl. das Verbleiben der Silbe
KT».- vor folgenden weichen in Präp. kt»,, u.p'kK'KB«), sonst Kiv^e
(sehr oft nur kj\,(]. Das führt auf die Frage, ob es für den Umlaut
von Tv zu k vor folgender weicher Silbe bestimmte Schranken gibt.
Im Zogr. (s. Arch. 27, 327) wirkt ein k nicht ein auf t». der vorher-
gehenden Silbe, anders ausgedrückt, ein selbst in der späteren Ent-
wicklung schwindendes k bewirkt keinen Umlaut eines im späteren
Stadium verbleibendes t»,. Wie steht es damit im Suprasliensis?
Zu ganz sicherer Bestimmung bieten sich in den homiletischen
32*
500 A. Leskien,
Stücken nicht genug Fälle dar; es kommt einige Male k vor: aw-
Kkß'kHO\fOYMOIf424. 1, AK>BkBkH;^li^500. 18, CMOKkBHHU,;^ 476.24,
3kAk f. 433. 3, A't^AkMk i. 8g. 476. 27; sechsmal BknAk (einige
Male A^E'»'^**"*^j a*^^'^^'^"'^? die ich unberücksichtigt lasse, weil
der Wurzelvokal möglicherweise k ist); öfter steht 'k, regelmässig
im Instr. sg. auf -'kiiiik (-TkM'k), in den Formen von T'kHkH'k (4mal),
in TTkiDTk (T'kUJT'k) uud TT».UJTkHO (zusammen 3mal) und noch
in einigen vereinzelten Fällen. Es ist also damit wenig zu machen,
doch spricht für die Geltung der Regel das fast regelmässige T'k-
Hki*, das unbegreiflich bleibt, wenn wirklich TkMkü^ gesprochen
wäre, dagegen verständlich wird, wenn man die Aussprache als
tb6jq ansetzt. Dem widerspricht die gleichartige Form AioBkBki^,
es ist aber einfach annehmbar, dass dem Schreiber die daneben
vorkommende AWKkBHi^ vorschwebt. Am auffallendsten ist BknAk,
aber auch hier ist leicht möglich, dass das regelmässige und regel-
rechte BkHHTH zu dieser Schreibung, statt BTvRA'k, geführt hat;
ausfallen konnte hier das Tv nicht und ein etwaiges *Bf nA'k als spä-
tere Entwicklung eines gesprochenen BknAk existirt im Supr. nicht
(im Psalt. Bon. kommt es vor).
Zuletzt erwähne ich noch das Vorkommen von t». für k vor
folgender harter Silbe. Oben S. 490 wurde erwähnt, wie häufig
Bk und Kk3- vor folgenden nicht palatalen Silben stehen und dies
zu erklären versucht. Auch sonst ist das, wenn man alles aufzählen
wollte, häufig genug, meist aber sind es vereinzelte Beispiele caa-
Ai^KO 320.9, 351.9, caa^i^ka 351.8, ckco\f 312.7, OYCkH;i^ 314.11,
AkPATH 474. 26, CkAOiuiii 462. 19, nockAABi». 467. 6 u. a. Es ist
das alles nur ein Zeugniss von der Unsicherheit des Schreibers im
Gebrauch des k. Bezeichnend scheint mir dagegen, dass so sehr
oft die Formen von st^at», mit hartem Vokal der zweiten Silbe und
dazu ST^AOEk, STvAOKA mit k geschrieben werden, 20mal (z. B.
3kAd 320. 9, 425. 15, 3kA0 406. 8, 10; 3kA0BH 323. 18, 326. 19
u. s. w.). Es ist die Gewohnheit des richtigen 3kA'R, 3k ah, die
dazu geführt hat. Man kann die gleiche Annahme für A«^ß<* 437. 7,
471. 17 im Verhältniss zu \v^^^ a'*^'^'^^» für CkHd 366. 28, CkHTv
487. 10, 488. 17 im Verhältniss zu ckH-k hegen. Jedenfalls bedeu-
ten alle derartige Schreibungen für die wirkliche Sprache nichts.
Die Vokale i und b im Codex Suprasliensis. 501
Die legendarischen Bestandtheile der Handschrift.
A. Tl. der Präpositionen.
I. KT», behält vor weicben Silben sein ii, also wie in den bomi-
letiscben Stücken und im Zograpbensis. Kk babe icb nur bemerkt
in Kk HHM-K 27. 15, Kk ciE-K 170. 30, Kk hhm-k 180. 4.
II. ß'K und BT^S.
1. KTi bleibt unverändert vor palatalem vokalischem Anlaut
der folgenden Silbe, also e'k hh;r, bt», hcthh;?», b'k le^HO, bt».
a3;r, B'k liiMiR, B'K HMA, in Uebercinstimmung mit der Regel der
andern altbulg. Quellen. Ganz vereinzelt findet sich einmal Bk: Bk
t3«po 78. 18, Bk leAHHii.
2. Das allgemeine Verbältniss von btv Bk (nicht mitgerechnet
als regelrecht die reichlich 60 Fälle, wo bt». vor palatalem vokali-
schem Anlaut steht], B'k.3 bks vor folgender weicher Silbe ist so,
dass über zweimal so viel Bk, Bk3 stehen als b'k, bt^s (b'k 187,
BK 452; B'K3 90, bk3 202), und zwar überwiegen die bk in allen
einzelnen Stücken mehr oder minder mit Ausnahme von Nr. 25, wo
sie gleich stehen (27 mal B'K, 26 mal Bk). Das weiter im einzelnen
auszuführen, halte ich für werthlos, es könnte nichts weiter damit
erwiesen werden, als dass der Schreiber das offenbar für ihn nor-
male Bk in Nachahmung älterer Vorlagen, die regelmässig oder
häufiger B'K hatten, vernachlässigt.
3. Die legendarischen Stücke haben so wenig wie die homile-
tischen die Regel des Zogr., dass vor schwachem, dem Ausfall aus-
gesetzten K B'K als solches verbleibt, sondern lassen auch hier bk
eintreten, so ganz regelmässig Bk Hk, ein B'K Hk ist mir gar nicht
vorgekommen; so findet man auch Bk BkCfM'K, bk bkc'^Y'K (neben
B'K BKCfH, B'K BkCÄ^, B'K BCli^'K, B'K BkC'K\"K), BKHkTf neben
B'KMKTH u. ä. Mit B'K3 Verhält es sich ebenso; es genügt anzu-
führen, dass fast regelmässig BkSkptTH steht (20mal), seltner
B'KSkp'STH (6mal), dass in den hier in Betracht kommenden Prä-
sensformen von B'K3kMA^ ebenfalls Bk3- die Regel ist: BkSKMEUiH,
BkSkMETC, Bk3kMH U. S. W., UUr vereinzelt B'K3kMeT'K.
In der Behandlung des B'K und b'K3 vor folgenden weichen
Silben stimmen also die homiletischen und die legendarischen Theile
der Handschrift überein.
502 A. Leskien,
4. Kb, Kk3 vor folgenden harten Silben kommt hier wie in den
homiletischen Stücken ziemlich oft vor (c. 90 mal), z.B. ßbSMCH^E,
BKcraTH u. dgl., ohne jede Regel. In mehreren Stücken (2, 8, 9,
10, 12, 13, 22, 23) fehlt die Schreibung mit k ganz, in andern
(4, 18, 19) fast völlig, in einigen kommt sie öfter vor (so in Nr. 46
14mal, in 48 10 mal). Im Allgemeinen steht die Sache ebenso wie
in den homiletischen Stücken; von einer Aussprache Bk, Kks vor
harten Silben kann nicht die Rede sein.
III. Die Präposition eh..
1. ck bleibt wie ßT», vor folgendem palatal vokalischem Anlaut
unverändert; ich habe 10 solche Fälle gezählt: 4 mal ct». HH'kMH,
2mal CK fnHCKO\j'ncLn»., die andern einzelne, ck i€;i,HH'tMk, ck
apocTHKR, CT». H3K'kiiJTaHHi€MTk, CT», Hcu.'kA'feBTiiUHHMT».; dage-
gen kommt nur einmal Ck vor, Ck fnHCKornoMT»..
2. Das allgemeine Verhältniss von CTk und ck (abgerechnet
die regelrechten Fälle von ct^ unter 1) vor folgenden weichen Sil-
ben stellt sich so, dass ctv ganz bedeutend überwiegt: 157 ck, 228
CTk. In diesem Punkte unterscheiden sich also die legendarischen
Theile stark von den homiletischen, wo 210mal Ck, 140mal ck
steht. Ein starkes Ueberwiegen des ck findet überdies nur in einem
Stücke statt, Nr. 46, wo 22 ck gegen 4 ct».; rechnet man dies Stück
ab, so bleiben für die übrigen 132 ck, 224 ct»..
3. Während bt». bt».3 in den homiletischen wie in den legen-
darischen Theilen auch vor folgendem schwachen, dem Ausfall
ausgesetzten k in Bk Bk3 übergehen und ebenso dort Ck vorkommt,
ist das bei ctv in gleicher Lage in den legendarischeu Stücken nicht
der Fall: es kommen vor 15 Beispiele von ct». vor BkCkMk, Bk-
ckMH, BkC'bL^'KMk, BkctKCi*, alle mit T%, ausserdem vereinzelte
andre Fälle: CT^3kp'KBT^m;^, CT»3kp1vBT».moY, CTvTkpe, cT»,Bkp'k.
Ich habe nur einmal CkHkiui'fejCT». gefunden; bei ckJKk/KfHO kann
man zweifeln, ob k der zweiten Silbe ausgeworfen wurde. Es be-
stärkt mich das in der Annahme, dass die Schreibungen Bk Bk3
vor Silben mit solchem k, wie die Ck in den homiletischen Stücken
keine lautliche Bedeutung haben, sondern nur eine orthographische
Manier sind, hervorgerufen durch die so häufige Schreibung des
Bk Bk3 Ck vor Silben mit vollem palatalem Vokal.
4. Ck vor folgenden harten Silben. Während in den homileti-
schen Stücken (s. o. S. 491) der Fall so sehr häufig ist, kommt er
Die Vokale % und b im Codex Suprasliensis. 503
mit Ausnahme eines Stückes in den legendarischen selten vor.
Diese Ausnahme bildet Nr. 46, wo 32 mal ch. so steht, z. B. in For-
men von CKTKopHTH, cT^nacTH, cknacfHHie (ckTßopH, cknact-
HHH u. S.W.), in CK BOHi<iMH Und andern gleichartigen Fällen. Von
einer gewissen Häufigkeit ist es noch in 47 (8 mal, z. B. ckc;R;\,'k,
CknacTH, cknctKlv;i,a). In sämmtlichen andern Stücken ist es ganz
spärlich, in mehreren fehlt es völlig; gezählt habe ich in den Stücken
Nr. 1 — 25 und 48 alles in allem 35 Beispiele, wovon 16 auf Formen
und Ableitungen vor ckMpkTk fallen, die übrigen sind vereinzelte
Beispiele, z. E. ckTKopH, ck pa,\,ocTHiiR, cw TBapkMH, cknoßH-
AaHki€ u. dgl. Bemerkenswert ist dabei die spärliche Anzahl von
CkMpkTk, das in den homiletischen Theilen zur Manier geworden
ist (s. 0. S. 492).
Es geht aus der gesammten Behandlung des ck hervor, dass
in diesem Punkte die legendarischen Bestandtheile einen älteren
Typus von Sprache und Orthographie geti*euer festgehalten haben
als die homiletischen, dass nur einzelne legendarische Stücke,
Nr. 46, den homiletischen in dieser Beziehung gleich kommen.
IV. Das auslautende "K der übrigen Präpositionen. Die For-
men OKk und np't;i,k stehen gelegentlich vor weichen wie vor
harten Silben: np'6^\k cto/äiijthh)("k, ORk\'o;i,a 11. 8, npU^K
AHu.fM'K 13. 20, npt^i.K HHunv 22. 20, npt^KACJKAUiTara 26. 27,
np'K;i,k HHMk 37. 8, 48. 4, 102. 17, 187. 4, 192. 7, OKkX'OAi^HH
57. 19, nplv;i,kAe/KHT'K 63. 20, OKkTfKAO 117. 8, np'K^.k HHMa
182. 9, CKkjcoiK^i.aaiije 191. 13, np'k;\,k toboitR 192. 1, np-RA"*-
ck^,!».!!]« 25S. 20, np-S^knocKAaBT». 273. 22, OKk^pTkJKAiuT;^«^
535. 9, np'6;k,kAO/KfHaaro 513. 26, OKkAP'K^KÄiuTOY 529. 13,
OKkATH 541.8, OKk/Ä 559.27: über CKk, np-t^v"» s. die Bemerkung
oben S. 492. Aus den sicher mit 'k auslautenden Präpositionen fin-
det sich einmal no;k,k hhm'k 276. 3, und häufiger otk, im Ganzen
51 mal, davon aber 38 mal vor dem h der Casus und Ableitungen
des anaphorischen Pronomens: OTk Htro 34. 21, 51. 13, 149. 3,
158.25, 188. 6, 189. 10, 236. 18, 258. 14, 263. 9, 289. 26, 519. 11,
523. 15, 29; 527. 11, ferner 11 mal in Nr. 48; OTk hja 13. 24,
525. 11, OTk HH^-K 24. 16, 60. 13, 72. 28, 89. 27, 148. 8, 219. 2,
535. 9, dazu dreimal in Nr. 48; OTkH;¥»;i,OY/Ke 203.7. Die 13 an-
dern Beispiele von OTk in andrer Stellung sind : OTKB'kiuTa 25. 23,
OTkBtUJTaB'K 61. 14, OTkB'kTlv\-'K 70. 27, OTkEÜT-K 561. 18,
504 A. Leskien,
OTkHA 32. 18, OTkpHBaTH 125. 15, OTIi p'kK'fcJ 551. 6, OTb-
MfiuT;^T'k 542. 26; zu diesen 8 Fällen kommen dann noch 5, alle
aus Nr. 46: OTk HfHHCTaaro 519. 29, oti% SfUb/f^ 524. 15, CTk
M£HE 524. 28, OTk T(K( 528. 18, OTkB-kiuTaßa/A 529. 30; das
Stück hat, wie oben S. 503 hervorgehoben, überhaupt eine grössere
Vorliebe für k. Das Verfahren deckt sich also mit dem der homi-
letischen Theile (S.493), die lautliche Bedeutung ist ot' nego u.s.w. ;
OTb vor harten Consonanten ist mir nur einmal aufgefallen: OTk-
MidTH 560. 17. Man kann dabei wohl sagen: wäre ott». überhaupt
vor folgenden weichen Silben (ausser vor H-) in otk umgelautet
worden, so hätte sicher der Schreiber, wie er das bei Bk bks in
Nachahmung dieser Schreibung vor weichen Silben thut, auch vor
harten Silben diesem Zuge bei ottv öfter nachgegeben.
B. Tk, k ausserhalb der Präpositionen.
I. Umlaut von k zu t». vor folgenden harten Silben.
1. In nicht suffixalen Silben. Hier kommen in Betracht:
a) die bekannten Infinitivstämme auf -a- mit ursprünglich k in
der Wurzelsilbe. Ein Sk^aTH kommt überhaupt nicht vor, dage-
gen 18 mal S'KAJTH (8. 26, 23. 21, 188. 8, 198. 8, 204. 11, 205. 4,
208. 27, 214.29, 269. 17, 2S2. 16, 2S4. 4, 6; 286. 12, 534.
2, 4; 540.18, 553.28, 567.30; ebenso nur at^-P^^th 9mal (113.30,
161. 6, 16; 162. 6; 176. 22, 183. 8, 187. 5, 11, 12); cT-kaarH nur
so (7. 1, 118. 26, 181. 27), n-kpaTH (65. 28, 134. 25); nur im lu-
finitivstamm von Kep;^ ist das t». nicht ganz konsequent durchge-
führt: 18mal KT^paTH (18. 12, 67.12, 80.28, 81.10, 83.22, 101.11,
117. 4, 15; 125. 27, 188. 26, 191. 17, 21 ; 257. 22, 287. 21, 517. 26,
527. 2, 540. 6, 568. 8), dagegen KkpaTH 6mal (50. 27, 84. 4, 84. 24,
95. 15, 257. 20, 529. 23); A^^^Kk^aTH 137. 1. Dass dem Schrei-
ber in allen diesen Fällen t». das normale war, kann keinem Zweifel
unterliegen; die wenigen Fälle von KkpaTH können Alterthümlich-
keit sein, ebensowohl aber auch Abirrungen von normalem kt»,-
paTH.
b) Wurzelsilben mit k von andern Verben ohne Ver-
balstamm auf -a-: H^kp;^, H;kp;i^T'k, >Kkp;s;iuT- kommen 22mal
vor, mit -k 5 mal (21. 11, 104. 17, 106. 4, 116. 6, 126. 11); die an-
dern Vorkommnisse sind mehr oder minder vereinzelt: 2 mal Ha-
MkH;^, Imal HaH'kH;¥.TTv 114. 1; Imal HaiuikpA^TT»., 4mal M^kpAi
Die Vokale -h und i im Codex Suprasliensis. 505
M-KpJüT-k (153. 18, 156. 12, 173. 7, 229. 23); 1 mal nKTiRT-K, da-
gegen H'kT- vor folgendem hartem Vokal 4 mal (34. 1, 219. 29,
H'kT;*;iUTA/Ä 254. 30, 552. 13; JKK/i,;RmTHHM'K 24. 17, jktiA^-
uiTHHM'K 168. 12, B'KH'h,3H;KTH 1. 23. Aus diescu geringen Zah-
len kann man selbstverständlich keine sicheren Schlüsse ziehen;
mir scheint nach dem so häufigen >KKp;R, dass dem Schreiber das
k in diesen Fällen überhaupt das eigentlich regelrechte war. Bei
der eben gegebenen Darstellung habe ich nur die Fälle berücksich-
tigt, wo dem k der Wurzelsilbe eine Silbe mit vollem hartem Vokal
folgt. Betrachtet man dazu diejenigen, wo diese Silbe ein schwa-
ches 'K enthält, so stellt sich auch hier wieder die Regel heraus,
dass ein solches auf das k der vorangehenden Silbe nicht umlau-
tend wirkt, wenn auch nicht so deutlich wie in andern gleichartigen
Fällen: gegen 70mal steht B'k3(ßk3-)kM'k pari perf. mit seinen
Casusformen, dazu OBkiun«. (2 mal); aus verbliebenem ß'kSkM'k er-
klärt sich natürlich auch BkaeiuiTv, dessen Beispiele ebenfalls hier-
her zu zählen sind; seltener findet sich -TvM-: B'kS'kM'kiiJf 154. 2,
vgl. EkSTiOTvlUÄ, Bk3'klUI'klliO\'*2>V'^*^V5 ßT^3(Bk3-)'kMTv 550. 23, 28;
562. 15, dazu ckH-kM'kiue 164. 3, 183. 17. Ebensowenig hier
wie in den vereinzelten Beispielen HaM'kH'kiiitM'k (vgl. mehr-
mals HaHkHTv, HaMkH'kmaarc, HaMm'kme), npHM'k.T'kiJua 213. 17
(vgl. noMkTT»., noMkT'kUJf) halte ich das i\ für richtig, d. h.
für ein wirklich in der Sprache eingetretenes i».. Etwas anders
steht die Sache bei den auf p auslautenden Wurzeln : aus verein-
zelten Fällen, npocT'kp'k 126. 3 (die Handschrift hat auch npo-
CTtp-k und npc>CTkpT»,ujf), c'kT'kp'k 107. 7, on'kpT». 558. 28, kann
man nichts entnehmen. Dagegen steht regelmässiger M-kp- im
Partizip pf., oyiui-kp-kiH 157. 28, o\fM'kp'kiutMa, oyiui-kp-kujoy, o\'-
M'kp'kiiJH (in Nr. 25), o\'M'kpTviiJÄ, cifM'kp'kiiJaaro, vgl. dazu
noiK-kp-K 105. 8, 111. 18, JK'kp'Kiuf 20. 8, 9, no^K-kp-kium ;
Mi-kpnkujf 130. 14; selten k: oyMkpkmoy (2mal), oyMkpTviH (Imal),
vgl. dazu o^Mfp'kmÄ; es wird hier so liegen, dass aus altem oyMk-
pkiua U.S.W, eine verschiedene dialektische Entwicklung zwei ver-
schiedene lautliche Formen geschaffen hat, einmal oyMkpuja,
woraus cyMEpiua (vgl. z. B. oyMtp'kiUH 26. 7), einmal umria, wo-
bei man auch die Infinitivformen MpkTH JKpkTH d. i. mrti zrti zu
erwägen hat. Von solchen Formen aus ging die Uebertragung in
den Nom. Mkpiv ^Kkp^k vor sich, ich glaube allerdings nur gra-
506 A. Leskien,
phiscb, denn dass ein mr zr, und nicht mer zer gesprochen sei, will
mir wenig glaublich scheinen.
c) Die Wurzelsilben von Nomina. Für Th,Ma steht vor
folgender harter Silbe beständig TT>.Md (T'KMd, tilMtü, tt^m;?»,
T-KMOKR, T-KMaiUH 25.23, 26.17, 35.2, 43.1, 71.25, 87.6, 110.
18, 27; 179. 16), für das seltner vorkommende MkS^,^ fJ'KSA- in
M'K3AC'A<'"^*^4<* 63- 26, lun^BAOA^BT^Ui* 144. 1, M'kSA'iMTi 99. 1,
M'KSAC'OT'KA^ß'^U,'*^ 1Ö3. 10.
Bkc- (omnis) bleibt vor harten Vokalen: ßkca ßkc;^ Bkc;RA^V>
die Beispiele sind natürlich sehr zahlreich (gezählt habe ich gegen
80), so dass zweimaliges bt^c;^ 143. 17, 265. 5, dreimaliges bt^c/r-
Aoxf nur als zufällige Fehler angesehen werden können. Ferner
bleibt regelmässig hkco und hrto (zweimal h'kcc»), gegen 20mal.
Ausserdem ist noch zu erwähnen, dass die Formen von AbBii
beständig mit k geschrieben werden (AkBii fünfmal, wozu auch
mehrmaliges AfBi»,; viermal Akßa, einmal AkBO^? einmal akbobh,
dreimal akbobt».); nkCk steht 60. 8, 528. 26; Formen und Ab-
leitungen von Akr'kKT». (Akr'KKO, Ahr'kKaM'K, AkrivlHH, OBAk-
r'KMaTH, OBAkr'KHaBaTH, zusammen 6 Beispiele) zeigen k, einmal
steht A'krTi.HAiiJTOYOYMOY. Nach dem oben festgestellten konnte
das schwache t». von akb'k, Akr'KKCt u. s. w. überhaupt nicht auf
die vorhergehende Silbe wirken; derselbe Grund gilt für das
Verbleiben des k in Dativformen wie rpkiui'k, Sß'SpkM'k, ABh.pi^M'k,
neben derem -kimis. dann auch folgerecht -f wk erscheint. Aus dem
Bereich der Nomina findet sich nur noch /KkSATk, das schwankt,
einmal JKkSA'k, dreimal h^'ksa'k, zweimal JK'kSAa. Auf den Zu-
sammenhang des 'K mit jk komme ich unten bei den suffixalen Sil-
ben zu sprechen. Dass in AkiuraTH, OBkiuTa, noAksa, MkiiJT;*»
und ähnlichen Fällen k verharrt, beruht auf der Stellung von uit,
3, wovon unten.
2. Ti für k in suffixalen Silben, a) Vor n und m bleibt
so regelmässig, wenn harter Vokal dem i; folgt, das k erhalten,
dass neben c. 150 Beispielen von -ki^a, -kna (a als Vertreter aller
harten Vokale genommen, OTki^a OTkMa, CAiiHki^a, KOHkMaTH,
B'kHkMaTH u. s. w.) nur in zwei drei Fällen 'k steht OTi^na (143. 10),
OT'ki^ovf, einmal CKKOH-kHaH-k 16. 27, Mp'kHopHS'Ki^a 206. 29.
Es stimmt das völlig zu dem über die homiletischen Theile bemerk-
ten (s. S. 496). Ferner bewahren die Partizipia und Comparativa
Die Vokale x und b im Codex Suprasliensis. 507
auf -kUJ- so gut wie durchgehend vor folgendem hartem Vokal
ihr K.
b) Schwaches, dem Ab- oder Ausfall unterworfenes i^ der fol-
genden Silbe wirkt nicht auf k der suffixalen Silben. Der nom. sg.
msc. oder gen. pl. der Adjektiva auf -kH^k erscheint c. 30 mal so
(C'KMpkTKH'K, taSßkH'K, nO^OEkHlv, HCMdAkH^K U. S. W.), --KH'k
habe ich nur einigemal aufgezeichnet: ^KA^'k.H'k (123. 10, unmittel-
bar daneben aA'MfU'K, crpaHfHT».), nocii'RmiiH'K 158. 23, mo-
liiTTvH'k 296. 26, 536. 13, rp-feiu-KH-k 536.24, A'^t^^t^ht^ 558- 10,
zu den -kHT». sind natürlich hinzuzurechnen die häufigen Schrei-
bungen mit -eHi». (CHAmTi, HCTHHtH-K, ß-Rp« HT». U. dgl.) ; -'KH'k Steht
ausserdem einmal im gen. pl. KpauiTvHi». 182. 13; entsprechend
heisSt es HAOß'SMkCK'k, arrfAkCK'k, KpkCTHtaHkCK^k, HCkpkMkCKl^,
i^'kcapkCKT»,, \-fpcoHkCK'k, parkHUHkCKT». (6 mal im Ganzen), ein-
mal steht BivCOB'kCK'k ; zu den -kCK'k kommt eine Anzahl
-fCKik. z. B. Maoß'&HfCKT»,, M;^H<ECK'K. Was noch vorkommt, sind
vereinzelte Fälle: viermal liest man nkUkATv, einmal ^P'^'^'^t't*?
OUkT'K, KHCkpi*, TÄiKkn-k (nebcu TiJKfK'k), Cß-tTkATi 302. 20
(cß'tTfA'k 62. 26, 110. 17), A-tHkKTv; dem gegenüber KOS'kAT».
146. 5, KHCTvp'k 167. 20, CAcyjK'KK'k 190. 25. Es ist mir nicht
zweifelhaft, dass diese i^ nicht gesprochen sind, sondern nur auf
Versehen des Schreibers beruhen.
c) k in Suffixen nach palatalen Consonanten. Nach a h bleibt
k erhalten, in 40 Fällen (orHkHa, -a wieder als Vertreter aller har-
ten Vokale genommen, lOmal, BOA'kHa 4mal, c'kß'feA'^'''f'^*^CTBO-
BaTH 5 mal, KorfkHa, noAkCKa, i^-tAHTCA^kHa, no^cTiüHkCKa, ^-K-
A'kMa u. s.w.); nur einmal steht durch ein offenbares Versehen
ct\-HHTeA"'KH'KHi)C'k 542. 15. Acltcres pk bleibt ebenfalls: 34mal
heisst es u.'kcapkCTßO, -ctba u.s.f., 9mal i;1icapkCKa u.s.w., ein-
mal steht u,1icapTkCKa, und dreimal in abgekürzter Schreibung statt
i^licapkCTBO\^iÄiuTOY i^pTvCTB. In diesem Verhalten stimmen
also die legendarischen Stücke ganz mit den homiletischen überein.
Ausserdem deckt es sich mit dem Verhalten von Hk, A''k, p*k im
Wortauslaut; Hk Ak bleiben stets so, p^k ganz überwiegend (s. j)Die
Vok. Tk und k« S. 94). In den legendarischen Theilen kann man
ferner mit grösserer Sicherheit bestimmen, dass auf ein nach m jk
iij :k, lUT h;a stehendes k von einer folgenden harten Silbe wenig-
stens in einer älteren Phase unbeeinflusst geblieben ist: es kommen
508 A. Leskien,
in runder Zahl von h vor 220, von 'k 70 Fälle; nimmt man einzelne
häufig vorkommende Wörter, so wird das noch einleuchtender:
B'KMkHd (-Hoy U.S.W.) steht 18mal so, B'kM'KHa kommt überhaupt
nicht vor; 25mal HAOß'tHbCKa, 2mal -'kCKa; lOmal KO/KkCTßO,
-CTßau. s.f.,kein-'KCTBC; 17 mal uho/Kkctko, Imal iuihc»jkt».ctbo;
11 mal MOiUTkHO, kein -'kno; 7mal BKCkMkCKa, Imal -'kck'kih
204. 18, -AHMkHd 14mal, -1s.ha 2mal; OTK(f)HbCTBO 6mal, kein
-TkCTBO. Betrachtet man die Beispiele der Schreibung mit t». näher,
so fällt auf, dass unter jenen 70 Fällen 33 mal das alte k nach lu
stand; in der That ist -uj'k- viel häufiger als -mii- (19 -uik-, 33
-lUTk-); bei einzelnen häufigeren Wörtern zeigt sich dieser Zug auf-
fallend: rp'Siu'KHa 6 mal (rp'feujkHd 2mal), cpaiii'KHO -Ha u. s. w.
Smal (GpaiukHO 3 mal), ba'klu'kctbo BA'KUJ'kKa BA'kiu'kCKa zu-
sammen 10 mal (mit -k- 5 mal). Dass das mit dem Hartwerden des
m zusammenhängt, scheint mir sicher. Man sollte aber nun erwar-
ten, dass sich .das >k eben so verhielte, das ist aber nicht der Fall:
-JKk- steht über 30mal (vgl. oben BOJKkCTBO, MHOiKkCTBo), nur
lOmal -HiTi-, z. B. CAoyjK'kKa (4mal; c^oy^'^ß'» 6 mal); co^K^kCKa,
TÄJKTiKa und andere vereinzelte Fälle. Da kaum anzunehmen ist,
dass nur i, nicht auch z hart geworden wäre, können die stehen
gebliebenen -JKk- nur aufgefasst werden als auf zufälliger getreuerer
Nachahmung der älteren Vorlagen beruhend, die überhaupt nach
den palatalen Consonanten das k nicht umlauteten. Dass dagegen
H weich blieb und deswegen nach ihm das k erhalten wurde, ergibt
sich mir aus dem Zahlenverhältniss der Fälle von -Mk- und -mt».;
gegen 70mal steht -Hk- (vgl. oben B-tMkHa, MAOB'kMkCKa) nur
15mal -HTk, darunter 5mal aAM'k.Ba (neben 4mal aankBa und Imal
A'kHkKa), alles andre sind lauter vereinzelte Fälle (z.B. AS'kiH'KHa,
cpk^fM'k.Ha, BfAHH'kCTBO — 4mal dagegen BfAHHkCTBO — , pa-
TkHHM'kCKa u. s. w.). Was UJT JK^ betrifft, so sind die Beispiele
von k nach ihnen in Suffixsilben zu gering an Zahl, als dass man
daraus etwas entscheiden könnte, so je einmal ^'•»■^A'^"** und
A'KJKA'KHa, H;)^H;AkHa und HoyjK^kHa u. a. d. A. Das lOmal nur
so vorkommende MouiTkHO scheint indess dafür zu sprechen, dass
lUT weich blieb. Aus den Fällen, wo 'k für k vor folgender wei-
cher Silbe auftritt, könnte man versuchen, einen Beweis für die
Härte von h; zu entnehmen; in der That findet sich öfter jKTkptTa
Mti^pfiuH, JKTvp'i^H, 2mal JK'kSAHieM'k, aber die Fälle sind alles
Die Vokale x und t im Codex Suprasliensis. 509
in allem nicht häufig. Auffallend ist das öfter begegnende mti-
CT-hHC (= MKCThHO) M'kCT'kH'KiH u. s. w., ctwa 16mal; ich halte
sie für rein graphisch. Ueber die Verhältnisse im Wortauslaut, wo
-uiTk fast durchgeht, s. »Die Vok. i% und Kfr S. 95.
d) Das K in Suffixen vor folgender harter Silbe ausserhalb der
Stellung nach palatalen Consonanten, vor palatalen Consonanten
und vor folgendem schwachem i%. Während in den homiletischen
Theilen (s. o. S. 498) die verbleibenden k der Suffixe -kH-, -kCK-,
-kCTB-, -kB- u. s. w. bedeutend überwiegen, ist es in den legenda-
rischen umgekehrt: in gegen 400 Fällen steht k, in c. 520 dagegen
i\. Jedenfalls gewinnt man den Eindruck, dass diese Stücke in der
Bewahrung des alten k weniger alterthümlich sind. Der starke
Gegensatz des hier besprochenen Falles mit den Beispielen der
Stellung des k nach palatalen Consonanten zeigt nach meiner Mei-
nung ebenfalls, dass k nach diesen wenigstens in älterer Zeit das
normale war. Die Ausführung im Einzelnen unterlasse ich, denn
bei häufig gebrauchten Suffixen wie -kH-, -kCK-, -kCTK- hängt es
zu stark vom Zufall ab, ob k oder t». geschrieben wird, da in jedem
Falle so oder so geschrieben werden kann. Aus den Wörtern mit
seltneren k-Suffixen hebe ich nur hervor, dass so gut wie regel-
mässig steht CBtiTikAa, -ttiAO und überhaupt vor folgender harter
Silbe (lOmal; nur einmal habe ich cß'feTkiXa 557. 7 angemerkt);
dagegen schwankt npaBk;i,a (meist so) und npaßT^A**-
IL Umlaut von ii zu k vor folgenden weichen Sil-
ben: KkH-t steht (11 mal) ausnahmslos so; ji,hB.ls. ;i,hB.'kMd 11 mal,
einmal AT'^ß'fe'^** 59. 12; Kk^.'RTH 8mal, nur so, dazu BkJK;i,peKR
550. 21; skAt: SkAH zusammen 19mal, einmal s^kahh 262. 5; die
Casusformen von aiOB'ki: AWBkBf, aK^BkBkiJ^ (-bhi*) 15 Fälle, nur
mit k, dazu einmal AWKkBk 299. 22, einmal aiCBkBkHara 534. 9;
BkRHTH 21mal so, nur 2mal BT».nHTH (172. 11, 272. 16), dazu
Bkna-fe 108. 29, BknakM-k 276. 13; nockAH 4mal (102. 20, 114. 6,
180. 12, 528. 17), dazu nockÄ;^ 164. 25, 'k kommt nicht vor; Prä-
sensstamm ckRH- (schlafen), mit loc. ckH'K (zu ckHli), ovcknf, oyck-
REHHie zusammen lOmal, 2mal ckn- in ci^nHiuH, cknAUiTA; die
Casusformen von ^TvLUTh: ^kiuTfpk, ^kLUTfpH, ^kUJTfpfY'^,
AkiUTtpMk 8mal so, 2 mal at^i^J^h 56. 29, 518. 4. Das stimmt
also überein mit dem Verhalten der homiletischen Stücke (s. o.
S. 498) ; gleichartig ist auch das Schwanken zwischen t». und k
510 A-. Leskien,
in der zweiten Silbe von ß'kS'knHTH in den legendarischen Thei-
len, 5mal BkSKRHTH, 9mal B'kS'knHTH. Die Formen von a<'bi»-
A'Kth, A'^K'^'^'^"'^ lasse ich aus dem oben S. 500 angeführten
Grunde unberücksichtigt, übrigens erscheinen sie regelmässig mit k.
Die Regelmässigkeit in BkN-k, ;k,kß1v ;i,KK'6Ma, kk^'Kth, SkA-fc
3kAH, AKtBkBC U. 8. f., BkOHTH, CkRH-, CkAI?^ CkA'^H, ^•^ll^l'fPI»
U.S. f. beweist, dass es sich hier um eine feste Regel handelt. Dazu
kommt nun eine grössere Anzahl von mehr oder weniger verein-
zelten Beispielen ; vor deren Betrachtung wird es aber zweckmässig
sein zu untersuchen, in welchen Fällen der Umlaut von 1%. vor fol-
gender weicher Silbe regelmässig unterbleibt.
Das ist der Fall in den Partizipien auf -TvUJ-, im ganzen Um-
fang der legendarischen Stücke habe ich nur 9 Beispiele mit -kiu-
gezählt, z. B. K'KiBkiufM'k. u. dgl. Vor allem kommen hier aber in
Betracht die Formen von npkK'ki: npk('k)K'kBk, i^p-kK'kBf, i^p-k-
Ki&BH, np'kK'KBHiiJTe kommen c. 50 mal vor, ausnahmslos mit
-KTi-, vgl. dazu cMOKTvBf. Die Unzugänglichkeit der Verbindung
KT».- gegen den umlautenden Einfluss folgender weicher Silbe
stimmt zu dem Verbleiben der Präposition K'k, ferner zu dem regel-
mässigen K'k^f, HfK'kAH. Wenn nun neben 7 mal vorkommendem
KivHASk und seinen Formen (das Wort wird meist nur khäsi^ ge-
schrieben) zweimal KkHiS'k steht 164, 21, 253. 17), so kann das
nur ein zufälliger Fehler sein; K'k.HHr'ki steht 274. 27 (das häufige
Wort wird sonst khhta geschrieben). Man kann dazu noch herbei-
ziehen das sehr häufige, regelmässig mit t». geschriebene K'Km;a<>
(für KTkJKkAO). Von den vorkommenden Casusformen der Feminina
auf -'kl unterliegen überhaupt nur die von aicktü dem Umlaut;
freilich sind sie von andern Wörtern als awk'ki und i^pkKnü ganz
selten, vgl. jedoch JKp'kH'kBH, BpAAT^ß"**- Das über 50 mal be-
gegnende TTvHkK^ hat Tk mit einer Ausnahme: TkMkiiR 514. 2.
Der Präsensstamm T'kujth- hat regelmässig i^, 8 mal, dazu zwei-
mal T'KiUTeTa, dem gegenüber einmal TkUJTtT'k.H'kiHM'k 102.27,
einmal TkiiJTfT;^ 513. 22, vgl. dazu T'KiiiTf 2 mal; die Formen
und Ableitungen von a^^^A«^ KfSAi^^HAHie, 8 Fälle, haben nur t».,
ebenso die 6 Beispiele von Formen und Ableitungen von K'kSHk
(K'KSHeY'*^ u. a.) ; ferner werden die Formen von A'kJKk, A'kjKa bei
folgender weicher Silbe, AT^HifiUH (zusammen lU Fälle) mit is. ge-
schrieben. In dem Verbleiben des t». von T-kMkMx, t-küjth-, T-k-
Die Vokale i und i. im Codex Suprasliensis. 511
üiTfTa, ;i,'k}KAi», A'KJKk (vgl. dazu auch k'kjk^xo), das in der spä-
teren Entwicklung nicht ausfällt, also im Dialekt des Schreibers
des Supr. als i^ weiter gesprochen ist, zeigt sich das schon früher
erwähnte Gesetz, dass ein starkes, nicht dem Ausfall ausgesetztes
Tk dem Umlaut widersteht. Wenn ferner die Formen von T'KHkH-k,
die nach dem -kh- vollen harten Vokal haben (t'kmkho u. s. w.),
regelmässig (etwa 12 mal) mit i», erscheinen, so geht das auf die
Regel zurück, dass ein schwaches, dem Ausfall unterworfenes k
nicht auf is. der vorangehenden Silbe wirkt; charakteristisch dafür
ist der Vergleich mit dem vorkommenden TkneHT». = Th.Hh.H'k, w'o
eben das k der zweiten Silbe kein schw^aches ist.
Die vereinzelten Fälle, in denen vor weicher Silbe Tv in h
übergegangen ist, sind kaum erwähneuswerth; gelegentlich steht
MkBEHHie (280. 20), saKkßeHH, aber daneben HaATiiuieHT»., noTh.-
nfHi»,, mehrmals Kpi^ßCHiv; A'^CT'k (zu ^T^CKa) 100. 29; man kann
damit nichts weiter anfangen. Beacbtenswerth ist aber, dass 1%,
des Suffixes -'kk'k vor weichen Silben als h erscheint in ocraHk-
^H 94. 13, caaAi^Ut 213. 12, 215. 11, 267. 11, KpoTk^H 223. 15,
n'tcku.'k 214. 27, abweichend mak'KI^'S'Siu'k, wo aber t^ nach
K folgt.
Wie in den homiletischen Stücken findet sich auch hier k statt
T^ vor folgenden harten Silben; 3kA0, 3kAa u.a. Formen mit hartem
Vokal zweiter Silbe 7 mal, zweimal /i,kßa (294. 23, 523. 24), dazu
einmal Ai^ß*?'^; ferner ckHa ckHOMTi. 5 mal; man wird hier an den
orthographischen Einfluss von 3kAlv A'^^'^j ckH'R zu denken haben.
Alles andre ist nicht der Eede werth ; Fälle wie vereinzeltes ott».-
rkHaßTi, MkH03H, Kp'fenkKaaro, BkHTs., 3k BaH Hie u.dgl. sind ein-
fach Fehler.
In den bisherigen Ausführungen ist ein Wort, iiik^'K, ujkA'k,
ganz unberücksichtigt geblieben, weil es eine eigenartige Stellung
einnimmt. Es erscheint sehr häufig als lin^AT»'? daneben ganz ge-
wöhnlich als ujfA'T^j iii einigen Stücken das eine, in andern das
andre überwiegend; daneben die alte Form uikA'K; in einem und
demselben Stück wechseln iijt».at^ ^^nd lUfAT^- Es ist ohne weiteres
klar, dass nicht lU'kAT^, u^^At^j mkAi». nebeneinander von den-
selben Menschen gesprochen sein können, dass der Schreiber des
Supr. nicht bald hd, bald hd, bald hd gesagt hat. Vielmehr laufen
bei ihm dialektisch verschiedene Formen, die er aus seinen Vor-
512 A. Leskien, Die Vokale t und l im Codex Suprasliensis.
lagen übernomnien hat, durcheinander: iUk/i,'K und lUfAT^ ist das-
selbe, nur ujf;k,'K hd die spätere Lautgestalt des älteren mb^T». ihd\
dagegen uiTv^n». s^d muss einem Dialekt entstammen, der i früh
hatte hart werden lassen und in Folge davon das nach s stehende
h in h verwandelt. Auch folgende weiche Silbe hindert das nicht,
vgl. das öfter vorkommende lUTvcrBHie. Der Vorgang stimmt über-
ein mit dem oben S. 508 über die Verhärtung des lu Bemerkten.
In der Abhandlung über Zographensis und Marianus hatte ich
Arch. 27, 345 die Hypothese aufgestellt, dass der gesammte soge-
nannte Umlaut von 'h. zu k, von k zu t». keine vokalische, sondern
eine consonantische Lauterscheinung bedeutet, dass erst nach dem
Ausfall von t»,, k Verhärtung oder Erweichung des ersten der durch
den Ausfall entstandenen Consonantengruppen eintrat, und nun je
nachdem für altes k das 'k, für altes t», das k geschrieben wird :
vSHna, vSrna, vSrna^ geschrieben KljpT\Ha; viHhi, vSrni^ geschrie-
ben B'fepkHH. Aus der Durchnahme des Cod. Supr. ergibt sich mir
dasselbe. Das gesammte Verfahren dieser Handschrift gleicht dem
des Zographensis, nur geht sie in dem ck für Ck. vor weichen Silben
ihren eigenen Weg, d. h. sie lässt in Fällen wie z. B. ck HHMk,
daraus s 7um, s (erweichtes s) nim eintreten. Die Erweichung des
ersten Theiles von Consonantengruppen durch einen palatalen
zweiten Theil kann lokal dialektisch verschieden weit gehen und ist
auch in den lebenden slavischen Sprachen und ihren Dialekten
verschieden. Dass man innerhalb der altbulgarischen Quellen
genau bestimmen könnte, wie weit dort diese Gruppenpalatalisirung
im einzelnen gegangen ist und damit in diesem Punkte sichere
lokaldialektische Verschiedenheiten der verschiedenen Handschrif-
ten festlegen könnte, halte ich bei der Beschaffenheit der Ueber-
lieferung, bei ihrem Durcheinander von ti'aditioneller Schreibweise,
durch die eine ältere Lautstufe für das Auge festgehalten wird, bei
der Mischung dialektisch verschiedener Formen und bei der Aus-
bildung gewisser willkürlicher orthographischer Manieren, für sehr
unwahrscheinlich.
A. Leskieti.
513
Die Mundart der Gegend von Ulierci bei Lisko.*)
B. Zwei Volkserzählungen.
YMepay e^eH orei^t cimaM; May TpLox ctmiB i (b)ohh cKasäjH:
Täxy, ÄK HaM He (BJOÄKaatem hhu, to mh toöI -piepeTH iie Aano!
I noBiAax tot oxeii,!. : mo-at ä M03Ky saM BianasaTH ; Jinrny BaM xa-
jiyny. A mo-at nasi xaTy c Toäi xhjkh; ak naM hhu He Bi;i;Käa:enr,
TO TH yinepexH ne Aaaio. III,66li-m saM BiAKasay : e^eH MaeTe KoryTa,
ÄpyrLiH MaeTe KOTa, TpeTtiii toh AwpBopyö, mo ch AwpBa pyöäiOT, I
TOH 0Teu;B (beinahe: yTen;i.) yMep i noxoBajra ctiHBi bitu,». Kpacno. A
HaHMOüOAUiHH, mo flicTay Ä^ipBopyö, Kaate ao HaHCTäpmoro : ä nopy-
6aM cbIh AtipBopyö, a tli saplat KoryTa, SBapiiMe i bhImo (sie 1) i ne 6y-
AeMe MäjiH HHq. A HaScTäpmHH Kaate: tli c CBoSiM AMpBopyöoM
po6, mo xoTi, a ü c KoryTOM i/i;y äo cLBiTy. I c KoryTOM saöpay ck i
nimoy BeyepoM ao CLBiTa. IIpHHUioy bih ao eAHoro cejia b ho^m i CTay
i npocHT CÄ b r^asAti na HiiJiLir. A TaM Hapi^ hh^ ne snay, kojih fl,em>
6yAe. A Bin noBiAaT Tan: i^aBAO jiHraäTe cnäTH, a. Maio xaKoro Assipa,
mo Bin AeHL npHHOCHT. A noBiAaT toh r'äsAa Tan: a. ne Moaty Te6e
HO^iyBaTH BAÖMa, öo KK ÖBi AO Mene ypHAHHKti npHnurn, to cTpo*yBajiH
6ti Mene AÖporo, mo-M no ashb ne äixay. ÜOBiAaT: ajie ne ölÄTe ch,
KOHti BiAa^eHBiT b nö-ie, Bis BiATO^ilT reT BiA saxoAy — a cäMH coöi
jibiraHTe cnaTH na CTptix. I noTÖMy co6i toh r^äsAa chht i cjiyxae :
npHXÖAHT ABaHaSniiiTa roAHHa: KoryT aacBniBay pas, sacLniBay Apy-
ruH pas, aacLHiBay TpeTLiH pas i qeTBepTtiH pas i aghb npnxoAHT loa:.
I noTOMy siHffljio ch napoAa Ay>Ke i nLiTäiOT : n^oÖLi tbi xoTLly sa Toro
A3tBipH'? He Moacy ASßipH npoAaTH, oo mchli toh ASBBip ji,eiih npHHO-
CHT. R 6hl He 3Hay caM, ko^ih aöhb. A tötbi TaK wy Käa:yT : hk öbi
TBi He xoTBly rpoHiH BSHTH 3a Torö ASßipi, TO MBi To6i Horo BiAÖepeMe.
ÜK ro mchbI MoaceTe BiAOÖpaTn: B^acTHBBiH Mi cct! Kojh mbi toöi
BCBiHJieMe niTtipBi 4>äcKBi AyKaTiß, to 6ep ! I HOMy BCBinajiH mTtipBi
*äcKBi AyKaTiB i sin ch BTBlnray, co6i AyKaTBi saßpay i npHHuioy ao
AOMy i co6i pocnoqäy r'ocnoAapcTBO. A ApyrBiä 6paT noBfA^T: kojh
*) Vergl. Archiv XXV, S. 407—424.
Archiv für slavische Philologie. XXVTI. 33
514 I- Werchratskij,
Tbl 3a cBoro Koryxa po3;to6Liy ("ocnoAapcxBo, xo i h moct c koxom 3p6-
öjno. 3a6pay Bin ca c koxom i Iä© codi. IIpHHmoy sin äo e^Horo cejia
a xaM c ce.iä BLiHi3Aa^äK)x. IIpocHX cä bIh HOTyBaxn. He MoaceMe
xeöe HoqyBaxH, 60 6hi xeöe ^stBipHnä säLia: Mtinm, mypti. ü ca. ne
60K), 60 a MaK) xaKoro ^SBipa, mo >ihh oöopoHHX. Ohh riiuiJH co61 c
cejia rex, a Bin siexäy eoöi b eAHiä xtiatH i jiLir na JiixKy cnaxn. Hii
npHxoAHX, a ero idx mliuih i mypLi jiöbhx i na Kyny cKJiaAax. Toä
f^as^a bIa xoui xtiacH npHämoy i no^HBiiy cä i ntixäe ca erö: n;u ne
aäiiH xeöe xy u^ypw i MLiiira? A xoh ^ojiobik Kaa^e: Hti! 60 ä Maio
xaKöro A3Bipfl, mo bIh BintixKo xoxo jiobhx. Tox B3fly xoAtiHKa, no^n-
BHy ca i 3o6aTiHy, mo icix HajOBHy 6e3 nii. I ^ay äo r^MiHti SHaxn:
Äeöti Mu xorö ^ojiOBlKa bli^xh ne BtiirycxHjra. A A^JiBi stimnjia ea
r^Mina: mo 6li xti nojiOBlie 3a xoro A3i>Bipa xoxhly? He Moaty cnpo-
AaxH xoro AStBipa, 60 a 61.1 Hir'Ae hö^h ne May, 60 b Käa:AiM cnocoöi
bIh Mene oöopoHHX, ^ojroBiqe, Mycmn naM xorö AStBipa cnpo^axH. A
bIh xaK Kaace : ^äfixe mI xijLKo rpomHH, moöti a Mir ynecxH. CctinajiH
My xpH «täcKBi xtix rpöiuHH i bIh co6i saöpäy i noßepnyy Hasa^ äo AÖMy
CBÖro. I coöi r'ocnoAäpax Boöa 3 öpaxoM, xoS sa Koryxa, xoS 3a Koxa.
A XOH xpexBiä öpax — naäMOJiOÄUiHH — , mo 3 AtipBopyöoM, noBi^ax :
KOJiH ELT mocL 3ao6bmh, kojth bbi s^oöbuih 3a Koryxa i Koxa, i a mocB
3Äo6yAy 3a XOH AHpßopyö. Bin coöi spoöiiy c xoro AHpßopyöa äö'öhig
i B3ay Ha njieqH i nimoB. HpExo^HX bih äo e^Horo cejia a xaM raxax
raxB i r6pn;MH najiBi saßneaiox i Be.iHKBi xBica^ra rpoumä bbijioähjih,
mo i uixyKa raxB 3araxHXH i näjEBi 3a6HXH, 60 Bce rop^KOM y naaBi
B^äpax i ropqoK ea posjiexHX. A bIh npHHUioy i exay ch ko;io hhx i
AHBHX ca Ha xoxy poöoxy. HoBl^ax : Mo^e a 6u xy 3 e^en na.iB 3a-
ÖHy. I B3ay xy aö'öhio c njeiia 30 CBÖro i By^äpHy y na-iB Äßa pa3Bi
i aaöny. I cxajia BmuxKa poöoxa (bhibixkbi poßlxHHKBi ycxajiH i na
xoxo ca 3a6BMH). Hl^o 6bi xbi xoxBiy ^ojroBiqe 3a xoxy aö'öhig? A
moK 6bi bbi MCHBi Aa.TH 3a xo? Ha n^o mchbi cnpo^aBaxH, kojh a xijibko
Hey sapoöjiio, mo a acHio. Eä, ^OjioBiqe ! mbi loat bcjihkbi rpönni bbi-
AajH i He MoateMe mjibih noexaBHXH, 60 ne MoateMe Bo^y cnepexH. Ta
m,o-:aa 6bi bbi mohbI ^ä-in? m,6 ÖBicBxe mchbI a^jih xi;ibko, m,66hi a mit
Ao cMepxH BBia^HXH. I ccBina.iH eMy xpn *äcKBi rpoinHH i bIh co6i no-
Bepnyy ao r'ocnoAapcxBa c xbimh rpiinMH. I eoöl r^ocnoAapioiOTB ao
AHecBKa BiHBixKBi xpH öpaxH. I aK 6bi a xaM ne ÖBiy, mo bbi mchbI hg
BipHxe, x66bi-m xoxo ne 3Hay i ne yyy, xoöbi-m i BaM ne cKasay . . .
(i[o6i3Bä).
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko. 515
üonlxay eji,en naii b Aopory i ctji.to cepe;i; rocTHHua BejiHKe
fJarHo: ne Moace bih nepefiixaTH, sana^ye ch nÖHi3Ä i Koni. A npn-
jieTtiy AO HLoro ^opHOKHimHHK: aannuiH tli Mentf, o nm tli ÄOMa ne
3Haein. A bIh co61 Ay^ae: o ^im 6ti ä ÄOMa He snay? A naK co6i
po3AyMae: MOKe ono Meiiti iie s^aae; Maio a. Ty rtmyTH, xa-H sa-
HHUiy. A.ie bIh ne 3Hay, mo aciimy ^oMa npn na,ji,hiui JiHiuHy. IIoBep-
Hyy Bin 3 Äoporw jno ÄOMy cBoro. TaM ca napo^ny xJionei^B. I sin ca
TMM XJIOnilieM TLIIUHT i HG TbllUHT. I TOMy Xj6ni],H) lOaK AeCHTL JlhlT,
öapso CA Aoöpe b ^iKOjiax biht. üpHKuioy x.T6neij;b pas 30 ^köjih a fioro
Taxo Ay»^e sacMyqeiiMH. A bih ca, tot xjioneitb, ntiTae: ^loro th Taxy,
TaKUH 3acMyqeHLH. Hk a npHK^y 3o tjkojih, th ^yate ca CMyTHm; aöo
3ä6io Teöe, aöo caM ceöe. CuHy mIiI KOxänLiii, CKasay öm a To6i,
60 a ea Toöoy Ttimy i ne TLluiy. Üpomo-K Täxy, i^h a ca b ^Kojax
y Ä
ne yiy, ii;h a To6i, TaTy, cTtiAa saB^äy aKoro? I noBi^aT eaiy oTei^t:
Hixay a b ^opory i a npHsaÖLiy, n;o MaTH e Toöoy ötMa npn HaAtiäi —
i na Äop63i.i iwentl ca CTajio öarno, a ne Mir BLiSixaTH. IIpHHmoy ao
MBHe qopHOKHHacHHK 1 CKasay :Meni>i: aannuiH MeH&l, o ^im th AOJia ne
3Häem. BAorä^yio coöi, o ^m öli a AOMa ne 3Hay, Taä a Teöe ^ay ^op-
HOKHHaeHHKOBH sanHcaTH. He atypH ca xaxy tbim, 6o a CBoro nncLMa
AiiiÄy- I bIh ca 3aöpay TÖrAW, aK My ötijio naTLHäHu;aTi. poiciB, Bsay
c co66y cLBaTomn: cfcBayeny Bo^y i CLBaqeny Kpeä^y, cLiy na Kona,
mo BapTysay naTt cto i noilixay . A toh kIhl CKasay ejiy : aK na MHti
noHiAem, cBorö nncLMä AiHAeui. üoHixay bIh Ha tIm kohh, a sa hhm
^lapiBHHKti nycTH;iH Ty^in-rpaABT, ateöti Horo yÖHTH. üpHHixay bih b
e^en Kop^i (KpaK) i toh kIhb Kaa:e : tu crm ne SHaem, ^e th HiAem, a
a 3Haio, Ae Teöe sanecy. Santlc ero kojio MÖpa b jimckoblih Kopti i
Kaace : bhjiomh coöi npyT, mo na pin BtipocTe, i tbim npyTOM spoÖHnr,
u],o ino cxoqeui. 3äMKBi, aceÖBi aKH öhjih, tbi iiix posööeui. I npn-
jieTBljro Ha Mope KynaTH ca Aßääi^aTB uiTBipH naHHiB, a naHMOJiOAma
ABafiniaTB qeTBepTa npHHuiJiä na ocTaTKy. Bin Bsay, tohI nämiBi cy-
KHBi 3iöpay i cxoBay. Tbix ABaäi^aTB Tpn siöpäjH ca i nmuiH a onä
He Moate niäTH, 60 BOABina ne Mae. I xöaht i npocHT, mokc öbi ca Ta-
n
KBiH HaHmoy, a:eÖH MeHBl cyKHBi BiAAay, efi, i^h na KapT, ii;bi na sai-
npaBABi MCHBi BOABina 3a6pay! ^0 TpBOx pas npocHjia Soro (ona caMa
He snäjia, Korö npocHT, öo Soro ne BHAi>i-ia). A Bin no TpeTiM pa3Bi
ca orojiocHy. I tot Bsay, noBiAaT HiS: ^ejii tbi möto nncBMa AiäAem,
33*
516 I- Wercliratskij,
To TBom cyKHLi Toöi s.iöateHti öy^yx. A onä My Kaate, mo xoqem, to
/ticTaHeui. I To;iWHKa bIh Bi^^äy äiä cyKHti. A ona toahhkli noB^ax
xaK: He MÖatem npHHXii 30 mhoj ao Aoaiy, ä xä npHBecxH ne Mo^y.
Ona spoöiiia öypio-xyiH i bsAäSl ro sa eo66y. npiraecia ni^ 6paMy
Horo : xa 30 MHoy ^o AOMy ne npHHAem; Maem npyx, mo xoqem, xo spö-
ÖHin; öpaMa xh ck po3MMKHe, äk hhm MaxHein. I cajia nojiexi.ijia. I
bIh irpHXOAHX AO ÖpaMBI. "y^OpHOKHMRHUK KjiHqe Ha HLÖro: Moro xti
jHi],apio iAein? me xlix Jifcix ne Maem, in;o6tici. 6iiy xy y Mene. A bIh
Kaate: npoiny imetMo cBoe. ^ejd tli mh spöönm xoxo, ni,o a. xo6i sa-
y
AaM, xo micfcMO Aicxänem. Tox Bsny xoAbiäKLi, npHHinoy äo ÄOMy ^lop-
HOKHioKHinca, a xoh ^ay My ho^chk AepeB.iantiH i KaMiHi.: ea^ejii xli
xorö niy xjii>i6a 3Him, Aicxaneni nnctMo CBoe. Tox co6i saacypiiy ch:
BXLiKHyxH He BXBiKHe, 6o saMKHeHtiH. I ctiy C06I i AyMax: Ae-^K h
roAen shIcxh xoro niy KMienn, kojih r ecBM xphcxbiähhh. üpHXÖAHX
OHa niA BiKHO xoxa nanna 1 nLixae ca.: m,o xooi miii oxenji. sa noKyxy
saAay? 3aAäy Menti HoacHK AepeBjiHHLiH i xoro niy KaMenn, ateÖBi ä
säiy. A OHa eMy cKasajia: ne xypöyä xbi ch xbim, noAan xbi mchbi xo
reB. BiH äiä noAay a onä noAajia eMy xAtiö cnpaBeA-^HBBiS — i hokhk,
jiK SBH^iäHHO, atejiBi3HBiH 3 ji,eT^eBJiAHOj pyqKoy. ^eÖBicB xoro xjiBiöa
niy 3Hiy — Kaace — a niy Jinuiny. /I^pyrBiH aghb po3bhahb1j[OCH. I
qopHOKHHJKHHK npHxoAHX, i^Bi Bin xoxö spoöiiy. I xaK BIH saAyMayca,
jKe XBT mfi jryApiämHH, hk a, 60 xbi coxBopny c KaMeHH xjBiö. I xoii
y ^
eMy xoABiHKa hobIa^x: npömy hhcbmo CBoe. I xox ^cophokhhkhhk
Kaa:e: hhcbmo CBoe ne Aicxaneui, e^eji xbi mbhbi xoxy ne spoonnr, mo
fl xo6i saAaM, noicyxy. >Kejri Maio exo mhjib jiBica, eatejii xti xoxo
spyöain, cnajinm, hoxokbi sapiBHam, :khxo sacBiem, aiHxo BBiatnem,
^Hxo BBiMOJioxHin, MüBiH Ha ABaHaHu;axB KaMeHBiB BBicxaBmn, sepno b
HBiM 3Mejiem i säyxpa päno, h^oöbicb npnHBic MyKBi na ßyjiKBi ao KaBBi.
ToH ca saatypiiy, ni;o Bin xoro ne roAen spoÖHXH. üpHXÖAHX xoxä
, v/ y *
naHHa Be^ep 3H0BycB ao HBoro niA bikho 1 nBixae cä: ni,o xooi oxeniB
3a noKyxy saAay? A Bin hih cKasäy xaK : xorö jiBica cxo mh.ib e, h Maio
erö spyöäxH, cnaAiixn, hoxökbi sapiBHaxn, ataxo sacBiflXH, aciixo bbi-
ataxH i BBiMOjoxHXH i MJBiH na ABaHaHD;axB KiiMeHBiB BBicxasHXH i ate-
6bi-m BMOJÖy 3epH0 b xiM mjibihbi i npHHBic xoäi MyKBi na öyjiKBi ao
KaBBT. He xypöyS ca hh^i, chh eo6i enoKÜmo — ona eMy CKaaaja —
OHO ea cxane buibixko. I Bin co6i cnnx ao pana i xoxö ca bhibixko
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko. 517
CTajio. I TOT co6f B3fly TOÄHHKa i BWHuioy IIa t'aHOK yopnoKHiiaiHHK i
noAHBHy ca : e ! Bin Ayace My^piSuiHH si^i; Mene. A Bin noßf ^aT : npömy
HHCtMÖ CBoe. IThcmiö CBÖe iie AicTaiiem iii,e, öo n ro6i me e^ny no-
KyTy sa^aM : Mae ca cepeA MÖpa CTaTH mIct so sjiöTa, 3 AHflJvieHTy, a
Ha hlIm AepeBHHa, mo Mae aojiOTe jikctä no e^HiM 6öu,ii i no ^pyriM ; a
ni;i; müctom MaiOTfc njitiBaTH cpiöiii pLiÖLi, mo MaiOT sojioThX KpMbu;H.
