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Full text of "Archiv für slavische Philologie"

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ARCHIV 

FÜR 

SLAVISCHE  PHILOLOGIE 

UNTER  MITWIRKUNG 


VON 


A.  BRÜCKNER,  J.  GEBAÜER,     C.  JIRECEK,     A.  LESKIEN, 

BERLIN,  PRAG,  WIEN,  LEIPZIG, 

W.  NEHRING,     ST.  NOVAKOVIÖ,     A.  \YESSELOFSKY, 

BRESLAU,  BELGRAD,  ST.  PETERSBURG, 


HERAUSGEGEBEN 


V.  J  A  G  I  C. 


SIEBENUNDZWANZIGSTER  BAND.  J 


53QRGG 
BERLIN,  V^^TT^ 

WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNG. 
1905. 


^ 


1 1  u 


Inhalt. 


Abhandlungen.  Seite 
Noch  einmal  t  und  l  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern,  von 

A. Leskien 1 

Slavisclie  Wortdeutungen,  von  K.  Strekelj 41 

Zur  Geschichte  der  serbischen  Deklination,  von  G.  Iljinskij,  mit 

Bemerkungen  von  V.  Jagic 73 

Slavische  Fragmente  aus  der  Bibliothek  S.  Giacomo  dclla  Marca  in 

Montepiandone,  von  Ludwig  v.  Thallöczy  und  V.  Jagic  .  79 
Die  grossrussische  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1897 — 

1901),  von  N.  Durnovo 91 

Zur  glagolitischen  Schrift,  von  A.  Leskien 161 

Eine  alt-russische  Schrift,  von  V.  Gar dthauscn 168 

Le  prix  normal  du  ble  ä  Constantinople  pendaut  le  moyen  äge  et  le 

Code  de  Stephan  Dusan  empereur  des  Serbes,   par  St.  Nova- 

kovic 173 

CoKK  et  coKajii.HHKB  ds  la  Serbie  du  moyen  äge,  par  St.Novakovic  175 

Die  Echtheit  der  Mönchsreden  desKyrill  vonTurov,  von  L.  K.  Goetz  181 

Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte,  von  Ivan  Grafenauer .   .    .   .  195 

Die  slavische  Vertretung  von  indogerm.  o,  von  PaulKretscbmer  228 
Einige  Hypothesen  über  die  Sprache  der  Skythen  und  Sarmaten,  von 

A.  Sobolevskij 24^0 

Cech  (lext)  und  Cach  (qax-B),  von  A.  Sobolevskij 244 

Ein  Schreiben  des  Patriarchen  Gennadios  Schoiarios  an  den  Fürsten 

Georg  von  Serbien,  von  E.  von  Dobschütz 246 

Eine  altbosnische  slavisch-griechische  Inschrift,  von  M.  Resetar    .  258 

Poln.  Glossen  aus  dem  Anfang  des  XV.  Jahrb.,  von  Kaluzniacki.  265 
Die  Zeitrechnung  und  die  Monatsnamen  der  Huzulen,  von  Kaiuz- 

niacki 269 

Die  Sonnwendlieder  der  westgaliz.  Kleinrussen,  von  Kaiuzniacki  273 
Die  Vokale  "b,  b  in  den  Codices  Zographensis  und  Marianus,  von 

A.  Leskien 521 

Die  neuesten  Forschungen  über  den  slavischen  Klemens,  von  P.  A. 

Lavrov 350 

Zwei  Lobreden,  vielleicht  von  Klemens  geschrieben,  von  P.  A.  L  a  v  r  o  v  373  --^ 
Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens,  von 

V.  Jagic 384  ''' 


IV  Inhalt. 

Seite 

Noch  einmal  Klagenfurt-Celovec,  von  P.  Lessiak 412 

Ein  Grigorovic'sches  Menaeum-Blatt  aus  dem  XII.  Jahrhundert,  von 

Gr.  Iljinskij,  mit  Zusatz  von  V.  Jagic 424 

Die  Vokale  x  und  B  im  Codex  Suprasliensis,  von  A.  Las kien  .   ,    .  481 

Die  Mundart  der  Gegend  von  Uherci  bei  Lisko,  vonl.Werchratskij  513 

Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben,  mit  besonderer 

Berücksichtigung  des  Gedichtes  »Zähorovo  loze«,  von  Jaroslav 

Sutnar 527 

Die  Vorlage  zur  Komödie  «0  BpcMa!«  von  Katharina  II.,  von  D.Pro- 

haska 563 


Kritischer  Anzeiger. 

CiszewskijUeber Feuerherd,  ethnologische  Studie,  angez.  von  Pivko  126 

Surmin,  Die  kroatische  Wiedergeburt,  angez.  von  V.Jagic  .   .    .    .  133 

Ozwald,  Dialect  von  Polstrau,  angez.  von  J.  Grafenauer 138 

Breyer,  Bio-  und  bibliographische  Beiträge,  angez.  von  M.  Resetar  140 
Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Sevcenko-Gesellschaft,  verfasst  von 

M.  Hrusevskyj 279 

Iljinskij,  Ein  Fall  der  gramm.  Analogie,  angez.  von  M.  Resetar  .    .  299 

v.  Utaszyn,  Die  Entpalatalisirung,  angez.  von  WI.  N ehr in'g  .    .   .    .  300 

A.Trstenjak,  Die  Slovenenim  Somogyer  Komitat,  angez.  von  V.  Jagic  303 

Puskin's  Onjegln  in  polu.Uebersetzung,  ang.  vonWl.  Nakonieczny  433 
Neueste  Publikationen   (Vondräk,  Grunskij)  über  Kijever  Blätter, 

angez.  von  V.Jagic 441 

Jevsejev,  Das  Buch  des  Proph.  Daniel,  angez.  von  V.  Jag iö  .  .  .  447 
Michajlov,  Altes  Erbe  in  kroat.-glagol.  Kirchenbüchern,  angez.  von 

V.Jagic 454 

Baudouin  de  Courtenay,  Sprachwiss.  Skizzen,  angez.  von  V.  Jagiö .  458 

Benni,  Zur  poln.  Wortbildung,  angez.  von  V.  Jagic 460 

Petruszewicz,  lieber  die  älteste  arische,  insbes.  slavische  Familie, 

angez.  von  V.  Jagic 461 

Dezelic,  Biographie  des  Bischofs  M.  Vrhovac,  angez.  von  D.  Prohaska  463 

Lukjanenko,  Der  Kajdialekt,  angez.  von  V.  Jagic 578 

Hosek,  Böhm. -mähr.  Dialekte,  II.  Theil,  angez.  von  V.  Jagic    .   .    .  586 

Ignatii  Georgii  Vitae,  herausg.  von  P.  Popovic,  angez.  von  V.  Jagiö  587 

Drei  Gedichte  Vetraniö's,  herausg.  von  Kolendic,  angez.  von  J.  N  a  g  y  596 

Die  Zeitschrift  des  kroat.  Laudesarchivs,  angez.  von  V.  Jagic  .    .    .  598 

Jermolov,  Die  landwirthschaftl.  Volksweisheit,  angez.  von  V.  Jagic  600 


Kleine  Mittheilungen. 

Der  Ausdruck  bxc&ä-b  in  altkirchenslavischen  Denkmälern,  von  A. 

Sachmatov,  mit  Zusatz  von  V.  Jagic 141 

Ein  Nachtrag  zu  Bd.  XXVI,  S.  571,  von  E.  Sievers 142 

Ljudevit  Stur's  slovak.  Monatsbezeichnung,  von  Dr.  Fran  Ilesic   .  142 


Inhalt.  V 

Seite 

Nochmals  Klagenfurt-Celövec,  von  J.  Schein igg 146 

Kollär'sAntheil  an  politischen  Broschüren,  von  Dr.  Josef  Karäsek  154 

Beiträge  zur  Geschichte  der  slav.  Philologie,  von  Prof.  ©.  Surmin  .  304 

Spolari  —  Spolarich,  von  V.  Jagiö 313 

Zur  Etymologie  von  »presustvo«,  von  L.  Pin tar 314 

Nachtrag  zum  Aufsatz  »Eine  altrussische  Schrift«  (S.  169 — 172),  von 

Z.  Kuziela 326 

Sloven. -5tm,  von  F.  Lorentz 465 

Preuss.  lüMiri,  von  F.  Lorentz 467 

Slovinz.^rt^M^sc  und  verwandtes,  von  F.  Loren tz 469 

Urslav.  fz6  »Schlange«,  von  F.  Lorentz 475 

Preuss.  Bevölkerung  auf  dem  linken  Weichselufer,  von  F.  Lorentz  470 
Bemerkungen  zu  den  in  päpstlichen  Urkunden  überlieferten  ostsee- 
wendischen Namensformen,  von  F.  Lorentz 474 

Zwei  briefliche  Aufzeichnungen  P.  J.  Safarik's,  mitgetheilt  von  Wl. 

Nehring,  mit  Zusätzen  von  V.  Jagid 476 

Ein  Brief  V.  Oblak's  an  St.  Novakovid,  mitgetheilt  von  St.  Nova- 

kovic 477 

^VBeuÄHJa,  von  St.  Novakoviö 480 

Serbokroat.  ÄaZos", (rothe)  Tulpe',  von  M.Rese tar 608 

Serbokroat.  zSr  ,num,  forsan',  vonM.  Resetar 609 

Ueber  die  slavische  Philologie  an  den  Universitäten  Deutschlands, 

von  der  Redaction  d.  Arch.  f.  slav.  Phil 610 

Eine  typographische  Thorheit,  von  der  Redaction  d.  Arch.f.sl.Ph.  610 

Zur  Bekehrung  Wladimir's  L,  von  H.  Krebs 611 

Der  kluge  Knabe.  Ein  kroatisches  Märchen  aus  dem  Kreis  »Die  kluge 

Dirne«,  vonV.  Jagic  und  G.  Polivka 611 

Nekrologe  (Alexander  Nikolajevic  Pypin  f,  Milivoj  Srepel  f ,  Ivan 
Tkalcicf,    Gregor  Krek  f ,   Uarion  Ruvaracf,    Polychronios 

Syrku  f,  Alex.  Iv.  Smirnov  t),  von  V.  Jagic 630 

Sach-,  Namen- und  Wortregister,  von  A.  Brückner 637 


Noch  einmal  Ti  und  b  in  den  altkirchenslavischen 
Denkmälern. 


\ 


I.   Das  Sava-Evangelium. 

Die  Behandlung  der  Vokale  t»,,  k  ist  eine  der  schwierigsten 
Aufgaben  der  altkirchenslavischen  Grammatik.  Es  ist  zwar  ver- 
hältnissmässig  leicht  festzustellen,  wo  ursprünglich  'K  und  k  ge- 
standen habeo.  Die  Möglichkeit  geben  einzelne  altkirchenslavische 
Denkmäler  selbst,  das  Ostromirsche  Evangelium,  die  Kiever  Blätter, 
dazu  das  Altrussische  und  die  Vergleichung  der  slavischen  Sprachen. 
Aber  anders  steht  es,  wenn  man  die  übrigen  grossen  Denkmäler, 
Cod.  Zogr.,  Mar.,  Assem.,  Psalt.  sin..  Euch,  sin.,  Cloz.,  Supr.,  Sav. 
kn.  vornimmt.  In  keinem  von  diesen  ist  der  ursprüngliche  Zustand 
unverändert  geblieben :  allgemein  ausgedrückt  kann  o  für  t^,  e  für 
k  eintreten:  Tv  steht  an  Stelle  von  altem  k,  k  an  Stelle  von  altem  'k  ; 
Ti,  k  sind  ganz  weggefallen.  Die  Ursachen  sind  Einflüsse  der 
Lokaldialekte,  denen  die  Schreiber  der  Handschriften  angehörten, 
und,  auch  bei  etwa  gleichem  Dialekt,  die  Weiterentwicklung  der 
Sprache  von  der  Zeit  ihrer  ersten  Aufzeichnung  bis  zur  Periode 
unsrer  Handschriften,  die  mindestens  150  Jahre  umfasst.  Bei  einer 
Untersuchung  dieser  Veränderungen  müssen  Mar.,  Psalt,  Assem., 
Cloz.  zunächst  bei  Seite  stehen,  Supr.  kommt  erst  in  zweiter  Linie 
in  Betracht,  Zogr.  und  Sav.  kn.  müssen  die  Grundlage  der  Betrachtung 
bilden;  auf  das  Euchologium  komme  ich  unter  H.  zu  sprechen.  Das 
Zographos-Evangelium  hat  Jagic  in  den  bekannten  »Studien  über 
das  altslovenisch-glagolitische  Z.-E.«  (Archiv  I  und  II,  auch  nach 
dieser  Richtung  genau  behandelt,  die  Sav.  kn.  Scepkin  in  »Pascy- 
atÄenie  o  üstiKi  CaBBiiHoß  Kunrn«  (Petersb.  1S99). 

Da  ich  in  der  nächsten  Zeit  Veranlassung  habe,  mich  eingehend 
mit  altbulgarischer  Grammatik  zu  beschäftigen,  liegt  es  mir  ob,  die 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXVII.  1 


2  A.  Leskien, 

Denkmäler,  namentlich  in  Bezug  auf  'k,  h,  wieder  durchzugehen 
und  die  neueren  Schriften  darüber  aufs  neue  zu  prüfen,  zumal  ich 
gegen  die  Richtigkeit  der  Methode,  nach  der  solche  Untersuchungen 
in  neuester  Zeit  angestellt  wurden,  starke  Bedenken  habe.  Wenn 
ich  zuerst  das  Sava-Evangelium  vornehme,  so  geschieht  es,  weil  in 
Scepkin's  Buch  eine  bestimmte  Methode  scharf  zum  Ausdruck 
kommt,  mit  der  man  sich  einmal  auseinandersetzen  muss,  um  — 
kurz  gesagt  —  nicht  ganz  konfus  zu  werden. 

Bei  der  Betrachtung  der  Sav.  kn.  habe  ich  die  naheliegende 
Vergleichung  mit  andern  Quellen  fast  ganz  unterlassen,  denn  diese, 
da  sie  aus  andern  Orten,  andern  Dialekten  und  andrer  Zeit  stam- 
men können,  konnten  auf  den  Dialekt  des  Schreibers  der  Sav.  kn.; 
wenn  er  seine  Mundart  wirklich  getreu  wiedergegeben  hat,  keinen 
Einfluss  üben,  und  wenn  die  Ueberlieferung  hier  eine  lebendige 
Sprache  wiedergibt,  muss  diese  sich  aus  der  Handschrift  selbst 
systematisch  darstellen  lassen. 

Scepkin  nämlich  drückt  seine  Bewerthung  des  Denkmals  kurz 
so  aus  (Vorrede  zu  seiner  Ausgabe,  Petersb.  1903):  «In  der  Reihe 
der  altslavischen  Denkmäler  gibt  die  Sav.  kn.  am  allerdeutlichsten 
die  lebendige  Sprache  des  XL  Jahrh.  wieder  und  erscheint  in  dem 
Problem  der  Halbvokale  i^,  l  in  dieser  Beziehung  als  Haupt- 
auktorität«.  PascyatA-  S.  I  heisst  es:  »die  Sprache  der  Person,  die 
die  Sav.kn.  aus  diesem  glagolitischen  Original  i)  abgeschrieben  hat, 
gehörte  einem  bestimmten  andern  altslavischen  Dialekt  an,  wobei 
der  Schreiber  bei  der  Abschrift  seine  heimatliche  Mundart  mit  sol- 
cher Kühnheit  und  Genauigkeit  ausdrückte,  wie  kein  einziger  von 
den  Schreibern  der  übrigen  altslavischen  Denkmäler.  Dank  dieser 
besonderen  Klarheit  der  Mundart  hat  die  Sav.  kn.  auch  besondere 
Bedeutung  für  die  Beurtheilung  der  übrigen  altslavischen  Denk- 
mäler, da  sie  sehr  oft  die  Frage  entscheidet,  was  in  diesen  letzteren 
der  lebendigen  Mundart  der  Schreiber,  was  der  graphischen  Tra- 
dition oder  dem  Original  angehört.  Deswegen  bildet  die  Erfor- 
schung der  Sprache  der  Sav.  kn.  gewissermassen  nothwendig  den 
Ausgangspunkt  für  die  Erforschung  der  altslavischen  Dialektologie 
überhaupt«. 


1)  Scepkin's  Ansicht  ist,  der  Sav.  kn.  liege  ein  Original  in  glagolitischer 
Schrift  zu  Grunde. 


Noch  einmal  x  und  l  in  den  altkirchenslaviscben  Denkmälern.  3 

Er  hat  in  PasyacA-  0  as.  C.  kh.  einen  erstaunlichen  Scliarfsinn 
darauf  verwendet,  alle  und  jede  Schreibung  der  Silben  mit  altem 
1»,  h  aufzuklären,  um  so  ein  sichres  und  genaues  Bild  des  altbul- 
garischen Dialekts  zu  gewinnen,  dem  der  Schreiber  der  Handschrift 
angehört  hat.  Ich  will  im  folgenden  zeigen,  dass  das  Unternehmen 
nicht  gelungen  ist  und  nicht  gelingen  konnte.  Setzen  wir  aber  zu- 
nächst voraus,  es  sei  gelungen,  so  handelt  es  sich  um  die  Begrün- 
dung und  Erklärung  der  sehr  zahlreichen  Abweichungen  von  einem 
rein  lautlich  bestimmten  Idealbilde  des  Dialekts,  die  der  Codex  in 
der  Wiedergabe  der  i».-,  k-Silben  aufweist.  Die  Ursachen  davon 
können  sein:  1)  zufällige  Versehen,  Verschreibungen,  wie  sie 
überall  bei  handschriftlicher  Ueberlieferung  vorkommen,  aber  für 
das  Urtheil  über  die  Sprache  gleichgiltig  sind;  2)  einfaches  Ab- 
schreiben der  dialektisch  vielleicht  anders  gefärbten  oder  einem 
älteren  Zustand  der  Sprache  angehörenden  Vorlage,  sei  es  mecha- 
nischer, gedankenloser  "Weise,  sei  es  absichtlich  aus  irgend  welchen 
äusseren  Gründen,  z.  B.  zur  Ausfüllung  der  Zeile,  der  Deutlichkeit 
wegen  0.  a.  3)  Die  lautliche  Folgerichtigkeit  des  dialektischen 
Idealbildes  kann  dadurch  gebrochen  sein,  dass  sogenannte  Analogie- 
bildungen eingetreten  sind;  auf  den  vorliegenden  Fall  angewendet, 
dass  Tk,  k  an  bestimmten  Stellen  eigentlich  schwinden  sollten,  aber 
nach  Formen,  wo  sie  erhalten  bleiben  mussten,  wieder  eingefügt 
oder  festgehalten  sind;  dass  aus  Formen,  die  nach  den  Regeln  des 
Dialekts  t^  haben  sollten,  k  wieder  eingetreten  oder  bewahrt  ist 
nach  andern  Formen,  die  k  nach  den  geltenden  Regeln  normal 
haben,  und  umgekehrt. 

I.   Völliger  Schwund  von  ^k,  k. 

Zur  Veranschaulichung  wähle  ich  zunächst  zwei  Beispiele 
aus:  es  kommen  vor  31  Fälle  verschiedener  vom  lufinitivstamm 
des  Verbums  ntcaTH  abgeleiteter  Formen,  stets  ncarn  geschrie- 
ben, daneben  von  der  Silbengestalt  ntc-  nur  drei  Beispiele,  ver- 
schieden geschrieben:  ncH  (canes),  ms.coM'K,  nbcoM'K.  Es  finden 
sich  48  mal  Formen  des  Präsens-  und  Infinitivstammes  von  nocK- 
-\aTH,  ohne  Ausnahme  mit  'k  geschrieben,  daneben  6  Beispiele  mit 
sonstiger  Silbe  CbA-,  cka-,  deren  Schreibung  schwankt:  OCAd  ocaa 
OCAH,  OCKAT».  ocKAA  ockAA  (S.  1 24, 1 25).  Natürlich  wird  jeder  den 
Schluss  ziehen:  der  Schreiber  hat  rcath  gesprochen.  Nun  scheinen 

1* 


4  '  A.  Leskien, 

aber  die  Bedingungen  bei  ni^caTH  HankcaTH  und  nocKAaTH  ganz 
gleich,  auch  in  der  Betonung,  der  Hochton  fiel  auf  die  dem  nkc-, 
CTkA-  folgende  Silbe.  Warum  wird  also  in  einem  Falle  der  schwache 
Vokal  regelmässig  ausgeworfen,  im  andern  ebenso  regelmässig 
bewahrt?  Scepkin's  Erklärung  lautet  so  (S.  147):  »Die  vollständig 
konsequente  Erhaltung  des  Halbvokals  im  Verbum  nock/iaTH  kann 
nur  durch  Analogiewirkung  erklärt  werden.  Wir  haben  oben  ge- 
sehen, dass  die  Verba  Kfp;^  KparH  und  hhuj;^  ncaTH  den  Halb- 
vokal auf  lautlichem  Wege  verloren  haben  in  den  vom  Infinitiv- 
stamm abgeleiteten  Formen;  in  diesen  Verben  konnte  deswegen 
keine  grammatische  Analogie  auf  die  Erhaltung  des  Halbvokals 
wirken,  weil  der  Stamm  Ki^p-,  nkc-  allein  stand;  eine  Entsprechung 
zwischen  Präsens-  und  Infinitivstamm  fand  nicht  statt,  und  in  dieser 
Beziehung  berührten  sich  beide  Verba  mit  koaki^  kaath,  eopi;^ 
KpaTH,  die  in  der  Gruppe  ka,  Kp  nie  einen  Halbvokal  hatten;  ckaiä 
CKAATh  dagegen,  das  die  gleiche  Wurzelgestalt  in  beiden  Stämmen 
hat,  berührte  sich  mit  opiT^  opaTH,  ctchür  cTfHaTH  und  der 
ganzen  Masse  der  Verba  derselben  Klasse,  die  gleichen  Wurzel- 
vokal in  beiden  Stämmen  haben;  der  Einfluss  dieser  Analogie 
wurde  verstärkt  durch  das  Vorhandensein  von  ckat^  nocKAT^  mit 
einem  'K,  das  lautlich  nicht  ausfallen  konnte«.  Mir  kommt  das  auf- 
fallend vor:  die Correspondenz  der  Vokale  in  opKSv  opaTH  u.  a.  soll 
die  Beibehaltung  desselben  Verhältnisses  in  ckahr  ckaath  be- 
wirkt haben;  aber  wenn  nun  der  Dialekt  seiner  offenbaren  Neigung 
zum  Auswerfen  der  schwachen  Vokale  hier  nachgegeben  und  ein 
CAi*  nocAi^f;,  CAATH  nocAATH  hervorgebracht  hätte,  so  war  ja  die 
Gleichheit  der  Wurzelgestalt  (ca-)  in  Präsens-  und  Infinitivstamm 
ebenfalls  vorhanden,  oder  besser  ausgedrückt,  ohne  die  Heran- 
ziehung einer  fiktiven  Wurzel:  caitR  caath,  nocAi^  nocAarH 
stellen  ein  ebenso  normales  Verhältniss  dar  wie  opix>,  opaTH  u.  ä. 
Die  Hülfe  von  ckatj.  iiockat».  nützt  nichts,  denn  woher  will  man 
wissen,  dass  gerade  diese  Formen  wirken  mussten  und  nicht  etwa 
die  obliquen  Casus,  in  denen  nocAa  für  nccKAa  u. s.w.  gesprochen 
sein  kann.  Ein  ähnliches  Verhältniss  wie  zwischen  ncaTH  und 
CKAATH  wiederholt  sich  in  hto  und  dem  Verbum  miiT;*^  (S.  125): 
95  mal  ist  hto  geschrieben,  sicher  der  schwache  Vokal  nicht  ge- 
sprochen, 7  mal  steht  hts.to,  dagegen  in  9  Fällen  von  MkTAi  ist  der 
Vokal  stets  vorhanden,  wird  S.  145  als  gesprochen  angenommen. 


Noch  einmal  i.  und  t  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.  5 

und  hier  soll  die  Analogie  von  mcx^  hicth,  nMTx^  rakth  u.  ä. 

die  Beibehaltung  des  k  bewirkt  haben,  also  nach  demselben  Prinzip 
wie  oben  bei  CTs.AaTH.  Aber  ganz  gleich  sind  diese  Fälle  nicht, 
denn  die  Vokalverhältnisse  sind  nicht  dieselben:  in  cfluf.  opaTH, 
CTvA»^  c'KAaTH  haben  beide  Stämme  den  gleichen  Vokal,  in  HKT;si 
MHCTH  aber  nicht;  trotzdem  sollen  die  Sprechenden  nicht  den  nahe- 
liegenden Anschluss  von  mlt;^  an  mhcth  suchen,  um  ein  *hhtä; 
zu  bilden  (vgl.  den  umgekehrten  Fall  Inf.  nHcarn  statt  nkcaTH 
nach  dem  Präs.  nHUj;^),  sondern  nehmen  Hfc;i^  hccth.  Mir  scheint 
es  an  sich  misslich,  aus  den  9  Fällen  von  HkT-  etwas  sicheres 
schliessen  zu  wollen;  so  gut  die  9  Beispiele  von  ht^to  aus  der 
Vorlage  übernommen  sind,  kann  das  bei  dem  neunmaligen  MkT- 
der  Fall  sein.  Aber  ich  will  davon  absehen  und  auf  einen  andern 
Punkt  kommen.  Betrachtet  man  das  Verzeichniss  Scepkin's  (S.  115 
bis  126),  so  könnte  es  scheinen,  als  ob  von  den  dort  verzeichneten 
Verben  (die  Beispiele  SHaTH,  kaath,  lUip'tTH  gehören  selbstver- 
ständlich nicht  dahin)  überhaupt  nur  Infinitivstämme  auf  a  den 
schwachen  Vokal  verlieren  und  nur  dann,  wenn  das  Präsens  einen 
Vollvokal  hat:  KpaTH  (zu  Kfp;^;  für  EkpaTH  K'kpaTH)  18  mal, 
neben  K'kpaTH  4  mal;  thath  (für  r'knaTH;  zu  iKeH;s^)  9  mal,  rk- 
HATH  einmal;  pas-AP^^TH  (zu  A^P^i  =  A^^P^^th,  A'^P^^t'")  ein- 
mal; CTk-SA^^TH  (zu  3HJKA^)  Zweimal,  neben  c'k3'kA<*'T"  einmal; 
ncaTH  (für  nkCATH,  zu  nHUj;^)  31  mal.  Dagegen  haben  die  Verba 
mit  durchgehendem  schwachen  Vokal  und  mit  Infinitivstamm  auf 
t,  so  wie  ckAATH,  bei  gleichem  Vokal  in  beiden  Stämmen  die 
schwachen  Vokale  bewahrt:  CkAKR  ckaath  48  mal,  lUikHHK  Mk- 
HtTH  23  mal,  3kpHR  Skp-kTH  (s'kp-)  42  mal.  Man  könnte  also 
versucht  sein,  eine  irgendwie  dann  zu  begründende  Regel  aufzu- 
stellen: die  Infinitivstämme  auf  a  lassen  einen  schwachen  Vokal 
der  Wurzelsilbe  dann  schwinden,  wenn  der  Präsensvokal  verschie- 
den ist;  dagegen  alle  Verba,  die  im  Präsensstamm  das  gleiche  w 
oder  1%.  haben,  behalten  es.  x4.ber  das  wäre  eine  Täuschung,  die 
Thatsachen  stimmen  dazu  nicht,  denn  es  heisst  neben  30 b;^  stets 
STvBATH  (30  mal,  nie  3ßaTH).  Dass  3'kßaTH  in  dem  genannten 
Verzeichniss  Scepkin's  nicht  steht,  kommt  nur  daher,  dass  er 
Fälle  von  erhaltenem  t»,  k  nicht  aufnimmt,  wenn  die  Conso- 
nantengruppe,  die  durch  den  Ausfall  entstehen  würde  (hier3B), 
sonst  in  Folge  dieses  Wegfalls  nicht  vorkommt;  daher  fehlt  dort 


6  A.  Leskien, 

auch  KT^^IvTH  (BkA'feTH),  ebciiso  cTvr'KH;Rß'K,  weil  es  vereinzelt 
ist,  hätte  aber  mit  H3rnaTH  rkHaujA  parallelisirt  werden  müssen, 
da  die  Lautverhältnisse  bei  r'KHaTH  und  r'KH;¥;TH  ganz  gleich 
sind.  Was  kann  es  Überhaupt  nützen,  gerade  vorhandene  Parallelen 
consonantisch  gleicher  Lautgruppen  herauszuheben  und  nicht  die 
Gesammtheit  aller  Fälle,  in  denen  Gelegenheit  zum  Ausfall  der 
schwachen  Vokale  gegeben  war,  im  Zusammenhang  vor  Augen  zu 
haben?  Wenn  man  so  verfährt,  ergibt  sich  folgendes  Bild:  in 
Verben  ist  der  schwache  Vokal  erhalten  ausser  in  den  schon  oben 
angegebenen  1 22  Fällen  in  sikBaTH  30  mal,  E'k;i,'KTH  (Bk;i,-)  9  mal, 
Präsensformen  von  j^ti,  K'K3-,  HS-hü;^  ausnahmslos  ca.  30  mal  mit 
Tk  oder  h;  Präsensformen  von  math:  hj-,  bt^-hiih;^  (-mt^h-)  8 mal, 
AOßi^AeTi»,  2  mal.  Präsensformen  von  >katm,  jkkh-  jk'kh-  3  mal, 
CTbpe  (-T'Kpf)  2  mal,  nocTKAaiUA  1  mal;  Formen  des  Präsens 
pAc-nkH;^  (-nikH-)  13  mal,  c'Kr'kH;i^ß'K  1  mal,  Präsens  ckrh-  (der 
Infinitivstamm  von  C'knaTH  kommt  zufällig  nicht  vor)  8  mal,  dazu 
o^fC'Kne  2  mal  (3.  sg.  aor.  zu  c>YC'kH;ixTH),  Präsens  TkAHTi».  3  mal, 
o^nTvEaTH  2  mal.  Also  zu  jenen  122  kommen  noch  HO  Fälle  hinzu; 
diesen  in  runder  Zahl  230  Beispielen  der  Erhaltung  von  Tv,  k  in  der 
Wurzelsilbe  von  Verben  stehen  ca.  70  des  Schwundes  gegenüber, 
darunter  31  allein  von  ncarii,  18  von  BpaTH,  9  von  rHaTH.  L'gend 
ein  Zufall  darf  nach  Scepkin's  Auffassung  in  diesen  Verhältnissen 
nicht  walten,  und  er  findet  sich  in  der  That  mit  allen  Fällen  ab. 
Ich  setze  die  Stelle  (S.  143)  zur  Charakteristik  seiner  Methode  und 
Darstellungsweise  hierher:  »In  den  Formen  des  Verbums  MkHi^ 
MbriHUiH  luikH'kTH  (immer  mit  k)  konnte  sich  der  Halbvokal  laut- 
lich nicht  halten,  offenbar  hat  auf  die  Bewahrung  des  k  auch  hier 
irgend  eine  Analogie  wirksam  sein  müssen.  Wir  haben  oben  ge- 
sehen, dass  das  Verbum  skpii^  skpHuiH  Skp'KxH  (STkp-)  ebenfalls 
niemals  den  Halbvokal  verliert,  unten  werden  wir  neben  den  Formen 
HTO,  HtHTO,  HHHTOJKf  die  kouscqueute  Schreibung  HkT;i^  MkTEiuH 
(mtvT-)  finden.  Von  einer  orthographischen  Manier  kann  im  ge- 
gebenen Falle  nicht  die  Rede  sein:  die  konsequente  Schreibung 
MkHiT^  MkH'RTH,  Skp-STH,  HkT;^  fiudcu  wir  auch  im  Dialekt  des 
Zographos-Evangeliums  (Archiv  I,  35—38,  47—48)  i).    Vielleicht 


1)  Was  die  Anführung  des  Zogr.  hier  soll,  ist  mir  unverständlich;  dessen 
Schreib-  oder  Sprechweise  hat  doch  mit  der  lebendigen  Sprache  des  Schrei- 


Noch  einmal  t  und  b  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.  7 

hat  in  den  angeführten  Formen  zu  einer  Zeit  die  Sprache  versucht, 
die  alte  Silbenzahl  dieser  Klasse  zu  bewahren,  d.  h.  z.  B.  in  3Kp;?; 
3kp1iTH  nach  Analogie  von  ropi^ix  rop'kTH,  in  HkT;^  mhcth  unter 
dem  Einfluss  von  n^fT/i;  nAtCTH.  In  der  ersten  Verbalklasse 
wirkten  diese  Analogien  offenbar  am  stärksten:  in  der  Sav.  kn. 
finden  wir  noch  k^ksath  —  ijt».3'kiii;r  BkS'kMfiUH  KkSKimeTTvu.s.w., 

K'kHATH  —  K'KH'KHeT'k  KkSkNETT».  ßkMkH;^T'k,  HaMATH  —  HaMk- 
HtUIH   HaHkHfT'k  U.  S.  W.,    JKATH  —  JK'kH/RT'K  >KkHAI,  paCRATH 

pacnkH;^  u.  s.  w.,  Schreibungen  ohne  den  wurzelhaften  Halbvokal 
kommen  nicht  vor;  so  finden  wir  auch  in  der  zweiten  Abtheilung 
der  I.  Kl.  soKfT'k  —  S'KKaY;«;  3T»,Ka  3'kKaT'T\  u. s.w.  In  allen  die- 
sen Fällen  darf  man  Analogiewirkuug  annehmen.  In  andern  Verbal- 
klassen waren  die  Bedingungen  andere  und  der  Halbvokal  der 
Wurzelsilbe  fand  keine  so  starke  Stütze;  so  wurden  z.  B.  neben 
nHiii;^  tkih;^  die  auf  lautlichem  Wege  gewonnenen  Formen  ncaTH 
THaTH,  neben  ßep;^  das  KpaTH  deswegen  festgehalten,  weil  neben 
KOAK^  Kopii^  die  Formen  KAaTH  KpaTH  ohne  Halbvokal  bestanden ; 
aber  auch  in  dieser  (dritten)  Klasse  finden  wir  in  Sav.  kn.  nocKAi^ 
(==  MX.)  nocKAATH,  cTvnaTH  c'KHHT'k,  in  den  Fällen,  wo  in  beiden 
Stämmen  der  Wurzelvokal  derselbe  ist  (dagegen  neben  c'k3H>KA;R 
ein  c'k3'TkA<*TH  und  c'K3A*»th).  Zu  dem  Auftreten  der  Form  Mp;^ 
Mp£iiiH  mit  ausgefallenem  k  konnte  der  zweite  Stamm  wirken  in 
seiner  Form  np-tTH  ohne  Halbvokal;  in  den  Formen  des  Verbums 
CTp'tTH  wirkte  dieselbe  Analogie,  npocrpH  Sav.  74  statt  npocTkpn, 
aber  andrerseits  finden  wir  auch  npocrp'k  58  neben  npocTkplJ  74; 
solcher  Weise  wurden  beide  Stämme  vermischt,  vertraten  einer  den 
andern;  npocTkp'k.  33,  41,  75b  und  OTkpkiuH  81  haben  das  k  in 
einer  Stellung,  die  den  lautlichen  Verlust  des  Halbvokals  nicht  ge- 
stattete. In  OTkpf  ist  der  alte  Präsensstamm  bewahrt,  in  orivpe 
finden  wir  den  Uebergang  von  k  in  t».  gegen  ein  Lautgesetz  der 
Sprache  der  Sav.  kn. ;  die  Schwankungen  tragen  auf  diese  Weise 
einen  Charakter,  wie  er  sich  in  den  Formen  des  Verbums  ivip;*^  wpeiuH 
nicht  findet.  Das  bringt  auf  den  Gedanken,  dass  das  Verbum  Tkp;si 
Tp-kTH  in  der  lebendigen  Rede  des  Schreibers  nicht  mehr  existirte 
und  die  Schwankungen  entweder  ausschliesslich  graphische  Be- 
deutung haben  oder  dem  Original  der  Handschrift  angehörten«, 

bers  der  Sav.  kn.  nichts  zu  schaffen;  mag  jener  gesprochen  haben  wie  er  will, 
dieser  kann  sich  darnach  nicht  gerichtet  haben. 