I cepe^ MÖcTy haIi öy^e BLiöiiTa Taöjn'ma, CHJia toh mIct BapTye. I
ona npmnjia i ntiTae ero TpeTtiä paa: mo tm sa noKyTy Maein? Bin
fiiä cKasäy 0 tIm MÖCTti, mo bih ro Mäe BLicTaBHTH. PocnoBiy bIh hIh
BfflMTKO. A ona cKaaajia eMy: cna codi cnoKiHHO. Ha Apyrtiä ^eni.
CTay CH MicT i BinuTKO TaK CTajioca, ük yopHOKHHatiiHK xoTtiy. Btiii-
nioy ^opnoKHHXHHK, no;i;HBHy ca i Taa^KO sa^yMay: iii;o->k to Möate
^BiTH, ateöii BiH My^pinuiHH bU Mene ötiy. A sin sapas äo nero nOBi-
AaT: nponry nncfcMo CBoe Bi;i;AaTH Menti. lopiiOKHHiKHiiK noBi^iaT:
nacbMÖ m,e ne AicTäiiem; öo a öyAy cnpaBJHTH ßajib i^tixy Hm. Bin
öäjieM CH He atypHT, a onä npHHinjia i aanLiTa^a ca Horo : ii](o tli Maeui
Hiin;e sa noKyTy? Bin iiiä nOBi^aT: ne öaps ea atypio Toy noKy-
Toy : ÖTei];b TBin öajit öy^e cnpaBjraTH. A onä noBi^aT: th ea He
atypHm a tbi oti cnepTHy sicTay noKapaHtiä. Eo 0Teu;i> tä xo^ie 30
jraoy a^eHHTH, öy^yT na Teöe sa^LiiHTH. R To6i noKä:Ky, äk Maeni
poÖHTH. Ey;i;eui ryjraTH. Hac ecT ;i;BaSi];aTt inTiipLi cecTpiß. I c
KaatAoy Maeui pas ca oöepnyTH. A eaceiri 6bic{h) ca öijrtme oöepnyy, to
no tbohIm ^hth), 60 na Teöe BmLiTKH Bäiit^aT. Kk Aßani^aTB Tpn
nepenycTHin a npiiil^ieni na Mene na ocTaTKy a:eÖLTc ryjray, kijilko
xo^eni, KIJILKO TH ca no^äöaT. Ha öajiK) nepenycTny bIh ;iBaHn;aTi>
TpH cecTpiB, c KajKAoy ca pa3 oöepiiyy, a 3 iiaHMOJiOAiuoy ryjay,
KijBKO My ca no;i;oöäjio. Hotom no öäjno i BectiJiio niuiJH oöoe cnaTH
äo Toiii CTaHi];HHi, ^e tiophokhh}Khhk nepmy noKyTy eMy 3aB;i;aBay. I
Kaate onä eMy : cnaTH ne öy^eMe, öy^eMe sbliatbi BTLiKaTH. Ajie Hac
öyAyT AoranaTH, Ta a ca ne öoio, moöw Mene xto Aoronny. I 3aöpä.TH
ca yTLiKaTH; onä naKasajia TOMy KaMeneBH i TOMy H6a:HK0BH, iu;oöu
3a HHX roBopMH. Ciyra npHxÖAnT pano ^o ABcpHn: npocHT TaTKO
Ha KaBy. A KaMint i ujHSopHK roBopaT: emeetMO ca ne BLicna.iH.
npHHuioy 3a roAHHy KjH'ie anoBycL; toh KaMiHL i hojkhk snoByct
BiAnoBiAäiOT : en;ectMi>i ca ne B^eca.iH. HoTOMy saöpay ca cjiyrä i
npiixoAHT 3H0B 3a ro^iiny: npocHT pa3 TaTKO na KaBy; ohh Bi^no-
bijih: en],ectMO ca ne aiöpäjiH. 3aöpäy ca, niinoy. JI^Lü iqk qeTsepTa
518 I- Werchratskij,
ro^HHa no noay^iHH. SHOBycfe K^A^e, a ohh : emecLMo ch ne noyöy-
BäjiH. I Ha HÄxy roÄHHy 3hob npHÜnioy KJiHKaxH a ohh: mo tbi, xäry,
^ y
ÄÄÖJia sSim, ate mli c xoöoy Käey hhxh hg öy;i,eM. Toälihkbi posöii.iH
ÄBepH i HaäuijiH xIjilko KäMini. i xoh h6}Khk. IIoxöm ßßa,nis,RTb xpn
cecxpiß siöpäjo ea. 3a HHnia ;i;oraHÄXH, ^oraniiox, Aoranaiox, Ba:e ne-
^ajieKO AorÖHüx. A^ xy spoöiiy ca 3 nero cxaptiä ^ojiobik, chbhh a s
Heäi ibäA. I ntixäiox ero xoxh, mo AorauMH: i^li hg bhabIjih bm xy
ÄBoe jiKAa, aceÖBi yxtiKä.iH xy^tiHKLi? BuAtiy eM, ate yxtiKäjin xy-
äwhkli mojeoäm JiÖAe, onä ocoöa üa^na. ll,ti aaJieKO ohh Moacyx
ÖBIXH? AaSHO BBI nix BHABIJEH? 0 AaBHO, I02t XOMy CXBipBaJIO MHoro
poKis, bIa xoABiHKa Ä nac npaöaÖKy, öäÖKy i aiäxKy xoro xojihxh. A
OHH cxäjH i saAyMädiH: eateji xaK, xo xo ne xbix ABoe jno^a — i no-
BepnyjtH ;i;omib. A Mäxn hIm Kä)Ke: bbi iiix ÄoroHH.in, 60 onä ÖBiiia
XGjiaxeM, a bIh nacxyxoji. I ÄBäHii;axB xpn cecxpiB Hasä^ noBepxäjm
sa HHMH ÄoranaxH. S^oraHHiox, SAoranaiox . . . loa: HOÄajieKO eyx.
3 Heäi spoÖHJia ca cxyAHa, a 3 nero BOApo. To BCApo poccBinye ca,
HarHHJie. Ohh xo^ax ^oKÖJia i noanpaiox i noBepnyjiH ao ÄOMy Hasa^.
IlpHHnijiH äo ÄOMy a oxei];B Kaa^e : bbi hix AoroHHJiH ; obuo Be^po BsaxH
i ÖBijia-ö cxy^Ha ninuia 3a hhm. I xaK ohh siÖpaJH ca pasoM 3 jiäxepey
3a HHMH roHHXH. ^oraHaiox äix i loac He^a-ieKo eyx. Aa: xy 3 nero
spoöay ca cxaB a 3 neSi KaqKa i njiBiBae no Bo^ti; aK5Ke-a: Aicxäjra
3jncxB, BcaÄHJia ap^HCXoro orna b cxaB 1 xox orenB cnajiny Bce ÄOKOJia
i eecxpBi i MaxBip. A ohh o66e saöpajrn ca i nirnjui rex. I npHnurn 3a
rpaHHriK) co6i i ocxäüH b e^niM AOMi, 60 nycxBiä ä^m cxoay i ohh xaM
codi spoÖHJTH saMeniKana. I Bin noBi^ax : a nifi^y äo ßixi^a i Maxepn
CBoeäi a xbim ^lacoM xeöe ocxäBjno caMy. A ona Kaaae : eateji xbi Mene
ocxäBHHi i npiinAeui ÄO CBoro oxi^a i siäxepn i CKopo xeöe yBH^ax xbohi
cecxpBi-öpaxa i o6n;Bii[yiox, xbi 0 BUiBixKiM 3a6yAeiH, ac-cb ÖBiy. A sin
noBi^ax : ^e-ßti a xo6i ^ay sarBiönyxH, äc-öbi a xeöe ocxäBHy, xa-at
TBI Mene 3 seüHKoro nemlcxa BBiöaBHJia. Aje onä Bce noBxäpax: 3a-
öy^em 0 BinBixKiM! A sin fiiä Kaate, :Ke ero Moace Bor KapäxH 3a xo.
aK ÖBi Bin Hiäi ocxäBHy i 3aÖBiy äiSi. I Bin npnäixay ^o ÄOMy, oöu,Bi-
jryeäTH ro xoxax a Bin ca He ^ae. I xoxbi nöxiM HBixäioxB ca, Ae ßin
tIjibkbih ^ac 3aöaB.iay ca? Bin Käace, mo y ^iK6.iax ca B^Hy. Tbi
noHixay — noBiAäiox — ^o cBBixa rex, a:e xa Aßa pÖKBi ne e. I Bin
codi HOJioaiHy ca cnäxH i npHHuiJiä HaHMOJOAuia cecxpä i oöi^tLioBäjia
ro. I Bin 0 BUiBixKiM 3aÖBiy, ac ßiH ÖBiy. I noxoMy ero ;KiHKa snäe
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko. 519
Aoßpi, mo CH 3 HHM CTäjio. IIpHHm;ia äo Toro caMoro ^Bopä äo c-iyÄÖbi.
OcTäJia xafti sa noKoesy a äorö acemiTH xotät. Ta oiiä Btijibjifl;ia ;i;Ba
rojiyöi^ti 3 BOJOBa i nocxdBHJia emy na xapijtt i npocHT ro na ÄapynoK.
I Bin CH ctiy Kojo thx rojiyCJuibiB i ahbht cü na hhx. ük bih ch na
HHx ÄHBHT, cTäiOT OHH My öecti^yBaTH, A© bIh aÜHKy May, aie xo onä
ero a:lHKa B03jio6.'ieHa. Bin loat Bsny Hiöi i acny 3 Hey.
(ZoßisBä).
C. Verzeichniss einiger Lokalausdrücke.
a. ajLÖö Yc. oder, gruth. a66 oder ädo.
ajia! JT. Treibruf der Sebafe. Lockruf: nxy! nxy! cojih! cojih!
ai^Ll Ä. Treibruf der Schweine. Kyi^bKo-Kyii,L! Lockruf der
Schweine.
6. ÖapaH E. nxi'ma; no fljiiBu;ax ßbiBax, eine Vogelart.
öeöenia JT. collect. Eingeweide, cf. ßeöexH.
ÖHp-ÖHp! Yc. Lockruf der Sebafe.
önpKä Ha äiBHHLl Yc. Kätzchen der Palmweide.
ösAtipKa Yc. Ellritze, Pboxinus rivularis plur. ösAtipKLi.
öiryH B, »ebixb sacxäsna na pLiöti« eine Art Stellnetze zum
Fischfang.
66»:a 3a3yjLKa B. Marienkäfer, Coccinella septempunctata, wird
von jungen Mädchen um das künftige Schicksal mit den Worten be-
fragt : sasy.ibi^bo, nepenljitu,bo ! pocnycx KpMbu,« na mxbipn 6hiÄhu,a.
i rsB i xaai, ^e h ch Bi^AaM? Beim Befragen lässt man den Käfer auf
dem Handrücken fortkriechen und beobachtet, welche Richtung der
Käfer beim Wegfliegen einschlägt.
66exH ca Y. z. B. ßapänbi öo^yx ch die Widder stossen an einan-
der mit ihren Hörnern.
öyjiÄ Yc. Kartoffel, öyjiaHHK Yc. Kartoffelkuchen, »neie ch na
KanycxaniM ancxicy 3 öyjibi i iryKbi«.
B. Baji B. Schichte abgemähten Grases, nomc.
Banxiox n. Panzen oder Wanst, erste Abtheilung des Magens bei
den Wiederkäuern.
Bapt'a B. pol. warga, Lippe; lemk. Bopra (sprich: worha).
BepexbijibHHK B.Yc. BepexbijrbHHi^a Ä. BepxbLTbHHu;fl II.
Eidechse, lacerta (in anderen Gegenden Galiziens bedeutet BepexbijibHHK
oder BepexbijbHHi^E Blindschleiche, Anguis fragilis).
Bepen],aHKa Ä. Eichelhäher, Garrulus glandarius [dem lat. Aus-
520 I. Werchratskij,
drucke garrulus und dem ruth. BepenjiaHKa (cf. BspecK Geschrei, Bspe-
n^axH schreien) liegt dieselbe Vorstellung zu Grunde : ein schwatzhafter,
oft schreiender Vogel].
BepxHHuä Yc, dem. BepxHHHKa Yc. Oberes, Schmetten.
BLiKpyxH X säjniiL öiacHT na BtiKpyTLi der Hase läuft in viel-
fach geschlängelten Linien.
BLiToqHHi^a Ä. Waldmaus, Mus silvaticus.
BicTKLI B. OCTH fl,0 IipOÖHBaH}! ptlÖ.
Bi^aHKa Ä. Augenlid, noßlKa, biko.
BimHi^H y.E. JI. Nachtfalter; Lichtmotte, tpaKaiva.
BiH y. Augenlid, plur. Biäi. [roioe«.
Boyiia TaöaKa Y. Lycoperdon, Stäubling »öepyT na panLi; bh-
Boni Yc. adv. weit, in der Ferne. BÖiii e ajitöo ren e Yc. = ^a-
jieKO e.
BopoatHJiLKa Ji. Marienkäfer, Coccinella septempunctata.
Bnepa Yc. gestern. In Ostgal. meistens: B^iöpa, y^iopa.
r. (Ruthenisches r wird wie cech. h ausgesprochen, also: raKyjfl,
raxfcia:, sprich: hakula, hatjiz).
raKyjfl IT. »KptiBe AepsBO ao SMixoBaHK oöipnzKy 3 Boaa« höl-
zerner Haken, womit Dünger vom Wagen herabgeworfen wird.
raxLiat Y. gen. fem. ».iioä na piniti mo ch cxHHax«. Ha pii^ti 1^6
raxLtat. Äy»^e raxti^n viel Treibeis, in B. gen. masc. BejHKBiä raxBia:
B. Ay^e raxfciaty B.
rcHxä IL. KJiHqe na KÖHi>i, mo-6 noBepxä.in na .itiBO^ Bicbxa
Ha npaBO.
rtiJKBJifc n. Blattrippe z. B. beim Kohle, e^en rLiacejit.
rMoyiixH GH Y. aöo bmo^hxh ch Y. = bhhxh ca. lentipraq
TMo^HX CK KJEiOKaMH B rojioBy die Fledermaus schlägt ihre Krallen in's
Kopfhaar des Menschen hinein (nach dem Aberglauben des Volkes) =
BHHe CK B röjioBy B.
rHyxKHH Y. biegsam, rnyiiCHH, rHHKHH.
rojioBäTiKa JI. Kaulquappe, larva ranae.
rojiyÖHi^ü Y. Taube (Weibchen); röjryö Tauber.
i'i
ropoöejt Y. plur. ropoöjrbl Sperling; doch Bopoöen;!. genit. bo-
po6n;H Yc. cf. ukr. ropoöemt.
rpiMHHi^fi Yc. Donnerwetter.
ryK Yc. Männchen des Schweines, cbhhä naJiHX ch ao ryKa.
cbhhh ryKax ca.
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko. 521
i'. (Rutlienisches i' wird wie polnisches g oder grossrussisches r
ausgesprochen; also r'apr'äBKa sprich: gargawka).
f'apf'äBKa n. JI. r'apAaf-äBKa y. Gurgel.
i^y^SM y. »B rop.iti Äyciix«. eine Krankheit.
A. Ääi'Ae y. hie und da.
AaiiEoaceßije! B. nosAopoBjfliOT 6ä6y, kciii nepe na pii;ti.
ABiä^iäcTLin n. eigtl. doppelt; in der Bedeutung gabelig, gabel-
förmig getheilt. xbIct ÄBiä^äcTtiä jacTiBKH.
ÄtiBHHa y. Wollkraut, Verbascum »BapHT ca kbIt na päHH, k6-
piHL na rocTeu;«.
ÄHLlßKa B. Tagarbeit, i^e na AHtiBKy = na jueHHy poöoTy.
^OMixyBaTH B. zuwerfen, hinzuwerfen. bIh AOMixye cmojhkIb
ÄO Karanufl.
ÄOCTHTHyTH yc. verb. trans. erreichen: einholen, Koroet äo-
CTHrHyxH KOueM jmd. zu Pferde einholen.
;i;pi6jrH JI. gen. neutr. genit. ÄpiöJiH. »aK ch mo.i6tht 3Öi»:a i bw-
rpaöax, Toxa ^ipiÖHa coJioMa c noüÖBOM i namHiicxe -r— to apiöjiä;
öepyx ä-JTä xy^oÖBi«.
ÄyHLKa B. Näsling, Chondrostoma nasus. plur. ^yHLKW.
3. 3aBäjfcHHii;ii y. saBajitHLiii ctnir y. grosser Schneefall. 3a-
BajBi c ctHiry a.iLÖö ci>HiaiHHri;a yc. Schneefall, grosser Schneefall.
saB^axH KOMy cxtixä R. jmd. zur Schande gereichen.
sasyjiLi y. plur. taut. Orchis latifolia »Aoöpi na ocxy^bi«.
saMemKaiiH JI. Wohnstätte.
3a5iixoBaxH B. saKUÄOBaxH. saMixye cojroMoy.
3anonpyxa B. npyx so cxiicKaHa npHMiposi ^yr (Fassdauben)
HajraAÖBaHHx na bosi.
3anycx ü. »mo sanycxHX mojioälih Jitic« junge Waldkultur.
sa pflÄOM Ji. der Reihe nach, nach der Ordnung.
3äcJiOHti Ha öi^Li K. mouches volantes, myiodepsia.
saymHHi^Li y. saBajiKH.
3axwjiHXH y. in der Bedeut. sacxyniixii behüten, schirmen: hhh
nan Bir saxtiJiHx Gott behüte, Gott bewahre.
3ain;e3HyTH y. verschwinden.
SApyxHtijie AepeBO 11. vermodertes Holz, cnopoxH/iBijie Acpeso.
sisApixH CH yc. (o MO.ioitbi) etwas sauer werden. 3i3Api.30 ca mo-
JLOKÖ = xpoxa noKBacHLijro. 3l3ApiJte mojokö etwas sauere Milch.
sLiHKa A. Pupille, psl. 3t:HHU,d.
522 I- Werchratskij,
3JILIH Ayx Ä. Wirbelwind, sjihh Bixep (hier ^yx in der Bedeutung :
Wind) »^acoM posMeye CHonH a66 iückom sacLinjie o^ih«.
3HtiTHTH GH II. CKyjHTH CH sich niederduckcn ; sich zusammen-
rollen. 3HtlTHT CH yOüOBlK 3 MOpOSy. fiiat 3HblTHT Cfl.
i. inaKuiHH Y. anderer, o inaKiuiM iMK» anderen Namens.
inäite y. anders, mh inäuie ne HaswBaMe.
icxoÄHTH n. yxoAHTH z. B. KpoB icxö^HT II. das Blut rinnt.
K. KaBKaTHy.B. (vom Dohlengeschwätz) schreien. KaBKa KaBKax.
KaBKLi KaBKaioT. Der Name KaBKa ist onomatopoetisch: ein Kas! Kas!
schreiender Vogel.
KaABiJii> B- wann. KaAHJit 3 bo^w, ick pLiöa hg atne.
KajiaTÖ^Ka Ä. Klapper. KajraxöqKLi ^näiOT KopösaM na mnio.
KajiHÖaHt n. Lache, Pfütze.
KaJii6»:a Yc. Lache, deminut. KajnoKKa (um Lemberg: Ka.ry-»ca).
Kapiii'a Yc. Spund, ^aö KapiirY, 3äTKaM ^tipy b 66ms,hi.
KBinH^iKa JI. siedendes Wasser (um Drohobyc: Kiina^Ka Bergöl,
Naphtha).
KLi^ejGHOK E. Fingerglied; Stummel, plur. Kuqe.3eHKM.
KicTap n. Kernbeisser, Coccothraustes vulgaris.
KiTjiHUiBi Y. »Btieme Kontixa y kohh« Kastanien beim Pferd (um
Ternopil: koxhk-h).
KjianäqHK Y. Kneif.
KOÄhia. Y. »mo BLi6e Ko.ieco« die beim häufigen Fahren von
Wagenrädern in den Boden geschnittenen Rinnen.
KÖHOBUiH Y. Kanne. Plur. Nom. KOHOBiiiLi. Loc. b kohobi^ex.
KopKoöex Yc. gen.masc. KopKoöexa JI. gen.fem. KopKo6ei^(t)
n. KypKyöexa und KopKyöexa E. Regenbogen, iris. rum. liurku-
beü. Jiapfihm KopKOÖex Yc.
KpHBoßiK Y. Flohkrebs, Gammarus. plur. KpHBOÖOKH.
KponHBHHK n. Sylvia, Waldsänger,
Kyponäxa Y. Rebhuhn, Perdix cinerea, ^ßi KyponäxLi.
KypxaK n. eine Art Spenzer »mo 6epe na pyKaBbi xjon aöö
atSHa« cf. KypxHH kurz. — KJiänn;bi = y KypxaKä Btuorw.
Kyi^BKo-Ha! Yc. Lockruf der Schweine, anib! ai^io! Yc. Treibruf
der Schweine.
Ä. ^leHÖHK B. 3 pyKaBaMH öjiosa.
jienKOBHi^Ä Yc. lettiger Boden.
jiBicxa Y. Wade.
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko. 523
Ji6a:e p,o *y3HHi Y. Kolben am Feuergewehr.
jiomäK y. grösseres Fohlen; junges Pferd. [schuppe,
jiyna na Aepeßi a6o cKopa II. Rinde, .lyna y ptißti Fisch-
M. MaK0Ä3H)6 n. MaKOHiA II. MaKofilAHK II. Hänfling, Fringilla
cannabina.
Ma.ieiieiiKLiil Y. sehr klein.
Ma^aHKa Yc. »^o MOJioKa a^itöo ao boah CLinjie xpoxti niyKLi i
CLipa i SaKOJIOTHT«.
Mepe Yc. eine Partikel, die oft zur Verstärkung oder Hervor-
hebung des Gesagten gesetzt wird, nepe res saM Kaacy, Mepe cnpa-
BeAJHBO noTOM spoöny.
MBTaTH sölaca B. = bIath söiace.
MOJIHTBHHLI yC. MOJIHTBtl HaA aCBHOy, mO pO^HJa ÄtiXÄ.
Myxa öjinmäiia Yc. Leuchtkäfer, Leuchtwurm, Lampyris.
MymKti n. BOJiocH Ha nepe^ti niATHTs; rÜATHTa ^rynpHna abge-
stutztes Kopfhaar vorn oberhalb der Stirn.
H. HaBajii>HHH,H yc. HaBajitHnS äoih, Sturmregen, gruth. nanäjiL-
HarHHJLiH JI. an der Oberfläche verfault. [HH^fl.
Ha^axH ca Tl. in der Bedeut. xpa^HTii ca, sich zutreflFen. hk ca
na^äcT xyAOÖa Ao6pa wenn sich ein gutes Stück Vieh trifft.
HaMOjroTOK y. ausgedroschenes Getreide. 3 Toro naMOjroTKy
HH^i HB 6yAe.
Ha npax E. ganz und gar. yceHiii^Li na npax 3Hi/i;ÄT KanycTy,
sicTäne cäMe rtiqa.
HaexyHfcKa Ve. Anastasia.
HainaHKa yc. Peitschenschlinge »mo Baate öh^ b ÖHiaBHOM«.
HLiMHHa Vc. Vieh, ckox cf. psl. H'kM'K, xw^ög, mutus, himhh.
HomejüKBi y. »mo Ha hhx nece KOHOBii;Li{(, KopoMHCJio.
HypKo Ä. Wasserstaar, Cinclus aquaticus »HypKo na^ BOAoy ca
ryi^ax, nox6>i nypiix ca b BO^y i naK 3hob a boah BtiiiAe«.
0. {B)6ß,him. Ye. Kleidung, o^eata.
OAJieniopa y. Kopfgrind.
osejesL aöo omeAiHa y. Reif an Bäumen.
ÖKpaen; Vc. Ranft. [Pflugbret.
OHaA B. Pflugschar, jieMim; nepeAna ^aexL nojiHiiii y njiyra
ona-iEHOK n. ona.iauya 11. in vielen Gegenden Ostgal. na-
jiaHHii;«, naiAHHi^a.
ocxLipri.1 n. a6o poccoxa^ii (ropanKa) «KjaAe äo hhx KOMa-
524 i- Werchratskij,
HHii;io ; cnoAOM poÖHT oTBip, möÖBi BiTep npo;iiyBay abgehauene, in den
Boden senkrecht eingerannte Gabeläste, um welche abgemähter Klee in
Haufen gescharrt wird.
n. naByK JE. Pfau (Männchen), nana JI. Weibchen des Pfaues, na-
ByK Ä. Spinne, doch nayiiHHa (nicht naByrana) oder nayXHHa
Spinnengewebe.
neüexaTBiil 11. in der Bedeut. flockig. cBHir ne^exaTtiä Schnee,
der in grossen Flocken niederfällt.
ncTpo E.n.jT. Wiesenknarrer, Wachtelkönig, Crex pratensis.
B Ä. npHroBopioioTL nacxysH: »nexpe! nexpe! tohl tsm! khii;-khi]; ! «
— a B n. : »nexpe 1 i^at r'pox ! — nexi^e, 6oöbi-m s^ox! — ne SAiixan !
nontixää!« — r'pox = pol. groch, ruth. ropox (sprich: horoch).
neu; 11. Ofen gen. masc. genit. neu;a. Die Form ist dem slovaki-
schen pec entlehnt; die in Ostgal. oft gebrauchte Form nen; genit. nei];a
ist polnisch: piec, pieca; ruth. ist: niq, genit. ne^n, gen. fem.
nHUJKBi Yq. Blutfedern. [äotvi.
niAKO-ioxB n. gen. masc. Wachtel, e^en niAKO.jroxb. ^sa ninKO-
ni^KOJioTLKO B. Wachtel, Coturnix communis, cf. hung. ruth.
n6Ano.ioxfl genit. nöAnojioxHxn.
niApeuiixfl JI. gen. neutr. aöo c^hhähkbi plur. taut. Ä. »xo,
jn,o npH -wm^eiijo aöo ^HHenio söia^a bIaxo^hx« Ueberkehr.
niÄxpaMHHu;;! Yc. Bufo variabilis, Wechselkröte (aa ähh KpBie ca
ni^ xpanaMH b xtia^n).
nin Ä. nonHK Yc. Küchenschabe, Periplaneta orientalis.
nJiecKaTiKa II, Rhodeus sericeus, Bitterling, Plättel.
nora^Ka Ä. Räthsel. Bi^ra^an mbhbi xy nora^Ky.
no^ajiG E. in der Bedeut. nahm ab, nojtBlBiLio (in der Krankheit).
CJiaöoMy loat noAajio der Kranke fühlt sich besser.
nojiOHB B. Wuhne, naöep boabi c no.ioim, naA nö.50Hey.
noneJB Y. Blattlaus, namentl. Aphis brassicae. noneJBi na Ka-
nycxBi.
nöpanoK Yc. Morgen. KpacHBiä nöpanoK schöner Morgen, ixu na
nöpaHKBi = ixH na panHy poöoxy.
nopoxHiiBKa Ä. Kröte, Bufo.
nopxKBi B. aus grober Leinwand verfertigte Hosen.
npaxH n. in der Bedeut.: schlagen, klopfen, erschüttern, atoyna
no ^liepeni nepe der Specht hackt mit dem Schnabel an die Baumstämme.
npnnoMÄHyxH Y. gedenken, ins Gedächtniss zurückrufen.
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko. 525
npHxonHTH yc. AK npiixonHT Mopos wenn Frost plötzlich eintritt.
nxyKaBKa Ä. Turteltaube, Turtur auritus.
nyra II. Uhu, Strix bubo s. Bubo maximua.
nypxaBKa E. Kröte, Bufo.
p. pir Yc. in der Bedeut. sactK, Banse. cKJiaÄ^ BÖiata äo porä.
po3BHÄHHT CH 11. der Tag bricht an.
posnoBfcTH (pocnoBicTH) Ä. erzählen; umständlich erzählen.
pyMsp E. Hundskamille, Anthemis cotula.
pa6ei];i> II. Eberesche, Sorbus. genit. pfl6u,ib.
c. CBHHaK y. Gänsedistel, Sonchus »Mae 6ije mojiokö; Äoyxo
KBHTiie; rycH i CBHiii.i jii66.iiht«.
CLBiproTaTH y. zwitschern; zirpen. CLBipKfci cLBiproTyx.
cBBipK n. oder cBepmÖK II. Grille; Zirpe.
ceTHtiH n. hier in der Bedeutung: ausgezeichnet, gross, ausser-
ordentlich gross, vortreflFlich. ptiöa ceTiio BejiHKa = AJ^e Be.iHKa,
vergl, bnlgar. cbthlih der letzte, der äusserste. [chhhkli.
CHHHK y. Blaumeise, Parus coeruleus. MaJeneHKLiä nTäinoK plur.
CLipüBtiil Ä. graulich. cyKHO cbipaße.
CKaKlBKa E. Frosch; Laubfrosch, plur. cKaiciBKLi.
CKepHmaHKa II. Tannenhäher, Nucifraga caryocatactes , cf. bb-
pemaiiKa.
CKJiio^iHTH ca E. sich zusammenrollen. cKjiiOTfflT cä yceHHitH die
Raupe rollt sich zusammen.
cKopTHLiH JE. wählerisch; schlau »nepeöirjiLiH«. [BH^fl«.
CMOJiä yc. in der Bedeut. Harz. »cMOjra — ^eKaAti Käa^yx: 3kh-
CMOJiÄKti E. Kienspäne, cKHnKBi cochöbbi. Nom. Sing. cMOJiaK.
CO 6! iE. = na jimbo; qa! = na npaBO (K^iH^iKa ao bojib, hk no-
raHÄx).
cnjtacHyTH T. abnehmen (v. d. Geschwulst), cnjidcia Horä die
Geschwulst am Fusse nahm ab.
CnpÄTäTH E. CXOBaTH.
CTHpaHKa y. saTHpKa.
cyqe mojokö E. Wolfsmilch, Euphorbia.
T. xapKay n. Misteldrossel, Turdus viscivorus.
xepHHHe yc. (statt der zu erwartenden Form: xepHHHa) Früchte
von Prunus spinosa, Schlehenfrüchte; bei den Lemken : xspiai (in ein-
zelnen Fällen zeigt sich bei den Subst, die vermittelst des SuflF. -hk
gebildet werden, der Einfluss des doliscben Dialektes).
526 !• Werchratskij, Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko.
TBipBaxH Ä. dauern, Ttipßajio = Tpisa^io.
Toa: y. auch. xaKe slijih: Toat na chho KBHXHe.
xpöxH He yc. fast. cKiÄHKa xpöxti ne nöyna.
xpacHAyna 11. Bachstelze, Motacilla.
*. <»fcipKajio ajifcöö *yKajio yc. Kreisel.
X. xapHXH E. ^iHcxiiTH, reinigen. BtixapnxH. BtixapnxH jTc den
Wald ausroden, xapniext. genit. xapHOcxn Reinheit; Ordnung.
XLiXBäHHLiii yc. schwächlich (cf. XHxäxn, XHxäxH ca). XHXBaHHe
xejiK schwaches, mageres Kalb, metaph. xHXBäHHLiS ^ojiobIk ein
wankelmüthiger Mensch.
XpyCXaBKtl y. HCBe-IHKM CJHBKU OKpyTJlaBtl.
JH. i^H.ii B. oder, pol. czyli.
i];fciBä eigtl. Röhre. xaK .ihjIO hk c i^lib B. = jikjio hk c n;66pa
(vom starken Regenergusse).
iliblnoyKa Ä. Hühnlein, Küchlein, cf. russ. i^Lin.ieHOK'L.
i^toci! i^locb! JI. Lockruf der Pferde.
^. ^a^ypKa a6o KOJiÖAKa B. »3 — 5 roplxlB .ibicKOBUx b Kyrri«
3 — 5 Haselnüsse, die zusammen auf demselben Zweige sitzen.
^iBaKaxH yc. (vom Geräusch eines fressenden Schweines). ^iBäKax
CBHHÄ.
^enepräxLiH yc. gabelig verästelt, uenepraxa rajysa Gabelast.
^eneprai. ^entipray y. Fledermaus.
TiepB0HHi];fl yc. rothe Thonerde.
m. mHJOBaxLiä B. pfriemenförmig, spitz zulaufend. ));i;yHLKa nw-
coK Mae mHJOBaxLiSmHH, Hti»: ajiei^«.
mHMxiixH (kojio B.) kitzeln, bih mnMXHX erö er kitzelt ihn, bIh
jiocKÖ^ie erö,
m,. mnnajtKa yc. Ohrwurm, Forficula.
niiHnajo yc. Krebsscheere. paK miin.ie n^imajaMH.
n. amepKa B. yc. amipKa 11. Ä. Nom. Plur. amipKLi Erdmolch,
Salamandra (in den meisten Gegenden Ostgaliziens wird die Eidechse,
Lacerta, mit dem Namen amipKa bezeichnet, während ainyp Salamandra
bedeutet).
/. Werchratskij.
527
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben,
mit besonderer Berücksichtigung des Gedichtes »Zä-
hofoYo loze«.
Ein Beitrag zur Geschichte der neucechischen Prosodie und Metrik ^ von
Jaroslav Sutnar.
Ein besonders grelles Licht wirft auf den fast ganz anarchischen
Zustand des accentuirenden cechischen Verses in vormärzlicher Zeit das
1) Mit der Geschichte der cechischen Prosodie beschäftigten sich vor
allem drei Schriftsteller : P. Veprek in der Abhandlung »Beiträge zur Ge-
schichte des Kampfes um das Princip der böhmischen Prosodie« (Siebzehnter
Jahresbericht der deutschen Staats-Realschule in Pilsen, 1890, 1 — 54), Ota-
karG. Paroubekin seinen Arbeiten »Z dejin ceskeho verse«(Dvacätä pätä
vyrocni zpräva o obecnim gymnasii realnim . . . [niestsk^ stfedni skole]
V Praze za skolni rok 1892, 3 — 39) und »K dejinäm ceskeho verse« (Dvacätä
sestä [Prvni] vyrocni zpräva o c. k. stredni skole na Male Stranö v Praze za
skolni rok 1893, 3 — 63) und Josef Kr äl in dem Aufsatz »0 prosodii ceskö«
■Listy filologick6. Rocnik dvacäty [1S93] 52—114, 190—215, 337— 35S, 417—
433. Roc. dvacäty prvni [1894] 1—35, 161—192, 241—265, 321—353,401—448.
Roc. dvacäty druhy [1895] 33 — 65 [K clnnosti Jungmannove v prosodickem
sporn. Dodatky k clänku »0 prosodii ceske»], 238 — 244 [OdpoveJ' Osvetej.
Roc. dvacäty treti [189G] 1—33, 161—178, 241—258, 381—444. Roc. dvacäty
ctvrty [1897] 15-28 [Doplhky a opravy k pojednäni »0 prosodii cesk6"].
Roc. dvacäty päty [1898] 1 — 73 [0 prizvucnem napodobeni starovekych roz-
merü casomernych. Prosodie ceske cäst druhä]). Von den hier noch weiter
in Betracht kommenden Arbeiten strebten die Studien: Otakar Hostin-
sky's »Nekolik slov o ceske prosodii« (Kvety, 1870, 371 f.) und Josef Dur-
dik's »Opomöru obou prosodii ceskych« (Casopis Musea krälovstvi Öeskeho,
1878, 58—78] die Lösung des prosodischen Streites au, während die Abhand-
lungen: Josef Jirecek's »Staroceskä prosodie a jejl zvlästnostio (C. M.
k.Ö., 1861,320—342), Josef Truhlär's »0 prosodice ceske« ;6.M.k.Ö., 1871,
141 — 155), Jaroslav GoH's »0 ceskem versi desetislabicndni« ,6. M.k.Ö.,
1871, 246 — 257) und V. Kotsmich's »Pirispevek k rhythmice staroceske«
(X ty program c. kr. vyssiho gymnasia slovanskeho v Olomouci, 1879, 1 1 — 18)
mit besonderer Berücksichtigung der altcechischen Denkmäler — mehr oder
weniger unter dem Einflüsse der Königinhofer und Grünberger Handschrift —
zur Beleuchtung der prosodischen Frage beitragen wollten. (Der altcechi-
schen Metrik wenden sich zu Julius Fejfalik's »Untersuchungen über alt-
528 Jaroslav Sutnar,
obengeuannte Gedicht Erben's, welches erst 18o3 in der Sammlung
»Kytice« erschien, obwohl es — einem Schreiben Erben's zufolge —
gleich allen darin enthaltenen Dichtungen schon einer weit früheren
Zeit entstammt 2]. Das Metrum dieser Dichtung macht nämlich auf den
modernen Öechen den Eindruck eines unlösbaren Räthsels dank den
Aenderungen, welche bei der damaligen accentuirenden Prosodie be-
reits in den ftinfziger Jahren eintraten und nach und nach infolge einer
konsequenten Durchführung der Betonungsprincipien einen so durch-
greifenden Charakter annahmen, dass heutzutage selbst ein Literatur-
kenner manchen accentuirenden Versen aus dem vormärzlichen Zeitab-
schnitte rathlos gegenübersteht. Unseres Wissens wies als erster von
allen Jaroslav Vrchlicky mit einigen allgemeinen Worten auf die
metrischen Eigenthümlichkeiten dieser Erben'schen Dichtung hin 3),
später besprach denselben Gegenstand Lev Sole in einem besonderen
Artikel*), zuletzt unterzog Josef Kral gelegentlich seiner eingehenden
prosodischen Studien auch die Anfangsverse des Erben'schen Gedichtes
einer ganz kurzen Analyse ^). Entschieden falsch ist der Standpunkt,
welchen in dem einzigen Aufsatz über diesen Gegenstand dessen Ver-
böhmische Vers- und Reimkunst« [Sitzungsberichte der philosophisch-histo-
rischen Klasse der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (Wien). Neun-
undzwanzigster Band (1859) 315 — 330 (I. Die dreitheilige lyrische Strophe im
Altböhmischen. Lieder und Leiche). Neununddreissigster Band (1862) 281 —
344 (IL Die dreitheilige lyrische Strophe im Altböhmischen. Zweite Abhand-
lung. Das Kirchenlied insbesondere)]).
-) Unter den in der Musealbibliothek des Königreiches Böhmen befind-
lichen Briefen unseres Dichters heisst es nämlich von der Gedichtsammlung
(Brief 15 an Antonin Eybicka, vom 15. Februar 1853): ». . . exempläi-
bäsni, dilem sebranych, dilem dodelanych neb opravenych, kterezto ale
vsecky z one doby zivota meho pochäzeji, kdez jsem jeste mel chut' verse
stloukati . . .« (So weit man aus den bisher bekannten Nachrichten schliessen
kann, hat man hier ungefähr an die Zeit von 1830 bis 1843 zu denken.) Die
angeführten Worte sind — wenn auch nicht ganz wortgetreu — bereits ab-
gedruckt in Vincenc Brandl's Buche »Zivot Karla Jaromira Erbena«
(V Brne, 1887, 48).
3) »Kytice z bäsni Karla Jaromira Erbena. üpraveuä a illustrovana peci
odboru literärniho a vytvarneho Umelecke Besedy . . .« (Premie Umelecke
Besedy v Praze na rok 1891, VII— VIIL)
4) ))Jakym versem slozena jest Erbenova basen ,Zähorovo loze'?«
(Hlidka literarni. Rocnik X. [1893] 177—183.)
5) »0 prosodii cesk6« (L. f. Roc. 21. [1894] 428—429).
Prosodiaches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 529
fasser Sole einnimmt, indem er in der Dichtung überall unter gänzlicher
Ausserachtlassung der vormärzlichen Prosodie die jetzt fast allgemein
anerkannte zur Voraussetzung macht. Da man jedoch ein Erben'sches
Werk nur aus dessen Entstehungszeit erklären darf, so wollen wir in
den folgenden Zeilen nochmals das Versmass des erwähnten Gedichtes
einer Untersuchung unterwerfen, der vor allem eine kurze Geschichte
der cechischen Prosodie vorausgeschickt werden mag.
In der cechischen Poesie herrschten höchstwahrscheinlich seit der
ältesten Zeit die heute geltenden Betonungsgesetze, freilich mit ver-
schiedenen Abweichungen. Aber um die Mitte des XYI. Jahrhunderts
brachte der schon Ende des XV. Jahrh. auch in Böhmen aufgetauchte
Humanismus die Grundsätze der quantitirenden Prosodie in den cechi-
schen Vers. Das durch Jan Blahoslav (1558) eingeführte Zeitmass
erreichte nach dem gelungenen Versuche Matous Benesovsky's
(Psalmenübersetzungen [1577]) bald, und zwar durch Vavrinec Bene-
dikt Nudozersky's vollständiges System und musterhafte Psalmeu-
übersetzangen (1606), seinen Höhepunkt, so dass schon die Verse Jan
Arnos Komensky's (Ueb er Setzungen der Psalmen [um das Jahr 1630]
und der Catonischen Distichen [1662]) in prosodischer Hinsicht sammt
den Theorien Jan Drachovsky's (1660), Vaclav Rosa's (1672) und
Josef Ignäc Bajza's (1794) einen immer mehr um sich greifenden
Verfall des Zeitmasses bedeuten. Die quantitirenden Dichtungen waren
— mit Ausnahme der bereits genannten längeren üebersetzungen —
im Gegensatz zu den eifrig betriebenen Theorien die ganze Zeit hin-
durch recht schwach vertreten, hauptsächlich durch kleine Gelegen-
heitsgedichte, wogegen die weit zahlreicheren übrigen Dichtungen dem
— noch früher durch Nachahmung ungewohnter antiker Metren gleich-
falls in Verfall geratheneu — Tonmasse zufielen.
Da trat im Jahre 1795 Josef Dobrovsky an die Oeffentlichkeit
mit seiner prosodischen Theorie, der Frucht einer siebzehnjährigen
Arbeit, wodurch jener übergrossen Willkür in der Verskunst seiner Zeit
endlich Einhalt gethan werden sollte. Dobrovsky's Gesetze der cechi-
schen Betonung und der cechischen Prosodie erschienen in Frantisek
Martin PelzeTs »Grundsätzen der böhmischen Grammatik« (Prag) und
wurden später in einer kürzeren und noch fasslicheren Art von ihrem
Urheber selbst für die zweite vermehrte Auflage desselben Buches (Prag
1798) bearbeitet und stellenweise auch ergänzt. Hier entwickelt Do-
Arctiv für slavische Philologie. XXVII. , 34
530 Jaroslav Sutnar,
brovsky seine Lehre in zwei von einander getrennten Artikeln (»Von der
Aussprache ganzer Wörter« [9 — 12] und »Prosodie« [202 — 216]), von
denen im Folgenden ein kurzer Auszug gegeben wird.
I.
» [9] Die erste Silbe eines jeden böhmischen Wortes muss den Ton
haben, das ist, sie muss mit einem [10] vorzüglichen Nachdruck ausge-
sprochen . . . werden, wie in voda, hlava, bylina, pravidlo, holubicka.
Diesem Gesetze müssen sich auch die fremden Wörter, welche die
böhmische Sprache aufgenommen hat, unterziehen, als natura, lucerna,
kometa, kanovnik . . .
Der Grund dieses Gesetzes ist in den einfachen Wörtern kein an-
derer, als die Wichtigkeit der ersten Silbe, die ... zugleich die Stamm-
silbe ist . . . und die Hauptidee ausdrückt . . .
11 1] Dieses Hauptgesetz erstreckt sich durchaus auf alle Wörter,
sie mögen einsilbig, zwei- oder dreisilbig sein: dub, sloup, zena, panna,
kräsa, pächati, sedati, milostivy, dobrotivost, kralovati, welche Wörter
alle den Ton auf der ersten Silbe haben.
Die Biegung eines Wortes ändert an dem Tone nichts. Also syn,
syna, synovi, synüv. Die Stammsilbe syn behält überall den Ton.
Die Ableitung ändert auch an dem Tone nichts: Pän, pansky,
panstvi, panuji . . .
Allein die einsilbigen Präpositionen, sie mögen mit dem Worte zu-
sammenhängen oder nicht, reissen den Ton an sich. — Die Silbe de in
d^lati hat den Ton; verliert ihn aber in dodelati, nadelati, zadelati. —
... So wird aus däti, bräti : dodati, prodati, nabrati, sebrati. — ... So
wird aus päd: näpad, zäpad.
Die Partikel ne, nicht, reisst auch den Ton der Wörter an sich,
denen sie angehängt wird, als in [12] nedal, nevidel, nejsem, nemäm,
von dal, videl, jsem, mäm ^).
6) Etwas übersicbtlicher und eingehender iu Dobrovsky's »Ausführ-
lichem Lehrgebäude der böhmischen Sprache, zur gründlichen Erlernung
derselben für Deutsche, zur vollkommenem Kenntnis für Böhmen« (Prag,
1809, 10—11): «[10] Wenn . . . durch die Verbindung einer Präposition oder
einer andern Partikel am Anfange eines Wortes die erste Silbe von ihrer
Stelle kommt und nun die zweite odpr dritte Stelle einnimmt, dann verliert
sie auch [1 1] den Ton, weil ihn die vorgesetzte Partikel bekommt. In nemoc,
neduh, . . . ntsiesti, . . . nemoudiy, . . . nejlepsi, . . . praded, . . . podvod, . . .
zapomenouti ... hat die zweite Silbe nicht mehr den Ton, ob sie ihn gleich
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 531
Die einsilbigen Präpositionen reissen auch vor den Substantiven
und Adjektiven den Ton an sich, wenn sie auch mit ihnen nicht zu-
sammengeschrieben werden : na hrad, pred casy, pod stromern, za le-
sem, do pekla. Der Ton liegt auf den Präpositionen: na, pred, pod,
za, do . . . ■')
Die zwei- und mehrsilbigen Präpositionen lassen den Wörtern, vor
denen sie stehen, ihren Ton, als: proti pänu, podlö reky, uprostred
domu, wo die Wörter pänu, reky, domu ihren Ton behalten.
Dies gilt auch von den vier einsilbigen Präpositionen skrz, die,
krom, bllz . , . « 8)
II.
»[204] Regeln für die trochäische Versart.
1. . . . alle zweisilbigen Wörter sind Trochäen, -'-^: Släva, dala,
skocil, skäkal, boure, müra . . ., ... milä, dävä, chrämich, kousi, budon,
prävüm, kraväm . . .
als erste Silbe in den einfachen Wörtern moc, duh, stesti, moudry u. s. w.
hatte«.
■i) In Dobrovsky's »A.Lehrgebäude d.b. S. ...« wird (11) die Regel ganz
deutlich und mit Recht auch auf die Für- und Zahlwörter ausgedehnt, wie
man aus den dort angeführten Beispielen ersieht: ». . . o-tom, . . . u-neho,
. . . ve-stredu, . . . po-poli, . . . na-nebi, . . . ze-zeme, . . . se-vsemi, . . . ke-
vsemu, . . . ob-den, . . . od-nich, . . . bez-ruky, . . . pod-nohou, . . . nad-hlavou,
. . . pri-zemi, . . . pro-tebe, . . . pred-nimi, . . . pfes-vodu . . .« Uebrigens sind die
Fürwörter schon bei Pelzel in dem zweiten Artikel »Prosodie« (207) enthalten
unter den Beispielen : «... na-dnm, pres-led, pod-krov, pfed-nej, pred-nim. . .«
8) Etwas abweichend wieder in Dobrovsky's »A.Lehrgebäude d.b.S....«
(11): ». . . skrz, krom . . . und . . . die . . .« Nach Kräl, welcher die bisjetzt
ausführlichsten Regeln der cechischen Betonung geliefert hat (L. f. Roc. 25.
[1898] 19 — 39), freilich — nach seinem eigenen Geständniss — vielfach auf
Grundlage der Ausführungen Jan Gebauer's in der »Historickä mluvnice
jazyka ceskeho« 'Dil L 572 — 585), kommen ausser den drei genannten Prä-
positionen noch kol und stran in Betracht (30); bei den ersteren Präpositionen
wird eine Ausnahme — nicht allzu häufig — unter den folgenden Bedingun-
gen gestattet (30): »Chce-li vsak kdo klästi na slovo hlavni ve vyrazu pi-ed-
lozkov6m vetsi düraz, nez jaky v sobe obsahuje prizvuk obvykly, zträci
predlozka ve vyrazu predlozkovem prizvuk a pi^epousti jej slovu hlavnimu.
Rikäme casto: »Kdo neni spokojen se scyyn jmenim, bazi po cizim« (ac Ize
tez pirizvukovati se svym). Zvläste pf i predlozkovych vyrazech, jez jsou sobe
protivny, uzivä se takoveho pHzvukoväni : »Jdu do velkeho, ne do maUho
pokoje . . .«
34*
532 Jaroslav Sutnar,
[205] 2. Da ein dreisilbige3 Wort den Ton der ersten Silbe nie
verlieren kann, so muss darauf immer ein einsilbiges Wort folgen, um
zwei Trochäen zu erhalten . . . Hier bekommt also die dritte Silbe den
metrischen Ton, und jedes dreisilbige Wort ist ein Kretikus oder Am-
phimacer -^- in der trochäischeu Versart 9). Man muss aber, wenn
die dritte Silbe den metrischen Ton haben soll, nicht gleich darauf ein
Wort folgen lassen, welches einen vorzüglichen Ton hat, der nicht ge-
schwächt werden kanu. In dem Verse: Posledni krok zlj'ch a dobrych
lidi . . . wird krok, welches als ein Substantiv neben seinem Adjektiv
den Ton nicht verlieren kann, zu sehr ge[206]schwächt. Nach meinem
Gehöre müsste posledni krok — ^^— skandiert werden. Ebenso würde
ich nevyhräl nie, nemluvi nie, nicht gern für zwei Trochäen gelten
lassen . . . [Es] sind daher in folgenden zwei Versen :
Ach müj mily I zehnej te Buh !
Jiz so bere ode mne duch,
die letzten zwei Trochäen fehlerhaft.
3. Ein viersilbiges Wort gilt für zwei zweisilbige, macht also zwei
Trochäen aus . . . ^^)
Bei fünf- und mehrsilbigen Wörtern muss man nur auf den Ton der
ersten Silbe acht haben, damit er nicht verrückt werde . . . ^^)
4. Zwei einsilbige Wörter, wenn sonst beide des Tons gleich fähig
sind, gelten für ein zweisilbiges; sie machen also einen Trochäus aus:
Prach jsi, kdo je. Pänbüh, . . . jestli, kdyby, . . . ne [207] mäm u. s.w.
werden sogar ... im Schreiben verbunden . . .
9) Nach Kral (L. f. Roc. 25. [1898]) besitzt im Gegentheil jedes drei-
silbige Wort neben dem Hauptton auf der ersten einen regelmässigen Neben-
ton auf der dritten Silbe (24), aber vor einer betonten Silbe wird es durch
Verlust seiner Nebenbetonung zum Daktylus (38). (Vgl. die späteren »Regeln
für die daktylische und aus Trochäen und Daktylen gemischte Vers-
arten« 1 !)
10) Auch nach Kräl (L. f. Roc. 25. [1898]) besitzt jedes viersilbige Wort
ausser dem Hauptton auf Jer ersten .einen regelmässigen Nebenton auf der
dritten Silbe, welcher jedoch hier und da auf die vierte übergehen kann
;24— 26). (S. die späteren »Regeln f. d. d. u. a. T. u. D. g. V.« 2 !)
11) Nach Kräl (L. f. Roc. 25. [189S] haben alle fünfsilbigen Wörter in der
Regel das Mass — ^^-^, nur ausnahmsweise auch —'^-^— (26 — 29) und
vor einer betonten Silbe —^-\yu (38); alle sechssilbigen Wörter besitzen
nach demselben in der Regel das Mass — <- - ^ - ^, nur ausnahmsweise auch
-^s^-^_ (29) und vor einer betonten Silbe -^^-^v,/ (3S),
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 533
Sind beide Wörter von gleicher Wichtigkeit, so steht es bei dem
Dichter, welchem er den Vorzug geben "will: Muc, bi, oder auch: bi,
muci2].
Sonst gebe er dem wichtigern Worte den ersten Platz. Anstatt:
Nepohnet' se list bzu . . . würde ich lieber bzu list setzen . . .
Wichtiger aber sind überhaupt
a) die Substantiva als die Pronomina possessiva und demonstrativa :
müj, tvüj, ten. Man setze also, wenn man Trochäen braucht: Pän tvüj,
Buh müj, mec ten, und nicht tvüj Pän, müj Buh, ten mec, weil tvüj,
müj u. s. w. vor Substantiven ihren Ton verlieren. So ist in dem Verse :
Hrob ten reka udatneho kryje . . . die Stellung: hrob ten gut gewählt.
b) Gewöhnlich haben auch die Substantiva den Vorzug vor den
Adjektiven und andern Partikeln. So haben in den Versen: foci jak
hrom ze sta del, . . . Az smrt zlä ji ukoji, . . . hrom, smrt, nicht die
rechte Stellung.
[208] c) Selbst die Pronomina primitiva verlieren ihren Ton vor
einem einsilbigen Verbo und vor dem Bestimmungsworte säm: ja chtel,
ty mäs, on säm, sind also . . . Jamben. Das Hilfswort: jsem, jsi, jest,
macht hier eine Ausnahme: ja jsem, ty jsi, on jest, sind Trochäen. Es
hätte also ... in dem Verse; Od kteröho jest ziv v svete, das Adjektiv
ziv dem Hilfswort jest vorgesetzt werden sollen. So müsste es auch . . .
anstatt Jest sit' na jich pejchu kladena, heissen Sit jest u. s. w.
5. Zwei einsilbige Wörter, deren ersteres des Tons unfähig ist, das
zweite aber den Ton hat, sollen nie als ein Trochäus gebraucht werden.
Unfähig des Tons sind :
a) Der verkürzte Dativ und Accusativ der Pronominum: mi, me:
ti, te: mu, ho: si, se.
b) Die Konjunktionen: a, i, ze, at', nez u. s. w. und die meisten
andern einsilbigen Partikeln: ci, snad, az, jiz, pak u. s. w. i3). Man be-
frage einmal sein Gehör, ob man : az sem, . . . nez ja, ci ty, i my, jiz ne,
nach der richtigen Aussprache wie -"-^ skandieren könne. Daher ist in
den Versen :
12) Zu dieser Stelle bemerkt Kräl (L. f. Roc. 20. [1893] 198—199) richtig :
»[198] . . . Muc, bij 1 hij, muc nemüze . . . byti ani trochej ani jamb ani vubec
jediny takt, nybrz json to takty dva - | -, jezto obe [199] slova jsou stejne
düraznä . . .«
13) Nach Dobrovsky's »A.Lehrgebäude d. b. S. . . .« (12) schliessen sich
ihnen noch an die Wörter: by, ni, li.
534 Jaroslav Sutnar,
Pro tebe bych si jen pf äl
düstojenstvi, . . .
Ze mne pfivedl k zdravi, . . .
[209] die Versifikation fehlerhaft, weil si jen, ze mne, nach der Regel
keine Trochäen sind. Man gebe den Wörtern folgende Stellung:
Pro tebe jen bych si pfäl,
Mne ze pirivedl k zdravi,
so ist nichts daran zu tadeln.
a) Doch sind ted', tu, tarn, zde, sem, des Tons fähig, ... so auch
kde, kdy.
b) Wenn aber zwei des Tons unfähige Wörter neben einander
stehen, bekommt das erste den metrischen Ton: az mu, az ho, jiz mi,
at' mi, nez mu, jiz pak, -^; kdyz jsem pfisel -^-^ ... — Daher ist
in dem Verse : Az se oudy srekly, nichts auszustellen, weil die Partikel
az vor se wenigstens den metrischen Ton haben muss ; wohl aber dem
folgenden Ze jho tezk6 dost jiz dlouho vlekly, weil die Partikel ze als
des Tons unfähig vor dem Substantive jho nicht einmal den metrischen
Ton haben kann ; man setze also Tezkö jho ze dost u. s. w. «
»[209] Regel für die jambische Versart.
Man gebe dem Trochäus einen einsilbigen Vorschlag: Jiz dävno,
^|— ^. Da aber die unbetonten Partikeln in längern Gedichten dazu
nicht hinreichen würden, so ist es wohl erlaubt, auch solche einsilbige
Wörter, die sonst den Ton haben, ihn aber vor [210] dem stärkern Tone
der zwei- oder mehrsilbigen Wörter verlieren, hier zu gebrauchen. Bei-
spiele guter Jamben . . . :
Ty s nebe, Pane nad nebesy vsemi !
dest' rosis na vyprahlou sluncem zemi ;
a ona z lüna propnjcuje sveho
vsem zivocichüm, kdo co zädä, vseho.
Tut' trävu skot, a lide berou zeli,
chlöb pro posilu, vino pro veseli . . .
Doch sind folgende zwei Verse I ten lid zdejsi, . . . Hlas müj i harfa
zni . . . einer Verbesserung fähig. Es müsste nämlich . . . heissen: I lid
ten zdejsi, Müj hlas i harfa.«
Pro8odische3 und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 535
»[210] Regeln für die daktylische imd aus Trochäen und
Daktylen gemischte Versarteu.
1. Jedes dreisilbige Wort ist, nach dem Gesetze des Tones, . . . ein
Daktylus, -^^ , . .
[211] 2. Viersilbige Wörter, da sie doch nicht immer vermieden
werden können, bekommen nebst dem natürlichen Tone der ersten noch
einen metrischen auf der vierten Silbe . . .
3. Man vernachlässige in daktylischen Versen den Ton der einsil-
bigen Wörter nicht. Es gibt Stellungen, wo sie ihn nicht verlieren kön-
nen. Ich würde . . . anstatt musim pryc, weil pryc betont ist, lieber
musim jiz gesetzt haben. In dem Verse: Vzdychala. On byl rad, ze
mel jiz prst, . . . [können^ on byl räd, ze mel jiz . . . nicht -•^•-^ . . .
skandiert werden.
4. Wählt man aber eine Versart, worin die Daktylen mit den Tro-
chäen abwechseln, so sollten die viersilbigen Wörter nur als zwei Tro-
chäen gebraucht werden . . .(c
Unter entschiedener Verurtheilung des Zeitmasses im Cechischen
setzte Dobrovsky als erster mit vielem Scharfsinn auf Grundlage der
unverdorbenen Volksaussprache die richtigen Regeln der cechischen
Betonung, nämlich des Haupttones, fest, denn zur eingehenderen Kennt-
niss der Nebenbetonung hatte er sich noch nicht durchgearbeitet. Jedoch
besass er sicher auch von dieser eine dunkle Ahnung und wollte dieselbe
höchstwahrscheinlich bei den vier- und mehrsilbigen, und manchmal
auch schon bei den dreisilbigen Wörtern, durch seinen willkürlichen und
je nach der gewählten Versart sich richtenden metrischen Ton ersetzen.
Ebenso schwebte diesem Sprachforscher auch die Satzbetonung vor, wie
man aus seinen eindringlichen Mahnungen bezüglich des Masses einsil-
biger Wörter deutlich ersieht, obwohl er von der Satzbetonung an keinem
Orte ausdrücklich spricht i^).
Die Betonungslehre Dobrovsky's wurde fast überall mit Beifall auf-
genommen, namentlich von dem ersten Dichterbunde (neben anderen
Sebestyän Hnevkovsky, Jan und Vojtech Nejedly), welcher
Ende des XVIII. Jahrhunderts nach dem langen Verfalle der cechischen
Literatur unter Antonin Jaroslav Puchmajer's Anführung zum
14] Zum ersten Male wird erst durch Jan Nejedly (1804) der Wortton von
dem Satzton (Redeton} und der Haupttou von dem Nebenton strenger unter-
schieden.
536 Jaroslav Sutnar,
Vorschein kam. Diese Schriftsteller brachten das System Dobrovsky's
— durch eine strenge Befolgung seiner Regeln von der Wortbetonung —
in ihren Gedichten zur fast allgemeinen Geltung, so dass man sich auch
des Zeitmasses damals nur recht massig bediente. Aber den Andeu-
tungen Dobrovsky's über die Satzbetonung wurde so gut wie kein Ver-
ständniss entgegengebracht. Auch bemühte sich bald unser Dichterbund
— hauptsächlich behufs Erlangung eines möglichst gediegenen accen-
tuirenden Hexameters — die Gesetze Dobrovsky's durch Berücksichti-
gung der Quantität in verschiedener Weise zu ergänzen und abzuändern
(Theorien J. Nejedly's und Puchmajer's), im Allgemeinen wurde jedoch
der Boden des Betonungsprincipes nur ausnahmsweise verlassen. Gegner
bekam die Lehre Dobrovsky's später an einigen Anhängern Rosa s,
darunter besonders an Josef Jungmann, aber die Stimme dieser Män-
ner fand vorderhand keinen entsprechenden Widerhall.
Eine wahre Umwälzung zu Gunsten des Zeitmasses führte jedoch
in der cechischen Prosodie ISIS ein in Briefform und anonym erschie-
nenes Buch herbei, die »Pocätkov^ cesköho bäsnictvi obzvläste prosodie«
(V Prespurku a v Praze), als deren eigentlicher Urheber offenbar Jung-
mann, als Verfasser die damals jugendlichen Dichter Pavel Josef
Safarik und Frantisek Palacky zu gelten haben. Im Gegensatz zu
Dobrovsky's rein wissenschaftlichen und kritisch nüchternen Ausfüh-
rungen enthält diese — sonst nach einem reiflich durchdachten Plan
ausgeführte — Schrift eine Reihe von sehr heftigen und höchst unge-
rechten Ausfällen gegen den greisen Begründer des Betonungssystems
und erhebt mit überschwänglicher Begeisterung und unter Hinweis auf
das Schriftthum Böhmens besonders im XVI. und XVII. Jahrhundert das
— angeblich mit Unrecht verkannte — Zeitmass nach griechischer Art
zur einzig richtigen slavischen Prosodie. Vor allem wird in diesem
Buche mit Hilfe verschiedener — scheinbar für das Zeitmass sprechen-
der — Gründe das Tonmass im Cechischen als blinde Nachahmung der
deutschen Prosodie schärfstens verurtheilt, worauf unter anderem die
Regeln des Zeitmasses zur Festsetzung gelangten.
Die wichtigsten Gründe gegen das Tonmass :
»[14] 1. Der Ton muss im Cechischen nicht immer auf der ersten
Silbe ruhen. — ... Ich habe mich . . . niemals genügend überzeugen
können, dass unsere so geschmeidige Sprache immer die erste Silbe ver-
stärken müsste, und nirgends, mag es die Länge, mag es die Position,
Prosodiaches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 537
mag es ein nachdrucksvoUerer Sinn i^), mögen es alle drei zusammen ei-
15) Was mit dem »nachdrucksvolleren Sinne« (»dukladnejsi smysl«) ge-
meint ist, versteht selbst der sonst so einsichtsvolle Fachmann Kräl — seinen
eigenen Worten zufolge — nicht ganz (L. f. Roc. 21. [1894] 13), indem er darin
Anspielungen auf eine Art Pathos erblickt (:»... Co ta slova znamenaji, neni
mi zcela jasno. Zd:l se, ze naräzeji skladatelö na patheticke mluveni, jimz i
pri obycejnem sprävnem vyslovoväni casto pHzvuk vedlejsi na ujmu pri-
zvuku hlavniho . . . se sesiluja. Tak na pr. ve vetäch »To je nesnesi<e/ne ve-
dro«, »Nevif/ano!« a podobnych pH mluveni zvläste pathetickem nepozby-
vaji sice slabiky prvni sveho prizvukn, ale slabsi pi-izvuk vedlejsi na slabi-
käch tel a da stjivä se silnejsim, nez prizviik prvni slabiky . . . Jest tu tedy
jak6si presu7iuti sily obou prizvukü, hlavnihn i vedlej'siho, ale slahiha prvu zü-
stävä i tu stdle prizcucnou«. Vgl. dazu noch L.f.Roc.25. [1898] 21, 22,28,29!).
Unserer Meinung nach wird mit jenen Worten verlangt, man solle ja doch
Rücksicht nehmen auf die Stammsilben in den entweder mit ein-
— j- ■■^'
silbiger Präposition (: 0-pravdu?; später auf Seite 18 der »Pocätkove«
^ w —
Po-dävä) oder Negationspartikel u. s.w. (Ne-citis?; später in Abschnitt 2
Ne-libäni; in einem Briefe Safarik's an Palacky [Osveta. Rocnik XXV. (1895
119] auch: Ne-libi) zusammengesetzten Wörtern. Im Gegensatz dazu
spricht wieder gleich der nächste Satz — übereinstimmend mit den auch von
uns citirten Ausführungen Dobrovsky's — offenbar nur von den einfachen
Wörtern (»Poccätkove«: »düklad« = Dobrovsky [I Satz 1] : »Nachdruck«:
»Pocätkov6«: »hiavni urceni smyslu« = Dobrovsky [I Satz 3]: »Hauptidee«;
»Pocätkove«: »dukladnejsi smysl« und später [in Abschnitt 3]: »smysl a
vÖtsi mluvy dukladnost« höchstwahrscheinlich = Dobrovsky: »Nachdruck«
und »Hauptidee« zugleich). Deutlicher geht übrigens die Richtigkeit unserer
Erklärung aus Abschnitt 2 (beim Worte nelibäni) hervor. Ganz zweifellos
wird sie jedoch durch die Rechtfertigung der accentuirenden Prosodie bei
den Deutschen (in Abschnitt 3), da bei diesen im Gegensatz zu dem — immer
auf der ersten Silbe ruhenden — cechischen Tone die Betonung den Wurzel-
silben zufällt (nicht uninteressant ist in dieser Beziehung auch die Unter-
scheidung zwischen zusammengesetzten und nicht zusammengesetzten Wör-
tern in den Regeln [Ausnahme 1] und ferner das auf Seite 69 der »Pocätkove«
w _ _
ausdrücklich als Zusammensetzung angeführte Wort zäkvetly).
Aehnlich dürfte auch ein anderer Satz aufzufassen sein, dessen Sinn
Kräl — wieder seinem eigenen Geständniss zufolge — gleichfalls nicht voll-
kommen erfasst hat. Auf Seite 16 f. der »Pocätkove« heisst es nämlich in
Abschnitt 3 auch: «... Tobe na pozor pfivedu . . . düstojnejsi moc duchovni
dukladnosti u starych Rekü a Latinikü, i nasich bäsniru, u pf. v onom Ko-
meniove distichu:
• Säm jediny sveta pän, nade vsim, pode vsim, skrze vsecko
[17] jda, svetu säm vecnä podpora p'evne stoji,
538 Jaroslav Sutnar,
fordern, die Stimme erheben dürfte. Opravdu? (--^) — Necitls?
(y--) — ... Ich bestreite zwar nicht, dass die erste Silbe, auf welcher
am meisten der Nachdruck und die Hauptbestimmung des Wortsinnes
zu ruhen pflegt, am häufigsten geschärft wird; aber auch davon . . . bin
ich vollkommen überzeugt, dass der Cechoslave ohne jede Versündigung
a pak plnost emfasi ve grammatickem a syntaktickem reci nasi skladu . . .«
und Kräl (L. f Eoc. 21. [1894] 16) bemerkt dazu: »Vypsal jsem schvälne misto
tote cel6, ponevadz se bez obalu musiin priznati, ze mu dobre nerozumim.
Neobratnosti slohovou stalo se docela nejasnym. Zvläst' nechäpu, co mini
skladatele tou »dustojnejsi moci duchovni dukladnosti u starych Kekü a La-
tinikü« a tou »plnosti emfasi ve grammatickem a syntaktickem reci nasi
skladu«. Zdä se, ze tuto, jako jinde, lesklä fräse nahrazuje jasnost myslenky,
ze skladatele vyjädrlli se proto tak nejasne, ze nejasny byl i jich näzor o
veci 8am6. — Z celeho vykladu [v odstavci 3.] zdd se, ze skladatele meli na
mysli toto. I kdyz versujeme casomerne, nedbajice prizvuku, pfece Ize
verse, jak toho smysl zädä, pronäseti dürazne s nälezitou emfasi, jako pH
versoväni prizvucnem. Je pravda, ze müzerae v casomernem versi, na pr. ve
vyse uvedenem hexametru, pronesti podle toho, jak toho zädä smysl, kazde
slovo s vetsim nebo mensim dürazeüi («s vetsi nebo mensi dukladnosti mluvy<',
jak by ifekli skladatele). Ale ovsem zase jenem, chceme-li zacbovati rhyth-
mus, se zanedbdnim prirozene vi/slovnosti, jejiz zanedbäni je nepripustn6 a
smesnö . . .'« Höchstwahrscheinlich hat nach den »Pocätkove«
ein quantitirender Vers dank seinen Wörtern mit ausserordentlich
langen Silben und ungewohnter Betonung wie auch dank der verdrehten und
gezwungenen Wortfolge etwas Feierliches und Würdevolles an sich
(»dustojnejsi moc duchovni dukladnosti«), wobei eine Reihe muth-
masslicher Emphasen entsteht: 1. »Emphasen grammatischer
Natur« (nach der Terminologie der »Pocätkove« sind die Ausdrücke: »ver-
stärken« [»zsilovati«], »die Stimme erheben« [»hlasu pozdvihnouti«], »schär-
fen« [»zostrovati«] gleichbedeutend mit dem Ausdrucke »den Ton geben«
[»pi-izvuk klästi«]; nach derselben Terminologie gehören in diese Kategorie
der grammatischen Emphasen offenbar vor allem die [hier nicht vertretenen]
Zusammensetzungen mit der Betonung auf der Stammsilbe und die [in un-
serem Distichon vorkommenden] Wörter mit Betonung auf einer tonlosen
\y ■■.y \y \y
langen Silbe: jediny, vecuä, stoji), 2. »Emphasen syntaktischer Natur«
(nach ebenderselben Terminologie haben wir hier offenbar zu denken an die
-^
Wörter: pän, vsim [zweimal], vsecko, säm mit Betonung auf langer Silbe und
mit vorangehenden Pyrrhychien : sveta, nade, pode, skrze [die letzten drei
sind Präpositionen!], svetu, an die ungewohnte Wortstellung : ^et/iw?/ sveta
pd?i mit eingeschobenem Genitiv und an die trotz ihrer Zusammengehörig-
keit durch die Diäresis von einander getrennten Wörter: vecnä 1| podpora).
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaroinir Erben etc. 539
an dem cechischen Geiste unter den oben erwähnten drei Bedingungen
jeder beliebigen Sil[15]be den Ton gibt . . .
Aber angenommen auch , dass der Ton immer an der ersten Silbe
haftet, kann man daher schon verlangen, dass er so selbständig ein
Mass, welches ihm widerstrebt, beherrsche? Das gebe ich nicht zu,
denn 2. dieser Ton ist in unserer Sprache nicht so stark, dass er durch
seine Macht alle folgenden Silben lähmen, oder sie gänzlich, wie bei den
Deutschen, zum Verschlungenwerden verurtheilen könnte. Bei uns
klingt auch in nelibäni (^ ) immer das libäni voller, und wahrlich
angenehmer, als das leere, augeblich betonte ne . . .
[16] 3. Das Tonmass verlangt bei uns weder der Sinn, noch ein
grösserer Nachdruck der Sprache ... — [17] Jenes ist auch sonst für
das Tonmass der Hauptgrund, der im Deutschen, nicht bei uns, Gültigkeit
hat: da ja schon der Widerspruch, dass die Deutschen die Wurzeln der
Wörter, die Cechen aber einfach immer die erste Silbe schärfen, und
doch beide auf einer und derselben Grundlage die Prosodie bauen sollen,
die Unwahrheit und Nachdruckslosigkeit einer von ihnen beweist.
4. Im Öechischen ist die Länge vom Tone nicht untrennbar, son-
dern ruht öfters ausserhalb des Tones. — ... Wollen wir . . . uns des
griechischen Masses bedienen, müssen wir sein Wesen, die Taktmessung,
durchweg beibehalten, sonst gibt es kein griechisches Mass . . . Dies
ist seine unumgängliche Bedingung: diese haben die Deutschen in den
Versen streng beobachtet, da bei ihnen die Länge nur auf eine betonte
Silbe fallen kann ; und sie können dieselbe daher getrost verwenden ;
auf diese haben wir in den neueren Gedichten nicht geachtet, und den-
noch wollen wir uns das griechische Mass aneignen . . . «
Die Hauptregeln der cechischen quantitirenden Prosodie :
»[67] I. Ein kurzer Selbstlaut macht die Silbe zu einer kurzen, ein
langer zu einer langen. Z. B. nebe ^^, kviti — .
IL Ein Doppellaut [ou, ij, yj, ej, aj, uj, oj: 60 — 61] macht die
Silbe zu einer langen. Z. B. näpoj — , dej -.
III. Ein Zusammenstoss von zwei, drei oder mehr Mitlauten macht
den vorangehenden Selbstlaut zu einem prosodisch langen:
1) im Auslaute des Wortes; z. B. ehrest - milost "^-'j
2) im Inlaute des Wortes; z. B. st'astny — ;
3) im Auslaute des einen und im Anlaute des anderen; z. B. od
n^ho -^^;
540 Jaroslav Sutnar,
4) im Anlaute des Wortes, wo es den Selbstlaut des vorangehenden
prosodisch verlängert ; z. B. co z toho? — ^^. ne v dorne -^^, kde
strach - ^.
Ausgenommen :
1) Die flüssigen 1 und r (r) mit einem Mitlaut vor sich lassen in
zusammengesetzten Wörtern die vorangehenden Selbstlaute mittelzeitig ;
z. B. zapfiti --^; in nicht zusammengesetzten bewirken sie Positions-
länge; z. B. posedläm '^ — , bydlo — '^.
[68] 2j Die Halbvokale 1 und r (r) bewirken, wenn sie nur einen
Mitlaut vor sich haben, keine Positionslänge; z. B. udrzim, ^^-; sonst
natürlich ja; z. B. postrc — ^.
IV. Die mit Hilfe von 1 und r (r) gebildeten Silben sind, wenn auf
den Halbvokal nicht mehr als ein Mitlaut folgt, kurz; z.B. dotrväm
^■^-•^ sonst lang; z. B. srdce-^«.
Diese prosodischen Regeln sind im Allgemeinen vernünftig, stellen-
weise von einer beachtenswerthen Selbständigkeit, obwohl sie ihren
Hauptzügen nach in den alten Traditionen wurzeln. Natürlich ist das
Buch ein blosser Anlauf zur prosodischen Theorie des Zeitmasses und
erschöpft lange nicht seinen Gegenstand. Es sollte zwar demnächst ein
ganz ausführliches System folgen, aber dazu kam es nicht.
Obwohl in dem nun um die Prosodie entbrannten Kampfe (1818 bis
1836) gegen das Zeitmass seitens der Tonmesser nur in einem einzigen
Falle (durch Hnevkovsky 1820) ein verhältnissmässig sachlicher Wider-
spruch mit erwünschter Ausführlichkeit erhoben wurde, wenn auch da
wieder nicht mit genügender Energie, so entsprachen trotz alledem die
quantitirenden Gedichte keineswegs ihrer Quantität und auch ihrer
Qualität nach dem — anfangs durch die rastlosen Bemühungen Jung-
mann's und seines Anhanges über das Betonungssystem davongetragenen
— theoretischen Siege des Zeitmasses (erwähnungswerth sind bezüglich
der Quantität Jan Holly's strenge Regeln [1S24] und Gedichte mit
sorgfältiger Prosodie). Dafür waren die »Pocätkove« von weittragendem
Einfluss auf die Prosodie der weit zahlreicheren accentuirenden Verse
der damaligen zweiten Dichterschule, namentlich die in den «Pocätkove«
ausgesprochenen und dann von den Zeitmessern im prosodischen Kampfe
überhaupt fleissig propagirten Grundsätze von der Verrückbarkeit und
Schwäche der cechischen Betonung (Beachtung verdient in diesem Zeit-
abschnitte Frantisek Cupr's massvoller Versuch zur Feststellung
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 541
freierer Regeln der accentuirenden Prosodie [1853]). Erst allmählich
seit den fünfziger Jahren nach Auftreten der dritten Dichterschule konnte
wieder dieser höchst unseligen Verwirrung durch eine Rückkehr zu der
einzig richtigen Lehre Dobrovsky's gesteuert werden. Gleichwohl blieb
im Allgemeinen das Zeitmass in der Theorie neben der accentuirenden
Prosodie dank dem damaligen prosodischen Kampfe noch bis heute mit
gleicher Berechtigung bestehen, eigentlich in der Praxis fast ausnahms-
los nur in den (prosodisch lange nicht fehlerfreien und einheitlichen)
Uebersetzungen aus den altklassischen Sprachen (dabei nennenswerth
die nicht ganz willkürlosen Regeln Frantisek Susil's [1861]), aber
auch gegen diese Verwendung des Zeitmasses Hessen sich in der letzten
Zeit schon Stimmen zu Gunsten der accentuierenden Prosodie hören ^^i^
Nachdem wir in dieser Weise eine kurze Geschichte der Sechischen
Prosodie (grösstentheils nach den Forschungen Kräl's) geliefert haben,
wollen wir nun in den folgenden Zeilen den prosodischen Standpunkt
Erben's einer eingehenden Prüfung unterziehen, wobei wir es natürlich
mit der einzigen ;im Toumass gehaltenen) Gedichtsammlung unseres
Poeten zu thun haben werden.
In der ersten Auflage der 1853 zu Prag erschienenen siKytice z
povesti närodniclm sind schon 12 Arbeiten enthalten: ytKyticev.
(K.), Ti)Tokladi( (Pok. ; entstanden nach Brandl [14] zwischen 1835 bis
1837, gedruckt zum ersten Mal 1838), ytSvatehni hosilev^ (S. k. ; nach
Quis [»Svetovä knihovna. C. 190 — 191 : Karel Jaromir Erben. Kytice
z povesti. närodnich. Literärne historicky üvod napsal Ladislav Quis(f.
V Praze, 1901, 9 — 11] entstanden zwischen 1842 — 1843, abgedruckt
16) Am entschiedensten spricht sich dagegen Kräl aus, welcher auf
Grund seiner in Gemeinschaft mit F. Marcs unternommenen physiologischen
Versuche die bedingungslose Unzulässigkeit des im Cechischen völlig ent-
behrlichen Zeitmasses nachweist (J. Kräl & F. Mares: »Trvani hläsek a sla-
bik die objektivne miry. Na zäklade fysiologickych pokusu . .. [Präce z fy-
siologicköho üstavu ceske university]«. L. f. Roc. 20. [1893] 257 — 290). Noch
drei Jahre vorher war selbst Kräl für die Verwendung des Quantitätsprin-
cipes bei Uebersetzungen aus den altklassischeu Sprachen eingetreten, weil
er annahm, dass sich sonst manches antike Metrum wegen Einförmigkeit der
cechischen Betonung gar nicht nachahmen Hesse, aber schon damals erblickte
er bei der gänzlichen Uunatürlichkeit des cechischen Zeitmasses nur ein
Nothmittel in diesem Zugeständniss (J. Kräl: »Reckä a rimskä rhythmika a
metrika ... I. Reckä rhythmika«. V Praze, 1890, 29—31, 38, 39).
542 Jaroslav Sutnar,
das erste Mal 1843), ->•> Polednice n (Pol.; nach Quis [8] entstanden um
das Jahr 1839, abgedruckt zum ersten Mal 1840), y) Zlatij kolovrat((
(Z. k.), y)StMry den<i (§. d. ; abgedruckt das erste Mal 1848}, y>Holou-
hekv (H. ; gedruckt zum ersten Mal 1851), hZähorovo lozea, ^)Vodnik^'~
(Vod.), ))Vrba(i (V.), y> Dcerina klethaa (D. k.), y^Vestkyne's. (Vest. .
Diesen Gedichten verdankt wohl Erben im Allgemeinen seinen hohen
Dichterruhm. Aber in der noch bei Lebzeiten des Dichters zu Prag
1861 publicirten zweiten Auflage derselben Sammlung mit dem etwas
geänderten Titel : TtKytice z häsni KarJa Jaromira ^7'bena«^'^)
kommen ausser dem Gedichte »Lilien (L.) in der Abtheilung r>Povesti
ndrodfitu noch 17 neue Arbeiten als » Pinne <( hinzu: nSirotkovo lüzko^i
(S. 1.; gedruckt das erste Mal 1837), »Vederv, y>Prvm mäj'ovä noc»
(P. m. n. ; abgedruckt zum ersten Mal 1860, vollständig erst in der be-
reits nach dem Tode des Dichters 1871 zu Prag erschienenen dritten
Auflage 1^), )) Pamia a mätiv- (P. a m. ; veröflentlicht das erste Mal
1841), riCizi host<.(^ (C. h. ; entstanden nach Brandl [11] um das Jahr
1834), y> Andel sträzce (V jedn^ besede 16ta 1840.)« (A. s.; abgedruckt
zum ersten Mal 1842 unter dem Titel »V ceskem bäle«), y>Smolnij vara
(S. V.; veröffentlicht das erste Mal 1834), t)Odc1iodis. (0.; entstanden
nach Brandl [12] 1836), nSbor pri otevrenl mest'anske besedy v Praze,
dne 1. ünora 1846« (S.), »Pe7'lovy vinek (Ku pamätce svatby stribrne
Jeho Velicenstva cisare Ferdinanda V., 16ta 1856.)« (P. v.), y^Kräl duchü
(Z Göthe)« (abgedruckt zum ersten Mal 1843), y^Pisen Illyrüv. TiQ
zp^vu dra. Demetra ,Grobnicko polje' v casop. Kolo, 1842« (P. J.),
y) Svatojanskä muska (Z illyrsk^ho)« (S. m.), »Zazdenä« (Z.), ))Tuzba
i"?) Erst hier erschien die Vestkyne in der längsten uns bekannten und
definitiven Fassung, auch die Svatebui kosile bekamen zwei neue Verse.
18) Deswegen bedienen auch wir uns in unseren Untersuchungen dieser
dritten authentischen Auflage. Darin wurden auch die Svatebui kosile wie-
der um zwei Verse gegenüber der vorigen Auflage vermehrt. — Die Samm-
lung (mit Ausnahme der »Pisne«) erschien übrigens auch in deutscher Ueber-
setzung: »Der Blumenstrauss von Karl Jaroiuir Erben... herausgegeben von
Dr. Eduard Albert«. (Wien 1900.) — An die dritte Auflage hielten wir uns
natürlich Schritt für Schritt (bezüglich der »Kytice«) auch bei unserer (ersten
kritischen) Ausgabe sämmtlicher poetischer Schriften des Dichters, die neben
einem Vorwort und einer Einleitung vom Herausgeber und der »Kytice« noch
alle übrigen verstreut erschienenen oder nur handschriftlich erhaltenen Dich-
tungen Erben's umfasst: »Karel Jarouiir Erben. Veskere spisy bäsnicke.
Vydäni kriticke. üsporädal Jaroslav Sutnar«. (V Praze 1905.)
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 543
divdi (Z finskeho)« (T. d.), »0/ilas ialmu 45.« (0. z. 45.), »Ohias zalmu
140.« (0. l. 140.).;
Um nun bei der Beurtbeilung der Erben'schen Prosodie möglichst
sicher zu gehen, müssen wir vorher noch bei allen Gedichten das Me-
trum — sammt Reimordnung und Strophenbau — feststellen; bei der
Gelegenheit soll zur Erhärtung unserer metrischen Angaben nach Thun-
lichkeit eine Reihe regelmässiger Verse mit abgeschlossenem Sinne citirt
und überall die Zahl der fehlerfreien Verse angegeben werden, wogegen
die andererseits vollzählig angeführten ganz regellosen Verse (reine
Jambenverse unter Trochäenversen, reine Trochäenverse und Daktylo-
Trochäen unter Jambenversen, reine Trochäen- und Jambenverse unter
Daktylo-Trochäen) schon jetzt ein beredtes Zeugniss von der Verfehlt-
heit der Prosodie unseres Dichters geben mögen. (Die einzelnen Un-
regelmässigkeiten werden später systematisch behandelt.)
Mit Bestimmtheit ist in folgenden Gedichten ein tro-
chäischer Rhythmus zu erkennen:
1 a. Trochäen-D reif üssler ohne Katalexis. Holouhek. Wir
begegnen hier durchgehends vierzeiligen Strophen mit der regelmässi-
gen Reimordnung abcb i'^), z. B. :
Od bileho dvora
po zelene louce 10
jede pekny panic,
pero na klobouce.
Byla svatba, byla,
hudba pöknö hräla:
on ji k sobe vinul,
ona Jen se smäla. — 40
Eine Ausnahme bilden zwei Strophen (Vers 1 — 4, 5 — 8) mit der Reim-
ordnnng aaba und zwei andere Strophen (Vers 65 — 68, 101 — 104) mit
der Reimordnung abab. Uebrigens können auch die Schlüsse (theilweise
Wiederholungen) in einigen ganz regellos verstreuten ungeraden Versen
als Reime aufgefasst werden: Vers 3, 21, 51 zu Vers 38, 40; Vers 13,
17; Vers 27 zu Vers 22, 24; Vers 25,45; Vers 33, 37 zu Vers 26,28;
Vers 29 zu Vers 1, 2, 4; Vers 53, 57 zu Vers 62, 64; Vers 69 zu Vers
65, 67. — Unter den 104 Versen im Ganzen sind hier nur 59 regel-
mässig — trotz des trochäischen Rhythmus, welcher der cechischen
Sprache so zusagt 1 Es gibt sogar 1 3 Verse von einem derart falschen
Bau, dass es eigentlich ganz regelrechte Jamben-Dreifüssler sind:
19) Eine Strophe (Vers 69—72) besitzt jedoch nur einen Halbreim
vrkä — pukä.
44
Jaroslav Sutnar,
sla tudy, plakala
3
tvä pisei ukrutnä
neb tudy aaposled
jej doproväzela. —
nez mesic uplynul,
rok jako hodina ;
8
27
58
a mezi vlnami
kde cesty pösiny
ji byti nem61o :
Jen kämen veliky
Tri roky minuly,
61
Vsak nelze kamenu
tak tMko lezeti,
79
95
99
102
AticUl sträzce. Dieselben vierzeiligeu Strophen findet man auch
da, und zwar mit derselben Reimordnung abcb. Ausserdem kann der
Schluss (theilweise Wiederholung) in einem ungeraden Vers (13) als
Reim (zu 10, 12) gelten. — Von den 16 Versen im Ganzen sind — trotz
des trochäischen Rhythmus! — nur 7 als regelmässig zu bezeichnen.
Ja 3 Verse sind wieder eigentlich regelrechte Jamben-Dreifüssler :
mä zlatä maticka, 2 | ze neviditelne 7 | muj mily bozicku! 16
Ib. Trochäen -Dreifüssler mit Katalexis. Das Metrum
kommt nur im Zlat'^ kolovrat vor, und zwar bloss im letzten Verse der
fünfzeiligen jambischen Strophen, in denen das Gedicht abgefasst ist.
(Der Vers ist mit Rücksicht auf die vier Takte der vorangehenden Verse
eigentlich als »hyperkatalektischer«20) Vierfüssler aufzufassen.) Einen
eigentlichen Reim gibt es bei diesem letzten Verse nicht. Es wird je-
doch auch hier eine Reihe von Versen vollständig (UI 15,20, 25; IV 40,
70; 45, 75; V 20, 30, 40^1); 25, 35) oder theilweise (IV 30, 60, 90)
wiederholt. — Im Ganzen sind unter den 63 Versen alle bis auf 6
regelmässig.
2 a. Trocliäen-Tierfüssler ohne Katalexis. PoMad. Das
Gedicht besitzt keinen Strophenbau, aber die Verse sind durchweg
20) So nach Kräl (»R. a r. rhythmika a metrika«, 1,112); nach Rudolph
Westphal (»Allgemeine Metrik der indogermanischen und semitischen Völ-
ker auf Grundlage der vergleichenden Sprachwissenschaft« . . . Berlin, 1892,
128) ist es ein brachykatalektischer vierfüssiger Trochäus mit männlichem
Ausgange.
21) Das Wort vrrr dürfte in den Trochäenversen V 20, 30, 40 dreisilbig
und mit Betonung auf der ersten Silbe als Daktylus zu lesen sein, wogegen
in den Jambenversen V 16, 26, 36 dasselbe Wort wahrscheinlich auch drei-
silbig, aber mit Betonung auf der mittleren Silbe gelesen werden soll.
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaroinir Erben etc.
545
gereimt — bei der mannigfaltigsten Reimordnung 22]. Bloss Tbeil V ist
abgefasst in (drei) vierzeiligen Strophen mit der Keimordnung abba
(erste und dritte Strophe) und abab (zweite Strophe), z. B. :
Dävno kostelicek zboren,
nmlkly jiz zvonka zvuky;
a kde nekdy stäly buky,
sotva jaky hnije koten. 4
Im Ganzen umfasst die Dichtung 516 Verse, wovon etwa 342 als regel-
mässig gelten dürfen, z. B.:
Tu, kde z divokeho klestu, I
od kostela tri sta krokü,
veliky cnel kämen v cestu,
CO se nyni jevi oku? 55
Jevi 86 tu zene, jevi
vchodem vrsek otevfeny —
vysvStliti sobe nevi —
kämen v cestii postaveny,
postavena celä skäla, 60
jakby od veku zde stäla.
»Jistö toto prst je bozi,
jenz näs obohatit zädä!«
Bere, befe ze hromady — 165
klin jiz plny, sotva vstävä,
jest6 V sätek sobe dävä,
tak ji mämi stribra vnady !
A kdyz jiz chce odtud jiti :
ach, zde jeste pacholete! 170
Jak je ke vsi tizi vziti?
A jak sini v jizbu speje : 195
»»Haha, mama! haha, mama!««
radostnS se dit6 smSje,
potleskujic rucinkama.
Nehodna-t6 stösti byla,
pozehnäm nenzila. 280
A kdyz prisla ke sklepeni, II
haha ! jake pohled6ni ! 20
haha ! z divokeho klestu
tri sta kroku od kostela
veliky cni kämen v cestu!
Ha, ty znaky zoufanlive,
üsta sinä nad mrtvolu !
Hie, jak pres to kfovi dive
bezi — pädi tamto k dolu !
»Beda, beda! zdet' to neni ! « 35
Nest'astnät' to z chfie Jena, III
vzdycky smutnä, vzdycky bledi,
vzdycky tezce zamyslena: 35
od räna az do soumraku
nikdy jasno v jejim zrakn,
v nocl pak zel späti uedä.
Auch da gibt es Verse, 17 an der Zahl, die zu regelrechten Jamben-
Vierfüsslern geworden sind :
22) Nur in Vers IV 41 finden wir einen Halbreim: dveri — Iezi(30) —
bezi (34).
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 35
546
Jaroslav Sutnar,
a ke vchodu az pokroci, I 73
krok za krokem — a ve skäle 90
mni uzHti Jen v nebesku ! 101
a zdali je zas polozi ? 150
A zdarenim tim smeiejsi : 152
i zhfesiti bych musela, 156
A k diteti se nakloni, 217
dva penize ven vytähne, 219
ö prehroznet to mämeni ! 276
»»Tu pod zemijsem, hluboko! «« II 44
Aj ! kdo znä ji, tu osobu III 13
Kdyz po svate vsak obeti 21
I desi se — vsak necekä, IV 32
a ve strachu a v nadeji 33, 49
tu po jizbe se ohlizi. 50
a ve strachu a ve plesu 87
Polednice. Hier begegnen wir wieder vierzeiligen Strophen mit
der Reimordnung abab, wobei regelmässig ein akatalekti scher Vers mit
einem katalektischen abwechselt, z. B. :
» Poledne v tom okamzeni,
täta prijde z roboty:
a mne hasne u vafeni
pro tebe, ty zlobo, ty ! «
Ke stolu se plizi tise
Polednice jako stin:
30
matka hruzou sotva dyse,
dite chopic na svüj klin.
Ve mdlobäch tu matka lezi,
k nadräm dite pf imknute :
matku zkrlsil jeste s tezi,
a vsak ditö zalknut6.
45
Unter den 48 Versen im Ganzen sind ungefähr 37 regelmässig. Auch da
kommen jedoch 2 Verse vor, die man wohl jambisch lesen möchte:
Nez; kohout, vüz i husärek 11 | A vinouc je, zpet pohlizi — 33
Vodnik I. Die hier verwendeten vierzeiligen Strophen mit der
regelmässigen Reimordnung aabb bestehen' aus zwei akatalektischen
Vierfüsslern 23) und zwei katalektischen Dreifüsslern (eigentlich — mit
Rücksicht auf die Taktzahl der vorangehenden Verse — hyperkatalek-
tischen Vierfüsslern). — Von den 16 Versen im Ganzen sind nur 10 als
regelmässig zu bezeichnen.
Vodnik IV. Hier begegnen wir achtzeiligen Strophen mit der
Reimordnung abcbddeb, wobei der zweite, vierte und achte Vers kata-
lektisch ist — zum Unterschiede von den übrigen akatalektischen Ver-
sen. Nur eine Strophe (Vers 17 — 24) besitzt die Reimordnung ababccdb.
23) In Vers 13 ist der erste Trochäus durch einen Daktylus ersetzt:
)Zelene saty, botky rüde.
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 547
Es wird auch da eine Anzahl der sonst reimlosen Verse gänzlich oder
theilweise wiederholt (27, 35, 43, 49; 33, 41; 47, 63). — Unter den
72 Versen im Ganzen sind etwa 53 regelmässig. Auch hier finden sich
jedoch 2 Verse, die zu regelrechten jambischen Vierfüsslern gewor-
den sind :
a pläce-li tve detätko, 55 | tim pläcem mi krev usedä: 62
Vrba. Diese Dichtung ist abgefasst in zweizeiligen und durch-
gehends gereimten 2*) Strophen, z. B. :
Bäno sedä ke snidani,
täze se sv6 mlade pani :
»Pani moje, pani milä!
vzdycky uprimnä jsi byla,
»vzdycky upfiüinä jsi byla — 5
jednoho's mi nesverila.
»Pani moje, milä pani!
jake je to tvoje spani? 10
»Vecer lehnes zdräva, svezi,
V noci tele mrtvo lezi.
»Ani ruchu, ani sluchu,
ani zdäni o tvem duchu.
» Student jest to tve telo, 15
jakby zprächniv^ti chtelo.
»Mocne slovo ohni käie,
skälu zdrti, draka sväze. 30
» Jasnou hvezdu strhne s nebe:
slovo mocne zhoji tebe«. —
»»Umi-ela tvä pani milä,
jakby kosou stata byla;
»»zdräva chodie pH sve präci,
pädia, jako atrom se skäci; 90
»»zavzdychala umirajic,
po ditku se ohledajic««. —
Im Ganzen umfasst das Gedicht 114 Verse, wovon 89 als regelmässig
gelten können. Aber es kommen auch da 2 regelrechte Jambenverse vor :
»a z detatka V tüz hodinu 95 | »»Az doroste hoch malicky, 111
Dcerina hletba. Hier hat man es mit fünfzeiligen Strophen zu
thun, von denen je zwei sich der ziemlich komplizirten Reimordnung
abaac|dbddc bedienen; zum Unterschiede von dem akatalektischen Vier-
füssler im ersten, dritten und vierten Vers und dem katalektischen Vier-
füssler im letzten Vers jeder Strophe ist der zweite Vers (abwechselnd
die Refrains: dcero mä? [I] und matko ma!) ein katalektischer Zwei-
füssler. (Eigentlich ist da — allem Anscheine nach — ebenfalls ein
[hyperkatalektischer] Vierfüssler [mit zweifacher Katalexis] zu lesen:
dcero mä? [1] und matko mä!). Als Beispiel soll angeführt werden:
2*) Es gibt sogar Mittelreime : ruchu-shichu — duchu (Vers 13 und 61);
V byli-sily — neomyli (Vers 25).
35*
548
Jaroslav Sutnar,
Coz jsi se tak zasmusila,
dcero mä?
coz jsi se tak zasmusila?
Vesela jsi jindy byla,
nyni prestal tob6 smich !
»Zabila jsem holoubätko,
matko mä!
zabila jsem holoubätko —
opustöne jedinätko —
bil6 bylo jako snih !«
10
Unter den 60 Versen im Ganzen sind nur 38 regelmässig. Auch hier
findet man 3 Verse, die zu regelrechten Jambenversen geworden sind :
»Oh! zabila jsem detatko, 16,18 | jenz chodival k näm de domu 44
Vecer. Das Gedicht besteht aus einer vierzeiligen Strophe mit der
ßeimordnung abab und zwei fünfzeiligen mit der gemeinsamen Reim-
ordnung ccddc|cceec. In der vierzeiligen Strophe wechselt ein akata-
lektischer Vers mit einem katalektisehen ab (vgl. Polednice), wogegen
in den fünfzeiligen Strophen der erste, zweite und letzte Vers katalek-
tisch sind — zum Unterschiede von dem akatalektischen dritten und
vierten Verse. Die prosodisch fehlerfreie Dichtung soll als Kuriosität
vollständig abgedruckt werden:
Tmi se, na klekäni zvoni,
sen sve zädä obeti;
hvezdy svetle jiskry roni:
srdce moje, jak je ti?
Vzhuru tarn bych stoupilo,
s hvezdami se spojilo;
s hury se hvezdami temi
na vlastenskou tuto zemi
rosne slzy ronilo !
Vzhuru tam bych stoupilo,
läsku k vlasti budilo:
srdcem räznym zvucnych zvonü
räzne v srdce millionü
synu ceskych ml'uvilo !
10
Panna a mäti. Hier begegnen wir drei vierzeiligen Strophen, von
denen die ersten zwei die Reimordnung abbc|addc besitzen — im Gegen-
satz zu der letzten Strophe mit der Reimordnuug abab (vgl. Poklad V,
Strophe 2 ! ). — Von den 1 2 Versen sind alle bis auf 2 regelmässig.
Trotzdem kommt auch da 1 regelrechter Jambenvers vor :
te rovneho nie nestävä — 7
Cizi host. Diese Dichtung ist in den vierzeiligen Strophen der
Polednice abgefasst (vgl. auch Vecer, Strophe 1 !), z. B.:
Hluk a zmatek — smichy mizi, 25
vsichni speji na pomoc.
»Kdo? kde jest muz onen cizi?«
Pryc — a venku tmavä noc.
Hudba opet, tance, kvasy —
zmizela vsak veselost : 30
odneslt ji na vse casy
mlad6 pani cizi host.
Unter den 32 Versen im Ganzen sind 23 als regelmässig zu bezeichnen.
Smolny var. Auch in diesem Gedichte begegnet man durchgehends
der Strophe der Polednice (vgl. gleichfalls Vecer, Strophe 1, und Cizi
hostl), z. B.:
Prosodißches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc.
549
Vzavsi jab'ko z ruky matce
laskuje si nevinne ; 10
beii jeste podivat se,
jak to viri v kotline.
Von den 16 Versen im Ganzen sind 12 Verse regelmässig. Auch hier
finden wir 1 Jambenvers :
näjablicko! aj pohledni, 7
Shor 1 — 12. Die hier in Betracht kommenden ersten drei Strophen
sind ebenfalls identisch mit den Strophen der Polednice (vgl. auch Vecer,
Strophe 1, Cizi host, Smolny var! . Alle 12 Verse sind prosodisch
fehlerfrei:
Zavzui plese po vsi Praze,
jednoty zde stoji chräm;
kdo ji choväs v dusi draze,
pristup sem a vitej nam!
Jedna duse v jednom t6le, \
jeden vsecky väie päs:
piritel stau se z nepfitele,
pak se postav mezi näs!
Bud' si velky, bud' si maly,
Jen kdyz cestnou mysl mäs,
srdce verne vlasti, kräli:
podej ruku, ty jsi näs!
10
Pisen Illyrtw. In dieser Dichtung begegnen wir sechszeiligen
Strophen mit der Reimordnung abcbdd. — unter den 24 Versen im Gan-
zen sind nur 15 als regelmässig zu bezeichnen.
Svatojanskä muska. Das Gedicht besteht aus vierzeiligen Strophen
mit der Reimordnung abab (vgl. Poklad V, Strophe 2 und Panna a mäti,
Strophe 3!), z. B.:
A tu V trävo a tu V kviti
na me stesti prostred sadu
kridlaty se hmyzek sviti,
zlaty zpredu, leskly vzadu.
Chytim jej, a jak me ziti
mihi mi ta muska mala,
25
neb jak sobe poraditi,
läska mä mi poseptala.
Zivy plamenek mi slouzi
za svici tu na papire,
a CO srdce zvedet touzi,
odhali mi male zvife.
30
Trotz-
Von den 56 Versen im Ganzen sind alle bis auf 9 regelmässig.
dem kommt auch hier 1 Jambenvers vor:
tu zasustne cos v okenku 7
Tuzha divci. Diese Dichtuug besitzt keinen Strophenbau; die
Reimordnung ist gleichfalls ganz regellos : aabcdceefgfhijjj. — Unter den
16 Versen können nur 9 als regelmässig gelten. Es findet sich auch da
1 Jambenvers:
nez opustim ja mileho, 14
2b. Trochäen -Tierfüssler mit Katalexis. Stedry den II.
In den hier vertretenen vierzeiligen Strophen mit der Reimordnung abcb
550 Jaroslav Sutnar,
wechselt ein katalektischer Vierfüssler mit einem akatalektischen Drei-
füssler (hier eigentlich brachykatalektischen Vierftissler) ab, z. B. :
Hoj, mne pülnoc nelekä,
ani liehe Vedy: 30
pujdu, vezmu sekeru,
prosekäm ty ledy.
Von den 36 Versen im Ganzen sind 28 regelmässig.
Stedry den IV. Hier begegnet man drei siebenzeiligen Strophen
(erste, zweite und vierte Strophe) und einer achtzeiligeu (dritte Strophe) :
Trochäisch sind in den siebenzeiligen Strophen die ersten vier und der
letzte Vers (die übrigen sind Daktylo-Trochäen), wobei der erste und
dritte Vers je eiuen katalektischen Vierfüssler und die übrigen drei je
einen akatalektischen Dreifüssler (eigentlich brachykatalektischen Vier-
füssler) enthalten — mit der Reimordnung abcb..b. In der achtzeiligen
Strophe sind trochäisch die ersten vier und die letzten zwei Verse (die
übrigen sind Daktylo-Trochäen), wovon der erste und dritte Vers wieder
je einen katalektischen Vierfüssler und die übrigen vier wieder je einen
akatalektischen Dreifüssler (eigentlich brachykatalektischen Vierfüssler)
enthalten — mit der Eeimordnung abcb . . bb. — Unter den 2 1 Versen
sind alle bis auf 2 regelmässig.
Stedry den V 8 — 24. Hier haben wir es mit drei vierzeiligen
Strophen (erste, zweite und vierte Strophe; und einer fünfzeiligen (dritte
Strophe) zu thun: Die vierzeiligen Strophen sind identisch mit denjenigen
des Stedry den H. Ein sonst reimloser ungerader Vers wird hier voll-
ständig wiederholt (12, 21). In der fünfzeiligen Strophe mit der "Reim-
ordnung abcbb bilden der erste und dritte Vers je einen katalektischen
Vierfüssler, wogegen die übrigen Verse je einen akatalektischen Drei-
füssler (eigentlich brachykatalektischen Vierfüssler) enthalten. — Von
den 17 Versen sind alle bis auf 1 regelmässig.
Vodnik III. In den hier vorkommenden vierzeiligen Strophen mit
der Reimordnung abcb wechselt ein katalektischer oder akatalektischer
Vierfüssler mit einem akatalektischen Dreifüssler (eigentlich brachy-
katalektischen Vierfüssler) ab, z. B. :
»»Neobjimej nikoho
z räna do vecera :
pred klekänim pak se zase
vratiz do jezera. 120
»»Od klekäni do klekäni
däväm Ihütu tobe :
avsak mi tu na jistotu
zustavis to robe.««
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 551
In manchen ganz regellos verstreuten und sonst reimlosen ungeraden
Versen 29) können wieder die Schlüsse (theilweise Wiederholungen)
als Reime gelten: Vers 1, 9; Vers 15, 95, 97; Vers 27, 29; Vers 37, 49;
Vers 61, 65; Vers 69, 89, 91; Vers 77, 81, 85; Vers 101, 105, 109.—
Unter den 124 Versen sind 95 als regelmässig zu bezeichnen. Auch da
gibt es 2 Jambenverse:
a ja bych se rads videla 31 | müj maly Vodnicku ! 38
3. Trochäen-Füuffüssler. Ohne Katalexis. Odchod. Diese
Dichtung besteht aus achtzeiligen Strophen mit der Reimordnung
ababcdcd, wobei immer ein akatalektischer Vers mit einem katalekti-
schen abwechselt, z. B. :
Divko, dfvko ! hodina mi bije,
doba temnä meho odehodu;
tezce Äcädra moje teskno kryje,
teskno odtud beru k pruvodu.
Mej se dobfe ! Az se po okoH 5
zlate rozevlaje sumny klas,
az ni jeho nebude jii v poli :
pak te spatfim, pak se sejdem zas.
Von den 24 Versen sind alle bis auf 4 regelmässig.
Ohlas zalmu 45. Das Gedicht bedient sich vierzeiliger Strophen
— mit der Reimordnung abab, z. B. :
Opäsej se mecem, reku jasny ! | Pravice tvä hroznä v svat6m boji,
prokaz düstojenstvi sve a slävu; 10 | ostre jsou i prudke tvoje stfely:
vypravy tve brane bud'te st'astny,
anat mysl k mirnosti a prävu.
närodove padnou k noze tvoji, 15
V srdce probodes sve neprätely.
Unter den 36 Versen im Ganzen können 28 als regelmässig gelten.
4. Trochäen-Sechsfüssler. Ohne Katalexis. Ohlas zalmu
140. Diese Dichtung besteht aus vierzeiligen Strophen — mit regel-
mässiger Diäresis nach dem dritten Versfuss und mit der Reimordnung
abab. — Von den 24 Versen sind nur 14 regelmässig.
Wir haben also gesehen, dass bei den trochäischen
V;ersen die Regelmässigkeit sehr ungleich vertreten ist. Es
gibt fehlerfreie Gedichte, und es gibt Gedichte, wo die
regelmässigen Verse kaum die Hälfte der Gesammtzahl aus-
machen. Im Ganzen sind unter den 1473 Trochäenversen
gegen 419 unregelmässig, wobei 48 zu regelrechten Jam-
benversen werden.
■^5) Akatalektisch sind im Ganzen: Vers 3, 5, 11, 17, 19, 21, 23, 25, 31,
33, 35, 39, 43, 47, 51, 53, 55, 57, 59, 67, 71, 75, 79, 83, 87, 93, 99, 103, 107, 111,
115, 119, 121, 123.
552 Jaroslav Sutnar,
Ein entschieden jambisches Versmass ist in folgenden
Dichtungen zu finden:
1. Jamben -Vierfüssler. Ohne Katalexis. Kytice. Hier
begegnen wir vierzeiligen Strophen, in denen die durchwegs miteinander
reimenden geraden Verse jambisch a^ind. — Unter den 12 geraden Ver-
sen sind nur 6 fehlerfrei.
Svatel)7ii kosile. Das Gedicht besitzt Iceinen Strophenbau, aber
alle Verse sind gereimt 26); Es reimen in der Regel je zwei Verse mit-
einander, nur in Vers 31—33, 64—66, 179 — 181, 298—300 sind je
drei und in Vers 194 — 197 vier Verse durch einen Reim miteinander
verbunden, z. B. :
Jii jedenäctä odbila,
a lampa jestö svitila,
a lampa jest6 horela,
CO nad klekadlem visela.
A on tu napred — skok a skok,
a ona za nim, co ji krok. 90
A on vzdy napred — skok a skok,
a ona za niru, co ji krok. 124
Von den 304 Versen im Ganzen können nur ungefähr 129 als fehlerfrei
gelten. Es kommen da sogar 4 reine Trochäenverse vor :
Hoj, mä paneuko, tu jsem jiz ! | »»Hoj, mä panenko, tu jsme jiz ! 192
Hoj, mä panenko, co deläs? 64 | —
— I Co niäs V uzliku, mä milä?«« 208
Zlaty kolovrat. Hier haben wir es bekanntlich mit fünfzeiligen
Strophen zu thun, in welchen bloss die ersten vier Verse jambisch 2')
26) Es kommen sogar Mittelreime vor: zvis-bliz — nebojis (Vers 97,
131, 167).
2") Der Zlaty kolovrat wird bei Kral unter denjenigen Gedichten Erben's
angeführt, welche Daktylen und Daktylo-Trochäen enthalten (L. f. Roc. 21.
[1894] 427). Wenn im Zlaty kolovrat wirklich ein Daktylus im ersten B^'usse
zu lesen wäre (nur das kann Kräl gemeint haben), so müsste man mit dem-
selben Rechte z. B. auch den Vers der Svatebni kosile daktylisch-trochäisch
lesen (d.h. mit Daktylus im ersten Fusse), was jedoch Kräl selbst nicht thut,
indem er dieses Gedicht kurz vorher ausdrücklich zu den jambischen zählt.
Wohl kann man entgegnen, dass im ersten Versfusse des Zlaty kolovrat beim
jambischen Metrum ungefähr 150 und beim daktylisch-trochäischen etwa 90
Unregelmässigkeiten zu finden sind (um die Hälfte mehr beim jambischen
Versmass), wogegen bei den Svatebni kosile in beiden Fällen sich ungefähr
dieselbe Zahl =150 ergibt. Aber die Höhe dieses Gesammtergebnisses ist
rein zufällig, wie wir es deutlich daraus ersehen können, dass im Zlaty
kolovrat und in den Svatebni kosile bei beiden Metren fast dasselbe Ver-
hältniss bezüglich der Abweichungen zu Tage tritt, sobald wir die Dich-
tungen nur partienweise vergleichen.
ProBodisches und Metrisches bei Karel Jcaroiiilr Erben etc. 553
sind — bei der Reimordnung aabb: Der erste und zweite Vers enthalten
je einen akatalektischen Vierfüssler^*), und der dritte und vierte je einen
katalektischen Fünffüssler (hier — mit Rücksicht auf die vorangehenden
Verse — eigentlich einen überzähligen Vierfüssler). (Vgl. Trochäischer
Rhythmus Ibl) — Unter den 252 Versen sind nur etwa 78 fehlerfrei.
Auch da gibt es 8 reine Trochäenverse :
»»Mämo, mamicko 1 co pocit? 9(j
pravou nevestu jsi zabila, V 2S
»Kde'smäDornicko! kde jsi? kde jsi?
44
Vykonej, cot' poroucim ja : II 37
Zatim na vernou mou pamätku III 63
za nie jineho vsak nedävej, IV 19, 49,
— 79
Stedry den III. Hier begegnen wir vierzeiligen Strophen, in denen
bloss die miteinander reimenden geraden Verse jambisch sind. (Die un-
geraden Verse sind Daktylo-Trochäen.) — Von den 20 geraden Versen
sind nur 4 fehlerfrei.
Vestkxjjie. Hier haben wir es wieder mit den Strophen der Ky-
tice29) zu thun. — Unter den 106 geraden Versen sind nur 4 1 fehlerfrei.
2 a. Jamben -Fünffüssler ohne Katalexis. Lilie. Diese
Dichtung bedient sich vierzeiliger Strophen mit der Reimordnung aabb.
— Von den 84 Versen im Ganzen sind nur 29 als fehlerfrei zu be-
zeichnen.
2 b. Jamben -Fünffüssler mit Eatalexis. Vodnik IL In
den hier vertretenen vierzeiligen Strophen mit der Reimordnung aabb
begegnet man je zwei katalektischen Fünffüsslern und zwei akalekti-
schen Vierftisslern (hier eigentlich brachykatalektischen Fünffüsslern),
— Unter den 28 Versen können nur 6 als fehlerfrei gelten. Auch da
kommen 2 reine Trochäenverse vor:
k jezeru vzdy ji cos pohäni,
k jezeru vzdy ji cos nuti, 19
Zazdhiä. Hier finden wir wieder die Strophe des Vodnik U vor.
— Von den 12 Versen im Ganzen sind nur 6 als fehlerfrei zu bezeichnen.
3. Jamben-Sechsfüssler. Mit Katalexis. Siroikovo lüzko.
Das Gedicht besteht aus vierzeiligen Strophen mit der Reimordnung
28j Ausgenommen Vers IUI : vysla babice, küze a kost, der anapäatisch
statt jambisch auslautet.
29) Eine Ausnahme davon bilden Vers 78: ja slysela jeho vesti blas, und
Vers 118: slysela jsem jeho zlaty zvon, wo an Stelle des zweiten Jambus ein
Anapäst steht.
554 Jaroslav Sutnar,
abab, wobei regelmässig ein katalektischer Secbsfüssler mit einem akata-
lektischen Fiinffiissler (hier eigentlicb brachykatalektischen Secbsfüssler)
abwechselt. — Unter den 24 Versen im Ganzen können nur 7 als fehler-
frei gelten. Auch da gibt es 1 reinen Trochäenvers:
devecka tvä to — slys opusteoou: 6
Perlomj vinek. Diese Dichtung ist abgefasst in acht vierzeiligen
Strophen, einer sechszeiligen und einer zweizeiligen: Von den vierzeili-
gen Strophen bestehen die ersten sechs und die letzte (erste bis sechste
und neunte Strophe im Ganzen) durchgehends aus katalektischen Sechs-
füsslern und besitzen die Reimordnung abab (ausgenommen die letzte
Strophe mit der Reimordnung aabb); in der siebenten Strophe mit der-
selben Reimordnung wechselt ein katalektischer Secbsfüssler mit einem
akatalektischen Fünffüssler (eigentlich brachykatalektischen Secbsfüss-
ler) ab. In der sechszeiligen achten Strophe mit der Reimordnung aabccb
enthalten die ersten zwei Verse und der vierte und fünfte je einen
katalektischen Secbsfüssler, wogegen der dritte und sechste je einen
akatalektischen Fünffüssler (eigentlich brachykatalektischen Secbsfüss-
ler) bilden. In der — ebenfalls gereimten — zweizeiligen letzten
Strophe begegnen wir nur katalektischen Sechsfüsslern. Als Beispiel
soll dienen:
O blaze jemu, komuz däno bohem 25
tech prvych perel toky staviti :
vsak blazenejsi, blazenejsi mnohem,
kdo druhych uiuel sobe dobyti !
Von den 40 Versen im Ganzen sind nur 17 als fehlerfrei zu bezeichnen.
Aus alledem geht hervor, dass auch die jambischen
Verse in Bezug auf ihre Regelmässigkeit sehr schwanken,
nur sind sie noch viel unregelmässiger, als es die trochäi-
schen waren. Ein fehlerfreies Gedicht gibt es hier über-
haupt nicht, dafür kommt eins vor, wo die regelmässigen
Verse sogar bloss ein Fünftel der Gesammtzahl ausmachen.
Im Ganzen sind unter den 8S2 Jambenversen nur gegen 323
fehlerfrei, wogegen i5 zu reinen Trochäenversen werden.
Mit Bestimmtheit ist ein daktylischer (eigentlich nur
daktylisch -trochäischer) Rhythmus in folgenden Gedichten
zu erkennen:
1. Daktylisch -trochäischer Zweifüssler. Dieses Versmass
kommt bloss im Shoi' vor, und zwar in der letzten vierzeiligen Strophe
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 555
(Vers 13 — IG) mit der Reimoränung abeb. — Von den 4 Versen sind
nur 2 regelmässig, z. B. :
släva ti, släva ! 16
2. Daktylisch - trochäischer Vierfüssler (Daktylen im
ersten und dritten und Trochäen im zweiten und vierten
Versfuss). Das Metrum 30) begegnet uns im Stedry den III^ und zwar
in den durchweg miteinander reimenden ungeraden Versen der bereits
besprochenen vierzeiligen Strophen. (Vgl. Jambischer Rhythmus II) —
Unter den 20 Versen können bloss 7 als regelmässig gelten, z. B.:
Na tele kabät zeleni temne, 25 | Na nohy skoci, srdce ji bije, 29
cervenä svetla blyskaji z toho — .35
Daneben gibt es noch 7 Verse mit regelmässiger erster und 2 Verse
mit regelmässiger zweiter Hälfte ; durchgehends unregelmässig ist die
zweite Hälfte bei den Versen mit anakrusischem Daktylus im dritten
Fusse. Es findet sich auch l regelrechter Trochäenvers :
jsou to druzicky, a mezi nimi — 39
Dasselbe Versmass ist auch im Stedry den /F" vertreten, und zwar
in dem durch einen Reim verbundenen fünften und sechsten Vers der
ebenfalls besprochenen (sieben- beziehungsweise achtzeiligen) Strophen
(Vers 5, 6; 12, 13; 19, 20; 27, 28, wobei im dritten Fuss fast über-
all 31) ein Daktylus mit Auftakt steht). (Vgl. Trochäischer Rhythmus 2 b!)
— Von den 8 Versen ist kein einziger regelmässig: Es gibt nur 4 Verse
mit regelmässiger erster und nur 1 Vers mit regelmässiger zweiter
Hälfte (nämlich den einzigen mit nicht anakrusischem Daktylus im
dritten Fusse). Dafür kommen hier 3 reine Jambenverse vor:
a za ui hejsa ! kvitim osypana 6 1 tak videla jej v osudne tö dobe, 12
pläc, bedoväni, trouby hlaholice 20
Die Daktylo-Trochäen sind also noch unregelmässiger, als
es die trochäischen und selbst die jambischen Verse waren:
30) Ausgenommen Vers 11, 15, 27, wo im dritten Fuss ein Daktylus mit
Auftakt steht.
31) Ausgenommen Vers 19. Schon durch diesen einzigen Vers werden
wir von dem daktylisch-trochäischen Rhythmus genügend überzeugt, da hier
im dritten Fuss ein dreisilbiger Daktylus (planouci) steht im Gegensatz zu den
vier Silben in allen übrigen Versen, so dass auch dort wegen Einhaltung der
gleichen Taktzahl der dritte Fuss als Daktylus mit Auftakt zu lesen ist.
556 Jaroslav Sutnar,
Es findet sich hier sogar ein (allerdings sehr kurzes) Ge-
dicht mit durchgehends falschen Versen. Im Ganzen sind
unter den 32 Daktylo-Trochäen bloss 9 fehlerfrei, wo-
gegen 1 zum regelrechten Trochäenvers und 3 zu reinen
Jambenversen werden.
Mit einigen Schwierigkeiten haben wir schon in den
miteinander reimenden32) ungeraden Versen der bereits be-
sprochenen vierzeiligen Strophen der Kytice und V^stkyn^
zu kämpfen (vgl. Jambischer Rhythmus 1 !), wo durchgehends ein
katalektischer Jamben -Sechsfüssler 33) und auch ein dakty-
lisch-trochäischei* 34) VierfÜSSler gelesen werden kann (wieder
32) Sogar einen Mittelreim gibt es: v mori — stvori-zbori (Vest. 11).
33) Ausgenommen die Verse Vest. 5 : nechtejte väziti lehce feci moji,
17: videla jsem muze na Belinö vode, 21 : tu prisli poslove od valneho snemu,
57: videla jsem skälu nad fekou se pnouci, G3: videla jsem kneznu tväri
uslechtile, 93: videla jsem tebe, Inzko blahosvate! 117: videla jsem kostel
nad Orlici rekou, wo statt des zweiten Jambus überall wegen Einhaltung der-
selben Taktzahl offenbar ein Anapäst zu lesen ist. Dann hätten wir es in den
geraden Versen eigentlich durchweg mit brachykatalektischen Sechsfüsslern
zu thun.
3*) So wird auch bei Kräl Kytice und Vestkyne unter den Erben'schen
Gedichten mit daktylischen und daktylisch- trochäischen Reihen genannt
(L. f. Roc. 21. [1894] 427). Dagegen sucht Frantisek Sujan in seiner Ab-
handlung »Erbenova Kytice po stränce aestheticke s rozborem ,Pokladu'«
(Dvacäty deväty program c. k. ceskeho vyssiho gymnasia v Brno na konci
skolniho roku 1895 — 1896, 3 — 34) bei der Kytice sogar umsonst einen einheit-
lichen Rhythmus (27) und würdigt das Versmass der Vestkyne (und der
»Pisnö«) nicht einmal einer besonderen Erwähnung (28): Sujan liest über-
haupt die Dichtungen Erben's strenge nach den Betonungsgesetzen und ge-
langt auf diese Weise zu überraschenden Schlüssen (im Poklad findet er [27]
auch einen uneinheitlichen Rhythmus — wie in den Erben'schen Gedichten
überhaupt — und sieht darin neben einem rein trochäischen Versmass [in
396 Versen von 516 im Ganzen] stellenweise ein daktylisches oder jambisches
[20], in den Svatebni kosile [27] oft neben einem jambischen ein daktylisches
oder trochäisches [: ». . . sotva jsme prvou slohu spoutali v . . .Jambus, jiz
druhä prchä nam . . . daktylem. Marn§ snazime se utvoriti vzorec daktylicky,
jiz zas ustoupil jambickömu nebo trochejskemu, tak ze ze vsech pokusu
zbude näm vSdomi, ze slysime ctyri these s volnymi arsemi . . .«], in der Po-
lednice [27] und in der Vrba [28] bemerkt er neben Trochäen auch Jamben,
im Holoubek [28] neben einem trochäischen Versmass häufig ein daktylisches,
in der Lilie [28] findet er daktylischen [!] und trochäischen [!] Rhythmus; über
das Metrum im Zlaty kolovrat [27] und im Vodnik [28] sagt er überhaupt
Prosodisches und Metrisches bei Kaiel Jaromir Erben etc. 557
mit Daktylen im ersten und dritten und mit Trochäen im zweiten und
vierten Fasse, wobei der zweite Daktylus regelmässig und der erste nur
ganz ausnahmsweise 35) mit einem Auftakt verbunden wäre); aber beim
jambischen Versmass finden wir in der Kytice 13 und in der
Vestktjne ungefähr 100 und beim daktylisch -trOchäischen
Rhythmus in der Kytice 22 und in der Vestky7ie ungefähr
220 Abweichungen von den Betonungsgesetzen, welcher
Umstand allein schon ZU Gunsten des Jambus entscheidet^ß).
Als Beispiel soll dienen :
Vestkyne.
I vzejde seti, jafe bude kvesti,
a s nim i vzejde zeme t6to si6sti, 55
Kytice.