8  A.  Leskien, 

Zu  meiner  und  vielleicht  aucli  zu  des  Lesers  Erleichterung 
stelle  ich  deutlich  neben  einander,  was  alles  von  Verfahrungs- 
weisen  einem  und  demselben  Lautverhältniss  gegenüber  dabei 
herauskommt : 

1)  3kp;^  Sbp'feTH  u.  ä.  sollten  nach  der  Entwicklungstendenz 
der  Mundart  eigentlich  den  schwachen  Vokal  verlieren,  behalten 
ihn  aber,  um  zu  Liebe  von  ropKR  rop'feTH  die  alte  Silbenzahl  zu 
bewahren. 

2)  RhcaTH  BkpdTH  n^HaTH  verlieren  'k,  k,  weil  der  Präsens- 
vokal ein  anderer  ist,  zu  Liebe  von  koaijR  KAaTH. 

3)  30b;^  S'kßaTH,  das  den  gleichartigen  Unterschied  von 
Präsens-  und  Infinitivstamm  hat,  kehrt  sich  daran  nicht,  sondern 
S'kßaTH  bleibt,  während  man  doch  vermuthen  möchte,  sok;?.  als 
im  Vokal  gleich  mit  koah^  Bopi^  könnte  eher  dem  KAaTH  EpaTH 
ein  sßaTH  an  die  Seite  stellen,  als  das  im  Vokal  ganz  verschiedene 
RHUj;^  sein  ncaTH.  Man  wird  doch  nicht  annehmen  sollen,  dass 
die  Einth eilung  der  Verbalklassen  in  unsern  Grammatiken  für  die 
Sprechenden  bestimmend  gewesen  sei? 

4)  cka;^  (ckaijR)  ckAATH  behält  das  "k,  weil  es  sich  anlehnt 
an  opKR  cpaTH  und  alle  die  Verba  derselben  Klasse,  die  einen 
vollen  Wurzelvokal  haben  und  ihn  also  nicht  ausfallen  lassen 
können. 

5)  Mp;^  verliert  k,  weil  es  sich  nach  Mp'kTH  richtet. 

6)  npocTpH  hat  sich  nach  -ctp'Sth  gerichtet,  daher  kein  k, 
aber  npocTkp'k  muss  sein  k  aus  dem  Präsens  -CTkp;^  bezogen 
haben;  der  Schreiber  hat  demnach  npocTp;^  gesprochen,  wenn  ihm 
gerade  npocrp'kTH  dunkel  ins  Bewusstsein  kam,  npccTkp-STH, 
wenn  ihm  gerade  npocTkp;^  vorschwebte,  es  kam  ihm  also  nicht 
darauf  an,  bald  npocTkp;^  bald  ußo^crp^,  das  eine  mal  npocTk- 
p'tTH,  das  andre  mal  npocxp'KTH  zu  sprechen. 

7)  Ein  wahres  Unglück  ist  CTkpe  OT'kpe  (3.  sg.  aor.),  dem  ist 
mit  den  bisherigen  Erklärungsversuchen  nicht  beizukommen.  Was 
bleibt  übrig?  Die  verzweifelte  Annahme,  das  Verbum  Tkp;s;  TptLTH 
habe  wohl  in  dem  Dialekt  des  Schreibers  überhaupt  nicht  existirt ; 
dann  konnte  er  es  ja  ruhig  buchstäblich  aus  seiner  Vorlage  ab- 
schreiben. 

Aber  mit  den  Verben  darf  man  sich  nicht  begnügen ;  verbale 
und  nicht  verbale  Bestandtheile  der  Sprache  unterliegen  ja  den 


\ 


Noch  einmal  x  und  l  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.  9 

gleichen  lautgesetzlichen  Verhältnissen,  der  gleichen  geschichtlichen 
Lautentwicklimg  der  Sprache.  Während  in  den  überaus  häufigen 
Formen  von  KkCk  (onmis)  und  seinen  Ableitungen  mit  ein  paar 
Ausnahmen  der  schwache  Vokal  beständig  fehlt,  ebenso  in  kt^to 
(107  mal  KTO,  3  mal  K'kto),  steht  er  ausnahmslos  in  K^kUHra  und 
K'kHASk  mit  ihren  Ableitungen  (fast  50  mal).  Warum  bleibt  er 
hier?  Auf  S.  118  werden  die  wenigen  Fälle  aufgezählt,  in  denen 
die  Präposition  bt».  (kk)  vokallos  geworden  ist:  k  cek'K  10  mal  (ßk 
ceKt:  einmal),  ß  cfAlv\"k  einmal;  Formen  von  B'kCfAHTH  zeigen 
6  mal  ßCf/\-,  einmal  ß'kCfA-,  dann  werden  noch  angeführt  einmal 
vorkommendes  ßk  chaIj,  zweimaliges  ßk  chi*,  dazu  der  Zusatz : 
»die  übrigen  Beispiele«  (nämlich  der  Lautgruppe  ßkc-)  »haben  nach 
c  einen  Consonanten«.  Aus  den  Gesammtfällen  wird  S.  126  der 
Schluss  gezogen:  »die  Gruppe  ßkc-  hat  offenbar  im  Dialekt  der 
Sav.  kn.  ihren  Halbvokal  nicht  nur  in  den  Grenzen  eines  und  des- 
selben Wortes  verloren,  sondern  verlor  ihn  auch  im  Sandhi«  (ge- 
meint ist  in  Wortgruppen  wie  ß  c6/\'Rx"k).  Was  berechtigt  einen 
aber.,  die  paar  Fälle,  in  denen  ßi».  (ßk)  gerade  vor  c  steht,  loszu- 
trennen von  den  sonstigen  Verbindungen  der  Präposition  mit  anders 
anlautenden  Wörtern?  Wie  unterscheidet  sich  denn  B'KcaAHTH 
B'kCHraTH,  ß'k-(ßk-)  ckcTH,  die  im  Codex  ihr  t^  bewahren,  von 
B'k-(Bk-)cfAHTH?  Warum  fällt  das  Tv  (k)  von  bt».  (ßk)  vor  keinem 
andern  Consonanten  als  c  aus ;  was  kann  den,  der  bccahth  spricht, 
hindern  bsäth  statt  ß'kSATH  (ßkSATH)  zu  sprechen  und  warum 
lässt  er  hier  t».  (k)  bestehen?  Ferner,  die  Formen  von  ckTßOpHTH 
werden  90  mal  CTßop-,  nur  zweimal  CkTBop-  geschrieben;  in  Folge 
davon  heisst  es  S.  149:  »die  Gruppe  CkTßO-  hat  ihren  Halbvokal 
verloren;  die  vereinzelten  Schreibungen  cts.tbc»p;r  cnkTBCpfi  müssen 
graphisch  erklärt  werden,  als  phonetische  Schreibung  erscheint  für 
den  Dialekt  der  Sav.  kn.  ctb-«.  Es  wird  natürlich  kein  Mensch 
annehmen,  der  Schreiber  der  Handschrift  habe  noch  ckTßopHTH 
gesprochen.  Nach  Scepkiu  hat  er  aber  nur  hier  das  i».  nicht  mehr 
gehabt,  in  allen  andern  Verbindungen  das  t*  von  Ck  gesprochen. 
Ich  frage  mich  dabei  vergeblich,  was  denn  die  Lautgruppe  ct^tbo- 
eigentlich  für  innere  Eigenschaften  habe,  dass  gerade  sie  das  1%. 
fallen  lassen  muss,  während  noch  dazu  die  Anlautsgruppe  ctb-  in 
der  Sprache  fast  nicht  vorkommt.  Der  sonderbare  Schreiber  muss 
CTBopHTH  sprechen,  aber  CkßfCTH,  CkKasdTH,  ckAliCTH,  ck- 


10  .  A.  Leskien, 

nacTH,  CTs.p'feCTH  spricht  er  mit  'K,  nicht  ckecth,  cKasATH  u. s.w., 
obwohl  CB  CK  CA  cn  cp  der  Sprache  geläufige  Anlautsgruppen  sind. 
Auf  das  oben  schon  erwähnte  KkCk  (omnis)  muss  ich  noch  in 
andrer  Beziehung  eingehen.  Nahe  an  250  mal  wird  ßc-  geschrieben, 
nur  12  mal  steht  bkc-  (bt^c-;  einmal  b'cl);  unter  den  Fällen  sind 
15  Beispiele  von  bcl  (=  nom.-acc.  BkCk).  Aus  ßkck  konnte  nach 
den  sonst  beobachtbaren  gleichen  Lautverhältnissen  der  erste 
schwache  Vokal  nicht  ausfallen,  Scepkin  bemüht  sich  aber  (S.  128), 
ein  BCk  als  gesprochene  Form  glaubhaft  zu  machen:  »bck  anstatt 
der  alten  regelrechten  Form  ßhCh  könnte  angesehen  werden  als 
graphische  Variante  oder  Verschreibung,  entstanden  unter  dem  Ein- 
fluss  der  obliquen  Casus  mit  bc-;  aber  die  Rechtschreibung  der 
Sav.  kn.  ist  ganz  und  gar  frei  von  graphischer  Bedingtheit  und  für 
Verschreibungen  sind  die  in  Betracht  kommenden  Formen  zu  zahl- 
reich. Man  kann  daran  denken,  dass  die  Form  BCk  =  Ttäg,  yMiurja 
(BkCk  xcüiit]  wird  nämlich  in  den  5  vorkommenden  Fällen  auch  BCk 
geschrieben)  »wirklich  unter  dem  Einfluss  der  obliquen  Casus  ent- 
stand, aber  nur  in  der  lebendigen  Rede.  Solche  Neubildung  wie 
BCk  ist  vollständig  möglich  auf  Grund  der  Annahme,  dass  aus- 
lautende 'k,  k  im  Dialekt  der  Sav.  kn.  noch  konsequent  ausge- 
sprochen wurden,  und  am  Ende  eines  einsilbigen  Wortes,  wie  wir 
gesehen  haben,  sich  sogar  der  vollvokalischen  Gestalt  näherte :  o 
und  (((.  Dies  bezieht  sich  darauf,  dass  neben  Ck  ck  (33  mal)  auch 
5  mal  c(  an  Stellen  vorkommt,  wo  nach  dem  griechischen  Text  Ck  = 
o'öTog  erwartet  wird  (S.  102);  nur  an  einer  Stelle  Bl.  46''  (=  Matth. 
21.  42)  kann  man  sicher  behaupten,  dass  das  Masc.  gemeint  ist,  an 
den  andern  kann  das  Neutrum  gemeint  sein,  es  sind  Stellen,  in 
denen  o^vög  eari  stark  deiktisch  steht;  aber  ich  gebe  ruhig  zu, 
dass  an  allen  fünf  Stellen  ovrog  zu  verstehen  ist.  Leider  findet 
sich  nun  nicht  neben  solchem  c£  auch  ein  *BCf  =  jtäg  Tcavxa.  Auch 
dieser  Schwierigkeit  wird  Scepkin  Herr:  »wenn  sich  in  der  Sav. 
kn.  neben  c«  ovrog  die  Schreibung  bc«  rcäg  nicht  findet,  so  erklärt 
sich  das  wahrscheinlich  daraus,  dass  das  Wort  Ttäg  fast  nicht  im 
Stande  war,  den  starken  logischen  Accent  zu  bekommen,  unter  dem 
sich  das  hinweisende  otxog  nicht  selten  befindet«.  Ich  habe  im 
Gegentheil  die  Empfindung,  dass  an  einer  ganzen  Anzahl  von 
Stellen,  wo  BCk  steht,  ein  starker  Nachdruck  daraufliegt,  vgl.  z.B. 
93''  (Joh.  13. 10)  TAdroAa  eiuio^  iccyct».-  HSM'KBfH'Ki  He  rp'feEoycT'k 


Noch  einmal  t  uud  l  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.         1 1 

T'KKMO  HC»3'R  OYM'KITH,  tCTTv  KO  BCb  MHCT^K,  b  leloVl-LeVOg  Ol) 
XQslav  %%eL  /;  tohg  Ttödag  viipaad'aij  äXX'  eoriv  -/.ad-ctQog  oXog ; 
mehr  Nachdrücklichkeit  kann  man  doch  nicht  verlangen;  oder  44 
(Matth.  18.  30)  ßf,A,'k  i  KT^ca^XH  Bk  TkiiikHHii,;si,  A^^m^A^^^f  ktv3- 
yVacT'k  KCk  ^VATvr-k  CKOi,  wo  die  slavische  Uebersetzung  sogar 
gegen  den  griechischen  Text  (ewg  änodCü  rb  dfp£il6f.ievov)  das  KkCk 
eingesetzt  hat,  offenbar  mit  starker  Betonung  der  ganzen  Schuld. 
Die  Schreibung  ßck  ohne  Vokal  ist  weiter  nichts  als  eine  Abbre- 
viatur des  häufigen  und  im  Zusammenhange  ohne  weiteres  ver- 
ständlichen Wortes,  und  steht  ganz  auf  einer  Linie  mit  K'k  (Kon»,), 

HßCK'kl   (HEKfCkCK'kl),   HBCH'ki  (HfKf CkH'kl),  J^Uh  ^'^Hk  (AI*MI^)- 

Scepkin  kommt  zu  solchen  weithergeholten  Erklärungsver- 
suchen durch  seine  ganze  statistische  Methode.  Kommt  die  Weg- 
lassung des  'k,  k  in  einem  bestimmten  Worte  regelmässig  oder  fast 
regelmässig  oder  sehr  häufig  oder  überwiegend  vor,  so  schliesst  er, 
und  wo  es  sich  nicht  etwa  um  Abbreviaturen  handelt,  wie  bei  ßCk 
^Hk,  mit  Kecht,  die  Vokale  seien  nicht  mehr  gesprochen  worden, 
die  wenigen  Fälle  der  Erhaltung  lassen  sich  dann  einfach  als  Nach- 
ahmung der  Vorlage  erklären.  Sind  die  Beispiele  von  Erhaltung 
und  Verlust  an  Zahl  wenig  verschieden  oder  gleich,  so  tritt  natür- 
lich eine  Verlegenheit  ein,  z.  B.  bei  st^ati  mit  seinen  Formen  und 
Ableitungen:  10  mal  3a-,  10  mal  S'kA-  (3kA-).  Ein  weniger  scharf- 
sinniger Mensch  wäre  vielleicht  thöricht  genug  zu  meinen :  ein  Mann, 
der  10  mal  3a-  schreibt  und  so  gesprochen  hat,  kann  in  den  andern 
10  Fällen  auch  nur  so  gesprochen  haben;  wo  er  noch  bimx-  (3kA-) 
schreibt,  hat  er  eben  seine  Vorlage  abgeschrieben.  Nicht  so  Scep- 
kin, er  stellt  eine  viel  feinere  Erwägung  au  (S.  138):  »in  der  Gruppe 
3'kA-  bietet  die  Sav.  kn.  bedeutende  Schwankungen,  wie'  man  sie 
bei  dem  Schreiber  unsers  Denkmals  im  Falle  vollkommenen  Schwin- 
dens des  Halbvokals  nicht  erwarten  würde.  Man  muss  bemerken, 
dass  die  Wörter  3A0Ba  saoa'^h  immer  ohne  t».  geschrieben  werden 
und  man  nur  in  den  Formen  des  Adjektivs  S'kA'k,  des  Substantivs 
3'kAO  und  des  Adverbs  3kA'k  Schwanken  findet;  vielleicht 
wurde  der  Halbvokal  in  diesen  Formen  durch  grammatische  Ana- 
logie gestützt:  nehen  3'kA'k  blieben  3'kAA  3'kAO  3kA'K  bewahrt, 
weil  neben  B'KA'k  AP^^'^'i»'  tlie  zweisilbigen  Formen  b'Sao  AP**'''^? 
neben  A'^Kp'k  a^^kP'^  vorhanden  wäre  Man  sieht,  diese  Leute  des 
XL  Jahrh.  sind  nie   verlegen,   wenn   sie   gegen  ihre   natürliche 


12  A.  Leskien, 

NeiguDg,  den  schwachen  Vokal  auszuwerfen,  eine  Hilfe  brauchen, 
in  irgend  einer  Sprachecke  finden  sie  immer  etwas,  das  ihnen  aus 
der  Verlegenheit  hilft. 

In  den  Worten,  die  einen  an  sich  möglichen  Ausfall  von  'k,  k 
in  der  Schrift  überhaupt  nicht  zeigen,  wird  angenommen,  der  Vokal 
sei  gesprochen  worden,  mögen  die  Widersprüche  gegen  analoge 
Fälle,  wo  1%,  h  in  der  Schreibung  der  Sav.  kn.  nicht  steht,  in  laut- 
licher Beziehung  noch  so  gross  sein.  Wenn  man  so,  wie  Scepkin  es 
thut,  alles  vereinzelt,  die  analogen  Fälle  nicht  im  Zusammenhang 
betrachtet,  kommt  ein  Dialekt  heraus,  den  ich  in  dieser  Gestalt  für 
eine  bare  Unmöglichkeit  halte.  Von  welchen  Zufälligkeiten  übri- 
gens seine  Bestimmungen  zuweilen  abhängen,  davon  noch  ein  Bei- 
spiel:  S,  119  werden  14  Fälle  des  Vorkommens  von  OBki^a  und 
seinen  Formen  genannt,  alle  mit  k  ausser  einmaligem  OB'ki^A; 
dazu  S.  129  die  Bemerkung:  »in  der  Gruppe  -Kku,-  ist  der  Ausfall 
des  k  von  Jagic  zweimal  im  Zogr.  angemerkt,  in  den  übrigen  Fällen 
wird  im  Zogr.  nur  k  geschrieben,  ein  Beweis  einer  bestimmten 
Weichheit  des  folgenden  ii,;  in  der  Sav.  kn.  gibt  es  keinen  Aus- 
fall in  dieser  Gruppe«  u.  s.  w.  Das  ganze  Gerede  ist  hinfällig, 
wenn  Scepkin's  Ausgabe  zuverlässig  ist,  denn  da  steht  125*'  wirk- 
lich Oßll^A. 

Mir  kommt  die  Lösung  der  Frage  nach  dem  Ausfall  der 
schwachen  Vokale,  wenn  ich  die  gesammte  Beschaffenheit  der 
Quelle  betrachte,  ziemlich  einfach  vor : 

1 )  Der  Schreiber  hat  im  allgemeinen  in  seiner  täglichen  Rede 
die  schwachen  Vokale  in  offenen  Silben  nicht  mehr  gesprochen. 
Dabei  gebe  ich  selbstverständlich  zu,  dass  in  einer  Anzahl  von 
Fällen  aus  bestimmten  Gründen,  z.B.  wegen  der  Schwierigkeit  der 
durch  den  Ausfall  entstehenden  Consonantengruppe,  der  Vokal  er- 
halten bleiben  konnte.  Aber  aus  der  Ueberlieferung  der  Sav.  kn. 
lässt  sich  nichts  derart  mit  irgend  einer  Sicherheit  erkennen. 

2)  Wo  er  die  schwachen  Vokale  schreibt  an  Stellen ,  die  den 
Ausfall  erwarten  lassen  —  und  die  Erwartung  ist  in  einer  Masse 
von  Fällen  berechtigt  —  ist  er  seiner  Vorlage  gefolgt.  Ein  Schrei- 
ber des  XI.  Jahrh.  hatte  sicher  nicht  die  Absicht,  den  Evangelien- 
text seiner  Vorlage  in  seinen  Dialekt  umzusetzen,  sondern  wollte 
ihn  wiedergeben,  wie  er  ihn  vorfand;  wenn  sich  also  ältere  Sprach- 
formen älterer  Denkmäler  unverändert  bei  ihm  finden,  kann  man 


Noch  einmal  t  und  t  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.         13 

daraus  an  sich,  aus  seiner  Handschrift  heraus,  niemals  schliessen, 
dass  er  sie  in  seinem  Lokaldialckt  noch  gehabt  hat. 

3)  Dabei  besteht  noch  die  Möglichkeit,  dass  Erscheinungen, 
die  in  der  Sav.  kn.  vorkommen  und  etwa  für  eine  dialektische 
Eigeuthümlichkeit  ihres  Schreibers  gelten  könnten,  schon  in  seiner 
vielleicht  ebenfalls  dialektisch  gefärbten  Vorlage  standen  und  von 
ihm  so  wie  sie  da  standen,  abgeschrieben  wurden,  also  für  seinen 
eigenen  Dialekt  nichts  beweisen. 

4)  Betrachtet  man  unbefangen  die  wirklich  vorkommenden 
Fälle  der  Weglassung  von  Tv,  k,  so  stellt  sich  folgendes  heraus: 
In  dem  Verzeichniss  Scepkin's  habe  ich  in  runder  Zahl  880  Fälle 
gezählt  (die  Beispiele  von  koah>k;i,o  zählt  er  nicht  alle  auf,  es  wird 
mit  Ausuahme  von  zwei  Fällen  immer  ohne  'k,  k  geschrieben),  da- 
von entfallen  in  runder  Zahl  710  auf  7  Wörter  und  ihre  Formen: 
B(k)cbL  (omnis)  247,  kto  107,  lUiHon»,  100,  mto  95,  CTßopHTH  90, 
MH-K  MHOii^  49,  TTiKiuio  22.  Dabei  habe  ich  die  Fälle  nicht  be- 
rücksichtigt, wo  statt  der  schwachen  Vokale  über  dem  Consonan- 
ten  "^  steht  (z.  B.  lUi'^Hli  ca.  50  mal),  weil  man  nicht  wissen  kann,  ob 
der  Schreiber  nicht  aus  eigner  Absicht  oder  aus  seiner  Vorlage  das 
Abbreviaturzeichen  gesetzt  hat,  gesprochen  hat  er  selbstverständ- 
lich in  diesen  50  malen  so  gut  nur  mh'R  wie  in  den  40,  wo  er  das 
Zeichen  *^  nicht  anwendet.  Von  den  angeführten  Wörtern  sind  die 
Formen  von  kkck,  k'kto,  yKHor-K,  MkTO,  iuiiiHIj,  M'kHOiif;  solche,  die 
in  der  täglichen  Rede  ungemein  oft  vorkommen,  wie  sie  denn  auch  in 
der  einfachen  Sprache  der  Evangelien  alle  Augenblicke  stehen.  In 
diesen  so  gewöhnlichen  Wörtern  gibt  der  Schreiber  seiner  Sprach- 
gewohnheit nach.  Mit  CKTKopiTf»,  einem  ebenfalls  sehr  oft  ge- 
brauchten Worte,  wird  es  sich  nicht  anders  verhalten,  zumal  die 
Bedeutung  des  Ck-  (mit)  hier  völlig  verblasst  und  das  Wort  nur 
noch  Perfektiv  zu  tkophth  ist.  Bei  den  übrigen  ca.  170  Fällen 
kann  man  allerlei  Betrachtungen  anstellen,  warum  so  und  nicht 
anders  geschrieben  wird.  Schwankt  die  Schreibung  zwischen  Er- 
haltung von  Tk,  k  und  Weglassung,  so  wird  man  in  den  meisten 
Fällen  sagen  müssen,  es  ist  reiner  Zufall,  ob  der  Schreiber  etwas 
sorgfältiger  in  der  Befolgung  der  alten  Vorlage  gewesen  ist  oder 
ob  er  der  Aussprache  seiner  Zeit  folgte.  Er  schreibt  die  Formen 
von  STkAT».  10  mal  ohne  'k  (k),  10  mal  mit  ihm,  die  Formen  von 
KkpaTH  (KT^p-)  18  mal  KpaTH,  5  mal  kt^path,  Formen  von  ^kHk 


14  A.  Leskien, 

12  mal  A"-j  15  mal  A"^"-  (am  häufigsten  A^\i-,  was  hier  nicht  in 
Betracht  kommt),  von  ockatv  viermal  oca-,  dreimal  oc'ka-  cckA- 
u.s.w.  Wie  können  solche  Zahlen  irgendwelche  Bedeutung  haben? 
Wenn  er  den  schwachen  Vokal  konsequent  weglässt,  so  kann  man 
auch  da  Vermuthungen  haben,  warum  es  geschieht.  Es  wird  ge- 
schrieben npas^i^HTi,  natürlich  weil  hier  überhaupt  h  nicht  aus- 
fallen konnte,  dagegen  beständig  (11  mal)  npasH'Ki  npasHH  u.s.w. 
npasHHK'k  (das  S.  123  verzeichnete  npdSAHHKd  ist  ein  Druckfehler). 
Selbstverständlich  hat  er  in  allen  Formen,  wo  dem  alten  h  ein 
voller  Vokal  folgte,  das  h  nicht  mehr  gesprochen,  so  entstand  aus 
npasAH'Ki  mit  Wegfall  des  a  das  npasH'ki  u.  s.  w.  Der  Fall  ist 
charakteristisch  :  der  Schreiber  lässt  in  den  zahlreichen  Adjektiven 
auf -KHik  den  schwachen  Vokal  {h,  unter  Umständen  'h)  so  gut  wie 
niemals  weg,  in  dem  ganzen  Denkmal  finden  sich  nur  ein  paar  ver- 
einzelte Beispiele;  npaskHiü  npaskHH  u.s.w.  konnte  er  aber  nicht 
schreibeu,  weil  das  neben  npasAi^Hi^  gar  keine  mögliche  Sprach- 
form ist,  offenbar  waren  für  seine  Empfindung  npaSHa  npasHOif 
npasHH  u.  s.  w.  die  normalen  Formen  zu  npasAi^HTv..  Scepkin 
hätte  sich  eigentlich  wundern  müssen,  dass  bei  der  Vorliebe  für 
weit  hergeholte  Analogiebildungen,  einer  wahren  Analogiesucbt, 
die  er  dem  Manne  zuschreibt,  dieser  gar  nicht  darauf  verfallen  ist, 
nach  der  gewiss  naheliegenden  Analogie  von  npasAt^Hiv  auch  ein- 
mal npasA^HTü  zu  sprechen  und  zu  schreiben.  Bei  der  konsequen- 
ten Schreibung  ncaTH  kann  es  so  liegen,  dass  der  Schreiber  in 
seinem  Dialekt  nur  RHcarH  kannte,  das  ja  früh  in  den  südslavi- 
schen  Sprachen  auftritt  und  endlich  nkcaTH  ncaTH  ganz  verdrängt 
hat;  fand  er  nun  in  seiner  Vorlage  nkcaTH,  das  er  ncaTH  las,  und 
ncaTH,  so  konnte  er  diese  ihm  ungewöhnliche  Form  beständig 
schreiben,  wie  er  sie  las.  Auf  der  andern  Seite  mochte  er  beständig 
nocKAaTH  durchführen,  weil  er  vielleicht  statt  nocTkaaTH  schon 
nocAATH  (aus  nocTAATH)  hatte  und  eine  Schreibung  nocaaTH  = 
nocTvAATH  daher  undeutlich  war.  Ich  gebe  auf  derlei  Vermuthun- 
gen weiter  nichts,  man  mag  sie  annehmen  oder  verwerfen ;  es  ist 
mir  genug,  dass  aus  der  Betrachtung  des  Denkmals  für  den  Dialekt 
des  Schreibers  nichts  weiter  hervorgehen  kann  als  der  oben  unter 
1)  ausgesprochene  allgemeine  Satz. 


Noch  einmal  t  und  b  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.         15 

II.   Der  sogenannte  Umlaut  des  i».,  k. 

In  den  »Studien  über  das  altslov.-glagol.  Zographosev.«  hat 
Jagic  einen  eigenthtimlichen  Vorgang,  die  Vertretung  von  i».  durcli 
b,  von  k  durch  'k  unter  bestimmten  Bedingungeu,  beobachtet  und 
genau  behandelt.  Das  Resultat  kann  man,  von  allen  Einzelheiten 
und  Abweichungen  und  allen  weiteren  Fragen,  die  sich  daran 
knüpfen,  einmal  abgesehen,  auf  die  Formel  bringen:  steht  eine 
Silbe  mit  ursprünglichem  T\  vor  einer  Silbe  mit  weichem  Vokal,  so 
geht  Ti  in  k  über;  steht  eine  Silbe  mit  ursprünglichem  k  vor  einer 
Silbe  mit  hartem  Vokal,  so  geht  k  in  i^  über.  Das  gleiche  Ver- 
fahren zeigen  auch  andere  Denkmäler  in  grösserem  oder  geringe- 
rem Grade,  darunter  Sav.  kn.  Dies  Denkmal  hat  Scepkin  auch  in 
Bezug  auf  den  »Umlaut«  untersucht  (S.  186 — 209);  eine  Einleitung 
dazu  bildet  der  allgemeine  Abschnitt  »Die  Gesetze  der  Verände- 
rung der  Halbvokale  in  den  slavischen  Sprachen«  (S.  169 — 186); 
hineinzuziehen  ist  in  die  Betrachtung  auch  das  Kapitel  »Verände- 
rung des  Lautes  k  nach  s-  und  s- Lauten«  (in  jk  h  qj  jka  c  3) 
S.  150—169.  Die  Thatsachen  sind  nach  den  Angaben  Scepkin's 
mit  einigen  Ergänzungen  folgende : 

1 .  Nach  lu  n;  H  jk ^  i|i  wird  ursprüngliches  k  im  Auslaut  wie 
in  inneren  Wortsilben  so  überwiegend  durch  Ti  vertreten  (ca.  270  mal 
!>>,  ca.  60  mal  k,  vgl.  namentlich  LU'kA'^  101  mal  gegen  nur  vier- 
maliges mk^i.'k),  dass  kein  Zweifel  sein  kann,  der  Schreiber  habe 
hier  'k  gesprochen.  Da  es  nun  hierbei  gleichgiltig  ist,  ob  die  folgende 
Silbe  harten  oder  weichen  Vokal  hat  (z.  B.  a^i^^t^""*^t^j  btsJiutx- 
HH^T^,  s-  S.  150),  fallen  alle  Beispiele,  wo  altes  t»,  nach  m  u.s.  w.  statt 
k  vor  folgender  harter  Silbe  steht,  aus  der  Betrachtung  des  Umlauts 
heraus.  Scepkin  erklärt  S.  156  die  Erscheinung  aus  der  Organ- 
stelluug  bei  ä  u. s.w.,  die  zur  Labialisirung  führe;  ganz  richtig,  nur 
möchte  ich  bemerken,  dass  es  sich  nach  meiner  Meinung  dann  nur 
um  hartes  s  u.  s.  w.,  nicht  um  erweichtes  6''  u.  s.  w.  handeln  kann. 
Doch  es  kommt  mir  hier  nichts  darauf  an,  die  Thatsache  genügt. 