I zzelelo se matce milych ditek ; 5
a vtellla se v drobnolisty kvitek,
Snad ze se najde dcera materina,
snad ze 1 najdes nektereho syna, 24
Reine Jambenverse gibt es unter den 12 ungeraden Versen der ersten
Dichtung bloss 5 und unter den lOG ungeraden Versen der zweiten
nichts Bestimmteres). Auch das Buch: »Kytice z bäsni Karla Jaromira Er-
bena. Vydäni devätö, üplne. Uvodem, poznäuikami a v^kladtm opatrili Ru-
dolf Schenk a Josef Straka . . .« (V Zäbreze IQUlj hält (155) die Kytice
für ein daktylisch-trochäisches Gedicht (ebenfalls auch den Zlat^ koJovrat
[188], beides höchstwahrscheinlich unter Krdl's Einfluss), wogegen über das
Versmass (im Holoubek [205] und) in der V6stkyn6 [252] und auch über das
Metrum in den einzelnen »PisnÄ« [ausser iui Vect^r (261)]) überhaupt nichts
iSäheres hier gesagt wird : Dafür im Voiinik II (227) sielit es »einen im Wesent-
lichen trochäischen (!) Rhythmus mit Daktylus an erster oder zweiter Stelle«.
35) Nämlich bei den in Anmerkung 33 angeführten sieben Versen, die —
scheinbar mit einem anakrusischen Daktylus ini ersten Fusse — vielleicht
ein wenig für den daktylisch-trochäischen Rhythmus aller übrigen ungeraden
Verse sprechen köunten, wenn bekanntlich nicht auch unter den entschieden
jambischen geraden Versen in zwei Fällen etwas Aehnliches stünde. Sonst
möchte es beim daktylisch-trochäischen Metrum fast keine verfehlten Diä-
resen geben.
36) Der von uns bei diesen zwei Gedichten angmvandten statistischen
Methode kann man zwar im Allgemeinen den Werth t-iner rein wissenschaft-
lichen absprechen, da sie nur mit der Wahrscheinlichkeit rechnet, aber hier
ist einzig und allein sie am Platze, denn eine absolute Sicherheit lässt sich
bei diesen Dichtungen — angesichts der fast gänzlichen und allgemeinen
prosodischen Anarchie der vormärzlichen Zeit — nicht erzielen.
558 Jaroslav Sutnar,
Dichtung bloss 31. Wir begegnen hier sogar regelrechten daktylisch-
trochäischen Vierftisslern (1 und 3):
Kytice. j V^stkyne.
Zemrela matka a do hrobu däna, 1 Jiste a pevne jsou osudu kroky, 13
Polozll rädlo a propustil voly : 25
sirokö lipy v mem otcovskem dvofe 83
(Ausserdem gibt es in beiden Gedichten noch eine Reihe von Versen mit
regelrechtem daktylo- trochäischem Zweifüssler in der ersten Hälfte
[5 und 29] und in der zweiten Hälfte [0 uud 9]).
Aerger ist es um das Metrum bestellt im Stedry den^"^) I\
V 1 — 7, 25 — 31 : Im ersten Theil haben wir es zu thun mit vier vier-
zeiligen Strophen (erste, dritte bis fünfte Strophe) und zwei dreizeiligen
(zweite und sechste Strophe) und im fünften Theil mit je zwei vier-
zeiligen (erste und letzte) und dreizeiligen Strophen (zweite und vor-
letzte) ; die Verse bedienen sich der überaus komplizirten Reimordnung :
abab|ccb|dede|fgfglhihi|ccb|abab|ccb| |ccb|jkjk.
Im zweiten und vierten Vers der vierzeiligen Strophen und im dritten
Vers der dreizeiligen (I 2, 4; 738); 9^ u; 13^ 15; 17^ 19; 22; V 2, 4;
7; 27; 29, 31^9) begegnen wir akatalektischen Jamben-Vierfüsslern ;
unter den 1 6 Versen sind nur 5 fehlerfrei, z. B. :
a prede dvef ml stedry den!« 122
a nedaleko stedry den! V 7
a zivot lidsky jako sen ! 27
S'^) Richtig im Allgemeinen — wenn auch ziemlich unbestimmt — be-
urtheilt den Stedry den vom metrischen Standpunkt aus Fr. Täborsky in
seiner Analyse «Erbenüv ,Stediy den'« (Vyrocni zpräva vyssi divci skoly kräl.
hlav. mestaPrahy za skolni rok 1S86— 1887. Rocnik XXIV., 3—11): Er sieht
(10) in I, III und auch V (hier mit Ausnahme einer trochäischen Abtheilung)
Daktylo-Trochäen, so gleichfalls in IV ([8]; hier auch mit Ausnahme rein tro-
chäischer Verse). An Täborsky hält sich dann Sujan (27) und höchstwahr-
scheinlich auch Schenk und Straka (198).
38) Vers I 7 : a blizko, blizoucko stedry den ! hat zum Unterschiede von
den ihm sonst entsprechenden rein jambischen Versen 122; V 7, 27 einen
Anapäst im zweiten Fusse.
39) Vers V 31: straslivou poznati jistotu! hat allem Anscheine nach
gleichfalls einen Anapäst im zweiten Fusse, denn ein Anapäst lässt sich im
dritten Fusse der Erben'schen Jambenverse nicht mit genügender Verlässlich-
keit nachweisen.
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 559
Im ersten und dritten Vers der vierzeiligen und in den ersten zwei Ver-
sen der dreizeiligen Strophen (I 1, 3; 5, 6; 8, 10; 12, 14; 16, 18;
20, 21; V 1, 3; 5, 6; 25, 26; 28, 30) haben wir es zu thun mit dakty-
lisch-trochäischen Vierfüsslern : Verse I 1, 3, 1 2*0^; V 1, 3, 6, 26, 28
sind identisch mit den ungeraden im dritten Theil desselben Gedichts,
aber fehlerfrei ist von den S Versen kein einziger und nur je 2 mit
fehlerfreier erster oder zweiter Hälfte; Verse I 5*1), 6, 8, 10, 14, 16,
18, 20, 21; V 5, 25, 30 besitzen bloss einen Daktylus im ersten Fuss
und Trochäen in den übrigen drei Füssen, deshalb sind unter den
12 Versen 6 fehlerfrei, z. B.:
neb nebude darmo jeji dilo, I 10
Es gibt jedoch ausserdem unter den 20 Daktylo- Trochäen beider
Kategorien 3 regelrechte Trochäenverse:
vseckot' ve svete jen na obrätku, V 26 j ejhle adventu jiz na krätku, I 6
I vsakjest adventu jiz na krätku, 21
Und nicht besser geht es uns bei der Feststellung des
Versmasses in der Prvni mäjovä noc: Die Dichtung umfasst
siebenundzwanzig Strophen in sechs Abtheilungen (4 -f- 5 -|- 5 -{- 5
-f- 5 -|- 3); davon sind sechs zweizeilig (die letzte Strophe jeder Ab-
theilung: Strophe 4, 9, 14, 19, 24, 27), eine dreizeilig (erste Strophe)
und zwanzig vierzeilig (die übrigen: Strophe 2, 3, 5 — 8, 10 — 13,
15 — 18, 20 — 23, 25, 26). In der sechsmal wörtlich wiederholten und
prosodisch fehlerfreien zweizeiligen Strophe (Vers 12, 13; 30, 31;
48, 49; 66, 67; 84, 85; 94, 95):
Mäjovä noc ! mäjovä noc !
prvni mäjovä noc !
*0) In Vera I 8 und 12 ruht bei den dreisilbigen Wörtern im zweiten
Fusse die Betonung höchstwahrscheinlich auf der mittleren Silbe, weil auch
ein Daktylus im zweiten Fusse der Erben'schen Daktylo-Trochäen nicht mit
genügender Sicherheit nachgewiesen werden kann. Ausserdem geht in Vers
I 12 dem ersten Daktylus und in Vers I 3 und V 3 dem zweiten Daktylus ein
Auftakt voraus, welcher auch in den vier Versen mit einem einzigen Daktylus
18, 10, 14, 18 vorkommt.
*i) Auch den (viermal sich wiederholenden: I 5, 20; V 5, 25) prosodisch
fehlerfreien Vers muss man allem Anscheine nach hinzuziehen trotz der sinn-
störenden regelmässigen Diäresis: toc se a vre, muj |1 kolovrätku!, da die
korrespondirenden Verse I 6, 21 und besonders Verse V 6, 26 dies verlangen.
Oder sollte man eher ausnahmsweise lesen: toc se a vre, I| müj kolovrätku!?
560
Jaroslav Sutnar,
ist der erste Vers offenbar ein daktylisch-trocbäischer Vierfüssler mit
Katalexis im zweiten und vierten Fiisse, und der zweite höchstwahr-
scheinlich derselbe Vierfüssler mit zweisilbiger Katalexis im ersten und
einsilbiger im zweiten und vierten Fusse: prvni mäjovä noc! Dieselben
zwei Verse bilden ausserdem noch den Anfang der einzigen und eben-
falls prosodisch fehlerfreien dreizeiligen Strophe (Vers 1 — 3):
Mäjovä noc! mäjovä noc !
prvni mäjovä noc!
kdo znäs vsecku jeji moc?
Der letzte Vers dieser Strophe ist ein l katalektischer) trochäischer
Vierfüssler gleich den (bald akatalektischen und bald katalektischen)
Versen der vierzeiligen Strophen (ausgenommen Strophe 11 und 12:
Vers 4 — 7, 8—1 1, 14—17, 18—21, 22—25, 26—29, 32—35, 44—47,
50—53, 54—57, 58—61, 62—65, 68—71, 72—75, 76—79, 80—83,
86 — 89, 90 — 93), bei denen jedoch im ersten oder dritten Fuss oder
auch in beiden der Trochäus durch einen Daktylus ersetzt werden kann,
so dass die Verse unter Umständen in Daktylo -Trochäen umgewandelt
werden*^). Bei elf vierzeiligen Strophen (Strophe 2, 5, 6, 7, 10, 15, 17,
20, 21, 25, 26) finden wir die Reimstellung abab^^;, z. B.:
*2) Trochäenverse: 1) ohne Katalexis 4, 6, 8, 9, 14, 32, 34, 50, 52, 62, 6S,
70, 72, 80, 86, 88 (unter den 16 Versen 15 regelmässig); 2) mitKatalexis (neben
Vers 3) 11, 17, 21, 23, 25, 33, 35, 47, 51, 53, 57, 64, 69, 71, 77, 82, 87, 89, 91, 93
(von den 21 Versen 19 regelmässig). Der erste Trochäus ist durch einen Dak-
tylus ersetzt in folgenden Versen: 1) ohne Katalexis 16, 18, 20, 44, 63, 74, 81
(unter den 7 Versen nur 2 fehlerfrei); 2) mit Katalexis 15, 19, 28, 29, 46, 55,
59,61,65,73,75,79,83 (von den 13 Versen 9 fehlerfrei); der dritte Trochäus ist
durch einen Daktylus ersetzt in den folgenden Versen : 1 ) ohne Katalexis 22, 45,
90, 92 (unter den 4 Versen 2 fehlerfrei); 2) mit Katalexis 5, 7, 10 (alle 3 Verse
fehlerfrei) ; beide Trochäen sind durch Daktylen ersetzt in folgenden akatalek-
tischen Versen: 24, 26, 27, 54, 56, 58, 60, 76, 78 (von den 9 Versen 3 ganz regel-
mässig, 2 mit regelmässiger erster und 3 mit regelmässiger zweiter Hälfte).
Als Beispiele der fehlerfreien Daktylo-Trochäen sollen angeführt werden :
1 1 k obloze zhuru vyhazujte 20 mäjovä dnes tarn muzika ! 79
2 plamenem hofi hranina, 15
plane i hasne smolina — 28
pod okny mäj ti poslavim, 55
nyni je läska podt'ata, 59
namazu ja se po t6le, 73
II 1 Nad svevoli at zvitözi prävo, 90
2 pojd'me, pojd'me V zeleny häj, 10
III Nahoru, dolü sv6tla se vodi, 26
Mivali jsme se, mivaii rädi: 58
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc.
561
Hvezdy sviti, slavik p6je,
pojd'me, pojd'me V zeleny häj 1 5
z luk a zahrad vüne veje,
uvitejme kvetnaty mäj !
Po zelen^m mladdm prosu
uslapanä pesina:
do 8äte6ku sbirä rosu
mladä svärnä divcina. 35
Z brezoveho za vsi lesa 50
statny kräci mlädenec,
svezi brizku sobe nesa,
na ni z kviti pletenec.
Na obnisti pod kominem
sedi babka svlecenä;
podkuruje sebe blinem, 70
maäe nohy, ramena.
Vyjdi, vyjdi slunko jasnöl
zazen pustou temnotu;
klam a lez at' na vzdy shasne,
pravda vstane k iivotu. 89
Fünf Strophen (Strophe 3, 8, 13, 18, 23) bedienen sich der Reimstel-
lung aabb. Zwei Strophen besitzen auch noch die Reimstellung abcb
(Strophe 16 und 22^'). Endlich begegnen wir zwei vierzeiligen Stro-
phen (Strophe 11 und 12: Vers 36 — 39, 40 — 43) mit zweifüssigen
Daktylenversen und mit der Reimstellung abcb, z. B. :
Tväricky, tväncky !
kvette ini rüzickou :
budu VHS umejvat
mäjovou rosickou. 39
Unter den 8 Versen mag nur 1 unregelmässig sein.
Auch unter diesen 36 Daktylo-Trochäen kommt 1 regelrechter Trochäen-
vers vor :
I 1 kazdy na poctu sve milenee : 63
Ein Daktylus mit Auftakt kommt im ersten Fusse nur bei zwei Versen
(18 und 19) vor, aber trotz alledem sind offenbar auch hier die dreisilbigen
Wörter (chvostata und ve sraole) mit Betonung auf der mittleren Silbe zu
lesen (s. Anmerkung 40!); im dritten Fusse kommt ein Daktylus mit Auftakt
nur in Vers 90 vor.
Dass in den katalektischen Versen mit Daktylus im ersten Fuss und
dreisilbigem Wort im Versschluss vielleicht auch dieser daktyliscn zu lesen
wäre, ist vollkommen ausgeschlossen, schon wegen Einhaltung der gleichen
Taktzahl und auch deshalb, weil diesen zwölf Versen (15, 19, 28, 29, 55, 59,
61, 65, 73, 75, 79, 83) siebzehn reine Trochäenverse mit Katalexis und drei-
silbigem Wort im Versschluss (17, 21, 33, 35, 47, 51, 53, 57, 64, 69, 71, 77, 82,
87,89,91, 93) gegenüberstehen, bei denen wir den metrischen Werth des drei-
silbigen Wortes durchaus nicht bezweifeln können.
^3) Vers 14 besitzt zugleich einen Mittelreim: poli-na podoH — ve svevoli.
**) Zugleich auch Mittelreime: Na rozlouceni-poteseni (Vers 54), na
rozchäzku - läsku (Vers 56), hory-bory (Vers 76), matky-na krizovatky
(Vers 78).
Archiv für Blavische Philologie. XXVII. 36
562 Jaroslav Sutnar, Prosodisches n. Metrisches bei Karel Jaromir Erben.
Aber rathlos stehen wir dafür oft dem Metrum in der
Erben'schen Uebersetzung von Goethe's »Erlkönig«: Kräl
duchü gegenüber, weshalb wir auch dieses Gedicht erst zum
Schluss unserer Untersuchungen im Zusammenhange be-
sonders besprechen werden.
Gar nicht berücksichtigen wollen wir hier die (zu verschiedenen
Zeiten verstreut erschienenen oder nur handschriftlich erhaltenen) Verse,
welche der Dichter selbst — höchstwahrscheinlich als Unwesentliches
— in seine Gedichtsammlung nicht aufnahm ^^j^ sq dass auch wir aus
diesen Versen keine Schlüsse ziehen wollen: Denn schon die mehrmals
erwähnte Sammlung Erben's allein genügt uns dazu, dass wir auf Grund
einer prosodischen Analyse der darin enthaltenen Dichtungen ein ziem-
lich klares Bild der — wenn auch nicht scharf ausgeprägten — Prin-
zipien bekommen können, von denen sich der Dichter allem Anscheine
nach bei Abfassung seiner Verse leiten Hess. (Diese Analyse findet
statt in zwei Abschnitten [A) Erben's Verse mit zweisilbigen Füssen,
B) Erben's Verse mit dreisilbigen Füssen], die wieder in zwei weitere
Theile zerfallen [a) falsche Wortbetonung, b) falsche Satzbetonung]).
*5) Dazu gehören natürlich auch die Verse, welche sich in dem angeblich
aus dem Jahre 1833 (in Wirklichkeit aus dem Jahre 1836) stammenden und
im Jahre 1890 zum ersten Male von Gustav Touzil herausgegebenen Lust-
spiele Erben's befinden: »Slädci. Veselohra ve 2 jednänich se zpevy od
J. K. (!) Erbena, b hudbou od Verla. Die prvopisu z r. ISS-i (I) pro ochotniky
kutnohorske sepsanä (!). Pro nase pomery ucinil (I) Gustav Touzil« (Chotebor)
(7, 25, 33, 34, 36, 37, 42, 60, 61, 74, 75). (Vgl. auch über die beispiellose Will-
kür und Unverlässlichkeit dieses Herausgebers Kräl [L. f. Roc. 21. (1894) 427]
und unsere Ausgabe Erben's [LV, VIII] ! Diese Thatsache bestätigen voll-
kommen die bisjetzt erhaltenen fünf Abschriften desselben Lustspieles, von
denen ein aus der Bibliothek der Liebhaberbühne zu Kuttenberg stammendes
Manuskript von Touzil [5] mit Unrecht für die Originalhandschrift einer ersten
Bearbeitung ausgegeben wird ; auf Grund dieser fünf Abschriften musste in
Ermangelung einer Originalhandschrift aus dieser Zeit der Text der »Sladci«
für unsere bereits erwähnte Ausgabe [259 — 319] redigirt werden. [Von der
Hand Erben's besitzen wir nur vier Seiten in einer viel späteren Bearbeitung.]
Bezüglich des Stückes vgl. schliesslich noch unseren Artikel »Erben drama-
tik« [Meziakti, roc. III (1903), eis. 151; abgedruckt auch in unserer Ausgabe
Erben's (V— VIII)]!).
(Fortsetzung folgt.)
563
Die Vorlage zur Komödie »0 Bpeaia!« von Katharina II.
Katharinas Werke liegen nun in einer neuen kritischen Ausgabe
von A. N. Pypin vor^). Da der Herausgeber nicht nur den Text mit
allen Varianten, sondern auch einen Kommentar mit einem grossen
historischen Beiwerke liefert, kann die Forschung an dem Gegenstande
günstig einsetzen.
In diesem Sinne biete ich einen kleinen Beitrag hiezu. Es ist zwar
schon Einiges über Katharina geschrieben worden — ich meine tiber
sie als Schriftstellerin — jedoch ihre Erscheinung steht in der Literatur-
geschichte noch immer etwas verschwommen da. In Goedeckes Grund-
riss2) hat man Katharina unter die Nachahmer Wielands eingereiht,
und doch scheint sie mit ihm nur sekundäre Verwandtschaft zu haben.
Ich selbst fand nichts gemeinsames. Es sei denn, dass jene märchen-
haften Operntexte Katharinas als Gattung mit Gleichartigem bei Wie-
land einen Vergleich zulassen. Aber selbst hierin besteht kein direktes
Filiationsverhältniss, sondern eine gemeinschaftliche Abhängigkeit
— bei Wieland natürlich originelle Nachbildung — der französischen
Hofoper, Da sich auch sonst im ganzen literarischen Material keine
Beziehungen zu Wieland auffinden lassen — Pypin oder Grot^j, die
den Briefwechsel Katharinas studirten, hätten so eine Spur gewiss
nicht verschwiegen — , dürfte die Einordnung Katharinas im Grund-
risse auf sehr flüchtiger Beobachtung beruhen. Das scheint umsomehr
der Fall zu sein, als auch die Literatur des Gegenstandes daselbst
sehr mangelhaft angegeben ist — alles, was russischerseits darüber ge-
schrieben wurde, fehlt. Ja es bleibt sogar unausgesprochen, dass die
am Orte angeführten Werke Katharinas deutsche Uebersetzungen
1) Co^HHCHiH HsinepaipimH EKaTepuHbi II na ocHOBaniH nosJiuHHBiit py-
KOHHceä H ch o6acHHre.!iBHijiiin npHMi^aHiaMu an. A.H. nwmiHa — mn. kmh. aKaj.
HayKi,. Cne. 1901—1903. t. I— X.
2) Goedecke, K. : Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung.
8. Aufl. Dresden 1891. IV, § 225.
3) I. K. Grot: EKaxepHHa II B'i nepenacKi ex Tphumom-b. CIIö. 1879 — 84.
36*
564 D- Prohaska,
russischer Originale sind, Katharina schrieb bekanntlich nur russisch
und französisch ^).
Aber ebenso wie man deutscherseits die russische Literatur über-
sah, scheint man umgekehrt nicht viel besser über das im Deutschen
Vorhandene russischerseits unterrichtet zu sein. Für beides diene als
Beispiel die Uebersetzung Nicolais von einigen Stücken Katharinas.
Im Grundriss ist zwar der Titel genau angeführt: Drey Lustspiele wider
Schwärmerey und Aberglauben. Von L K. M. d. K. a. R. Berlin und
Stettin bey Friedrich Nicolai 1788; es bleibt aber dahingestellt, ob Ni-
colai bloss Herausgeber oder Uebersetzer ist. Eine nähere Kenntniss
dieser Uebersetzung hätte aber auch auf die Stellung, welche Katharina
in der deutschen Literatur zukäme, Licht geworfen. Aus der Ein-
leitung Nicolais geht nämlich klar hervor, mit welcher literarischen
Richtung wir es zu thun haben. Nicolai hebt hier Katharina auf sein
eigenes Schild; in dem grossen Kampfe der Aufklärung mit der Un-
vernunft findet er eine verbündete Grossmacht gerade in der Gesin-
nung der russischen Kaiserin. Um dies nachdrücklicher zu zeigen,
übersetzt er auch eine Anzeige Katharinas von einem der vorliegen-
den Lustspiele, welche einen recht akuten Charakter aufweist. »Dies
heutige Lustspiel war ein Bedürfniss unserer Zeit«, heisst es da.
»Denn obwohl unser Jahrhundert von allen Seiten das Compliment
erhält, das philosophische Jahrhundert zu heissen, und obwohl wir
demselben das grosse Wort: Aufklärung! schon zum voraus zur Grab-
schrift bestellen: so werden dennoch überall eine Menge Köpfe von
einem so anhaltenden Schwindel ergriffen, dass die Göttin der Weisheit
sich genöthigt sieht, die komische Muse um Arzney für diesen Kranken
zu bitten «. Nicolai ist daher stolz auf eine solche Verbündete und kom-
mentirt dieses Vorwort, um nachzuweisen, dass die grosse Schriftstellerin
der Aufklärung ihre Gedanken gerade aus der »Berl. Monatsschrift«
und der «Allgemeinen deutschen Bibliothek« geholt hat (vgl. S. III u. X).
Für den engen Zusammenschluss beider Geister kann man sich keinen
besseren Beleg wünschen. Der Inhalt des angeführten Vorwortes
spricht mit jeder Zeile dafür. Es wird hier vornehm gelächelt über
»Mesmer, Cagliostro und Compagnie«, es fallen spöttische Bemerkungen
*) Vgl. darüber in der obigen Ausgabe der Werke I, 44, wo Pypin die
von einem Franzosen leicht hingeworfene Anmerkung, Katharina hätte in
Concept ihre Stücke deutsch verfasst, auf Grund des nun zugänglichen auto-
graphischen Materials zurückgewiesen wird.
l
Die Vorlage zur Komödie »0 BpeMs ! « von Katharina IL 565
über die »Damen zu Versailles« und den »Cardinal von Rohan«,
Seitenhiebe auf das schwerfällige Deutschland, das sich von Frankreich
nasführen lässt, und gnädig wird zugegeben, dass »Berlin seinen
Philosophen erst volle Arbeit geben« musste, um nachbarlichen Philo-
sophen Behutsamkeit anzuempfehlen. (Berlin — Sitz der Aufklärungs-
philosophie). Schon damit ist klar der Gegensatz zwischen Katharina
und Wieland ausgedrückt: ihre Lustspiele gegen j)Schwärmerey und
Aberglauben« (und das sind nicht nur diese drei, sondern — alle) ent-
behren vollständig jener Absicht, jenes wohlgefälligen Tones, mit wel-
chem etwa in »Don Sylvio von Rosalva« gegen die Schwärmerey Front
gemacht wird. Das specifisch Wielandische, die Enthaltsamkeit von
allem ernsteren Moralisiren, widerspricht Katharinas Wesen. Sie rai-
sonnirte gerne wie eine Erzieherin grossen Stiles, als welche sie sich
auch auf dem Throne gab.
Die interessante Einleitung Nicolais scheint aber auch Pypin links
liegen gelassen zu haben. Denn während er alles, selbst Briefe und
Auszüge aus Tagebüchern, zur Erklärung der Entstehung von Katha-
rinas Werken herangezogen hat, suchen wir vergebens nach diesem Vor-
worte Katharinas zu »OÖMaHmHKt«. Er führt auch Nicolais Ueber-
setzung an dieser Stelle nicht an. Diese hätte ihm aber gerade hier kost-
bar sein müssen, da es ihm nicht gelang, ein Exemplar der ersten Aus-
gabe dieser Komödie aufzufinden. Das Vorwort Katharinas ist also
nur bei Nicolai erhalten, und wie wir sahen, es gibt die bestimmtesten
Angaben für die Veranlassung zum Stücke. Es ist unmittelbar auf
Cagliostro gemünzt und die mnthwillige Schlusspointe lautet charakte-
ristisch so : »Ein lachendes Lustspiel reicht hin, die schwindelnden Köpfe
zu heilen und die gesunden auf immer zu präserviren. Das bezauberte
Schloss, gegen welches andrer Orten Justiz und Philosophie mit Cata-
pulten und Bailisten anzieht, wird hier mit Knallpulver des Witzes ge-
sprengt«. — Nicolai hat bei einem anderen Stücke in dieser Ueber-
setzung die erste Ausgabe benutzt (vgl. S. XII) und es ist daher nicht
unwahrscheinlich, dass ihm auch zu »OÖMaiimmci.« (»Der Betrüger«)
die erste Ausgabe diente. Diese Frage ist auf Grund eines Vergleiches
mit dem Original in Pypins Ausgabe leicht zu lösen i), jedoch ich eile
zu einem viel interessanteren Punkt in Katharinas Verhältniss zur deut-
schen Literatur. Er betrifft die Quelle zu Katharina's erster Komödie —
»0 BpeMfl!«
1) CoiHHCHia IlMnepaTpHm>i EKatepuHw IL t. L
566 I>- Prohaska,
Es ist bekannt, mit welchen Worten der Begeisterung dieses Stück
in der zeitgenössischen Wochenschrift »yK.HBonHcen;'!.« begrüsst wurde.
Man sah darin die erste echte russische Komödie. »H KaKt ne öhtl bh
xBajiHMOH ? Bli neptBOH cotihhhjih KOMe^iio TO^HO Bx Hauraxx Hpa-
sax-L, BLi CT& TaKoio ÖJiaropoAHOH cMijrocTiio nanajiH Ha nopoKH bt,
PoccIh rocnoACTBOBaBmifl« (vgl. Coq. EKax. I 45). Aber auch Voltaire,
ein besserer Kenner deutscher Literatur — war er doch am Hofe Fried-
rich d. Grossen — , ahnte in diesem Stücke, als es ihm in französischer
Uebersetzung vorgelegt wurde, keine Nachahmung. Er schreibt an
Katharina: »Madame, ce qui m'a principalement etonne de vos deux
com^dies russes c'est que le dialogue est toujours vrai et toujours na-
turel . .«, und weiter sogar: »Je vois que les Russes ont bien de l'esprit
et du bon esprit; . .« (vgl. Com. EKax. I, VI — VII).
Dem Inhalte nach — wohl nicht der Richtung — hielt auch die
russische Literaturgeschichte das Stück bis heute für originell. Gala-
chov 1), Porfirjev 2) und selbst Pypin 3) vermuthen kein direktes Vorbild.
Es ist dies einerseits auch erklärlich. Katharina schrieb, wie man eben
im XVni. Jahrh. Komödien schrieb. Die Typen, die zur Darstellung
gelangten, waren abstrahirte Träger irgend eines allgemein-mensch-
lichen Lasters, resp. einer Tugend; nichts individuelles legte man in
die Gestalten. Das äussere Beiwerk hingegen färbte man womöglich
lokal, denn das Ganze sollte ja eine satyrische Abschilderung der Sitten
coram publico sein. So kommt es, dass Katharinas Stücke einen gewis-
sen Realismus aufweisen, der den Schein schriftstellerischer Originalität
erweckt. Sie brachte den russischen Mittelstand mit seinen konserva-
tiven Elementen unmittelbar auf die Bühne, und sieht man von der
Tendenz, der Didaktik und Satyre, welche ihre Stücke mit der ganzen
Aufklärung gemein haben, ab, so vermuthet man wahrlich nichts Frem-
des in — »0 BpeMü!«
Jedoch das Vorbild ist gefunden ! Katharina hatte vor sich nichts
anderes liegen als — Geliert's »Betschwester«. Man kann ihr nun
beim Entstehen der Komödie zuschauen, wie sie kopirt und wie sie die
Farben mischt.
Fassen wir erst die Vorlage ins Auge ^).
1) HcTopifl pyccKOH c^obcchocth apesneH u hobou. GUß. 1880. 2, S. 132 ff.
2) HcTopiH pyccKoä mobcchocth II. 2, S. 42 ff.
3) HcTopifl pyccKoii JiHTepaTypbi IV. S. 104.
*) C. F. Geliert's : Sämmtliche Werke IIL Th. Leipzig 1769.
Die Vorlage zur Komödie »0 BpeMfl !« von Katharina II. 567
Eine alte Witwe, Frau Richardinn, soll ihre Tochter an Herrn Simon
verheirathen. Es erscheint Simons Vormund, Herr Ferdinand und erfährt
von der Nichte des Hauses, dass die Verlobung wieder eine Verzögerung
erlitten habe, da die Frau eben ihre obligate Betstunde halte. Hier
charakterisirt die Nichte ihre Tante, Frau Richardinn, als eine Bet-
schwester. Dies die Exposition des Stückes. Frau Richardinn erscheint
und sucht ihr Jawort so lange als möglich hinauszuschieben. Das bildet
die ganze weitere Haupthandlung des I. Aktes ; parallel mit dieser läuft
die episodische Handlung : Simon ist von seiner Braut nach näherer Be-
kanntschaft enttäuscht, und da ihm Lorchen, die Nichte, besser gefällt,
bietet er dieser seine Hand an. Lorchen aber empfindet es als ein Ver-
brechen, darauf einzugehen und so das Glück ihrer Freundin Christian-
chen zu zerstören. Sie sucht vielmehr zwischen beiden, dem im Herzen
irregewordenen Bräutigam sowie seiner spröden Braut, zu vermitteln.
Sie bringt Christianchen die Kunst bei, ihrem Bräutigam durch kluges
Benehmen und gefühlvolles Entgegenkommen zu gefallen und belehrt
wieder andererseits Simon über die Vorzüge Christianchens. Die Krisis
tritt ein, als Simon beim KaflFee die Tasse fallen lässt und so die Gnade
der geizigen Schwiegermutter gründlich verscherzt. Das Uebel wird
nun wieder durch Lorchens guten Rath behoben ; man lässt statt der zer-
brochenen Tasse Frau Richardinn ein grosses Service überreichen und
diese, ohnehin durch die Gefahr, dass Simon Lorchen den Vorzug geben
könnte, beunruhigt, willigt in die Verlobung ein.
Es sei hier das Stück Gellerts nur noch so weit charakterisirt, dass
man bei näherem Vergleich mit Katharinas Bearbeitung die Ausgangs-
punkte kennt ^).
Alles dreht sich um die Betschwester, die Titelheldin des Stückes.
Das kommt aber mehr mit Worten als durch sichtbare Handlung zum
Ausdruck. Frau Richardinn ist eine Wahlverwandte Tartuffs. Sie
heuchelt eine übertriebene Frömmelei, mit der sie ihren Geiz und Aber-
glauben beschönigt. Die Betschwester ist intolerant und unwissend,
eifert gegen Romanlecture und neue Moden, weil alles das »weltliche«
Dinge seien, nimmt aber trotzdem Zinzeszinsen von einer armen Pfarrers-
frau, die ihr den letzten Goldschmuck für das geliehene Kapital ver-
1) Vgl. zur Literatur: Job. Coym: Geliert's Lustspiele. Diss. Berlin
1898. — Nicht benutzen konnte ich W. Haynel : Geliert's Lustspiele. Emden
und Borkum 1896.
568 D. Prohaska,
setzt. Die Betschwester ist gewissermassen in deutsche Verhält-
nisse hineingezeichnet. Geliert dürfte in ihr eine Repräsentantin —
natürlich eine karrikirte — des Pietismus, welcher zur Zeit mit der
aufstrebenden Auf klärung rang , dargestellt haben. Ihre Dialoge mit
Ferdinand sind eine Polemik mit hier aufklärerischen, dort pietistischen
Schlagworten. »Sie glauben auch nichts«, sagt die Betschwester.
»Sie halten alles für natürlich. Sie statuiren keine Anzeichen, keine
Wundertf. Ferdinand: »Wunder glaube ich. Was aber die Anzeichen
anbelangt ....<( (Akt I, Sc. 6). Eine aktuelle Frage der Zeit war auch
die Romanlecture für Mädchen. Damals kam nach Deutschland der eng-
lische Roman. Die Betschwester eifert dagegen : « Letzthin gab sie ihr ein
Buch zu lesen, ich weiss nicht, ob es Pemala oder Pamela hiess. Genug,
es war ein liebes Buch und auf dem Kupfer stund der Teufel hinter
einer Frau, und wollte sie verführen. Aber ich kam zu allem Glücke
dazu, und riss es meiner Tochter aus der Hand. Solche teuflische
Bücher! « Das Sprachrohr der Aufklärung ist hier der junge Mann, er
erwidert: »Liebe Mama Sie übereilen sich in Ihrem Eifer. Die Pamela
ist ein sehr guter Roman, der die Unschuld und Tugend liebenswürdig
zu machen suchet«. In der Aufklärung ist die Toleranz mitinbegriffen,
im Pietismus die unduldsame Einseitigkeit, was sich z. B. im Punkte
der Mode kundgibt: »Ich höre schon«, sagt die Betschwester zu
Ferdinand, »Sie sind Indiflferentist. Bei Ihnen ist eines so gut, wie das
andere« (II. 1). — Noch specifischer ist die Figur Lorchens, sie ist nur
im Zusammenhang mit Geliert's übrigen literarischen Tendenzen zu ver-
stehen; sie ist zwar nicht aus deutschen Verhältnissen herausgewachsen,
aber wohl von der damaligen deutschen Gesellschaft als Ideal empfunden
worden. Mit dem grossmüthigen und empfindsamen Herzen Lorchen's
hat Geliert namentlich das realisirt, was man zur Zeit vom Lustspiel
verlangte — nämlich das pathetische, rührende Element. Thränen
mussten fliessen, Rührung musste bei den Zuschauern ausgelöst werden.
Daswar ja die Absicht der »comödie larmoyante« oder des »weinerlichen
Lustspielsff, wie es Geliert genannt. Die besondere, rührende Rolle spielt
hier Lorchen. Sie ist das Gellertsche Frauenideal, die empfindsame
Frau: sie führt nach den Worten der Betschwester eine galante Lebens-
art, die z. B. darin besteht, dass sie Andriennen und einen grossen
Fischbeinrock trägt und beim Frisiren gar in einem Buche liest. Das
Innere dieser Figur ist durch ihre vernünftigen und gefühlvollen Worte
ausgedrückt. Sie preist den vornehmen Genuss, die feine Lebensart
Die Vorlage zur Komödie »0 BpcMii ! « von Katharina II. 569
und ist wiederum so opferwillig, entsagend, grossmüthig, dass sie ihre
Herzensregungen gegenüber Simon um der Freundschaft willen zu
Christianchen entsagend unterdrückt. Das war für das XVIII. Jahrh.
gewissermassen das humane Ideal, und Ferdinand bricht über Lorchen
zum Schluss in Begeisterung aus: »Das heisst Grossmuth. Das heisst
Freund.gchaft ! Wenn doch viel solche weltlich gesinnte Frauenzimmer
in der Welt wären, wie Lorchen« (III. 11).
Ich hob in dieser Analyse speciell jene Züge hervor, die bei der
üebertragung der »Betschwester« ins Russische eine Aenderung er-
heischten. Katharina konnte und wollte dem russischen Publikum nicht
ein deutsches Rührstück vorführen. Es gefiel ihr an Gellevts Stück nur
die aufklärerische Tendenz ; die musste evident, wenn auch in auffallen-
den, groben Strichen, herausgearbeitet werden. Katharina betrachtete
die Bühne als eine Kanzel, von der herab sie das bildlich sagte, was
ihre Gesetze ausdrücklich geboten. Galachov führt z. B. Gesetze an,
die Katharina II. bereits 1766 gegen den Aberglauben schuf. Ihre
Sittenmoral richtete sich auf die breite Schichte der Gesellschaft, auf
den Bürgerstand. Demgemäss musste sie sich auch dem Vorstellungs-
kreise des russischen Mittelstandes im XVIII. Jahrh. anschliessen. Das
Niveau dieses Publikums war aber ein ungleich niedrigeres gegenüber
dem deutschen, damals mehr als heute. Geliert schrieb zwar ebenfalls
»für Alle«, aber seine Zuschauer waren von anderem Stoffe, Bürger
von Kleinparis — dem galanten Leipzig. Eine Figur wie Lorchen wurde
da im Parquet miterlebt, eine Betschwester hingegen durfte darin kaum
gesessen haben, was ihm auch die Kritik mit Recht vorhält. Der ganze
Milieuunterschied also auf beiden Seiten macht neben der schroffen
aufklärerischen Tendenz Katharinas den Hauptgrund der Verände-
rungen aus, die im folgenden Vergleiche beobachtet werden.
Zunächst was die Handlung betrifft. Sie läuft anfangs parallel —
freie Uebersetzung des Gellert'schen Stückes. Mavra charakterisirt Frau
Hanzahina mit denselben Worten, mit welchen Lorchen Frau Richardinn
zeichnet. Auch Hanzahinas Dialog mit Nepustov ist theilweise eine Ueber-
setzung des entsprechenden mit Ferdinand. In Akt I, Sc. 7 tritt eine
wesentliche Abweichung vom Original ein. Es kommt eine von Katharina
neu eingeführte Figur in das Stück, die Freundin der Betschwester, Frau
Vestnikova. Nach diesem Einschub schliesst sich Katharina wieder dem
Vorbilde an. Molokososov, der Bräutigam, ist von seiner Braut ob ihrer
Einfalt und Sprödigkeit enttäuscht, Mavra verspricht Rath zu schaffen.
570 D. Prohaska,
Damit schliesst der erste Akt. Im zweiten ist nicht nur eine veränderte
Reihenfolge der Scenen, sondern auch der durch Vestnikova angespon-
nene Faden Ursache gründlicher Abweichungen. Bei Geliert bildet
die Eingangsscene in diesen Akt ein Dialog zwischen dem Bräutigam
und der Betschwester, der die Handlung um keinen Schritt weiter
bringt. Statt dessen setzt hier Katharina mit einer — im Original erst
später folgenden — Scene zwischen Mavra und Hristina ein. M. unter-
richtet ihre junge Herrin in der Liebe und im Umgang mit einem Bräu-
tigame. — Wie Geliert lässt leider auch Katharina den Bräutigam die
Kaffeetasse hinter der Scene zerbrechen. Sie schildert uns diesen
Höhepunkt der Handlung so lebhaft, dass wir noch mehr bedauern,
dasa sie hier dem Originale folgte. Während aber in Gellerts Stücke
die Lösung bloss durch ein Geschenk an Frau Richardinn herbeigeführt
wird — was ebenfalls hinter der Scene geschieht — , setzt erst hier
Katharinas Intrigue wirklich ein. Denn sie zeigt uns, wie zuerst durch
Bestechung Frau Vestnikova gewonnen wird, wie aber zugleich in
Frau Cudihina, einer zweiten Betschwester neben Frau Hanzahina, dem
Liebespaare ein neuer Feind ersteht. Durch Mavras Eingreifen wird
auch dieses Hinderniss bewältigt, M. jagt nämlich der Abergläubischen
durch eine fatale Bemerkung einen solchen Schrecken in die Glieder,
dass diese sofort das Haus verlässt. Dem Einflüsse der erkauften Vest-
nikova erliegt dann — wenn auch nach hartnäckiger Abwehr — Frau
Hanzahina und willigt in die Verlobung ihrer Enkelin Hristina mit Herrn
Molokososov ein. — Katharina emancipirt sich so gegen Ende des
Stückes allmählich von ihrem Vorbilde. Der Vergleich mit diesem fällt
hier zu Gunsten ihrer Bearbeitung aus. Sie vermehrte die Triebfedern
der Handlung und brachte durch ihre neuen Figuren nicht nur
grössere Bewegung in die schleichende Handlung Gellerts, sondern
löste auch die Intrigue • — die im Originale sehr durchsichtig ist —
viel psychologischer. Nicht durch ein kleines Geschenk wird die hart-
näckige Betschwester bekehrt, sondern sie unterliegt vielmehr — ohne
bekehrt zu werden — dem Wortschwall ihrer Gesinnungsgenossin, die
erkauft ist.
Der interessanteste Punkt des Verhältnisses zu Geliert liegt in
Katharinas Charakterzeichnung. So wenig sie an der Betschwester
geändert haben mag, es genügte, dass diese aus der verschrobenen
Pietistin Gellerts eine echte russische Bogomoljka wurde. Noch roher
und noch unvernünftiger; eine Klatschbase ersten Ranges und eine
Die Vorlage zur Komödie »0 Bpeiufl !« von Katharina II. 571
herzlose Herrin von »Seelen« ist diese russische Betschwester. Einen
genialen Zug in der Charakteristik machte Katharina durch die Einfüh-
rung neuer ähnlicher Kreaturen. Die aus Geliert verpflanzte Figur ge-
wann erst dadurch volle Wahrscheinlichkeit, dass ihr Freundinnen an
die Seite gestellt wurden, die verschiedene Abstufungen zu dem Haupt-
laster, dem Aberglauben, bilden und so gewissermassen einen Hinter-
grund schufen, mit dem die Heldin zusammenhängt. Hanzahina scheint
auf diese Weise ganz aus russischem Boden hervorzugehen. Sie schimpft
über den Knecht, der es wagt, sie um die Erlaubniss zur Heirath zu bitten,
während sie Betstunde hält; noch mehr zürnt sie aber dem Mädchen,
das sich, nach ihrer Meinung, dem Burschen anhängen will. Ihre
Scheltworte sind dabei viel gewichtiger als die analogen Schimpfreden
von Gallerts Betschwester. Sie schimpft: »H jihiub töjiBko na^iajia
aHX rjTHaiy, B0uiejii> MaMiiMii cLiHt h ctohtx KaKi, ÄeMoiix bt, rop-
HHi];i. K eMy roBopio: no;i,H boh'b, hb Mimaä mh^ npoKATofi . .« u. s.w.
(CoTi. EnaT. I, 11). Wenn Geliert die Unwissenheit seiner Betschwester
damit andeutet, dass er sie statt »Pamela« «Pemalatf sagen lässt, so steht
Katharinas Hanzahina noch um eine Stufe tiefer, denn für sie ist schon
»natura« ein auffallendes Fremdwort: TaKi. öartKa: bli hh ^sMy
HtiH'feye ne B^piiTe y BacB Bce naxypa . . . Bce iiaxypa (I, 6). —
Statt Lorchen, der galanten Lieblingsfigur Gellerts, hat Katharina eine
andere eigene eingesetzt — denn Mavra ist von Lorchen grundverschie-
den — , eine schlaue und intrigante Kammerzofe. Katharina hatte
geradezu eine Vorliebe für Figuren vom Schlage Mavras. Es ist das
leicht aus ihrer rationellen Gesinnung zu verstehen. In dem Dienst-
mädchen konnte sie am besten den gesunden Menschenverstand gegen-
über eingewurzelten Vorurtheilen der Gesellschaft ausspielen, und in
der Kritik des dienenden Geistes ihrem aufklärerischen Raisonnement
Luft machen. Ein Lorchen in Gellerts Manier mit Empfindsamkeit und
Zierlichkeit ausgestattet, war Katharinas Wesen durchaus zuwider.
Allerdings hat Mavra einige Züge von Lorchen beibehalten. Wie diese
ist auch das russische Dienstmädchen gebildet und liest sogar Richard-
sons Pamela; Katharina scheint jedoch selbst die Unglaublichkeit ihrer
Figur von dieser Seite gefühlt zu haben und lässt daher dieselbe Mavra
entschuldigend sagen : » . . xoth n h BectMa ^ojiro bi äöm'S hobomoahoh
cE>paHi];yyKeHKn c.iyaciiJia« (1, 22). — Nicht viel, nur äusserlich russisch
umgeformt erscheint bei K. Gellerts Christianchen. Im Original ist
sie die Tochter der Frau Richardinn und muss mit ihr nähen und singen ;
572 D- Prohaska,
bei Katharina ist sie die Enkelin Hanzahinas und ist »Bt a^bh^lbh
ropmmi« erzogen worden, ohne irgend einen Mann KpoMi& $ajrejieH 6a-
6yuiKHHa AypaKa kennen zu lernen. Ihre Vorztige bestehen allein darin,
dass sie ein einfältiges Gemüth hat nnd rein russisch ohne französischen
Jargon oder ohne hochtrabende (kirchenslavische ?) Worte spricht. Mavra
schildert Christianchen so : ne tojilko no $paHii;ycKH, ho h no Pyckh
Majro ona snaeT-B ; a no TOMy n astiKa PycKaro ne nopTiiTii : ho ro-
Bopa PycKH öpaTa HastiBaexi) öpaxii.eM'L a ne mon frere, cecxpy
cecTpHri;eio, a hb ma soeure ; ne anaeTi. h ÄpyrHxt BMXBepaceHHtrxTfc
noAOÖHO nonyraio cjiob'B hh KpHB.iHHta, hh npespinin irt .TECjaMi.
noHTeniR aoctohhlim'b. He KcxaTH ne xoxoqeTi>, noxaöcTBa ne HMiexi);
KymaHLH 3a CTOüOMt ne HastreaeTt Ö-hgaomt. c.iaBHtiMi. . . (1,21 — 22).
Dieser äussere russische Anstrich verwischt aber gar nicht die Identität
Hristinas mit Christianchen. Mich erinnern beide Figuren an den
Typus der spröden Geliebten, wie er in der Gessnerischen schäferlichen
Zeit geläufig war. Man fand was Reizendes daran, sich ein Mädchen zu
denken, die keine Ahnung von Liebe hat, ein reines Naturkind ist und
erst allmählich über dieses Gefühl aufgeklärt wird. Diesen Zug der
idyllischen Unschuld hat Katharina nicht nur in dieser, sondern auch
in ihren anderen Komödien beibehalten, jedoch — zum Unterschied
von Geliert — immer mit einem gewissen Ferment von Ironie. Ihren
Mädchen steht immer eine Mavra als Mentor zur Seite. — Die zwei
neuen Gestalten Katharinas gehören nur indirekt in den Rahmen un-
seres Vergleiches. Diese Figuren sind köstlich wahrhaft, so weit man
von der Uebertreibung ihrer Laster im Lustspiele absehen darf. Vest-
nikova und Cudihina bilden mit Hanzahina ein Trifolium des Lasters.
Mavra gibt von beiden eine kurze erschöpfende Charakteristik: »Ce-
CTpHi^a en rocnoaca BicxHHKOBa, ^a rocno>Ka "y^TAnxHHa. üepLEaa
ateManna Bce BnaioniiaH BiicoKOM^pHa , BicxoBn^nita s.iopii.'niBa, h
jnoÖHXT. npH cxapocxH napHABi: a nocjiijmfm o^ent saöaBHa; BCHKiä
AeHB HOBtia y nen npHMixti; Bcero ona öohxcä; oxo Bcero o6mh-
paex-Lj cyeB^pHa äo öesKOHeiiHoexH; öoroMOJiLHa hs-l ntnuHOCXH; mo-
xoBKa öespacyAHaa, a MOjeÖHti o^HaKoact noexx. Bcer;i;a bi. AO-iri>:
ecöpmiHi^a cnjiexHHii;a öeacxLiAHa h .lasHBa xaKt, Kaict öojie hhkxo
6uTh HB Moatexi.« (Co^. Enax. I, 14). — Und diese Charakteristik ist
auch konsequent in der Handlung durchgeführt. Die Komödie gewann
dadurch ungemein viel an Lebendigkeit gegenüber dem Stücke Gellerts.
Es sei aber bemerkt, dass der Gedanke, eine Abstufung und Mehrheit
Die Vorlage zur Komödie »0 BpcMa ! « von Katharina II. 573
gleichartiger Charaktere vorzuführen, nicht originell ist. Auch z. B. in
dem vielleicht Katharina bekannten Stücke von Frau Gottsched »Die
Pietisterey im Fischbeinrocke« kommen verwandte Charaktere vor,
wie Frau Glaubeleichtin, Frau Zankenheimin — jedoch die Gestalten
bei Katharina selbst haben diese literarischen Vorgänger nicht zum
Vorbilde gehabt. — Die Männer des Stückes sind treu aus Geliert
ausgeschrieben und daher auch viel farbloser als die übrigen Figuren.
Bei Geliert sind sie Berliner, die nach Leipzig kommen, bei Katharina
Petersburger, die in Moskau freien.
Hand in Hand mit diesen Veränderungen gehen auch die techni-
schen. Diese sind natürlich geringer. Die Dreitheilung der Handlung
wird beibehalten, am Aktschlüsse treten alle Personen ab ; das Auf-
und Abtreten zwischen den Scenen wird handgreiflich markirt mit An-
meldungen und Wendungen wie: Jl^a bott. oiia h iiAexi, (Akt II, Sc. 4);
^a BOHt r. HenycTOBi (III, 4) ; Ho boti. oh-i h caMx HAexi. (III, 5).
Katharina weiss aber auch hie und da den Scenenwechsel geschickter
zu motiviren; das geschieht namentlich dort, wo sie sich in den eigenen
Partien ihres Stückes befindet, z. B. I, Sc. 1 0 wird Hanzahina mit der
Motivirung hinausgerufen, dass ihre Freundin gekommen sei, aber nicht
herein könne, weil sie eine Grille zirpen höre (h hb xo^ext nepecTy-
nKT-B yepest noporx, mh Toro, qxo ycJiLimaja CBeptyKa). Auch die
Flucht aus dem Zimmer wird bei derselben Person durch ihren Aber-
glauben motivirt (III, Sc. 3). — Geliert steht hierin seiner Schülerin nach.
Er lässt im L Akte Personen abtreten, um Kafiee zu kochen, und im
II., um den Kaflfee zu trinken gehen I In Gellerts Manier aber deutet
Katharina den künftigen Inhalt im voraus an. Vgl. Betschwester I, 9 :
Ich will gehen und ihr unsern Vorschlag eröflfnen. — »0 Bpeaia!« I, 12 :
HsBOJELTB ÖLiTB yBipBHLi, H no^yiTB TBüBpL K'B CTapymKi (S. 22) ; Bp.
II, 5: Kommen Sie, wir müssen doch mit ihr reden. — 0. Bp. II, 6:
IIspflAHO, H3pfl:ÄH0, noHÄÖM'L OTciOAa : n noä^y kx hem^ h ^bm-l HHÖy^b
noxmycL pa3opBaTL sto coiiaiHme (II, 6) u. a. a. 0. Technisch unab-
hängig ist Katharina in Kleinigkeiten, die daraus verständlich sind, weil
sie sich unter keine theoretische Regel im Sinne Gottscheds fügen
musste, wie der Literat Geliert, Sie erlaubt sich so z. B. das Apparte-
sprechen. Ihre Mavra macht Nebenbemerkungen für sich (nämlich für
das Publikum) I, S ; II, 4 ; auch die Belauschung wird ausgenützt II, 6 :
M.: »KoHB^Ho Bti y AuepsH noACJiymajiH hjih b-l aaMoqiiyio Atipo^Ky
BbicMoxpi JH ? « Katharina hatte lebhaft die Bühne vor Augen; sie
574 D. Prohaska,
begleitet ihren Text beständig mit scenischen Anmerkungen. Ihre Per-
sonen fallen sich ins Wort (I, 6), gestikuliren (I, 8; III, 1 ; III, 3; III, 6),
lachen (III, 11), winken (II, 5), lispeln (III, 3, 5), verfallen in Selbst-
gespräche (II, 4), gelangen in Affekt (11, 5), beschäftigen sich mit der
Toilette (III, 1). Auch diese kleinen Züge sprechen für die Unmittelbar-
keit und Anschaulichkeit in Katharinas Darstellungsweise.
Was den Stil und die Sprache anbelangt, so scheint mir Katha-
rinas Stück im Tone gegenüber Gellerts herabgedrückt, vulgärer sein
zu wollen. Gellerts Figuren sprechen alle ein vornehmes Leipziger
Deutsch, während die Katharinas, besonders die Frauenfiguren, hie
und da, obwohl sie Moskauerinnen sind, merkwürdige dialektische
Wendungen gebrauchen. Ob dies Provincialismen sind, oder ob sie
auf Katharinas mangelhafte Kenntniss des Russischen zurückzuführen
sind, muss ich besseren Kennern der russischen Sprache überlassen.
Dass aber eine volksthümelnde Tendenz vorliegt, wollen mir die
Sprüchwörter beweisen, die Katharina ihren Figuren, z.B. Vestni-
kova, in den Mund legt. Vgl. . . ciobo na Bopoxy hb bhchbt'l (Coii.
Ek. I, 36); . . KTo cxapoe noMHHeT% Tony rjast bohi. (I, 39). — Man
vergleiche auch die oben angeführten Worte Mavra's: »ho h no PycKH
Majro OHa snaexi., a no TOMy ii asMKa PycKaro hb nopTHTt«. Diese
Aussage Katharinas ist ja sprachlich höchst charakteristisch. Es ist ein
Seitenhieb auf das unrussische Kirchenslavische in der Sprache der
Gebildeten des XVIII. Jahrh. und zugleich ein Wort pro domo sua, weil
Katharina ja ebenfalls die Kunst der Grammatik nicht besass und auch
wenig russisch kannte. Es sei noch bemerkt, dass in der Sprache der
Petersburger und der Moskauerinnen im Stücke zwar keine dialektischen,
aber wohl stilistische Unterschiede gemacht werden. Die Männer spre-
chen eine wohlgegliederte, mit Abstracta ausgerüstete ernste Sprache,
während die Frauen abgerissene Sätze, Interjectionen und metaphori-
schen Ausdruck lieben. Da zu solcher Unterscheidung Gellerts Bet-
schwester nicht veranlasste, muss auch dies auf die Rechnung der
realistischeren Manier Katharinas gesetzt werden. Solche stilistische
Unterscheidung wäre bei ihr noch viel kräftiger zum Ausdruck gekom-
men, hätte sie die Sprache besser in der Gewalt gehabt.
Katharina übersetzt Geliert niemals wörtlich, sie beobachtet im
Detail der Rede dieselben Principien, welche wir im Grossen und
Ganzen bisher gesehen haben. Als illustrirendes Beispiel sei der Text
Gellerts mit dem Katharinas gegenübergestellt, wo Lorchen respective
Die Vorlage zur Komödie »0 BpcMK ! « von Katharina IL 575
Mavra eine Beschreibung von der täglichen Beschäftigung der Bet-
schwester gibt.
Lorchen: »Gegen acht Uhr steht sie auf. Und sobald sie den
Fuss in den Pantoffel setzet : so fängt sie auch an zu singen. Singend
nun, kämmt sie zuerst den Mops. Singend versorget sie ihre Katze.
Singend füttert sie den Canarienvogel. Singend besucht sie ihre beiden
brabantischen Hühner. Und sobald es neune schlägt, so hört sie auf zu
singen, wenn es auch mitten in dem Verse eines Liedes wäre . .«
(I, Sc. 4).
Mavra: »Oiia BCTaeTt no yxpy Bt uiecxt ^lacoBt h CÄijijfi
ApeBHBMy noxBajiBHOMy oötiiaio cxoAHTt cl nocxejH na 6ocy Hory :
comeAt cnpaB-iaext npeAt oöpasaMii jaMna^y; no xomt. npoqnxaexi,
yxpsHHifl MOJHXBH H aKa^HCXx; noxoMi. ^lemex'B cbok) Kornny o6n-
paexx CB HSH 6.10x11, n noexi. cxiixt : 6 ja^eni kxo h ckoxh nvurjeTi, !
A npH ceMi. niniH h nacx xaKt ace MiuoBaxb hsbojihxi., nnyio nomo-
^HHOH, HHyio xpocxK), a HHyH) öpaHBio H npoKJiaxieMx. üoxoM'B na-
^mnaexcH sayxpena, bo Bpeinn Koxopofi, xo öpannx'B ^Bopei^Karo, xo
men^exi, MOjraxBLi ; . .« jl, Sc. l).
So hat Katharina Gellerts Betschwester gründlich umgearbeitet.
Ihre Absicht ist oben dargelegt worden; sie hat es verstanden nach dieser
die Vorlage umzuwandeln, nämlich: aus dem deutschen Rührstück eine
russische Komödie zu machen. Es ging aus dem Vergleiche hervor,
daas »0 BpeMa« so manche dramatische Vorzüge gegenüber der »Bet-
schwester« hat, sowohl in der lebhafteren Handlung als auch in der
realistischeren Anlage der Charaktere oder der Typen. Gellerts Text
wird nicht nur tibersetzt, sondern auch russificirt. So durfte mit ge-
wisser Berechtigung die Autorin ihr Werk als ihr eigenes betrachten.
Sie trat aber damit anonym auf; in Russland so gut, wie vor Voltaire.
Es musste sie riesig gefreut haben, durch ihr Incognito allen jenen, die
sich Gellerts nicht erinnerten, ein Schnippchen geschlagen zu haben.
Denn sie schrieb ja nur zum Spass. [Das gesteht sie selbst in einem
Briefe an ihren Freund Grimm. Vgl. Pypin's Ausg. I, 345.]
Dass sie gerade auf Geliert kam und nicht auf ein anderes Vor-
bild in der deutschen Literatur — sie schrieb »0 BpsMa!« 1772, also
erst, wo die klassische Periode einsetzt — , ist wohl verständlich aus
ihrer Tendenz, wie aus Gellerts Popularität in Deutschland. Man muss
sich nur in die Zeit versetzen, wo Friedrich der Grosse selbst in Ver-
legenheit war, welchen deutschen Dichter er mit einem der Grossen bei
576 D. Prohaska,
den Franzosen vergleichen sollte, und einen solchen nur in Geliert
fand. Es war natürlich der Fabeldichter Geliert, den man in höheren
Kreisen las. Auch in die slavische Welt ist nur dieser gedrungen.
Geliert war neben Gessner bei den Slaven wohl der bestbekannte deutsche
Dichter bis zur Wiedergeburt im XIX. Jahrh. Auf Geliert und Gessner
folgt da Goethe und Schiller. Wieland blieb unbekannt. Man stand
eben bis zur Romantik mit der deutschen Literatur in keinem Kontakt.
Bei Polen wie Russen herrschte französischer Einfluss. Unter solchem
Gesichtspunkte ist Katharinas Wagestück, Geliert nachzuahmen, eine
originelle That. Die Unkenntniss der deutschen Literatur bei Slaven und
Franzosen kam ihr aber zu gute, denn ihr Stück galt als — Original.
Sie Hess es ins Französische übersetzen, nicht aber ins Deutsche —
wie ihre übrigen Stücke.
Für ihre weitere Entwicklung in der Komödiographie war dieser
erste Gellert'sche Einfluss von grundlegender Bedeutung. Es zeigt sich
auch bei ihr, dass der erste Eindruck bei nicht starken dichterischen
Individualitäten der bleibende ist. Es lassen sich folgende gemeinsame
Züge zwischen »0 Bpewa«, resp. der »Betschwester« und den späteren
Stücken Katharinas hervorheben. Neben der Heilung des Hauptlasters
läuft immer eine Brautwerbung als Parallelhandlung einher. Die Ex-
position des Stückes machen gewöhnlich die Diener, sie sind es auch,
welche die Intrigue schürzen. Ständige Figuren sind der junge Bräuti-
gam, für den ein Heirathsvermittler oder Freund auftritt, und der dumme
junge Backfisch, der treuherzig sein Schicksal in die Hände der klugen
Kammerzofe legt (vgl. die Stücke: )>IlMflnHHLi rocno^n BopyajitKHHOH«
— »rocno)Ka B'SeTHHKOBa et ceMbeio«). Natürlich hat sich Katharina
nicht immer dieser Schablone bedient, sie variirt das Thema und die
Gruppirung so geschickt, dass man es oft nicht wieder erkennt. Auch
in den Stücken ihrer zweiten Periode (nach d. J. 17S6) tauchen diese ver-
wandten Züge im Hintergrund der Handlungen discret auf. ilch meine
die »Drey Lustspiele wider Schwärmerey und Aberglauben«, russisch:
»OÖMaiimHKTb» — »OÖ0Jii>ni,eHLiH« — »niaMaHTi CnÖHpcKiil«). — Man darf
die Sucht nach weiterem Gellert'schen Einfluss bei Katbarina zu fahnden
nicht zu weit treiben, denn gewiss liegen ihren übrigen Stücken uns bis
jetzt noch unbekannte fremde Vorlagen vor. Sie selbst nennt in einem
Briefe z. B. Sedaine, als den Schriftsteller, den sie gerne lese, ja gerne
kopire. Ihr Verhältniss zu den Franzosen ist noch nicht näher erforscht.