Anders  steht  die  Sache  bei  3  und  c.  Was  3  betrifft,  so  kann 
unter  den  S.  153  aufgezählten  Fällen  das  einmal  vorkommende  ck- 
3'k;i,aTH  nicht  in  Betracht  kommen,  da  ja  hier  t».  aus  k  wegen  der 
folgenden  harten  Silbe  entstanden  sein  kann;  KAH3'k  hat  ebenfalls 
keine  Bedeutung,  denn  es  kann  ursprünglich  so  gelautet  haben ; 


16  A.  Leskien, 

ferner  wenn  viermal  k'khas'K,  dreimal  KT».HA3k,  zweimal  n-SHASk, 
einmal  CKkAASiiL  geschrieben  wird,  so  kann  man  solchem  Zahlen- 
verhältniss  nichts  entscheidendes  entnehmen.    Alle  andern  Bei- 
spiele beschränken  sich  auf  Formen  von  Skp-RTH  und  von  B'k3-, 
hs-lm;?»:  35  mal  steht  Skp'tTH,  8  mal  ST^-p-kTH;  das  spricht  doch 
nicht  gerade  für  den   angenommenen  Lautvorgang;    von  ß'KS-, 
H3T».iui;^  werden  zwar  19  Beispiele  aufgezählt,  aber  davon  haben  7 
die  betreffende  Silbe  vor  folgender  harter  Silbe,  können  also  nichts 
entscheiden,  den  verbleibenden  Fällen  stehen  aber  andere  10  mit 
k  gegenüber.    Dazu  kommen  mit  h   K03kAHL|Jk   K03kAA  4  mal, 
CKBASkHra  (116)  2  mal.    Man  kann  hier  doch  im  Ernst  nicht  reden 
von  einem  Uebergang  des  k  in  t».  in  Folge  der  Stellung  des  k  nach 
3,  und  die  Erklärung  des  Vorgangs  aus  einer  Aussprache  des  5,  z 
mit  vorgestülpten  Lippen  ist  ein  schwacher  Nothbehelf,  denn  wie 
will  man  diese  Aussprachsart  je  nachweisen.  Wenn  man  annimmt, 
dass  der  Schreiber  3p'tTH  u.  s.  w.  sprach,  so  konnte  es  ihm  auch 
leicht  passiren,  dass  er  bei  seiner  Gewohnheit,  die  schwachen  Vo- 
kale gemäss  seiner  Vorlage  zu  schreiben  auch  wo  er  sie  nicht 
sprach,  in  einer  massigen  Zahl  von  Fällen  den  falschen  Vokal 
setzte.  Noch  misslicher  steht  es  mit  s  (S.  154):  Formen  von  KHC'kp'K 
dreimal  nur  so;  Formen  und  Ableitungen  von  K'bckH'K  zweimal  mit 
tk,  einmal  mit  k.  Formen  von  ockA'K  einmal  mit  1%,  einmal  mit  k 
(oc'kA'k  ist  auszuschliessen,  weil  eine  Silbe  mit  hartem  Vokal  folgt). 
Also  alles  vereinzelte  Beispiele;   für  mich  beweist  übrigens  das 
fünfmalige  oca-  (ocAa  u.  s.  w.  S.  125)  klar,  dass  der  Schreiber  das 
k  in  den  offenen  Silben  nicht  sprach,  so  dass  eine  Entgleisung 
ockAA  statt  ockAA  gar  nichts  verwunderliches  hat.    Uebrig  bleibt 
noch,  dass  6  mal  CK^e  geschrieben  wird  gegen  4  mal  Ck^c,  12  mal 
CK  (==  o'ÖTog)  gegen  27  mal  ck,  wobei  das  fünfmalige  Cf  nicht  mit- 
gezäblt  ist,  obwohl  das  auch  nur  auf  ck  beruhen  kann.  Wenn  wirk- 
lich eine  Neigung  bestand,  die  Silben  mit  ck-  in  ct».-  umzuwandeln, 
warum  geschieht  es  nie  in  dem  IS  mal  vorkommenden  BkCk.    Da- 
bei ist  noch  zu  bedenken,  dass  es  barer  Zufall  ist,  wenn  wir  nicht 
noch  viel  mehr  ck-  finden;  die  beiden  häufigen  Adjektiva  HCKfCkCKiv 
HEBfCkHiv  (beinahe  50  mal)  werden  immer  abgekürzt  geschrieben: 
HECK-  HKCH-,  aber  56''  steht  wirklich  einmal  im  Text  HBCkHiviA. 
Für  mich  ist  Ck^f  nichts  weiter  als  getreue  Abschrift  älterer  Vor- 
lage, gesprochen  aber  vom  Schreiber  sde  und  deswegen  gelegentlich 


Jfoch  einmal  -h  und  b  in  den  altkirchcnslavischen  Denkmälern.         1  7 

auch  mit  einem  ebensowenig  gesprochenen  "k  geschrieben.  Nicht 
anders  steht  es  mit  ck  ;  derselbe  Mann  schreibt  auf  derselben 
Seite  148  die  Wendung  oövög  kori  dreimal  Tcrschieden:  ck  jct'k, 
CK  fCT'k,  cf  ecTTi,  und  ich  kann  es  nicht  im  entferntesten  für  mög- 
lich halten,  dass  er  in  seiner  täglichen  Rede  alle  drei  Formen 
brauchte. 

2.  Der  Uebergang  von  k  in  Tv  vor  folgender  harter 
Silbe  (S.  200),  wobei  die  Stellung  nach  in  u.  s.  w.  natürlich  ausser 
Betracht  bleiben  muss.  Ich  behaupte,  dass  sich  aus  der  Ueber- 
lieferuDg  der  Sav.  kn.  nicht  entnehmen  lässt,  dass  der  Dialekt  des 
Schreibers  diesen  Uebergang  gekannt  hat.  Möglicher  Weise  hat 
er  so  gesprochen,  darauf  kommt  es  hier  nicht  an,  sondern  nur 
darauf,  dass  seine  Schreibweise  das  nicht  beweisen  kann.  Da 
hier  Scepkin  keine  durchgeführten  Listen  der  in  Betracht  kommen- 
den Fälle  gibt,  gehe  ich  von  meiner  eignen  Beobachtung  aus: 

A.  Ich  zähle  von  Beispielen  des  Suffixes  -khi».  vor  folgender 
harter  Silbe  92.  Was  steht  mm  dem  gegenüber?  KpkKTkHa  einmal, 
daneben  einmal  KpkKHO;  k'Kcts.H'ki  s'Sc'KHOi'iTRiIJa  zweimal,  da- 
neben einmal  K'^ckHoyK»;  HCß'tp'h.H'ki  zweimal,  daneben  zweimal 
HEB'kpkH'ki  und  die  Formen  K'RpkH'k  B'KpKH'ki  6  mal:  no^OKTvHO 
einmal  (131b),  daneben  7  mal  no,\,c>KkH-  vor  harter  Silbe;  einmal 
npHCKOkB'KHa  neben  npHC!;pkRkMa  und  npHCKpkEkH'k;  c;?;- 
KOT'KfrkJ  5  mal  nur  so  ;  i^pKß'kHara  einmal.  Das  sind  im  ganzen 
14  Beispiele,  davon  alle  bis  auf  die  beiden  letzten  in  der  Schrei- 
bung zwischen  'K  und  k  schwankend. 

B.  Suffix -kCK'k:  29  Beispiele  mit  k  vor  folgender  harter  Silbe, 
denen  gegenüber  5  Fälle  mit  t*.:  HCKapHOT'kCK'Ki  HCKapHOTT»,- 
CKO\'Mov'  (daneben  zweimal  HCKapacTkCKTvi),  pov'M'kCK'Ki  pHnn^- 

CK'KIMH,  CTpaYCT'kCKOJTf». 

C.  Suffix  -kCTBO :  29  Beispiele,  alle  mit  k ;  die  6  Fälle  mit 
-'kCTKO  haben  vorher  m  oder  jk  (mhojk'kctko,  ßaa^'^iHivCTBO  u.a.). 

Man  wird  wohl  einräumen,  dass  die  unter  A — C  besprochenen 
Fälle  keine  Handhabe  geben  für  die  Annahme,  der  Schreiber  habe 
vor  harten  Silben  t».  statt  k  gesprochen.  Aber  zugegeben,  er  habe 
es  gethan,  dann  sind  die  150  Fälle  mit  k  gegenüber  den  vereinzel- 
ten mitT».  Fehler  vom  Standpunkt  des  Dialekts,  natürlich  sind 
sie  ganz  richtig  als  Abschrift  einer  älteren  Vorlage,  die  hier  überall 
k  hatte.    Es  ist  wirklich  erstaunlich,  dass  der  Schreiber  in  den 

Archiv  für  slavische  Philologie.    IXVII.  2 


lg  •  A.  Leskien, 

häufigen  Wörtern  auf  -kH^k,  -kck'k,  -h,CTBO  so  selten  in  seinen 
Dialekt  verfallen  sein  soll.    Scepkin  ist  diese  Schwierigkeit  nicht 
entgangen,  aber  das  Prinzip  muss  gerettet  werden,  und  er  versteht 
sie  glänzend  zu  lösen  (S.  206):  »In  der  Sav.  kn.  wird  ausser  einer 
unbedeutenden  Zahl  von  oben  erwähnten  Fällen  das  k  des  Suffixes 
-kH-  der  Verwandlung  zu  t».  in  Abhängigkeit  von  folgender  harter 
Silbe  nicht  unterworfen.    Es  ist  die  Annahme  unumgänglich,  dass 
im  Dialekt  der  Sav.  kn.  die  ursprüngliche  Form  des  Suffixes  im 
gegebenen  Falle  durch  Analogie  gestützt  wurde.   Die  Fälle,  wo  das 
k  des  Suffixes  -kH-  sich  zu  voller  Kürze  entwickelte  i),  sind  zu 
wenig  zahlreich,  als  dass  man  annehmen  könnte,  die  Analogie  sei 
ausschliesslich  von  ihnen  ausgegangen  (n.  sg.  m.,  g.  pl.  auf -kHiv); 
es  bleibt  die  Annahme,  dass  die  Analogie  von  solchen  Gruppen 
ausging,  wo  die  umgebenden  Consonanten  noch  das  k  des  Suffixes 
-kH-  vor  verstärkter  Irrationalität  bewahrten  und  damit  zugleich 
vor  der  Neigung  zu  i».  vor  harter  Silbe;  so  konnten  z.  B.  alle  die 
Gruppen  wirkeu,  in  denen  wir  nicht  ein  einziges  mal  die  Schrei- 
bung T^  statt  k  finden:  -KkH-,  -AkH-,  -HkH-,  -CTkH-.    Ausserdem 
konnte  die  Sprache  bei  den  Adjektiven  auf -kHT».  -wha  -kno  unter 
dem  Einfluss  der  Adjektiva  und  Participia  auf  -«ht».  -HH'k  -aH'k 
nach  Bewahrung  einer  bestimmten  Silbenzahl  streben.   Oben  hatten 
wir  mehrmals  Gelegenheit  einzuräumen,  dass  im  Dialekt  der  Sav. 
kn.  die  verschiedenartigen  und  verwickelten  im  Schicksal  der  Vo- 
kale 'k  und  k  beobachtbaren  Erscheinungen  nicht  ausschliesslich 
durch  die  Wirkung  von  Lautgesetzen  erklärt  werden  können  (c  u.s.w. 
Mir  werden  diese  Leute  immer  räthselhafter;  sie  haben  die  Ten- 
denz, vor  harten  Silben  k  in  'k  zu  wandeln,  bethätigen  sie  auch  in 
bestimmten  Fällen  (z.  B.  Ki^paTH,  s.  u.),  aber  bei  dem  Suffix  -kHii 
lassen  sie  es  nicht  dahin  kommen,  sondern  in  ihrer  ungeheuer 
feinen  Empfindung  für  Erhaltung  von  Gleichmässigkeiten  in  der 
Sprache  lassen  sie  sich  bestimmen,  dem  natürlichen  Drange  zu 
widerstehen,  und  zwar  von  mehreren  Seiten  zugleich.  Warum  ihnen 
nun  eigentlich  nom.-acc.  sg.  wie  K'SpkH'K  roac'KI^h'k  u.  s.  w.,  die 
doch  als  Satzprädikate  in  der  täglichen  Rede  recht  oft  vorkommen 


1)  Gremeint  ist  die  Entwicklung  des  »irrationalen«  i.  an  Stellen,  wo  es 
nicht  ausfüllen  kann,  zu  normaler  Kürze,  in  welchem  Falle  es  auch  in  e  über- 
gehen kann. 


Noch  einmal  x  und  b  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.        l9 

mussten,  nicht  dazu  genügten,  um  auch  BtkpbHa  u.  s.  w.  festzu- 
halten, verstehe  ich  nicht.  Genug,  es  war  ihnen  nicht  hinreichend, 
es  müssen  noch  auf  sie  wirken  Gruppen  wie  -ki^h-,  -akh-,  -Hkti-, 
-CTkH-,  in  denen  nach  Scepkin  der  Vokal  nicht  ausfällt.  Man 
könnte  hier  noch  die  Zwischenfrage  aufwerfen,  woher  Scepkin 
weiss,  dass  z.  B.  in  der  Lautgruppe  -CTkH-  das  h  vor  gesteigerter 
Irrationalität  bewahrt  blieb;  er  kann  es  ja  nur  wissen  aus  dem 
Denkmal  selbst.  Es  ist  zwar  richtig,  dass  hier  k  niemals  ausfällt, 
aber  das  Niemals  bezieht  sieh  auf  die  beiden  allein  vorkommenden 
Beispiele  pacno^cTkNivi  und  OKpkCTkHA/Ä.  Doch  wenn  man  alle 
Fragen,  die  einem  bei  Scepkin's  Verfahren  aufstossen,  wirklich 
stellen  wollte,  käme  man  nie  zu  Ende,  und  ich  lasse  das  auf  sich 
beruhen.  Die  Wirkung  der  Gruppen  -Kkii-  u.  s.  w.  genügt  aber  auch 
noch  nicht,  die  Sprechenden  empfinden  zu  Liebe  von  Adjektiven  oder 
Participien  wie  SfAfH'k,  EiXATKüHs,,  cecrpHH'k,  KOJKaHT»,,  ^\1vaaH'K, 
fem.  stAiHA  u.  s.  w.  noch  das  Bedürfniss,  in  ß1ipkna  u.  s.  w.  zu 
K'fepkH'k  keine  Silbe  verloren  gehen  zu  lassen.  Ich  verstehe  nur 
nicht,  warum  sie  dieser  Silbenerhaltungstrieb  abhalten  soll,  das  k 
in  Tk.  vor  harter  Silbe  zu  verwandeln,  ßljpTkHa  u.s.w.  hätten  ja  die 
gleiche  Silbenzahl,  Soweit  meine  Erfahrung  in  Sprachen  reicht, 
ist  ein  Dialekt,  wie  ihn  Scepkin  konstruirt,  in  Sprachgeschichte  und 
Sprachpsychologie  ein  unicum,  ich  empfehle  ihn  den  Psychologen 
ganz  besonders. 

Bei  den  Formen  von  -kCKi».  versagt  die  beliebte  Analogie  an- 
derer Formen.  Aber  man  darf  doch  nicht  annehmen,  der  Schreiber 
habe  in  den  29  Fällen  seine  Vorlage  abgeschrieben.  Hier  muss  er 
vielmehr  (S.  203)  die  oben  angeführten  Fälle  mit  t».  aus  dem  Urtext 
kopirt  haben.  Und  warum?  >  Obwohl  nur  das  erste  von  ihnen (t 
(den  Beispielen)  »den  lautlichen  Bedingungen  des  Dialekts  der 
Sav.  kn.  widerspricht  i),  kann  man  vermuthen,  dass  sie  alle  vom 
Schreiber  übernommen  sind  in  der  Form,  die  sie  im  Original  hatten; 
in  den  Suffixen  wurde  das  stark  irrationale  k  im  Dialekt  der  Sav. 
kn.  hartnäckig  gehalten  durch  Analogie,  und  es  wäre  unl)egreiflich, 
warum  nur  in  den  angeführten  sechs  Buchwörtern,  die  fremde  geo- 
graphische Namen  enthalten,  t^  geschrieben  wird;  natürlicher  ht  es 
anzunehmen,  dass  der  Schreiber  diese  Wörter  eben  deswe -cn  ohne 


1)  Gemeint  ist  epÄaHT>cutn,  weil  es  t  statt  b  vor  weicher  Silbe  hat. 

2* 


20  A.  Leskien, 

Veränderung  aus  seinem  Original  kopirte,  weil  es  Buch  Wörter  warem. 
Nun  will  es  aber  das  Unglück,  dass  doch  in  einigen  Ableitungen  von 
fremden  geographischen  Namen  k  steht:  zweimal  HCKapHOTkCKid, 
je  einmal  rtpkrecHHbCK'kiA,  HasapfTbCKa,  H{p^aMkCK;fkH^.  Aber 
auch  dagegen  kann  der  geübte  Scharfsinn  eine  Hilfe  finden :  »Wir 
haben  schon  Gelegenheit  gehabt  zu  bemerken,  dass  der  Schreiber 
der  Sav.kn.  ein  gutes  Gehör  besass  und  mit  Erfolg  die  Laute  seines 
heimischen  Dialekts  in  der  Schrift  ausdrückte,  dass  er  aber  dabei 
keine  gründliche  Kenntniss  der  Buchsprache  besass.  Im  Worte 
ipA'iHkCK'k  finden  wir  Schwanken  zwischen  'k  und  i%,  aber  in 
rfpkPECHHh.CK'K,  HasapfTLCKTv  nur  k«  (NB.,  die  Wörter  kommen 
überhaupt  im  ganzen  Text  nur  einmal  vor),  »vielleicht  aus  dem 
Grunde,  dass  dem  Schreiber  aus  dem  Evangelientext  die  Substan- 
tiva  HfpA'iH'K,  HasapfT'k,  d.  pl.  rep^recHHOMT».  gut  bekannt  sein 
mussten,  von  denen  er  dann  die  Adjektiva  auf -kCK^k  gemäss  sei- 
nem Dialekt  ableitete«.  Also  das  wahrlich  im  ganzen  Osten  all- 
gemein bekannte  Wort  phm'k  poymtsl  (Rom)  kannte  dieser  Mann 
nicht,  konnte  daher  auch  nicht  seinem  Dialekt  gemäss  pHMkCKHk 
poYMkCK'K  bilden,  sondern  musste  aus  seiner  Vorlage  -TkCKT».  ab- 
schreiben. Ueber  dies  Erklärungskunststück  mag  ich  kein  Wort 
mehr  verlieren. 

D.  Die  übrigen  in  Betracht  kommenden  Fälle  sind  einzelne 
Wörter:  Ki^paTH  viermal  neben  gewöhnlichem  cpaTH;  c'ks'ka^t'M 
einmal  neben  zweimaligem  c^kS^aTH  ;  ockAT».  neben  cca-  viermal; 
Formen  und  Ableitungen  von  npaßkA^»  vor  harter  Silbe  dreimal 
mit  'k,  einmal  mit  k ;  Formen  von  Tkiuia  bei  folgender  harter  Silbe 
5  mal  nur  mit  t».;  B'k/i^OKa  B'k^OKH^a  9  mal  nur  so.  Bekanntlich 
ist  K'kpaTH  ß'k,A,OKa  die  stehende  Schreibung  auch  in  andern 
Quellen,  darunter  Zogr.,  und  ich  bestreite  gar  nicht,  dass  es  sich 
hier  um  einen  lautlichen  Vorgang  handelt ;  was  ich  bestreite,  ist. 
dass  aus  den  paar  Fällen  irgend  ein  Schluss  auf  den  Dialekt  des 
Schreibers  der  Sav.  kn.  gezogen  werden  kann,  er  kann  sie  sämmt- 
lich  aus  der  älteren  Vorlage  übernommen  haben.  Er  hat  an  11 
Stellen  Formen  von  Mk3A<»,  alle  mit  zweiter  harter  Silbe,  und 
schreibt  alle  mit  k,  während  im  Zogr.  ebenso  konsequent  t».  steht ; 
da  haben  wir  also  die  verlangte  Form.  Aber  der  Schreiber  der 
Sav.kn.  darf  lUikSA^  ßicht  aus  seiner  Quelle  haben,  sondern  (S.202) 
»man  kann  annehmen,  dass  dank  der  Consonantengruppe  m-zd  das 


Noch  einmal  x  und  b  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.         21 

k  dieses  "Wortes  noch  nicht  zu  einem  beträchtlichen  Grade  der 
Irrationalität  gelangt  war  und  seine  Neigung  zu  i».  deswegen  nicht 
so  stark  war(f.  Bei  alledem  kommt  noch  ein  Umstand  hinzu:  es 
findet  sich  'k  statt  altem  h  auch  vor  folgenden  weichen  Silben. 
Aus  dem  Text  habe  ich  angemerkt:  Formen  von  ß'KS-,  HS-kM;^ 
(HS'kMST'k  U.S.W.)  12  mal  mit  t*,  dazu  3  mal  c'kHT4.MHtjie;  Formen 
von  3kp1vTH  8  mal  3'kp-  (oAfS'kpHiJUH  u.  a.)  neben  sehr  zahlreichen 
3kp-;  pacJi'KHH  einmal  neben  mehrmaligem  pacnkHH;  CK^e  6  mal 
neben  Ck^e  4  mal;  T'kiui'k  2  mal  neben  Tkiui'K  einmal;  ockaa  ein- 
mal neben  einmal  ockAA  und  zweimal  ocaa;  npdß'K^'k  einmal 
neben  einmal  npaKk^'fe;  ß'KCk  (omnis)  einmal;  mviiieHHU,;^  ein- 
mal; p'kH'RTa  einmal  neben  pki^'tTa  pki^'kT«  pku,H  9  mal;  OT'kpe 
einmal  neben  OTkpe;  HHonAEiuiEH'kHHK'K  wacA'fe^^'KHHK'K  je  ein- 
mal; OK'Ku.Ä  einmal  neben  OBki^A  8  mal;  MtT'ktp'kMH  einmal.  Es 
mögen  vielleicht  noch  ein  paar  Einzelheiten  dazukommen,  die  ich 
übersehen  haben  kann,  bei  der  geringen  Zahl  der  Fälle  (42)  gegen- 
über der  Menge  des  vor  weichen  Silben  richtig  erhaltenen  k  kommt 
nichts  darauf  an.  Wenn  man  annimmt,  der  Schreiber  habe  überall 
vor  weichen  Silben  altes  k  als  solches  gesprochen,  so  sind  jene  Ti 
für  seinen  Dialekt  nichts  als  Fehler,  mögen  sie  nun  aus  Nachlässig- 
keit entstanden  sein  oder  aus  buchstäblichem  Abschreiben  einer 
Vorlage,  die  an  der  betreffenden  Stelle  t».  hatte.  Die  Erklärung 
genügt  vollkommen,  auch  Scepkin  nimmt  sie  im  ganzen  an,  aber 
ohne  Spitzfindigkeiten  geht  es  wieder  nicht  ab  (S.  201);  ockaa  ist 
doch  möglicher  Weise  so  gesprochen  worden  und  zwar  nach  Ana- 
logie von  oc'kA'k.  Der  Hergang  soll  dabei  der  sein:  ockAii  hat 
sein  k  in  T».  verwandelt  wegen  der  folgenden  harten  Silbe  oder  der 
iabialisirenden  Wirkung  von  c  oder  aus  beiden  Ursachen,  dann 
wird  das  ocka-  übertragen  in  Formen  mit  folgender  weicher  Silbe, 
daher  ockAA.  Ich  kann  mich  eines  gewissen  Mitleids  mit  dem 
armen  Schreiber  der  Sav.  kn.  nicht  erwehren ;  was  hat  der  Mann 
mit  seiner  Sprache  für  Mühe  gehabt,  ehe  er  alles  in  den  richtigen 
Schick  brachte:  ockAA  sollte  er  nach  dem  Gesetz  des  Dialekts 
eigentlich  sprechen,  thut  das  auch  wohl,  denn  er  schreibt  einmal  so, 
kann  sich  aber  durch  oct^ats.  bewegen  lassen,  auch  ockAA  zu 
sagen,  dabei  schreibt  er  zweimal  ocaa  (dazu  ocaa  ocah),  nichts 
hinderte  ihn  natürlich  auch  so  zu  sprechen  (ockAA  cckAA  ocaa 
stehen  auf  derselben  Seite  84  neben  einander);  am  Ende  muss  er 


22  A.  Leskien, 

sich  in  hoffnungsloser  Verlegenheit  befunden  haben,  wie  er  im 
täglichen  Leben  seinen  Esel,  falls  er  einen  besass,  eigentlich  be- 
nennen sollte. 

3.  Wandlung  von  'k  in  b  vor  folgender  weicher 
Silbe  (S.  186  fg.). 

Es  handelt  sich  dabei  in  der  Sav.  kn.  hauptsächlich  um  die 
ausserordentlich  zahlreichen  Fälle  von  ßh-  Bk3-,  von  ßk  vor  Casus. 
Von  Fällen  des  kt»,  vor  Casus  mit  erster  weicher  Silbe  zählt  Scepkin 
210  Kk,  155  BT^;  von  bk-  bks-  in  Zusammensetzungen  zähle  ich 
nach  dem  Verzeichniss  S.  192  (mit  Abrechnung  von  4  Fällen,  wo 
Bk-  vor  harter  Silbe  steht,  z.  B.  b^ko^chth,  und  den  Beispielen 
von  BkRHTH  und  BkH'k,  die  keine  Präposition  enthalten)  in  runder 
Zahl  260,  von  erhaltenem  bt».-  BTkS-  ca.  25  (davon  kommen  9  auf 
Formen  von  bt^sath,  die  andern  sind  vereinzelt).  Ferner  wird 
beständig  geschrieben  BkOHTH  (rufen;  konsequent  daneben  b'ks'k- 
nHTH,  davon  unten)  12  mal,  dazu  BknAk  zweimal;  KkH-b  (zu  btvH'k) 
viermal  nur  so.  Was  ausserdem  vorkommt,  ist  in  der  Schreibung 
schwankend  oder  ganz  vereinzelt:  Formen  von  K'k^'feTH  mit  k 
7  mal,  mit  t».  2  mal;  einmal  SkA'fe,  daneben  je  einmal  s^KAli  st^ah: 
CKpkrkqjA  einmal;  ck  HHiuik  dreimal,  Ck  icoMik  einmal,  neben  zahl- 
losen CK  vor  Casus  und  in  der  Zusammensetzung;  dazu  CkHkMHiyk 
3  mal  neben  CTvHkiui-  11  mal;  AWKkBe  AiOBkBH  5  mal  (vgl.  dazu 
HcnAC»;\,'kBH;  die  Formen  von  u.pkKTü  werden  alle  abgekürzt  ge- 
schrieben); einige  Male  im  Participialsuffix  -kiu-  statt  -'kiu-  (im 
ganzen  etwa  10  mal),  während  sonst  in  der  überaus  häufigen  Form 
Tk  festgehalten  wird. 

Es  bedarf  keiner  Versicherung,  dass  bei  dem  oben  angegebe- 
nen Zahlenverhältniss  die  Schreibungen  Bk,  BkS  kein  Zufall  sind, 
sondern  einen  bestimmten  Grund  haben.  Die  Frage  liegt  aber  so: 
kann  man  aus  den  sämmtlichen  in  Betracht  kommenden  Fällen,  wo 
statt  T».  vor  weichen  Silben  k  geschrieben  steht,  für  den  Dialekt  des 
Schreibers  schliessen,  dass  er  ganz  allgemein  so  gesprochen  hat? 
Ich  leugne  das.  Weur  mau  alle  Beispiele  weglässt,  wo  t».  vor  s  z  c 
k  zd  steht,  also  die  regelmässige  Schreibung  a^^u^th  npuT-KHa 
u.  s.  w.,  die  Participia  auf  -'kiu-,  weil  man  hier  annehmen  könnte, 
die  Consonanten  seien  hart  gesprochen  und  daher  die  Wirkung  auf 
'k  nicht  eingetreten,  so  bleiben  doch  bei  jener  allgemeinen  An- 
nahme eine  Anzahl  Erscheinungen  unaufgeklärt.  Es  wird  beständig 


Noch  einmal  i.  und  t  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.         23 

BkHHTH,  dazu  ßkriAK  (^  K'kfiAk)  geschrieben,  ebenso  beständig 
aber  B'k3'KnHTn;  warum  hier  denn  nicht  BT^SkiiHTH  oder  ßk3k- 
nHTH  ?  Die  Berufung  auf  eine  angeblieh  labialisirende  Wirkung 
des  3  nützt,  wie  schon  oben  ausgeführt,  nichts.  Man  kommt  dabei 
doch  nothwendig  auf  den  Gedanken,  der  Unterschied  von  ßknHTH 
und  ß'k3'KnHTH  beruhe  darauf,  dass  dem  letzten  das  ß  fehlt. 
Ferner  muss  man  die  Frage  aufwerfen,  wie  es  komme,  dass  das 
auslautende  'k  andrer  Präpositionen,  Ck  K'k,  die  Wandlung  vor 
weichen  Silben  nicht  eintreten  lässt,  die  paar  Beispiele  von  ck  HHMk 
und  CkHkiiiHL[Jk  können  doch  nichts  beweisen,  und  ein  Kk  kommt 
gar  nicht  vor.  Nun  kommt  zwar  neben  6  mal  K'k/k,«  ziweimal  Kk^e 
vor,  das  gleichartig  gebildete  ck^f  (mit  altem  k)  erscheint  4  mal  so, 
6  mal  als  ct%.j^(.  Wenn  man  in  diesem  Falle  von  labialisirender 
Wirkung  des  c  reden  will,  so  labialisirt  doch  k  nicht,  warum  denn 
niemals  Kk  hhhi'k  u.  dergl.;  in  derselben  Lage  ist  kt^hmta  mit 
seinen  Ableitungen  (über  30  Fälle),  es  wird  aber  nur  kt^h-  ge- 
schrieben, ebenso  K-kHASk  mit  Ableitungen  (12  mal).  Das  Präsens 
nocKAtäR  hat  nie  k;  wenn  man  hier  nicht  die  allgewaltige  Analogie 
von  nctCKAaTH  anrufen  will,  bleibt  das  unverständlich.  Die  8  For- 
men des  Präsensstammes  ckrh-,  die  6  Formen  von  CKTkHHKiv 
und  c'kT'feX'T^  sind  ebenso  hartnäckig  in  Bewahrung  des  'k.  Der 
6  mal  vorkommende  Lokativ  zu  c'KH'k  heisst  immer  c'KH'k;  hier 
ist  ein  Vergleich  mit  ß'kH'K  (14  mal)  und  ßkH'6  (4  mal)  lehrreich; 
dem  ß-kH-k  hat  die  Beziehung  zu  bt^ht».  nicht  geholfen  sein  'k  zu 
erhalten,  die  Sprechenden  folgen  hier  ihrem  natürlichen  Drange 
und  sprechen  BkH-k;  in  CKWk  halten  sie  Tv  fest,  weil  sie  daneben 
CKHik  haben?   weil  ihr  c  labialisirt?  Ich  unterlasse  es,   weitere 

V 

Einzelheiten  anzuführen;  erklären  kann  man  sie  nach  Scepkin's 
Grundsätzen  alle;  man  hat  ja  die  Wahl:  .buchstäbliches  Abschrei- 
ben der  Vorlage,  Analogiebildungen  der  mannigfachsten  Art,  la- 
bialisirende Consonanten,  verschiedene  Grade  der  Irrationalität  von 
Tk,  k,  endlich  —  aber  das  darf  nur  im  äussersten  Nothfall  ange- 
nommen werden  —  Schreibfehler  oder  Nachlässigkeiten. 

Wenn  ich  die  Ueberlieferung  der  Sav.kn.  betrachte  ohne  andre 
Quellen  hineinzumischen  und  ohne  irgendwo  gewonnene  Theorien, 
so  komme  ich  zu  folgendem  Resultat:  1.  abgesehen  zunächst  von 
Bk,  Bk3  können  die  Fälle  der  Handschrift  von  ^k  statt  k  vor  harten, 
von  k  statt  T»,  vor  weichen  Silben  nicht  beweisen,  dass  in  dem  Dialekt 


24  -^-  Leskien, 

des  Schreibers  so  gesprochen  wurde.  2,  ßb,  Bk3  sind  gesprochene 
Formen  gewesen,  aber  ob  der  Schreiber  der  Sav.kn.  sie  gesprochen 
hat  oder  der  Schreiber  seiner  Vorlage,  von  dem  er  sie  nur  übernom- 
men hätte,  so  sprach,  lässt  sich  aus  dem  Text  der  Sav.  kn.  nicht 
ausmachen. 

III.  T.,  h  am  Wortende  (S.  224  fg.). 

Es  gibt  bestimmte  Formenkategorien,  bei  denen  der  Schreiber 
zwischen  t*.  und  k  am  Ende  schwankt:  instr. sg.  (urspr.  -Mk):  -wk 
und  -mk;  loc.  sg.  pron.  (urspr.  -Uh):  -mt».  und  -Mh;  dat.  pl.  (urspr. 
-wk):  -mtv  und  -Uh;  1.  sg.  praes.  (urspr.  -Mh):  -wk  und  -mk;  also 
sämmtlich  Formen  mit  ursprünglich  auslautendem  -mt».  oder  -Mk, 
Dazu  kommen  einige  Fälle  der  3.  sg.  praes.  auf -Tk  (14  Fälle,  da- 
runter 4  mit  Korrektur  des  -Tk  in  -ttv)  gegenüber  der  Unmasse 
der  Beispiele  mit  dem  gewöhnlichen  altkirchenslavischen  -tt».  der 
3.  sg.pl.  praes.  Was  bleibt,  ist  wenig  genug,  fast  lauter  vereinzelte 
Fälle  mit  t».  für  altes  k:  mpkK'kBT».  3  mal  (2  mal  i^pkK'kßk),  einmal 
KTs.  H;RTp'k,  K'kHAST».  4  mal  (K'kHASk  3  mal),  dazu  einmal  R'Khas'k 
(n'SHASk  2  mal),  je  einmal  bt».  ht^.  Ha  ht».  (dagegen  Hk  =  Hk 
15  mal),  einmal  luiaTepT^  (MaTfpk  3  mal).  Diese  Zahlenverhältnisse 
sind  zu  gar  nichts  verwendbar,  ebensowenig  die  Zufälligkeit,  dass 
einmal  EAacTT».  (gegen  14  mal  BAacTk),  einmal  B'ScT'k  neben  ein- 
mal B'tCTk  geschrieben  ist,  da  die  alten  «-Stämme  im  ganzen  Denk- 
mal, wo  nicht  6'  z  U.S.W,  vorangeht  (Hoqi'k)  das  k  konsequent  fest- 
halten (rocnoA«*,  n;RTk,  nAi^Tk,  MACTk,  ;i,kHk  u.s.w.,  z.  Th.  sehr 
oft  vorkommende  Wörter).  Die  fast  regelmässige  Schreibung  H'k- 
capT».  (17  mal  neben  viermaligem  u.'tcapk)  erklärt  sich  aus  der 
Verhärtung  des  p,  vgl.  gen.  n'Kcapa,  gen.  c;fknkpa  zu  c;^nkpk; 
sonst  halten  die  alten  jo-Stämme,  wo  nicht  s  z  u.  s.  w.  in  Betracht 
kommt  (m;^^;!*,  HaiUT»)  das  k  konsequent  fest:  OTki^k  ^-feaaTfAk 

V 

u.  s.  f.  Scepkin  zählt  dann  S.  229  noch  die  Fälle  auf,  in  denen  am 
Ende  k  für  t»,  steht;  es  sind  abgesehen  von  den  biblischen  Eigen- 
namen (nerpk  neben  njTp'k,  Hasape^k  u.  dergl.)  ein  paar  verein- 
zelte Beispiele,  so  dass  das  zufällig  nur  einmal  in  der  unbestimmten 
Form  vorkommende  A'^kP'i^  als  A^^^Pi^  erscheint,  einmal  ca"M*» 
(34  mal  mit  i^)  u.  a.  d.  A.,  alles  ganz  gleichgiltige  Fehler,  die  der 
Schreiber,  wenn  er  gerade  Acht  gegeben  hätte,  ebenso  gut  hätte 
korrigiren  können,  wie  er  z.  B.  OT'kB'SiiJaBk  in  -ei%.  verbessert  hat. 
Auch  die  Beispiele  von  -Tk  neben  -tt^  sind  für  mich  irrelevant. 


Noch  einmal  i.  und  l  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.        25 

Man  kann  sehr  wohl  annehmen,  dass  das  Slavische  in  der  3.  sg.pl. 
praes.  zwei  Formen  hatte,  auf  -n"k  und  auf  -Tk,  und  diese  Doppel- 
heit  verschieden  erklären,  aber  aus  den  wenigen  Beispielen  von 
-Tb  in  der  Sav.  kn.  kann  man  die  Existenz  dieser  Form  für  den 
Schreiber  nicht  ableiten.  Gerade  dass  er  mehrmals  ein  schon  ge- 
schriebenes -Tk  in  -T'k  verbessert,  spricht  dafür,  dass  die  andern 
paar  Fälle  ibm  nur  aus  Versehen  entschlüpft  sind. 

Die  ganze  Frage  beschränkt  sich  also  auf  die  Formen  mit  der 
Endsilbe  -mt».  oder  -Mk.  Auffallend  selten  erscheint  der  dat.  pl. 
statt  des  ursprünglichen  -M'k  mit  -Mk;  aufgezählt  werden  (S.  227) 
1 0  Fälle  gegenüber  der  grossen  Masse  von  richtigem  -mi'k ;  auch  diese 
verlieren  alle  Bedeutung,  wenn  man  sieht,  dass  der  Schreiber  in 
ebenso  viel  Fällen  ein  geschriebenes  -JJik  in  -wk  korrigirt  hat.  Die 
1.  pl.  auf  -WK  schreibt  er  (nach  S.  228)  bei  den  wi- Verben  einmal 
-Mk  (ecMk)  gegen  12  mal  -M'k  (ßlvM'k,  hlum'k),  bei  allen  andern 
Verben  einmal  npliM^-feMk  138  (in  einem  Falle  ist  die  Lesung  un- 
sicher), sonst  in  den  sehr  zahlreichen  Fällen  nur  -wk.  Von  einer 
Vertretung  des  -wk  durch  -Mk  kann  also  nicht  die  Rede  sein;  was 
wirklich  in  Betracht  kommt,  ist  nur  die  Ersetzung  von  -Mk  durch 
-M'K  im  instr.  sg.  und  im  loc.  sg.  pron.,  ferner  die  1.  sg.  praes. 
Von  -M'k  statt  -Mk  in  den  Casusendungen  zählt  Scepkin  (S.  230) 
122  gegen  225  mit  altem  -Mk;  S.  228  stehen  von  der  1.  sg.  pr.  mit 
-Mk  67,  mit  -M'k  14  Fälle;  zählt  man  alles  zusammen,  so  ergeben 
sich  136  -M'K,  292  -Mk.  Die  sehr  zahlreichen  Fälle  des  -M'K  statt 
-MK  sprechen  dafür,  dass  dem  Schreiber  der  Sav.kn.  das  -M'K  eine 
normale  Form  war,  die  er  überall  hätte  schreiben  können,  jedoch 
nur  in  einer  Minderzahl  von  Fällen,  aber  in  einer  absolut  genommen 
hohen  Zahl,  wirklich  geschrieben  hat,  während  er  in  der  Mehrzahl 
das  -Mk  seiner  Vorlage  abschrieb.  Das  -M'K  kann  an  sich  ver- 
schieden gefasst  werden.  Falls  die  schwachen  Vokale  am  Ende 
überhaupt  nicht  mehr  gesprochen  wurden,  war  es  gleichgiltig,  ob 
er  -M'K  oder  -mk  schrieb.  Die  konsequente  Bewahrung  des  -k  im 
nom.  acc.  der  i-Stämme  lässt  sich  dagegen  nicht  geltend  machen, 
denn  da  handelt  es  sich  um  eine  bestimmte  Wortkategorie,  bei  der 
auch  einen  Schreiber,  der  im  täglichen  Leben  z.  B.  vlast  statt 
ßAacTK  sprach,  das  grammatische  Bewusstsein,  die  aus  der  Schrift- 
sprache entnommene  Erfahrung,  dass  zu  den  Casusformen  auf -h, 
-ki^  -HHR,  -kMHk  u.  s.  w.  ein  Nom. -Acc.  auf  -k  gehört,  dazu  führen 


26  A.  Leskien, 

konnte,  regelmässig  diese  Formen  mit  k  zu  schreiben  (vgl.  Supr.). 
Die  Casusformen  auf  -Uh,  1.  sg.  pr.  -OK  stehen  aber  ausserhalb 
aller  solcher  Beziehungen.  Nimmt  man  dagegen  an,  die  "k,  k  am 
Ende  seien  noch  gesprochen  worden,  so  muss  man  schliessen,  -mk 
sei  aus  irgend  einer  Ursache  in  -M'k  übergegangen.  Möge  man  das 
nun  erklären  können  oder  nicht,  die  Thatsache  wäre  da.    Das  ist 

V 

aber  Scepkin  viel  zu  einfach;  S.  231  fg.  werden  über  das  Schwan- 
ken von -mt».  und -Mb  merkwürdige  Ansichten  vorgetragen.  Aus- 
gegangen wird  von  dem  Satze:  weil  wir  wissen,  »mit  welcher 
Konsequenz  der  Schreiber  der  Sav.  kn.  seine  dialektische  Redaktion 
dem  abgeschriebenen  Text  aufgelegt  hat,  müssen  wir  einräumen, 
dass  beide  Endungen,  -wk  und  -mk,  in  seiner  Sprechweise  gehört 
wurden«.  Wenn  also  beides  da  war,  muss  diese  Sonderbarkeit  er- 
klärt werden.  Den  Ausgangspunkt  bildet  die  Annahme:  »lautlich 
konnte  die  Variante  -M'k  nur  im  Instrumental  entstehen«  i).  Der 
Instrumental  muss  demnach  die  Analogie  abgegeben  haben  für  die 
sonstige,  nicht  lautliche,  Umbildung  von  -Uh.  zu  -yk.  Nun  be- 
obachtet Scepkin,  dass  -mt».  im  loc.  sg.  pron.  sehr  selten  ist  (S.227): 
7  Beispiele  (davon.  5  vom  Pronomen,  2  vom  bestimmten  Adjektiv) 
mit -lUiTv  gegen  115  -mk  (96  vom  Pronomen,  19  vom  best.  Adj.). 
Hören  wir  den  Grund:  offenbar  unterlag  dieser  Casus  »fast  nicht 
oder  gar  nicht  der  Analogie  von  Seiten  des  Instrumentals«,  man 
müsse  voraussetzen,  die  wenigen  Formen  mit  -wk  seien  vom  Schrei- 
ber mechanisch  aus  seiner  Vorlage  übernommen.  Nun  will  es  aber 
das  Schicksal,  dass  auch  im  Instrumental  der  Pronomina  (auf 
altes  -Mk),  wo  man  doch  entschieden  die  Wirkung  der  Analogie  des 
nominalen  Instrumentals  erwarten  müsste,  da  die  Formen  ja  auch 
in  der  Bedeutung  ganz  gleich  sind,  das  -wk  selten  ist:  nach  S.  226 
vom  eigentlichen  Pronomen  10  Beispiele  mit  -wk  gegen  51  mit-MK. 
Darüber  heisst  es:  »das  führt  auf  die  Annahme,  auch  hierher  seien 
sie«  (die  -mtv)  »nur  durch  Analogie  aus  der  Nominaldeklination 
verschleppt«  (^xo  h  ciOAa  oni  saneceHii  jehuii.  anajiorien  nst  nMen- 
Horo  cKJioHeHiH).  Ich  verstehe  das  so:  die  dem  Dialekt  normale 
Form  des  instr.  pron.  war  -mk;  wo  von  dem  Schreiber  -li'k  gesetzt 

1)  Mit  Beziehung  auf  Fortunatov,  JIcKuiu  no  *0HeTHKi  ciapocjaBaHCKaro 
K3MKa  S.  212.  Da  diese  Vorlesungen,  so  viel  ich  weiss,  nicht  gedruckt  sind, 
kann  ich  Fortunatov's  Begründung  nicht  kennen ;  selbst  kann  ich  keine  Ur- 
sache finden,  warum  -mi.  gerade  im  Instr.  entstehen  inusste. 


Noch  einmal  t  und  i.  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.        27 

ist,  kam  ihm  durch  seine  Gewohnheit  die  nominale  Form  mit  -mtv 
zu  schreiben,  dies  auch  beim  Pronomen  einigemale  in  die  Feder ; 
oder  meint  Scepkin,  die  gewöhnliche  Sprechweise  sei  hier  -mk  ge- 
wesen, gelegentlich  habe  der  Schreiber  aber  nach  Analogie  des 
nominalen  Instrumentals  auch  einmal  -wk  gesprochen  ?  Einerlei, 
jedenfalls  meint  er,  dass  -Mk  im  instr.  sg.  pron.  zu  den  gesproche- 
nen Formen  gehört.  Das  wird  weiter  noch  folgendermassen  begrün- 
det: »Man  muss  seine  Aufmerksamkeit  darauf  richten,  dass  in  der 
Deklination  der  Pronomina  -iuik  in  beiden  Casus  ohne  die  Variante 
-WK  in  den  Fällen  erscheint,  wo  die  Formen  aus  der  Verbindung 
mit  den  übrigen  Casusformen  ausgeschieden  waren,  nämlich  in  den 
adverbiellen  Ausdrücken  tIvMkikj  und  noToyk  .  .  .  offenbar  wur- 
den T-kiuikJKf  und  noTOMk  in  der  Sprache  nicht  mehr  empfunden 
in  der  Eigenschaft  von  Casusformen,  sondern  ausser  Verbindung 
mit  ihnen  in  der  Eigenschaft  von  unveränderlichen  Wörtern 'c.  Es 
ist  mir  ganz  räthselhaft,  was  eigentlich  damit  begründet  werden 
soll.  Zugegeben,  T'feiuik>Ke,  noTOiuik  hätten  selbständiges  Leben 
gewonnen  und  T'KuwA^t  sei  dadurch  vor  der  Wirkung  des  -iuitv  im 
Instrumental  der  Nomina  bewahrt  geblieben,  so  hätten  doch  um  so 
eher  die  nicht  adverbiell  gewordenen  Instrumentale  wie  Hiuik  HHMk 
(so  kommt  es  27  mal  vor  gegen  4  mal  hmt».  HHiui'k)  dem  Zuge  nach- 
geben können;  sie  thun  es  hartnäckiger  Weise  nicht.  Wir  sind 
aber  mit  den  Schwierigkeiten  noch  lange  nicht  zu  Ende.  Der  loc. 
sg.  der  bestimmten  Deklination  des  Adjektivs  hat  19  mal  -Mk,  nur 
zweimal  -mt*;  das  ist  einfach:  »der  Lokativ  der  zusammengesetz- 
ten Adjektiva  hängt  in  der  Verwendung  der  Endung  -Mk  vollständig 
vom  Lokativ  der  Pronomina  ab«.  Schön,  wir  haben  aber  gesehen, 
dass  auch  der  Instrumental  der  Pronomina  sich  von  der  Analogie 
des  nominalen  Instrumentals  auf -MT».  nicht  bezwingen  lässt,  also 
—  sollte  man  denken  —  verhält  sich  so  auch  das  bestimmte  Ad- 
jektiv. Durchaus  nicht,  sondern  die  S.  226  gegebenen  Beispiele  (14) 
haben  alle  -mt*,  mit  -Mk  kommt  keins  vor.  Auch  dafür  muss  ein 
Grund  gefunden  werden,  und  er  findet  sich  (S.  232):  »der  Instru- 
mental der  zusammengesetzten  Adjektiva  dagegen  unterwirft  sich 
der  Analogie  der  Nominaldeklination,  d.  h.  die  Endung  -mt».  im 
Instr.  sg.  A^^^p-kiHMT».  A'^Ep'kiMT».  u.  s.  w.  verbreitete  sich  nach 
Analogie  der  nominalen  Form  derselben  Worte,  a^^eP^^i^t*;  ^uf  die 
gleiche  Weise  übten  die  Formen  KfAHfMT».  rAdroA;RijjfM'k  ihren 


28  A.  Leskien, 

Einfluss  auf  Hfri\c;^i4JHü'K  rAtirc»A;i^niHLn»,(f.  Wem  bei  diesem 
Hin  und  Her  von  Analogiebildungen  der  Atem  noch  nicht  ausge- 
gangen ist,  verliert  ihn  vielleicht,  wenn  die  letzte  kommt.  Scepkin 
beobachtet,  dass  bei  den  harten  o-Stämmen  der  Instr.  sg.  in  70 
Fällen  -om'k,  in  18  -ouk  hat,  dass  dagegen  bei  den  weichen  o- 
Stämmen  und  den  «'-Stämmen  das  Verhältniss  ein  sehr  anderes  ist : 
22  mal  -iWK  -bMiv,  42  mal  -tMk  -h.Mi^.  Was  die  Trennung  der 
beiden  Kategorien  eigentlich  für  einen  Sinn  hat,  ist  mir  verborgen. 

V 

Genug,  Scepkin  trennt  sie,  und  da  nun  der  Schreiber  bei  den  wei- 
chen Stämmen  vorwiegend  -uk  schreibt,  muss  er  auch  so  ge- 
sprochen haben  —  nach  Scepkin's  Grundsätzen.  Ich  hätte  nicht 
geglaubt,  dass  menschlicher  Scharfsinn  für  diese  Absonderlichkeit 
einen  sprachlichen  Grund  finden  könnte,  aber  zu  meinem  Er- 
staunen findet  Scepkin  einen :  » das  starke  Vorherrschen  der  Endung 
-eyk  über  -cmtv  in  der  Nominaldeklination  kann  erklärt  werden 
durch  Einfluss  des  Lokativs  auf-SMk  (pronominale  Deklination) (f. 
Begreifen  kann  ich  das  nicht,  aber  ich  verstehe  jetzt,  was  es  heisst, 
ein  Prinzip  zu  Tode  reiten. 

Bleibt  endlich  noch  die  1.  sg.  praes.  auf  -Mk,  -mt»,.  Hören  wir 
auch  da  Scepkin  selbst  (S.  233):  »In  der  1.  sg.  und  pl.  der  zweiten 
Conjugation  sind  keine  Fälle  einer  Korrektur  von  -fJk  in  -MTk  vor- 
handen. Oifenbar  existirten  beide  Lautformen  gleichzeitig  im  Dia- 
lekt der  Sav.kn.  Auf  Bl.  40''  ist  das  Schluss-k  des  Wortes  KMk  auf 
einer  Kasur  geschrieben;  wenn  mau  voraussetzen  darf,  dass  die 
Kasur  gerade  t».  löschte,  so  kann  man  einen  Schluss  aus  dieser 
Thatsache  nur  machen  für  das  Verbum  tCMk  (fCMk  H'KcLik  56  mal, 
tCMTv  einmal;  andre  Verba  -ink  11  mal,  -mtv  13  mal),  in  dem  der 
Wechsel  der  Endungen -mt».  und-Mk  im  allgemeinen  beträchtlich 
schwächer  ist  als  bei  den  Verben  ;i,dMk,  raiuk,  HMaMk«.  Wer  es 
für  möglich  hält,  dass  der  Schreiber  in  seinem  Dialekt  sowohl  -Mk 
wie  -MTs.  hatte,  wird  sich  vielleicht  höchlich  wundern,  dass  der  Mann 
bald  A^<^i^;  B'KMk,  HMar.ik,  bald  ^aM^k,  B'bM'k,  HMdM'k  sprach  (bei 
HMaMk  ist  er  fast  unDarteiisch :  6  mal  -ük,  5  mal  -mts.),  dagegen 
dem  so  sehr  häufigen  scMk  liebevoll  sein  altes  -k  belässt. 

Man  spricht  in  Deutschland  seit  mehreren  Jahren  viel  vom 

V   ^ 

papiernen  Stil.  An  den  Ausdruck  werde  ich  bei  Scepkin's  Buch 
lebhaft  erinnert;  das  ist  papierne  Sprachforschung  und  ihr  Resultat 
ist  ein  papiernes;   eine  solche  wirklich  von  Menschen  geredete 


Noch  einmal  i.  und  i.  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.         29 

Sprache  hat  es  nie  gegeben  und  kann  es  nicht  geben.  Scepkin  ver- 
kennt die  Lage  eines  altbulgarischen  Schreibers  des  XI.  Jahrh. 
völlig.  Gegeben  war  ihm  ein  Text,  der,  mag  er  auch  schon  allerlei 
Abweichungen  von  seiner  Grundlage,  dem  Evangelientext  der  Zeit 
Konstantins  und  Methods,  gehabt  haben,  jedenfalls  auf  der  zu 
deren  Zeit  festgelegten  Schriftsprache  beruhte.  Diese  vor  Ablauf 
des  IX.  Jahrh.  geschatfene  Schriftsprache  ist  für  alle  Schreibenden 
die  Literatursprache  gewesen.  Sie  mochten  sie  vollkommner  oder 
unvollkommner  handhaben,  dialektische  Eigenthiimlichkeiten  und 
Formen  ihrer  Zeit  einfliessen  lassen,  aber  dass  es  ihnen  einfallen 
konnte,  ihre  Vorlagen  in  einen  nicht  literarisch  fixirten  Lokaldialekt 
mit  bewusster  Absicht  umzusetzen,  ist  ganz  ausgeschlossen.  Wenn 
sie  aber  in  einer  überkommenen  Schriftsprache  schrieben,  so  war 
ihre  Schreibweise,  wie  sie  auch  im  täglichen  Leben  gesprochen 
haben  mögen,  in  hohem  Grade  konventionell,  wie  das  in  jeder 
Schriftsprache  der  Welt  so  ist.  Und  wie  in  jeder  Schriftsprache  der 
Welt  setzen  sich  auch  gewisse  grammatische  Normen  fest,  nach 
denen  die  Schreiber  sich  richten,  auch  wenn  etwa  ihr  eigner  Dialekt 
sie  nicht  ohne  weiteres  ergibt,  wie  ich  schon  oben  beispielsweise 
auf  die  konsequente  Bewahrung  des  k  im  Auslaut  des  nom.-acc. 
der  «-Stämme  hingewiesen  habe.  Keine  Beurtheilung  handschrift- 
licher Ueberlieferung  kann  ohne  diese  und  andre  philologische 
Betrachtungen  auskommen.  Wer  die  nicht  anstellt,  nichts  oder  fast 
nichts  Konventionelles  anerkennt,  muss  dann  freilich  beliebige  Vor- 
kommnisse in  einer  beliebigen  Handschrift  alle  oder  fast  alle  für 
sprachliche  Realitäten  aus  Zeit  und  Dialekt  des  Schreibers  halten 
und  wohl  oder  übel  die  Aufgabe  lösen,  alle  Sonderbarkeiten  und 
Widersprüche  als  normale  sprachliche  Entwicklungen  zu  erklären. 
Und  man  kann  das  auch,  wenn  man  unbedenklich  aus  der  grossen 
Rüstkammer  abstrakter  Möglichkeiten  bald  die  eine ,  bald  die 
andre,  bald  die  dritte  und  vierte  beliebig  herausgreift  und  auf  den 
einzelnen  Fall  anwendet,  ohne  jede  Rücksicht  auf  Folgerichtigkeit 
und  auf  die  Erfahruog  einer  nicht  papiernen  Sprachforschung,  dass 
keine  lebendige  Sprache  der  Welt  je  so  verfahren  ist  und  verfährt. 
Noch  eins  muss  ich  hinzufügen:  auf  die  Ausführungen  Scep- 
kiu's  über  das  Verhältniss  neubulgarischer  Mundarten  zu  dem  von 
ihm  angenommenen  Dialekt  der  Sav.  kn.  bin  ich  nicht  eingegangen. 
Er  spricht  sich  darüber  auch  in  BB  26,  165  aus,  in  einer  Wider- 


30  A.  Leskien, 

legung  von  Vondräk's  Anzeige  seines  Buelies  im  Arcbiv  XXII: 
»Mein  Buch  hat  eine  einheitliche  wissenschaftliche  Aufgabe,  welche 
Vondrak  gänzlich  verschweigt:  an  der  Hand  einer  Sprachqiielle, 
welche  mit  grösster  Klarheit  eine  lebende  altslovenische  Mundart 
des  XI.  Jahrh.  zumfAusdruck  bringt,  unternahm  ich  einen  histori- 
schen Vergleich  des  Altslovenischen  mit  den  heutigen  Mundarten 
des  Bulgarischen,  um  auf  Grund  der  gewonnenen  Thatsachen  den 
Verwandtschaftsgrad  beider  Sprachen  festzusetzen«  (es  folgt  dann 
eine  kurze  Angabe  des  gewonnenen  Kesultats).  Diese  Tendenz  des 
Buches  liegt  auf  der  Hand,  allein  ich  meine,  es  handelt  sich  bei 
Scepkin's  Buche  doch  nicht  um  eine  einheitliche  wissenschaftliche 
Aufgabe,  sondern  um  zwei  verschiedene  Dinge.  Das  eine  ist  die 
Aufsuchung  von  Kennzeichen  und  Spuren  altbulgarischer  Dialekte 
in  der  altbulgarischen  Ueberlieferung  und  deren  Vergleich  mit  den 
heutigen  Mundarten.  Ich  lasse  es  dahingestellt,  ob  bei  dem  jetzigen 
Stande  der  bulgarischen  Dialektologie  eine  solche  Vergleichung  zu 
einigerraassen  sichern  Resultaten  führen  kann.  Jedenfalls  ist  es 
sehr  dankenswerth,  solche  Untersuchungen  anzustellen,  und  ich 
bin  weit  entfernt,  gegen  Arbeiten  dieser  Art  ein  prinzipielles  Be- 
denken zu  haben  und  das  Verdienst  Scepkin's  in  dieser  Beziehung 
zu  verkennen.  Etwas  ganz  anderes  aber  ist  es,  aus  einer  bestimm- 
ten Handschrift  heraus,  hier  aus  der  Sav.  kn.,  einen  gerade  so,  wie 
es  da  geschrieben  steht,  gesprochenen  Dialekt  erweisen  zu  wollen. 
Diese  Aufgabe  hat  nichts  zu  thun  mit  irgend  einem  Verhältniss  zu 
irgend  welchen  neubulgarischen  Mundarten,  sondern  muss  allein 
aus  der  Handschrift  selbst  gelöst  werden.  Gegen  die  Methode,  die 
Scepkin  dabei  anwendet,  musste  ich  mich  aussprechen,  weil  ich  der 
Ueberzeugung  bin,  dass  sie  auf  Irrwegen  geht  und  in  die  Irre  führt. 

IL    Das  Euchologiam  Sinai ticum.  i) 

Die  Behandlung  des  t».  und  h.  ist  hier  viel  einfacher  und  klarer 
als  im  Savaevangelium.  Ich  gebe  zunächst  die  Thatsachen.  Wenn 
Geitler's  Ausgabe  zuverlässig  ist,  lassen  sich  folgende  Erschei- 
nungen beobachten. 

1)  Ich  kann  leider  auf  die  Abhandlung  von  Prok.  Lang,  Jazykovedecky 
rozbor  Euchologia  sinajskeho  (Programm  des  Gymnasiums  in  Pribram  lSS8f.), 
nicht  Rücksicht  nehmen,  da  mir  nur  die  Theile,  die  die  Formenlehre  behan- 
deln, bekannt  geworden  sind. 


Noch  einmal  t>  und  l  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.         31 

1.  Die  gänzli  che  Weglassung-  von  'k,  k  beschränkt  sich 
auf  das  häufige  MHor^K,  daneben  furKHonv  m'hop'k  m'hojk'ctko 
und  dergl. ;  eine  Aufzählung  aller  Fälle  ist  unnütz,  denn  es  ist  doch 
nur  ein  Zufall,  ob  ein  paar  mal  mehr  oder  weniger  niHorTv  oder 
M'Hon». -oder  iH'kHor'K  geschrieben  steht;  ferner  auf  Formen  von 
BkCK  (omnis),  sehr  selten  ausgeschrieben,  z.  B.  kkcKkokr,  ge- 
wöhnlich b'c-  (auch  K'ck),  einige  mal  ohne  alles  Zeichen,  z.  B. 
KCfro  u.  dergl.,  die  Aufzählung  hat  auch  keinen  Werth.  Wie  ß'c- 
steht  auch  fast  regelmässig  k'tc»  m'to  (neben  k'Kto  mkto).  Alles 
andere  sind  vereinzelte  Beispiele,  einige  mal  fehlt  der  Vokal  beim 

Suffix  -kH-,     KTsJmHHH\'T».,     BUUJHHHMk,     HerK>CT'lvl,V,HOMk,     KfSa- 

KOHHOV'ü^wipHH  74b  (in  ähnlichen  Fällen  steht  sonst  ',  z.  B.  nenpU- 
CTaH'HO,  hcthh'hov'Moy,  HfnopoM'HC»);  AHM)  und  js,nh.,  dies  selbst- 
verständlich nur  abgekürzte  Schreibung,  vgl.  a'h"^  73  b;  KC»Hi;a,  vgl. 
KC>H'u,a  64a,  np-KHua  82a,  mhUth  20b,  HfSAOBHt  97a,  vereinzelt 
-'AiA,c>  (neben  -jk'ka«^);  r'ccah  30,  BCfAfHidiA  10a;  bk  bt»,  wird 
immer  ausgeschrieben,  vereinzelt  erscheint  b'  cf/\t:\"k  64  b,  b'  cfKü 
67a,  vgl.  k'  TOLioy  51b;  öfter  iuih'K,  mnoi?^  und  die  der  Quelle 
eigeuthümliche  Genitivform  mh«  (neben  m'h«).  Rechnet  man  die 
Fälle,  in  denen  das  Zeichen  '  steht,  ab,  so  bleibt  sehr  wenig  übrig 
und  die  Handschrift  ist  also  in  diesem  Punkte  recht  alterthümlich, 
so  fehlt  in  K-KpaTH,  ni^paTH,  ST^.^aTH,  S'KBaTM,  n^HaTH,  kk- 
A'feTH,  si^ptiTH  u.  ä.  nie  das  nk,  k. 

2.  'K,  h  nach  m  m;  h  m  jk^-  Es  ist  eine  bemerkenswerthe 
Eigenthümlichkeit  der  Handschrift,  dass  sie  nach  h  ijj  >ka  das  alte 
k  unverändert  bestehen  lässt:  von  ^h  nach  m  finde  ich  nur  das  eine 
Beispiel  naaMi^  106b  (neben  mehrmaligem  naank),  sonst  im  Aus- 
und  Inlaut  nur  k,  gezählt  habe  ich  gegen  100  Fälle,  z.  B.  im  Auslaut 
HAaMk,  KAHHk,  M6Mk,  HAOßliHk,  im  lulaut  Immer  MkTO,  so  auch  die 
zum  Präs.  MkT;*^  gehörigen  Formen,  so  saMkH;*^,  immer  BlinkHiv, 
BkcfeHkCKTvi  u.  s.  w.  Hervorzuheben  ist  dabei,  dass  der  Vokal  der 
folgenden  Silbe  gleichgiltig  ist,  k  steht  sowohl  vor  folgender  wei- 
cher wie  vor  harter  Silbe,  vgl.  cp'KAi*MkH'feH,pa3aHMkH'R,  HCTOMk- 

HHKTv    mit   Cp'KAf^l^HOf,    MAOB'fcMkCTBC»,    pa3i\HHkH0,    p;S^MkH'klbÄ. 

Nach  HJ  ist  mir  ein  is.  überhaupt  nicht  begegnet,  es  heisst  c;Ri|jk- 
CTBO  nfi|jk  Hoqjk  H0i|JkH;i^t7^.  OKpaqjk  oyKponikUjeM'K  u.  s.  w. 
Ebenso  gut  kann  man  sagen,  dass  Tv  auch  nach  jk^  nicht  steht, 
denn  die  beiden  Fälle  poH^^T^uja  32  b,  B«CTO\^;KAT^nc>f  69a  müssen 


32  A.  Leskien, 

der  Masse  der  übrigen  gegenüber  als  Versehen  gelten,  es  steht 
sonst  immer  k,  z.  B.  KH;K4,k,  OYTBp'K:K;i,k,  pojka^^ctko  poJKA'*- 
CTH'K,  H;^JK4,h,H0,  3aGA;f»JKAkLuaaro  u.s.w.,  eine  Silbe  mit  folgen- 
dem harten  Vokal  übt  gar  keinen  Einfluss.  Nach  u,  bleibt  eben- 
falls k,  der  Fall  ist  nur  vereinzelt  vorhanden,  oi^hTa  (gen.  sg.) 
42b,  oi^KTCFiik  50b;  die  häufigen  Formen  von  OTku,k  werden 
abgekürzt  geschrieben. 

Anders  steht  die  Sache  bei  m,  jk.  Im  Auslaut  habe  ich  ein- 
mal nach  ui  ein  k  notirt,  UTvimk,  sonst  steht  nur  i\,  z.  B.  immer  in 
dem  ca.  80  mal  vorkommenden  Haiu'k,  ausserdem  in  mehr  ver- 
einzelten Fällen :  gen.  pl.  ^k.ovui'K  (6  mal),  B'kKovm'k,  oyKpam'k, 
CkKpo^iu'k,  OTTi.Kp'kr'km'k;  im  Inlaut  steht  in  einer  geringen 
Zahl  voü  Fällen  (gezählt  habe  ich  12)  -uik-,  z.  B.  rp-kiukHaaro. 
KTiKormkUJe,  MkHHmkCKaaro,  uikCTBOKaTH  33b,  34a  (darüber 
s.  u.),  dagegen  in  über  70  Beispielen  -iut^-  und  zwar,  was  wichtig, 
ebensogut  vor  folgender  weicher  wie  vor  harter  Silbe,  vgl.  z.  B. 
K'kim'kH'k'K,  rp'bui'kHHH  rp'SiU'kHHK'k  rp'Kiu'kH'K,  nocaoyuu'k- 
AHRT».,  CTpauu'k.H'KMk,  M'kiLU'ki^Eti^,  Hcnpouj'kiiu,  pa.s^pOYm'k- 
mHiyi\  —  rp-Rm-kHOiT^,  CTpaiu'kH'ki\"k,  Epam'kHO,  UkHurniv- 
CKTvi,  c'krp'Sm'kuja.  Man  kann  also  ohne  weiteres  aussprechen, 
dass  Ts.  nach  m  das  normale  ist.  Etwas  schwankender  ist  die 
Sache  bei  >k:  im  Auslaut  finde  ich  nur  -'a^k,  z.  B.  Fui;^»;k, 
-AOJKk,  oij'MTkHon^k,  nocAOY^Kk,  derartige  Worte  sind  überhaupt 
nicht  häufig;  im  Inlaut  habe  ich  26  Fälle  mit ->Kk-  verzeichnet, 
z.  B.  »ctJKkK;^^*;,  K'ksrJio^KkHO,  M;^2KkCKa,  noAOJKkma,  nojKk- 
HKfiT'k  U.S.W.,  dagegen  ca.  40  Fälle  mit  -jkt».-  und  zwar  in  einigen 
Wörtern  ganz  oder  fast  durchgehend,  so  in  -jkt^^o,  caov^jK'kEa, 
M;RHi'kCTC,  vgl.  ferner  TA^K'kKO,  ßpaiKT^^a,  nocTHHi'kHa,  npH- 
AfJK'kHo,  ß'kSMOiK'kKO,  AA'kJK'kH;^!?^ ;  der  Vokal  der  folgenden 
Silbe  ist  auch  hier  ohne  Belang,  vgl.  MH^K'kHHHMH  (daneben  2b 

HH^KkH'ba),  nOJK'kp'RTf,   KTvHHJK'kHHK'k,  ;fw>K'kHHK'k,  T/ft>K'kllJ/ftkÄ, 

caov'/K'kS'S.  Man  wird  nicht  zweifeln  dürfen,  dass  jk  dem  m  ganz 
parallel  läuft,  dass  auch  hier  t^  die  eigentliche  Norm  ist. 

3.  Der  Umlaut.  A.  Die  Vertretung  von  k  durch  Tv  bei 
folgender  harter  Silbe  ist  ungemein  regelmässig  durchgebildet. 
Von  Beispielen  des  Suffixes  -kH-  vor  harter  Silbe  habe  ich  350 
-ivH-,  70  -kH-  angemerkt.  Dass  hier  der  Prozentsatz  des  -kH- 
ziemlich  gross  ist,  liegt  natürlich  in  der  ausserordentlichen  Häufig- 


Noch  eiumal  i.  und  i.  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.         33 

keit  dieser  Bildungen.  Es  wäre  ganz  unnütz,  nach  besonderen 
Consonantengruppeu  zu  fahnden,  die  etwa  altes  h  gestützt  hätten, 
gegenüber  andern,  die  der  Wandlung  kein  Hinderniss  bereiteten, 
denn  es  kommen  alle  möglichen  Verbindungen  und  Silbengestalten 
vor;  ich  führe  von  jeder  Art  ein  paar  Beispiele  an,  die  Hunderte 
von  Fällen  alle  aufzuzählen,  wäre  ganz  müssig;  k — h:  ro^oktiHO 
AOK'KHOi  npHCKpiiKTvHa  noTp'kKTvHO  L^'kAfK'kHaarc»;  B — h:  faa- 

BTiHO    ^».p'k/KaB'kHOI*    npOTHET^HaarO    ^•^VV*^^''*^"'^    LtpivKOBIv- 

HioMb,  vgl.  vi.oifY^^ß'^"'»^'^'*  ^pKBkHaa;  a  —  ^'-  ctvH'S^i.'kho 
ep'SAT»^"'*  o^roAikHO  Ka;R;i,'kHa  nQAß(ji,'KHis.  boat^htj,  vgl. 
BOAi^H'Ki  CBOBO;\,i^naa;  AP — ^-  KfAPT»^n<>)  vgl.  f/k,"M*5'^^APi^HC»: 
3 — h:  OBpasTiHO  rpc»3TkH0f,  vgl.  noAfSkH'Ki;  3A — h:  npasAT»^- 

H0\"f*T1».;      A H:      CHAlvHC      KaAH/\'kH;«;>il^      B£3HaH/ftA1vH'Kl      (im 

ganzen  8  Fälle),  dagegen  häufiger  -ak-  (im  ganzen  19  mal),  Formen 
von  BOAkHK  (1  mal),  BOAh,HT».  (4  mal),  BE3HaHMAbH'K  (6  mal),  J!l,C>- 

KpOA'feTfAkH'K     (1   mal),     C'KA'liTfAkH'K    (1    mal),    H3BaBHTEAkH'K 

ncMAAkH'K  (2  mal),  coAkH^k  cEAkH'k  pa3A't:AkH'k  ncndB-tAkH-k 
C'knp'kcTOAkH'k  (je  1  mal) ;  auf  das  Verhalten  nach  a  komme  ich 
unten  zurück;   m — h:  3EM'kHa  pa30YMT»,H0  TtU'kHa,  vgl.  3fMk- 

HTüYlv  paSOYMkHTvl  TflUkHIüMk;  H — H:  HCTHHT4.H'kl  OrH^kHa 
CTpaH-kHTvI  CKBp'KH'kH'kl  Bp'SM«H'kH;Rlili  nOBHHT».H;S\  HEH3ApC- 
MfH'kHOlTR,     Vgl.    OrHkHOMk    np'^KAOHkH'kl    BOA'bSHkHlvI ;      R — H: 

Kcyni^HO  npHCT;Rn'kH;R,  vgl.  BoroA'KnkHOE;  p — h:  B'Rp'kH'ki 
sascp'KHO  H«AHU,fiii'Sp'KH;i;  u.  SO  oft,  Beispiele  mit  -pk-  scheinen 
zu  fehlen,  doch  vgl.  fAHM<>*J'*AP'^H'5;  c — a:  ckMucA'kHC»  beijjh- 

CAliHOE,  vgl.  CkM'klCAkHO  HEHl|JHCAkH;^i;i;;  C — H:  HCBEC11.H0C, 
T'KAfC'kH'kl    CACBfCKHOt    KBaCkHOE    KpaCTvHO;      CT H:     MtCTTiHO 

u.  andere  Formen  des  sehr  häufigen  Wortes,  KpcT'kHoe,  vgl.  obaa- 

CTkHC    H3BlvCTkH0    M/ÄCTkHaa  ;      CTB — H:     BO/Kf CTB-kHOf     BOH^C- 

CTBTvH'kl,  Vgl.  BO/KfCTBkNIÜ  pOJKA« «^TBkHOlJR  ;  T H:  paBOTliHaa 

KeC'kyp'kT'kH'kl  COyjT'kHaa  RA'kT'kHa  JKHBOT'KH'kl,  vgl.  BAa- 
rOA'KTkH'kl    RAkTkNUMk;    TB — H:    MOAHTB'KHTvI. 