Was Katharina von Geliert in allen Stücken unterscheidet, ist die
1
1
Die Vorlage zur Komödie »0 BpcMa!« von Katharina II. 577
Enthaltung von aller Empfindsamkeit. Dieser Zug macht ihre persönliche
Eigenthümlichkeit aus. Sie hat weder die Liebe noch die Grossmuth
hochgehalten. Nur der gesunde Verstand, der Witz, Laune und Ironie
bildeten ihr die Quintessenz des Lebens. Sie schrieb daher auch keine
Rührstücke, sondern humoristische Komödien. Diese negative Seite
ihres Wesens finde ich bei Pypin nicht hervorgehoben; aus dem Ver-
gleiche mit der Vorlage von »0 BpeMa« ist sie aber evident.
»0 BpeMal« ist noch darum interessant, weil damit die Geschichte
der russischen Komödie beginnt. Nichts wäre aber falscher, als des-
halb zu sagen, dass die russische Komödie unter deutschem Einflüsse
entsteht. Dagegen spricht gerade das Verhältniss Katharinas zu
Geliert, das eine ziemliche Unabhängigkeit aufweist. Die deutsche
Empfindsamkeit wurde abgestreift, das derbe nationale Element rea-
listisch eingeführt. Von-Vizin bedeutet hierin schon eine weitere Stufe :
er entnimmt nur mehr einzelne Gedanken dem Auslande (Frankreich) —
seine Welt ist aber eine echt russische. Nur Talente von minderem
Werthe: Sumarokov, Knjaznin,Verevkin u. a. ahmen die pseudoklassische
und die «comödie larmoyante« nach. Und schon in den 20er Jahren
des XIX. Jahrh. erreichte die russische Komödie mit Gribojedovs genia-
ler — bis heute im Westen zu wenig bekannten — Leistung »Uope oxt
yMa« (Wehe dem Gescheiten !) eine klassische Höhe. Gogol's Revisor
that das Uebrige. Diesen raschen Aufschwung der russischen Komödie
gegenüber der deutschen möchte ich nicht ausschliesslich auf Verschie-
denheit der Racen zurückführen — sondern kulturgeschichtlich kom-
mentiren. Das russische Leben bietet mit seinen paradoxen europäisch-
asiatischen Verhältnissen mehr als irgend ein anderes Stofi" zur Satyre,
zur Komödie. Gogol selbst sagte einmal etwas Aehnliched. Natürlich
kommt dann hinzu der specifisch slavische Sinn für das Kleine, die
scharfe Beobachtungsgabe für das scheinbar Unbedeutende im mensch-
lichen Dasein. Nur in diesem Sinne wiederhole ich gerne Voltaires
Worte an Katharina: »Je vois que les Russes ont bien de l'esprit et du
bon esprit«. —
D. Prohaska.
Archiv för slavisclie Philologie. XXVII.
Kritischer Anzeiger,
A. M. ^yKLflHeHKo. KaSKascKoe Hapime. KieBi, 1905. 8**. XL 326.
Eine ausführliche literaturgeschichtlich-grammatische Monographie über
den Kajdialekt der kroatischen Sprache von einem jungen Russen, der in
Kijev die slavische Philologie studirt — eine sehr angenehme Ueberraschung.
Allerdings ist die Schrift nicht aus einer Studienreise ins Land, um das Volk
und seine Sprache zu studiren, hervorgegangen. Ja vielleicht hat der Ver-
fasser nie ein Wort dieses Dialektes aus dem Munde eines Kaj-Kroaten ge-
hört ! Die Schrift gehört demnach nicht in das Bereich der modernen Dialekt-
forschung, wo man unter möglichst genauer Beobachtung und Fixirung aller
physiologischen Eigenthümlichkeiten einer lebenden Volkssprache das Ma-
terial sammelt und bearbeitet. Darum liefert auch die Schrift keine Erwei-
terung unserer Kenntnisse des Kajdialektes nach dieser Seite. Die Aufgabe
des Verfassers bestand vielmehr darin, das in neuerer Zeit gesammelte und
ihm zugänglich gewesene gedruckte Material über diesen Dialekt, mögen es
grammatische Arbeiten oder nur verschiedene Texte sein, fleissig zu prüfen
und für eine systematische Uebersicht und Charakteristik des Dialektes nach
allen Gesichtspunkten zu verwerten. Also Laut- und Formenlehre, inflexible
Redetheile und Syntax, mit Hinzufügung allgemeiner Bemerkungen über die
Beziehungen des Kajdialektes zu den Nachbarsprachen u. e. a. — dazu eine
literaturgeschichtliche Einleitung — das bildet das Thema dieser Mono-
graphie. Es ist eine fleissige Studentenarbeit, die vollauf verdiente, im Drück
zu erscheinen, da sie nicht nur in der russischen slavistiscbeu Literatur eine
Lücke ausfüllt, sondern überhaupt etwas bietet, was bisher Niemand gethan
hat. Selbstverständlich kann von einer solchen Erstlingsarbeit kaum etwas
mehr verlangt und erwartet werden, als die fleissige und möglichst voll-
ständige Verwerthung der dem Verfasser zu Gebote stehenden Hilfsmittel.
In der Gruppirung des Materials, in der Stellungnahme des Autors zu den in
seinen Hilfsmitteln niedergelegten Ansichten muss sich der Grad seiner wissen-
schaftlichen Reife abspiegeln, muss seine Schulung und die gewonnene me-
thodische Fertigkeit zum Vorschein kommen. In beiden Beziehungen macht
diese Arbeit guten Eindruck, wenn ich auch mehr den Fleiss als den Scharf-
sinn des Verfassers loben kann. Ich will die Schrift mit Bemerkungen be-
gleiten, die der Reihe nach seiner Darstellung folgen, wobei ich das Richtige
Lukjanenko, Der Kajdialekt, angez. von Jagic. 579
mit Stillschweigen übergehe, dagegen die Versehen oder offenbaren Unrichtig-
keiten hervorhebe, nicht um damit dem Verfasser etwas Unangenehmes zu
sagen, sondern um ihm, der offenbar einer Belehrung zugänglich ist, auf das
oder jenes aufmerksam zu machen.
Auf den ersten 58 Seiten giebt er eine Uebersicbt über den Umfang des
Dialektes und über die Schicksale der Sprache in dieser Literatur. Nichts
Selbstständiges wird darin geboten, alles nach fremden Arbeiten wieder-
erzählt, aber für die Beleuchtung des weiterfolgenden Stoffes sehr brauchbar.
Unter den Hilfsmitteln vermisse ich die Kukuljevic'sche Arbeit über die
Kajschriftsteller des XVII. Jahrh. (in seinem Arkiv erschienen), den Knji-
zevnik, worin eine von Dr. Ivekovid und mir geschriebene Abhandlung über
die»Sirena« der beiden Brüder Zrinski für seine Arbeit nützlich wäre. Warum
er die Literaturgeschichte Surmin's übergeht und nur seinen Aufsatz in dewi
Slovnik Otto's zitirt, weiss ich wirklich nicht. Sehr zu bedauern ist es, nicht
nur wegen der literaturgeschichtlichen Einleitung, sondern noch mehr wegen
des grammatischen Theils der Schrift, dass dem Verfasser aus der durchaus
nicht armen Kajliteratur des XVI. — XVIII. Jahrh. gar nichts unmittelbar zu
Gebote stand, kein alter Druck. Er musste sich rein damit begnügen, was er
in der bekannten Arbeit Oblak's (über die slovenische Deklination) aus einem
Vramec, Petretic u. a. citirt vorfand. Selbst das schöne Wörterbuch Belo-
stenec's scheint ihm nicht zugänglich gewesen zu sein, da er es kaum flüchtig
erwähnt (S. 22). Und wenn er den anderen Lexikographen zur Hand gehabt
hätte, so würde er seinen Namen nicht unrichtig Jambreziö, sondern richtig
Jambresic geschrieben haben. Auch hätte er den Buchdrucker Manlius nicht
zweimal Maulius schreiben sollen. Bei der Bestimmung der Grenze des Kaj-
kavischen gegenüber dem Cakavischen in Istrien hatte er das Missgeschick,
eine Stelle in der Abhandlung Prof. Resetar's (Archiv XIII. 170) falsch ver-
standen zu haben. Aus »in den Pfarren« machte er einen Ortsnamen : bt.
II*apeHi! Was er mit den Worten S. 18 Z.4 — 7, die sich auf Vramec beziehen,
sagen wollte, kann ich nicht bestimmen, wohl aber die Mittheilung machen,
dass nächstens eine Studie über Vramec von Prof. Klaiö in Agram erscheinen
soll. Zum Schluss der literaturgeschichtlichen Einleitung behandelt er die
Frage über die Zugehörigkeit des Kajdialektes zum Serbokroatischen oder
Slovenischen (S. 53 — 58). Allerdings beschränkt er sich zumeist auf die
Wiedergabe fremder Ansichten, dennoch sieht man, dass er selbst denjenigen
sich anschliessen möchte, die das Kajkavische zum Serbokroatischen zählen.
Da er häufig auch mich zitirt, zum Theil nach den Jugendwerken der sech-
ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, so will ich mit kurzen Worten meinen
Standpunkt präcisiren. Wer im Stande ist, sich zu emancipiren von den
jetzt schon aufgegebenen Versuchen, Stammbäume zu konstruiren, wer
den einseitigen Standpunkt bereit ist aufzugeben, den einst Schleicher mit
mehr Scharfsinn und Energie als Ueberzeugungskraft vertrat, dass einzelne
phonetische Merkmale zur Klassifikation der Verwandtschaftsverhältnisse
ausreichen — das war ein Standpunkt, der ungefähr dem Linn6'schen System
in der Botanik entsprach — wird ohne viel Besinnen dem Kajdialekt die rich-
tige Stellung einer Mitte zwischen dem Slovenischen von heute und dem
37*
580 Kritischer Anzeiger.
Serbokroatischen anweisen. Ich will selbst den Ausdruck ȟebergangs-
dialekt« nicht gebrauchen, um nicht deu Eindruck hervorzurufen, als wäre
das ein Mischdialekt und nicht eine Sprache, die selbst in der Literatur
durch vier Jahrhunderte ihre ganz selbstständige Stellung einnahm, die durch-
aus nicht ein Anhängsel an das Slovenische oder an das Cakavische oder
Stokavische des Serbokroatischen bildete. Eichtig ist es, dass in früheren
Jahrhunderten diese Sprache slovenisch hiess, so wie das Land slovenisches
Königreich (regnum Sclavoniae) — der Name präjudicirt gar nicht. Auch das
Slovakische wird noch heute zu Hause »slovenisch« genannt. Wie stark die
älteren Schriftsteller den Abstand ihrer Sprache, die sie slovenisch oder
kroatisch nannten — von derjenigen Sprache, die heute slovenisch heisst,
damals aber von diesen Schriftstellern nur mit dem geographischen Namen
krainisch bezeichnet wurde, herausfühlten, das beweist unter anderem auch
der Umstand, dass aus dem »krainischen« ins »slovenische« übersetzt wurde.
Z. B. in dem grossen vierbändigen »Cvet sveteh ali zivlenje i cini Svetcev«
von P. Hilarion Gasparotti (1760) kommen auch Stücke vor, die er aus dem
»Palmarium empyreum seu conciones CXXVI de Sanctis totius anni« des
Kapuziners P. Rogerius '17431, aus dem carniolico idiomate geschriebenen
Text »na nas slovenski jezik« übersetzte. Zu solchen Stücken gehört u. A.
die Predigt am 1. Octor: »Prodeka od svetoga cisla« gegenüber »Pridega od
svetiga rozeukranca". Wer also nicht einseitig auf einzelne phonetische
Uebereinstimmungen das Hauptgewicht legt, sondern die Gesammtheit aller
Abweichungen, die sich im Charakter der Aussprache, in der Behandlung der
Vokale, in den Sprachformen, im Lexikon abspiegeln, auf sich einwirken lässt,
dem würde schon die Vergleichung des doppelten Textes einer solchen Pre-
digt die Ueberzeugung beibringen, dass das Gefühl der sprachlichen Ver-
wandtschaft sich nicht nach einzelnen Punkten aus der vergleichenden Pho-
netik, sondern nach dem Totaleindruck aller Erscheinungen sprachlicher,
kultureller und selbst politischer Natur richtet. Und dieser Totaleindruck zieht
das Kajkavische in den Kreis des Elroatischen, nicht des Slovenischen, mögen
auch viele Berührungspunkte mit dem Slovenischen, namentlich des Ostens,
vorhanden sein. Wenn ich in meinen Schriften nicht immer über diesen
Punkt 80 klar dachte, so erklärt sich auch das, wie manches im menschlichen
Leben, aus der Macht des Ansehens und der Autorität der Vorbilder, bis mau
allmählich aufhört, mit fremden Gedanken zu denken. Wenn daher im Jahre
1723 ein Agramer Kapuziner P.Stephan mit seinen Predigten, die er sehr be-
redt im kajkavischen Agramer Dialekt hielt und druckte, dem kleinen Volk
»Horvackoga, Slovenskoga i Dalmatinskoga naroda« nützlich sein wollte, so
ist damit dem Gefühl der Zusammengehörigkeit Ausdruck gegeben, der nicht
durch einige Punkte aus der Phonetik umgestossen werden kann.
Da der Sammler des Materials keine Kritik seiner Quellen giebt, so muss
ich nachholen, dass man sich im Sinne einer reinen Volkssprache weder auf
Plohl-Herdvigov noch auf Valjavec durchgehend verlassen kann. Plohl-Her-
dvigov hat zwar genau notirt, doch die Bevölkerung selbst der Gegend, woher
er das Material schöpfte, ist nicht rein kajkavisch, sie repräsentirt das Kaj-
kavische und Stokavische in einer Mischung, die mit geschichtlichen Ereig-
Liikjanenko, Der Kajdialekt, angez. von Jagid. 58]
nissen des XVI. — XVII. Jahrh. im Zusaiumenhaug steht. Hätte der Verfasser
diesen Umstand beachtet, so würde so maoche Erscheinung, die ganz aus dem
Rahmen des Kajkavischen herausfällt, entweder in der Behandlung dieses
Werkes überhaupt keine Aufnahme gefunden haben, oder wenigstens wäre sie
als nicht echt kajkavisch bezeichnet worden. Die Erzählungen Valjavec's
müssen aus einem anderen Grunde mit Vorsicht benutzt werden. Man weiss
OS, dass ein grosser Theil dieser Erzählungen so zu Stande kam, dass der
Herausgeber als gewesener Gyranasialprofessor in AVarasdin seine Schüler
dazu animirte, ihm das Material zu liefern. Diese Schulknaben standen aber
selbst unbewusst vielfach schon unter dem Einfluss der stokavischen Literatur-
sprache. Ich werde im weiteren Verlaufe einige solche Beispiele, die mir als
nicht volksthümlich verdächtig sind, anführen. Zunächst will ich noch eine
allgemeine Bemerkung machen. Das Werk behandelt den Kajdialekt. Es wäre
aber falsch, zu glauben, dass das ganze Territorium des Kajdialektes einen
einzigen, einheitlichen Dialekt repräsentirt. Schon die einzelnen Erschei-
nungen, wie sie in diesem Werke zur Sprache kommen, veranschaulichen
grosse Verschiedenheiten. Allein aus der in diesem Werke gegebenen Analyse
kann der Leser kein anschauliches Bild gewinnen, in welche Untermundarten
das Kajkavische zerfällt, wie sich diese zueinander verhalten, in welchem
Umfang und mit w.elcher Begrenzung. Diese Lücke in unserem Wissen bleibt
unausgefüUt. Der Verfasser hat sich auch keinen bestimmten Plan gezeichnet,
nach welchem bei ihm die Erscheinungen aufeinander folgen sollten. Er hält
zwar die einzelnen Ortschaften auseinander (z. B. Murinsel, Warasdiner Ge-
gend, Vrbovec, Prigorje, Trebarjevo, Stupnik, Zagorje, Lokve), weil seine
Quellen so lokalisirtes Material bieten, doch ein bestimmtes Bild einzelner
Mundarten kommt dadurch nicht zum Vorschein. Wohl trachtet er nach dem
Vorgang Oblaks eine nördliche und eine südliche Schicht des Kajdialektes zu
sondern (S. 286 — 293) , doch eine genauere Grenzbestimmung wird auch hier
nicht versucht, kann auch bei den grossen Lücken unseres gegenwärtigen
Wissens noch nicht versucht werden. Ich mache nicht nur keinen Vorwurf
daraus dem Verfasser, sondern billige noch seine Vorsicht, dass er nicht vor-
eilige Verallgemeinerungen oder Schlüsse gezogen.
Wenn ich nun auf Einzelheiten übergehe, so setze ich für die grosse
Masse des herangezogenen sprachlichen Stoffes immer stillschweigend voraus,
dass sie vom Verfasser richtig verwertet, richtig beurtheilt und an richtiger
Stelle eingeschaltet wurde. Ich begnüge mich daher nur mit der Hervor-
hebung von Abweichungen und hie und da gebe ich einige Zusätze. Zur Be-
handlung des Ersatzes für die alten schwachen Vokale möchte ich erwähnen,
dass mir die Beispiele mit a aus Plohl-Hordvigov für den echten kajk. Dialekt
aus oben angeführten Gründen nichts beweisen, sie sind eben nicht echt kaj-
kavisch. Auch ein tamnica aus Valjavec (S. 61) ist mir aus gleichen Gründen
als nicht volksthümlich verdächtig. Richtig ist, dass man heute laz, lazec,
lagati etc. sagt, aber Petretic hat in seinem Evangelium noch lezec (im Tir-
nauer Evangelium vom J. 1693 und in dem Agramer vom J. 1807: lazec).
Selbst die reinsten Kaj-Schriftsteller haben dann und wann eine Endung auf
-ac (statt des üblichen -ec], doch Auslassungen des Vokals sind in den Suffix-
582 Kritischer Anzeiger.
stellen selten, z. B. norc (regelmässig so, nicht norec), so auch tork oder vtork
(Dienstag), die erstere Form (tork) wenden in voller Uebereinstimmung alle
drei vorerwähnten Evangelien an. Wünschenswerth wäre es auch, die Fälle des
Schwankens zwischen dem Einsatz und der Auslassung des schwachen Vo-
kals zusammenzustellen. Man sagt z. B. nur genuti, aber ebenso nur nagnuti,
prignuti. Interessant ist in alter Sprache te für xt (bei Vramec noch). Für
ob tla las ich bei dem Pater Stephan obetla. Ganz unrichtig ist auf S. 62 die
Behauptung, o in zvon sei Ersatz für den schwachen Vokal, das hätte der
Verfasser nicht anderen nachschreiben, sondern berichtigen sollen und sagen,
das o spiele in zvon dieselbe Rolle wie in zakon. Wo vom Ersatz für a die
Rede ist, sind die Beispiele jacmik, oder noch üblicher jacmen, und was man
hinzufügen kann zalec, mit ihrem a statt e richtig, allein weder jadro gehört
hierher, noch das mir unbekannte verjamat (verjamem jst eigentlich slo-
venisch) S. 73. Auch die Beispiele sreica, nesreica (S. 74) sind keine Belege
für ei = A, da hier vielmehr i vorauszusetzen ist. Man sagt ja ikavisch das
Wort srida. Ein merkwürdiger Irrthum seitens des Verfassers ist es, dass er
in dem Adjektiv snazan (zweimal sogar) vom üebergang von i in a spricht
(S. 77. 78), er scheint die Bedeutung des Wortes, von suaga abgeleitet, sich
nicht klar gemacht zu haben. Das Substantiv ajda, kajkavisch üblicher in der
Form hajdina, hat nicht a statt e, vielmehr ist das genaue Wiedergabe des
deutschen Wortes »die Haid«. Ein Ausfall des e ist nicht nur in dalko statt
daleko, sondern auch in den Casus obliqui des Substantivs plamen, gen.plamna
etc. (S. 84). Alle die Beispiele mit e für o (S. 84 — 86) wäre es doch besser gewesen
unter dem Vokal o zu behandeln, die physiologische Natur dieses Umlauts
(ein Üebergang von o durch ö in e, zuweilen selbst i) muss erst näher unter-
sucht werden, auch der Umfang des Auftretens dieses Umlautes ist uns noch
nicht klar (der Verfasser findet darin S.287 einen Charakterzug des südlichen
Kajkavismus; es fragt sich, ob das richtig ist). Unter dem Vokal u hätte das
Wort razmem verdient hervorgehoben zu werden, sein u Ha razum) ist offen-
bar unter dem Einfluss der vorausgehenden Betonung (räzmem) geschwunden.
Wo vom sonantischen I die Rede ist, hätten die Beispiele wie »vlekel« ent-
weder fern gehalten werden sollen, oder es wäre ausdrücklich zu sagen ge-
wesen, dass diese Form auf B-iiK^ii. beruht und als solche ist sie ja ganz regel-
mässig, geradeso wie vleic, svleic richtig das alte BJiiinTu reflektiren (S. 103 —
104). Bei der Besprechung des r werden einmal physiologisch genauer die
vorausgehenden vokalischen Elemente geprüft werden müssen. Dass dieses
in der Gegend von Krapina 'den Umfang vermag ich nicht genau anzugeben
zum voll austönenden Vokal e bringt, davon hab' ich mich, in Gesellschaft
mit Prof. V. Resetar, diesen Sommer abermals aufs unzweideutigste über-
zeugt, so dass das ablehnende Verhalten Miklosich's gegen meine einstige
Behauptung ganz unbegründet war. Das Wort bereg (S. 103) ist mit breg
nicht identisch, die Bedeutung ist verschieden, das erste bedeutet Sumpf, das
zweite Berg, Hügel. Man glaubt, dass die erste Form aus dem Magyarischen
herübergenommen wurde, wie astal, sikra u. s. w. Im Konsonantismus, wo
sehr viel Stoff zusammengetragen ist, hätte ich gegen manche Behauptung
einzuwenden nicht wegen des Verfassers, sondern wegen seiner Quellen.
Lukjanenko, Der Kajdialekt, angez. von Jagid. 583
Wenn er z. B. S. in pflichtschuldig solche Formen aus Vrbovec anführt, wie
opravio, sanjao, soko u. s. w., so ist das eben dem stokavischen Dialekt und
seinem EinÜuss zuzuschreiben. Ueber den Umfang der Aussprache des n
alsj, sogar in solchen Beispielen wie koja (statt koiia), möchten wir gern ge-
genauere Angaben haben. Es fragt sich auch, ob dabei nicht der voraus-
gehende Vokal nasalirt ausgesprochen wird. Neben vankus (S. 120) hört man
doch auch vankus, geradeso wie man mankati und mankati, suzanstvo und
suianstvo u. s.w. spricht. Unter verschiedenen konsonantischen Uebergängen
citirt der Verfasser S. 132 auch slobodmo für slobodno. Das ist jedoch ganz
einfach ein Druckfehler der zweiten Ausgabe der Valjavec'schen Pripovjesti,
in der ersten steht das richtige slobodno. Wohl aber könnte man für n statt
m die Form hotonce anführen, die auch der Verf. auf S. 241 angibt. Zu hm für
vm erwähne ich heute hmanikovati, bei Vramec vmanikovati, heute hmani, bei
Vramec noch vmaüi. Die zwei Beispiele zavadla, zavadlao (S. 129) haben mit
dopadla oder vidla (für videla) nichts zu thun. Das ist vermuthlich deutsch
wetten. Ungeachtet des Reichthums des hier aufgespeicherten phonetischen
Stoffes dürfen wir erst von der Detailerforschung des einen oder anderen
Dialektes neue wichtige Aufschlüsse und Thatsachen erwarten. Ich kann
das schon jetzt für den Dialekt von Virje in der Podravina in Aussicht stellen
auf Grund eines in unserem hiesigen slavischen Institut gehaltenen sehr in-
teressanten Vortrags.
Die Deklinationsübersicht liefert ebenfalls viele Beispiele aus den vom
Verfasser benutzten Quellen, gegen deren Zuverlässigkeit ich auch hier
manche Bedenken vorzubringen hätte. So z. B. die aus dem Buche Valjavec's
zitirten Beispiele acc. plur. volove, drumove, glasove (S. 155) sind mir für die
Warasdiner Gegend sehr verdächtig, das scheint der unbewusste Einfluss der
Literatursprache zuwege gebracht zu haben. Wenn jedoch der Verfasser
auch zidovi dazu rechnet, so ist das etwas anderes, dieses Wort lautet ja
schon im Nom. sing, zidov. Mir sind auch die Instrumentale wie putem als
nicht ganz volksthümlich etwas verdächtig. In der Gegend, aus welcher die
Valjavec'schen Volksmärchen stammen, würde man schwerlich »putem«, son-
dern «po putu« sprechen. Die Ueberreste der t-Deklination sind nicht mit ge-
höriger Akribie behandelt. Betreffs der femininen j-Stämme kann überhaupt
nicht von Ueberresten die Rede sein, auch gen. plur. oci, instr. plur. ocmi, ist
etwas so allgemein übliches, dass es solche »Ueberreste« in Hülle und Fülle
gibt. Wohl aber können acc. plur. Ijudi, gosti, lasi (für vlasij als solche an-
geführt werden. Dagegen sind die Formen gradmi, angelmi nicht mehr Ueber-
reste, sondern Uebergriflfe in die ausdrucksvollere Kasusendung -m«, hervor-
gerufen durch die Analogie aller anderen Instrumentale der Substantiva und
Adjektiva. Wenn der Form svekri (im Agram. Ethnogr. Zbornik III. 219) die
Bedeutung eines alten Ueberrestes, der auf cscKp-H beruhen soll, zugeschrie-
ben wird, so ist das wohl unrichtig, die Stelle ist als Dativ sing, aufzufassen,
wo Bvekri entweder für svekrvi (mit ausgelassenem v) gesprochen wird, oder
ist es überhaupt ein Druckfehler. Sehr verdächtig ist mir für die Warasdiner
Gegend auch der aus Valjavec (auf S. 158) zitirte Nominativ kri. Schade, dass
uns weitere Belege fehlen. Die Form ist bekanntlich im Slovenischen wohl-
584 Kritischer Anzeiger.
bekannt, auch Vramec gebrauchte sie. Neben nebesa kennt das Kajkavische
(auch ohne Einfluss von »Vater unser«) noch die Formen vusesa (neben vuha)
und cudesa (neben cuda). Die Beispiele nom. pl. hajduci, vuci, junaci (S. 163)
sind entschieden stokavisch gerade so, wie gen.plm". hajduka, sinova (S. 16S),
für den echten Kajdialekt kommen also diese Formen gar nicht in Betracht.
Das auf S. 174 als Genit. sing, zitirte Beispiel strani ist nicht auf cxpaH'H zu-
rückzuführen, das Wort wird als femininer B-Stamm »stran« deklinirt. Bei
dem Gen. plur. der femininen a-Stämme (S. 175) hätte, wenn der Kasus auf -i
auslautet (Uebergang in die «-Deklination), noch die Hinzufügung des Aus-
lautes -h (also -ih) erwähnt werden können, die vielleicht nicht so sehr in der
Aussprache, wie in der Orthographie der Druckwerke des XVIII. Jahrh. lebte
und üblich war. Also: meglih, kletvih, pregreskih, sabljih. Allmählich hatte
sich das h (nach der Analogie der Adjektiva) auch für Substantiva so fest-
gesetzt, dass man selbst dobroth, leth u. ä. schrieb und druckte. Das war
freilich nur gelehrte Klügelei der Grammatiker und Schriftsteller. Die za-
gorjanische Form mojäga (wohl aus mojoga hervorgegangen, S. 190) hängt
natürlich mit der zagorjanischen breiten Aussprache des o als a zusammen,
von welcher auf S. 81/2 kurz die Rede ist. Ob der auf S. 200 zitirte Gen. sing,
zla eine echte adjektivische Nominalform ist oder als Gen. sing, vom Neutrum
zlo, das man als Substantiv auffasste, abzuleiten, das kann einigermassen
zweifelhaft sein. Man kann auch sagen »nikaj dobra«. Die Mittheilung von
dem Erklärungsversuch des P. Stanislav Skräbec (S. 207), die Endung ega-iga
aus -irca abzuleiten, kann auf keinen Fall auf die bei Rozic angeführten Bei-
spiele angewendet werden, wie es der Verfasser selbst richtig zugibt. Aus
den Komparativformen wäre es angezeigt gewesen, jene in der adverbial-
neutralen Form herauszuheben und von den adjektivisch deklinirbaren zu
trennen, weil sie nicht immer übereinstimmen. Man sagt zwar gorje, bolje, leze
aber adjektivisch gorsi, boljsi, leksi oder lezesi, man sagt duze und duglje
aber duksi, duzesi, menje aber menjsi, vise aber visesi u. s. w. Vergl. noch
prvlje — ein beliebtes Adverbium für das stok. prije (kajk. predi). Nach der
Analogie der Adverbialnumeralia auf -jc ;S. 215), die keineswegs bloss in der
Murinsel gebraucht werden, richtet sich auch das Adverbium znovic.
Auch die Konjugationsformen sind mit reichlichen Belegen ausgestattet.
Hier Hess die Vorarbeit Oblak's, die sich auf die Deklination beschränkte,
den Verfasser im Stich. Darum fehlen auch die summarischen Uebersichten
über die Erscheinungen aus der Konjugation in der Sprache eines Vramec.
Petretic u. s. w. Namentlich die Imperfekt- und Aoristformeu, die in dieser
alten Sprache noch reichlich vertreten sind, konnten nur nach einer Abhand-
lung Valjavec's (S. 216) kurz berührt werden. Was der Verfasser aus der
Gegend von Vrbovec (nach Plohl-Herdvigov) zitirt, gehört, wie ich schon
wiederholt sagte, nicht in den kajkavischen Dialekt. Ja es ist selbst frag-
lich, od die vielen Aoriste bei Vramec, Petretic u. e. a. nicht auf älteren Vor-
lagen beruhen und so in den Evangelientext Aufnahme fanden, ohne gerade
die übliche Volkssprache jener Zeit genau wiederzugeben. Hat man z. B. im
J. 1580 in Warasdin wirklich so gesprochen, wie es bei Vramec steht: pri-
dose, posla, pnjdosta . . vucenika (sc. dva), ucinista, bese zapovedal, dope-
Lukjanenko, Der Kajdialekt, angez. von Jngid. 585
lasta, postavise, posadise, lauilahu, prostirahu, idese (3. pers. sing, imperf.),
nasleduvase, kricahu, — alle diese Beispiele stehen in einer einzigen Lek-
tion, auf den ersten Adventsonntag bei Vramec. Fast alles so, nur ohne Rück-
sicht auf den Dual, hat noch Petretiö, das Tirnauer Evangelium hat schon
gar nicht mehr dieselbe Lektion und die späteren auch nicht. Ich komme
auf die Vermuthung. dass Vramec ältere kroatische Vorlagen, z. B. das Ber-
nardinsche Lectionarium, bei dem Evangelientext benutzte, dazu führt mich
die Wahrnehmung eines gewissen Unterschiedes in der Sprache zwischen
dem Evangelientext und den Erklärungen. Die Sprache des Evangelientextes
wendet viel entschiedener Aoriste und Imperfecta an, als die der Erklärun-
gen. Auch im Ausdruck bedient sich Vramec dann und wann der Doubletten
Synonymen), wodurch er seinen Text deutlicher zu machen hoffte, z. B. in
Evang. Matth. XI zmoce7i, spacen ili posvenjen (beim Bernardin steht: smu-
ceti], Luk. II na stanu ali ostarie (Bernardin: u gostinici], Luk. II gda zpunise
ali zvrsise vsa (Bernardin: kada svarsise fsaka], Matth. II v dnek ali v vreme
Bern, u dni), ib. i pisce ali ucene (Bern, kniznike), ib. otaj'no ali ckoma (Bern.
otaj'no), ib. skrblivo ali paziivo (Bern, podmudro), ib. obeselise se kroto ve-
seljem ali radostju veliku Bern, uzveselise se radostju vele velikom), ib. od-
tvorivsi ili odprevsi kinc ali blago iBern. utvorivsi hlago svoje), Luk. II skrbeöa
ali pazljiva (Bern, brinuci se), ib. bese podlozen ali poddajen nima (Bern, bise
podlozan nim), loan. II sest hamenih posud ali mertukov (Bern, sest kamenih
sudov], ib. pokaza diku ali slavu svoju (Bern, ukaza slavu svoju) u. s. w. Alles
das sind bisher ungelöste Fragen, die für den fleissigen Verfasser natürlich
mit vielen Schlössern versperrt waren, weil ihm nichts aus der älteren kaj-
kavischen Literatur zu Gebote stand. Zu den aus dem heutigen Sprach-
material gebotenen Verbalformen (mit Infinitiv, Supinum und Participien be-
ginnend) könnte man noch manches hinzufügen, namentlich bei der Berück-
sichtigung der gedruckten Werke des XVII. und XVIII. Jahrh., doch würde
man dadurch aus dem Rahmen des Werkes herausfallen. Ich beschränke
mich auf einige Bemerkungen. Wenn auf S. 228 »oni (oder ovi) . . bejzi za
njim« als 3. Person plur. aufgefasst wird, so ist das bekanntlich unrichtig, die
Anwendung der Imperativischen Form statt des Praesens historicum oder des
Aoristes in der lebhaften Beschreibung ist allgemein bekannt. Vergl. Mikl.
Synt. 794 ff. Die merkwürdige PrUsensform vidiste (S. 227) scheint nach der
Analogie von vis-viste sich entwickelt zu haben, allerdings gilt vis-viste für
den Imperativ, doch ist noch fraglich, ob diese zwei Formen aus vid-vidte
hervorgegangen sind, oder aus der 2. Person sing. Praes. vis (ausvidis). Oblak
ist letzterer Ansicht gewesen, weil er im anderen Falle nach der Analogie
von jec povec (für älteres jed-poved) auch vic erwartet hätte. Allein es fragt
sich, ob vis-viste nicht das letzte und neueste Stadium in der Reihe der For-
men: vid-vic-vis vorstellt. Wörter, die sehr häufig gebraucht werden, haben
auch in der Phonetik ihre besonderen Gesetze. Sicher würde man diese
Reihenfolge zugeben, wenn wir die Mittelform vic nachweisen könnten. So-
lange das nicht der Fall ist, muss man sagen, dass vis, wenn es schon auf vid
beruht, unter dem Einfluss des Präsens vidis seinen Auslaut mit s statt dj
zuwege brachte. Der Gebrauch des vis ist doch in der Regel imperativisch,
586 Kritischer Anzeiger.
also dem vifl entsprechend. Die vom Verfasser angeführten Beispiele aus
Valjavec fS. 233) sprechen alle deutlich für den Imperativ. Für vis könnte
man überall auch gle oder gled, glec, glej setzen — lauter imperativische
Formen, die sich an vid anlehnen. Auch poglec (Valjavec 268) ist nur eine
Analogiebildung nach vid, die der Verfasser nicht übersehen hat, doch das
Beispiel hodec (ebendaselbst) gehört nicht hierher, das ist ja das gewöhnliche
Participium.
Unter den Adverbien könnte noch manches zur Sprache kommen, z. B.
das in der kajkav. Literatursprache sehr übliche lestor oder listor (tantum,
nur), vendar, leprav (auch lepra), neben vukraj auch vkraj, sada, vezda und
izda, teda (für xtrÄa), z. B. in der Phrase »teda negda«. Was soll in komaj
(S. 248) abgefallen sein? nazaj ist nicht für nazad, sondern für nazad (alt-
kirchenslav. 3a»aB, ex samAa). Unter den Präpositionen wird bei ober nicht
erwähnt, dass sie in älteren Texten noch oberh geschrieben wurde, dadurch
ist diese Präposition vor dem Verdachte der Entlehnung geschützt. Unter
die Konjunktionen ist am (S. 253) gerathen, und doch ist das nichts weiter als
am, em, im, vem, vendar (über im S. 25.5). Zwei sehr populäre Konjunktionen
der kajk. Literatursprache finde ich nicht erwähnt : potlamkam und pokehdob.
Man wird schon aus dieser Auslese von dem reichen Inhalt des Buches
eine Vorstellung bekommen. V. J.
Nafeci ceskomoravske. Napsal Ignac Hosek. Dil druhy. Podfeci
Polnicke. V Praze 1905. Gast I: Mluvnicky nastin. Gast II:
Ukazky.
Prof. Hosek gab vor fünf Jahren den ersten Theil seiner monographi-
schen Behandlung einiger cechisch-mährischen Dialekte heraus (vergl. die
Anzeige im Archiv XXIII, S. 574 — 576). Jetzt folgt als zweiter Theil eine
genau und gewissenhaft, mit allen Vorzügen des ersten Heftes gemachte Be-
schreibung eines nächst benachbarten Dialektes. Der erste hiess Polnaer
Unterdialekt (podreci polenske], der zweite führt den Namen Polnickaer
Unterdialekt (podreci polnicke, nach dem Dorfnamen Polnicka). Um Irrungen
auszuweichen, wäre es vielleicht besser gewesen, den zweiten Unterdialekt
nach einem anderen Ortsnamen zu benennen. Selbstverständlich hat dieser,
jetzt zur Sprache gebrachte Unterdialekt sehr viel gemeinsames mit jenem
früher behandelten. So ziemlich alle Eigentbümlichkeiten, die ich im Archiv
a.a.O. hervorgehoben habe, kehren auch hier wieder. Beim Vokalismus sind
es zwei Haupterscheinungen, die auch diesen Unterdialekt charakterisiren :
der nicht durchgeführte Umlaut bei *a zu V, bei *2« zu *i, man sagt nemä muza^
lidi chodi krizu; ferner die verschiedenen Quantitätsabweichungen, im Gegen-
satz zur Durchschnittssprache. Diese kommen unter jedem einzelnen Vokal
besonders zur Sprache, sie haben jedoch manches gemeinsame. Wenn z. B.
blato, klada, krava statt bläto, kläda, kräva, oder pero, breza statt pero,
briza, oder lipa, sila, zila statt lipa, sila, zila, oder mucha statt moucha ge-
sprochen wird, so ist das eine einheitliche Erscheinung, zu der auch endlich
Hosek, Böhm. -mähr. Dialekte, II. Theil, angez. von Jagic. 587
und letztlich solche Fälle gehören, wie die Kürze der Endung -ote im Nom.
plur. (statt -ort?), die Endung -nm im Dativ plur. (statt -um) S. 50 — 51.5.5, oder
die Kürze des Wurzelvokals im Infinitiv vest, nest, pect, mlet, klet, set, bit
statt der Länge vesti, nesti, peci, mliti, kliti, siti, biti (vergl. S. 91. 9(i. 97).
Alle diese Fälle bilden einen Grundzug des Dialektes, der nicht aus einfacher
Analogieübertragung erklärt werden kann, wie z. B. krävou, slävou (.S. 8),
kuzou (S.20), pfades, trases (S. 13), wo die Analogiewirkung der vorbildlichen
Formen kräva, släma, küze, pfadu, tfasu anzunehmen ist. Diese Wirkung
hat manches merkwürdige zu Wege gebracht, wie z. B. den Lokal auf -ovi:
vo hadovi, na konovi (aus dem Dativ) S. 49. 54, den Genitiv plur. prsouch (do
prsouch) S. 56, oder die zusammengesetzte Deklination: zeliho, driviho (zum
Theil selbst im Dativ auf -imu). Die Analyse des Dialektes wird in concreto
veranschaulicht durch ein besonderes lieft der Texte. Prof. Hosek schickte
mir auch seine Entgegnung auf eine Anzeige des ersten Heftes seiner
Öechisch-mährischen Dialekte, die von E. Smetanka in L. fil. B. 32, S. 60 — 63
erschienen ist. Diese Entgegnung druckte er in Ceske museum filologicke
X. S. 433—454 ab. Ich gebe ihm in vielen Punkten recht, namentlich stimme
ich der Schlussbetrachtung bei, denn — judicia sunt libera, wie es einmal
der Patriarch unserer Wissenschaft Dobrovsky seinem Freund Kopitar gegen-
über sagte. In derselben Zeitschrift (X. S. 413 — 425) versucht Prof. Hosek
die beiden Benennungen Hana und Morava etymologisch zu deuten. Für
Hand geht sein Vorschlag dahin, es als Adjektiv statt hajnä (von haj = gaj
aufzufassen. Betreffs Morava vertheidigt er (gegen V. Prasek, Gas. mat.mor.
1904) den slavischen Ursprung der Benennung, Es ist richtig, dass bei den
Slaven sehr häufig «morava«, »moravica«, oder »moravice«, »moravce« u.s.w.
begegnet, und da im Litauischen mores »jeden grösseren Binnensee«« be-
deutet, so fragt es sich, ob nicht auch den slavischen Benennungen eine ähn-
liche Bedeutung zuzuschreiben ist, d. h. eines Flusses, der durch häufige
Ueberschwemmung seeartige Flächen bildete. V. J.
Ignatii Georgii. Vitae et carmina nonnullorum illustrium civium
Ragusinorum (Adversaria), herausgegeben von Prof. Pavle Popovic
im »36opHHK sa HCTopnjy, jesiiK h KüiiaceBnocT cpn. napo^a« II o^eA.
KH.. IL In Belgrad 1905 (?), S. 1—80.
Prof. Pavle Popovic in Belgrad hat im J. 1903 in der periodischen Schrift
»roAHiuibima HuKOJie ^lyniiha« eine Studie der Quellenkunde zur ragusanischen
Literaturgeschichte gewidmet, unter dem Titel: ÄyöpoBaiKa uHorpa*uja.
I. HraaT ^op^uh (SA. S. 147—230), wo er sich hauptsächlich mit der kriti-
schen Würdigung der literaturgeschichtlichen Leistungen Ignazio Gjorgjiö's
beschäftigt. Diese bestanden 1) in einer lateinisch geschriebenen Zusammen-
stellung von Biographien der ragusanischen Schriftsteller (in Versen und
Prosa, in lateinischer, italienischer und serbokroatischer Sprache), die hand-
schriftlich kursirte, bis sie zuletzt in der oben citirten Ausgabe von Herrn
588 Kritischer Anzeiger.
P. Popovic herausgegeben worden ist, 2) in einer kleinen Lettera di D. Ignazio
Gjorgi a D. Rado (die derselbe Verfasser in einer Belgrader pädagogischen
Zeitschrift HacTaBHUK 1901, I, S. 28 — 33 herausgegeben hat, mir unbekannt),
3) in der an Marin Zlataric gerichteten Widmung, die der Ausgabe des Saltjer
Slovinski (Venetiis 1729) vorausgeschickt ist [Marino Slatarichio nobili ragu-
sino), sie umfasst 11 Blatt unpaginirt. Diese Epistel datirt aus Padua vom
26. März 1729. Man behauptet endlich, dass auch der grössere Theil des In-
haltes des bekannten Appeudinischen Buches Notizie istorico-critiche auf
demGjorgjic'schen Material beruhe, doch ist diese Frage noch nicht endgültig
gelöst. Auch Prof. Popovic übergeht sie mit Stillschweigen'. Jedenfalls war
Ignazio Gjorgjic (Ignatius Georgius, Ignazio Gjorgi — die letzte Form des
Familiennamens gebraucht er selbst auf dem Titelblatt der von ihm besorgten
Ausgabe des Psalters) der bedeutendste Literarhistoriker Ragusas zu Ende
des XVII. und Anfang des XVIII. Jahrh, und eine kritische Analyse seiner
diesbezüglichen Leistungen muss als recht zeitgemäss bezeichnet werden.
Diese Aufgabe übernahm Prof. Pavle Popovic in der vorerwähnten »Äyöpo-
Ba^Ka 6iiorpa*HJa«, wo vor allem das unter Nr. 1 erwähnte Werk sowohl sei-
nem Umfang wie auch seinem Inhalte nach einer sehr eingehenden Prüfung
unterzogen wurde. Das Schicksal hat es nämlich gewollt, dass dieses Werk,
von sehr vielen benutzt, bis zur jüngsten Zeit nur handschriftlich gebraucht
werden konnte. Es gab in der That mehrere Handschriften des Werkes
(einige sind sogar in neuerer Zeit verschollen), die aber durchaus nicht überall
übereinstimmen, so dass kritische Arbeit eingreifen muss, um ein einiger-
massen befriedigendes Resultat zu erzielen. Man kennt selbst den Titel des
Werkes nicht. In einer Handschrift, die vielleicht am umfangreichsten das
Werk erhalten hat (sie soll von der Hand des anderen ragusanischen Literatur-
historikers des XVIII. Jahrb., Serafin Cerva, herrühren) lautet der Titel »Ex
adversariis Georgianis« (diese Handschrift befindet sich in der Franziskaner-
Bibliothek zu Ragusa jetzt unter Nr. 300). In einer anderen, jetzt im Privat-
besitz ebenfalls in Ragusa befindlichen Handschrift, steht der am häufigsten
in den literaturgeschichtlichen Werken wiederkehrende Titel : Vitae et Car-
miua nonnuUorum illustrium civium Rhacusinorum (auctore Ignatio de Geor-
giis). Denselben Titel führte auch der jetzt verschollene (?) Jukic'sche Text
(einst in den Händen Kukuljevics gewesen). Ebenso der gleichfalls ver-
schollene ragusanische, in den 60er und 70er Jahren in der Franziskaner
Bibliothek gewesene Text, den Kaznacic in der Beschreibung der Bibliothek
unter folgendem Titel anführt: »Vitae et carmina nonnuUorum illustrium
civium Rhacusinorum, raccolte da Ignazio Giorgi benedettino l'anno 1793«.
Ob übrigens dieser Titel richtig angegeben ist, kann fraglich sein. Denn
meine im J. 1870 geschriebene Vorrede zum IL Bande der Stari pisci hrvatski
zitirt den Titel nur als Vitae illustrium Rhacuseorum (S. III. VII) oder ge-
nauer vielleicht: Vitae et carmina illustrium Rhacuseorum (Band III, S. 1).
Die Angabe in Stari pisci IL 50.51.57 stimmt allerdings nicht dazu. Vielleicht
rührt die Nichtübereinstimmung daher, dass ich in Agram ;1S70 — 1871) bald
nach der Ragusauer, bald nach der Kukuljevic'schen Handschrift den Titel
zitirte. Doch wichtiger ist die Frage nach dem Umfang des Werkes. Diese
Ignatii Georgii, Vitae, herausg. von P. Popovic, angoz. von Jagiö. 589
war, bevor nicht Prof. Pavle Popovic in die Lage kam, verschiedene Hand-
schriften miteinander zu vergleichen, gar nicht gestellt worden. Man be-
gnügte sich mit einem beliebigen Text und zitirte aus demselben, was man
elien brauchte. Es ist ganz das Verdienst des Belgrader Literaturhistorikers,
diese Frage aufgeworfen zu haben. Seine Vergleiche, zwischen den drei von
ihm benutzten Handschriften angestellt, die er mit a b c bezeichnet, führten
ihn zu der Vermuthung, dass der Text sub a) wahrscheinlich der ursprüng-
lichen Gestalt am nächsten kommt, während b) und c) eine abweichende Re-
daktion vorstellen. Das ist allerdings nur eine Vermuthung, für die keine
zwingenden Gründe vorliegen. Man könnte aber nicht sagen, b) und c) seien
nur ein Auszug aus a). Das geht schon darum nicht, weil in a) 78 und in b)
80 Biographien enthalten sind. Auch die Reihenfolge ist nicht dieselbe, von
dem Inhalt zunächst ganz abgesehen. Man wird also nothwendig zu dem
Schluss geführt, dass a) und b), unabhängig von einander, auf einer dritten
Vorlage beruhen, aus ihr geschöpft haben. Leider ist diese mit unseren gegen-
wärtigen Hilfsmitteln nicht leicht herzustellen. Denn wenn wir selbst alles,
was in b) fehlt, aus a) ergänzen oder umgekehrt, geht uns doch noch jede
Bürgschaft dafür ab, dass wir durch eine solche Ergänzung den ursprünglichen
Text in seinem vollen Umfang gewonnen haben. Wir müssen uns vorläufig
mit der Wiedergabe alles dessen, was in beiden Hauptquellen enthalten ist,
begnügen. Diesen Weg hat auch der Herausgeber in der oben zitirten Aus-
gabe eingeschlagen, leider mit einer absichtlichen Einschränkung, die man
nicht genug bedauern kann. Er glaubte nämlich alle Biographien, wo von
Männern die Rede ist, die nicht »serbisch« geschrieben haben, auslassen zu
dürfen. Das ist doch eine höchst traurige Verkennung der damaligen kultu-
rellen Verhältnisse. Wann wird man endlich einmal aufhören, auf so unver-
antwortlich engherzigem Standpunkt zu stehen? Wenn es sich um ein kultur-
historisches Bild Ragusas handelt, und das bezweckte ja die Leistung Gjor-
gjic's, dürfen die Schriften der Ragusaner in lateinischer und italienischer
Sprache, ja selbst die ihrer fremdländischen Gäste keineswegs übergangen
werden. Will der Verfasser auf seinem »serbisch« bestehen, so hat er eigent-
lich Niemanden zu nennen. Selbstverständlich will ich damit nicht sagen,
dass die heutigen Serben nicht ebenso das Recht haben, sich für die ragusa-
nische Literatur und Kultur zu begeistern wie die Kroaten, aber dann trenne
und reisse man nicht auseinander, was die Geschichte zusammengeschweisst
hat. Ein moderner Literaturhistoriker darf sich doch nicht von seinem Vor-
gänger des XVIL — XVIIL Jahrh. beschämen lassen. Der Herausgeber hätte
wirklich mit seiner Ausgabe dieses kleinen lateinischen Werkes etwas sehr
verdienstliches, etwas mit grosser Sorgfalt zustandegekommenes geleistet,
wenn er nicht selbst sich um einen beträchtlichen Theil des Erfolges dadurch
gebracht hätte, dass seine Ausgabe jetzt nicht vollständig genannt werden
kann! Einen Bogen mehr hätte, glaub' ich, die Belgrader Akademie willig
vertragen !
Doch gehen wir auf den Inhalt näher ein. Wir stellen zunächst die
Biographien nach a), b) und k) in der Reihenfolge der Originaltexte zusam-
men. Unter k) verstehe ich jene bei Kukuljevic gewesene Handschrift dieses
590
Kritischer Anzeiger.
Werkes, die ich in den Jahren 1870-
zeichniss ich besitze:
-1871 benutzte und deren Inhaltsver-
I. Inhalt von a) :
Antonius Castratius
(IL 9)
Antonius Medus (IL 7)
Floria de Zuzeris
(IL 27)
Andreas Francus (IL 6)
5 Andreas Ciubranovich
(IL 1)
Bernardus Georgius
(IL 11)
Bartholomaeus Nalius
(IL 12)
Fr. Bonifacius Ste-
phaui (IL 18)
Benedictus Costrugli
(IL 13)
1 0 Christophorus Liliatus
(IL 19)
Nicolaus Bona
Dominicus Araneus
(IL 21)
Dominicus Slatarichius
(IL 22)
Eusebius Caboga
(IL 24)
15 Nicolaus de Primo
(IL 59)
Aelius Lampridius
Cervinus (IL 23)
Marinus Bona
Franciscus Gozzeus
(IL 25)
Georgius a Ragusio
(IL 28)
20 Georgius Benignus
Salviatus (IL 30)
Fr. Georgius Natalius
(IL 31)
IL Inhalt von b):
Andreas Cjubrano-
vich (I. 5)
Fr. Ambrosius Ara-
neus (III. 2)
Fr. Angelus de Marti-
nis (III. 3)
Fr. Archangelus Goz-
zius (III. 4)
5 Fr. Ambrosius Goz-
zius (III. 5)
Andreas Francus (1. 4)
Antonius Medus (I. 2)
Fr. Augustinus Nalius
(III. 8)
Antonius Castratius
(LI)
10 Antonius Crivonosius
(I. 46)
Bernardus Georgius
(L6)
Bartholomaeus Nalius
(L7)
Benedictus Costrugli
(L9)
Fr. Blasius Constan-
tiui (III. 14)
15 D. Basilius de Gradiis
(L 72)
Fr. Blasius a Rhacusio
(IIL 16)
Fr. Benedictus Babich
(IIL 17)
Fr. Bonifacius Ste-
phani (I. 8)
Christophorus Lilia-
tus (L 10)
20 Fr. Clemens Araneus
(IIL 22)
Dominicus Ragnina
(L 12)
IIL Inhalt von k):
Andreas Ciubranovich
(II- 1)
Fr. Ambrosius Ara-
neus (IL 2)
Fr. Angelus de Marti-
nis (IL 3)
Fr, Arcangelus Goz-
zeus (IL 4)
5 Fr. Ambrosius Goz-
zeus (IL 5)
Andreas Francus (IL 6)
Antonius Medus (IL 7)
Fr. Augustinus Nale
(IL 8)
Antonius Castratius
(IL 9)
10 Antonius Crivonosius
(IL 10)
Bernardus Georgius
(IL 11)
Bartholomaeus Nale
(IL 12]
Benedictus Cotrugli
(sie) (IL 13)
Fr. Blasius Constan-
tini (IL 14)
i 5 D. Basilius de Gradis
(IL 15)
Fr. Blasius a Ragusio
(IL 16)
Fr. Benedictus Babich
(IL 17)
Fr. Bonifacius Ste-
phan! (IL 18)
D. Chrysostomus Rag-
nina (IL 86)
20 Fr. Donatus de Geor-
giis (IL 76)
Christophorus Liliati
(IL 19)
Ignatii Georgii, Vitae, herausg. von P. Popoviö, angez. von Jagiö. 591
Georgius Darsius
(II. 29)
Marinus ChristicJde-
vius
Joannes Gundula
(II. 33)
2 ä JacobuB Lucarus
Joannes Palmotta
(II. 34)
Jacobus Bona (IL 36)
Joannes Stoicus
(II. 37)
Marinus Darsius
(11.43)
3 0 Nicolaus Brautius
Ludovicus Cervarius
Tubero (II. 42)
Matthaeus Bona
Franciscus Lucarus
Burina (II. 41)
Sahinus Bohalius
(IL 65)
35 Michael Menzius Ma-
tuffius (IL 44)
3farius Maxibradich
(IL 46)
Michael Monaldus
(IL 47)
Julia Bona
Marinus Ghetaldus
(IL 54)
40 Nicolaus Nali (IL 56)
Nicolaus Gotius
(IL 57)
Nicolaus Sacri
(III. 63)
Horatius Maxihradi
(III. 36)
Marius Lucari
(III. 60)
Dominicus Slatari-
chius (1. 13)
Elius Lampridius Cer-
varius (1. 16)
Eusebius Caboga
(L14)
2 5 Fr.FranciscusGozzius
Paprizza (I. 18)
Fr. Franciscus Puteus
(III. 28)
Floria de Zuzzeris
(L3)
Georgius a Rhacusio
(L^19)
Georgius Darsius
(I. 22)
30 Fr. Georgius Benignus
Salviatus (I. 20)
Fr. Georgius Natalis
(L21)
Joannes Bona (I. 49)
Joannes Gundula
(L 24)
Joannes Palmotta
(L 26)
3 5 Joannes Gozzius (L 51)
Jacobus Bona (I. 27)
Fr. Joannes Stoicus
(L 28)
Joannes a Rhacusio
(III. 42)
D. Jo. Baptista de
Georgiis (I. 73)
4 0 Fr. Leonardus a Rha-
cusio (III. 47j
Franciscus Luccarus
Burina (I. 53)
Ludovicus Cervarius
Tubero (I. 31)
Marinus Darxius (1. 29)
Michael Matufius (1. 35}
Clemens Araneus
(IL 2U)
Dominicus Ragnina
(IL 21)
Dominicus Slatari-
chius (IL 22)
25 Aelius Lampridius
Cervarius (IL 23)
Eusebius Caboga
(IL 24)
Fr. Franciscus Gozze
(IL 25)
Fr. Franciscus Pozza
(IL 26)
Floria de Zuzzeris
(IL 27)
30 Franciscus Luccari
Burinna (IL 41)
Georgius Rhacuseus
(U. 28)
Georgius Darsa (11.29)
Fr. Georgius Benignus
Salviatus (IL 30)
Fr. Gregorius Natalis
(IL 31)
3 5 Fr. Gabriel Tampari-
cius (IL 78)
Horatius Mafcibradi
(IL 60)
Joannes Francisci
Gondola (IL 33)
Joannes Bona Sera-
phinifilius (IL 32)
Joannes Palmotta
vnlgo Dionorich (11.34)
4 0 Jacobus Bona (IL 36)
Fr. Joannes Stoicus
(IL 37)
Joannes a Ragusio
(IL 38)
D. Joannes Baptista
de Georgiis (11.39)
Fr. Joannes Vetus
vulgo Vecchio (II. 77)
592
Kritischer Anzeiger.
4 5 Sabinus Gotius (II. 64)
Antonius Crivonosius
(II. 10)
Fr. Petrus Gotius
(II. 62)
Pasqualis Primus
(11.61)
Joannes Bona (IL 32)
50 Fr. Eufino Scacciota
(IL 63)
Joannes Gotius (IL 35)
Sigismundus ifeiitius
(IL 66)
Simeon Slatarichius
(IL 70)
Stephanus Benessa
(IL 67)
5 5 Stephanus Gradius
(IL 69)
Vincentius Puteus
(IL 75)
Victor Bessalius (IL 74)
Vincentius Slavata-
tius (IL 73)
Wladislaus Menzius
(IL 72)
60 Valentimis Valentinius
Simon Benessa
Marinus Caboga (IL 50)
Marinus Claudius
(IL 48)
Marinus de Zizeris
65 Michael Bonus (IL 45)
Michael Bonus alter
Maurus Vetranus
(IL 52)
45 Michael Babulinov
Bona (I. 65)
Marinus Maxibradich
Scjuliaga (I. 36)
Michael Monaldus
(I. 37)
Marinus Claudius
(L 63)
Mauritius de Buchia
(I. 78)
50 Marinus Caboga (1. 62)
Maurus Orbinus (L 68)
Maurus Vetranus
(I. 67)
D. Macharius de Bo-
baliis (I. 71)
Marinus Ghetaldus
(L 39)
55 Marinus de Luccaris
(L44)
Nicolaus Nalius (I. 40)
Nicolaus Vitus Gozze
(L41)
Fr. Nicolaus Gauden-
tius (IIL 65)
Nicolaus de Primo
(L 15)
eoHoratius Maxibradius
(L 43)
Pasqualis Primus
(L48)
Petrus Gozzius (1. 47)
Fr. Rufinus Scacciotta
(I. 50)
Sabinus Bendevische-
vich de Gozze (1.45)
65 Sabinus Bobalius
(I. 34)
Sigismundus Mensius
(L 52)
Stephanus Benessa
(I. 54)
45 Joannes Gozzeus
(IL 35)
Ludovicus Cervarius
Tubero (IL 42)
Fr. Leonardus a Ra-
gusio (IL 40)
Marinus Darsa (IL 4ci)
Michael Matufius
(IL 44)
50 Michael de Bona Ba-
bulina (IL 45:
Marius Mascibradi
(IL 46)
Michael Monaldi
(IL 47)
Marinus Ghetaldus
(IL 54)
Marius Caboga (IL 50)
55 Marinus Claudius
(IL 48)
Mauritius de Bucchia
(IL 49)
Maurus Vetrani
(IL 52)
D. Maurus Orbini
(IL 51)
D.Macarius de Bobali
(IL 53)
60 Marinus de Luccaris
(IL 55)
Nicolaus Nale Ste-
phani Filius (IL 56)
Nicolaus Viti de Gozze
(IL 57)
Nicolaus Sacri (1. 42)
Nicolaus de Primis
(U. 59)
65 Fr. Nicolaus Gauden-
tius (IL 58)
Pasqualis Primo (11.61)
Petrus Gozzeus (11.62)
Ignatii Georgii, Vitae, herausg. von P. Popovic, angez. von Jagiö. 593
Maurus Orhinus
{11.51)
Bernardinus Nalius
7 0 Joannes Gotius
Macarius Bobalius
(II. 53)
Basilius Gradius
(II. 15)
Joannes Baptista de
Georgiis (II. 39)
Benedictus Mentins
7 h Fr. Gabriel Temparic-
cius (II. 78)
Tranquillus Parthinus
Marinus de Civis
Mauritius de Bucchia
(II. 49)
Fr. Simeon Ohmuchie-
vich (III. 76)
Stephanus Gradius
(I. 55)
70 Simeon Slatarichius
(I. 53)
Fr.Tiraotheus Pasqua-
lis (111.78)
Vladislaus Mensius
(I. 59)
Vincentius Slavatius
(I. 58)
Victor Bessalius
(I. 57)
7 5 Vincentius Pozza
(I. 56)
Fr. Donatus de Geor-
giis (III. 20)
Fr. Joannes Vetus
(III. 44)
Fr. Gabriel Tempa-
riccius (I. 75)
Ehacusius de Eagu-
seis (111.70)
so D. Chrysostomus Ea-
gnina (III. 19)
Fr. Paulus de Zizzeris
Eufinus Scacciotta
(II. 63)
70 Ragusius de Raguseis
(IL 79)
Savinus de Gozze
(II. 64)
Savinus de Bobali
(II. 65)
Sigismundus Menzius
(II. 66)
Simeon Slatarich
(II. 70)
7 5 Stephanus Benessa
(11.67)
Fr. Simeon Ohmuchie-
vich (II. 68)
Stephanus Gradius
(II. 69)
Fr. Timothous Pas-
qualis (IL 71)
Vincentius Pozza Ju-
nii Filius (IL 75)
80 Vladislavus Menze
(IL 72)
Victor Bessalius
(U. 74)
Vincentius Slavaz-
zach (IL 73).