Von  Suffix  -kCK-  kommen  35  Beispiele  als  -t»,ck-,  6  als  -kCK- 
vor,  z.  B.  at^A'KCK;^i7R  HAOA'kCKaro  co^OM-kCKiü  H^EH-kCKa  mo- 

P'kCKCe    HAkT-kCKaarO    U.  S.  W.,     vgl.    AWAkCKIvIbÄ     AlOAl^CKTklYT». 

rocnoA'«^CKo\f  BAHkcKaaro  n;RTkCKOYLic»Y  HEnpHra3HkCK'kibft.   Die 

consonantischen  Verhältnisse  vor  dem  -kCK-  sind  auch  hier  gleich- 
giltig. 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XSVII  3 


34  A.  Leskien, 

Vom  Suffix  -KCTßO  25  Beispiele  mit  'k,  7  mit  k,  jene  bei  allen 
verschiedenen  Lautverbindungen,  z.  B.  a'^b'^^tbo  M;ft/i,p'KCTKO- 

BdTH  np'liSOp'kCTBO  fCTT^CTKO  RpdTpivCTßO  RA'tH'KCTBO  JKfH'K- 

CTKO  u.  S.W.,  demgegenüber  KaAkcrßO  (2  mal),  roYKHTfAbCTBO 
poAHTfAkCTKo  (2  mal),  3aB'k;k,'KT«AiiCTKoy6T'K,  diese  6  Beispiele 
also  alle  mit  -Ah-,  dazu  noch  ein  anderes:  po^kCTBC»  (10b). 

Von  anderen  Suffixen  mit  k:  immer  CB'kT'kA-,  CB'kA'kAO 
cB'kT'KAOCTK  u.  s.  w.  (12  mal);  immer  npaB'kA**  npaB'kA^TH 
(18  mal);  tat'kb'ki  (2  mal);  cbatt^ba  (2  mal;  daneben  i^'kAkKd 

H'^Ah.KIf^). 

Wurzelsilben  mit  altem  k.  Die  Verba,  deren  Infinitiv- 
stamm ursprünglich  -kpa-  enthält,  haben  immer  -'Kpa-:  K'kpaTH 
(17  mal);  pasAT^P'»  (1  mal);  m^paTH  (3  mal);  statt  3k;i,aTH  immer 
ST^A^TH  (9  mal);  dazu  noch  vereinzelte  Fälle:  B'kS'KMaTH  katv- 
H;^L|j/f^hfi  89b,  sanAT^BaiUA  (vgl.  aber  sanAkBauü/tv  50a,  HSKAk- 
BAA^k,  EAkBOTHHTü).  Nomina:  immer  TT^ua  (12  mal),  MivSA^ 
(3  mal),  so  auch  m^coy  n'KCOM'k  (je  einmal,  vgl.  dazu  n.  pl.  n'cH 

103a),  B'KAC»BOKR  B'k^OBHl^/Ä,  CATi.3a. 

Im  ganzen  habe  ich  von  t»,  für  k  bei  folgender  harter  Silbe  in 
runder  Zahl  500  Fälle  gezählt,  von  verbleibendem  k  in  derselben 
Lage  HO. 

Besonders  zu  bemerken  ist,  dass  vor  m  qj  '^ji,  das  k  bei  folgen- 
der Silbe  mit  hartem  Vokal  unverändert  bleibt,  z.  B.  ckKOHknaTH; 
dasselbe  ist  der  Fall,  wenn  dem  k  ein  i;  folgt:  KONki^a,  TBopki^a 
U.S.W,  und  wenn  k  vor  3  =  dz  steht:  CTkaaniv  =  urspr.  sthd'zanvb. 
Es  ist  das  keine  Ausnahme,  sondern  das  k  bleibt  normaler  Weise, 
weil  M  i|i  JK^  i;  3  (=  s)  absolut  weiche  Laute  sind,  die  mit  ihnen 
anlautende  Silbe  also  als  ca-,  s't'a-  u.  s.w.  anzusetzen  ist.  Die  Er- 
haltung des  k  begegnet  aber  auch  vor  m :  H3BaBAkiijaaro  npH- 
cT;^nAkiuaaro,  BkAiOBAkma  (in  diese  Picihe  gehört  auch  o^upii- 
ijjBkUjaaro),  BOAkmaa,  ncKACHkma;  der  Grund  liegt  hier  darin, 
dass  A  und  h  =  a"  h  sind,  absolut  weiche  Consonanten.  Dann 
kommt  noch  vor  noAC>M;kLiia,  B'k3B'biiJkma,  ckTBOpkujaaro,  aber 
dies  sind  nicht  die  normalen  Formen,  vgl.  daneben  ckrp'kiij'kuia 
(s.  oben  1 . 

B.  Vertretung  von  'k  durch  k  vor  folgender  weicher 
Silbe.  Die  Erscheinung  tritt  hervor  bei  Bk,  vor  Casus  und  in  Zu- 
sammensetzung,  130  mal,  bei  Bk3-  90  mal.     Von  konsequenter 


Noch  einmal  i.  und  i.  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.         35 

Durchführiing  ist  keine  Rede,  die  Fälle  von  kti  kt^s-  bei  folgender 
weicher  Silbe  sind  ausserordentlich  zahlreich ;  sie  anzuführen  hätte 
keinen  Sinn,  denn  es  ist  natürlich  reiner  Zufall ,  ob  ein  paarmal 
mehr  oder  weniger  btv  kt^s-  oder  kk  kks-  geschrieben  wird;  eben- 
sowenig hätte  es  einen  Nutzen,  alle  Fälle  von  Rk  Rk3-  anzugeben, 
es  genügen  einige  Beispiele :  Bk  hh^Tv,  Kk  Hk,  Kk  HfMk,  Bk  K-kpt:, 
Bk  BlvK-K,  Bk  ^xpIvBO,  Bk^lv  (legte  hinein)  Bk^f}K;k,H,  Bk  tIjao, 

Bk  TA,  Bk  BfMMX.,  Bk  REMaAM,  Rk  TH'tB'fe,  Bk  nHTkH,  RkHHTH. 
BkHHMaTH,  Bk  Ck  MdCk,  Bk  Bp-feM/Ä  —  BkCH/ATk,  BkS^BHrUH, 
Bk3BE;l,H,  BkCn<\IOH;^B'k,  BkCKpIvlUaMV,  Bk3EMA<ftH,  BkSHCKaB'K, 
Bka/ÄAT»,    BkSBfCfAHM'k,    BkBHrpaiJR.T'k,     BkSkp'RB'k,    BkSAlOBAk, 

Bk3iiHKH;^,  Bk3B'Ki[ji7f;.  AUes  was  man  sonst  aus  der  Handschrift 
anfuhren  kann ,  tritt  dagegen  zurück,  wenn  auch  die  Fälle  selbst 
wichtig  sind:  es  heisst  regelmässig  BkHHTH  (11  mal;  B'KnHiJK  3a); 
dagegen  KkS'knH  Bk3'knH{M'k  B'kS'KiiHfM'K  43b,  Bk3'KnHBTi- 
maarc»  50b);  zweimal  steht  BkHli,  Formen  von  K'k^'kTH  nur  mit 
Kk^i,-  (11  mal);  mehrmals  HAT^Tk  als  HAkTk  mit  Casus  und  Ablei- 
tungen (10  Fälle),  z.  B.  HAkTk  RAkTH  nAkTkHaa  BknAkqjkiua; 
dazu  kommen  ferner  AioskBk  (6  mal),  AiockBE  (2  mal),  AK»ckBH 
(1  mal),  i;1vAkBk  (1  mal),  i^'tAkBg  (2  mal);  endlich  einige  vereinzelte 
Fälle:  ^vk>K;i,k  AkH^4,£BkHHH  2a,  OAi»>KA<»»j*^T'k  ib.  (o^'kjkA'»" 
100a),  nkTHi^A  (n'KTHU/A  54  b),  Kp'Snki^HH  77b  (vgl.  ^'kc'k^'k  la], 

OKp'knkTHTH    88b,    OMkBCHHI€Mk    33a,    npHTkMiTR    106a,    Ai^H'fe 

36b  (loc.  zu  ^kHa  oder  A^^^^'*  Kolik,  instr.  daneben  at^H'J»'*)- 
Die  Formen  von  ^OBkAliTH  kann  man  nicht  ganz  sicher  hierher- 
rechnen, da  das  k  ursprünglich  sein  kann.  Sonst  bleibt  überall  'k 
vor  folgender  Silbe  mit  palatalem  Vokal,  daher  z.  B.  3'kA't  n-k- 
c'Ki^'fe,  rAackMk  (i.sg.),  ;i,ap'KMH  (i.pl.),  Kp'kße,  ra-kth,  H3K'kiT'k- 

HkCTBO^fMk,  BTkC'kAfM'k  (=  -AfM-k),  ROCkAH  (=  -AH),  OKp'kCTk 
B'k3-(Bk3-)'knHTH,    r;Rr'kHHB'K  (28a),    K'kHHra,    Kl^H/ftSk,    K'KJi^i, 

npHKp'kBEHi^,  oycTp'kMAeHHf,  ©Yc^kRH  (impcr.),  ckn/ftifj/fv,  noPAi».- 

4IfH0,      m^THl^/Ä,      nOT'klllHyTi,,      TTvIIJ«,      AT^JKA,      AOKTvJKtT'k, 

o;i,'kJKAH  100a.  Die  Participien  auf  -'kiu-  behalten  stets,  auch 
bei  weichem  Vokal  der  folgenden  Silbe  das  'K,  ebenso  die  Prä- 
positionen Ck  KTv  und  andre  mit  t».  auslautende. 

Der  entgegengesetzte  Fall  ist,  dass  k  statt  1%.  vor  harten,  iv 
statt  k  vor  weichen  Silben  erscheint. 

A.  k  statt  T»,  vor  harten  Silben  kommt  in  ca.  20  Fällen 

3» 


36  A.  Leskien, 

Tor:  einigemal  KkSBpaTHTH,  KkH;^Tpk,  sonst  vereinzelt,  z.  B.  bk 

npaBk^t,'^,     Kk     HCCHA'KX'T*,     Kk     n;SiTk,     Bk3A0H;H,     Bk3AP<iCTH. 

CAa^i^KTü,  SkAOKkio;  es  sind  vom  Standpunkt  des  Denkmals  an- 
gesehen offenbare  Fehler. 

B.  'k  statt  k  vor  weichen  Silben  tritt  in  einigen  Fällen 
regelmässig  ein,  so  im  Imperativ  von  ptKX,.:  ß'wu,»  p'ki^'kM'k  pT»,- 
H'kTt  (9  mal;  Hapki^H  40a),  ebenso  in  den  betreffenden  Präsens- 
und Imperativformen  von  -kM;s;:  BlvH'kMH  BTkHTvMlvrJn».,  HS'kMH 
HS'kMtT'k,    BTiSTiMH    B'kS'kMIT'K    B'kS'kM'kM'k    U.S.W.    (13  mal  . 

Sonstige  Fälle  sind:  cb'St'ka'K  begegnet  5  mal;  statt  -kH-  erscheint 
16  mal  -TiH-  vor  folgender  weicher  Silbe,  B'kp'kHe  B-fip-kHHH,  npa- 
Rf/i,'^"""  npaBe^V'kHHHY'k,  TliAcckH-KH,  heobh;v,'i^"'^i^i^7  cßapT^- 

HHKa,  KICKBp'kH'kH'k,  Y'^aA'^H'S,  Oy'^P'^"'*^'^  >  BJHfp'kH/MA, 
l\(H3Ji,p(^(H'KHH^(,  /KfCTOKCtA'traHTvHHK'k  U.S.W.;  feiHer  RH'KH'k- 

CTBlk  !3  mal),  ecT'kCTB'k;  crap^kUH  (2  mal),  CA'kH'ku.t  50b,  kov'- 

UHpiiCi;1iH,  apYtiA'kCl^HH;  HtT'kipTkMH;  C'kTBOp'kIJJfM'k,  CkBAA- 
^H'kLUHHM'k,    OCKBp'kH'klUHlMk,    OCKBp'KH'kUJH    21b;     KAT^HeTTi 

mehrmals,  KA'kMfT'k  45a  (vgl.  KAfMkUJi*  44a),  Kp'ki^jfHHie,  ck- 
T'kptT'k;  T'kM't  (viermal);  Ck^i,«  37a  unmittelbar  folgend  vier- 
mal Ck^f),    C'kpiBpO   C'kpEBpkHHK'k,    M'kLjJ»:^   82b;   T'klJ.'KM'k  98a 

(cT^».Tk^H  53b);  dazu  die  Formen  von  rpTvCBATU  63a,  93  a,  96b. 

3.  Der  Ersatz  von  k  durch  e.  In  jeder  beliebigen  Silbe 
mit  altem  k,  wenn  sie  die  vorletzte  Wortsilbe  ist  und  das  Wort  auf 
1%.,  k  auslautet,  oder  wenn  ihr  folgen  eine  Silbe  mit  t^,  k  und  eine 
weitere  mit  vollem  Vokal,  wird  regelmässig  k  durch  t  vertreten, 
z.  B.  in  Casusformen  HMEHEMk  rcA;*iEfMk  BfUJm  (g.  pl.)  awa^w^ 
aanoB-SAfYT^;  cm  (=  syt),  ckTBopeH,  \-0/K4,eH,  bjaih  {=-hjh); 

-IH-:    yi.OCTOfH'k,    npaBk/^CH'k,    CKBp'kHEH'k  CTpaHIHTk,     BfSHaMA- 

AiHTk,  HsrAaroAaHfH'k,  noycTCUJfHTi  CTpamtHTv,  OBeHT»,,  cpa- 
uifH'kg.pl.  BpauucHki^E  BpaiUEHii,a,  npasAfH'kCTBOY;  -ecK-:  ^»'fe- 

TtCKTk     IUi;^>KECK'1».     /KtHECK'k     H^l.OAfCK'k;     -iU,-:     aPHfl^k     TfAflJ^k 

c;^Mtij^k,  Mp'kHtMkCKa;  -ktb-:  BO^KECTBkH'ki  nc>A<?BfCTBkK>  po- 
^K^ecTBkHoi^;  -«A--  npaßtAi^H'feMk;  -sa-:  cB'tTfA'k;  -fB-:  u'k- 
AfE'kHaaro;   in  Wurzelsilben  z.  B.  JKfSAk,  ntck,  BkSfMTs.,  npc- 

nfH'kUJHHY'k,OCAfn'klUfM'k,OyMfp'kUJ/S\t*Ä,  TfMkHTklMk,  AKfpkMH, 
BfCk,      HfCTk     MfCTTiHOe,     npHlUfATi     npHUJf  ^T^lUa     npHlUfCTBHf, 

CKptJKkUJfT'k,  KpfCTk'kH'k,  CM3^  (g.  pl.,  daneben  cA'ksa). 

4.  Ersatz  von  altem  'k  durch  o,  unter  den  gleichen  Be- 


Noch  einmal  i.  und  t  in  den  altkirchenslavischen  Denkmälern.         37 

dingungen  wie  bei  i» — (  unter  3.,  im  ganzen  spärlich;  in  Wurzel- 
silben: BOHTi,  HtAOJK'KHC,  Kf  CflAOT'KH'KlY'K ,  COHTv,  OYCOllTi- 
UJHHM'k,     COTkHHK'K,     TOKT^MO    (TOK'MO);     in    Suffixeu    AWKOKIi 

mehrmals),  AWKOßkfi^  aK)R0Bhi;i^  (mehrmals),  h.'Saokk  i^-bAOßHi^ 

l^'RAOß'kHaa,  KpOBKKR,  M/f^KOK'K  RCCA'fc^i.OK'K  KpOTOK'h.  CAd^OKTi, 

HoroTk;   einigemal  ko,  co:  coBiipaujA  co3'ka<*M'^'  coa'KA'*""^ 

(mehrmals)  co  mhoü^  co  ßCkMh.  co  MH'fe  78a  (1.  mhc  =  ukh();  ko 

BCKKOMk    BO    BCkYT».    BO    B'ctMk    BO    Hk    46a;     Vgl.    nOCh    CBATOH 

==  -Vk)  17a,  RAO^o-ck  14a,  a<»P<>V»^  (=  -'^X'^^j  98b. 

5.  Tv  und  k  im  Wortauslaut.  Abgesehen  von  dem  Tv  für 
altes  k  nach  m  kommen  ein  paar  Fälle  vor,  wo  statt  -Mk  instr.  loc. 
-MT».  steht,  statt  -in'k  dat.  pl.  -Mk,  aber  gegen  die  ungeheure  Zahl 
von  richtigem  -Mk  und  -wk  gerechnet  offenbare  Versehen,  aus 
denen  man  gar  nichts  schliessen  kann.  Die  1.  sg.  praes.  kommt 
mehrmals  als  tcWK  vor,  dagegen  H'bcMk  66b,  HcnoBtiMk  77b. 
Ausserdem  ein  paar  vereinzelte  Fälle  von  'k  statt  k :  ck  =  ck  14a, 
Bc-k  BfCK  (=  Bkck  omnis)  100a,  42b,  nacTTüp-k  80b,  82b  (vgl. 
aber  MdHacT-kipk  92a,  104b),  i^p-k  93a  (vgl.  ij,tcapA  ib.,  MTviTdpa 
86  a),  daneben  auch  i^'kcapk.  Umgekehrt  steht  k  für  ii  in  CKAPh^ 
47a,  fCTk  69b;  in  dem  häufiger  vorkommenden  btv  (Bk)  CA't/k.k 
wird  das  k  ursprünglich  sein,  vgl.  nocA'6/k,k,  oder  es  ist  dem  no- 
CAU^k  nachgebildet.  Man  kann  also  sagen,  dass,  abgesehen  von 
-ui'k,  ev.  -JK'K,  sonst  i^,  k  im  Auslaut  regelmässig  in  alter  Weise 
erhalten  sind. 

Das  die  Thatsachen,  aus  denen  man  nach  meiner  Meinung  weit 
eher  einen  bestimmten  einheitlichen  Dialekt  entnehmen  könnte  als 
aus  der  Sav.  kn.;  allein  ich  versuche  das  nicht,  denn  auch  das 
Euchologium  bietet  keine  gerade  so  gesprochene  Mundart.  Ich 
möchte  vielmehr  einige  der  beobachteten  Erscheinungen  sprach- 
geschichtlich deuten  und  beginne  mit  der  Vertretung  von  k  durch  (, 
die  unter  den  bekannten  Bedingungen  so  gut  wie  durchgeführt  ist. 
Wenn  man  die  wenigen  Fälle,  in  denen  eine  schwierige  Conso- 
nantenverbindung  den  Ausfall  eines  k  gehindert  hat,  wie  npH- 
ujfCTBHf  poH;;i,fCTBkHoi*,  ausscr  Acht  lässt,  handelt  es  sich 
durchweg  um  die  Verbindungen :  Silbe  mit  k  vor  wortauslautender 
Silbe  mit  is.,  k  im  Auslaut,  oder  um  Silbe  mit  k  -f-  Silbe  mit  k,  t^  -f- 
Silbe  mit  vollem  Vokal:  TfAei;k  =  TfAki^k,  Beck  :=  BkCk,  npa- 
BEAh.HHK'k  =  npaBk.^kHHK'k.    Die  Ansicht  ist  ganz  richtig,  dass 


38  A.  Leskien, 

das  Gewicht  der  ersten  Silbe  mit  k  so  weit  verstärkt  ist,  dass  statt 
des  schwachen  k  ein  volles  (  eintrat.  Man  kann  die  Erscheinung 
als  eine  Art  Ersatzdehnung  auffassen,  die  den  Quantitätsverlust 
einer  folgenden  Silbe  als  Plus  auf  die  vorhergehende  überträgt. 
Dabei  kann  man  zweifelhaft  sein,  wie  z.  B.  in  einem  Falle  wie 
TkiuikHHL^d  der  Hergang  war:  ob  zunächst  das  k  der  zweiten  Silbe 
so  schwach  artikulirt  ward  (ich  will  es  mit '  bezeichnen),  dass  sein 
Quantitätsverlust  auf  das  k  der  ersten  Silbe  übertragen,  zuerst  ein 
etwas  gedehntes,  volleres  k  (hier  mit  ^  bezeichnet)  hervorbrachte. 
TkiLi'HHi^a,  daraus  nach  Schwund  des  ganz  schwachen  Vokals 
TkLUHHi^a,  endlich  bei  der  e-Natur  des  k  ein  TtMHHi^a  hervorging; 
oder  ob  aus  Tku'Hij^a  noch  vor  dem  Schwinden  des  mit '  bezeichneten 
Vokallautes  schon  Tfiui'HHi^a  entstand,  daraus  dann  TtMHHi^a.  Es 
läuft  das  ziemlich  auf  eins  hinaus,  denn  in  einem  wie  im  andern 
Falle  kann  man  die  Silbe,  in  der  (  entstand,  als  geschlossen  an- 
setzen. Eins  aber  ist  dabei  unzweifelhaft :  in  keinem  Falle  kann 
das  k,  aus  dem  t  hervorgeht,  vorher  t^  gewesen  sein.  Es  wurde 
oben  (unter  1)  hervorgehoben,  dass  nach  in  so  gut  wie  regelmässig 
Tk  steht,  dass  dies  auch  nach  tk  als  Norm  anzusehen  ist;  trotzdem 
heisst  es  cTpameH'k  99a,  ^V'^'t»^^^"'^  67b,  mtn-kTaHHC  91b;  im 
ganzen  Denkmal  kommt  kein  ui'k/i.'k  m-kai».  vor,  nur  uue^'K  mfai». 
(vereinzelt  k  in  uikCTBOBaTH  33b,  34a);  gen.  pl.  EpaiufH'k  8Sb, 
BpaujEHku^E  103a,  KpaiufH'i^a  104b.  Vergleicht  man  damit  die 
regelmässigen  Schreibungen  Bpam'kHO  Gpaiu'kH'S,  CTpaiu'k.HTü 
CTpaiiiTvH'fe,  SO  ergibt  sich  ein  Widerspruch,  der  gelöst  werden 
muss.  Wenn  man  das  'k  in  Kpaiu'kHC»  und  so  überall  in  alten 
offenen  Silben  für  einen  zur  Zeit  der  Entstehung  der  Handschrift 
noch  gesprochenen  Vokal  hält,  muss  man  geschichtlich  so  kon- 
struiren:  in  der  Periode,  als  k  in  e  überging,  gab  es  noch  keinen 
Wandel  von  k  in  Tv  nach  m,  daher  z.B.  lUfAT^»  g-pl-  KpameH'k  aus 
iiik/i,'k,  cpatukH-k.  Die  Bedingungen,  unter  denen  KpaujkHO  und 
eparnkHi».  stehen,  sind  was  die  Härte  der  letzten  Silbe  betrifft; 
ganz  dieselben,  es  kann  aber  kein  Kpam'kH'k  gegeben  haben,  denn 
das  ergäbe  nie  EpaiueHTs.,  also  die  Einwirkung  des  m  auf  folgendes 
k  (zu  Bpam'kHO)  ist  jünger  als  der  Wandel  von  k  in  t.  Dasselbe 
trifft  zu  bei  dem  Umlaut  von  k  in  'k  vor  folgenden  harten  Silben : 
ein  cTpaHfH'k  cKKp'kHCH'k,  A'kTecK'k  ^keheckii,  CBtLTfA'k,  neck 

U.  S.  W.    (neben    CTpaHT^HTsJ     CKBp'kH'kH'kl,     ^KEHliCKa,     CB'feT'kAO, 


Noch  einmal  -h  und  t  in  den  altkirchensiavischen  Denkmälern.         39 

n'kcoM'K)  kann  kein  "k  enthalten  haben,  sondern  nur  k.  Ebenso 
klar  ist,  dass  in  den  Fällen,  wo  ktv  durch  ko  vertreten  ist,  ko 
BC'tY'K,  ßo  Hk  U.S.W.,  dies  bo  nicht  bei  vorgegangen  sein  kann  aus 
dem  sonst  in  der  Handschrift  erscheinenden  ek,  ßk  Bck^'K  ßk  Hk, 
sondern  nur  aus  ßi*. 

Der  Gegensatz  von  h  ijj  jk,v  auf  der  einen,  111  jk  auf  der  andern 
Seite,  bei  jenen  regelmässig  verbleibendes  k,  bei  diesen  t*,  kann 
sich  nur  erklären  aus  der  Annahme,  dass  ui  tk  hart  geworden  waren, 
H,  lii,  JK4,  wie  auch  i;,  3  (=  s)  erweicht  als  c,  st',  zd\  c',  d'z 
gesprochen  wurden,  so  dass  eine  folgende  Silbe  mit  an  sich 
hartem  Vokal  nicht  zur  Wirkung  kommen  konnte.  Man  kann 
gegen  die  Härte  von  uj  h;  die  Schreibungen  -mw  -mi*  einwenden, 
die  ja  dem  widersprechen,  allein  solche  Schreibungen  können  aus 
der  Vorlage  übernommen  sein;  wenn  ich  richtig  beobachtet  habe, 
kommt  kein  -mli  =  -sa  vor,  nur  ^oyiiia  u.  dergl.,  dagegen  z.  B. 
MUc'k  na;k,6^;k,'k.  Die  absolute  Weichheit  von  Ä  h  hat,  wie  oben 
(S.  34)  hervorgehoben,  auch  nach  diesen  k  gehalten,  vgl.  dazu  die 

Beispiele  S.  33    HSCaßHTEAkH'k,    rOYEHTEAkCTßO   pO;k,HTf/\kCTBO 

3aB'6;k,1iT«AkCTßOYeT'k,  wo  A  =  A,  caHkCKaaro,  wo  h  =  h.    Es 

bleiben  dabei  immer  noch  ziemlich  viel  Beispiele  übrig,  wo  -ak-, 
dessen  a  =  /,  vor  harter  Silbe  bleibt,  und  es  mag  sein,  dass  /  vor 
palatalen  Vokalen  ziemlich  stark  erweicht  war,  so  dass  die  Wirkung 
der  folgenden  Silbe  deswegen  nicht  so  leicht  eintrat. 

Es  ergab  sich  (s.  0.  2.  B),  dass  ausser  bei  ßk  ßks,  BknHTH, 
Ek^-KTH,  die  Vertretung  von  altem  t»,  durch  k  vor  weichen  Silben 
wenig  hervortritt;  etwas  stärker  vertreten  sind  nur  noch  die  For- 
men der  Tü-Stämme:  awKkßk  9b,  IIa,  18a,  88b  (2  mal),  awßkßf 
9b,  90b,  AhdRkßH  Ha  (daneben  awROBk  72b,  81b,  92b,  90b,  aw- 
KOßkh^  IIa,  81b,  awKOBHKi^  10b,  86b,  92b,  105b);  i^-Kakßk  36a, 
i^'kakßE  39a  (neben  n'ka'kBk  47b,  ^'kaoBk  33b,  i^'taoßHiiR  33a, 
i^-kaoB-kiiaa  41b;  vgl.  auch  acKT^ßn  54b,  cmokobh  54b).  Dass 
derselbe  Mann  nicht  dieselbe  Form  dreifach  verschieden  gesprochen 
hat:  i^tA'kßk  u.'kakßk  n-kaoßk,  liegt  auf  der  Hand;  es  sind  Nieder- 
schläge verschiedener  zeitlich  oder  dialektisch  auseinander  liegen- 
der Entwicklungen;  i;'kaoßk  aioBOßk  setzte  nothwendig  i^'ka'kßk 
AiOB-kßk  voraus.  Betrachtet  man,  bei  Ausschluss  der  wenigen  oben 
S.  35  angemerkten  verstreuten  Einzelfälle,  die  sonstigen  Vorkomm- 
nisse, so  fällt  auf,  dass  in  ßk  bks-,  BknHTH,  BkH'K,  Kk^-kTH,  aw- 


40      A.  Leskien,  Noch  einmal  t  nnd  b  in  den  altkirchenslav.  Denkmälern. 

KkBk,  also  in  der  tibergrossen  Zahl  der  Fälle,  dem  alten  t^  ein 
Labial  vorangeht.  Es  ist  doch  vielleicht  der  Gedanke  nicht  von 
der  Hand  zu  weisen,  dass  die  Wirkung  der  weichen  Silbe  auf  die 
vorhergehende  irgendwo  und  irgendwann  unter  der  Bedingung 
stand,  dass  diese  Silbe  labial  anlautete;  das  ständige  B'KS'knHTH 
neben  BknHTH,  Bk  Bks-  neben  stets  bleibendem  ck  kt».  ist  und 
bleibt  auffällig.  Ferner  möchte  ich  noch  bemerken,  wenn  i^'bAkBk 
i^'KAkBC  vorkommt,  so  erinnert  das  an  die  ziemlich  oft  erscheinende 
Schreibung  HAkTk  (s.  o.  S.  35),  man  kann  allenfalls  daraus  ent- 
nehmen, dass  ein  at^  der  Wirkung  einer  folgenden  weichen  Silbe 
weniger  Widerstand  entgegensetzte,  vgl.  dazu  das  oben  S.39  über  l 
Bemerkte. 

Dass  der  Imperativ  von  pf  k;r  so  gut  wie  regelmässig  als  p^ki^H 
u.  s.  w.  erscheint,  kann  mit  dem  Hartwerden  des  p  erklärt  werden ; 
dagegen  bleibt  auffallend  das  konsequente  B'KH'kMH,  HSTiUfTT». 
u.  s.  w.  (s.  0.  S.  36).  Berufung  auf  Analogiebildung  aus  B'kb'KM;^ 
mit  'K  wegen  der  folgenden  harten  Silbe  führt  zu  nichts,  denn  es 
ist  nicht  einzusehen,  warum  jemand,  der  B'Sp'kHa  B'kpkHt  u.  s.w. 
wechseln  lässt,  den  Wechsel  in  B'kH'kMift  BivHkMH,  b'ks'km;^  bti- 
3kMH  aufheben  sollte.  Ich  unterlasse  es  aber  jetzt,  weitere  Be- 
trachtungen darüber  anzustellen,  da  das  besser  geschehen  kann  in 
Verbindung  mit  der  Untersuchung  der  andern  noch  zu  behandeln- 
den Quellen,  auf  die  ich  später  kommen  werde. 

A.  Leskie7i. 


41 


Slavische  Wortdeutungen. 


1 .  Cech.  csceta,  ckeia,  sketa,  cJceta ;  slov.  scetovait,  scetiti^  sketiti,  sketljw 
(slov.  osabe?i,  aksl.  osajati,  ositi  s^). 

Gebauer  vergleicht  im  Slovnik  stc,  I.  194  das  alte,  czftc^ta  'ca- 
bella'  d.  h.  'caballa',  welches  er  csceta  liest,  mit  ahd.  stuot.  Diese  Zu- 
sammenstellung ist  wegen  e  unwahrscheinlich,  weil  ein  wo,  u  nie  in  e 
übergeht.  Nachdem  das  Wort  schon  im  Bohemarins  maior  vom  J.  1397 
vorkommt,  müsste  jedenfalls  zumindest  von  der  mhd.  Form  auszugehen 
sein,  aber  auch  so  könnte  man  zu  jener  Zeit  zu  keinem  sti,  ste  als 
Grundlage  von  csceta  gelangen,  da  nicht  abzusehen  ist,  warum  die 
Sprache  nicht  bei  stu  mit  s  (nicht  *■ !)  hätte  stehen  bleiben  sollen.  Und 
wie  soll  man  sich  dann  die  Erweichung  des  t  erklären  ?  Wir  dürfen  von 
csceta  die  anderen  altcech.  Wörter  für  'caballa'  nicht  trennen,  weil 
sie  von  unserem  Worte  auch  der  Form  nach  nicht  weit  abstehen;  es 
sind  dies  sketa^  cketa  'zvire,  Thier,  bestia;  kün,  kobyle,  Pferd,  Stute; 
zbabelec,  Feigling:  knez  se  je  .  .  .  neudatne  czkety  (jemu)  dävati:  du 
bist  ein  blodiz  tyr;  byl  s'  vse  sve  dni  neudatna  czketa:  alle  dm  tage 
bist  du  blöde  gewesin  (Dalimil)';  desgleichen  geben  die  Wörterbücher 
der  neueren  Sprache  die  Formen  cketa^  cketa,  sketa,  sketa  als  'wildes 
Thier,  Pferd,  Feigling,  Tölpel'  wieder. 

Das  Wort  ist  offenbar  formell  stark  entstellt;  die  angeführten 
Stellen  aus  Dalimil  machen  hinreichend  ersichtlich,  dass  cketa,  cketa 
nur  als  Schimpfwort  'Thier'  bedeutet,  also  gleich  ist  einem  modernen 
Schimpfworte  'Vieh,  Bestie',  beim  Pferde  'Schindmähre'.  Es  ist  offen- 
kundig damit  ein  Thier  gemeint,  von  dem  man  keinen  Nutzen,  sondern 
nur  Plage  hat:  ein  solches  Thier  bringt  aber,  wie  der  Feigling  im  Kriege 
und  der  blöde  Mensch  im  Leben,  da  doch  alle  wie  die  nützlichen  Ge- 
schöpfe ernährt  werden  müssen,  eigentlich  nur  Schaden,  ihr  Sein  ist 
Nichtigkeit,  geradeso  wie  vom  Utilitätsprincip  aus  das  eines  wilden 
Thieres,  welches  ja  nur  Schaden  zufügt,  zumal  wenn  man  es  bei  Existenz 
von  Jagdprivilegien  nicht  einmal  frei  jagen  darf.  Es  ist  daher  nicht 
auffallend,  solche  Thiere  mit  dem  Worte  für  'Schade'  bezeichnet 
zu  finden,  geradeso  wie  ein  Mensch,  der  mehr  Schaden  als  Nutzen 
anrichtet,  den  Namen  'Schade,  Skoda'  erhalten  hat.    Man  muss  also  für 


42  K.  Strekelj, 

csceta  etc.  von  dem  Worte  für  'Schade'  ausgehen.  Dieses  Wort  lautet 
aksl.  Usteta,  serbokr.  Heta  von  der  Wurzel  t^sk.  Urcech.  lautete  es 
tsceta,  cceta.  Wie  wir  naeh  §  438  der  Historicka  mluvnice  I.  von  Ge- 
bauer aus  placcivü  ein  placscivi/,  aus  kcice  ein  kscice  mit  eingeschobe- 
nem s  gewinnen,  so  aus  cceta  ein  csceta.  Andererseits  konnte  cceta^ 
d.  i.  tstseta,  dem  ungewöhnlichen  Anlaut  auch  dadurch  ausweichen, 
dass  das  s  der  ersten  Affricata  schwand  und  dann  t  vor  der  zweiten 
Aflfricata  zu  k  gewandelt  wurde,  ein  zwar  ungewöhnlicher  Vorgang,  der 
aber  hier  mit  Rticksicht  auf  die  zwei  nachfolgenden  t^  das  t  der  unmittel- 
bar folgenden  Affricata  und  das  t  der  nächsten  Silbe,  infolge  der  Häufung 
der  /-Laute  leicht  begreiflich  ist.  Durch  diese  Dissimilation  erhalten  wir 
"^kceta^  eine  im  Slavischen  ungewöhnliche  Lautfolge,  die  durch  Metathese 
der  anlautenden  Consonanten  behoben  ward,  so  dass  man  zu  cketa  ge- 
langte. Aus  dem  Anlaut  ck  (=  tsk)  ward  wieder  t  eliminirt,  was  die  Form 
sketa  zur  Folge  hatte.  Der  häufige  Wechsel  von  6^•  mit  sk  erzeugte  end- 
lich die  Form  sketa^  worin  wieder  5  in  c  überging  und  so  cketa  ergab, 
für  welche  Erscheinung  uns  Gebauer  im  §  40.t.  2  a  des  L  Bandes  seiner 
Historicka  mluvnice  hinreichende  Beispiele  anführt,  die  noch  aus  an- 
deren slavischen  Sprachen  (z.  B.  dem  Serbokroatischen:  ckneti^  ckvara, 
ckzrna^  cmilj\  cmrkati  u.  s.  w.)  vermehrt  werden  könnten. 

Das  alte  t^steta  (serbokr.  steta)  treffen  wir  in  etwas  veränderter 
Gestalt,  die  aber  theilweise  an  die  Wandlungen  im  Cechischen  erinnert, 
auch  in  mehreren  slovenischen  Wörtern  an.  Nach  Havlik's  Gesetz  vom 
Schwunde  derHalbvocale  musste  daraus  im  Slovenischen  *  tsceta,  *cceta, 
*sceta  werden.  Von  diesem  ist  zunächst  ein  Verbum  scetovati  se  ab- 
geleitet, das  in  Unterkrain  (Krsko)  setcati  se  gesprochen  wird  und  'sich 
enthalten'  bedeutet :  setvati  sejedi  m  pij'ace.  Für  sc  tritt  nämlich  heute 
auch  in  Unterkrain  manchenorts  schon  s  ein,  wie  in  Oberkraiu  und 
Steiermark;  dieser  Zug  muss  auch  das  Unterkrainische  schon  früh  er- 
fasst  haben,  da  wir  bereits  in  der  protest.  Periode  schon  allgemein  s 
für  sc  mjesce  [se,  ise)  finden.  Die  Bedeutung  von  setovati  se  entwickelte 
sich  durch  die  Mittelstufen:  sich  Schaden  zufügen  —  sich  Abbruch  thun 
—  sich  enthalten.  Die  Anschauung,  dass  sich  einer,  der  sich  einer  Sache 
freiwillig  enthält,  sie  nicht  seinem  Genüsse  zuführt,  sich  selbst  schädigt, 
ist  gewiss  eine  unchristliche.  Das  Objekt  steht  wie  bei  ähnlichen  Verben 
und  beim  zugrundeliegenden  Adjektiv  tbsth  im  Genitiv. 

Ein  zweites  auf  thsteta  beruhendes  slov.  Verbum  ist  das  in  Unter- 
krain, Innerkrain  und  im  Küstenlaude  vorkommende  scetiti,  sketiti  'eine 


Slavische  Wortdeutungen.  43 

Sache  so  verbrauchen  und  verarbeiten ,  dass  man  davon  keinen  Nutzen 
hat,  sie  verschwenden';  auch  hier  war  nämlich  die  erste  Bedeutung 
'schädigen,  zu  Grunde  richten'.  Levstik,  der  dieses  Wort  nur  in  der 
Bedeutung  'spälteln'  kennt,  will  es  im  Letopis  slov.  Mat.  1882/83.  253 
vom  mhd.  schiff  ahd.  seit  'Scheit'  ableiten.  Nachdem  jedoch  im  Görz- 
schen  das  Wort  in  Verbindungen  vorkommt,  wo  man  an  ein  'Spälteln, 
Scheite  machen'  gar  nicht  denken  kann  (z.  B.:  vse  zito,  ves  pridelek  so 
posketili,  zdaj  pa  nimajo  ob  cem  ziveti),  kommt  mir  die  Entlehnung 
nicht  glaubhaft  vor.  Die  Ableitung  von  tsceta^  bceta  (mit  Schaden  ver- 
wenden =  verschwenden  =  verwirthschaften)  ist  natürlicher.  Bei  An- 
nahme einer  Ableitung  von  seit  wäre  auch  die  Nebenform  sketiti^  die 
sowohl  am  Karst  wie  in  Unterkrain  (Lasce)  gebraucht  wird,  neben  sce- 
titi^  das  in  Innerkrain  gesprochen  wird,  wo  indess  die  secundäre  slove- 
nische  Palatalisation  nicht  bekannt  ist,  nicht  begreiflich,  während  wir 
es  aus  tsceta  durch  *ksceta  —  *kceta^  *cketa^  *i>keta  leichter  ableiten ; 
vgl.  auch  slov.  veksi  aus  vecsi  durch  vetsi  (c.  vetsi),  bezüglich  der  Meta- 
these aber  puska  aus  puksa.  Natürlich  trat  diese  Metathese  sowohl  im 
Cechischen  wie  im  Slovenischen  erst  zu  einer  Zeit  ein,  wo  k  vor  e  nicht 
mehr  nothwendigerweise  erweicht  zu  werden  brauchte.  —  Reflexiv 
gebraucht  bedeutet  das  Verbum  scetiti^  sketiti  'sich  sträuben,  sich 
weigern',  es  hat  also  eine  Bedeutung,  die  man  ganz  gut  mit  t^steta 
in  Einklaug  bringen  kann.  Hier  hat  das  davon  abgeleitete  Verbum. 
welches  ähnlich  wie  scetovati  se  anfänglich  'sich  Schaden  zufügen  — 
sich  Abbruch  thun  —  sich  enthalten'  bedeutete,  im  Bedeutungswandel 
nur  einen  Schritt  weiter  gethan:  wer  sich  einer  Sache  enthält,  der 
weigert  sich,  sträubt  sich,  sie  anzunehmen,  zu  geniesseu;  daher  nahm  denn 
das  Wort  scetiti  se,  sketiti  se  die  Bedeutung  'sich  sträuben,  sich  weigern' 
an,  woraus  sich  weiter  die  von  'widerspänstig,  stutzig  sein'  entwickelte  ^). 


1)  Aehnlich  wie  sketljiv  'widerspänstig',  stutzig'  aus  sketiti  se  (von  Hsteta) 
urspr.  'sich  schädigen,  sich  enthalten',  entwickelte  sich  aus  savati  se  cesa, 
osavati  se  'sich  einer  Sache  weigern,  verschämt  thun,  bevor  man  sie  annimmt' 
(savati  se  jedi  all  pijace:  in  Unterkrain  und  Kärnten  gebräuchlich,  fehlt  bei 
Pletersnik),  ksl.  osajati,  osavati  se  'sich  enthalten',  durch  das  daraus  abgelei- 
tete Nomen  *osaba  das  nsl.  osahen  'stolz,  hochmüthig'.  Osaben  war  zunächst 
jener,  der  sich  der  vorgelegten  Speisen  etc.  enthielt,  sie  verschmähte,  sich 
ihrer  weigerte ;  dass  'hochmüthig'  und  'trotzig,  widerspänstig'  verwandte  Be- 
griffe sind,  zeigt  auch  c.  purny^  zpurny,  welches  beides  bedeutet.  Auch  bei 
osajati  8Q  scheint  die  Grundbedeutung,  aus  welcher  sich  später  'sich  enthalten' 
entwickelte,  die  von  'sich  schädigen'  zu  sein.    Das  Wort  gehört  wohl  zu  einer 


44  ■  K.  ätrekelj, 

Ist  aber  dem  so,  dann  ist  anch  slov.  sketljiv  'stutzig'  (von  Pferden)  kein 
Lehnwort,  und  demgemäss  sowohl  Levstik's  Ableitung  dieses  Wortes 
aus  ital.  stitico  (Letopis  1.  c),  als  auch  die  meinige  vom  d.  stettig  (Archiv 
XII. 469)  als  unpassend  und  unnöthig  zurückzuweisen;  bei  beiden  wäre 
überdies  der  unmittelbare  Uebergang  des  st  vor  einem  Vocal  in  sk  im 
Slovenischen  erst  nachzuweisen. 

2.  Kroat.  galte^  glotun\  glotimija. 

Das  Wort  gälte  f.  pl.  bedeutet  'Schlund,  Kehle'.  Budmani,  der  es 
im  Rjecnik  III.  97a  aus  einem  Schriftsteller  des  XVIII.  Jahrh.  (Andr. 
Vitalic  aus  Lissa)  und  aus  dem  Wörterb.  StuUi's  [galta  'fauces,  gula, 
guttur')  belegt,  erklärt  es  daselbst  für  unbekannten  Ursprungs.  Sieht 
man  indess,  dass  man  auch  kalk  (neben  käk  im  Istrischen  bei  Nemanic, 
Cak.-kroat.  Studien  I.  16)  für  kuk  'femur',  halm  neben  hlam  für  hum 
'coUis'  besitzt,  so  muss  man  unwillkürlich  an  die  cakavische  Wiedergabe 


Wurzel  che,  cha,  die  wir  auch  in  chabaii,  chabiti  haben.  Für  diese  letzteren 
Wörter  nimmt Miklosich  (Et.Wtb. 84a,b)  gar  drei  Basen  an:  chaba-  (nsl.habati 
se  'abstinere'),  chabi-  1  (ksl.  chabiti  'pessumdare',  nsl.  habiti,  shabiti,  pohabiti 
'beschädigen',  bulg.  ishabja  'to  spoil  in  making,  to  duir,  serb.  habati  'panum 
deterere',  haba  'noxa',  cech. ochabiti  'kraftlosmachen',  chäbnoutl  'schlaff wer- 
den', klr.oxaöHTu  'verderben',  gr.  noxä6iiTB  'verwöhnen')  und  chabi-2  (ksl.  chabiti, 
ochabiti  se  'abstinere',  cech.  ochabiti  se,  slov.  habati  'schonen').  Indess  zeigt  un- 
sere obige  Auseinandersetzung  über  slov.  scetovati  se,  scetiti  se  klar,  dass  wir 
es  hier  mit  einer  gleichen  Bedeutungsentwickelung  zu  thun  haben  und  dass 
die  drei  Basen  Miklosich's  eigentlich  nur  eine  einzige  repräsentiren.  Unklar 
ist  ihr  Verhältniss  zu  chajati  'curare',  ochajati  'non  curare',  das  indess  für  sich 
eine  besondere  Basis  zu  bilden  scheint.  Hingegen  entwickelte  sich  ein  an- 
deres aksl.  Verbuni,  welches  'abstinere'  bedeutet,  nämlich  osibq  se,  ositi  se, 
osibati  sf,  wohl  aus  einer  anderen  Grundbedeutung  heraus.  Die  Verbalwurzel 
lautet  wohl  sib  und  es  gehört  zu  ihr  auch  das  von  Miklosich,  Et.  Wtb.  339 
unter  si-2  angeführte  nsl.  presinoft,  welches  ja  der  Bedeutung  nach  dem  p7-e- 
sunoti  gleichkommt:  simoti  ist  'stossen,  schlagen,  einen  Schlag  versetzen'; 
dasselbe  bedeutet  aber  auch  sib-\  vgl.  klr.  BtiuiHÖciH  'ausstossen',  ksl.  umöaxu 
'virgis  caedere',  gr.  uiHöaTB  'schlagen',  slov.  osinoti  'mit  einem  langen  Gegen- 
stand einen  Schlag  versetzen'.  Das  ksl.  ositi  sf,  osibati  s§  'abstinere'  geht  auf 
eine,  von  sib-  'schlagen',  siba  'Ruthe',  nsl.  sibek  'schwank',  usibniti  se  'sich 
krümmen'  —  die  elastische  Ruthe  biegt  sich  beim  Versetzen  eines  Schlages 
damit:  »Ona  mi  bo  podala  zohko  sibico,  da  se  bo  mi  ovila  okoli  mojih  mla- 
dih  kostic,  spricht  ein  slov.  Kind  von  der  Stiefmutter  —  abgeleitete  Bedeutung 
,3ich  krümmen,  biegen'  zurück,  woraus  dann  'ausweichen'  und  zuletzt  'sich 
enthalten'  ward;  vgl.  ogniti  se,  ogibati  se  'sich  biegen  —  ausweichen,  meiden'. 


Slavische  Wortdeutungen.  45 

des  slavischen  silbenbildenden  /  durch  al  sich  erinnern,  über  welche  uns 
Milcetid  (Archiv  f.  3I.  Ph.  XI.  364  f.)  und  Oblak  (Archiv  XVI.  199  f.)  be- 
richteten: gälte  ist  daher  nichts  anderes  als  glte  =  gut^  ksl.  rAivTii, 
russ.  rojTt,  slov.  golt.,  cech.  hlt  u.  s.w.  —  Während  für  7  in  Altserbien 
und  in  älteren  Urkunden  bisweilen  auch  lu  zu  finden  ist  (Oblak,  1.  c. 
207,  208),  hat  eine  Ableitung  des  soeben  angeführten  glt,  das  kroat. 
gütun  'Kropf,  im  Istrocakavischen  lo  für  altes  silbenbildendes  /:  glotün^ 
gloiünac  'guttur  avium'  (Nemanic  0.  c.  I.  41,  52,  53).  An  der  slavischen 
Genuität  des  Wortes  ist  nicht  zu  zweifeln:  un  wird  vielfach  zur  weiteren 
Ableitung  von  Wörtern,  die  'Kehle,  Schlund,  Kropf  bedeuten,  ange- 
wandt, vgl.  slov.  golzun  'Kropf,  golzunec  id.  von  golza^  golm  'Kropf, 
serbokroat.  gusa,  bulg.  rptKjiyH,  rpti^jy«  'Kehle'.  An  ghU  angefügt 
sehen  wir  im  auch  im  cech.  hltnun,  hyrtuü  neben  Jdton  'Schlundkopf, 
poln.  krtunic  siq  'sich  würgen' ;  das  verwandte  an  finden  wir  im  slov.  gol- 
tanec^  cech.  hlta7i  in  derselben  Bedeutung,  ksl.  rp-LTanL,  russ.  ropxaHi., 
slov.  grtayiec^  cech.  lirtdn^  poln.  krtan  u.  s.  w.,  was  alles  dafür  spricht, 
dass  *ghtu)Vb  eine  genuinslavische  Bildung  ist.  Merkwürdig  ist  nun 
die  vereinzelte  Erscheinung  des  lo  für  /  im  cakav.  glotün\  sie  ist  nicht 
anders  erklärbar,  als  durch  Annahme  von  Contamination  mit  anderen 
lo  enthaltenden  Wörtern.  Sachlich  könnte  zur  Noth  das  einheimische 
glötina  'Gemisch  verschiedener  Getreidearten,  Weizen  ausgenommen; 
pomijesano  i  necisto  zito  (Ragusa)',  welches  ja  das  Hauptfutter  des 
Hausgeflügels  ist  und  im  glotun  verarbeitet  wird,  in  Betracht  kommen. 
Doch  haben  wir  ein  passenderes  Wort,  welchem  die  Aenderung  zuge- 
schrieben werden  muss;  es  ist  dies  das  fremde  glötün  'prozdor'  ('koji 
Ijubi  kuhinje,  zove  se  glotun')  aus  dem,  dem  slav.  gl^t^  stammver- 
wandten ital.  gliioitone  'Vielfrass'  [glutönem)  ^  ghiotto  'Schlemmer' 
{*gluttus)j  inghioftire  ^schlucken,  schlingen^  {glutüre):  zur  Aehnlich- 
keit  der  Laute  trat  die  Aehnlichkeit  des  Begriffes  hinzu  (Vielfrass  = 
Giermund).  Dass  man  im  serbokroat.  glotun  'prozdor'  lo  für  das  er- 
wartete lu  hat,  indem  ja  dem  alten  romanischen  u  wohl  in  der  Regel  u 
im  Serbokroatischen  entspricht,  beruht  darauf,  dass  schon  im  Romani- 
schen neben  glu  auch  glo  sich  findet  (friaul.  gloti  neben  gltitt),  indem 
für  schriftlat.  glu  schon  früh  glü  eingetreten  war.  —  Ob  kroat.  glotu- 
nija  'prozdorstvo,  Gefrässigkeit'  einheimische  Bildung  aus  dem  fremden 
glötün  'Schlemmer'  sei,  wie  Budmani  annimmt,  weil  im  Ital.  nur  glutto- 
neria^  ghiottoneria  gesagt  wird,  vermag  ich  bei  der  Existenz  eines  engl. 
gluttony   neben   frz.   gloutonnerie    nicht    zu    entscheiden;     vielleicht 


46  K.  Strekelj, 

existiite  doch  auch  auf  roman.  Boden  ein  *glutto7üa,  welches  durch  Bil- 
dungen auf  arla  verdrängt  ward. 

3.  Cech.  hoch^  d.  Hache. 

Als  Bedeutung  des  cech.  hoch  wird  'Junge,  Bursche,  Kerl'  ange- 
geben; diminut.  hosek^  hosik\  das  Femininum  zu  hoch  ist  hochna  'junge 
Dirne'.  Weil  das  Wort  in  diesen  Formen  den  tlbrigen  slavischen  Sprachen 
abgeht,  vermuthete  Matzenauer.  Cizi  slova  3S8,  fremden  Ursprung  und 
zog,  wie  schon  vor  ihm  der  geniale  Schmeller  beide  Wörter  verbunden 
hatte  (Bayr.  Wörterb.2  I.  1041),  das  d.  Hach  ^  Hache  zur  Verglei- 
chung  heran.  Dieses  bedeutet  nach  dem  Deutschen  Wörterb.  (Grimm) 
IV.  A.  96 — 9S  ganz  das  nämliche,  wie  das  cechische  Wort:  'junger 
Mensch,  Bursche  im  allgemeinen :  Knapheus,  Knap,  Knab  oder  sechsisch 
ein  Knaph  heisst  ein  junger  Gad  oder  Hach.,  oder  den  die  Ungarn  ein 
Jonaken  {^=  s\a.y.Junak^),  wir  einen  Gesellen  heissen'  Mathesius,  Sarepta, 
nun  bei  Göpfert  29).  Belegt  ist  d.  Hache,  Hach  im  D.Wtb.  ausser  aus 
Mathesius  in  formelhafter  Verbindung  (mit  jung,  frei,  wild)  noch  aus 
Kaisersberg,  Fischart,  H.  Sachs,  Schönsleder,  Hütten,  Böcking  und  Uh- 
land's  Volksliedern.  Aus  Mathesius  wird  auch  die  Form  Hock  angeführt : 
'Philippi  Son  der  Wundermann,  welchen  Daniel  ein  freier  Hock  nennet 
(wie  man  die  alten  Kriegsfürsten  Kerl  oder  freie  Hachen  oder  Habicht 
nennet)'.  Ferner  gibt  das  D.Wtb.  aus  Matthiae  d.-lat.Lex.(1716)  Hach 
in  der  Bedeutung  'junger,  läppischer,  grober  und  tollkühner  Mensch', 
aus  Rondeau  d.-frz.Wtb.  (1740)  als  terme  injurieux  'cheval  de  carosse' 
und  aus  Zelneri  sententiae  (1718)  den  Spruch  'An  tollem  Lachen  er- 
kennt man  einen  Hachen'  an.  In  Mitteldeutschland,  besonders  Hessen, 
bedeutet  es  nach  Vilmar  jetzt  einen  habsüchtigen,  groben  Menschen  und 
wird  auch  als  Schelte  angewandt.  Das  Femininum  Hache  bedeutet 
'Dirne,  grobes  und  leichtfertiges  Weib'.  Ueber  die  Etymologie  des 
Wortes  kann  das  D.Wtb.  nur  Vermuthungen  bieten.  Zunächst  wendet 
es  sich  gegen  Frischens  und  Schmellers  Deutung  aus  Habicht  (aufge- 
stellt unter  Anlehnung  an  die  oben  angeführte  Stelle  aus  Mathesius) 
und  zieht  den  ahd.  Namen  Hahho,  Hahcho,  Hecho,  Heccho,  Hecko 
zum  Vergleich  heran,  muss  aber  hinzufügen:  »Die  genaue  ursprüngliche 
Bedeutung  des  Wortes  aufzudecken  fällt  schwer«,  »vielleicht  würde  man 
es  mit  hacken  zu  vermitteln  haben,  insoferne  hacken  auch  das  Schlagen 
und  Kämpfen  gegen  den  Feind  bedeutet«.  Diese  Erklärung  halte  ich 
für  ebensowenig   wahrscheinlich   wie   deren  Aufsteller  selbst;   es  ist 


Slavische  Wortdeutungen.  47 

immerhin  misslich,  ein  junges  dunkles  Wort  durch  einen  nicht  minder 
dunklen,  wenn  auch  alten  Personennamen  erklären  zu  wollen;  ausser- 
dem heisst  es  nirgends,  dass  Hache  geradezu  'Kämpfer,  Krieger'  be- 
deute, wenn  es  auch  als  'tollkühner  Mensch' gedeutet  wird.  Ganz  sicher 
ist  das  eine,  dass  das  deutsche  und  das  cech.  Wort  sowohl  der  Form 
wie  der  Bedeutung  wegen  zusammengehören.  —  Hat  sich  nun  Matzenauer 
(und  nach  ihm  Gebauer,  der  sich  im  Slovnik  starocesky  450a  auf  ihn 
beruft  und  das  deutsche  Wort  sogar  zum  «altd.«  macht)  in  der  Annahme 
von  Entlehnung  nicht  geirrt?  Im  Cechischen  ist  hoch  als  Eigenname, 
wie  Gebauer  angibt,  bereits  aus  dem  J.  1379  und  1429  nachgewiesen, 
hochna  'Dirne'  (neochotnä,  nevlidna  i  neprivetivä  hochna)  im  XVI.  Jahr- 
hundert gebräuchlich,  kommt  also  in  dieser  Beziehung,  insoferne  es 
sich  um  den  Nachweis  des  Alters  handelt,  dem  d.  Worte  zumindest 
ziemlich  gleich. 

Ich  glaube,  dass  hoch  slavisch  ist  und  kann  es  aus  dem  Öechischen 
auf  eine  sehr  einfache  Weise  erklären.  Bekannt  ist,  dass  im  Slavischen 
bei  der  Bildung  der  Hypokoristika  (Kosenamen)  und  der  damit  zu- 
sammenhängenden Diminutiven  oft  ganze  Silben  gegen  das  Wortende 
zu  unterdrückt  werden  und  an  den  übrigbleibenden  Wortstummel  be- 
stimmte Suffixe  angefügt  werden.  Von  gospödär,  jezik,  medvjed,  pö- 
bratim,  trbuh  z.  B.  wird  im  Serbokroat.  das  Hypokoristikon  dadurch 
gebildet,  dass  nur  die  erste  Silbe  mit  einem  oder  zwei  Konsonanten  ver- 
bleibt und  daran  a,  o  gefügt  wird :  gösa,  jeza,  medo,  pöbro,  tfba.  In 
anderen  Fällen  wird  vom  Stammworte  alles  weggelassen,  was  auf  den 
ersten  Vokal  folgt,  und  auf  den  verbleibenden  Wortrest  verschiedene 
Konsonanten  wie  c,  c,  c,  h,  j\  k^  l,  s  mit  einem  der  Vokale  a,  0,  e  ge- 
fügt: Dorotija-Döca,  Katarina-Käca,  zlotvor-zloco,  Radosav-Räho,  De- 
simir-Ddho  u.s.w.  (siehe  Maretic,  Gramatika  361 — 363).  Etwas  diesem 
letzteren  Falle  ähnliches  finden  wir  nun  im  Öechischen,  und  zwar  ist 
dort  als  Suffix  für  Hypokoristika  r]t  beliebt:  für  kmofr  haben  wir 
kmoch,  für  hratr  —  brach  und  brächa]  besonders  häufig  ist  dies  natür- 
lich in  Taufnamen  zu  finden :  Petr-Pech,  Väcslav-  Vach,  od.  Vächa, 
Sta?iislav-Sfach,  Boleslav-Bolech,  Zikmund-Zich^  Simon-Sich  und 
Sicha,  MateJ-Mach  und  Mächa,  Havel-Hach^  Jenik-Jerh^  Bartolo- 
mej-Bartoch^  Bartocha\  anf  diese  Weise  entpuppt  sich  manch  deutsch- 
österreichischer Familienname  auf -<"/*  (z.  B.  Pech,  Stach,  Mach)  als  Spröss- 
ling  cechischer  Vorfahren.  Natürlich  können  davon  weitere  Ableitungen 
gebildet  werden :  Pech-Pesek^  PeUk,  Pisek,  Pisa,  Peska  (vgl.  Gebauer^ 


48  K.  Strekelj, 

Mluvnice  skolskä  I.  §  82).  Wie  nun  kmotr  zu  kmocJi,  hratr  zu  hrach 
oder  komin  zu  koch^  so  ward  holek^  hohe  'Knabe,  Bursche'  zu  hoch 
und  durcli  das  Suffix  7ia  erhielt  man  daraus  hochna.  Hoch  ist  also  ur- 
sprünglich ein  Hypokoristikon,  welches  bei  einem  Worte  wie  holek  sehr 
leicht  begreiflich  ist ;  die  dem  Hypokoristikon  vielleicht  anfangs  inne- 
wohnende diminutive  Bedeutung  verlor  sich  allmählich  und  verblasste 
ganz  (vgl.  slov.  detic^  hlapec  'Knecht',  ursprüngl.  Demin.  von  *detb^ 
chla^n),  so  dass  die  Bedeutung  'Bursche,  Knabe',  die  holek.,  holec  ur- 
sprünglich besass,  weiter  in  Kraft  blieb.  Holek^  holec  selbst  beruht  be- 
kanntlich 2Mi  goh  (vgl.Miklosich,  Et.Wtb.  71)  'der  Bartlose' ;  wir  finden 
das  Wort  nicht  bloss  im  Öech.  und  Sorb.,  wie  es  Miklosich  1.  c.  angibt, 
sondern  auch  im  Slov.  [golec  'bartloser  Junge")  und  Serbokroat.  [golac 
'impubes'  neben  'noch  unbefiederter  Vogel',  istrocak.  golcina  'iuvenis', 
Milcetic  im  Rad  121  ^  130,  Nemanic  II.  39).  Auf  dem  Ausdruck  für 
'Knabe'  ('der  Bartlose')  beruhen  dann  die  Ausdrücke  für  Mädchen :  c. 
etc.  holka^  kroat.  slov.  golica. 

Nach  dieser  Erklärung  muss  nun  d.  Hach^  Hache  als  Lehnwort 
aus  dem  Slavischen,  d.  h.  Cechischen,  angesehen  werden,  geradeso  wie 
das  aus  demselben  Stamm  goh  durch  cech.  holomek  ins  Deutsche  ge- 
langte Halunke.,  welches  von  allen  Germanisten  für  slav.  Lehnwort 
angesehen  wird :  wie  in  diesem,  ergab  auch  in  hoch  das  anlautende  ho 
im  Deutschen  A«,  im  Auslaut  aber  ward  e  an  Hach  nach  Analogie  an- 
derer Substantiva  auf  e  angefügt. 

4.  Kroat.  hust.,  gusc  und  host.,  hustolina;  slov.  hlastina  etc. 

Im  Istrocakavischen  (vgl.  Nemanic  I.  10)  bedeutet  hüst  m.  ausser 
'frutex,  Gebüsch'  auch  'cannabis  degener  (nee  mas  nee  femina)'. 

In  der  ersteren  Bedeutung  ist  das  Wort  nichts  anderes  als  das  Mas- 
culinum  des  sonst  feminin  gebrauchten  kajk.-kroat.  husta^  slov.  hosta 
'das  Dickicht',  welches  seinerseits  auf  urslav.  chvostu,  verwandt  mit  d. 
quast  'Laubbüschel',  zurückgeht,  das  im  cech.  chvost  'Besen,  Ruthe, 
Badequast',  c/iüos^ma 'Wedel,  Busch',  c/^üOÄ^a^* 'schlagen',  poln.  c7«z<?os^ad 
id.,  der  ursprünglichen,  im  eben  augeführten  deutschen  Wort  noch  er- 
haltenen Bedeutung  am  nächsten  kommt,  während  es  in  der  Bedeutung 
'Schweif  im  Kirchenslav.,  Kroat.  u.  s.  w.,  davon  schon  etwas  entfernter 
ist.  Das  Wort  hvosta  'Dickicht',  hvost  'Gebüsch'  ward  im  Slov.  zu 
■hosta.,  im  Kroat.  zu  husta.,  bzw.  hust  durch  Anlehnung  an  gost^  gust 
(ksl.  r;fiCT'K)  'dick',  also  'Dickicht'  xar'  e^oxrjv.    Das  dem  anlauten- 


Slavische  Wortdeutungen.  49 

den  h  nachfolgende  v  schwand  wahrscheinlich  wegen  der  Labialisirung 
des  nachfolgenden  o,  indem  wie  in  gvozd,  zagvozda  aus  vo  zunächst 
vuo^  110,  0  ward ;  andererseits  konnte  v  durch  w  zu  i,  l  entwickelt  wer- 
den, was  man  im  Slovenischen  in  einigen  Dialekten  findet:  zaglojzda, 
wie  auch  slatati  aus  svatati,  hlatati  aus  hvatati,  hlastati  aus  Jwastati 
und  ähnl. 

In  der  Bedeutung  'cannabis  degener  (nee  mas  nee  femina)'  ist  kroat. 
hust  auf  eine  ganz  andere  Wurzel  zurückzuführen,  resp.  daraus  durch 
Formübertragung  zu  erklären,  nämlich  chlash  (aus  urslav.  cholsiü), 
russ.  xojiocTLiri  'unverheirathet,  ledig',  xoiiocTHTt  'verschneiden,  castri- 
ren'  (s.  Miklosich,  Et.Wtb.  SSa;  vgl.  Pedersen's  Ausführungen  in  den 
IF.  V.  64):  hl/st  ist  also  ein  für  sich  allein  stehender,  im  ledigen  Zu- 
stande befindlicher,  gleichsam  castrirter  Hanf,  der  weder  befruchten 
noch  befruchtet  werden  kann.  Der  Weg  von  cJdastb  —  das  Wort 
müsste  im  Serbokroatischen  hlast  lauten  —  führt  über  c/wasi^  aus 
chiast^  durch  Anlehnung  an  chvost  zu  diesem  über,  mit  welchem  es 
die  weiteren  Wandlungen,  wie  sie  im  voranstehenden  Absatz  dargelegt 
wurden,  theilte.  Dass  dem  so  ist,  beweist  uns  die  istrocak.  Neben- 
form gusc,  welche  desgleichen  (wie  auch  pohustelj\  Nemanic  I.  68) 
'cannabis  degener  (nee  mas  nee  femina)'  (Nemanic  I.  13),  daneben  aber 
auch  *faex'  bedeutet,  also  mit  ksl.  r;i^iJJTa  'faex',  slov.  gosca  'dicker 
Bodensatz,  Hefe,  Dickicht'  etc.  sich  gekreuzt  hat,  was  uns  die  Ein- 
wirkung von  gqst^  auf  urslav.  c/wostü  und  chlastü  im  Istrocakavischen 
zur  Evidenz  ergibt. 

Aehnlich  wie  c/wostü  ^Laubbusch'  im  Kroatischen  zu  hust  'Ge- 
btisch' wurde,  erlag  den  gleichen  Einwirkungen  dasselbe  Wort  in  der  spä- 
teren Bedeutung  'Schweif  in  den  verschiedensten  Formen.  Es  entwickelte 
sich  aus  chvost  'Laubbusch',  'Schweif  (vgl.  namentlich  den  buschigen 
Schwanz  des  Fuchses)  auch  die  Bedeutung  'abgebeerter  Trauben- 
kamm', für  welchen  ausser  r^ep  'Schweif,  grozdovina  (von  grozch),  ozo- 
bina  (von  zobati,  ozobati  'abbeeren'),  sipurina  auch  die  Formen  hüsto- 
Una,  hustovina,  host,  hostine  (Rjecnik  HI.  737b),  hlostina  ('racemus 
baccis  nudatus',  Nemanic  H.  39)  und  hvostina  (so  habe  ich  es  in  Triest 
von  einem  Istrianer  Kroaten  gehört)  vorkommen;  im  Sloven.  haben  wir 
hläst  'abgebeerte  Traube',  hlastina  und  hvost  in  derselben  Bedeutung. 
In  diesen  Formen  finden  wir,  dass  theilweise  v  vor  o  schwand  oder  zu 
/  ward  [host,  hostine  —  hlostina),  theilweise  aber  hust  für  Jivost  ein- 
geführt ward  [hustovina,  hustoUna).    Hustovina  Hesse  sich  als  Bildung 

Archiv  far  slavische  Philologie.    XXYII.  4 


50  K.  Strekelj, 

nach  grozdovina  erklären ;  das  geht  aber  bei  hustolina  nicht,  da  ein 
*huiitol,  *hustola  nicht  erwiesen  ist.  Wir  müssen  da  wieder  eine  merk- 
würdige Kreuzung  von  ]iust  und  *hlostovi7ia  aus  hvostovina  in  der 
Weise  annehmen,  dass  in  *hlostovina  zunächst  die  Umstellung  von  l 
und  V  ^hviostolina]^  und  daraus  nach  Einführung  des  hust  die  Form 
hustolina  zu  Stande  kam.  Im  slov.  hlast^  hlastina  scheint  wegen  a 
Kreuzung  mit  Jdastati  'gierig  essen',  hlästniti^  hldstiti  'schnappen'  vor- 
zuliegen. Das  slovenische  hlastina  ist  also  etymologisch  von  chlastb 
'solus'  zu  trennen;  es  vermischte  sich  damit  nur  durch  Kreuzung. 