Die Vergleichung dieser drei Kolumnen ist lehrreich. Man sieht zu-
nächst den engsten Zusammenhang zwischen b; und k). Nur Nr. 63 der Ko-
lumne k) begegnet in b) nicht, wohl aber in a) unter Nr. 42. Vielleicht ist auch
Nr. 68 der Kolumne k) identisch mit Nr. 64 der Kolumne a). Der Unterschied
ist nur in dem Vornamen. Ferner merkt man, dass das Bestreben, nach der
alphabetischen Reihenfolge das Material zusammenzustellen, selbst in a) un-
verkennbar ist, wenn auch daselbst die grössten Störungen vorkommen. Hat
sie Cerva in a) verursacht? oder ist die ursprüngliche Eedaktion des Werkes
noch nicht alphabetisch geordnet gewesen? Das vermag ich nicht zu ent-
scheiden. Der sogenannte Catalogus Georgianus, von welchem Prof. P. Po-
povic in der /lyöp. önorp. S. 166 — 170 spricht, scheint nicht die alphabetische
Reihenfolge zu beobachten. Leider hat der Verfasser unterlassen, ihn voll-
ständig abzudrucken. Seine Beweisführung, dass man, um den vollen Umfang
des Werkes Gjorgjic's zu gewinnen, alle Namen aus der Kolumne a) mit jenen
aus der Kolumne b), die hier als Plus enthalten sind, zusammenzählen und
noch dazu aus dem Catalogus alle, die in a) -\- bj fehlen, hinzunehmen soll —
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 38
594 Kritischer Anzeiger.
erweckt wenig Vertrauen, da wir ja gar nicht sicher sind, ob Gjorgjic seine
biographischen Studien auf einmal abgeschlossen, ob er sie in endgültige Form
gebracht hat. Die Ausgabe Popovid's gibt, wie gesagt, aus a) und b) einen
Auszug, d. h. nur 43 (oder 42) Biographien, diejenigen, die oben in dem Ver-
zeichniss a) und b) durch den Kursivdruck hervorgehoben sind. Nach seinem
Prinzip könnte man allerdings fragen, ob die Biographien Nr. 3 (Angelus de
Martinis), Nr. 7 (Bartholomaeus Nale), Nr. 9 (Bernardus Georgius), Nr. 23 (Julia
Bona), Nr. 28 (Maurus Orbinus, den der Biograph nur als Historiker kennt),
Nr.41 (Victor Bessalius) wirklich in seine Ausgabe gehören, ob er nach seiner
Auffassung berechtigt war, sie abzudrucken? während wir so bedeutende
Männer, wie Stephanus Gradius u. a. ungern vermissen.
Was die Ausgabe selbst anbelangt, so kann man ihr grosse, auf die Re-
daktion des lateinischen Textes verwendete Sorgfalt nicht absprechen. Der
lateinische Text ist meistens korrekt abgedruckt, selbst mit Varianten aus
b) c) versehen. Hie und da wäre die in b) enthaltene richtige Lesart schon
wegen des Sinnes jener von a) vorzuziehen und in den Text aufzunehmen
gewesen, z. B. S. 34 (unter Bernardus Georgius) ist allein die Lesart »ob am-
plissimam bonae frugis spem« richtig, und penicaci ist natürlich nur falsch
gelesenes pervicaci. Ebenda in der Zeile 4 ist potissimi in politissimi zu be-
richtigen. S. 35 (unter Dominicus Araneus) ist Nicolaus Viti (nicht Vitus)
Gozzius zu lesen. Auf S. 42 in der Anm. 51 soll in dem ersten Hexameter
exemplar (nicht exempla) gelesen werden. S. 47 Z. 2 ist zwar praesignis richtig,
doch auch praeinsignis. S. 48 Z. 1 sind nur die Formen illyricus, itali.cum
möglich. S. 59 Z. 1 ist die Interpunktion falsch gestellt, man muss lesen: quod
typis excusum cum reperiatur etc. Ibid. unter Marinus Darsius ist statt iu
Italiam richtig in Italia zu lesen, ebenso nicht illum, sondern illud comicum
poema. S. 70 unter Sabinus Bobalius soll esjunctus amicitia heissen (nicht
amicitiae). S. 74 Z. 1 soll der Text lauten ut e nobilium catalogo patet (e ist
ausgefallen). S. 77 unter Vincentius Puteus muss appetent mortem in das rich-
tige oppetent mortem verbessert werden. S. 79 v. 46 ist meas in meam zu be-
richtigen (culpam meam), v.47 aestus (nicht oestus). In der Transskription des
serbokroatischen Textes kann ich den Ersatz des ij durch c in solchen Bei-
spielen, wie S. 33 Z. 1 bice (statt bitje), ebenso S. 49 in dem Epitaphium Ra-
njina's, wo die akad. Ausgabe richtig schreibt bitje-cvitje, S. 51 v. 14 hoce
(statt hotje, es ist ja Aorist), S. 67 v. 15.17 cviece, cvieda (statt cvietje, cvietja)
nicht billigen, weil man damals noch tj von c in Beispielen für Ti und thk
auseinandergehalten hat. Ebenso hätte S. 55 v. 188 rodjak bleiben sollen
(noch nicht rodak). Auch im Infinitiv sollte t noch bleiben, also S. 54 v. 155
prizivjet du, v. 161 riet cu zu schreiben (nicht prizivjedu, riecu). Ich will noch
einige andere Berichtigungen des Textes geben, die sich aus dem Sinn er-
geben: S. 29 V. 8 ko je boles ma zestoka (nicht ka), v. 22 tko ju slusa (nicht
ko, so auch S. 67 v. 9 tko statt ko), v. 30 na sluzbi (nicht na sluzbu), v. 36
wahrscheinlich jesenskoga, S. 30 v. 69: koje sluzbe nicht tkoje, so auch S. 65
V. 7 ku nicht tku, v. 7 koga nicht tkoga (die alten Schreiber machten öfters
den Fehler, dass sie nach dem Nominativ /ko auch in den Casus obliqui t
schrieben). S. 38 v. 1 ist za vor ures überflüssig, und v. 2 ist gnezdo vielleicht
Ignatii Georgii, Vitae, herausg. von P. Popovic, angez. von Jagic. 595
in gizde zu ändern, so würde das ganze lauten: vidu sad ures tvoj, o mila
Jubavi, da u Rusi u ovoj tve gizde postavi . . S. 43 v. 16 ist speie (statt spiele)
zu lesen, so steht auch in der akad. Ausgabe; ebenso v. 18 ufav (nicht ufam).
S. 49 V. 11 soll oholo (statt okolo) stehen (erst im nächsten Vers ist okolo
richtig). S. 52 v. 39 ist neredno ausserhalb der Klammern zu setzen, nur ja ti
pravim gilt als Einschaltung; v. 48 ist na ausgefallen: na ovem svieti. S. 53
V. 120 ist wohl pases (statt pases) zu lesen. S. 54 v. 126 wahrscheinlich 8 aus-
gefallen: pored s raudriem, v. 139 möchte ich a spjevaiie za me veöe lesen,
v. 149 ist natürlich in ocinstvo zu berichtigen, v. 157 muss man u toliko ako
c' znati lesen und v. 159 nicht ondi, sondern ovdi oder odi, v. 163 ob dan (nicht
ov dan). S. 55 v. 187 wahrscheinlich ko da mi je otac isti (nicht nu). S. 58 in
der Anmerkung 16 muss dnem in drum, und slavi in plavi berichtigt werden
(plavi ist Anspielung an Gondola). S. 65 v. 6 pripieva (nicht prispieva). S. 66
im vierten Verse auf Floria Zuzzeri soll statt iznaö ces stehen: i znat des;
S. 67 V. 17 oto se (nicht si), natürlich auch v. 20 zivot (nicht civot). S. 71 in
den Versen Zlataric's ist v. 3 osad (statt ostav') zu lesen und in v. 7 — 8 kann
das Fehlende nach der akad. Ausgabe (St. pisci hrv. XXI S. 157) ergänzt
werden. S. 73 v. 3 uajlise (nicht najijepse), in der akad. Ausgabe steht das
richtige, v. 10 ter rekoh (nicht das unsinnige utekoh, die akad. Ausgabe hat
das richtige), v. 12 ist auszufüllen po sridi, v. 17 nicht radosti, sondern za-
dosti (auch hier hat die akad. Auagabe das richtige), v. 18 mojojzi (nicht
mojome).
Eine gewisse Unsicherheit in der Stellung des Herausgebers gegenübei
dem ihm vorgelegenen Werke merkt man unter Nr. XXXIV in der Biographie
des Sabinus Bobalius Surdus. Unzweifelhaft hat hier in der Handschrift a),
welche der Ausgabe Popovic's zu Grunde liegt, eine Verwirrung stattgefun-
den, der richtige Anfang der Biographie beginnt auf S. 71 mit den Worten:
Sabinus Bobalius Surdus vulgo Miscetich italice scripsit etc. und erst nach
Abschluss des italienischen Sonetts von Monaldo auf S. 72 folgen die Worte,
die der Herausgeber auf S. 70 an die Spitze der Biographie stellt, d. h. Anno
1589 quo Bobalii carmina Italica edita sunt, iam obierat ipse etc. Es ist nicht
einzusehen, warum der Herausgeber nicht den Weisungen seiner Handschrift
folgen wollte, um die weiteren Theile des italienischen Sonetts herauszu-
schreiben und abzudrucken, und ebenso das Sonett auf den Tod des Amalteo
zu Ende zu führen.
Zur Biographie XVI (Georgius Darsius) kann ich mittheilen, dasB sie in
dem von mir im J. 1870 benutzten Text nur theilweise mit b) übereinstimmt,
es ist neben dem ersten Gedicht auch als aliud das zweite in b) befindliche
darin enthalten, das Zitat »Dominus Ragnina laudat Georgium Ode 168 sie«
(folgen 8 Verse, in der akad. Ausgabe Nr. 168 v. 9 — 18) steht früher, als das
jetzt folgende Idem Ragnina Georgio epitaphium posuit Ode 169 (folgen alle
14 Verse). Die Biographie schliesst mit den Worten (bei Popovic S. 50) »qui
ecclesiasticus fuit«. Das weitere fehlt. Auch das von Popovic (S. 49 — 50) in
der Anmerkung zitirte Gedicht Mencetic's fehlt in jener Handschrift. Das ist
auch ganz richtig, da unter Drziö nicht das Gedicht Mencetic's hineingehört.
Dieses Gedicht steht in der akad. Ausgabe unter Mencetic I. 45.
38*
596 Kritischer Anzeiger.
Zur XXXVI. Biographie Sigismundus Mentius kann ich aus der Ku-
kuljeviö'schen Handschrift folgende damals abgeschriebene Nachträge liefern.
Nach den Worten (S. 74): Sigismundo veoma sliedio je i Ijubio pisma Plato-
nova folgt dort: Supplementum. Marinas Darsa ita de Sigismundo Meuzio
in Prologo Thyrrenae pag. 7 (jetzt folgen die Verse 139—150 aus Tirena,
vergl. die akad. Ausgabe S. 68 — 69). Dann setzt er fort: Dominicus Ragnina
sex elegantissima Epitaphia Sigismundo scripsit. Und nun sind alle sechs
voll ausgeschrieben (in der akad. Ausgabe Nr. 162—167, S. 91 — 93). Darauf
folgt jene bei Popovic auf S. 74 aus meiner Ausgabe abgedruckte Notiz, an
welche sich noch diese Worte anschliessen: »Extat unicum volumen ut asse-
ritur, praedicti Menzii et Georgii Darsii Poematum coniunctim, et promiscue,
MSS apud haeredes fiduciarios Abbatis Joannis Mariae Mattei, olim Soc.
Jesu; quae si indulserint operae pretium erit aliquando e carie vindicare
et in publicam lucem proferre. Ego adhuc quattuor solumodo epigrammata
auctoris legi inter alia variorum, quae ut lectori probetur eiusdem ingenium
hie exscribam«. Jetzt folgen diese vier Stücke in vollem Umfange, sie sind
in der akad. Ausgabe unter IL 4 (S. 57), I. 103 (S. 50), I. 106 (S. 51), III. 10
(S. 129). Bei diesem letzten Stück hatte ich übersehen, das Zitat aus dem
handschriftlichen Werke Gjorgjic's anzuheben.
Das ist alles, was ich zur Ausgabe Popoviö's bemerken konnte. Meine
übrigen Studien gestatten mir nicht mehr, die Lieblingsbeschäftigung der
jungen Jahre zu verfolgen. Möge der Herausgeber diesen Excurs in meine
Jugenderinneruugen als ein Zeichen des grossen Interesses aufnehmen, das
ich seinen literaturgeschichtlichen Forschungen entgegenbringe, und vielleicht
auch einige hier ausgesprochene Wünsche bei einer anderen Gelegenheit nach
Möglichkeit berücksichtigen. V. J.
V
Tri doslije nepoznate pjesme dum Mavra Vetranica Cavcica. Prilog
dubrovackoj knizevnosti XVI vijeka. Za stampu priredio Petar
M. Kolendic. Cijena 60 para. U Dubrovniku. Srpska dubrovacka
stamparija. 1905. S^, S. 37.
Dieser kleine Beitrag zur Geschichte der serbokroatischen Literatur
Ragusas ist zuerst in den ersten drei Heften der ragusanischen belletristi-
schen Zeitschrift Sri (Nr. 1 — 6) des laufenden Jahres erschienen. Der Ver-
fasser, ein Hörer der slav. Philologie an der Wiener Universität, hat immer
ein lebendiges Interesse für die Literatur seiner Geburtsstadt gezeigt, und
sich auf den richtigen Standpunkt gestellt, nämlich, das in Ragusa unbekannt
vorhandene und in verschiedenen Besitzen sich befindende Material zu sam-
meln und zu veröffentlichen. So auch diesmal bilden den Haupttheil seines
Büchleins drei bis jetzt unbekannte Gedichte des M. Vetranic Cavciö. Vor
diesen aber hat er eine ziemlich ausführliche Einleitung (S. 3 — 19) hinzuge-
fügt, wo er zuerst die ihm zur Hand gekommene Handschrift bespricht und
dieselbe, mit Hilfe hauptsächlich von orthographischen Merkmalen, um das
Drei Gedichte Vetranic's, herausg. von Kolendic, angez. von Nagy. 597
Ende des XVI. oder am Anfang des XVII. Jahrhunderts entstanden sein lässt.
Die ganze Handschrift aber bildet nicht die Grundlage seines Beitrages,
sondern nur die zweite Hälfte, aus welcher zuerst zahlreiche Abweichungen
in der üeberlieferung zu den Gedichten Vetranic's Orlaca Blatu (Stari pisci
III, 212—220) und Orlaca Perastn (Ib. 220—225) uaitgetheilt (S. 7—10) und
hier und da jene Stellen, wo der Text in der akad. Ausgabe nicht dem Reim
entspricht, hervorgehoben werden. Ich möchte der Sache noch mehr Gewicht
beilegen, da uns an manchen Stellen der Text in der akad. Ausgabe unklar
ist, weswegen sich auch der gewissenhafte Herausgeber dieses Theiles der
geistlichen Produkte Vetranic's zu der Bemerkung gezwungen fühlte, sein
Text des Gedichtes Orlaca Blatu »sei oft sehr unverlässlich« {Stari pisci III,
212 Anmerkung). Diese schlechte Ueberlieferung hat es auch verschuldet,
dass man im akad. Wörterbuch z. B. das vermeintliche Wort cever (st. sevar)
mit dem türk. cewre, und breda (st. bljeda) mit dem ital. hertesca, franz. hreteche
in Zusammenhang bringen wollte und für die, im Küstenlande übliche Benen-
nung 2?oc?mo erklärte, sie komme vor dem Anfang des XVIII. Jahrh. nicht vor.
Was die Gedichte Orlaca Ridanka Kotoru govori, Na priminutje Marina
Drzica und Nadgrohnica gornega, rvcenoga Marina anbelangt, so schreibt der
Verfasser das erste Gedicht dem Vetraniö deswegen zu, weil es ganz nach
dem Ton seiner übrigen Gedichte klingt, dann das zweite auch, weil er in
demselben alle Merkmale der Vetranic'schen Metrik, welche Dr. Medini
(»Prvi dubrovacki pjesnici i zbornik Nikole Ranjine« im »Rad jugosl. akad.«
Bd. 153, S. 10.3 — 107) koustatirt hat, findet, und noch Stellen, die den anderen
bei Vetranic ähnlich sind, herausnimmt. Ist die Meinung dadurch bestätigt,
so gilt sie für das dritte Gedicht schon seinem Titel nach.
Am meisten charakteristisch ist das zweite Gedicht. Für die Verse
171 — 178 und 187 — 198, wo manche musikalische Instrumente aufgezählt
werden, meint der Verfasser, man kenne darin entweder eine Bestätigung für
die übliche Tradition, dass sich Vetranic mit Musik beschäftigte, oder eine
Anlehnung an die Vorführung der Dramen Drzic's, wobei die Musik eine be-
deutende Rolle spielte, finden. Ich möchte nur die zweite Möglichkeit zu-
geben, da es nicht wahrscheinlich ist, dass Vetranid in demselben Gedichte
seinem Schmerz, wegen des Verlustes des Freundes, Ausdruck gibt und von
eigenem Interesse für die Musik spricht. Die zweite Möglichkeit bestätigt
auch der Inhalt des ganzen Gedichtes, da man in demselben, der Tendenz
nach, nur zweiTheile unterscheiden kann: eine Andeutung an den Charakter
der Dramen Drzic's und eine moraiisirende Belehrung an den Bekannten des
verstorbenen Dichters. Mit Hilfe einer so ausgesprochenen Tendenz lag nahe
dem Verfasser das Mittel für den Kern seiner Arbeit, nämlich für die Hypo-
these, dass »M. Drzid die Hekuba geschrieben hat, welche bis jetzt für ein
Werk Vetranic's gehalten wurde«, eine Hypothese, die er auf Grund der
metrischen Eigenthümlichkeiten bestätigt hat (S. 15 — 19).
Wenn man die erwähnten zwei Gedichte und noch das schon bekannte
Marinu Drzicu potnoc (Stari pisci III, 208 — 212) miteinander zu vergleichen
hätte, so wäre das letzte damals entstanden, als Vetranic über den Vorwurf,
Drzic habe die Tirena plagiirt, erfuhr. Da diese Ermahnung und auch die-
598 Kritischer Anzeiger.
jenigen von Drzic selbst im Prolog zu Dundo Maroje und in dem Sendschrei-
ben an Saba Mikulinov die »damaligen Kritiker« von ihrer Zähigkeit nicht
abwenden konnten, so tritt Vetranid mit dem Gedicht Na primimifje energi-
scher auf, und erwähnt die Tirena und Hekuba als Drzid's Werke — also eine
Steigerung in der Tendenz ! Die Nadgrobnica ist ein gewöhnliches Gedicht
für den Tod eines Dichters, ohne irgend welche specielle Tendenz.
Mir schien es gar nicht überflüssig, die Resultate dieses hübschen Bei-
trages hier zu wiederholen, da bei dem nicht grossen Ansehen der Ausgabe,
und bei der geringen Sorge für die Kritik bei uns im allgemeinen, sehr leicht
wäre, dass dieselben das »Territorium Ragusas« nicht überschreiten und dass
die zukünftige Literaturgeschichte den erblichen Irrthum weiter wieder-
holen würde.
Wi en , den 10. Juli 1905. J. Nagy.
Vjestnik kr. hrvatsko-slavonsko-dalmatinskog zemaljskog arkiva.
Uredjuje dr. Ivan Bojnicic kninski, kr. zemaljski arkivar. Zagreb
1829 ff. (Bis jetzt sind 6 Bände, jeder zu 18 Bogen gr.-80-Formates,
und drei Hefte des siebenten Bandes erschienen).
Als einen glücklichen Gedanken möchte ich es bezeichnen, dass im
J. 1899 in Agram (Zagreb) der Beschluss gefasst wurde, eine historische Zeit-
schrift herauszugeben, deren Hauptanhaltspuukt die reichhaltigen, bisher
noch wenig erforschten Archive des Landes (Kroatien, Slavonien, Dalmatien)
zu bilden hätten, darunter selbstverständlich das Laudesarchiv in Agram
nebst dem des Agramer erzbisch. Domkapitels in erster Linie. Als Redak-
teur der Zeitschrift fungirt der Direktor des Landesarchivs, Prof. Dr. von Boj-
nicic, sein Hauptmitarbeiter Em. v. Laszowski ist ebenfalls ein an dem Lan-
desarchiv angestellter Gelehrter, Die Zeitschrift kann in gewisser Beziehung
als Fortsetzung des in der Fachliteratur hochgeschätzten »Arkiv« von L Ku-
kuljevid gelten, dessen 12 Bände damals zum Abschluss kamen, als man mit
einem vielleicht nicht gerechtfertigten Optimismus alles in die Sphäre der neu
eröffneten südslavischen Akademie einbeziehen zu müssen glaubte. Wenn
auch die unedirten Schätze aus den Archiven den Hauptinhalt der bisherigen
sechs und halb Bände bilden, sind doch auch selbständige Monographien
über einzelne Fragen der politischen, kirchlichen und kulturellen Geschichte
gut vertreten. Das neueste Mitatbeiterverzeichniss zählt etwas weniger als
vierzig Namen auf, darunter Historiker wie Tkalcic, Klaic, Sisic, Magdic,
Gruber; Archäologen, Kuust- und Literaturhistoriker wie Krsnjavi, Surmin,
Jelic, Bucar u. s. w. Es kann nicht die Aufgabe dieser kurzen Anzeige sein,
auf den Inhalt jedes einzelnen Bandes näher einzugehen, zumal die politische
Geschichte, um deren Pflege es sich in dieser Zeitschrift hauptsächlich han-
delt, nicht die eigentliche Aufgabe unserer Zeitschrift bildet. Ich will nur
hervorheben, dass in den bisherigen Bänden die Mittheilungen desUrkunden-
materials aus verschiedenen Archiven in Agram, Zara, Zengg, Tersatto,
Die Zeitschrift des kroat. Landesarchivs, angez. von Jagic. 599
Koprivnica, Krizevci (civitas Crisii) u. s. w. werthvolle Bereicherung dar-
stellen, die die Aufhellung der stark zerrissenen politischen Geschichte
Kroatiens (das immer mehr fremden als eigenen Vortheilen dienen muastej
bezwecken. Daneben ist erwähnenswerth die Kontroverse, die sich betreffs
eines der allerwichtigsten Momente in der Geschichte der Kroaten (des An-
schlusses Kroatiens an Ungarn) zwischen Krsnjavi (Band II, Heft 3, IV, H. 2)
und Gruber (Band III, Heft 2. 3 — 4) entwickelte. Die kulturell wichtige Frage
über die Fortschritte des Protestantismus bei den Kroaten fand ihre Ver-
tretung in einer Reihe von Aufsätzen, die Prof. Bucar lieferte (II. 2. 4, III.
3/4, VI. 3/4). Das Thema von der Hexenverfolgung in Kroatien wird in einer
Reihe von Beiträgen von Bojnicic und Tkaicid Dehandelt (IV. 2. 3, V. 1. 2/3. 4,
VI. 1/2.3/4). Erwähnenswerth sind noch einige Kleinigkeiten zur Aufhellung
des Schulwesens, Beiträge für die Literaturgeschichte und Berichte über den
historischen Besitz der Kunstschätze. Für die von unserer Zeitschrift ver-
tretenen Interessen ist es von Wichtigkeit, dass neben dem in lateinischen
Urkunden vorhandenen slavischen Niederschlag auch noch in kroatischer
Sprache geschriebene Urkunden (wenn auch in der Minderzahl) begegnen. Es
ist allerdings etwas beschämend, dass diese Sprache gerade nur im Munde
der angeblichen Hexen zu ihrem besonderen Rechte gelangte. Vergl. 1. 110 —
114 (vom J. 1770), IL S. 59—60 (vom J. 1746), IV. S. 113—120 (vom J. 1625;,
182—184 (v. J. 1699), V. 1—8, 244—246 (v. J. 1715), VL 80-82, 85-87 (vom
J. 1704), 95—96 (v.J. 1741—42). Sprachlich sind die Texte (kajkavischer
Dialekt) nicht uninteressant, nur könnte ich die Genauigkeit der Wiedergabe
nicht besonders loben (bald alte, bald neue Orthographie, ungenaue Lesungen),
vergl. z. B. navredom = statim, continuo, «popecene« po glavah, d. h. mit
peca bedeckt, na pomagaj kricati. Sprachlich beachtenswerth ist eine Ge-
meindebestimmung aus dem XVII. Jahrh. (I. 201 — 205), wo folgende Aus-
drücke vorkommen : jos nepokrivena für noch unverheirathet, volnica und
heresica für frei berechtigte Erbin ^man findet auch volnik und volnost, l ist
der mittlere, dem .1. entsprechende Laut), odmik für Aufschub, zadustvo
(falsch getrennt gedruckt) für zadusbina, konci für wenigstens (nicht kouchi,
sondern konchi muss im Original stehen), potescica für Last, zaubessisse ist
wahrscheinlich als saoyö-BmumÄ aufzufassen, es kommt allerdings »bah bahoma«
vor, wonach man nicht zaubesise oder zavbesise, sondern eher zaubasise er-
warten sollte, doch drückt e möglicher Weise den reducirten Vokal aus, da-
her auch in cyrill. Urkunden zapsiti. Vergl. noch tvrdnjava für Bekräftigung,
dezma für decima u. e. a.
In einer Urkunde vom J. 1729, die von Seiten »sue kraine Like i Krbave«
ausgestellt (VI. S. 73) und von »pod Plochom« ausgegeben wurde (Ploca ist
noch jetzt ein in Lika befindlicher Ort;, wird ein Porkulab Duim Dossen
(Dosen) genannt und ib. (3. 72) ein Kapetan Jovan Dossenovich (Dosenoviöi
aus derselben Gegend. Ich erwähne diese beiden Namen nur darum, weil
darunter die Vorfahren des bekannten Vid Dosen gesucht werden dürfen und
damit auch die Gegend, aus welcher Vid Dosen abstammte, wenigstens un-
gefähr bestimmt werden kann. Endlich sei noch hervorgehoben, dass die
patriotischen Verse, die auf der zur Aufbewahrung der Urkunden im J. 1643
600 Kritischer Anzeiger.
künstlerisch ausgestatteten Kiste des Agramer Landesarchivs (vergl. darüber
I. S. 4 — 5) zu lesen sind und von dem verdienstvollen Joannes Szakmardi
herrühren Bollen, die Cech-Lech-Sage deutlich zum Ausdruck kommt:
lila ego Sclavonia, jam dicta Croatia tellus,
Post varias experta vices tandem addita Christo,
Hungaricae junxi me sociam ipsa mytrae
Terra Bohema viris est culta et dedlta nostris,
Sunt fundata meis regna Polona viris;
Quae varia in plures emisi examina gentes,
lam Colapi et Zavo vix fruor atque Dravo.
V.J.
A. EpMOJiOB^. HapoAnaH eejLCKOxo3>iHCTBeHHaH My^pocTi. b-b nocjiOBH-
i^axT., noroBopKaxT. h upEMiraxT. (Die Landwirthschaftliche Volks-
weisheit in Sprichwörtern, Redensarten und Wetterregeln). Vier
Bände. I. BceHapoÄHLiä ^röcHi^ecjicBi.. CTIönb 1901. 8". 620 (Der
volksthümliche wirthschaftliche Monatskalender). IL BcenapcAHaH
arpoHOMifl. Cüöri, 1905. 8^. 528 (Die volksthümlicheu Landwirth-
schaftsregelu). III. jKHBOTHtiä jiip'B bI) BOSsp^HiflX'B napcAa. dlÖr-B
1905. 8". 555 (Die Thierwelt nach den Volksanschauungen). IV. Ha-
poAHoe norGÄOB^A^Hie. Cllörx 1905. 8°. 466 (Die volksthümliche
Wetterkunde).
Der gewesene russische Ackerbauminister, Herr von Jermolov, hat unter
dem citirten Gesammttitel ein grosses, vierbändiges Werk herausgegeben,
das zwar nach den in demselben zur Anwendung kommenden Gesichtspunkten
nicht rein ethnographisch genannt werden kann, w^eil der Verfasser nicht bloss
theoretisch-wissenschaftliche, sondern auch praktische Zwecke verfolgte —
als Ackerbauminister wollte er mit diesem Werke die landwirthschaftliche
Lage des russischen Bauers, so zu sagen, nach seinen eigenen Bekenntnissen
kennzeichnen und seine auf diesem Gebiete gesammelten Erfahrungen, in
allerlei goldenen Sprüchen und Regeln niedergelegt, vergegenwärtigen mit
der stillen Hoffnung, darin auch manches Goldkörnchen, das selbst bei der
rationellen Laiidwirthschaft auf Beachtung Anspruch erheben darf, ausfindig
zu machen. Wenn auch dieser praktische Zweck bei einem Ackerbauminister
nahe genug lag und seine Berechtigung hatte, kann man doch seine Leistung
auch anders auffassen, sie als einen wichtigen Beitrag zur Ethnographie und
Kulturgeschichte Russlands ansehen und als solches gehört das Werk in den
Rahmen unserer Zeitschrift. Es verfolgt den Zweck, die Volksweisheit des
russischen Bauers, diesen coUectiv aufgefasst, in Bezug auf die mächtigen
Einflüsse der Natur, von denen der Erfolg seiner Arbeit abhängt, zusammen-
zustellen und nach bestimmten Gesichtspunkten zu gruppiren. Und zwar be-
Jermolov, Die landwirthschaftl. Volksweisheit, angez. von Jagic. 601
gnügte sich der Verfasser nicht bloss mit dem russischen Volksmaterial, son-
dern zur Beleuchtung der in Russland kursirendea Erfahrungen und Beob-
achtungen zog er auch Vergleiche aus dem entsprechenden Bcreicli anderer
Literaturen heran, wobei die deutschen und französischen Parallelen den
grössten Raum einnehmen, erst in zweiter Linie wurden auch andere Litera-
turen, unter den slavischen namentlich die polnische, berücksichtigt. Dieser
praktische Gesichtspunkt des Werkes veranlasste öfters die Frage nach dem
Verhältniss dieser Erfahrungssätze und -Sprüche zu den wirklichen Bedin-
gungen einer rationellen Landwirthschaft, die der Verfasser als Agronom
fachmännisch zu beantworten bemüht war. Eine rein ethnographische For-
schung möchte in anderer Richtung ihre Wissbegierde ausgedehnt sehen,
nämlich die Frage anregen nach den Quellen dieser Volksweisheit, nach ihrem
Ursprung und ihrer eventuellen Entlehnung. Der Verfasser hat zu wieder-
holten Malen diese ethnographische Aufgabe als nicht in sein Programm ge-
hörig abgelehnt (L S.7, IL S. VII, IV. S.VIIIj, darum sind auch wir nicht be-
rechtigt, seinen ausgesprochenen Willen nach Beschränkung auf die Wieder-
gabe des Inhaltes, ohne sich in die Kritik der Entstehung dieses Inhaltes
einzulassen, ausser Acht zu lassen. Man könnte von seinem Standpunkte
höchstens die Frage nach der erschöpfenden Ausbeute des Materials oder
nach der zweckmässigen Eintheilung des Stofifes aufwerfen. In beiden Be-
ziehungen liest man wohl begründete Aeusserungen und Urtheile, denen man
kaum die Zustimmung versagen könnte. Der Verfasser ist nämlich selbst
weit entfernt davon zu glauben, das Material erschöpft zu haben, wenn er es
auch in sehr reichlichem Masse zu benutzen im Stande war. Ich möchte vom
Standpunkt unserer Zeitschrift namentlich auf die Lücken aus den slavischen
Literaturen hinweisen. Selbst die im Quellenverzeichniss citirten Werke aus
den slavischen Literaturen hätten eine bei weitem stärkere Verwerthung ge-
stattet, wenn nicht endlich und letzlich auch auf den Umfang des Werkes
Rücksicht genommen werden müsste, der ja ohnehin gegen den ursprüng-
lichen Wunsch auf vier starke Bände angewachsen ist. Gegen die Eintheilung
des Materials lässt sich auch kaum etwas einwenden, selbst wenn man sagen
muss, dass vielleicht auch ein anderer Weg hätte eben so gut einge-
schlagen werden können, z. B. statt mit dem Kalender (B. I) hätte man mit
der Witterungskunde iB. IV) anfangen können, weil ja die Witterungsverhält-
nisse etwas allgemeineres darstellen als die gewiss erst später zur Geltung
gekommenen Beziehungen zu einzelnen Monaten, Tagen, Heiligen u. s. w.
Ohne Zweifel sind in dem im I. Band zur Sprache gebrachten Material mehr
fremde Einflüsse, aus dem Leben der Kirche, aus der Berührung mit den
Nachbarn, vorauszusetzen, als in d^m Inhalt der übrigen Bände.
Mit Recht hebt der Verfasser hervor, dass jetzt nach der von ihm durch-
geführten Gruppirung des Materials leicht sein wird, weitere Parallelen, Zu-
sätze und Nachträge zu liefern (etwas davon geschah schon durch ihn).
Namentlich möchte ich die Erwartung aussprechen, dass die slavischen Lite-
raturen, die ja mit besonderer Vorliebe die Ethnographie pflegen, die ihnen
durch dieses Werk gebotene Gelegenheit zu Erweiterungen im Rahmen der
Einzelliteraturen ergreifen werden. Das ist um so wünschenswerther, als ja
602 Kritischer Anzeiger.
im Werke Jermolov's neben der russischen (hauptsächlich grossrussischen)
eigentlich nur noch die polnische und viel weniger die serbische und bul-
garische Hilfsliteratur herangezogen wurde, die übrigen süd- und nordwest-
slavischen fehlen gänzlich.
Um den Leser von dem reichen Inhalt der vier Bände eine ungefähre
Vorstellung zu geben, wollen wir diesen kurz nach einzelnen Bänden skiz-
ziren. Der erste Band ist dem Kalender gewidmet, d. h. den in allerlei Re-
densarten, Sprüchen und Vorhersagungen niedergelegten Volkserfahrungen,
die an einzelne Jahreszeiten, Monate, Feste und Tage mit ihren Heiligen an-
knüpfen. Das ganze Jahr wimmelt nach der Volksüberlieferung von solchen
an verschiedene Zeitabschnitte, Tage und ihre Träger, die Heiligen, ange-
knüpften Erfahrungen, Hoffnungen und Befürchtungen bezüglich des Verlaufs
der Hauptmühe des Bauern, seiner Landwirthschaft. Jeder Monat beginnt
mit allgemeinen Beobachtungen, d. h. mit der Zusammenstellung von Sätzen
und Erfahrungen, die sich auf den betreffenden Monat im Allgemeinen be-
ziehen, und schliesst mit einer aus der Gesammtbetrachtung sich ergebenden
Charakteristik. Innerhalb des Mocats werden dann einzelne Tage hervor-
gehoben, an die die Volksweisheit mit ihren Sprüchen anknüpft. Dabei wird
neben dem russischen auch der parallel laufende europäische Kalender be-
rücksichtigt mit seinen zum Teil ganz verschiedenen Xamensträgern, z.B. für
den 20. Jänner kommt in Russland die heil. Euthymie, für das Ausland der
heil. Fabian und Sebastian in Betracht (I. 44 — 5). Oder die Maitage 12 — 15
haben im Westen Europas ihre Signatur von den bekannten Eismännern Pan-
kratius, Servatius, Boaifacius und der Sophie — der russ. Volkskalender
weiss nichts davon. Selbst bei gleichen Inhabern kann die Volksbeobachtung
nach verschiedenen Richtungen sich bewegen im Westen gegenüber Osten,
z. B. am 11. November, am Martinstag, spielt in Russland dieser Heilige eine
sehr unbedeutende Rolle, grössere jedenfalls der auf denselben Tag fallende
hl. Theodor der Studite (Wortspiel des Prädikats Ciyauii. mit dem Verbum
ciyÄHXB). Wenn in einem Spruch aus dem Gouv. Minsk die Martinsgans citirt
wird, so scheint auch das aus dem Polnischen herübergenommen zu sein.
Der Anbruch des Winters mit dem Martinstag wird hauptsächlich bei den
romanischen und germanischen Völkern durch Sprüche gekennzeichnet, von
den Slaven citirt der Verfasser einen polnischen Spruch: Od swietego Mar-
cina zima sie poczyna; man muss aber auch des serbischen Spruches ge-
denken: Sveti Mrata snijeg za vrata. Die Wandlung des Mostes in Wein am
Martinstag kennen nur die weinproduzierenden Südslaven. Ich kann nicht
unterlassen, zu bemerken, dass die einem jeden Monat vorgesetzte Aufzählung
der volksthümlichen Namen desselben, so weit sie die slavischen Namen be-
trifft, leider so gut wie alles zu wünschen übrig lässt. Woher mag der Ver-
fasser jene Namen ausgekramt haben?
Der zweite Band behandelt »die volksthümliche Landwirthschaft«
(BceHapoÄHaa arpoHOMia). Im ersten Kapitel sind Erfahrungssätze gesammelt,
die sich auf das Jahr im Ganzen beziehen, wobei die Kombinationen über
seinen Ertrag, die volksthümliche Auffassung von den guten und schlechten
Jahren, die Weissagungen aus dem vergangenen auf den bevorstehenden
Jermolov, Die landwirthschaftl. Volksweieheit, angez. von Jagid. 603
Verlauf desselben, der abergläubische Zusammenhang zwischen gewissen
meteorologischen Erscheinungen und der Beschaffenheit des Jahres u. a. m.
zur Sprache kommt. Nachher ist von der Woche als Arbeitszeit die Rede,
mit der Unterscheidung der glücklichen und unglücklichen Tage, wonach
sich das Gelingen oder Misslingen einer Arbeit richtet. Hier konnte der Ver-
fasser nicht umhin, auf die übermässige Anzahl von Tagen hinzuweisen, an
welchen das russische Volk aus abergläubischer Furcht nicht arbeiten will.
Gerade in den sechs Arbeitsmonaten (April bis September) stellen sich nach
seiner Berechnung nicht weniger als 73 Ferientage heraus. Da in Russland
in Folge der ungünstigen klimatischen Verhältnisse im ganzen Jahr durch-
schnittlich eigentlich nur durch 1S3 Tage auf dem Feld gearbeitet werden
kann, sollte diese verhältnissmässig kurze Zeit ökonomisch ausgenutzt werden.
Statt dessen hören wir, dass 73 Tage davon auf Nichtsthun vergeudet werden.
Die nächsten Kapitel beziehen sich auf Tag und Nacht, auf Zeit und Stunde.
Vom fünften Kapitel an (S. 145fif,) tritt man der Feldarbeit näher und zwar
zunächst wird der Boden überhaupt, das Feld und Ackerland, die Bedin-
gungen seiner Ertragsfähigkeit behandelt. Der Verfasser berührt auch die
Frage, wie der russische Bauer den immer fühlbarer sich machenden Mangel
an Boden in Sprüche eingekleidet (bis 177). Dann folgt eine Charakteristik
des Feldbaues im Allgemeinen, weiter die speciellen Arbeiten (Pflügen,
Düngen — auch vom Pflug ist hier die Rede), die Saat und ihre Beschaffen-
heit nach den Samengattungen nebst den den glücklichen Erfolg versprechen-
den Anzeichen, die einzelnen Phasen des Wachsthums und die Bedingungen
des Gedeihens (z. B. der zur rechten Zeitsich einstellende Regen). Auch die
Kenntniss der schädlichen Pflanzen wird berührt. Zuletzt kommt der Ge-
müsebau zur Sprache (bis 343). Das zehnte Kapitel behandelt die Anzeichen,
die nach der Volksmeinung die zukünftige Ernte bedingen oder voraussagen
(Schnee, Regen, Wind, Nebel, Trockenheit, Regenbogen, Mond- und Sonnen-
finsterniss, das Auftauchen schädlicher Tiere: Mäuse, Raupen u. s. w., die
Vorbedeutung nach den Vögeln : Kukuk, Wachtel, Hühner, nach der Pflan-
zenwelt: Pilze, Nüsse u. s. w. [bis 392]:. Das elfte Kapitel ist der Ernte selbst
und allen damit zusammenhängenden Arbeiten (Mähen, Dreschen u. s. w.j ge-
widmet, als das letzte Resultat aller Mühen kommt das Brod zum Vorschein
(bis 414). Das zwölfte Kapitel behandelt den Wald und seine Poesie, das
Rauschen der Bäume, ihre Gestalt u. s. w. Einzelne Baumarten kommen
ebenfalls zur Sprache, ferner die Pilze und die ganze Folge der beim Fällen
des Waldholzes entstehenden Arbeiten u. s. w. Im letzten Kapitel (XIII) ist
von dem Garten, den Fruchtbäumen und von dem Weinbau die Rede. Alles
was unter diesen Kapiteln in diesem Band zur Sprache kommt, beruht auf
dem reichen Vorrath von Volksredensarten, die in erster Linie aus dem rus-
sischen Material, dann aber auch aus fremden Literaturen, zumal der deut-
schen, in weiterer Linie französischen, italienischen, polnischen etc. geschöpft
sind. Einige Wiederholungen aus dem I. Band waren unvermeidlich.
Im dritten Band kommt dasThierleben nach der Volk sauf fassung seines
Zusammenhangs mit der Landwirthschaft zur Sprache, und zwar zuerst wird
von den allgemeinen Redensarten ausgegangen, wie dass alles Lebende eine
604 Kritischer Anzeiger.
Schöpfung Gottes sei, dass jedes Thier seine Jungen liebe und schütze, dass
die einzelnen Gattungen zusammenhalten u. s. w. Dann werden der Reihe
nach durchgenommen Pferd und Esel, das Kind (namentlich die Kuh), das
kleine Hausvieh (Schafe, Ziegen, Schweine), Hund und Katze, die Hausvögel
(Hühner, der Hahn und sein Krähen, Gänse, Schwäne, Pfauen», die Bienen
und Bienenzucht (mit vielem Aberglauben) bis Kap. VII incl. Die nächsten
Kapitel sprechen von den freien, wilden Vierfüsslern (Bären, Wölfen, Hasen,
Mäusen, Ratten etc., vom )Maulwurf, Wiesel, Eichhorn etc.), von den wilden
Vögeln im Allgemeinen und besonders vom Adler, Falken, Habicht, Geier,
Kranich, Storch, Raben, Krähe, Elster, Taube, Turteltaube, Schwalbe, Lerche
etc., etc. Im vorletzten Kapitel wird das Thierreich des Wassers behandelt
(Fische, Fischfang, einzelne Fischgattungen, Krebse) und im letzten (XL; die
Schlangen, Frösche, Fliegen, Mücken etc., Käfer, Heuschrecken, Giillen,
Flöhe, Läuse, Raupen, Schnecken.
Der letzte (IV.) Band ist den athmosphärischeaEinflüssenauf das Land-
leben und den Feldbau gewidmet, und zwar handelt es sich auch hier um die
Zusammenstellung der Volksauschauungen, wie sie in den Sprüchen, Redens-
arten und allgemeinen Sätzen zum Ausdruck kommen. Nach den allgemeinen
Aeusserungen über das Wetter behandeln die nächsten Kapitel die Wetter-
prophezeihnngen nach den Anzeichen aus der Pflanzenwelt und dem Thier-
reich, dann kommen Wind und Sturm, Regen, Wolken, Nebel, Thau und
Hagel, Gewitter, Blitz und Donner, das Wetterleuchten, der Regenbogen und
das Nordlicht, der Schnee, Frost und Kälte der Reihe nach zur Sprache (bis
Kap. VIII incl.). Die letzten fünf Kapitel besprechen die Sonne, den Mond,
den Himmel und die Sterne, das Feuer und den Rauch, das Wasser, die
Flüsse und das Meer. Einiges von dem, was hier zur Sprache kommt, musste
unter anderen Gesichtspunkten schon im I. oder IL Band erwähnt werden.
Doch fällt diese Wiederholung nicht auf. Im Ganzen macht das Werk nicht
den Eindruck einer überflüssigen Breite und Ausführlichkeit. Man könnte im
Gegentheil hie und da ein Wort mehr wünschen, zumal was die Provenienz
einzelner Sätze oder Sprüche anbetrifft. Der Verfasser beobachtete den
Grundsatz, die Quellen nicht zu citiren, da er die Literatur der von ihm be-
nützten Hilfsmittel zum I. und namentlich zum IV. Band sehr ausführlich
mittheilt (IV S. 421 — 440). Doch wird bei russischen Citaten häufig die Gegend
(das Gouvernement), aus welcher der Spruch herrührt, näher bezeichnet. Die
Citate selbst sind aus den verschiedenen kleineren (z. B. orientalischenj
Sprachen Russlands nur in der russischen Uebersetzung angeführt (z. B. aus
dem Kirgisischen, Cuvaschischen, Tatarischen, Gruzinischen etc.), zum Theil
geschieht das auch beim Bulgarischen und Serbischen, eben so regelmässig
beim Litauischen, Lettischen. Dagegen deutsche, französische, italienische,
englische und polnische Citate werden in den Originalsprachen gegeben, bei
den letzten drei Sprachen in der Regel mit der russischen Uebersetzung. Dass
die slavischen Citate nicht frei von Fehlern sind, darüber wird sich Niemand
wundern, der die Verhältnisse der russischen Typographien (Mangel an ver-
schiedenen slavischen Typen) und ihrer Correktoren kennt. Im Ganzen kann
ich wohl sagen, dass man von dieser grossen Publikation den Eindruck einer
Jermolov, Die landwirthschaftl. Volksweisheit, angez. von Jagiö. 605
sehr beherzigenswerthen Leistung bekommt, deren Zustandekommen viel
Mühe und viel Zeit in Anspruch nahm.
Um zum Schluss einen kleinen Beitrag zum I. und II. Band aus einem
wenig zugänglichen Büchlein (Danicza Zagrehechka für das Jahr 1840 : 1841)
zu liefern, schreibe ich folgende Sprüche heraus. I. für den iMonat Jänner
(Proszinecz) : Szvetoga Vinczeka dan, ako je od szuncza szvetel, nadejaj sze
dozta vina. Vergl. bei Jermolov I. 4" : St. Vincent hell und klar, bringt ein
gutes Weinjahr. Szvetoga Pavla obernenya dan z-szunczem chist, znamenuje
obilno leto z-vinom, psheniczum y oztalem sitkom. Vergl. Jerm. 1. .50: St.
Paulus schön mit Sonnenschein, bringt Fruchtharkeit dem Korn und Wein.
Vod' vnosina ov meszecz ima nävadu obetat malo vina, a male vod' vnogo
vina obecha. Vergl. Jerm. I. 21: Wenig Wasser im Januar — viel Wein;
beim vielen Wasser wird's wenig sein. Germlyavicza vu overa zimskem
vremenu znamenuje dalye veliku zimu. Vergl. Jerm. I. 24: Wenn'sim Januar
donnert über'm Feld, so kommt später grosse Kalt. II. für den Monat Fe-
bruar: Ako na Szvetchniczu szuncze lepo, jaszno szija, tak josh vech bude
Bznega, zima josche ostreja bude nasztala y lan obilno raszel. Vergl. Jerm.
I. 77—8: Ist der Lichtmess hell und rein, wird ein langer Winter sein, oder:
Scheint zu Lichtmess die Sonne heiss, kommt noch sehr viel Schnee und Eis.
Für den Schluss ib. II. 25 : Lichtmess hell und klar, giebt ein gutes Flachsjahr.
Ako je na Szvetchniczu jaszno vedro y lepo, tak jazvecz vu szvojoj jami
osztaje szumnyivshi da josche zima bude: ako pak desdy ide ali szneg, tak
izide van niti sze vech neboji velike zime. Vergl. Jerm. I. 82 : Sonnt der
Dachs sich in der Lichtmess Woche, geht auf vier Wochen er wieder zum
Loche. Szveti Matiash tere led ako ga najde, ako ga ni, tak ga nachinya.
Vergl. Jerm. I. 94: Matthias bricht's Eis; find't er keins, macht er eins. Kakvo
je goder vreme nanavecher ztolicze szvetoga Petra, takovo 40 dan rado biva,
y ako onda neje zmersnyeno, nesze vech bojati zime. Vergl. Jerm. I. 91 : Die
Nacht vor Petri Stuhifeier weiset an, was wir 40 Tage für Wetter han. Ako
szu pticze v-hisi ov meszecz tuzte, dugu zimu y sznega v napredek kaseju,
vergl. Jerm. I. 72 : Wenn im Februar fette Vögeln werden gefangen, so kommt
noch viel Kälte gegangen. Ako na protuletje sabe pod vecher jako regechu
y kriche, tak nazveschaju toplotii, dobro y hasznovito vreme. Vergl. Jerm. I.
134: Wenn die Frösche im Frühling gegen den Abend quaken und schreien,
so verkünden sie warm und fruchtbar Wetter. III. für den März: Ako na dan
szädovene Marie pred izhodora szuncza lepo zvezde szvete, znamenye je do-
broga leta y za vsze delo prikladnoga. Vergl. Jerm. I. 173: Ist vor Sonnen-
aufgang heller Himmel, so dass die Sterne schön leuchten, ist ein gutes Wetter
zu allen Dingen zu hoffen. Kad na veliki petek desdy ide, dobra je leta pri-
lika. Ako na vuzem, tako malo koja do Trojak nedelya zmenyka. Vergl.
Jerm. I. 115: Wenns am Charfreitag regnet, so ist das ganze Jahr gesegnet.
Und S. 196: Regnet es am Tag von Ostern, giebt es so viel Regen zwischen
Ostern und Pfingsten. Ob szredopoztju jeleni roge zmecheju; laztovicze do-
hadj'aju, a k izvishenyu szv. krisa odhadyaju. Vergl. Jerm. I. lo7: Um Oculi
fallen dem Hirschen die Geweihe ab, und 129: Im Frühling kommen und mit
dem Herbste gehen weg die Schwalben. Und ib. S. 173 (auf den 14. Sept.):
606 Kritischer Anzeiger.
Die Schwalben ziehen wieder fort. Kuliko vu szushezu bu meglih, tuliko
povodnyih ono leto ; a kuliko rosze, tuliko po vuzmu zamerzlicze, a vu veli-
komeshnyaku tuliko puti megla. Vergl. Jerm. I. 150: Ist der März neblig,
kommen viele Hochwetter (für den zweiten Theil finde ich keinen Beleg).
IV. für April: Szusha vu malern Travnu je skodlyva, vlaga pako je dobra;
kad je pako mokro, bude dozta szena y vina. Vergl. Jerm. I. 205 : Wenn der
April feucht und nass, füllt er Scheuue und Fass. Nedelya czvetna lepa y
jaszna nazvescha rodno leto. Vergl. Jerm. I. 110: Palmsonntag hell und klar
gibt ein fruchtbares Jahr. Vuzem moker nazvescha szushu y malo kerme,
Vergl. Jerm. I. 196: Wenn's regnet am Ostertag, so geräth's dürres Futter.
Dan 10-i y 23-i Travna szejan len däje duge rubache. Vergl. Jerm. I. 216:
Von Ezechiel bis Georg ist die beste Zeit für Leinsaat. V. für Mai: Ov
meszecz hladen chini dobro vino y vnogo szena. Vergl. Jerm. I. 248: Kühler
Mai gibt guten Wein und viel Heu. Ako je Verban l^p, bude dozta vina; ako
malo desdyi, tak bude y ob Trojakih; a kakvi szu Trojaki, takva bude vino-
bera. Vergl. Jerm. I. 279: Urbans Sonnenschein bringt einen guten Wein.
Für den zweiten Theil vergl. ib. 278: Das Wetter, das Urbanus hat, auch in
der Lese findet statt. Ako vu ovem meszeczu vechkrat germi, tak je rado
dobro y roduo leto. Vergl. Jerm. I. 253: Donnert's im Mal viel, die Bauern
haben gewonnen Spiel, oder: Häufige Gewitter im Mai zerstreuen den Bauern
die Sorgen. Szvetoga Pankracza ili dvanajzti ovoga meszecza jaszen dan
obecha dozta dobroga vina. Vergl. Jerm. I. 270: Ist St. Pankraz schön, wird
guten Wein man sehn. Vnogo kebrov dobro leto. Vergl. Jerm. IL 22: Mai-
käferjahr — gutes Jahr. Ako je na kouczu ovoga meszecza na hraztju vnogo
czveta, tak bude dozta maszla y obilno leto. Vergl. Jerm. iL 31 : Am Ende
des Maien blühen die Eichen, geräth die Blüthe wohl, so merke dies Zeichen,
denn uns danach ein gutes Schmalzjahr kommt. Ich habe diese Beispiele zu-
sammengestellt, um zu zeigen, auf welchem Wege die Volksweisheit entstehen
kann. Der Herausgeber des Kalenders (Ignaz Kristianovid) — leider fehlen
mir die weiteren Jahrgänge, wo die Fortsetzung und der Schluss enthalten
sein dürfte — hat jene »alten Beobachtungen« wahrscheinlich zum grössten
Theil aus irgend einem gedruckten deutschen Buch oder Kalender entlehnt.
Da aber sein Kalender sehr populär war — meine Exemplare stammen aus
der Hausbibliothek meines Grossvaters! — so mag so manche Regel, wenn
sie nicht schon früher bekannt und geläufig war, durch die Vermittlung dieser
Quelle allmählich bis ins Volk sich verbreitet haben. Gewiss sind sehr viele
Sprüche auf diese Weise entstanden.
Der ganze erste Band und das erste Kapitel des zweiten Bandes sind
vor Kurzem in einer autorisirten deutschen Ausgabe in Leipzig bei Brock-
haus erschienen unter dem Titel: Der landwirthschaftliche Volkskalender.
VonAlexeiYermoloff. gr. lex.-8°. IV. 567. In der Ausstattung übertrifft diese
Ausgabe die russische Originalausgabe. Leider finde ich in den Citaten aus
den slavischen Sprachen dieselben Druckfehler hier wie dort — ein Beweis,
dass Niemand den Verfasser darauf aufmerksam gemacht hat! So figuriren
denn auch die slavischen Monatsnamen, abgesehen von der horrenden Sehreib-
art, unter allerlei inconsequent citirten Namen der Sprachen in vielfach
Jermolov, Die landwirthschaftl. Volksweisheit, angez. von Jagiö. 607
sclirecklich verstümmelter Form. Z. B. als Februar findet man fiir'a slove-
nische druknik (bei Gutsmann und Murko drujnik), unter März ist posimsky
wohl das nlserbische pozymski, Mai soll böhm. und slov. nicht bloss kvctenj
(kvöten), sondern auch zwetenj (also cveten) lauten und wendisch (d. h. hier
slovenisch) auch pjatnik heissen, dagegen kroatisch rosazwet und rosnjak
(also rozacvet?! und roznjak). Unter Juni steht schon wieder fürs kroatische
rosenzvet, also rozencvet und »wendisch« (d. h. slovenisch) nur schestnik.
Unter Juli steht fürs böhmische und slov. (also slovakische?) tschervenesz
und — ssetschenjü wendisch (also slovenisch) nur ssedraik, dagegen carniol.
sserpan und illyr. gar scherpenj, sherpan! Unter August steht fürs klein-
russische sserpenj und fürs »wendische«: ossenik (statt osemnik, das Guts-
mann hat), für »carniol.« (also krainisch): welik sserpenj. Unter dem Sep-
tember steht grudenj fürs altrussische und slovakische, fürs »tschechische«
sarzni (d. h. zäri). Unter October bringt das »altslavische« die Ausdrücke
listopad, grjasnik, posimnik und svadebnik; nun ist grjaznik aus Sacharov,
pozimnik könnte nur als podzimnik auf Herbst Bezxxg haben, svadebnik ist
schon wieder aus Sacharov. Unter November lesen wir schon wieder grudenj
fürs altslavische, fürs illyrische studjong! und fürs »wendische« (slovenische)
gniletz (Miklosich citirt dafür Megiser). Unter December steht grudenj fürs
wendische und fürs polnische (grudzien) und fürs kroatische welikoboshnit-
schjak (es ist velikobozicnjak gemeint). Wäre es nicht besser gewesen, diese
ganze CoUection von Unrichtigkeiten auszulassen, falls man nicht in der Lage
war, richtige Namen und Formen zu citiren? Doch mache ich dafür nicht den
Verfasser, sondern jene verantwortlich, die ihn nicht gleich beim Erscheinen
der russischen Ausgabe auf diese Ungeheuerlichkeiten aufmerksam machten.
Das wäre doch wohl die Pflicht der russischen Slavisten gewesen. Schade
dass diese Fehler das sonst so schön ausgestattete Werk verunstalten müssen.
r. J.
Kleine Mittheilungen.
Serbokroat. kalos ^(rothe) Tulpe''.
Als Name zumeist der rothen Tulpe begegnet dieses Wort zuerst im be-
kannten Lexikon Micaglias (Loreto-Ancona 1649 — 51;, dann bei den späteren
Lexicographen Della Bella und Stulli, heutzutage aber in der Deminutivform
kalösic in Ragusa, sowie in der Nebenform holos nach Sulek im Dravethale (in
Kroatien), der auch die Form kulos aus Ragusa erhalten haben soll. Das
Nähere darüber kann man im Wörterbuch der südslavischen Akademie nach-
schlagen, wo Budmani mit richtigem inneren Sprachgefühl ein slavisches
Etymon für dieses Wort gar nicht suchte, vielmehr mit der Bemerkung ,un-
bekannten Ursprunges' sich begnügte. In der That wurde die Blume nach
Demjenigen benannt, der sie in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrh. aus der
Levante nach Ragusa einführte ! Zu dieser Zeit nämlich lebte und wirkte in
Ragusa der Gelehrte Anton Medo, der sich hauptsächlich mit Philosophie be-
schäftigte und einige Werke aus dem Gebiete dieser Disziplin auch ver-
öffentlichte. Sein Beiname war Kalos, wie wir dies aus der Widmung seines
Werkes In lihrum duodecimum metaphysicae Aristotelis expositio (Venedig
1598) mit Bestimmtheit ersehen, wo ersieh selbst nennt »Antonius Medo qui
et Callos«; die Erklärung aber, wie es dazu kam, dass diese Blume nach
seinem Beinamen bezeichnet wurde, gibt uns sein ein Jahr später ebenfalls
in Venedig gedrucktes Werk Iii librum septimum metapliysicae Arütotelis ex-
positio, das dem in Padua lebenden Gelehrten Joh. Vinz. Pinelli gewidmet
ist. In dieser Widmung erzählt uns nun Medo, wie er im vorhergehenden
Jahre nach Venedig gekommen sei, um das zuerst erwähnte Werk heraus-
zugeben, und bei dieser Gelegenheit den Pinelli aufgesucht und mit ihm ein
längeres Gespräch in dessen Garten geführt habe; in die Heimath zurück-
gekehrt, habe er ihm auch verschiedene seltene Blumensorten geschickt.
Dann setzt Medo also fort: »Nam libentissime uiderem, an hoc tempore (die
Widmung trägt das Datum vom 13. Februar 1599) mei Calloscj, & alij hiberni
flores ä me tibi missi exornent nostri colloquij locum? Calloscios ideö meos
dico, quia hoc genus florum multis ante annis ex Oriente ad me allatum agno-
mine meo apud nos Calloscij appellatum est«. Auf diese Weise also wurde
die rothe Tulpe in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrh. in Ragusa kalos be-
nannt, woher sich der Name im Laufe der Zeit bis ins kroatische Dravethal
verbreitete, denn es unterliegt keinem Zweifel, dass eben kolos aus kalos ent-
standen ist. Woher der Beiname Kalos des Ragusaners Medo stammt, ist
I
Kleine Mittheilungen. 609
natürlich eine ganz andere Frage; wahrscheinlich steht er mit griech. xaXo^
oder xüV.os in Verbindung. Es scheint aber, dass der Beiname auch au.sser-
halb Ragusaa bekannt war, denn in Bosnien gibt es im Kreise Banja Luka
ein Dorf Kalosevic, wobei kalos nicht als Blumenname, sondern als persön-
licher Beiname zu Grunde liegt. M. Resetar.
Serhokroatisch zur ^num^ forsan'' .
Das Wort hat im Serbokroatischen eine zweifache Verwendung: ge-
wöhnlich ist es eine Fragepartikel, ungefähr in dem Sinne des deutschen etwa
oder des lateinischen num, womit der Fragende seine Verwunderung über die
der Frage zur Grundlage dienende Thatsache ausdrückt, z.B. zar si zahoravio ?
nijesi li ga zar vidio?; seltener wird zar als Adverb mit der Bedeutung , viel-
leicht, anscheinend' gebraucht, z. B. doci ce zar i on; dijete samo, a zar i
gladno, stane plakati. Miklosich bringt dieses nur im Serbokroatischen vor-
kommende zar mit der nordwestslavischen Fragepartikel za in Verbindung
(Etym. Wbch. s. v. za 2) und fasst das -r wie in jer u. s. w. auf, nimmt somit
an, dass zar aus *za-ze sich entwickelt habe (Vergl. Gramm. IV, 169). Diese
Erklärung Miklosich's wird auch von Maretic (Rad 93, 72) gebilligt, der, wenn
ich nicht irre, zuerst auch die bei einigen serbokroatischen Schriftstellern des
XVIII. Jahrh. vorkommenden Nebenformen zaj'er, zaer erwähnt; letztere er-
klärt Maretic als eine Zusammensetzung des ursprünglichen *za mit dem in
interrogativer Bedeutung genommenen jer. Gerade die letzteren Formen
hätten aber auf die richtige Fährte bringen sollen: zax ist wohl durch Kon-
traktion aus zaer, zajer entstanden (daher das lange a), letzteres aber ist
höchst wahrscheinlich nichts anderes als das türkische zahir , scheinbar, an-
scheinend'. M. Resetar.