Diese  Entstellungen  des  ursprünglichen  chvost^,  chlastb  haben 
natürlich  dort  stattgefunden,  wo  die  Wörter  in  deren  älteren  Bedeu- 
tungen abhanden  gekommen  sind  oder  nur  in  Ableitungen  vorkommen, 
in  welchen  die  ursprünglichere  Bedeutung  verdunkelt  ist. 

5.    Slov.  Tiurec^  kurica\   kuriti 
[pica,  serbokr.  koJca). 

Das  slov.  kiirec  'membrum  pudendum  viri',  kroat.  kurac  'penis' 
(bei  Filipovic,  Nemanic  I.  20)  geht  auf  ku7•^  'Hahn'  zurück  und  hat 
nichts  mit  poln.  kurcz^  slov.  k7'c  etc.,  womit  es  Linde  zusammenbringt, 
zu  thun.  Der  Ausdruck  km•^  'gallus'  ist  im  Serbokroatischen  heute  un- 
bekannt, im  Slovenischen  ist  er  aber  noch  nicht  ganz  vergessen;  doch 
ist  das  davon  abgeleitete  Diminutiv  in  seiner  angeführten  Bedeutung 
ganz  verdunkelt,  was  häufig  bei  Gegenstandswörtern,  die  von  Thiere 
bedeutenden  Wörtern  hergenommen  sind,  aus  dem  Grunde  geschehen 
ist,  weil  heute  bei  ersteren  der  Accusativ  dem  Nominativ,  bei  letzteren 
aber  dem  Genitiv  gleich  ist.  Im  Polnischen  bedeutet  kurek  heute  noch 
'Hähnchen',  'Fasshahn'  und  'penis'  (cf.  Siownik  jezyka  polskiego  von 
Kariowicz-Krynski-Niediwiedzki);  in  einer  poln.  Wiedergabe  eines 
litauischen  Märchens  (Brugmann-Leskien,  Volkslieder  und  Märchen  469), 
die  J.  Karlowicz  in  der  Wisia  III.  2  75  veröffentlichte,  antwortet  der 
Tölpel  auf  die  Frage  der  Königstochter:  »A  gdyby  kurek  (Hahn  des 
Fasses)  wypadl?«  mit  den  Worten:  »To  bym  wstawil  möj(f.  Die  Wie- 
dergabe des  membrum  virile  durch  den  Ausdruck  'Hahn'  kennt  auch 
das  Deutsche:  im  D.Wb.  IV  2  findet  man  Sp.  164  Hahn  als  'membrum 
virile'  aus  Frisch  1,  397  a  angeführt  und  dazu  angemerkt,  dass  diese  Be- 
deutung öfters  auch  die  Verkleinerungsform  i?ä//wc/^ew  und  Fiphahn  be- 
sitzt. Dieser  letztere  Ausdruck  (=Hahn  an  derPipe),  sowie  das  sloven. 
cep  in  der  Bedeutung  'Zapfen'  und  'mentula'  weisen  darauf  hin,  dass 


Slavische  Wortdeutungen.  51 

die  Vermuthung  M.  Heyne's  im  D.Wtb.  1.  c,  es  beruhe  diese  Metonymie 
auf  der  geschlechtlichen  Tüchtigkeit  und  Geilheit  des  Hahnes,  keines- 
wegs der  Wahrheit  entsprechen  dürfte;  eher  hat  man  sie  an  den  Hahn 
als  Bezeichnung  jener  Vorrichtung  zu  knüpfen,  die  zur  Herauslassung 
der  Flüssigkeit  durch  eine  an  ein  Fass  gesteckte  Röhre  dient  oder  viel- 
mehr überhaupt  aus  der  scheinbaren  Aehnlichkeit  der  Sache  mit  dem 
Vogel  abzuleiten,  zumal  in  bestimmten  Gegenden  für  die  mentula  kleiner 
Knaben  der  Ausdruck  Vogel  (Wien),  im  Slov.  ticek  'Vöglein'  ge- 
braucht wird. 

Nachdem  sich  einmal  kurec  aus  kur  als  'penis'  festgesetzt  hat,  hat 
man  zu  Zeiten,  als  das  Wort  noch  immer  daneben  auch  in  der  ursprüng- 
lichen Bedeutung  gebraucht  wurde,  dazu  aus  dessen  Gegenstück  kura 
'gallina'  ein  kurica  'muliebria'  gebildet;  letzteres  findet  sich  im  Slove- 
nischen  und  im  Niedersorbischen,  in  welch  letzterem  indess  das  ent- 
sprechende Masculinum  sammt  seinem  Grundworte  in  Vergessenheit 
geratheu  ist.  Hat  man  aber  das  membrum  pudendum  feminae  einmal 
mit  einem  Namen  belegt,  welcher  durch  Motion  aus  einem  Wort  für 
•Hahn'  hervorgegangen  ist,  so  wurden  im  Anschlüsse  daran  auch  andere 
Ausdrücke  für  'Henne'  zur  Bezeichnung  derselben  Sache  verwendet, 
sodass  sie  in  der  Sprache  sowohl  in  ihrer  eigentlichen ,  wie  in  dieser 
accessorischen  Bedeutung  gang  und  gäbe  sind.  So  findet  man  im  SIo- 
venischen  und  Kroatischen  in  beiden  Bedeutungen  ('gallina'  und  'vulva') 
2nca,  picka^  abzuleiten  von  pita  'Henne'  mit  dem  Suffix  ftra,  verwandt 
mit  puta^  worüber  meine  Ausführungen  in  der  Abhandlung  »Zur  slav. 
Lehnwörterkunde«  s.v.  zu  vergleichen  sind;  pirka  nahmen  auch  die 
Magyaren  auf  [picska]  und  machten  daraus  nach  Abwurf  des  Diminutiv- 
suffixes ka  \\\v  picsa  'vulva',  das  von  magy.  pina  zu  trennen  ist.  Hier- 
her rechne  ich  ferner  serbokroat.  koka  'muliebria  infantium',  das  nichts 
mit  ital.  cocca^  ngr.  -/.ö'/xt  'Kerbe,  Einschnitt'  zu  thun  hat,  sondern  zu 
ital.  cocca  'gallina'  stimmt,  wo^on  sich  das  Hypokoristikon  köka  von 
kokos  nur  durch  den  Accent  unterscheidet;  die  Unterscheidung  kann 
indess  nur  secundär  sein,  um  die  beiden  Bedeutungen  auseinander  zu 
halten.  Zu  beachten  ist,  dass  diese  beiden  Worte  auch  'Traubenkern, 
Nusskern'  bedeuten,  was  auch  bei  anderen  Ausdrücken  für  'Henne'  der 
Fall  ist,  z.  B.  slov.  puta^  ciha,  womit  auch  kokot  'Nusskern'  zu  ver- 
gleichen ist  M. 


1)  Als  ich  diesen  Artikel  schrieb,   lair  mir  Belic's  Bemerkung  in  den 

HsBicTia  H.  otä^.!.  Bd.  Vlll.  Heft  2.  pg.  ^96  noch  nicht  vor. 

4* 


52  K.  ^trekelj, 

Mit  der  in  Gegenden,  wo  kurec^  kurac  bekannt  ist,  Läufigen  An- 
wendung dieses  Wortes,  nm  damit  eine  verächtliche  Verneinung  oder 
Abweisung  auszudrücken  (=  gar  nicht,  gar  nichts),  ist  der  gleiche  Ge- 
brauch des  ital.  cazzo  'membro  virile':  un  cazzo  =  cica,  niente,  niente 
affatto,  no,  mainö  (Boerio  156)  zu  vergleichen.  In  dieser  Verwendung 
kennen  kurac  auch  die  Serben,  denen  es  sonst  nicht  bekannt  sein  soll. 

Bei  Küzmic  (I.  Kor.  XI.  16)  kommt  ein  von  Pletersnik  nicht  beach- 
tetes kuriti  se  in  der  Bedeutung  'zanken,  streiten'  vor :  ci  se  pa  sto  sce 
kuriti  =  ei  de  rig  doY-sl  (piLhvw/Mq  eivai.  Es  ist  wohl  von  kuriti 
'heizen',  c.  kour,  kür  'Rauch',  os.  kur  'Rauch,  Staub'  zu  trennen,  da 
es  dann  die  Bedeutung  'sich  einheizen,  sich  Rauch  machen'  haben 
mtisste,  während  seine  jetzige  Bedeutung,  wenn  man  es  mit  ku7'o  'Hahn' 
verbindet,  sich  unschwer  ableiten  lässt:  'sich  benehmen  wie  ein  Hahn, 
der  keinen  Genossen  neben  sich  duldet  und  sofort  mit  ihm  in  einen 
Kampf  sich  einlässt,  wenn  er  ihm  zu  nahe  kommt'. 

6.  Loza. 

Das  Wort  loza  ist  meines  Wissens  bis  jetzt  unerklärt.  Boz.  Raic 
versuchte  im  Archiv  I.  620,  ihm  von  der  Wurzel  leg  aus  beizukommen, 
ohne  anzugeben,  wie  er  sich  die  Entwickelung  der  Bedeutung  daraus 
vorstellt.  Aus  dieser  Wurzel  Hesse  sich  höchstens  'die  sich  anlegende, 
anschmiegende  Pflanze'  herausschälen,  was  allerdings  einigermassen 
nicht  unpassend  wäre;  doch  hat  Raic  sicherlich  nicht  daran  gedacht, 
weil  ihn  die  Weinkultur  der  ihm  bekannten  Länder  darauf  wohl  nicht 
schliessen  liess.  Raic's  Versuch  ist  indess  lautlich  missglückt,  indem 
sich  daraus  das  z  des  Wortes  nicht  erklären  lässt,  da  es  (wegen  o  in 
der  Silbe  vor  der  ursprünglich  betonten  Schlusssilbe)  nicht  zu  jenen 
gehört,  wo  g  nach  dem  von  J.  Baudouin  de  Courtenay  (Idg.  Forschungen 
IV.  46  f.)  gefundenen  Palatalisationsgesetze  zu  z  werden  müsste,  bei 
Annahme  eines  Suffixes  Ja  [ia]  aber  aus  gja  ein  za  entstehen  würde. 
Miklosich  behandelte  das  Wort,  ohne  weiter  darauf  einzugehen,  im 
Lexicon  pal.-gr.-lat.  p.  343  s.  v.,  wo  er  unpassend  lit.  lauzas  'abge- 
brochener Ast'  zur  Verorleichung  heranzieht,  Avas  wegen  au  nicht  angeht 
und  wohl  zu  läuziu,  läuzti  'brechen'  gehört,  dann  im  Et.  Wtb.  174  f., 
wo  er  (175a)  lit.  läza  'Schaft'  zur  Vergleichung  anführt,  das  jedoch, 
wie  schon  Brückner  (Lituslav.  Studien  I.  102)  erkannt  hat,  aus  poln. 
ioze  ist:  loze  w  strzelbi  'Schaft  einer  Flinte'  [=  das  Holz,  in  welchem 
das  Gehäuse  und  der  Lauf  des  Gewehres  eingebettet  ist).    Nehring 


Slavische  Wortdeutungen.  53 

zählt  (Idg.  Forschungen  IV.  402)  das  Wort  loza  unter  jenen  auf,  deren 
z  noch  nicht  erklärt  ist. 

Das  Wort  hat  in  den  slavischen  Sprachen,  in  welchen  es  vorkommt, 
verschiedene  Bedeutungen.  Im  Kirchenslavischen  bedeutet  A03a: 
1.  Gerte  Reis  -/.Ifi^ia  palmes,  2.  Reisig  y.lrjßarlg  palmites,  3.  Weinrebe 
ai-iTcelog  vitis,  4.  an  Bäumen  in  die  Höhe  gezogener  Weinstock  ava- 
devÖQctg  vitis  arbustiva;  die  Ableitung  JiosHie  bedeutet:  1.  Reiser  /.Irj- 
aava  palmites,  2.  Triebe,  Schösslinge  ßlaazol  germina;  3.  Weinreben 
tcuTceloL  vites,  Weingarten  ujUTtekiov  vinea,  4.  dürres  Strauchwerk 
fpQvyava  sarmenta;  die  letztere  Bedeutung  hat  auch  das  Derivat  Jio- 
3Hinne.  Das  Bulgarische  kennt  Jiosa  'Weinstock'  und  jiosiie  'Wein- 
garten'. Im  Serbokroatischen  bedeutet  loza  'Zweig,  Schössling,  Rebe, 
Weinrebe,  Schossrebe,  Wald,  Baumaterial';  lözovac  ist  'Reis,  dünner 
Zweig,  Rebe',  lözovan  'voller  Ranken  oder  Weinblätter',  loznac  und 
loznica  'Art  Erbsen,  Fisolen,  die  sich  hinaufrankt',  loziti  se  'sich  hinauf- 
ranken'; loznica  'wilde  Rebe'.  Im  Slovenischen  ist  löza  zunächst 
'Ranke,  Weinrebe',  dann  auch  'Wald,  besonders  der  Niederwald',  ferner 
'Hain'.  Im  Slovakischen  haben  wir  loza  als  'Weinrebe  zum  Setzen'. 
Das  Grossruss.  kennt  .i03a  als  'Ruthe,  Reis,  Zweig',  BimorpuAHaa  Jiosä 
'Weinrebe';  jro3nHa,  jioaoBmia  =  Jiosa,  ji03fce  'Reisig'  (gegenüber 
Ji63be  'Weinreben'  aus  dem  Kirchenslav.),  jiosaHt  'Hieb  mit  der  Ruthe'. 
Im  Kleinruss.  findet  sich  .i03a  als  'Zuchtruthe'  und  'Korbweide,  Ufer- 
weide (Salix  viminalis/;  BiiHHa  Ji.  'Weinrebe',  Bepöojiis  'Lorbeerweide'. 
Ausser  in  der  Bedeutung  'Ruthe,  Gerte,  Birkenruthe,  Zweig'  und 
'Strauch,  Busch,  Weinstock'  kennt  das  Wort  ioza  in  der  Bedeutung 
'Weide,  namentlich  Wasserweide  oder  Bachweide  (siler)'  auch  das  Pol- 
nische, das  auch  loziyia  'Wasserweide'  und  'Gebüsch,  Gesträuch'  be- 
sitzt. —  Welche  dieser  Bedeutungen  ist  die  ursprüngliche?  Ich  glaube 
von  'Ranke,  Rebe'  ausgehen  zu  müssen,  wobei  allerdings  'Rebe'  noch 
nicht  im  Sinne  von  'Weinrebe'  aufgefasst  werden  darf,  welche  Ein- 
schränkung sicherlich  erst  später  hinzugetreten  ist.  Aus  'Ranke,  Rebe' 
specificirte  sich  nämlich  einerseits  'Weinrebe',  andererseits  entwickelte 
sich  daraus  mit  Bezug  auf  ihre  technische  Verwendbarkeit  als  Flecht- 
und  Bindemittel  die  Bedeutung  'Trieb,  Zweig,  Gerte,  Reis,  Ruthe'.  In- 
dem nun  diese  Gruppe  entweder  die  technisch  wichtigere  Bedeutung 
behielt,  entstand  daraus  'Weide',  da  dieser  Baum  oder  Strauch  bekannt- 
lich am  besten  für  das  Flechten  verwendbar  ist,  oder  es  ward,  indem 
die    technische   Bedeutung    mehr    in    den  Hintergrund  trat,   loza   zu 


54  K.  ^trekelj, 

'Ruthengesträuch,  Strauch'  in  lebendem,  'Reisig,  dürres  Strauchwerk' 
in  abgestorbenem  Zustande.  Aus  'Ruthengesträuch,  Strauch'  haben  wir 
dann  endlich  den  mit  Schlingpflanzen  zwischen  Gesträuch  und  Bäumen 
durchzogenen  'Niederwald',  woraus  zuletzt  'Wald'  und  'Baumaterial' 
(cf.  Jitci.)  ward. 

Die  Grundbedeutung  ist  also  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
'Ranke,  Rebe';  die  dem  Worte  für  diese  Bedeutung  zugrunde  liegende 
Wurzel  ist  slav.  lez  (idg.  legh)^  die  wir  in  leza^  lesti  'klettern,  steigen, 
aufsteigen,  kriechen"  besitzen:  demnach  ist  das  daraus  durch  Ablaut 
und  das  Suffix  a  gebildete  loza  'die  [mittelst  Luftwurzeln  oder  Ranken 
an  anderen  Pflanzen  als  Stützen]  emporsteigende,  kletternde'.  Die 
Erbse,  die  Fisole,  welche  in  gleicher  Weise  an  der  Stütze  emporsteigt, 
heisst  deswegen  im  Serbokroatischen  loznac  loznica,  d.i.  die  loza-artige. 
loza-ähnliche ;  'wie  eine  Rebe  emporsteigen,  sich  hinaufranken'  heisst 
loziti  se.  Aus  loza  'Ranke,  Rebe'  konnte  sich  bei  den  Südslaven  loza 
'Weinrebe'  entwickeln,  weil  diese  gleichfalls  wild  im  Walde  vorkommt, 
hingeschlungen  auf  Sträuchern  und  Bäumen;  bei  den  Nordslaven  be- 
schränkt sich  das  Wort  aus  begreiflichen  Gründen  mehr  auf  die  Bedeu- 
tungen 'Ruthe'  und  'Weide'.  Die  Entwickelung  der  Bedeutung  'Ranke, 
Rebe'  zu  'Weinrebe',  wie  wir  sie  in  loza  sehen,  findet  sich  auch  anderswo, 
wo  die  Weinrebe  wie  eine  Art  Liane  die  Bäume  umzieht  und  ohne 
Kultur  Früchte  hervorbringt.  Schrader  will  daher  das  Wort  'Wein' 
selbst  auf  die  ursprüngliche  Bedeutung  'Ranke,  Rebe'  zurückführen,  in- 
dem er  vhium  oivog  vom  armen,  (/ini  ans  geni  (aus  *voinio)  ableitet, 
worin  die  im  lat.  vieo^  vhtiefi,  slav.  vith  vorkommende  Wurzel  vei,  vi 
'sich  winden'  steckt,  zu  der  griech.  vir]Vj  viöv  rrjv  äf.i7rsloj',  viöv 
avaÖEvd.Qäda  (Hesychius),  lat.  vitis  'Weinstock'  und  die  Bedeutungen 
für  'Weide'  griech.  flrla  gehören,  so  dass  das  armen.  *voino  (wovon 
*voimo]  ursprünglich  den  Sinn  von  "rankendes  Gewächs,  Weinstock' 
gehabt  hat,  dann  aber,  als  man  gelernt  hatte,  ans  den  Früchten  der- 
selben ein  berauschendes  Getränk  herzustellen,  eine  Ableitung  davon 
dieses  Getränk  selbst  bezeichnet  hat  (Reallexikon  944).  Aehnlich 
haben  die  Deutschen  ihr  Hebe,  mhd.  rebe,  ahd.  reba  specificirt,  welches 
auf  eine  Wurzel  reb/t,  deren  Begriffskern  'Windung,  Umschliessung'  ist, 
zurückgeführt  wird  (siehe  Kluge,  Etym.  Wtb.  s.  v.).  Ob  nicht  auch 
griech.  cifiTtsXog  her  gehört?  Man  bringt  es  jetzt  (s.  Prellwitz,  Etym. 
Wtb.  der  griech.  Sprache  S.  20;  Lewy,  Die  somit.  Lehnwörter  im 
Griech.  24)  als  ^anquelos  zu  ay-Avlog  'krumm',  aind.  ancati  'biegt', 


Slavische  Wortdeutungen.  55 

ankuräs  'Spross,  junger  Schoss'.  Aber  warum  sollte  *cmquelos  bald 
t({.iTtsXog  bald  ay/.v)<.og  ergeben?  Ist  nicht  auTislog  zunächst  'die  sich 
drehende,  hinauf  bewegende  Pflanze'  von  dva  und  TtekofiaL  'sich  drehen, 
sich  hin  und  her  bewegen'?  —  Dass  im  Russischen  und  Polnischen  die 
Ruthe  als  Züchtigungsinstrument  mit  loza  'Rebe'  bezeichnet  wird,  dazu 
haben  wir  eine  hübsche  Parallele  bei  den  Alten,  indem  die  römischen 
Centurionen  statt  des  Stockes  eine  vitis  mit  sich  führten  und  sie  als 
Züchtigungswerkzeug  gebrauchten.  Vgl.  auch  got.  wlizjan  'züchtigen', 
welches  zu  sAx.ßesc  'Ruthe,  Gerte',  slav.  Uska  'Haselruthe'  gestellt 
wird;  Cnrtius  hat  bekanntlich  auch  lat.  verhera  mit  lit.  vifbas  'Reis, 
Ruthe'  verglichen  (Grundzüge  ^  351). 

Formell  ist  die  Annahme  einer  Wurzel  lez  als  Basis  von  lezq-Usti, 
laz^-laziti  so  zu  beurtheilen,  wie  eine  Wurzel  sed  als  Basis  für  slav. 
sed  [sesti),  sad^-sadiii  oder  ed  als  Basis  für  slav.  ed^jed^jad. 

Das  bulgarische  ji03HHi];a  ^/J.lua^^  (Miklosich,  Et.  Wtb.  166a  sub 
lez)  ist  meiner  Ansicht  nach  ein  Derivat  von  loza  'Rebe,  Ranke' :  ur- 
sprünglich war  es  wohl  eine  aus  Reben  oder  Wieden  geflochtene  Leiter, 
vielleicht  nur  eine  Art  Wiedenseil  aus  Schlingpflanzen  mit  durchge- 
steckten Holzspriessein,  kaum  aber  den  heutigen  Seilleitern  vergleich- 
bar. Es  gehört  im  Etym.  Wtb.  unter  lez-^  weil  auch  dessen  Basis  loza 
hingehört. 

7.  Serbokr.  mozdatiik,  slov.  moznik  etc. 

Serbokr.  mozdanik  'Spundnagel,  Radfelgennagel,  der  eine  Felge 
mit  der  anderen  zusammenhält,  Döbel',  slov.  moznik  'Döbel',  moznikar 
'Döbelbohrer',  zamozka  'Radnagel',  mozgaj  'Stückschlägel  der  Wag- 
ner', cech.  mozek  'u  koläre  dreveny  hreb,  kterym  loukotl  v  ostrihu  u 
vnitr  k  sobe  piipojeny  jsou',  poln.  mozdzen  'kolek  z  twardego  drzewa, 
w  obudwu  koncach  scienczony,  ktörym  si^  spajaja  z  soba  dzwona  köi  u 
wozu,  tybel;  embolus;  swider  do  wiercenia  otworöw  w  dzwonach  kölr': 
diese  Wortgruppe  (ohne  das  cech.  Wort)  lässt  Miklosich  im  Etym.  Wtb. 
203b  unerklärt.  Nachdem  solche  Holznägel,  wie  Zapfen  überhaupt, 
zumeist  aus  dickeren  Ruthen  oder  Zweigen,  oder  aus  dünneren  Aesteu 
und  sogenanntem  Prügelholz  verfertigt  werden,  denke  ich,  dass  die 
slavischen  Wörter,  die  ein  *mozgh  voraussetzen,  zu  griech.  /.looxog 
'Spross,  Zweig,  Schössling,  Ast'  zu  stellen  sind,  welch  letzteres  Hirt 
(Ablaut  649,  S.  132)  auf  ein  *omozgho  'Spross'  zurückleitet;  vgl.  be- 
treß's  des  griech.  Wortes  auch  die  Ausführungen  Osthoff"s  in  den  IF. 


56  K.  ätrekelj, 

VIII.  17.  Lautlich  lässt  sich  gegen  die  Zusammenstellung  kaum  etwas 
einwenden:  mozdanik  beruht  auf  mozg-en-ikh ,  in  moznik  ist  g  wie 
sonst  in  der  Lautgruppe  zgn  (cf.  brizniti,  zdruzniti)  geschwunden. 
Was  den  Bedeutungswandel  betrifft,  so  mache  ich  darauf  aufmerksam, 
dass  auch  das  d.  Stift  'Nager  zu  lat.  stipes,  welches  'Pfahl',  aber  auch 
'Baumzweig'  bedeutet,  gestellt  wird  (cf.  Kluge  ^  s.  v.). 

8.  Slov.  ornica. 

Dieses  Wort  wird  mit  'Cynanchum  vincetoxicum,  Schwalbenschwanz^ 
gedeutet.  Pletersnik  hat  es  aus  Letopis  Mat.  slov.  1882/83,  S.  295,  wo 
es  Erjavec  (aus  Bolc  und  Pluzna)  mitgetheilt,  Levstik  aber  mit  aksl. 
orhJiica  'geackertes  Feld'  verglichen  hat,  welches  doch,  der  Bedeutung 
wegen,  ganz  und  gar  nicht  dazu  passt.  Das  Wort  ist  in  dieser  Form 
nur  falsch  erschlossen,  indem  der  Aufzeichner  dem  dialektischen  Worte 
eine  literarische  Form  geben  zu  müssen  glaubte.  Gehört  hat  er  wohl 
wrnica^  uPrnica  (mit  ^r  für  r),  das  nichts  mit  orati  zu  thun  hat,  son- 
dern auf  aksl.  vred^  zurückgeht:  unbetontes  re  der  Formel  tert-tret 
wird,  wie  häufig  in  slovenischen  Dialekten,  zu  r,  das  d  fiel  zwischen  r  und 
n  aus.  Demnach  würde  die  eigentliche  literarische  Form  vrednica  'zel, 
ki  cell  vred'  lauten,  ein  Wort,  welches  in  der  That  auch  noch  in  dieser 
Form  vorkommt,  aber  nur  für  die  Pflanze  Veronica  filiformis  bezeugt 
ist.  Doch  ist  die  Bezeichnung  auch  der  Pflanze  Cynanchum  vincetoxi- 
cum  mit  vrednica  durch  die  Thatsache  sichergestellt,  dass  das  Masculi- 
num  davon,  vrednik^  sowohl  für  Veronica  wie  für  Cynanchum  vorkommt. 
Dem  Cynanchum  vincetoxicum,  der  Asklepias  des  Dioskorides,  benannt 
nach  Asklepios,  dem  Gotte  der  Heilkunde,  welcher  zuerst  die  Heilkraft 
dieser  Pflanze  entdeckt  haben  soll,  werden  seit  alters  giftbezwingende 
Eigenschaften  beigelegt,  und  früher  war  die  Brechen  erregende,  und 
daher  bei  Vergiftung  geschätzte,  schweisstreibende  Wurzel  (Giftwurz) 
officinell  (vgl.  Leunis,  Synopsis  der  Pflanzenkunde ^  786,  787). 

9.  Serbokroat.  piriti  'blasen'. 

Miklosich  hat  im  Et.  Wtb.  247a,  wo  er  serb.  napiriti  'aufblasen', 
pirkati  'pirka  vjetar'  anführt,  über  die  Etymologie  des  Wortes  nichts 
angegeben  und  das  Wort  als  sui  generis  im  Wörterbuch  figuriren  lassen. 
Doch  hat  es  meines  Erachtens  etliche  bekannte  Verwandte.  Warum 
soll  zunächst  jömYe  'durchwehen,  blasen,  fächeln'  von  pyr-i  (Et.  Wtb. 


Slavlsche  Wortdeutungen.  57 

269  b)  bezüglich  des  Ausdrucks  nozdrama  razpyrenama  'mit  schwellen- 
den, d.  h.  aufgeblasenen  Nüstern'  getrennt  werden?  Und  andererseits, 
wenn  man  ein  öech.  pureti,  poureti,  pouriti  se  'sich  aufblasen',  püra, 
vzpoura  'Stolz,  Anmassung',  purtii/,  zpurmj  'hochmüthig,  trotzig,  wider- 
spänstig'  findet,  wo  ofienkundig  dieselbe  Anschauung  wie  bei  cech. 
pycha,  slov.  napuh,  serb.  naclutost,  d.  Aufgeblasenheit  (vgl.  auch  lit. 
papüres  'aufgedunsen')  vorliegt,  ist  es  in  der  That  nicht  abzusehen, 
weshalb  man  dieses  Wort,  obwohl  es  in  den  angeführten  Formen  nicht 
in  allen  Sprachen  auf  derselben  Ablautstufe  erscheint,  durchaus  trennen 
müsse  von  der  Sippe  cech.^?/r,  pijr  'glühende  Asche,  pyreti  'schamroth 
werden',  poln.  perz^  pyrzyna  'Loderasche'  .  .  .,  nachdem  ja  doch  das 
Compositum  vpiriti  im  Serbokroatischen  'entzünden',  pirjan  'gedämpf- 
tes Fleisch',  pyric  aber  im  Oberserb.  'heizen'  bedeutet.  Das  Entzünden 
oder  Anfachen  des  Feuers  ist  ja  doch  eine  Folge  des  piriti  'blasen',  ohne 
welches  ein  Feuer,  wenn  man  nicht  moderne  Zündmittel  zur  Hand  hat, 
nicht  ins  Leben  gerufen  werden  kann:  das  Anzünden  ist  ja  ursprünglich 
ein  Anblasen  (=  Anfachen)  des  durch  Reibung  erweckten  Gluthkernes : 
cf.  nsl.  upihati  ogenj  =  zanetiti  ogenj.  Es  steht  demnach  unser  piriti 
so  ziemlich  auf  derselben  Stufe  wie  ein  griech.  TtvQÖio  'anzünden,  an- 
stecken', und  gehört  demnach  auch  zu  derselben  Wurzel,  wie  die  dem 
griech.  rtvQ,  iimhr.  pir,  ahd.y^^^r,  arm.//^7r,  ir.  ür  'Fackel'  entsprechen- 
den, bei  Miklosich,  Et.  Wtb.  269b  unter  pyr-2  erwähnten  slavischen 
Ableitungen,  z.  B. :  nsl.  pit^ih  'Osterei',  zapiriti  se  'erubescere',  c.  py- 
riti  'schamroth  werden',  pyj-  'glühende  Asche',  slovak.  ^^yrewz'ce  'polu- 
spälenä  släma  zo  striech  slamou  krytych  v  cas  poziaru  vetrom  zana- 
senä',  poln.  perz  'Loderasche',  os.  pyric  so  'im  Gesichte  glühend  sein', 
pyricky  'ribes  rubrum'  (nach  der  rotheu  Farbe).  Wie  wir  aber  bei  joe- 
riti  {:=  *pyriti)  in  der  Bedeutung  'blasen'  im  Slavischen  auch  eine  Stufe 
mit  u  vorgefunden  haben  (cech.  pura,  vzpoura,  poureii  .  .  .),  so  haben 
wir  neben  upiriti  'anzünden'  im  Serbokroatischen  auch  ein  puriti  'rösten 
[Kukuruzkörner]',  welches  Miklosich  im  Et.  Wtb.  276b  als  selbständige 
Basis  anführt  und  bei  pyr-2  auf  sie  nur  hinweist.  Mit  Rücksicht  auf 
das  eben  Gesagte  ist  diese  Scheidung  nicht  nothwendig,  da  'rösten' 
[puriti)  —  namentlich  wenn  dies  in  einer  eisernen  Pfanne  geschieht, 
welche  dabei  glühend  wird  —  und  'glühend  sein'  {os.pyric  so,  slov.  zapi- 
riti se,  cech.  pijriti)  dieselben  oder  doch  nahe  verwandte  BegriflFe  sind. 
Ueber  Feuer-nvQ-pyr  etc.  vgl,  Johannes  Schmidt  (Vocalismus  11.273 f.) 
und  Hirt  (Ablaut  109,  S.  39). 