Ueher die slavische Philologie an den Universitäten DeutscMands
äussert sich ein pseudonymer »Promachos« in dem Aufsatz »DieEntwickelung
der Geisteswissenschaften und die Zukunft der Universitäten«, der uns als
Sonderabdruck aus der Frankfurter Halbmonatsschrift »Das freie Wort« (aus
V. Jahrg. 1905, lieft? u. 8j zugeschickt wurde, in folgender Weise: »Die
klassischen Philologen sind noch immer oben auf, auch Romanisten und Ger-
manisten sind nicht schlecht daran, sie liefern ja das Lehrmaterial für die
höheren Schulen, kurz das Geschäft lohnt sich. Als nun die Slavistik als
dritte im Bunde sich zu den beiden Schwestern gesellen wollte, da war die
Behörde schon gewitzigt — wahrscheinlich durch die Erfahrung mit der
Orientalistik — , Preussen bewilligte zwei Professuren für das ostelbische
Deutschland (Berlin und Breslau), Sachsen eine (Leipzig, alle übrigen
17 Universitäten gingen leer aus, und so ereignete sich das Unge-
heuerliche, dass man Arabisch und Indisch, also asiatische Sprachen, auf
jeder Universität studiren kann, das uns immer näher auf den Leib rückende
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 39
610 Kleine Mittheilungen.
Slavisch dagegen nur auf jenen drei ! Aber eben weil man sich praktisch mit
Russisch und Polnisch abfinden muss, glaubt man ihm wissenschaftlich
nichts schuldig zu sein oder doch möglichst wenig. So kann man an dem
Vergleich der orientalischen und der slavischen Philologie studiren, wie leicht
der Idealismus in falsch verstandenen Utilitarismus umschlagen kann«.
Es freut uns, dass sich die Stimmen, die auf die auch in unserer Zeit-
schrift öfters hervorgehobene Lücke der deutschen Universitäten aufmerksam
machen, mit jedem Jahre mehren. Wir möchten nur bemerken, dass nicht
die ganze Schuld auf die Regierungen fällt. Es sei nur daran erinnert, dass
vor einiger Zeit in München die Regierung wirklich bereit war, eine Professur
für die slavische Philologie, mit besonderer Rücksicht der russischen Sprache
und Literatur, zu errichten, allein — der Landtag hat die dazu nöthigen Gel-
der nicht bewilligt. Red. d. Arch.f. slav. Phil.
Eine typographische Thorheit.
Unter diesem Titel wendet sich Prof. Brugmann in Leipzig in der Bei-
lage zur Allgemeinen Zeitung 1905, Nr. 156, S. 61 an alle Gelehrten Deutsch-
lands und des Auslandes mit der Bitte, dafür zu sorgen, dass bei den Sonder-
abzügen, den sogenannten Separata, ihrer Ablandlungeu aus verschiedenen
periodischen Schriften ja nicht die Seitenzahlen der ursprünglichen Mitthei-
lung (in der Zeitschrift oder einer beliebigen periodischen Schrift) geändert,
sondern beibehalten werden, so wie sie in der betreffenden Zeitschrift stehen,
weil es »die gute Sitte erheischt, dass man nicht nach den Seitenzahlen der
ja vielleicht nur in 20 oder 25 Exemplaren in der Welt existirenden Sonder-
abzüge, sondern nach den Seitenzahlen des Bandes selbst citirt«. Unsere
Zeitschrift befolgt allerdings von Anfang an diesen Grundsatz, wir können
uns aber mit Rücksicht auf die öfters die ursprünglichen Seitenzahlen ändern-
den SAbzüge, die uns aus verschiedenen slavischen Ländern zukommen, dem
berechtigten Wunsche nur anschliessen. Selbstverständlich sollten der Titel
der Zeitschrift oder periodischen Schrift, dann das Jahr und der Band (Jahr-
gang) bei dem Sonderabdruck nie übergangen, sondern möglichst augenfällig
gemacht werden. Mit Recht klagt Prof Brugmann: »Um die betreffenden
Seitenzahlen des Bandes, mitunter zugleich auch die Zahl des Bandes und
den Titel der Zeitschrift zu ermitteln, hat der Beschenkte hinterher gewöhn-
lich Laufereien und überhaupt Scherereien, wie sie ein höflicher Mensch
einem Mitmenschen nicht zumuthen sollte, zumal wenn er es so leicht hat,
dem Mitmenschen die Last zu ersparen«. Fort also mit diesem alten Zopf,
wollen auch wir mit Prof. Brugmann sagen. Hed. d. Arch.f. slav. Phil.
Zur Bekehrung Wladimir' s I.
Nach der sagenhaften Ueberlieferung der altrussischen Nestor-Chronik
(Kap. XL — XLIII) wird das für die Kulturanfänge Russlands epochemachende
Kleine Mittheilungen. (^\\
Ereigniss der Bekehrung und Taufe Wladimir's I. und seines Gefolges (seiner
Druzina) vom J. 98S auf drei verschiedene Beweggründe zurückgeführt:
1) auf den tiefen Eindruck, den ein von dem griechischen Philosophen
(i. e. Geistlichen) am Schlüsse seiner Paraphrase der biblischen Hcilsgeschichte
gezeigtes Gemälde über das Jüngste Gericht auf die Seele des Grossfürsten
machte;
2) auf seine unerwartet rasche Einnahme der von ihm belagerten Festung
Cherson (an der Westküste der Krim; ;
3) auf seine wunderbare Genesung und wiedererlangte Sehkraft nach
Empfang der Taufe sowie seine darauf erfolgte Vermählung mit der byzan-
tinischen Fürstin Anna. —
Ueber das zuerst angeführte Motiv sei uns gestattet, eine kurze Bemer-
kung beizufügen oder vielmehr nur eine Frage daran zu knüpfen. Von wel-
cher Beschafifenheit soll man sich jenes Gemälde (in der altrussischen Chronik
Zapöna genannt, 1. e. nach Miklosich's Lexicon Palaeo-Slovenico-Graeco-La-
tinum durch naQccniTuaur. erklärt, d. h. Vorhang oder Schleier) etwa vor-
stellen, welches von dem griechischen Geistlichen aus Konstantinopel nach
Kiev mitgebracht, dem Grossfürsten gezeigt wurde, und das Jüngste Gericht
darstellte? War es eine Federzeichnung oder ein Gemälde mit Farben auf
Leinwand entworfen, vielleicht einer der frühesten künstlerischen Versuche
der byzantinischen Malerei? —
Oxford, 21. Juni 1905. H. Krebs.
Der kluge Knabe.
Ein kroatisches Märchen aus dem Kreis »Die kluge Dirne«.
Während meiner Studienzeit in Wien (bis Oktober 1860) fesselte meine
Aufmerksamkeit das damals durch die Forschungen Benfey's in Schwung
gekommene vergleichende Studium der Märchen. Ich las u. a. mit Aufmerk-
samkeit auch seinen im »Ausland« Jahrgang 1859, Nr. 20 — 25 erschienenen
Artikel »Die kluge Dirne. Die indischen Märchen von den klugen Räthsel-
lüsern und ihre Verbreitung über Asien und Europa«. Während meiner im
nächsten Decennium ausgeübten Lehrthätigkeit pflegte ich jede Gelegenheit
zu ergreifen, um den reiferen Schülern der obersten Gymnasialklassen die
Bedeutung der Märchen für das wissenschaftliche Studium klar zu machen.
Auf den besagten Artikel Benfey's durfte um so eher hingewiesen werden,
als ja darin auch aus der Sammlung der serbischen Volkserzählungen Vuk's
Nr. 25 »^jeBOJKa uapa HaaMyjpiiJia« zur Sprache kam. Aus diesem Anlass
wurde ich von einem Schüler auf ein kroatisches Märchen aufmerksam ge-
macht, das in dem damals lithographirt unter der Gymnasialjugend ver-
breitet gewesenen »Liljan. List gimnazijalne mladezi V. razreda« mitgetheilt
wurde. Ich bekam ein Exemplar der betreffenden Nummer, das ich als eine
jetzt, glaub' ich, bibliographische Seltenheit beschreiben will. Nach dem an-
geführten Titel folgt die Angabe: Br. 2. Izlazi 1115. Tee. II. U Zagrebu 15
Studenoga 1867, An erster Stelle steht ein Gedicht: Berba. Spevao Hugo
39*
612 Kleine Mittheilungen.
Badalic, darauf: Nezahvalnik. Izvorno pise Jos.Plattnar (von diesem »Origi-
nal« sind hier Kap. 2 und 3 mitgetheilt und am Schluss heisst es »sledi dalje«),
und nun kommt der Text des Märchens, den ich unten mittheilen will. Auf
der letzten Seite findet man ein Eäthsel »Zagonetka od Mije Biscana« mit
der Angabe der Namen jener, die den Rebus der ersten Nummer gelöst
hatten, zum Schluss die Ankündigung der Redaktion betreffs der Prae-
numeration. Als Redakteur fungirte der verstorbene Hugo Badalic. Als ich
nun das in diesem belletristischen Schiilerorgan mitgetheilte Märchen las,
wollte ich es als treffende Parallele zu dem mir in der Erinnerung gebliebenen
Aufsatz Benfey's im »Ausland« zum Gegenstand einer wissenschaftlichen
Mittheilung machen, und da damals »Ausland« in Agram nicht zu finden
war, Hess ich mir den vollen Inhalt des Artikels von einem kroatischen Lehr-
amtskandidaten (jetzt Universitätsprofessor in Agram) abschreiben. Wie leider
BO oft in meinem Leben drängten die sich überstürzenden Aufgaben diesen
Plan zurück, er blieb unausgeführt, aber die Nummer des Schülerblättchens
sammt der Abschrift des Benfey'schen Artikels hat sich in meiner Bibliothek
bis auf den heutigen Tag erhalten. Ich weiss selbst nicht, warum ich im
Archiv V, S. 47, wo das Märchen »Das kluge Mädchen« analysirt und von
R. Köhler ?nit reichlichen Varianten versehen wurde, nicht auch diese Pa-
rallele zur Sprache brachte. Was damals nicht geschah, soll hier nachgeholt
werden. Ich beschränke mich auf die Wiedergabe des kroatischen Textes,
treu in der Form, wie sie der oben erwähnte »Liljan« gibt, bemerke nur, dass
der Text aus Slavonien herrühren dürfte. Alles übrige verdankt der Leser
Prof. Polivka, der die grosse Freundlichkeit hatte, wie einst R. Köhler, den
von mir gelieferten Text mit reichlichen Varianten und einer genauen Ana-
lyse des Inhaltes zu versehen.
Mudri decak.
Narodna pripovest, prioböio ja Iv. Gabric.
Nekoc bili sin i otac. Njih bi dvojica uvek isla na oranje. Jednoga
dana oru oni, al jim se najednoc oko 10 satih pokvari plug. Sada otac uzme
lemes i certalo, pa jih odnese na popravak, a sina ostavi kod volovah, neka
pazi, da neidu u kvar. Otac ode, a sin, kako je bio umoran od posla, legne
spavati. Do mala povrati se otac, pa kad vidi, gde mu sin spava, odpase
remen, pa udri po ujem, ko po volu. Sin se berze probudi, a otac ga zapita:
»A gde SU ti volovi?« Sin odgovori: »Nezuam ja nista za nje, jer sam spa-
vao, nego sam nesta lepa sanjao, al ti necu da kazem«. A otac opet njega
remenom udri, tuci, ue radi volovah, nego radi njegova sna, sto mu ga nece
da kaze. Slueilo se bas tako, da je kralj onnda sa svojom vojskom prolazio.
Oa odmah posalje jednoga vojnika, neka pita toga seljaka zasto tuce svoje
dete. »Tucem ga i zato, sto mije volove pustio u kvar, a i zato, sto je san
snio, pa mi ga taji«. Kralj dade toga coveka pitati, bi li mu hteo dati svoga
sina. Ou privoli. Kralj odvede njega u svoj dvor. U berzo mu omili, a kralj
ga je Ijubio kao rodjeno dete. Imao je takodjer i kcer, pa su se njih dvoje
pazili i Ijubiü, kao brat i sestra. Nu kad oni ponarastu, pocmu zli Ijudi o
Kleine Mittheilungen. 613
njih svasta zla kralju kazivati. Kralj, kad je cuo to, dade sazidati kulu pa
onda njega zazidju unutar. Njegova posestrima, a kraljeva kci moli svoga
otca, da joj ne da zazidati bratca, ali sve za badava. Kad je vidila, da ne-
moze namoliti otca, otidje k zidarom, pa jih zamoli, neka joj na kuli ostave
jedan prozorcid, kolik glava, »da se mozemo ja i brat razgovarati«. Zidari je
poslusaju.
Kad je kula gotova bila, isla bi ona uvek do kule, pa ponesi kradimice
bratu jela, razgovoraj se s njim, te placi radi njegove nesrece.
U to vreme posalje turski carovomu kralju jedan stap, i pise mu: »Ako
mi pogodis na kojem je kraju ovaj stap tezi, bit du ti prijatelj ; ako li ne, a
glava s tebe«. — Kralj kusa na svake ruke, ali za ludu. Ode kci do kule, pa
kaze bratu, tako i tako. Brat joj se smili, ne radi kralja, nego radi nje, pa
kaze: »Nista lagljega nego to. Kazi otcu, neka napuni posudu vodom, pa
neka turi stap u vodu, pa ce videti, na kojem je kraju tezi«. Ona ode opet
natrag, ali nije onaj dan nista govorila, nego zorom drugoga dana kaze otcu,
da Je sanjala, kako ce pronaci tezinu stapa. I ucine, kako je toboze sanjala.
Zatim zabiljeze tezi kraj, i posalju ga sultanu.
Za nekoliko nedeljah posalje mu sultan tri sasvim jednaka konja, pa
mu poruci, ako nepogodi, koji je najstariji, koji li srednji, a koji najmladji,
da uece dobro proci.
Kralj se zabrine. »Pervo je Jos kako tako«, kaze on, »ali gde cu ja
konje sasvim jednake razpoznavati, koji je stariji ili mladji. Toga ja nikako
znati nemogu«. Ali kci njegova opet ode do kule, pa izpripoveJi sve svomu
pobratimu. A on odgovori: »Nista lagljega nego to! üzmite kukuruza, zobi
i psenice, pa metnite pred konje. Najstariji ce jesti psenicu, srednji zob, a
najmladji kukuruz«. Ona ode, pa nekaze nikomu nista onaj dan, vec u jutro
rano kaze svomu otcu, da je tako i tako sanjala. Otac, kralj zbilja tako
uradi kako mu je kci kazala, a zatim zabiljeziv konje, posalje jih k sultanu.
Za kratko vreme eto ti opet sultanova glasnika, gde nosi poruku :
»Sve si pogodio, ali ako mi ovoga nepogodis, sto ti sada porucujem, razpast
ce ti se kraljestvo, jer du te pogubiti. Ti moras, kad ja budem kad stola
sedio i casu vina pio, probiti prozor i iztepsti mi casu iz rukuh jednom pali-
com«. To kralja natera u strah. »Sta cemo«, kaze kralj, »kderi, uciniti. Sad
propadosmo, jer toga nemozemo uciniti«. Kci ode opet do kule pa zapita za
savet svoga brata.
On odgovori: »Kazi otcu, da ti se je prisnilo, da toga nemoze nitko
uciniti, nego ja«. Ona tako i uradi. Kralj dade od mah razoriti kulu. Zatim
dovedu pred kralja njegova posinka. Kralj mu odmah progovori: »Oprosti
sinko, sto sam te toliko mucio i gladom i zedjom«. Na to sin: »Mili otce, ja
ti sve prastam, samo mi budi otac, kao i prije, ajacu ti biti sin, poslusan
kao i prije«. Sada mu kralj pripovedi sve. A on mu odgovori: »Daj mi na-
put nekoliko vojnikah, jednu zurmu, i palicu«. Kad su dosli do careva
dvora, razbije on zurmom prozor, a stapom mu iztepe casu iz rukuh. Sultan
odpise: »To nije moguce, da si se ti sam tomu dovijao. Ti moras imati
tumaca«.
Sultan zaderzi svoje goste nekoliko danah u svom dvoru.
614 Kleine Mittheilungen.
Ovaj si pako kraljev sin izabere trojicu izmedju svojih pratilacah, pa
Jim dade svim jednako odelo kao i sebi napraviti. Sultan jih po njegovoj
zelji sm^sti u jednoj sobi; nu probije jedan pecnjak, pa zapovedi kuharici
pod zivu glavu, da slusa, sto ce se oni razgovarati. Oni se unutri vesele,
piju, jedu i razgovaraju se. Tada zapita jedan kraljeva sina: »Zasto i kako
je ovaj kruh tako tecan, ja Jos nisam ovakova nikada jeo«. »To je zato, od-
govori kraljevic, jer sultan ima kerstjanku kuharicu, koja kad kruh mesi,
uvek ima nekakvih bilinah, sto jih unutar metje«.
Sultan je zapovedio svojoj sluzkinji, neka onomu, komu budu pervomu
cizme izuvali, proreze s traga kaput. Kad su ovi isli spavat, svuku najprije
kraljevieu cizme. Sluzkinja je dobro videla kroz pecnjak, kamo je on svoje
odelo obesio, pa dodje po noci, te mu proreze kaput.
Kad se oni u jutro probude opazi kraljevic, da mu je kaput prorezan.
On odmah ostaloj trojici takodjer proreze na istom raestu.
Malo kasnije zovne jih sultan k sebi, pa zapita: »Tko je ono sinoc razla-
gao, zasto je kruh tako tecan?« A oni odgovore po kraljevidevu naputku :
»Mi neznamo nista od toga«. «Eh, kad vi nezoate, znam ja«, kaze kralj.
Onaj je razlagao, kojemu je kaput na ledjih prorezan. Svi se okrenu, al kad
tamo, svi kaputi na istom mestu prorezani. Sada kralj spozna njihovu ve-
stinu, nadari jih i odpusti.
Po sto kupio, po to i prodo. Ako onaj laze koji mi je to pripovedao, i
ja mu pomazem. — y j^^-^
Dieses kroatische Märchen aus Slavonien hat eine Reihe von Parallelen,
und zwar 1) eine kroatische aus der Umgebung von Warasdin: Valjavec Nar.
pripovjedke S. 131 ff., Nr. 8; 2) zwei magj-arische : a) Jones & Kropf Magyar
Folk Tales S. 233 f., Nr. 45 = Erdelyi IV, 269, welches Benfey in dem oben
citirten Aufsatze, nun Kleine Schriften II, 202 f. analysirte, b} Jones & Kropf
S. 117, Nr. 21 = Ungar. M. u. S. Aus der Erdelyischen Sammlung übersetzt
von G. Stier S. 14, Nr. 2, M. Klimo Contes et legendes de Hongrie S. 187 f.
mit einigen geringen Abweichungen ; 3; zwei kleinrussische, a) B. THaxioK
ETHorpa*. MaTcpuH-iu 3 yropctKoi P^'cu II (EiHorpa*. SöipniiK IV;, S. 125 f., Nr. 24 ;
b) 0. Po3AO.ii.ci.KHH rajiHiiBKi Hap. KasKu (EiHorp. 36ipn. VII', N. 68 = SCiixe i
Cjiobo II, S. 195, Nr. 5; 4) zwei polnische: a) Malinowski Powiesci ludu pol-
skiego na Slasku I, 59 f. ; b) Z. Wierzchowski Basni i powiesci z puszczy san-
domierskiej (Zbior wiadom. do antropol. kraj. XVI, Abth. 2) S. 67, Nr. 11;
5) vier wenig von einander sich unterscheidende grossrussische : drei Mär-
chen AeaHactCB-B Hap. pyccKia cKa3KH3 Nr. 133, II, 110 ff., XysaKOBt Be.iHKo-
pyccKifl CKasKu III, S. 159 ff, Nr. 120, ^yaiiHCKiü PyccKiH ck. Nr. 14 und ein
episches Lied bei Pmöhukobt. III, S. 305 ff., Nr. 57 ; alle vier analysirt in dem
Werke Iv. Zdanov's PyccKiü öbMeBoft anocx S. 18 ff.; 6) zwei rumänische:
a) aus dem Banate Schott Walachische M. S. 125, Nr. 9, b) aus der Moldau :
Arsenie Noua colectiune de basme II, S. 31 f., Nr. 7. Vgl. Säinenu Basmele
romäne S. 967 ; ich kenne bloss den Auszug bei Gaster Literatura populara
romänä S.328 ff.; 7) eine lettische: Dowojna Sylwestrowicz Podania zmujdz-
kie I, S. 450 ff.; 8) eine armenische: Chalatianz Märchen und Sagen S. 51 f.,
Kleine Mittheilungen. 615
Nr. 5; 9) eine mingrelische: C6opHUKi> MaTepinjion% njin. oniicaniH MicTHocTeü
H nJieMCHi KaBKasa XXIV, Abth. 2, S. 29 f., Nr. 10; 10) eine hürkanische: A.
Schiefner Ausführlicher Bericht über Baron P. v. Uslar'a Hürkanische Studien
(Mein, de l'Acad.d. Sciences de St.Petersbourg VII^s., t.XVII, Nr. 8) S.99flF.;
11) zwei indische, citirt vom Em. Cosquin in der Abhandlung Le Livre de
Tobie et l'Histoire du Sage Ahikar. Revue biblique VIII, Nr.l, S. 65 ff. Sehr
entfernt ist die von einigen Gelehrten noch herangezogene Erzählung aus
Süd-Sibirien bei Radioff Die türkischen Stämme I, S. 197 ff.
Die Einleitung des Märchens findet sich auch in anderen Versionen ;
gleicher Weise schlief auch in der pol. a) der Hirt ein und seine Herde lief ins
Getreide ; meistens fragt der Vater seine Kinder nach ihren Träumen, so bei
Valjavec seine Tochter undj seinen Sohn; in magyar. b), kleinruss. a), gross-
russ. seine zwei oder drei Söhne; in der walach., mingrel., hürkan. ist nur
von einem Sohne die Rede, der seinem Vater nicht den Traum erzählen will,
in der lettischen verweigert dies der Hirt dem Oberhirten, in der armen,
seiner Mutter, ebenso in der zweiten indischen, während er es in der ersten
indischen dem Kaiser abschlug, zu dessen Füssen er schlief. Auch in der
zweiten magyar. verweigerte es der Knabe seiner Mutter, doch ist da eine
andere Einleitung vorangeschickt, übereinstimmend mit einem neuen einge-
schobenen Motive: zur linken Seite des Knaben wuchs zugleich mit ihm eine
Schwertscheide und im Garten ein Schwert, das am Tage seiner Geburt dort
erschien. Die zwei kleinruss. und zwei poln. Versionen weichen ab: es floss
nämlich in ihnen dieser Stoff mit dem Stoff vom reichen Marko zusammen. Der
Brief, mit dem der arme Knabe zur Kaiserin (Königin) geschickt wird, wurde
am Wege umgeschrieben von einer übernatürlichen Person (dem Herrn Jesus),
der Knabe daher in der zweiten kleinruss. Version mit der Tochter des Kaisers
vermählt; in der zweiten poln. Version wurde er mit den königlichen Prin-
zessinnen in die Schule geschickt, und die Prinzessin, die zugleich mit ihm
getauft wurde, verliebt sich in ihn. Als der Kaiser (König), nach Hause zu-
rückgekehrt, dies erführ, Hess er den Knaben einmauern.
Des geprügelten Knaben nimmt sich der König an und bringt ihn in
seinen Palast; bei Valjavec ein Graf; im magyar. 1. und 2., im kleinruss. 1.,
poln. 1., rumän. der König (Kaiser); in der grossruss. bei Athanasjev wird der
an einer Säule an der Heerstrasse angebundene, in einer anderen Version an
den Galgen aufgehängte, Knabe von einem des Weges ziehenden jungen
Prinzen befreit; bei Chudjakov wird der Knabe zuerst von einem Bauern,
dann von einem Edelmann, endlich von der kaiserlichen Familie übernom-
men; bei Cudinskij ist der Knabe von seinem Vater auf drei Jahre in den
Keller eingesperrt, als er auch dann noch sich weigert, seinen Traum zu er-
zählen, nimmt ihn der Edelmann zu sich, und von diesem tritt der Knabe in
die Dienste des Kaisers; bei Rybnikov wird der halsstarrige Knabe als Die-
ner zu einem grossen Bojar gegeben und dient dann als Soldat drei Jahre bei
dem Zar Fjodor Vasiljic. In zwei anderen Varianten, Athanasjev II, S. 114
undAnm., wurde er ins Wasser geworfen und von einem Fische verschlungen,
später dann befreite er sich selbst. In der lettischen kauft ein Geistlicher
den Hirten vom Galgen los, zu dem er von dem Oberhirten war verurtheilt
616 Kleine Mittheilungen.
worden; der will ihn dann erschiessen lassen, da er auch ihm sich weigert,
den Traum zu sagen, und hiervon kaufte ihn der König los. In der armen.
Version kommt der Knabe zuerst zu einem Wanderer, dann zum Emir. In
der mingrel. wurde der Knabe von Eäubern, die ihren Lebensunterhalt im
Kinderraube fanden, gestohlen und einem Türken verkauft, und von diesem,
da er auch ihm den Traum nicht erzählen wollte, dem Sultan verkauft. In
der hürkan. musste der Armenier seinen Sohn dem Schah schicken, nachdem
er dessen Verbot, kein Lieht in der Nacht anzuzünden, übertreten hatte.
In der kroat.-slavon. Aversion Hess der König den Knaben einmauern, ein-
sperren, als die Leute verschiedenes zu reden begannen von dessen Verhältniss
zur Tochter des Königs. In den meisten Versionen viel besser erzürnt darüber,
dass er auch ihm verweigerte den Traum zu erzählen, so bei Valjavec, ma-
gyar. 2., kleinruss. 1., grossruss., rumän., lett, armen., mingrel., hürkan., ind.;
in der 1. poln. lief der Hirte schreiend »ich bin als König gekommen« bis in
die Stadt, in die Burg, wurde gefangen genommen und vom König einge-
mauert, wohl wegen seines Rufes; in der i. raagyar. schlägt der Knabe es
barsch der Prinzessin ab, obzwar sie ihm dafür ihre Liebe anbot, ja prügelt
sie noch; erzürnt darüber verurtheilt ihn der König zum Galgen; von dem
kauft ihn der ungarische König los, aber auch dessen Tochter schlägt er ins
Antlitz, als sie ihm sein Geheimniss entlocken will, und so schliesst der König
ihn ein in einen für ihn rasch erbauten viereckigen Thurm, in welchem gerade
Raum genug war für einen Stuhl und einen kleinen Tisch, wo gerade ein Ge-
betbuch Platz finden konnte.
Auf die Bitte der Prinzessin lassen die Maurer eine kleine Oeflfnung
(Fenster u. a.), wodurch sie dem Gefangenen Nahrung reichte, so fast in allen
Versionen ausser den grossrussischen bis auf eine Variante, s. Athanasjev II,
111, Anm.2. Nur das Gefängniss wird verschieden geschildert, manchmal
befindet es sich unter der Erde, was vielleicht ursprünglicher ist, so wird der
Jüngling in der 1. kleinruss. in einen extra gebauten Brunnen eingemauert,
ähnlich in der mingrelischen; in der hürkanischen und indischen wurde er in
den Kerker geworfen, ebenso theilweise in der grossruss., oder in einen eigens
gebauten steinernen Thurm. In der walach. wurde er in die Ruinen der
weissen Burg eingeschlossen, dorthin schlich die Prinzessin, von der Finster-
niss der Nacht geschützt, und brachte ihm Nahrung. Abweichend machte er
sich in der 2. kleinruss. selbst eine Oeffnung (JIboxt, lane BiiuiHue). Dieses
treibende Motiv von der Liebe der Prinzessin wurde in der armen, verlegt,
in der mingrel. vergessen. In der armen, zerschnitt der in der Bodenkammer
eingeschlossene Jüngling die Diele, machte sich ein Loch in das Gemach der
Prinzessin, ass geheim das für sie vorbereitete Gericht auf und verschwand,
bis er nach vier Tagen von derselben ergriffen wurde. Sie verliebten sich,
sodass sie schwanger wurde. Aehnlich in der hürkanischen. In der mingrel.
kroch der Jüngling aus seiner tiefen Grube, schlich in das Gemach der
Tochter des Sultans, ass ihre Speisen auf und verschwand; bald jedoch
wurde er von ihr gefangen und nun in den Kerker eingeschlossen. In den
grossruss. Versionen ist dieses Motiv ganz vergessen worden.
Nach dieser Einleitung folgen die Räthselaufgaben. Ein anderer, feind-
Kleine Mittheilungen. 617
lieber Herrscher schickt dem König, der den Jüngling einmauern Hess, Räth-
sel mit der Drohung, ihn mit seinem Heere zu überfallen, zu unterwerfen,
falls er sie nicht löst. Dieses wichtigste, zentrale Motiv des ganzen Märchens
haben die groasrussischen Versionen vergessen. Bloss in der von Chndjakov
aufgezeichneten liat sich eine kurze Ileminiscenz davon erhalten. Da legt
der Zar seinen Ministern ein Räthsel vor, und als die es nicht lösen konnten,
Hess er den Jüngling aus dem Kerker, sperrte ihn aber sogleich wieder ein,
als er es gelöst hatte.
In der kroat.-slavon. Version ist es der türkische Kaiser, ebenso in der
l.magyar.; in der 2. magyar. ist es der mächtige Herrscher der hundeköpögen
Tartaren, in der 1. kleinruss. unbestimmt der Kaiser der Heiden, in der
armen, wirbt der König des Abendlandes um dessen Tochter für seinen Sohn,
in der mingrel. schlössen der König von England und der türk. Sultan einen
Vertrag, dass derjenige, der nicht die auferlegten Aufgaben zu Stande bringt,
den Kopf verliert; in der 2. kleinruss. ist es ein Zauberer.
Die I.Aufgabe ist zu errathen, an welchem Ende der geschickte Stock
schwerer ist, wie im kroat.-slavon., ähnlich bei Valjavec; respective welches
Ende näher dem Stammende des Baumes war, im 2. magyar. (an zweiter
Stelle), ähnlich im 2. kleinruss., 1. poln., 2. poln. (welches Ende jünger, wel-
ches älter ist, an zweiter Stelle), 1. und 2. (hier an zweiter Stelle) rumän.,
armen., oder welcher von den geschickten drei Stöcken am nächsten der
Wurzel, welcher in der Mitte, welcher näher dem Gipfel wuchs im l.magyar ,
1. kleinruss., ebenso noch in der ind. — Nach dem Rathe des eingemauerten
Jünglings soll der Stock gewöhnlich ins Wasser geworfen werden, im
1. magyar. sinkt am tiefsten zu Grunde der Stock, welcher der Wurzel am
nächsten (der schwerste) ist; welcher weder untersinkt noch auf der Ober-
fläche schwimmt, ist aus der Mitte, und welcher auf der Oberfläche bleibt, ist
vom Gipfel (der leichteste).
In einigen Versionen soll der Stab in der Mitte an einen Faden ange-
bunden werden, der schwerere Theil wird hinabhängen, so in der 2. magyar.
In der 1. poln. soll der Stock in die Höhe (gen Himmel) geworfen werden, er
wird mit dem schwereren Ende hinunterfallen, ähnlich im rumän. l.und 2. In
der lett. Version ist die Aufgabe ausgefallen, ebenso in der grossruss. Das
hürkanische Märchen hat hier eine andere Räthselaufgabe : der Sultan schickt
dem Schah drei Kisten, sagend, dass sich im Innern derselben ein altes Weib,
ein junges und ein Mädchen befinden; er soll bestimmen, was in jeder Kiste
ist. Der Jüngling entscheidet diese Frage nach dem Gewichte der Kisten.
Die zweite Aufgabe ist zu errathen, welches von den drei geschickten
Pferden das älteste, welches das mittlere und welches das jüngste sei im
kroat.-slavon., 2. poln., oder wie alt jedes sei bei Valjavec, im 1. und 2. klein-
russ., 1. poln., bei Chudjakov; von 7 weissen Pferden im 2. magyar. (an erster
Stelle); oder welches von den drei Füllen in der Frühe, welches Nachmittags,
welches am Abend geboren wurde im l.magyar.; einfacher im 1. rumän.,
welches von den drei in Farbe, Gestalt und Stärke ganz gleichen Pferden das
Füllen sei; im armen., welches die Stute, welches das einjährige und welches
das zweijährige sei. Aehnlich in der hürkanischen und in den indischen Ver-
61g Kleine Mittheilungen.
sionen. Im 2.rumän. sind es statt der Pferde Kälber (die Aufgabe selbst wird
zuerst gestellt).
Diese Aufgabe wird verschieden gelöst: in der kroat.-slavon. wird das
älteste Pferd Weizen, das mittlere Hafer, das jüngste Kukurutz fressen; in
der 1. kleinruss. frisst das älteste Hafer, das zweijährige Weizen, das jüngste
Spreu; in der 2. rumän. das älteste (grösste) Kalb Weizen, das mittlere Gerste,
das jüngste (kleine) Hirse. In anderen wird viel natürlicher das Füllen dar-
nach erkannt, dass es zur Schüssel Milch läuft, so im 2. poln., wo das älteste
Pferd Heu, das mittlere Hafer wählt, im 1. rumän. die zwei älteren Heu vor-
ziehen. Künstlicher ist die Lösung bei Valjavec: den Pferden wird Hafer
von drei Jahrgängen vorgesetzt, das einjährige frisst den einjährigen Hafer
u. s. f., ähnlich in der 1. poln. und in der 2. magyar., wo den sieben Pferden
siebenerlei Hafer aus sieben Jahrgängen vorgesetzt wird. Noch künstlicher
ist die Lösung in der 2. kleinruss.: da wird das Alter der Pferde nach der
Zeit bestimmt, in welcher sie zur Fütterung kommen, das erste Pferd ist fünf
Jahre alt, das zweite zwei Jahre, das dritte vierthalb Jahre; gleichfalls in
dem armen.: zu dem ins Wasser getauchten, mit Salz bestreuten Bündel Heu
kommt zuerst die Stute, dann das zweijährige und schliesslich das einjährige
Füllen. — In dem 1. magyar., welches überhaupt märchenhaft ausgeschmückt
ist, sagt der Jüngling, nachdem er bereits nach dem Traumgesicht der Prin-
zessin aus dem Thurme befreit war, dass in drei ganz gleichen Trögen, und
zwar in einem Hafer, in dem anderen glühende Kohlen, in dem dritten trockene
Kohle vorgesetzt werden sollen ; das am Morgen geborene Fohlen geht zu dem
Hafer, das andere zu den glühenden Kohlen, und das am Abend geborene zu
den trockenen Kohlen. Bei Chudjakov bestimmt der Jüngling das Alter der
drei Pferde je nachdem, wie viel Schläge an die Stirn mit seiner sieben Pud
schweren Keule eines erträgt, das einjährige sank zur Erde nach einem
Schlage, das zweijährige nach zwei Schlägen, das dreijährige nach drei
Schlägen. Das hürkan. Märchen hat die Lösung dieser Frage verschwiegen.
In dem lett. soll errathen werden, welche Farbe die Fohlen der drei zu-
geschickten trächtigen Stuten haben werden. Der Hirt sagte der Prinzessin,
dass die weisse Stute ein schwarzes Fohlen, die schwarze ein braunes, und
die braune ein weisses haben werde, ohne irgend welche Anhaltspunkte.
Der König befreite ihn nun und gewann ihn lieb wie seinen eigenen Sohn.
Hieran wird ein anderer Stoff angeknüpft von der Schindmähre — silbernen
und goldenen Wunderstute und der Blume (statt der goldenen Feder), vgl.
Köhler Kleine Schriften I, 467,542. Cosquin II, 294,296,300 f. Tille Literarni
Studie 37. Tille Povidky na Valassku 67 (= Närodopisny Sbornik VIII, 111) ;
Närodopisny Sbornik VI, 220 zu Fr.Hindes Groome Gypsy Folk Tales Nr. 27,
28. CöopHnKT. MHH. öxjir. XVIII, Abth. 1, S. 606 zu ülanKapest CöopHHK-B
VIII, Nr. 5.
Die dritte Aufgabe ist in der kroat.-slavon. Version: dem Sultan, wie
er eben zu Tisch sitzt und ein Glas Wein trinkt, mit einer Keule das Glas
aus der Hand zu schlagen. Bei Valjavec kommt eine drei Zentner schwere
Keule herangeflogen, schlägt dem Grafen den Löffel aus der Hand, und bohrt
sich bis in den Keller so tief ein, dass 200 Soldaten sie nicht rühren
Kleine Mittheilungen. 619
konnten. Diese Keule soll dem König zuriickgeschleudert werden. In der
2. magyar. soll der Pfeil zurückgeschossen werden, der tief in die Mauer des
königlichen Palastes eindrang und dessen Grundlagen wie ein Erdbeben er-
schütterte. In der l.kloinruss. war es eine drei Frachtwagen schwere Kugel;
in der 1. poln. bohrte sich eiue eiserne Keule tief in die Schanzen ein, dass
sie niemand heraus bekommen konnte; mit einer Kanone wurde sie zurück-
geschleudert und schlug dem König beim Mittagsmahl den Becher aus der
Hand. In der 2. kleinruss. soll das Glas des Zauberers mit einer Kanonen-
kugel getroffen werden, eben wenn er am Ostersonntag aus der Kirche zu-
rückgekehrt Thee zu trinken anfängt. Aehnlich, aber viel einfacher in der
2. rumän., vom Wegschlagen des Bechers ist keine Rede, dafür aber, dass
er den fremden Kaiser selbst verwundete. Die zweite polnische Version
schliesst nach der zweiten Aufgabe: der König erfährt, wie der eingemauerte
Jüngling weise gerathen hat, befreit ihn und gibt ihm seine Tochter zur Frau
mit dem halben Königreich als Angebinde. Gänzlich wurde sie auch vom
grossrussischen Erzähler vergessen, wie überhaupt im weiteren Verlauf der
Stoff von ihm gänzlich umgearbeitet wurde. In dem walach. am ausführlich-
sten: es soll dem rothen Kaiser vom weissen Kaiser zu wissen gegeben wer-
den, um welche Stunde er am Ostersonntag aus dem Bette steigt, um welche
Stunde er in die Kirche geht, wann er bei seiner Tafel den ersten Becher zum
Munde führen werde. Wenn der weisse Kaiser das alles weiss, mag er selbst
am Ostersonntag in der Burg des rothen Kaisers erscheinen, oder einen Ge-
sandten schicken, um ihm den Pokal, aus dem er trinken will, aus der Hand
zu schlagen. In der armen, schickt der König des Abendlandes einen stähler-
nen Spiess und ein stählernes Schild; das Schild soll mit dem Spiesse durch-
bohrt werden; trifft er es, so gibt er dessen Sohn seine Tochter zur Frau,
wenn nicht, so muss er die Tochter seinem Sohne schicken. Nun wurde der
Jüngling aus seinem Gefängniss befreit, und vollführt diese Aufgabe. Der
Emir nimmt nun ihn als Sohn an und schickt ihn zu dem König des Abend-
landes, um dessen Tochter zu freien. Hieran wird der Stoff von den sechs
wunderbaren Gefährten angeknüpft, die alle die übernatürlichen Aufgaben
lösen, und alle Anschläge des Vaters der Schönen zu nichte machen, und ihm
zur Schönen verhelfen. So kehrte der Held mit der Tochter des Königs des
Abendlandes heim, und als er nach Hause kam, hat ihm auch die erste Ge-
liebte einen Sohn geboren, und so heirathete er auch sie.
Diese Aufgabe kann nur der Jüngling selbst lösen, und so liess der
König den Thurm niederreissen und befreite den Jüngling. In der kroat.-
slavon. Version gab der König dem Jüngling einige Soldaten, ein Fernrohr
und eine Keule; als der zum Palaste des Sultans kam, schlug er mit dem
Fernrohr das Fenster durch und schlug ihm das Glas mit dem Stock aus der
Hand. — Bei Valjavec ist weiter ausgeführt, wie der Jüngling aus der Ver-
mauerung befreit nach und nach zu Kräften kam, und ganz kurz erzählt, wie
er mit der drei Zentner schweren Keule dem König den Löffel aus dem
Munde schlug. Einfach M-ird es erzählt gleichfalls im 2. magyar., im 1. und
2. kleinruss., im 1. poln.
Ausführlicher ist hier die 1. rumän. Version: Petru, aus den Ruinen der
620 Kleine Mittheilungen.
weissen Burg befreit, verlangt, es soll in der Nähe des Schlosses, in welchem
der rothe Kaiser wohnt, eine hohe Warte aufgebaut werden, und für ihn ein
gutes Fernrohr gemacht werden. Am Ostersonntag stand Petru auf der
Warte, beobachtete mit dem Fernrohr, wenn der rothe Kaiser aufstand, Hess
dies von den anwesenden kaiserlichen Käthen anmerken, Hess ihm auch
sagen, dass er eine Schar ausgewählter Krieger unter der Führung eines ver-
trauten Hauptmannes vorbereite, die ihn zum Schloss begleiten und in dessen
Nähe sich in ein Versteck legen sollten. Weiter beobachtete er durch das
Fernrohr, wann der rothe Kaiser in die Kirche ging, Hess es anmerken und
schickte zugleich um das flüchtigste Pferd. Als sie nach dem Gottesdienste
sich zur Tafel setzten, bestieg Petru das Pferd, flog zum Palast, trat in das
Gemach in demselben Augenblick ein, als der Kaiser den Befehl ertheilte,
den Festpokal mit Wein zu füllen. Als er ihn dann zum Munde führte, riss
Petru einem der Bewaffneten die Lanze aus der Hand und stiess dem rothen
Kaiser den Pokal vom Munde. Hier weicht also die rumäu. Version ab, indem
da nicht der Held dem feindlichen Herrscher den Becher mit einem Geschosse
aus der Ferne aus der Hand, vom Munde weg schiesst. Nur die kroat.-slavon.
Version stimmt da überein. Das Motiv mit dem Fernrohr ist natürlich ver-
dorben, denn es war gewiss zu anderen Zwecken bestimmt, als das Fenster
durchzuschlagen. Es ist also ein näherer Zusammenhang dieser beiden Er-
zählungen anzunehmen.
Das indische Märchen hat statt dieser dritten Aufgabe eine andere: der
König von Balkh hat einen Allen, der weiser ist als alles in der Welt; wenn
der Kaiser von Koum niemanden findet, der ihn überwinden könnte, wird er
sein Diener. Der Jüngling wird nun hingeschickt, der Affe erklärt sich für
überwunden, der König ist von ihm so bezaubert, dass er ihm seine Tochter
zur Frau i^iht. — Im hürkan. ist die dritte Aufgabe ausgefallen.
In dem mingrelischen Märchen sind alle drei Aufgaben andere und auch
der weitere Verlauf der Erzählung bis zum Schlussmotiv anders. Der Sultan
hat zu entscheiden: 1) welche von den zwei vom englischen König geschick-
ten Tauben dem König und welche dem Bauer gehöre ; der Jüngling Gultaazri
sagt, die Taube, welche vor dem Rauche umfällt, gehört dem König; 2) wel-
cher von den zwei sich ganz gleichen Knaben des Königs Sohn und welcher
des Bauern Sohn ist; der sich im Schlafe ganz ausstreckt, ist der Königs-
sohn, und der die Füsse zusammenbiegt, der ßauernsohn; 3) der Sultan soll
dem König einen solchen Stier schicken, der weder schwarz noch roth, noch
weiss, noch anders gefärbt sei. Gultaazri stellt dagegen eine andere Auf-
gabe: der König soll ihnen jemanden schicken, aber weder Früh, noch
Abends, noch Mittage, noch Mitteruachts, weder bei Licht, noch bei Finster-
niss. Diese Aufgabe konnte der König nicht lösen, wollte aber nicht den
Kopf verlieren und erklärte daher dem Sultan den Krieg. Während der
Schlacht erschienen plötzlich in der Luft zwei kämpfende Menschenköpfe.
Die Feinde stellten sogleich den Kampf ein, als sie die wunderbare Erschei-
nung erblickten. Der englische König versprach seine Tochter demjenigen
zur Frau, welcher diese Erscheinung erklärt. Es meldete sich Gultaazri und
erzählte die Geschichte zweier Brüder, die sich verfeindeten, die Köpfe sich
I
Kleine Mittheilungen. 621
abschlugen, und daher von Gott verurtheilt wurden, in der Welt herurazu-
irren; nun erschienen sie und kämpfen, um den beiden feindlichen Herrschern
zu zeigen, dass Gott auch mit ihnen gleich verfahren wird wie mit den zwei
Brüdern. So versöhnten sie sich, und Gultaazri bekam nicht bloss die Toch-
ter des Königs von England, sondern auch die Tochter des Sultans, der stolz
war, in seinem Heere einen solchen Weisen zu haben.
Bei der Lösung der dritten Aufgabe erscheint also im 1. rumän. und
kroat.-slavon. Märchen der weise Jüngling zugleich im Palaste des feindlichen
Herrschers. Aehnlich im hürkan. : nachdem auch die zweite Frage glücklich
beantwortet worden war, sandte der Sultan ein Schreiben an den Schah, er
solle ihm den Menschen schicken, der seine Fragen beantwortet hatte. Als
der Jüngling kam, sagte ihm der Sultan: Aus dem grossen Stein nähe mir
ein Kleid. Der Jüngling ging hinaus, grub und brachte Sand herbei und gab
ihn dem Sultan: Mache du Zwirn, sagend. Der Sultan sagte: kann man
denn solchen Zwirn machen? Solche Kleidung kann man nur mit solchem
Zwirn nähen, sagte der Jüngling. Der Sultan wollte ihn früher tödten, aber
nun verzieh er ihm, gab ihm seine Tochter zur Frau und entliess ihn. — Diese
Aufgabe »aus dem grossen Stein ein Kleid zu nähen« und »aus Sand Zwirn
zu machen« erinnert lebhaft an die zuletzt Haikar auferlegte Aufgabe, die
sich dann vielfach in einer Eeihe von Erzählungen verschiedenst variirt
wiederholt, vgl. Bece.iOBCKiü CüaB. CKasaiilK o CojroMOiii ii Kuionpaci 34S f.
Lidzbarski Geschichten . . aus neu-aram. Hss. 33, Meissner in der Zs. deutsch,
morg. Ges. XL VIII, 175, 195. Chauvin Bibliographie des ouvrages arabes
VI, 40. Wenn im hürkan. Märchen der Jüngling » aus dem grossen Stein ein
Kleid nähen soll«, so ist wohl die Haikar auferlegte Aufgabe »einen zer-
brochenen Mühlstein zusammenzunähen« verderbt. In anderen Versionen
schickt der feindliche Herrscher erst nach der glücklichen Lösung der dritten
Aufgabe nach dem weisen Jüngling, um ihn kennen zu lernen, denn er weiss,
dass der König nicht aus eigenem Kopfe diese Aufgaben gelöst hatte. So
bei Valjavec, im 2.magyar., l.kleinruss., 1. poln., im 2. rumän., im 1. magyar.
erfährt es der Sultan von seiner Tante-Hexe; im 2. kleinruss. geht der Zau-
berer selbst zum Kaiser nachfragen, wer ihm gerathen habe, und nimmt den
Jüngling mit. Hier knüpft wieder das lettische Märchen an: Der König ruft
vor sein Gericht den Helden, der aus seinem Königreiche die Blume, die
Schöne, und das Kästchen mit dem Kleide gestohlen hatte.
Der Jüngling wählt sich auf diesem Wege eine Anzahl von ganz ähn-
lichen Jünglingen, lässt sie ganz gleich anziehen und bewaffnen, und legt
ihnen auf, sich ganz gleich zu benehmen, beim Anrufen alle in einem Augen-
blick sich zu melden u. s. w., sodass der wahre Held nicht herausgefunden
werden kann. Als der König nicht erkennen konnte, nimmt er Hilfe zu
einer dritten Person, lässt sie geheim in der Nacht beobachten und hierbei
den wahren Helden geheim bezeichnen. Gewöhnlich durch eine verwandte
Frauensperson, oder eine Hexe — dies führte in der 1. magyar. Version zu
einer weiteren Ausstaffierung), bei Valjavec durch seinen Diener.
In der kroat.-slavon. Version sprachen die Kameraden zuerst, wieso das
Brod des Sultans so süss sei, und. der Held erklärt dies, weil die Köchin —
622 Kleine Mittheilungen.
eine Christin — in den Teig gewisse Kräuter mische. Eine verderbte Erklä-
rung anstatt der gewöhnlichen, dass weibliche Milch in dem Brode sei, wie
im 2. magyar. und 1. poln. Dann sprachen sie, wieso der Wein so süss wäre:
vom menschlichen Blut erklärt der Held im 2. magyar. und 1. poln. In dem
von Klimo übersetzten ungar. Märchen folgt noch 3, dass das Bett so ausge-
zeichnet war, weil es ein vom Teufel besessenes Weib machte; im 2. magyar.,
dass der Tartaren-Herrscher ein Bastard sei.
Die versteckte Person macht an dem weisen Jüngling gewisse Zeichen,
verschiedene in den verschiedenen Versionen: in der kroat.-slavon. am Rock,
bei Valjavec an der Ferse des Stiefels, in der 1. magyar. am Hemdkragen, in
der 2. magyar. schnitt die Mutter des tartarischen Herrschers ihm eine Haar-
locke ab, die zweite Nacht ein Ende des Schnurrbartes, die dritte Nacht
kratzte sie ein Zeichen am Visire des Helmes aus; bei Klimo wurde nur das
erste Zeichen gemacht; in der 1. kleinruss. nahm ihm die Mutter des Heiden
das Hütchen weg; in der 2. kleinruss. riss ihm die Tochter des Zauberers
einen Knopf ab, in der zweiten Nacht schnitt sie ihm ein Stück der Unter-
hosen ab; in der 1. poln. schnitt ihm das Weib Haar hinter einem Ohr ab,
beim Mittagsmahle gab er sich selbst zu erkennen, indem ihm nach der Ver-
abredung die Kameraden den goldenen Becher Hessen. — Wie diese Episode
im 2. rumän. Märchen erzählt wird, konnten wir nicht erfahren.
Zum Schlüsse kommt es gewöhnlich zu einem Kampf, da der Herrscher
den weisen Jüngling verderben will. Nur die kroat.-slavon. Version schliesst
ganz friedlich: der Sultan bekennt, dass der Jüngling ihn überwunden hat
und entlässt ihn mit Geschenken.
Da es also zum Kampfe kommt, bereitet sich der weise Jüngling hiezu
schon vorhinein vor. Die von Valjavec aufgezeichnete Version ist hier mär-
chenhaft ausgeschmückt; der Jüngling, Milutin genannt, belehrt seine Ka-
meraden, wie sie sich zu verhalten haben. Der König hatte sie bereits nach
Haus geschickt, aber da erkannte er den Helden nach dem Pferde, und jagte
ihm nach. Dem Befehle gemäss knieten die Kameraden nieder, und die bei-
den kämpften, bis die Erde unter ihnen bebte. Der König Hess dann Flam-
men aus den Zähnen und spie lauter Feuer gegen Milutin, aber auch der spie
Feuer; endlich überwand Milutin den König und hieb ihm den Kopf ab. —
In der 1. magyar. Erzählung wurde der Held mit seinen Kameraden
nach Hause gelassen, als er nicht erkannt werden konnte. Nach einiger Zeit
musste der König den Jüngling allein dem Sultan schicken. Als er die
Schwelle übertrat, griffen ihn fünfzehn bewaffnete Türken an. Da kam das
wunderbare Schwert zur Geltung, es sprang aus der Scheide und zerhackte
die Türken zu Brei. Umsonst versuchte die Hexe in der Nacht das Schwert
zu stehlen, ja das Schwert hieb noch ihre eiserne Nase weg. Den nächsten
Morgen arbeitete das Schwert gegen eine enorme Armee, die der Sultan gegen
den Jüngling aufstellte. Ihm zu Hilfe eilte eine Armee des ungar. Königs mit
der ungar. Königstochter. Doch war sie kaum eine Meile marschirt, als der
Jüngling bereits auf dem Heimwege war. So kehrte er mit der Armee um,
und wurde zum Vicekönig proklamirt.
Viel kürzer ist die zweite magyar. Version : der König sprang dem Jung-
Kleine Mittheilungen. 623
ling mit dem Schwerte entgegen, glitt aber unglücklicher Weise aus, so
dass er leicht überwunden werden konnte und den Kopf verlor. Bei Klimo
forderte der Tartarenherrselior den Jüngling auf zum Kampfe, und in dem
geeigneten Augenblick durchbolirte ihm der Jüngling das Herz. Ebenso
schlug der Held in der l.kleinruss. Version dem Heiden listig alle seine zwölf
Köpfe ab.
Mit dieser Schlussscene verbanden sich Reminiscenzen aus der Salo-
monssage. In der 1. poln. nahm der Jüngling ausser den ihm ganz gleichen
Kameraden noch einige Bewaffnete mit. Unweit von des Königs Burg war
ein Galgen, zu dessen rechter Seite stellte er weiss angezogene Leute, zur
linken schwarz angezogene an. Als ihn der König erkannte, wollte er ihn
hängen lassen; setzte sich mit ihm zu seiner rechten Hand in einen Wagen,
und als sie in die Nähe des Galgens kamen, sprangen die Leute hervor. Der
Jüngling sagte, jene schwarzen warten auf den König, die weissen auf ihn
selbst. So kehrte der König um.
In der lettischen Version nahm der Held ausser fünfzehn ganz gleichen
Jünglingen noch drei Regimenter mit, eines auf weissen, das zweite auf
schwarzen, das dritte auf rothbraunen Pferden: die sollen sich bereit halten,
bis er ihnen das Signal «'Schlacht« gibt. Wenn er zum Galgen verurtheilt
sein wird, bittet er sich aus, drei Wörter zu sprechen: «weisse-Tod, schwarze-
Heer, rothe-Schlacht ! « Das Heer erschlägt dann den König. — Gleicherweise
stürzte auch in der 1. rumän. Erzählung das Heer aus dem Verstecke hervor,
als der Jüngling zum Galgen geführt wurde; ein Pfeil traf den rothen Kaiser,
Petru zerhaut ihm noch den Kopf, führt das Heer gegen die Stadt, erobert
sie, und begrüsst dort bald den weissen Kaiser im Palast des rothen Kaisers ;
wird aber selbst zum Herrscher über das rothe Reich eingesetzt. Im 2. rumän.
Märchen bat Zefirin — so hiess der Jüngling — seinen Kaiser »den Grünen
Kaiser« um Hilfe, da ihn der Rothe Kaiser an den Pfahl aufspiessen wollte,
und zwar so, dass die ihm helfenden Soldaten in drei verschieden gekleideten
Theilen geschickt werden; der eine ist roth, der zweite schwarz, der dritte
weiss gekleidet. Zuerst kommen die roth gekleideten Soldaten soeben, als
Zefirin zum Pfahl geführt wird. Das hier wichtigste Motiv vom Verstecke
wurde vergessen. Die 2. kleinruss. Version schliesst geradezu mit der be-
kannten Schlussscene der Salomonssage.
Statt allem dem wird in den grossrussisehen Versionen ein fremder Stoff
angeknüpft: der Kaiser zieht auf Brautschau aus, seine zurückgebliebene
Schwester ruft den eingekerkerten Jüngling zu Hilfe, als sie schon längere
Zeit keine Nachricht von ihrem Bruder hat, oder der Jüngling bietet sich
selbst an, als er die Prinzessin aus dem Fenster seines Kerkers erblickt,
ersteres bei Chudjakov, letzteres in den anderen Versionen. Bei Rybnikov
verlangt der Jüngling vorhinein von der Prinzessin, dass sie sein Weib werde.
Gleichfalls wie in unserem Märchen der Held eine Schaar ganz gleicher Ka-
meraden zu dem fremden Herrscher mitnimmt, thut es auch der Held der
grossrussischen Versionen. Bei Athanasjev sucht sich Ivan des Kaufmanns
Sohn, bei Chudjakov Mikita zwölf ganz gleiche Genossen, bei Cudinskij
Grisa zweihundert. Bloss bei Rybnikov ist dies vergessen. Der Held bestieg
624 Kleine Mittheilungen.
nun mit. seinen Kameraden das Schiif und erreichte glücklich das Land, in
welchem der Kaiser um die Braut warb. So bei Chudjakov, ähnlich auch im
Liede. Grösstentheils stattete er sich am Wege noch mit den Wunschdingen
aus, die er den um sie streitenden Brüdern, (/esellen abnahm, bei Athanasjev
die Tarrenkappe, den selbstfliegenden Teppich, die Siebenmeilenstiefeln
drei alten Männern, bei Cudinskij bei ersteren zwei Teufeln, bei Rybnikov
ausser diesen zwei Dingen noch das Tischlein-deck-dich vierzig Räubern.
Bei Chudjakov fehlt diese ganz unnütze Amplification. Der Jüngling hilft nun
verschiedene schwierige Aufgaben lösen. Bei Chudjakov erkennt der Kaiser
seine Braut unter zwölf Schwestern erst nach der Weisung Mikita's. Mit
seiner Hilfe kann er die eine Hälfte des Mantels, den einen Schuh der Braut
vorlegen, die vollständig zu den von ihrem Vater gebrachten passen. Bei
Athanasjev den Schuh, einen Enterich, goldene und silberne Haare des Gross-
vaters der Braut, gleichfalls bei Cudinskij. In diesen zwei Versionen muss
der Jüngling mit Hilfe seiner Wuuschdinge ausforschen, was eigentlich die
Braut wünscht, da die Sachen nicht genannt werden. Bei Chudjakov stellt
diese Aufgaben der Vater der Braut, ebenso im Liede bei Eybnikov: Saffian-
schuhe, einen Pelz aus schwarzen Zobeln, und drei vergoldete Haare mit
Perlen.
Der weitere Verlauf der Erzählung ist verschieden. Bei Cudinskij
kommt es nach der glücklichen Lösung dieser Aufgaben gleich zum Hoch-
zeitsschmaus, ebenso im Liede Rybnikov's. Bei Chudjakov geht der Kaiser
nach Mikita's Rath nicht zum Festschmaus nach der Trauung, sondern so-
gleich auf das Schiff. Durch drei Nächte, wird da weiter erzählt, würgte die
Braut ihren Bräutigam, und erst die auf den Ruf »Mikita! Mikital« zueilen-
den zwölf Kameraden retteten ihren Herrn und bezähmten die Frau, nachdem
sie drei eiserne, drei kupferne und drei stählerne Stäbe an ihr zerschlagen
hatten. Bei Athanasjev hat sich hier noch eine Reminiscenz aus unserem
Märchen erhalten. Die Braut » Jelena die wunderschöne« erfährt aus ihrem
Zauberbuch, dass nicht der Prinz, sondern sein Diener, Ivan der Kaufmanns-
sohn, so klug ist, und verlangt nun den Prinzen, dass er ihr den Diener
schicke. Er schickt alle zwölf Ivan'en. Jelena nun sucht den wahren Ivan
unter ihnen herauszufinden. Nachdem alle ihre Versuche fehlschlugen, geht
sie selbst in das Zimmer, wo die zwölf Ivanen schlafen, erkennt mit Hilfe
ihres Zauberbuches, also anders als in unserem Märchen, den wahren Ivan,
und um ihn am Tage zu erkennen, schnitt sie ihm die Haare an der Schläfe
ab. Doch als Ivan aufwachte und das Zeichen entdeckte, scheerten sich alle
anderen die Haare an derselben Stelle ab, und so konnte sie wieder nicht den
wahren Ivan entdecken. Zornig warf sie nun das Zauberbuch ins Feuer. Nun
musste sie den Prinzen heirathen.
Bei Cudinskij wurde Grisa mit einem Briefe an die Schwester des Prin-
zen vorausgeschickt, worin in seine Heirath mit ihr eingewilligt wurde. Auch
bei Athanasjev flogen die zwölf Kameraden auf ihrem selbstfliegenden Tep-
pich voraus, Ivan kehrt aber trotz der Bitten der Prinzessin in seinen Kerker
zurück. Ebenso Mikita, der zugleich mit seinem Herrn zurückkehrte. In bei-
den befreite ihn nun der Kaiser (Prinz) aus dem Gefängniss. Bei Chudjakov
Kleine Mittheilungen. 625
vermählte er ihn noch mit seiner Schwester und beschenkte ihn mit der
Hälfte des Reiches.
Mit diesem grossrussischen Märchen, besonders mit der Chudjakov'schen
Version, ist enger verwandt noch ein weissrussisches Märchen aus dem
Gouv. Mogilev bei Romanov Belorusskij Sbornik VI, S. 440 f. : hier erzählt
Mikita, der dritte Sohn, seinen Traum, dass der Vater das Wasser, in wel-
chem er seine Füsse gewaschen, getrunken habe. Der Vater hält ihn für einen
Dummkopf, verfolgt ihn daher nicht. Dann kommt Mikita zu Kauf leuten, die
lassen den König wissen, Mikita hätte geprahlt, er könne ihm die wun-
derschöne Königstochter Maria Pavlovna verschaffen. Der weitere Verlauf
der Geschichte ist verschieden. Aehnlich ist nur, dass er mit elf anderen
gleichen Mikita's fortzieht; später nimmt er nur noch vier gleiche Mikita's
mit, doch meldet er sich bald als der wahre Mikita.
Das Märchen wird nun mit der Enthilllung des Traumes geschlossen,
nachdem er nun in Erfüllung gegangen war. So zog in der 1. magyar. der
Held in seine Heimat mit einigen tausend Soldaten zur Mutter, und erzählte
ihr, er habe geträumt, dass er König von Ungarn wird, und der Traum sei
nun zur Wahrheit geworden. Auch in der 2. magyar. sagte er, sein Traum
habe sich erfüllt; früher hätte er ihn nicht enthüllen können, denn er wäre
dann nicht in Erfüllung gegangen. Aehnlich schliesst die 1. kleinruss. Ver-
sion. Der Held des grossruss. Märchens bei Chudjakov hat den Traum, wel-
cher ein integrirender Bestandtheil eines anderen Märchenstoffes ist: der
Vater nämlich trinkt das Wasser, in welchem sich der Sohn die Füsse ge-
waschen hat. Vgl. Hb. SCAanoB-L PyccKiH öwjieBofi anoci. S. 152 ff. In einer von
Athanasjev in der Anmerkung angeführten Variante (II, S. 114) verstand der
Knabe so die Prophezeiung eines Vogels, womit sich dieses Märchen näher
an einen grossen alten Märchenstoflf angliedert, den er eben in seinem Werke
untersuchte. In dem Märchen Athanasjev's sagt Ivan zum Schlüsse dem
Prinzen, dass er im Traume voraussah, was mit ihm geschehen wird, und
deshalb wollte er den Traum nicht verrathen (!).
Etwas weichen die armen., mingrel., hürkan. und indische Version ab.
In der armen, träumte der Held, er hätte zu der einen Seite eine Sonne,
zur anderen eine Sonne gehabt, und auf der Brust spielte ihm ein heller Stern:
seine zwei Frauen und ein Sohn. — In dem mingrel. Märchen laclite Gultaazri
voll des Farailienglückes hell auf, als er im Palaste des Sultans auf einem
Teppich sich ausstreckend sein Kind auf den Händen hielt, die eine Frau
zum Kopfe, die andere zu Füssen hatte, und erzählte dann seinen Traum: er
lag am Teppich, zu Köpfen die Sonne, zu Füssen den Mond, und vom Himmel
fiel ein Stern, fing ihm in seine Hand und freute sich über ihn. So hat sich
nun der Traum erfüllt. So ziemlich gleich erzählt auch die hürkan. Version.
Mit der gleichen Scene schliesst auch die indische Version, nur lautete der
Traum etwas anders: die Tochter des Königs von Balkh rieb ihm die Füsse,
und die Tochter des Kaisers von Roum hielt dabei eine goldene Schüssel mit
Wasser; benahmen sich also fast so wie die Eltern des Helden in dem alten
Märchen vom verschwiegenen Traum, vom Vaticinium, von der Prophezeiung
der Vögel.
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 40
626 Kleine Mittheilungen.
Von Benfey wurde bereits gezeigt, dass einige in unserem Märchen
gelöste Räthselaufgaben in einigen orientalischen Erzählungen vorkommen,
in alten indischen Erzählungen, im Qukasaptati und von da in buddhistischen
Uebersetzungen nach Tibet und zu den Mongolen drangen. Mehr oder we-
niger gleich sind zwei Räthsel: Ij welche von den zwei Stuten die Mutter,
welche die Tochter ist, und 2) welches von den Enden des Stabes die Wurzel
und welches die Spitze ist. Das letztere wird durchwegs gleich gelöst: der
Stab wird ins Wasser geworfen, das schwerere Wurzelende sinkt unter, wie
in der Mehrzahl der westeuropäischen Versionen und in der armen, unseres
Märchens. Das erste Räthsel wird verschieden gelöst: in Qukasaptati wer-
den die Stuten frei laufen gelassen, das Füllen läuft zu der Zitze der Mutter,
die Mutter leckt das Füllen (Benfey op. c. 165), im Kandjur werden beiden
gleiche Theile Nahrung vorgesetzt, das Füllen verzehrt seinen Theil und
greift sogar den der Mutter an (ib. 171), im Dsanglun wird die Stute das beste
im Gras mit der Schnauze ihrer Tochter zuschieben [ib. 173). In den west-
europäischen Versionen wie auch in der armen, dieses Märchens ist dieses
Räthsel stark variirt und dessen Lösung ziemlich erkünstelt, ja unwahr-
scheinlich, unnatürlich, bei weitem nicht so einfach und natürlich wie in den
asiatischen Erzählungen.
Ausser diesen zwei Räthseln haben die Versionen unseres Märchens fast
gar nichts gemein mit den alten asiatischen, indischen und den mit diesen
enge zusammenhängenden Erzählungen. Diese zwei Räthsel, besonders das
zweite, stimmen freilich so stark überein, dass ein engerer, genereller Zu-
sammenhang gewiss anzunehmen ist. Das wichtigste Motiv neben den Räthsel-
aufgaben ist in der Einführung des Märchens, der verheimlichte Traum. Und
dieses Motiv, dieses die Handlung treibende Motiv ist den erwähnten asiati-
schen Erzählungen fremd. In diesen werden die Räthsel von einem fremden
(feindlichen) König gestellt, um die Gewissheit zu bekommen, ob der weise
erste Minister des andern Königs wirklich todt sei wie in der Qukasaptati,
oder ob der andere König einen weisen und scharfsinnigen Minister besitze.
Benfey glaubte wohl mit Recht annehmen zu dürfen, dass derartige königliche
Räthselaufgaben in Indien noch in grösserer Anzahl existirten (op. c. 177),
aber der Gedanke, »die Macht der Könige durch Räthselaufgaben zu prüfen,
aus der Auflösung oder Nichtauflösung der Aufgabe auf die zu ihrer Ver-
fügung stehende Weisheit zu schliessen und davon den Beginn von Feind-
seligkeiten abhängig zu machen«, kann kaum als so »sonderbar« betrachtet
werden, dass man gezwungen wäre vorauszusetzen, dass er nur einmal an
einem gewissen Ort entstanden sein musste (vgl. op. c. 179 f.). Entscheidend
bei der Frage nach der Verwandtschaft von Erzählungen dieses Inhaltes ist
nur die mehr oder weniger innige Verwandtschaft der Räthselaufgaben selbst.
Unser Märchen gehört aber überhaupt nicht zum Stoffe vom »weisen Mi-
nister«, dessen selbständige frühe Existenz in Indien neben dem Stoffe vom
»weisen Mädchen« (»der klugen Dirne«) Benfey wohl mit Recht voraussetzte
(op. c. 176 f.).
Benfey bereits hat noch eine andere Erzählung vom »weisen Minister«
herangezogen, die arabisch-syrische vom weisen Heykar, Haikar, Ahihar, Akir
Kleine Mittheilungen. 627
(op. c. ISl f.), und eine Reihe von Gelehrten, zuletzt besonders Em. Cosquin,
hat diese Sage eingehender untersucht und deren ursprüngliche Heimat fest-
zusetzen versucht (Revue biblique VIII, 1899, S. 50 flf.). Unser Märchen
scheint mit dieser gar nicht zusammenzuhängen, es kennt nicht einmal die
Räthselaufgaben dieser Sage. Wenn die kroat.-slavon. und rumän. Version
des Märchens den Jüngling die dritte Aufgabe im Palaste des feindlichen
Herrschers lösen lassen, wird ebenfalls nicht ein Einfluss dieser Sage anzu-
nehmen sein. Ahikar (Chikar) verleugnet anfänglich vor Pharao seinen Na-
men, legt sich einen anderen Namen bei — Abikäm (Zs. deutsch, morgenländ.
Ges. 48, 174, Lidzbarski Geschichten aus neu-aramäischen Hss. 26, Chauvin
Bibliographie des ouvrages arabes VI, 39), aber bald, von Pharao gedrängt,
bekennt er seinen wahren Namen, und so ist Pharao gar nicht gezwungen,
auf listige Weise den weisen Mann entlarven zu suchen. Also auch da hängt
nicht das Märchen zusammen.
Wenn im Märchen der weise Jüngling mit seinen Kameraden auf ihrem
Nachtlager scharfsinnig erklärt, warum das Brod so süss, der Wein so süss,
das Bett so ausgezeichnet sei, der Herrscher ein Bastard sei, so ist hier Ein-
fluss eines weit verbreiteten Stoffes mit Gewissheit anzunehmen. Vgl. die
Anmerkungen von Johannss Bolte zu der Neuausgabe Der Reise der Söhne
Giaffers aus dem Italienischen des Christoforo Armeno, übersetzt durch
Johann Wetzel 1583 (Bibliothek des literar. Vereins in Stuttgart (CG VIII)
S. 201 f., Friedrich von der Leyen Das Märchen in den Göttersagen der Edda
S. 71 ff. — Freilich kommt diese Episode nur in einigen wenigen Versionen
vor und wird wahrscheinlich später in das Märchen eingeflochten worden sein.
Näher hängt unser Märchen mit einem andern alten Märchenstoffe vom
Vaticinium zusammen, über welchen R. Köhler einige Bemerkungen nieder-
schrieb, jetzt Kleinere Schriften I, 145 f., und welchen besonders Zdanov in
seinem genannten Buche untersuchte. Freilich legt er hier gewöhnlich die
Vogelsprache aus als Prophezeiung, dass die Eltern ihm das Wasser bringen
werden, mit dem er sich die Hände waschen wird, sein Vater das Wasser
trinken wird, in dem er seine Füsse gewaschen u. a. Doch manchmal träumt
so und ähnlich der Knabe, wohl unter dem Einfluss unseres Märchens ist
diese Umänderung eingetreten. So träumte der jüngste Prinz im bosnischen
Märchen: Bosanske nar. pripovjedke I. Skupio . . . Zbor redovn. omladine bo-
sanske S. 26 ff., Nr. 6. Mijatovics Serbian fulklore S. 248 f., Nr. 23. Bosanska
Vila XV, S. 127 f., nur folgt hier eigentlich eine andere Geschichte. Vgl.
Archiv f. slav. Phil. V, 20 f. R. Köhler Kleine Schriften I, 432 f. Cöophhkt,
MHH. 6x.ir. XVIII, Abth. 2, S. 633 zu Sapkarev Nr. 240 ; gleichfalls im griechi-
schen: Geldart Folk-Lore of Modern Greece S. 154f Mitsotakis Griech.VM.
S.71 ff., und hier verheimlicht der Prinz diesen seinen Traum, soll daher vom
Diener seines königlichen Vaters getödtet werden, ähnlich im kroatischen aus
der Umgebung von Warasdin Valjavec 54 f., Nr. 17. Verwandt ist noch ein
griechisches Märchen aus Epirus bei Hahn Griech. u.alban. M. I, 258 f., Nr.45,
und ein slovenisches in Kres V, 1885, S. 506 f., Nr. 63.
Dieser Traum, resp. dessen Verheimlichung ist noch Einleitung anderer
Märchen, so eines kleinrussischen bei Sadok Bar^cz Bajki, Fraszki etc. 2,
40*
628 Kleine Mittheilungen.
S. 209 f.: den vom Vater vertriebenen Knaben findet ein Minister auf der
Jagd, bringt ihn zum Kaiser; der Knabe erwirbt die Gunst seines Pflegevaters
und die Liebe der kaiserlichen Prinzessin. Ein anderes Märchen wird mit
diesem Traum eingeleitet bei M.Federowski Lud biatoruski I, S. 2 14 f., Nr. 343,
ein anderes bei Leskien und Brugmann Litauische Volkslieder und Märchen
S. 457 f., Nr. 27, wo eigentlich der Vater träumte, der Mond hätte sich vor
den Sternen verneigt, welchen Traum der Sohn dann deutete, dass sich der-
einst der Vater vor ihm verneigen wird. Mit diesen Formen ist auch ein
estnisches Märchen eingeleitet bei Oskar Kallas Achtzig Märchen derLjutziner
Esten S. 124 f., Nr. 13, der Junge wird auf andere Weise wieder Schwieger-
sohn des Königs.
EiniViel grösserer Theil unseres Märchens ausser dem einführenden
Traummotiv hat sich in einer serbischen Erzählung erhalten, nur ist da eigen-
thümlicher Weise dieselbe näher der armenischen, mingrelischen und hürka-
nischen Version, als den aus westlicheren Ländern bisher bekannten. Dieses
serbische Märchen »vom kaiserlichen Eidam und dem geflügelten alten Weibe«
(ByK Cie*. KapauHh CpncKe iiap. npiinoB.2, 1870, S. 267 f., Nr. 19; /IpacaBHO uaa.
1897, S. 273 f., Nr. 69, deutsch bei Krauss S. u. M. der Südslaven II, S. 290 f.,
Nr. 129, im Auszuge Archiv II, 638 f. mit den Anm. R. Köhler's, nun Klein.
Schrift. I, 430) erzählt von einem Jüngling, der gleichfalls seinen Eltern ver-
weigerte den Traum und daher weggejagt wurde. Den auf der Strasse wei-
nenden Jüngling traf der kaiserliche Tartar (Courier), drang ebenfalls ohne
Erfolg in ihn, den Traum zu sagen, und erzählte davon dem Kaiser. Der lässt
ihn durch einen anderen Diener bringen und sperrt den Starrkopf in ein
Zimmer ein, neben welchem ein grösseres Zimmer war, wo des Kaisers Toch-
ter im » Käfig 1)« war. Abends hörte er Gabeln und Löffel klirren, bricht die
Wand durch, und erblickt dort die Prinzessin mit ihren Dienerinnen schlafen,
und einen Tisch voll Speisen. Er kroch nun durch die Wand zum Tisch, und
als er sich satt gegessen, verwechselte er die Kerzen, kroch zurück und ver-
mauerte das Loch so, dass nichts zu merken war. Als die Prinzessin be-
merkte, dass jemand in ihrem Gemache war, schlug sie Lärm und liess es
ihren Vater wissen. Um sich zu überzeugen, wer zu ihr eindringt, und den
auch im Schlafe zu sehen, beschmierte sie ihre Augen mit einem Grase, wel-
ches im Schlafe Sehenskraft verleiht. Und so fing sie wirklich den Jüngling,
wie er wieder in ihr Zimmer eindrang, entbrannte aber sogleich in Liebe zu
ihm, liess fortab noch einmal soviel Speise und Trank senden, vorgeblich für
ihre hungrigen Dienerinnen. So konnte sich nun der Jüngling ungestört des
schönen Mädchens freuen, bis ein kaiserlicher Erlass die Prinzessin als voll-
jährig und heirathsfähig erklärte. Da liess die Prinzessin wissen, sie nehme
nur den Helden zum Manne, der seinen Wurfstab über die Zinnen ihrer Burg
hinüberwirft. Als das niemand treffen konnte, liess der Kaiser auf die Bitte
seiner Tochter jenen Jüngling holen, den er vor drei Jahren eingesperrt, auf
1; In den serbischen Volksliedern und Märchen werden die Mädchen in
mit Gittern verschlossenen Zimmern gehalten, dass sie niemand sieht. Vgl-
Rjecnik hrvat. ili srpskoga jezika IV, s. v. kafez, kavez.
Kleine Mittheilungen. (329
welchen er ganz vergessen hatte, und von dem er glaubte, er wäre schon
längst verwest. Der Jüngling trifft das zur grossten Verwunderung aller,
ähnlich wie der Held einiger Versionen unseres Märchens die Keule in das
Gemach des fremden Königs schleudert und damit ihm das Glas vom Munde
wegreisst, die Keule, die sich so tief in den Grund einbohrte, dass sie nie-
mand herausbekommen konnte u. ä. Was weiter in dem serbischen Märchen
erzählt wird, gehört in einen anderen Märchenstoff; es sind das weitere
Wettkämpfe mit den anderen Freiern, welche die Gefährten mit den wunder-
baren Eigenschaften zu Gunsten des Erwählten der Prinzessin entscheiden.
Unser Märchen ist in einem verhältnissmässig engen Raum verbreitet,
hauptsächlich in Kroatien, Ungarn, Moldau und Galizien. Ausserdem fanden
wir es noch in den kaukasischen und diesen nahen Ländern: doch die da
aufgezeichneten Versionen weichen stark von jenen ab, so dass ein engerer,
direkter Zusammenhang beider Gruppen kaum anzunehmen ist. Dagegen
sind sie gewiss nahe verwandt mit den indischen Versionen. Am ähnlichsten
ist ihnen theilweise das eben erwähnte serbische Märchen, soweit es diesen
Stoff erhalten hat.
Es wurde schon hie und da auf einen engeren Zusammenhang der am
Balkan und in den kaukasischen Ländern aufgezeichneten Versionen hinge-
wiesen. Er mag wohl jüngeren Datums sein und auf die aus den kaukasi-
schen Ländern in die Balkanländer auswandernden Volkselemente zurück-
zuführen sein.
Vielfach verfloss unser Märchen vom Traum mit anderen Märchen-
stoffen, besonders mit den mannigfaltigen Erzählungen von der Gewinnung
der schönen Prinzessin durch Lösung übermenschlicher Aufgaben mit der
Hilfe von Gefährten, die mit übermenschlichen, übernatürlichen Kräften aus-
gestattet sind. Von unserem Märchen hat sich in diesen Versionen ein
grösserer oder kleinerer Theil erhalten. In der armenischen Version knüpft
der fremde Stoff an, nachdem bereits die Räthselaufgaben gelöst waren. In
den grossrussischen Versionen fügt sicli viel früher, bereits nach der Ein-
kerkerung des starrköpfigen Knaben, ein theilweise anderer Stoff an, wie er
bei Athanasjev Nr. 1 16 erzählt wird, was Athanasjev im Commcntar zu Nr. 133
bereits bemerkte (vgl. A. H. Bece^ioucKift oaMiiKu no .iiiTeparypi u napo;iHoft
/:ji0BecH0CTH I, 67). In dem lettischen Märchen aus dem Gouv. Kovno wurde
an den alten Stoff bald nach der Lösung einer einzigen Räthselaufgabe ein
anderer Stoff angeknüpft, wie schon oben bemerkt und angegeben wurde.
Mit der geographischen Bestimmung der Verbreitung des hier unter-
suchten Märchens, resp. seiner beiden scharf sich unterscheidenden Gruppen,
wollen wir uns begnügen, ohne uns um eine Lösung der weiteren Frage nach
dem Ursprünge und den Wegen seiner Verbreitung zu versuchen.
G. PoUvka.
630 Kleine Mittheilungen.
Nekrologe.
Binnen Jahresfrist hat die slavische Philologie und Geschichtsforschung
grosse Verluste erlitten. Namhafte aufdem von unserer Zeitschrift gepflegten
Wissensgebiete thätig gewesene Forscher sind durch den Tod abgegangen,
der auch unser Organ, das mit allen slavischen Sprachforschem, Literatur-
historikern und Ethnographen in Fühlung zu bleiben bestrebt ist, schmerz-
lich berührt. Einige Worte dankbarer Erinnerung mögen daher am Platze
sein.
Alexander Nikolajeyic Pypin.
Diesem bedeutenden Vertreter der russischen Aufklärungsbestrebungen
in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts widmete ich in der Neuen
Freien Presse vom 12. Dez. 1904 (Nr. 14477) einen kurzen Nachruf, worin ich
unter Anderem sagte : Der Tod Pypin's (er starb am 9. Dec. 1904 in StPeters-
burg) ist ein grosser Verlust für Russland. Ich wüsste keinen Zweiten zu
nennen, der gleich Pypin das gesammte geistige Leben Russlands in grossen
Zügen zusammenzufassen, es kritisch zu beleuchten und in den entsprechen-
den Zusammenhang vnit den Bedürfnissen des Kulturfortschrittes zu bringen
verstünde. Pypin war ein Encyklopädiker im edelsten Sinne des Wortes.
Etwas weitläuög in der Darstellung, doch frei von falschem Pathos und wort-
reicher Oberflächlichkeit. Nach seineu eigenen Angaben wusste ich schon
1903, dass er die letzten zwei Jahre vor seinem Tode neben der grossen, ihm
von der Academie anvertrauten Aufgabe, die Werke der Kaiserin Katharina II.
herauszugeben, noch mit der Abfassung der Erinnerungen aus seinem Leben,
seinem lebhaften Verkehr mit den führenden Geistern Russlands seit den
vierziger Jahren, beschäftigt war. Leider nur weniges davon war ihm be-
schieden niederzuschreiben. Einen Theil seiner Erinnerungen verarbeitete
er in dem letzten von ihm herausgegebenen Werke über N. A. Nekrasov (1904;.
Der Rest erschien nach seinem Tode in BicxiiHKt EuponLi, im Februar- und
Märzheft 1905 (herausgegeben von seiner talentvollen Tochter Vjera Ljad-
skaja). Man findet in diesem Bruchstück sehr hübsche Mittheilungen aus den
Jugendjahren und der Studentenzeit Pypin's. Doch über die wichtigsten Ab-
schnitte seines späteren Lebens fehlen persönliche Aufzeichnungen. Zur all-
gemeinen Charakteristik Pypin's kann man sagen, dass der Realismus Gogoljs
und der Kriticismus Bielinski's zwei Grundpfeiler abgeben, auf denen die
Ausbildung seiner geistigen Individualität beruht. Sie bilden, neben seiner
philologischen Vorbereitung, bei welcher ihm theils Slavistik im Sinne Srez-
nevski's, theils die vergleichende Literaturgeschichte vorschwebte, die Grund-
stimmung seiner Leistungen. In allen seinen literaturgeschichtlichen und
kritischen Studien legte er das Hauptgewicht auf die den Erscheinungen zu
Grunde liegenden Ideen, auf ihren Zusammenhang mit dem Leben. Nur dort
fühlte sich sein wissenschaftlicher Eifer befriedigt, wo die ans Licht gezoge-
nen Thatsachen die Förderung der kulturellen Bedürfnisse, die Befreiung des
russischen Geistes von den Fesseln der Unwissenheit bezeugten. Seine tiefen
Blicke in das geistige Leben Russlands durch viele Jahrhunderte führten ihn
zur begeisterten Verehrung des Europäismus, dessen mächtigen Einfluss auf
Kleine Mittheilungen. 631
Russland er sehnlichst herbeiwünschte. Er theilte nicht die Angst kleinlicher
Geister, die von den europäischen Einflüssen den Verlust un russischer Origi-
nalität befürchteten. Wie Turgenjev, so war es Pypin nie davor bange, dasa
Russland durch die Aufnahme europäischer Kulturinstitutionen seinen natio-
nalen Typus einbüssen künnte. Arinuth und Unwissenheit, Stumpfsinn und
Aberglauben sollten doch keine Nationaltugenden der Russen sein, selbst wenn
man sie mit dem Deckmantel der angeblich nationalen Urwüchsigkeit umhängt.
Pypin blieb trotz seiner liberalen Gesinnung ein echter Russe vom
Scheitel bis zur Sohle. Seine Vorliebe für das russische Nationalwesen (z.B.
auf dem Gebiete der Musik, der bildenden Kunst) artete nie in die bornirte
Geringschätzung des Fremden aus. Darum war er auch Feind jener kultur-
politischen Richtung der Slavophilen, die allen slavischen Völkern die Vor-
mundschhft Russlands auf den Hals werfen wollte, um sie in dem russischen
Meere aufgehen zu lassen. Dagegen hielt er das Studium der Beziehungen
Russlands zu dem übrigen Slaventhum für wichtig genug, um diesem Thema
volle Beachtung zu schenken. Dadurch unterschied er sich grundsätzlich von
den russischen liberalen Doktrinären, die von den »Brüdern Slaven« nichts
wissen wollten. Merkwürdiger Weise wurde diese Seite der Bedeutung
Pypin's bei den Süd- und Westslaven ganz verkannt. Uebrigens nicht die
Slavistik war die Hauptaufgabe Pypin's. Es wäre einseitig und verfehlt, seine
wissenschaftliche Grösse an seiner slavischen Literaturgeschichte zu messen,
mag auch dieses Werk gerade im Auslande eine gewisse Popularität erlangt
haben. In Russland erschien es in zwei Auflagen, für die dritte wurden Vor-
bereitungen getroflfen. Das Hauptgewicht der Forschungen Pypin's liegt in
dem russischen literarischen Altertum, in seiner kritischen Analyse der alt-
russischen Erzählungen (18.57), in seiner grossen vierbändigen russischen
Literaturgeschichte (in zweiter Auflage 1902 — 3 erschienen), in seiner Ge-
schichte der russischen Ethnographie (vier Bände 1890—92), in seiner Cha-
rakteristik der socialen Evolution unter Alexander dem Ersten (in drei Auf-
lagen erschienen) und unter Nikolaus dem Ersten (zwei Mal herausgegeben).
Hervorragende Repräsentanten der neueren russischen Literatur zogen ihn
an zur monographischen Behandlung: Bielinskij, Lermontov, Gogolj, Salty-
kov, Nekrasov. In seiner Jugend sorgte er auch dafür, dass der Gesellschaft
die Waffe des Wissens in die Hand gegeben werde durch die Uebersetzung
ins Russische solcher bedeutenden Werke, wie Hettner's Literaturgeschichte
des achtzehnten Jahrhunderts (in neuer Aufl. 1896 — 7 erschienen), Scblosser's
Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts (1868 — 7i;, Draper's Geschichte der
geistigen Entwickeluug Europas (1866), Whewell's Geschichte der induct.
Wiss. (1867) u. a. Schon diese Auswahl ist ein beredtes Programm. Noch
mehr charakterisirte seine Richtung die durch mehrere Decennieu fortge-
setzte treue Mitarbeiterschaft bei der liberalen Zeitschrift BtcTHUKi. Eßponti,
in welcher jede bedeutende literarische Erscheinung, jede neue Richtung mit
dem scharfen Blicke eines Kritikers der Bielinski'schen Schule beurtheiltund
besprochen wurde.
A. N. Pypin verdient mehr als eine monographische Behandlung. So-
eben ist eine sehr fleissige Darstellung seiner Wirksamkeit im XXXII. Band
632 Kleine Mittheilungen.
der »Filologicke Listy« in Prag von Prof. J. Polivka erschienen, unter dem
Titel »Alexander NikolajevicPypin 1833^1904, Nästin jeho zivota a präce«,
im SA. 52 Seiten umfassend. V. J.
Milivoj Srepel.
Am 23. Febr. 1905 starb in jungen Jahren (42) in Agram der ord. üni-
versitätsprofessor M. Srepel, der zwar für die lateinische Philologie angestellt
war, doch daneben mit Vorliebe die slavischen Literaturen, zumal die serbo-
kroatische, pflegte. Seine officielle Stellung als Vertreter der klassischen
Philologie führte ihn u. a. dazu, die einheimischen Latinisten zu studiren.
So entstanden seine in dem akademischen Organ »Rad« erschienenen Studien
über die Poetik des Francesco Patrici (Patricius soll eigentlich Petris geheissen
haben und aus Dalmazien oder der Insel Cherso stammen) im B. 108, üeber
die lat. Gedichte des Eagusaners Junius Resti im B. 114, über den aus Kattaro
stammenden lat. Dichter Ivan Bolica im B. 118, über das Verhältniss des Ea-
gusaners Benedictus Stay zu Lucretius im B. 124, über den Humanisten Sis-
goreus (Sizgoric) aus Sebenico im B. 138. Er gab auch heraus in der akadem.
Publikation Gracta die lat. Gedichte des Junius Palmota und Junius Resti
(ß. I), lat. Gedichte des Marcus Marulus (B. II) und sein Werk »De ultimo
Christi judicio« (B. III), des Georgius Sisgorens »De situ Illyriae et oivitate
Sibenici (B. II) und zuletzt nach seinem Tode erschien Marulic's Davideis
erster Gesang (Davideidos Über I, im IV. B. derselben Grada). Eine Berüh-
rung der serbokroat. Literatur mit der römischen zeigt die Abhandlung im
B. 99 des »Rad« über das Verhältniss des Drzid'schen »Skup« (Avarus) zu
Plautus Aulularia. Aehnlich ist im B. 102 des »Rad« dieillyrische Grammatik
B. Kasid's auf ihre lateinische Vorlage geprüft. Im B. 140 des »Rad« ist eine
Studie dem ersten italienischen Grammatiker Gianfrancesco Fortunio gewid-
met, hauptsächlich aus dem Grund, weil er ein Schiavone, d. h. ein Kroate
aus Dalmazien war, obschon man bei ihm das Bewusstsein seiner slavischen
Abstammung nicht nachweisen kann. Die intensive Beschäftigung mit der
kroatischen Literatur brachte Studien zu Stande, wie über die Suze (Thranen)
des Verlorenen Sohnes von Gundulic in Bezug auf italienische Vorbilder (Rad,
B. 127), über Marulid und seine Judita (Rad, B. 146,, über die Verherrlichung
des Helden von Siget, N. Zrinski, in der kroatischen Dichtung (Rad, B. 148)
und in der unter seiner Redaction gestandenen Grada druckte er viel wich-
tiges Material für die neuere Literaturgeschichte ab (aus der Periode des
Illyrismus). Er war auch in der belletristischen Zeitschrift »Vienac« und im
Verein »Matica Hrvatska« thätig, für welchen er u.A. in der Serie »Bilder aus
der Weltliteratur« die russischen Erzähler behandelte (1894). Speciell über
Puskin in der kroat. Literatur schrieb er kroatisch (Letopis 1899) und russisch
(unter meiner Redaction). Es seien noch seine Beiträge über die Kritik St.
Vraz's (1892) und über das Leben und die Wirksamkeit Preradovic's, Bogo-
viö's, Anton Nemcic's (1898) erwähnt. Man sieht aus dieser trockenen Aufzäh-
lung seiner Leistungen, wie schmerzlich die Agramer südslavische Academie
der Verlust eines so rührigen Mitgliedes berühren muss. Eingehend behandelt
Kleine Mittheilungen. 633
seine Wirksamkeit Prof. Murko im Laibacher »Zvon« (1905) unter der Ueber-
schrift »Milivoj Srepel. Spisal M. Murko«. SA. 22 S. V.J.
Ivan Tkalcic.
Der Verstorbene (-{• 11. Mai 1905 im 66. Lebensjahre' war von seiner
frühesten Jugend an — als Theolog und Priester der Agramer Diöcese — ein
enthusiastischer Verehrer des Glagolismus. Er stand unter dem Einfluss der
durch Safarik, Racki und Bercic inaugurirten Begeisterung für den Glagolis-
mus in Kroazien. Bei der ersten, mit glagolitischer Schrift gedruckten Aus-
gabe der kroatischen Urkunden (unter der Redaction I. Kukuljevic s) hat er
durch sorgfältige Mithilfe bei den Korrekturen wesentlich zur Brauchbarkeit
jener Ausgabe beigetragen. Aus derselben Zeit stammt auch sein populär
gehaltenes Büchlein: Na uspomenu tisucugodisnjice sv. Cyrilla i Metboda
slovjenskih apostolah (U Zagrebu 1863). Als Archivar des Agramer Dom-
kapitels gab er 1873 — 4 sehr wichtige Urkunden »Monumenta historica episco-
patus Zagrebiensis« in zwei Bänden heraus. Auch der Domkirche und dem
Collegium der Agramer Präbendäre widmete er besondere Schriften (Prvo-
stolna crkva zagrebacka nekoc i sada 1885, Sbor prebendara prvostolne crkve
zagrebacke 1884). Seit 1889 war er mit der Ausgabe der Urkunden der Stadt
Agram betraut; als »Monumenta historica lib. reg. civitatis Zagrabiae« sind
unter seiner Redaktion 11 Bände dieser politisch und kulturgeschichtlich
wichtigen Publikation erschienen. An dem literarischen Organ der Agramer
Diöcese »Katolicki List« betheiligte sich Tkalcic mit vielen Beiträgen be-
treffs verschiedener kirchlicher und kulturpolitischer Fragen seiner Heimat,
deren Gesammtausgabe nicht überflüssig wäre. Ebenso sind in dem Organ
des Agramer Landesarchivs »Vjestnik« mehrere Beiträge von ihm erschienen.
Zuletzt gab er (1904) in eigener Schrift »Slavensko Bogosluzje u Hrvatskoj«
als das Resultat seiner vieljährigen Nachforschungen eine Zusammenstellung
aller Nachrichten, die sich auf das Vorhandengewesensein der Glagoliten in
Kroatien bezieben. Das Büchlein enthält viele werthvolle Angaben im ein-
zelnen, aber in der geschichtlichen Einleitung ist es nicht immer kritisch.
Aus den Vorstudien zu diesem Werke wurde schon im Archiv f. sl. Phil. IV.
433—441 einiges mitgetheilt. V. J.
Gregor Krek.
Im August 1905 starb zu Graz infolge einer Operation) der gewesene
Professor der slavischen Sprachwissenschaft an der Grazer Universität, Gre-
gor Krek (geb. 1840, an der Universität seit 1870 als ausserord., seit 1875 als
ord. Professor thätig gewesen). Die letzten Jahre seines Lebens hat er in
Laibach zugebracht. Krek ist in der slav. Philologie namentlich durch seine
»Einleitung in die slavische Literaturgeschichte« 'die erste Auflage erschien
1874) wohlbekannt. Das Werk erfuhr in der zweiten Auflage (1887) eine
gründliche Umarbeitung, bei welcher namentlich die reichhaltigen bibliogra-
phischen Angaben hervorzuheben sind. Die Darstellung der vom Verfasser
vertretenen Gedanken nimmt jedoch selten auf den vollen, in den Anmer-
634 Kleine Mittheilungen.
kungen zusammengestellten Inhalt fremder Forschungen Rücksicht. Dadurch
blieb das Werk schon bei seinem Erscheinen hinter dem neuesten Stand-
punkt hie und da zurück. Krek, der in seinen jungen Jahren als slovenischer
Dichter auftrat (1862), gab später eine Anthologie aus slavischen Dichtungen
in deutscher Uebersetzung (Slavische Anthologie in deutschen Uebersetzun-
gen. Mit Einleitung von Gregor Krek. Stuttgart s. a.) heraus. Er war aus
wissenschaftlicher Ueberzeugung ein grosser Verehrer der slav. Mythologie,
diese ging bei ihm so weit, dass er selbst mit unserer Zeitschrift die Be-
ziehungen abgebrochen hatte, als er durch AI. Wesselofsky, A. Brückner und
mich die antimythologische Richtung in derselben vertreten sah. Dafür Hess
er sich dann und wann in den Göttinger Gelehrten Anzeigen, in der Zeitschrift
für öster. Gymnasien u.a. hören. In slovenischer Sprache lieferte er Beiträge
für die Zeitschrift »Kres«. V. J.
Ilarion Ruvarac.
In einsamer Zelle des orthodoxen Klosters Gergeteg in der romantischen
FruskaGora, dem Frankochorion des Mittelalters, verstarb am 8/21. Aug. d.J.
ein Mönch, der in seiner irdischen Laufbahn leicht die hohe geistliche Würde
eines Bischofs hätte ersteigen können, wenn er nicht die auf ihn gefallene
Wahl seinerzeit abgewiesen hätte. Sein Ehrgeiz bestand eben nicht in hohen
Kirchenämtern, die mehr oder weniger einen bestimmten politischen Hinter-
grund voraussetzen, sondern in der Liebe zur Wissenschaft flammte seine
Seele. Darin erzielte er die glänzendsten Resultate, er war anerkannt durch
viele Dezennien der bedeutendste, kritischeste, gelehrtoste serbische Histo-
riker, er war Oberhaupt der serbischen Geschichtsschreibung während der
zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Wie ein absolvirter Jurist
der Wiener Universität (zwischen 1S52 und 1856) dazu kam, Theologe in
Karlowitz und dann Professor am dortigen Gymnasium zu werden, ist uns
nicht näher bekannt, noch unbekannter die Gründe, die ihn im J. 1861 be-
stimmten, Mönch zu werden. Als solcher lebte er bis zum J. 1874 zumeist in
I^arlowitz, in der Kanzlei des Patriarchen, bei der Archidiöcesanverwaltung
und in der dortigen theologischen Anstalt beschäftigt. Vom besagten Jahre
an stand er bis an sein Lebensende als Archimandrit an der Spitze des
Klosters Gergeteg. Auch als solcher übte er anfangs grossen Einfluss in
Karlowitz aus, aber dem Patriarchen German Angjeliö [1879) sagte sein un-
beugsamer Charakter nicht zu. Er trachtete ihn fern zu halten. Doch einen
solchen Mann konnte man zwar unter dem Befehl des Gehorsams ins Kloster
schicken, aber nicht seiner Bedeutung als Gelehrter entkleiden. Das ver-
mochte selbst ein Patriarch nicht. Ruvarac blieb auch in Gergeteg eine
Leuchte der Gelehrsamkeit und die grösste Zierde seines Standes unter allen
Zeitgenossen bis an sein Ende. Wie er durch Musterverwaltung und Kunst-
sinn das seiner Obhut anvertraute Kloster gehoben, davon soll dieses selbst
der Nachwelt erzählen. Wir verehren in Ruvarac den grossen kritischen For-
scher auf dem Gebiete der serbischen Geschichte. Es bleibt uns fast ein
Räthsel, wie ein absolvirter Jurist und Theologe, ohne methodische Anleitung
und Schulung zur Geschichtsschreibung in seiner Studienzeit sich angeeignet
Kleine Mittheilungen. 635
zu haben, so treffend die Aufgabe eines kritischen Geschichtsforschers zu er-
fassen, so hohe Anforderungen strenger methodischer Behandlung des Gegen-
standes an sich selbst 7Ai stellen und mit eiserner Konsequenz durchzuführen
verstand. Offenbar verdankt er das in erster Linie seinem mit den schönsten
Anlagen ausgestatteten Geist, seinem Scharfsinn und durchdringenden Ver-
stand, seinem in Liebe zur Wahrheit unerschütterlichen Charakter. Der Au-
todidakt kehrt nach meinem Dafiirlialten nur in der besonderen Form der
Darstellung seiner vielen kritischen Beiträge zur serbischen Geschichte her-
vor. Diese war in der Regel polemisch. Er konnte nämlich nicht umhin, fast
immer eine polemische Feder zu führen, weil er auf dem ganzen Gebiete der
serb. Geschichte Schritt für Schritt unerwiesenen Behauptungen entgegen-
treten musste, die geschichtlich unbeglaubigt waren und beseitigt, d. h. durch
beglaubigte Mittheilungen ersetzt werden mussten. Wen er bei einem solchen
Anlass zur Zielscheibe seiner Angriffe wählte, dem erging es allerdings
schlecht. Er zerfaserte ihn ordentlich, nicht als seinen persönlichen Gegner,
sondern als Vertreter einer anderen, geschichtlich unbeglaubigten Ansicht.
Dieser persönlich-polemische Ton, diese übermässigen und wohl auch über-
flüssigen Digressionen sind zum Theil vielleicht durch seine klösterliche Ab-
geschlossenheit bedingt. Er suchte dadurch den Gegenstand selbst und seine
Einsamkeit zu beleben — freilich nicht immer zu Gunsten der Popularität.
Doch wer hinter der mitunter rauhen Form die echten Perlen seines kritischen
Wissens zu finden verstand — und das gilt doch für die massgebendsten
Vertreter der serbischen Intelligenz — , musste diesen originellen Mann hoch-
schätzen. Mit welcher Treue er diese Anhänglichkeit erwiderte, davon
könnte der Schreiber dieser Zeilen rührende Beweise erzählen.
Ruvarac begann, bezeichnend genug, seine literarische Thätigkeit mit
einem Aufsatz |1S56) »Uebersicht der einheimischen Quellen zur serbischen
Geschichte«. Das kritische Studium der Quellen zu jeder einzelnen von ihm
behandelten Frage bildet den rothen Faden, der sich durch alle seine Ab-
handlungen zieht. Diese sind in grosser Zahl in dem .leronuc der serbischen
Matica, im Belgrader FjacHHK, im Agramer Rad, im FoÄHiufbuua, Ciapuuap,
neuerdings im Belgrader akademischen Fjiac und CnoMCiiuK, im Sarajever
r.!iacHHK, dann in den belletristischen Zeitschriften Biua, Mamua, Crpa/KH-
jioBo, Kojio, EpaHKOBO Ko-io u. a. erschienen feine genaue Aufzählung findet
man in der serb. Zeitschrift CpncKu Ciioh Jahrg. 15, Nr. 17 von seinem Bruder
D. Ruvarac). Eine Gesammtausgabe dieser Perlen zur kritischen Geschichte
des serbischen Volkes wäre dringend zu wünschen. Ruvarac war ein unver-
gleichlicher Miniaturmaler, grössere zusammenfassende Darstellung ganzer
Epochen hatte für ihn keinen Reiz. Nur wo etwas Neues zu sagen oder
irgend ein Irrthum zu berichtigen war, da fühlte er sich wohl, da Hess er
seine ungeheure Belesenheit, seinen kritischen Scharfsinn glänzen. Der
Verlust, den die serbische Geschichtsforschung durch den Tod Ruvarac's
erlitten, ist sehr gross, ja augenblicklich geradezu unersetzlich. Nicht Jeder
hat den Muth, in seine Fussstapfen zu treten, denn das serbische Sprichwort
sagt : Ko hcthhy ryan, r^^Äa^iOM ra no npcxuMa unjy ! V. J.
636 Kleine Mittheilungen.
Polychronios Agapjevic Syrku.
Von verschiedenen Seiten wird mir bestätigt, dass während des ver-
flossenen Sommers P. A. Syrku, dessen Name häufig in der Slavistik genannt
wird, das Zeitliche gesegnet. Die letzten Monate seines Lebens sollen sehr
traurig gewesen sein. Mit umdüstertem Geiste musste er seine Thätigkeit
an der Petersburger Universität aufgeben und in einer Heilanstalt Obdach
finden. Wenig angenehmes war ihm auf dieser Welt beschieden, zum Theil
durch eigenes Verschulden, zum Theil durch Ungunst der Verhältnisse. Man
sah ihm immer die mangelnde Bildung eines gewesenen Seminaristen an,
dessen nachträgliche Belesenheit im Fach nicht auf der Erziehung zur Hu-
manität beruhte. Als Sohn eines Geistlichen aus Bessarabien stammend, hielt
er sich selbst oft für einen Rumänen, leider verstand er seine Kenntniss
des Rumänischen nicht zum Vortheii der Slavistik zu verwerthen. Als ich im
Jahre 18S0 nach Petersburg kam, fand ich ihn bereits als Kandidaten vor, be-
lassen bei der Universität mit der Anwartschaft auf Dozentur und Professur,
die er auch nach schweren Mühen erlangte. Mit grossem Eifer hatte er sich
auf die Slavistik gevorfen, doch ohne gute systematische Vorbildung, bei
gänzlichem Mangel an Methode für kritische Forschungen. Er sammelte
fleissig Texte und Handschriften, gab aber nur weniges davon heraus. Eine
Biographie des bulgarischen Lokalheiligen, Nikolaus von Sophia, war schon
zu Anfang der 80er Jahre gedruckt, erschien aber erst 1901. Seine Haupt-
leistung konzentrirte sich auf die Frage über die im XIV. Jahrh. gemachten
ßücherreformversuche, als deren Zentrum der Trnover Patriarch Euthymius
galt. Die zwei erschienenen Theile erschöpfen den Gegenstand nicht, haben
auch keine Lösung gebracht. Die vielen kleineren Beiträge und Anzeigen,
die sich hauptsächlich mit den Fragen der kirchenslavischen Literatur be-
fassen, zeichnen sich mehr durch reichliche bibliographische Angaben als
durch Verarbeitung des Gegenstandes aus. Der Verstorbene hat sich auch
an unserer Zeitschrift betheiligt (vergl. Archiv B. VI. VII. IX. XXI]. V. J.
Alexander Ivanovic SmirnoT.
Am 20. Juli d. J. verstarb in Odessa der langjährige Herausgeber des
Warschauer russischen $u.iojioruqecKiir BicTUHKi., A. I. Smirnov, im Alter von
63 Jahren. Er war anfangs einige Jahre in Odessa an Mittelschulen beschäf-
tigt, schrieb nachher eine Magisterdissertation über das Igorlied (1879] und
kam bald darauf als Nachfolger Kolosov's, in der Eigenschaft eines ausserord.
Professors der russischen Sprache und Literatur nach Warschau. Hier ver-
blieb er (seit 1883 als ord. Professor) bis kurz vor seinem Tode, der ihn von
einer langwierigen schweren Krankheit erlöste. Smirnov war ein sympathi-
scher, humaner Mann, ein guter Erzieher und Lehrer, ein gewissenhafter und
liebenswürdiger Redakteur, aber schüchtern von Natur, die ihm nicht ge-
stattete, mit seinem Wissen selbständig aufzutreten. Auch seine Betheiligung
an der von ihm redigirten Zeitschrift beschränkte sich zumeist auf Anzeigen,
Referate und Nekrologe. Im Journal des russ. Ministeriums der Volksauf klä-
rung 1905, Oktoberheft, widmete ihm Prof. Karskij, sein Nachfolger in der Re-
daktion des $ii.!ioji. BicTHHKt, einen kurzen Nachruf mit genauer Aufzählung
seiner literarischen und wissenschaftlichen Leistungen. V. J.
Sachregister.
Accent, s. Böhmisch; Dialekte; kir-
chenslav. Accentzeichen, ihre Her-
kunft 441 flf.
Altbosnische Inschrift 258—265.
Böhmisch, Accent, Prosodie u. Metrik,
527 ff., alter Zustand 229, Reform
durch Dobrovsky 530 ff., durch Sa-
fai-ik u. Palacky 536 ff., der Stand-
punkt Erben's 541 ff.; böhm.-mäh-
rische Dialekte 586 f.
Clemens von Bulgarien, seine literari-
sche Thätigkeit 350 ff. ; Text zweier
Lobreden 373 — 383; stammt von
ihm die pannon. Legende? 384 ff.;
benützte er die Freisinger Denk-
mäler? 395 ff.
Cyrill von Turov, seine Mönchspre-
digten 181 — 195, deren Echtheit.
Cyrillische Fragmente aus Einbänden
85 ff.
Daniel, Buch des Propheten, die sla-
vische Uebersetzung, ihre Redak-
tionen, der zu Grunde liegende grie-
chische Text 447 ff.
Declination, zur Geschichte der serbi-
schen, Anhängepartikel und deren
Erklärung 73 ff.
Dialectologie, die grossrussische, de-
ren Publikationen von 1897 — 1901,
91 ff.; kleinrussische, Texte aus
Uherci und Glossar, 513 — 526; vgl.
böhmisch; slovenische, ausPolstrau
(Steiermark) 139, aus dem Gailthal
1 95—228 (Accentlehre) ; Darstellung
des Kajdialektcs, über dessen Gren-
zen, Gliederung, Geschichte, Zuge-
hörigkeit, Formen 578 ff.
Feuerstätten u. ihr Kult 126 ff.
Freisinger Denkmäler 395 ff.
Glagolitische Schrift, Bestandtheile,
161—168.
Griechisch -slavische Inschrift 258 —
265.
Halbvokale, deren Geltung u. Anwen-
dung, im Savaevangelium, 1 — 30;
im Euchologium des Sinai 31 — 40;
im Zographiensis u. Marianus 321 —
349; im Suprasliensis 481 — 512.
lluculen, Beiträge zur Literatur über
diese, 269 ff.
Hypocoristica, Bildung ders. 47.
Illyrismus, zur Geschichte desselben
133—138.
Katharina II. u. ihre Komödien, deren
Ziel U.Mittel, Verhältniss zu Gel-
iert 563 ff.
Kerbholz, dessen Geschichte 170 ff.,
320.
Kiever Blätter, neue Publikationen
darüber 441 ff, 457, vgl. 141 f.
Klagenfurt, Etymologie des Namens
146 ff.; 412 ff.
Kleinrussisch, s. Huculen; Dialektolo-
gie; die Publikationen der Sev-
cenko-Gesellschaft, angez.von Hru-
sevskij 270—299 ; Sonnwendlieder
in Westgalizien 273—278.
Kreuzauffindungslegende 256.
Kroatisch s. Serbokroatisch.
Lehnwörter, Allgemeines 414 f., Be-
handlung des st bei den Polen und
Böhmen 62.
Materialien zur Geschichte der slavi-
schen Philolos^ie; Briefe von Vuk
304 ff.; SafaHk 476; Oblak 477 ff.;
zur Universitätsfrage in Deutsch-
land 609 f.
Menaeum von Grigorovic, Blatt, neu
herausgegeben 425 ff.
Method s. Vita.
Monatsnamen, slavische, 143 f. (slova-
kische u. südslavische); huculische
269—273; slavische bei Jermolov
607.
Ortsnamenforschung 412 ff.
Palaea, der Ursprung ihrer jüdischen
Polemik 360.
Palatalisirung. von rtci, 142.
Polnisch, juridische Glossen des XV.
Jahrh. 26.i— 268.
Pra?er Fragmente 446.
Präfixe, zur Wurzel geschlagen 70.
Preussische Bevölkerung auf dem
linken WeichseUifer 470 ff.
Russisch, s. Dialektologie; Altrussi-
sche Schrift 168—172; vgl. Katha-
rina II. u. a.
638
Sachregister.
Sarmatisch u. skythiscb, sprachliches
24Ü— 245.
Serbokroatisch, S.Dialektologie; Illy-
rismus; Deklination; Darstellung
der ragusäischen Literatur, Ab-
druck einer alten Quelle 587 ff.;
Beiträge zu Vetranid 596 ff. ; Bei-
träge aus dem Agramer Landes-
archiv 598 flf.; zur altserbischen Ge-
schichte, zum Zakonik des Dusan
(Getreidepreise u. soc) 173 — 180;
Schreiben des Gennadios an Georg
von Serbien um 1450 und seine Be-
deutung 246 — 257; s. Sprichwörter.
Slovaken, zur Geschichte der politi-
schen Kämpte (Kollär) 1848, 159 ff.;
s. Monatsnamen.
Slovenen im Somogyer Komitat 303.
Sprichwörter des russischen Volkes,
für Landwirthschaft und Kalender
600 — 607; Vergleich kroatischer
Kalendersprichwörter 605 f.
Verbalformen, bim 465 ff.
Vita Methodii et Cyrilli, Erklärung
eines Ausdruckes 141; über den
Verfasser s. Clemens; Unterschied
der cyrillischen u. methodianischen
Textrecension 449 ff.
Vocale, Vertretung von indoeuro-
päisch 0 und a 228 — 240; or zwi-
schen Consonanten 475.
Volksmärchen vom klugen Knaben,
kroatischer Text 611 ff.; Parallelen
615 ff.
Zakonnik Dusan's 173 ff.
Albert 542.
Almazov 353.
Amantos 234.
Artemiev 107.
Badalic 612.
Balasoglo 95.
Balov 98.
Barvinskyj 286, 288.
Baseljic 140.
Baudouin de Courtenay
52, 148, 412, 458 ff.
Belic 73 ff.
Beljavskij 107.
Belmont (Blumenthal)
433 ff.
Benesovsky 529.
Benfey 611, 624.
Benni 460 f.
Berneker 65, 467.
Blahoslav 529.
Bogoraz 96, 118.
Bojnicic 598 ff.
Boninus de Boninis 140.
Boskovic 140.
Brandl 528 ff.
Brcid 360.
Breyer 140.
Brlic A. I. 304 ff.
Brlic L A. 304 ff.
Brugmann 228, 610.
Bucar 599.
Budde 92 ff.
Budilovic 445.
Budmani 44, 608.
Namenregister.
Budzin.^ki 433.
Bulic 9S.
Cagliostro 565.
Caplovic 157 ff.
Cavcic s. Vetranic.
Celevyc 288.
Cernysov 94, 109 ff.
ChmelnyckyJ 288 f.
Ciszewski 126 ff.
Coaquin 627.
Cousin6ry 480.
Orivellucci 81.
Cupr 540.
Czambel 145.
Dainko 305.
Daniele 175.
Dezelic 463 f.
Dilaktorskij 95.
Dittel 97.
Dobrovskij 94.
Dobrovsky 314, 529.
von Dobschiitz 246—257.
Dragomanov 296.
Drzic 596 f.
Durdik 527.
Durnovo 91 — 125.
Dykariv 286, 298.
Dzydzora 289.
Endzelin 474.
Erben 527 ff.
Evgenij 182 ff.
Fed'kovyc 294.
Feifalik 527.
Filaret 183.
Filatov 95, 105.
Fomin 98.
Fortunatov 121.
Frähn 168 ff.
Fraknoi 81.
Franko 265, 290 ff.
Gabriö 612 f.
Gaj 135 f., 464.
Gardthausen 168—172.
Gasparotti 580.
Gebauer 41, 47, 61.
Geliert 566 ff.
Geizer 176.
Gennadios IL 247 ff.
Georg L v. Serbien 247 ff.
Gerasimov 97.
Giacomo della Marca (D.
Gangala) 79 f.
Gjorgjic 587 ff.
Goed'ecke 563.
Goetz 181-195.
Goll 527.
Golubinskij 183 ff.
Grafenauer 139, 195 —
228.
Grigoriev 116.
Grimm 46.
Grot 563 f.
Gruber 599.
Grunskij 441 ff.
Namenregister.
639
Harkavy 172.
Havlicek 15 i f.
Havlik 42.
Kerbest 287.
Hirt 55, 59
Hnatiuk 292.
Hnevkovsky 540.
Holly 540.
Hosek 586 f.
Hostinsky 527.
Hrusevskyj 278—299.
Hurban 159 f.
Jagic 1, 15, 77, 79, 85 —
90, 91, 133—138, 141,
151, 160, 162 f., 246,
278, 303, 313, 321 ff.,
360,384—412, 432, 441
—463, 467, 477, 578—
596, 598, 607, 609 f.,
611 ff., 630—635.
Jaksch 414.
Jakubec 154 f.
Jastrebov 132.
Jermolov 600 ff.
Jevsejev 447 ff.
Jirecek C. 80, 237 f.
Jirecek J. 527.
Ilesic 142—145, 154.
Iljin8kij73— 77,78,299f.,
424—431.
Jungmann 536,
Kaindl 264.
Kalajdovic 182 ff.
Kalmykov 106.
Kaluiniacki 265—278.
Karäsek 154—160.
Karaulov 98.
Karinskij 95, 115.
Karskij 92, 119.
Katbarina II. 563 ff.
Klemens (Exarch) 350 ff.
Köhler 612, 627.
Kolendic 596 ff.
Koh'ssa 292.
Kollär 154 ff.
Kopitar 305, 314.
Korbut 60.
Korduba 286.
Kosvincev 95.
Kotljarevskyj 294.
Kotsmich 527.
Kozariscuk 265.
Kräl 527.
Krebs 611.
Krek t 633 f.
i Kretschmer 228—240.
Kristianovic 605 f.
Krizko 155.
Krsujavi 599.
Krumbaoher 261 f.
Kruszowski 459.
Kuklin 95.
Kulikovskij 97.
Kuziela 286. 320.
Lamanskij 354 ff.
Lambl 145.
Lang 30.
Lanstjak 155.
Lavrov 350—384; 384 ff.
Leopardi 82.
Leskien 1—40,161 — 168,
321—349,481—512.
Lessiak 412—424.
Levstik 43, 56.
Loewe 234.
Loos 144 t'.
Lorentz 465 — 476.
Lukjanenko 578 ff.
Lupus 433.
Mahlow 229.
Majewski 126.
Makusev 82.
Malinowski 320.
Mares 541.
Maretic 609.
Marulid 634.
Markov 96.
Matuszewski 320.
Matzenauer 46, 59,
Mazuranic A. 136.
Mazuranic Iv. 136.
Medo 608.
Metelko 305.
Meyer G. 233 f.
Michajlov 454 ff.
Mikkola468, 473, 474.
Miklosich 52, 65 ff., 143,
154, 175, 233, 264, 272,
314, 609.
Milcetic 45
Miliöevic 320.
Miller V. Th. 121.
Möhl 74.
Müller R. 146.
Miiusterberg 259.
Marko 464, 633.
Nagy 596 ff.
Nachtigall 451 ff., 455.
Nakonieczny 433 — 440.
Xehring 300 ff., 476 f.
Neraanic 45.
Nessehnaun 467.
Nevostrujev 193.
Nicolai J'r. 564.
Nicolai Giac. 80.
Nikolskij 104.
Novakovic 173—181 ; 477
—480.
Oblak 45, 74 f., 477 ff.,
579 ff.
Ochrymovyc 298.
Ohonovskyj 293.
Ozvald 139!
Palacky 530 f.
Parczewski 168.
Paroubek 527.
Pelzel 529.
Petretiö 581.
Petrow 320.
Petruszewicz 461 f.
Pinelli 608.
Pintar 148, 413 ff.
Pirnat 156.
Pivko 126—132.
Pletersnik 56, 67.
Plohl-Herdvigov 580 ff.
Pokrovskij 9S, 116.
Polivka 614—629, 632.
Popovic 587 ff.
Presern 137.
Prohaska463f., 563-577.
Puchmajer 535 f.
Puszkin 433 ff.
Pypin 563 ff., j- 630 f.
Quis 541.
Raid 52,
R.setar 73 f., 140, 142,
258—264, 299 f., 608 f.
Rezanov 95.
Rogerius 580.
Rosen 172.
Rudnyckyj 288 f.
Ruvarac246; f 634 f.
Sacharov 99.
Sachmatov 92 ff., 141.
Sadovnikov 117 f.
Safarik 233 ff., 536 f.
Säsinek 320.
Scepkin 1 ff., 445.
Scheffer 96.
Scheinigg 146 — 154, 414,
420 ff.
Schrader 54.
640
Wortregister.
Schmidt Job. 230.
Sein 98, 117.
Sevlakov 98.
Sievers 142, 349.
Sikorski 433.
Simoni 92 ff.
Skrabec 315, 584.
Skultety 144 f.
Smetanka 587.
Smirnov -j- 036.
Sobolevskij 91 ff., 241-
, 245, 351.
Sole 528.
Solovjov 99, 106.
Spasowicz 433.
Spolari (Spolarid) 313.
Srepel t 632.
Sreznevskij J. 424 f.
Sreznevskij V. 172.
Stephan P. 580.
Stojanoviö 89, 351.
Stratimirovic 476.
Barszcz 63.
biuszcz 63.
Brust 472 (Ortsname).
6ach und 6ech 244 f.
Celövecl46ff.und412ff.
chabati 44.
chajati 44.
cirkva 445.
cketa 41 ff.
cviliti 148.
derjeryst 468.
dobri, 231.
diuvendija 480.
gälte 44 f.
glotun 45.
gorazdT& 233.
yqaßa 234.
Hana 587.
hoch 46 ff.
holec 47 f.
holomek 48 (Hallunke).
host, hust 49.
Jenzidul (Ortsname) 470.
kalos (kolos) 608.
Klagenfurt s. Celovec.
klamm 72.
klanac 72.
klasen 143.
koka 51.
kolos 8. kalos.
Strekelj 41—72.
Studynskyj 291 ff.
Stur 142 ff.
Suchevyc 265.
Surmin 133 ff., 304 ff.
Susko 287.
Sutnar 527—562.
Syrku f 636.
Talvj 308.
Terledkyj 290 ff.
Thallöczy 79—90.
Theophylactus 252.
Tkalcic 633.
Touzil 562.
Tomasivskyj 288 f.
Trstenjak 151, 303.
Trüber 315.
Tunicki 351.
Ulaszyn 300 f.
Valjavec 455, 580 ff.
Vdovcenko 118.
Wortregister.
korenittct 450.
kralB 475.
kurec 50 f.
kuriti se 52.
liva 450.
loza 52 ff.
Morava 587.
Mösland 473.
moszcz 62.
mozdanik 55 f.
ny 445.
ogavije 450.
ornica 56.
osaben 43.
osajati 43.
osib^ 44.
osinati se 44.
pica, picka 51.
piriti 56 f.
praska 58.
prehodi. 451.
presustvo 314 ff.
proboszcz 62.
prousc 469.
puriti 57.
rujan 143.
sajati 43.
saka 67.
savati 43.
Schlanz 473.
Weber L. 471.
Velycko 286.
Veprek 527.
Werchratskij 513—526.
Vetranic 596 ff.
Wieland 563.
Volkov 282, 298.
Voltaire 566.
Voltiggi 140.
Vondräk 351 ff., 384 ff.,
441 ff.
Vostokov 352.
Vraz 136, 137.
Vrchlicky 528.
Vrhovac 463 f.
Xanthopoulos 252.
Zamotin 107.
Zanovid 140.
Zay 156.
Zelenin 116.
Zubaty 65.
Zubryökyj 290 ff.
secen 143.
sep 67.
setovati se 42.
sketiti 42 f.
slik 61.
Slovene 234.
sokalnik 175—181.
sokie 175 — 181.
spiee 51.
stabry 61.
stap 65.
stebel 61.
stidlo 59 ff.
stiglec 60 f.
stpice 61.
sut 319.
szczebiel 61.
szczudlo 59 ff.
ternjak 68.
tniti 450.
trom 69.
tvesti 70.
wabbra 468.
veljaca 144.
wubri 467.
vtsadi. 141.
CdxKfoy 232.
zär 609.
zleb 71.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
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BmuiNG SECI-
'm 1 4 1976
PG Archiv für slavische Philologie
1
A8
Bd. 27
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