58  K.  ätrekelj, 

10.  Serhokr.  praska^  sloY.  pt^ascika. 
Das  slov.  prascika  s.  f.  bedeutet  den  spitzblättrigen,  wildwachsen- 
den Spargel  (asparagus  acutifolius) ;  neben  prascika  wird  auch  brscika 
gesprochen  (Letopis  slov.Mat.  18S2/S3,  S.  288).  Levstik  will  an  letzter 
Stelle  das  Wort  mit  russ.  6opii],i.,  polu.  barszcz^  slov.  brsc  etc.  (siehe 
unten  unter  szczudio]  in  Verbindung  bringen.  Dem  widersteht  die  an 
erster  Stelle  angeführte  Form,  die  tiberdies  im  Wörterbüchlein  Alasio 
Sommaripa's  aus  dem  J.  1607  auf  Bl.  28a  'asparago  prafchiche'  bezeugt 
ist.  Da  die  beiden  Pflanzen  mit  einander  keine  besondere  Aehnlichkeit 
zeigen,  kann  brscika  wohl  nur  volksetymologische  Umänderung  von  pra- 
scika, eine  durch  Anlehnung  an  brsc.  oder  brst  entstandene  Form  sein. 
Sulek  scheint  in  prascika  den  Stamm  pras-  (porcus :  prastcfc,  prase)  zu 
vermuthen,  nachdem  er  das  poln.  prosinka  'Hypochoeris,  Ferkelkraut', 
eine  gleichfalls  mit  prascika  gar  nicht  verwandte  Pflanze,  vergleicht, 
was  auch  deswegen  nicht  angeht,  weil  ja  prascika  kein  eigentliches 
oder  Lieblingsfutter  der  Schweine  ist.  Wegen  gänzlicher  Verschieden- 
heit der  Pflanzen  kann  auch  an  eine  Ableitung  des  Wortes  \on  praskva, 
braskva  'Amygdalus  persica'  nicht  gedacht  werden.  Es  könnte  indess 
anderweitiger  fremder  Ursprung  vermuthet  werden,  indem  ja  -ika  auch 
an  Lehnwörter  antritt,  vgl.  slov.  lovorika,  oljika,  serbokr.  motrika. 
Hierbei  könnten  nur  die  ital.  frasca  und  brasco  in  Betracht  kommen : 
ersteres  bedeutet  einen  belaubten  Ast,  letzteres  'Art  Besen  aus  Mäuse- 
dorn' (Ruscus  aculeatus,  auch  bruscus\  brascaglio  Dorngebüsch,  friaul. 
brascaj).  Gegen  das  erstere  spricht  der  Umstand,  dass  Asparagus 
acutifolius  keine  eigentlichen  Blätter  hat,  indem  diese  mehr  Fichten- 
nadeln gleichen;  gegen  das  zweite  aber  lässt  sich  die  Thatsache  an- 
führen, dass  unsere  Pflanze,  deren  Name  dort  vorkommt,  wo  auch 
die  Slovenen  gleich  den  Romanen  den  Mäusedorn  zu  Besen  verwen- 
den, niemals  eine  solche  Verwendung  erfährt,  weil  die  nadeiförmigen 
Blätter  eines  abgeschnittenen  Zweiges  sehr  schnell  abfallen  und  die 
Pflanze  selbst  für  eine  solche  Verwendung  ganz  unpassend  ist ;  übrigens 
würde  auch  bei  dieser  Annahme  der  anlautende  Consonant  unerklärt 
bleiben.  Ich  erkläre  deswegen  prascika  als  genuine  Bildung,  abgeleitet 
von  *prask^,  praska^  welche  Wörter  wir  im  Serbokroatischen  in  der 
Bedeutung  'Schössling,  Sprössling'  [prasak  m.,praska{.,  prasce)  finden 
und  die  sm? pras knqti,  pras kati  ^krache-n,  platzen,  knistern,  prasseln, 
aufschiessen,  anbrechen,  plötzlich  hervorbrechen,  plötzlich  erscheinen' 
zurückzuführen  sind ;  das  Verbum  praskati  in  der  Bedeutung  'kratzen' 


Slavische  Wortdeutungen.  59 

ist,  glaub  icb,  bei  Seite  zu  lassen,  wiewohl  die  Pflanze  ausgewachsen 
etwas  kratzt.  Einen  Beweis  für  die  Richtigkeit  der  angeführten  Ab- 
leitung finde  ich  in  der  Analogie  des  griechischen  Namens  derselben 
Pflanze,  do:rc(Qayog.  Dieses  ist  nach  Hirt  mit  a(paQaylof.iai  'mit  lau- 
tem Knalle  zerplatzen,  prasseln,  zischeln',  acpctQayog  'Geräusch',  lit. 
spragü,  sprageti  'prasseln,  platzen',  ai.  sphürjati  'brummen,  dröhnen, 
prasseln,  von  verschiedenen  Geräuschen,  z.  B.  dem  des  Feuers,  auch 
hervorbrechen,  plötzlich  erscheinen',  ahd.  sprähha^  lett.  spregstu^  spregt 
'platzen, bersten'  verwandt  (vgl.  Hirt,  Ablaut  253,  S.  85  :  spereg  'platzen', 
bersten'').  Sowohl  aartccqayoq  (vgl.  auch  ajraQydoj  'sprossen',  äoTtä- 
Qayog  -/.Qccußi^g  'Kohlspross')  als  prascika  sind  demnach  'Sprösslinge, 
Stocktriebe'.  Da  der  Spargel  sehr  schnell  wächst,  gleichsam  über  Nacht 
hervorbricht,  ist  er  passend  mit  Ableitungen  von  Verben  bezeichnet 
worden,  die  'bersten,  plötzlich  hervorbrechen,  anbrechen'  bedeuten. 

11.  Poln.  szczudio,  c.  stidlo^  serbokr.  stula^  scule 
{p.szczehiel,  c,. Hebel]  slov.  brst,  c.  hrost]  p. harszcz  etc., ksl.  hljusth  etc.). 

Einige  slavische  Sprachen  besitzen  zur  Bezeichnung  des  Begriffes 
'Stelze'  und  'Holzbein'  neben  mehreren  anderen  fremden  und  einheimi- 
schen Ausdrücken  auch  ein  Wort,  welches  urslav.  stjudlo  lauten 
würde,  gemeiniglich  aber  als  Lehnwort  angesehen  wird.  Im  Polnischen 
haben  wir  szczudlo  'hölzernes  Bein,  ein  Mensch  mit  einem  Holzbein, 
Stelzengänger',  szczudla  n.  pl.  'Stelzen',  szczudlak^  szczudlik  'der 
Vogel  Himantopus'  (wohl  Neologismus) ;  in  Schlesien  bei  Troppau  be- 
deutet scudleJi^  scudlina  jetzt  'Klee",  scudlecisko  'Kleefeld'  (Kott  III. 
851),  während  im  Altcech.  scidlo  'Stelzfuss',  im  Neucech.  scidla^  stidla^ 
stihla,  stihla^  stihla  'Stelze,  Krücke',  htidly^  study  f.  pl.  'Stelzen', 
scidläk^  stidläk^  stihläk  'der  Stelzentreter,  Stelzuer,  Stelzfuss  (Pferde- 
krankheit)' bedeutet  (Kott  passim).  Im  Serbokroatischen  finden  wir 
(stokavisch)  stula  'hölzerner  Fuss',  sttile  f.  pl.  'die  Stelzen,  grallae,  ho- 
dulje'  (Vuk  s.  v.),  (kajkavisch)  scule  'hodalke  ili  stange  rasohaste,  na 
keh  se  crez  vodu  ili  blato  prehagja,  grallae'  (Belostenec).  Das  klr. 
myAJia  n.  pl.  'Stelzen'  zeigt  schon  durch  das  (7,  dass  es  aus  dem  Polni- 
schen entlehnt  ist. 

Matzenauer  (Cizi  slova  320)  vermuthet  Entlehnung  unseres  Wortes 
aus  dialektischem  südd.iS^M^/e/,  xak^.  studel,  stuodel^  ahd.  studal,  stuo- 
dal  'Unterlage,  Pfosten,  Säule",  skand.  studlnll  'Stütze";  den  unbe- 
greiflichen Uebergaug  des  st  in  sc  [st)  stützt  er  mit  poln.  szczehel,  cech. 


60  K.  Strekelj, 

Hebel,  das  er  —  allerdings  zweifelnd  —  auf  d.  Stapel  'Stufe'  zurück- 
führt, sowie  auf  den  Namen  Szczepayi,  Sfepan  aus  Stephanus.  Miklo- 
sich,  der  VG.  I.  541  Matzenauer  zugestimmt  hatte,  schweigt  sich  im 
Etym.Wtb.  343  b  sub  studio  über  den  Ursprung  des  Wortes  aus,  ja,  er 
erwähnt  nicht  einmal  die  schon  bei  Matzenauer  angeführte  stokavische 
Form.  In  der  Annahme  fremden  Ursprungs  des  Wortes  folgte  Matzen- 
auer auch  Korbut  durch  die  Aufnahme  des  Wortes  in  seine  Abhandlung 
»Wyrazy  niemieckie  w  jezyku  polskim«  (Prace  filol.  IV).  Er  stützt  seine 
Ansicht  auf  die  Geschlechtsänderungdes  Wortes  (S.  495),  die  indess  kaum 
ein  hinreichender  Grund  ist,  nachdem  sich  dafür  nur  noch  ein  einziges 
ähnliches  Wort  pudel-pucUo  anführen  lässt  und  nachdem  das  deutsche 
Wort  im  Mhd.  selbst  nach  Angabe  der  Wörterbücher  ebensosehr  als 
Neutrum  wie  als  Masculinnm  gebraucht  wird,  wobei  andererseits  nicht 
zu  vergessen  ist,  dass  auch  ein  einheimisches  Wort,  besonders  wenn  es 
etymologisch  unklar  wird,  leicht  einem  Geuuswechsel  unterliegt.  Eine 
zweite  Stütze  für  seine  Ansicht  findet  Korbut  merkwürdigerweise  gerade 
in  dem  unerklärlichen  Uebergang  des  st  in  sc  und  führt  dafür  folgende 
Analoga  an,  die  ich  in  zwei  Gruppen  vertheile:  Szczepan,  szczygiel, 
szczebiel  —  harszcz,  hluszcz,  moszcz,  proboszcz. 

Auf  die  zuerst  genannten  drei  Wörter  (Gruppe  I)  kann  man  sich 
indess  nicht  mit  Fug  berufen,  da  ja  vor  ihrem  palatalen  Vokal  nach  Er- 
weichung des  t  eben  nichts  anderes  entstehen  konnte,  wie  Korbut  selbst 
durch  das  Citat  aus  Baudouin's  »0  ApeBHe-nojfcCKOM'L  hbbik'S«  §  113 
zugibt :  was  von  Szczepan,  gilt  doch  auch  von  den  beiden  anderen  Wör- 
tern.  Hierbei  will  ich  gar  nicht  die  Meinung  unterdrücken,  dass  ja  szczy- 
giel  einheimische  Bildung  sein  kann,  wiewohl  mir  nicht  unbekannt  ist, 
dass  jetzt  Einige  das  früher  aus  dem  Cechischen  [stehlec,  steJdik)  abge- 
leitete Wort  als  genuindeutsch  ansehen,  indem  sie  es  —  was  ja  stets 
auch  vom  slavischen  Wort  geglaubt  wurde  —  von  dem  Gesang  oder  Ge- 
zwitscher des  Vogels  ableiten,  aus  welchem  die  Deutschen  ein  stichlit 
oder  ziflit  herauszuhören  meinen,  wie  Delbrück  (Grundfragen  der  Sprach- 
forschung 81)  nach  Winteler  berichtet.  Zugegeben,  es  sei  dem  so  und 
es  seien  aus  d.  stigeliz  rieht  bloss  die  von  Miklosich,  Et.Wtb.  342  an 
zweiter  Stelle  angeführten  slav.  Wörter  (nsl.  stiglec,  strglinec,  kroat. 
steglic  u.  s.  w.),  sondern  auch  das  poln.  szczygiel,  wr.  mHreüi,,  klr. 
mjeröji,  grr.  ni,er6jrx  abzuleiten,  so  wäre  doch  die  Abwerfung  der  Silbe 
iz  in  den  letztgenannten  Sprachen  auffallend,  da  ja  dadurch  das  Wort 
gerade  an  seinem  Lautbilde  verlöre,  wiewohl  Schlusssilbeu,  die  in  den 


Slavische  Wortdeutungen.  61 

entlehuenden  Sprachen  als  Diminutivsuffixe  aufgefasst  werden,  nicht 
selten  abgestreift  werden.  Ein  polnisches  *szczygliec  wtirde,  mein  ich, 
doch  den  Gesang  des  Vogels  Carduelis  elegans  viel  lautnachahmender 
wiedergeben  als  szrzygiel\  daher  dürfte  denn  die  letztere  Form  die  ur- 
sprünglichere sein :  der  Slave  hörte  aus  dem  Gesang  des  Vogels  ein  sceg 
heraus ;  poln.  szczygiel  verhält  sich  hinsichtlich  des  Wurzelvokals  zu 
ii^eröji-B  wie  szczrjpka  zu  azczcpka  'Holzscheit'.  Mag  indess  das  ono- 
matopoetische Wort  auf  slavischem  oder  deutschem  Boden  entstanden 
sein,  für  unsere  Frage  hinsichtlich  »6^  wird  sc«  bleibt  es,  eben  weil  es 
onomatopoetisch  ist,  irrelevant. 

Noch  unsicherer  ist  der  fremde  Ursprung  von  poln.  szczebiel 
'Sprosse,  Leitersprosse,  Stufe',  welches  man  von  d.  Staffel  ableiten 
will.  Die  Schwierigkeit  liegt  hier  in  dem  e  der  Wurzelsilbe  für  das  er- 
wartete a\  solange  dieses  nicht  aufgeklärt  ist,  darf  mau  das  Wort  nicht 
als  Beweismittel  für  sc  =  st  im  Polnischen  anführen.  Ich  glaube  mit 
Miklosich,  Et.Wtb.  320b,  überhaupt  nicht,  dass  szczebiel  entlehnt  sei; 
es  gehört  vielmehr  wie  cech.  stebel  'Leitersprosse'  neben  '■stebel  'Wagen- 
leiter' zu  einem  alten  stebVh.  Im  Cechischen  entwickelte  sich  aus  letz- 
terem *stebl,  *stebel^  *stebel,  *stiebel,  sciebel  (in  Mähren  scebl  'sprysel, 
spryncle')  neben  stebel^  stebel;  gleicherweise  ging  im  Polnischen  nach 
Erweichung  des  t  vor  dem  Palatalvokal  e  die  Lautgruppe  st  in  sc  über. 
Die  ursprüngliche  Bedeutung  des  Wortes  'das  Feststehende,  die  Stütze, 
der  Stamm,  Halm'  unterlag  verschiedenen  Variationen,  je  nach  der 
Sache:  'Pfahl,  Holzstück,  Sprosse'.  Von  derselben  Wurzel  haben  wir 
kroat.  spica,  zbica  aus  "^sttbica  'virgula',  slov.  spica  'Holzstück,  Split- 
ter, Radspeiche',  cech.  stpice,  stpice  'Radspeiche'  ^),  es.  stpica^  stvnca 
'Radspeiche',  bulg.  cnHu;a  'Radspeiche',  russ.  cnHii;a  'Speiche,  Pfahl, 
Pallisade,  Splitter'.  Hierher  gehört  auch  os.  slik  'Leitersprosse':  es  ist 
entstanden  aus  *sthblik :  als  Uebergangsstufen  haben  wir  anzunehmen 
*sfblik,  *sfwlik,  "^sfwUk,  *sticltk,  *stclik,  slik'^).     Hinsichtlich  des 

1)  Gebauer's  Ansicht,  Hist.  ml.  I.  §  447. 1,  dass  cech.  st'ptce  aus  d.  Spitze 
mit  Anlehnung  an  scpieti  sei,  halte  ich  demnach  für  unrichtig;  richtig  ist  viel- 
mehr, dass  sieh  im  Cech.  das  entlehnte  sjnce  aus  d.  Spitze  an  stpice  'Speiche' 
anlehnte  und  die  Form  stpice,  scpice  annakm. 

2)  Hingegen  dürfte  o?>ox\).  stabrtj:  po  stabrach  khodzic  'auf  Stelzen  gehen' 
(Pfuhl)  kaum  direkt  zu  steh-  gehören,  da  hier  der  Wurzelvokal  nicht  ganz  klar 
ist;  es  heisst  zwar  nsl.  steh^r  'Pfeiler,  Stütze',  ksl.  CToeopi.  'Säule',  welche  Be- 
deutungen genügende  Anhaltspunkte  für  diese  Ableitung  böten;  vgl.  indess 
die  deutschen  Wörter  unter  Staffel,  Stapel  und  Stab  bei  Kluge,  Et.Wtb.^; 


62  K.  Strekelj, 

BedeutuDgsüberganges  von  'Stamm,  Pfahl,  Balken,  Holzstück'  in  'Leiter- 
sprosse' vgl.  *lemez^^  acecli.  lemiez  'tignum^,  osorb.  lemjaz  'Sprosse  in 
der  Leiter  und  in  der  Futterraufe',  nsorb.  lemjas,  remj'as  id.,  was  Mi- 
klosich  zu  lit.  lemenys^  lemü  'Baumstamm'  stellt.  Von  'Leitersprosse' 
zu  'Stufe'  ist  der  Uebergang  ganz  natürlich;  aber  auch  'Stelze'  (poln. 
szczehli  heisst  auch  'Stelzen')  ist  aus  der  ursprünglicheren  Bedeutung 
'Stamm,  Pfeiler,  Stütze'  leicht  abstrahirbar :  die  Stelze  ist  eben  eine 
Stütze,  Treppe  für  den  Fuss:  Hus  schalt  die  Prager,  dass  sie  die  Stelzen 
nach  deutscher  Weise  trepky  (=  Treppe)  statt  chody  nannten. 

Die  von  Korbut  angeführten  Wörter  der  I.  Gruppe  stützen  dem- 
nach seine  Ansicht  nicht,  da  ihr  sc  vollkommen  berechtigt  ist:  sie  bieten 
kein  Analogen  für  das  anlautende  sc  aus  st  in  dem  angeblichen  Lehn- 
worte szczudlo.  Aber  auch  die  Wörter  der  IL  Gruppe  lassen  sich  nicht 
dazu  verwenden,  abgesehen  davon,  dass  wir  in  ihnen  das  sc  im  Auslaute 
und  nicht  im  Anlaute  haben.  Altes  deutsches  st  ergab  im  Slavischen 
wie  im  Anlaut,  so  auch  im  Auslaut  gleichfalls  st  [st^]^  wie  yva.'s,  post 
[posth]^  ahd.  yas/fo,  cech.  mest  aus  vihsth  (mustum),  slov.  mastiti  für 
fmstit/\  Ihsih  für  list  zeigen;  späteres  deutsches  st  ergab  (ausser  ge- 
legentlichem st  im  Sorb.)  nur  st:  cech.  angrest^  hanfest,  hynst,  kunst, 
most,  probosf,  rest,  rost,  trost\  poln.  areszt,  fryszt,  herszt,  koszt, 
kunszt,  laszt,  maszt,  oberszt,  reszta,  7'oszt,  leberworszt,  przezworszt ; 
s\oY. ßrsf,  frist,  grust,  kunst,  most,  rest,  trost\  osovh.fersta,  khumst, 
most,  röst,  trost  und  utrö'st  u.  s.  w.  Diese  Regel  wird  im  Polnischen 
durch  zwei  Wörter  durchbrochen :  moszcz  aus  d.  Most  und  prohoszcz 
aus  d.  prohost  'praepositus';  die  ursprünglichen  poln.  Formen  müssen, 
nach  den  übrigen  zu  schliessen,  moszt  und  proboszt  gewesen  sein. 
Einen  physiologischen  Grund  für  den  Uebergang  des  st  in  sc  gibt  es 
nicht;  dieser  kann  nur  auf  der  Ueberführung  des  Wortes  in  die  ?o-Dekli- 
nation  oder  auf  der  Uebertragung  aus  Formen  der  Casus  obliqui  in  den 
Nominativ  sg.  beruhen.  Die  erstere  Annahme  ist  nicht  wahrscheinlich, 
da  man  dann  die  Worte  für  bedeutend  älter  ansehen  müsste  als  sie  es 
sind  und  man  zugleich  eine  solche  Wandlung  auch  in  andern  slavischen 
Sprachen  finden  müsste.     Es  bleibt  uns  also  nur  der  zweite  Ausweg 


wir  haben  also  in  stabry  eher  eine  Koutamination  eines  entsprechenden 
einheimischen  Wortes,  etwa  *stebr'b  mit  d.  Stab  'Stütze'  vor  uns.  Ein  anderes 
osorb.  Wort  itela  'Leitersprosse,  Radspeiche'  gehört  wohl  zu  d.  Stelle  neben 
Stall,  vgl.  Kipjstall,  gewöhnlicher  Kipf stell  (bayr.  Wald)  'der  Rungen  stock 
am  Wagen  (Schmeller-Frommann  IL  745). 


Slavische  Wortdeutungen.  63 

übrig,  d.  h.:  diese  Nominative  entwickelten  sich  nach  dem  Lokal  sg., 
resp.  Vokativ  sg.  und  Nominativ  pl. ;  im  Lokal  musste  aus  stc  im  Pol- 
nischen scie,  6ce  werden. 

Anders  als  bei  moszrz  und  prohoszcz  steht  die  Sache  bei  den  bei- 
den anderen  Wörtern  der  II.  Gruppe,  bei  harszcz  und  hluszcz.  Diese 
kann  man  nicht  auf  die  gleiche  Stufe  mit  moszcz  und  prohoszcz  stellen, 
weil  alle  übrigen  slavischen  Sprachen,  denen  sie  bekannt  sind,  im  Aus- 
laut ein  ic,  resp.  darauf  zurückgehendes  s^,  sl!  besitzen.  Diese  Ueber- 
eiustimmung  aber  beweist,  dass  die  Lautentwickelung  schon  alt  ist,  dass 
wir  demnach  im  Auslaut  mit  Recht  ein  altes  io  zu  suchen  haben.  Was 
wir  indess  vor  diesem  ip  anzusetzen  haben,  ist  ungewiss,  denn  beide 
Wörter  sind  bis  jetzt  etymologisch  noch  unklar.  Bei  harszcz  zieht  Mi- 
klosich  das  d.  hörst  zur  Vergleichung,  als  slavische  Grundform  nimmt 
er  (Et.Wtb.  IIa)  herstjü  an,  scheint  also  das  Wort  für  einheimisch  zu 
halten.  Auch  Jagic  (Archiv  V.  692)  hat  sich  für  den  slav.  Ursprung 
des  Wortes  erklärt  und  leitet  es  von  *br^st^  'Spross'  ab.  Dem  wider- 
spricht indess  die  klr.  Form  des  letzteren:  öpoext,  für  welche  man, 
wenn  wirklich  harszcz  dazu  gehörte,  *borsth  erwartete.  Und  merk- 
würdigerweise finden  wir  auch  im  Cechischen  hrost  neben  brofik  'puky 
na  listnatych  stromech',  für  welch  letzteres  schon  Matzenauer  (Cizi 
slova  119)  d.  Brofi^  mhd.  hro^^  ahd. />ro^  'Sprosse.  Knospe,  Blüthen- 
knospe'  angezogen  hatte ;  noch  besser  aber  beleuchtet  uns  slav.  hrost 
—  falls  es  nicht  genuin  ist,  was  ich  indess  momentan  nicht  sehr 
glaube  —  das  bayr.  Alberbroßt  neben  Alherhroß  'junge  Sprossen 
der  Alber  (Pappel)',  braßten  neben  broßen  'sprossen,  hervorbrechen", 
brotzen  germinare  (Schmeller-Frommann  I.  365);  das  germanische 
Wort  hat  übrigens  auch  ins  Romanische  Eingang  gefunden,  cf.  Körting  2 
S.  169,  Nr.  158S  (ital.  Z/ro^za,  frz.  brout  u.s.w.).  Wir  werden  demnach 
*br^st^  *brost  von  harszcz  trennen  müssen.  Das  slav.  harszcz^  russ. 
öopn],i),  slov.  hrsc^  cech.  brst\  worin  wir  auch  die  regelrechte  Vertretung 
des  silbenbildenden  r  (für  altes  ^r)  sehen,  wird  zu  d.  borst,  ahd.  barst, 
purst  um  so  leichter  gestellt  werden  können,  weil  noch  heute  d.  Porst 
dieselbe  Pflanze  bezeichnet  wie  das  slav.  Wort,  nämlich  'Heracleum 
sphondylium'  (allerdings  werden  so  auch  andere  Pflanzen  benannt: 
Ledum,  Andromeda,  Myrica  gale).  Nur  ist  im  Slav.  das  Wort  in  die 
{o-Declination  übernommen  worden.  KarJowicz,  Wyrazy  obcego  po- 
chodzenia  s.  v,,  denkt,  da  bei  der  bekannten  Barszczsuppe  noch  andere 
Pflanzen,  sei  es  neben  Heracleum  sphondylium  oder  als  Surrogat  des- 


64  K.  Strekelj, 

selben,  so  namentlich  Brassica  und  Borrago,  verwendet  werden,  auch 
an  Einmischung  von  bayr.  Barsche  'Brassica  napus'  und  d.  Boretsch 
'Borrago'.  Dürfte  eine  solche  Einmischung  angenommen  werden,  waü 
gar  nicht  nothwendig  ist,  so  liönnte  mau  wenigstens  fürs  Cechische  und 
Slovenische,  wo  indess  keine  Barszczsuppe  gegessen  wird,  eher  auf  bayr. 
Berschkohl  'Brassica  oleracea  sabellica'  (Schmeller-Frommann  I.  280) 
hinweisen.  Auffallend  ist  das  c  der  klr.  Form  öopyeBKa  'ßärenkraut' 
für  öopmeBKa;  hier  wird  wohl  eine  Kontamination  mit  ßöpKii  'Backen- 
bart', öopqacTHir  'behaart',  slov.  serbokr.  brk  'Barthaar'  den  Wandel 
verursacht  haben ;  beachte  die  Verwandtschaft  des  d.  borst  mit  börste ; 
Kluge  6  53b  vergleicht  dieses  mit  ai.  bhrs-ti  'Spitze,  Zacke,  Ecke';  die 
Pflanze  hat  spitze  Blätter. 

Was  bluszcz  betrifft,  will  es  Karlowicz  gleichfalls  als  Entlehnung 
ansehen  und  vergleicht  (Wyrazy  obc.  poch.  57  a)  damit  das  d.  blust. 
mhd.  bluost  'ßlüthe',  wobei  ihm  allerdings  der  Bedeutungswandel  nicht 
klar  ist;  aber  gerade  auf  diesen  kommt  es  an.  Das  slavische  Wort  be- 
zeichnet verschiedene  Pflanzen:  ein  »asl.«  ö.iiomTt  wird  im  Lexicon 
pal.-sl.  mit  'Hedera  helix'  erklärt  ;wie  alt  und  woher  das  Denkmal  ist, 
kann  man  aus  dem  Cilat  nicht  entnehmen);  slov.  bljasc  bedeutet  die- 
selbe Pflanze,  daneben  auch  'Bryonia  alba'  und  'Tamus  communis'; 
serbokr.  bljust^  cak.  bljusc  ist  Tamus  (Nemanic  I.  9),  kajk.  bJju'sc  er- 
klärt Belostenec  als  'Asparagus  silvestris',  womit  wohl  Tamus  gemeint 
ist;  ns.  blisc  (aus  bljuschc^  vgl.  slov.  blJus^c  'Bryonia',  serbokr.  bljusac 
id.  aus  bljustac  nach  dem  Genitiv  bljusca  aus  bijustca)  'Epheu';  klr. 
ÖJiiou];,  grr.  6jiiou;tj  neben  njiiomi.  'Hedera  helix',  welch  letztere  Form 
nach  Miklosich,  VG.  II.  74,  als  'plantae  genus'  auch  nsl.  vorkommen 
soll,  wo  man  für  Tamus  communis  auch  Ijusc  spricht,  wenn  die  Auf- 
zeichnung richtig  ist  (Letopis  Mat.  slov.  1894.  23).  Daraus  ersieht 
man,  dass  es  namentlich  drei  Rankengewächse  sind  (Hedera,  Bryonia 
und  Tamus),  die  mit  blju'sth  im  Slavischen  bezeichnet  werden.  Die 
Blüthe  des  ersteren  ist  grünlich,  die  des  zweiten  grünlichgelb,  die  des 
dritten  grünlich,  der  Farbe  nach  also  eigentlich  gar  nicht  von  der  Blatt- 
farbe verschieden,  daher  doch  nicht  auffallend.  Ist  es  nun  glaublich, 
dass  die  Slaven  ein  fremdes,  'Blüthe'  bedeutendes  Wort  sich  zur  Be- 
zeichnung von  Pflanzen  ausgeliehen  hätten,  deren  Blüthe  so  unscbein- 
lich  ist?  Auf  rora,  welches  in  einigen  Sprachen  nach  dem  dial.  d.  Rose 
die  Blume  überhaupt  bedeutet,  kann  man  sich  da  doch  nicht  berufen, 
denn  es  werden  damit  doch  immer  nur  auffällige  Blumen  und  Blüthen 


Slavische  Wortdeutungen.  65 

bezeichnet.  Der  hluost  ist  also  nur  dem  äusseren  Klang  nach  mit  un- 
serem Worte  verwandt,  beide  Wörter  haben  mit  einander  ebensowenig 
zu  thun,  wie  etwa  slov.  mula  'Art  Blutwurst'  mit  d.  male  'Maul'. 
Nachdem  Tamus  offenbar  mit  dem  Namen  bljustb  erst  nachträglich 
wegen  seiner  Aehnlichkeit  mit  Bryonia  (wie  dies  auch  im  Deutschen 
der  Fall  ist,  wo  Bryonia  als  'weisse  Zaunrübe',  Tamus  als  'schwarze 
Zaunrübe'  bezeichnet  wird)  belegt  wurde,  und  weil  die  beiden  erst- 
genannten Gewächse  Hedera  und  Bryonia  gütig  sind,  könnte  man  bei 
hijusth  an  eine  Ableitung  von  bVhvati.,  lit.  blüvü^  Wzl.  hhleu  'speien' 
denken;  doch  ist  dabei  nicht  zu  vergessen,  dass  alle  diese  Gewächse 
kletternde,  sich  windende  Pflanzen  sind  ^).  Mag  nun  die  Etymologie 
welche  immer  sein,  das  Wort  gehörte  schon  in  alter  Zeit  in  die  /o-De- 
klination,  kann  also  nicht  mit  Entlehnungen  auf  i^  oder  mit  moszcz, 
proboszcz  auf  eine  Stufe  gestellt  werden. 

Hiermit  wären  alle  von  Korbut  für  sc  aus  6^  vor  u  in  szczudlo  vor- 
gebrachten Momente  als  gar  nicht  beweiskräftig  abgelehnt.  Andere 
sichere  Beweise  dafür  lassen  sich  kaum  auftreiben  ;  denn  auf  aksl.  stap^, 
neben  welchem  auch  ein  stap^  vorkommt,  darf  man  sich  dabei  nicht  be- 
rufen ;  schon  Zubaty  hat  im  Archiv  XVI.  4 1 4  gezeigt,  dass  das  erstere 
genuinslavisch  aus  *skepo  ist,  während  das  zweite  als  ein  german. 
Lehnwort  angesehen  werden  muss.  Slov.  scap^  kroat.  scap  bei  Ve- 
rantius,  auch  Nemanic),  kann  indess  nur  dem  ersteren,  nicht  aber  diesem 
letzteren  entsprechen,  das  sein  sf,  resp.  jüngeres  st  bewahren  müsste. 
Einzelne  sonstige  Fälle  mit  U  für  st  im  Cechischen  und  Slovakischen 
beruhen  auf  Einwirkung  der  vielen  s^'-Gruppen,  in  welchen  dieses 
berechtigt  ist,  und  tauchen  erst  in  neuerer  und  neuester  Zeit  auf,  haben 
daher  keine  Beweiskraft  für  6c,  st  in  szczudio^  scidla^  stula,  scule^  wo 
das  sc  [st]  eben  nicht  auf  eine  einzige  Sprache  beschränkt  ist.  In- 
folgedessen muss  denn  auch  unser  Wort  anders  erklärt  und  kann  nicht 
als  Entlehnung  aus  d.  Studel  angesehen  werden,  wenngleich  es  mit 
demselben  aufs  engste  verwandt  ist.  Gegen  die  Entlehnung  spräche 
theilweise  auch  der  Ausfall  des  d  im  Serbokroatischen,  welches  man,  da 
die  Entlehnung  sonst  als  sehr  alt  gelten  müsste,   wie  in  sekundären 


1)  Nachträglich  ersehe  ich,  dass  sich  mit  der  Erklärung  des  Wortes 
Berneker  in  den  IF.X.  151  beschäftigt  hat,  der  es  in  der  That  auf  eine  Wurzel 
hheug  (k)  (ai.  hhujdti,  got.  hiugan)  zurückführt:  *bheuktio  'sich  biegendes,  win- 
dendes Gewächs.  »Im  Klr.  steht  neben  bfusc  auch  bVus  aus  *hhetikio  'Solanum 
dulcamara,  Bittersüss',  bekanntlich  ebenfalls  eine  rankende  Pflanze.« 

Archiv  für  slavische  Thilologie.    XXVII.  5 


66  K.  Strekelj, 

Gruppen  nicht  missen  sollte;  doch  will  ich  darauf  kein  zu  grosses  Ge- 
wicht legen,  da  man  ja  auch  ein  slov.  und  eak.  välje  'sofort,  direkt'  aus 
X)^  dhlje  hat.  Meines  Erachtens  haben  wir  szczudto  und  dessen  sla- 
vische  Verwandten  auf  urslavisches  *stjudlo  zurückzuführen,  welches 
regelrecht  einem  idg.  * stheu-dhlom  von  der  Wurzel  stliu  entspricht  : 
'das  Mittel,  etwas  zum  Stehen  zu  bringen,  es  zu  stützen.  Stütze'.  Aus 
der  gleichen  Wurzel  haben  wir,  allerdings  auf  verschiedenen  Ablauts- 
stufen, ai.  sthüläs  =  sthüräs  'stark,  dick,  mächtig,  gross',  griech.  orv- 
Xog  'Säule,  Pfeiler'  von  ormo  (wie  avrjkrj  von  ora,  sthä  stehen),  ferner 
aind.  sthüna,  avest.  stüna  'Säule';  aus  dem  Germanischen  gehört  hier- 
her nhd.  stützen,  ahd.  (untar)  studen,  aisl.  stydj'a  'feststellen,  stützen', 
wozu  ags.  stuäu,  studu  'Pfosten',  engl,  stud,  Schweiz,  stud,  an.  stod^, 
mit  -^7o-Suffix  an.  studtll  'Stütze',  mit  -^/-Suffix  av.  stufhli,  ahd.  stollo 
aus  stulla  von  stud^lo  'Stollen',  stollon  'fundare',  stulla  'Haltepunkt', 
Stullen  'sistere',  gistullen  'stehen  bleiben'  gestellt  wird;  vgl.  Sievers  in 
den  IF.  IV.  338  f.,  Hirt  in  den  IF.  XH.  195  f..  Kluge  ^  s.  stützen. 
Schliesslich  bemerke  ich,  dass  allen  deutschen  Wörtern  die  Bedeutung 
'Stelze',  die  sich  allerdings  hätte  daraus  entwickeln  können,  heute  we- 
nigstens abgeht.  Auch  slavisch  *stJud,lo  scheint  diese  Bedeutung  nicht 
von  Haus  aus  gehabt  zu  haben.  Wir  haben  oben  gesehen,  dass  die  Be- 
deutung 'Stelze'  auch  bei  slav.  Wörtern  eintritt,  die  auf  stebh,  stehVh^ 
sthhlh  beruhen,  deren  ältere  Bedeutung  ausser  'Pfeiler,  Ständer'  auch 
'Stamm'  und  'Halm'  ist.  Das  gleiche  scheint  nun  auch  bei  *stjudlo  der  Fall 
gewesen  zu  sein ;  wenigstens  weist  die  Bedeutung  des  Wortes  scudlek  in 
Schlesien  als  'Klee',  scudlecisko  als  'Kleefeld'  darauf  hin;  ich  sehe 
nämlich  darin  nichts  anderes  als  die  Pflanze,  die  zwischen  den  scudla, 
den  Halmen  des  abgemähten  Getreides,  den  Stoppeln,  aufwächst,  indem 
bei  einer  rationellen  Kleekultur  der  Klee  zwischen  das  Getreide  gesäet 
wird  und  dann  erst  nach  der  Getreideernte  zum  Vorschein  kommt. 

Der  Grund  dafür,  dass  *sfjudlo  im  Cechisclien  und  Serbokroatischen 
feminin  geworden  ist,  ist  in  der  Verknüpfung  des  Wortes  mit  dem  femi- 
ninen BegriflF  wo^a  'Bein'  zu  suchen,  indem  es  jetzt  als  'Holzbein,  drevenä 
noha'  eben  am  häufigsten  angewendet  wird.  Der  üebergang  von  scidla, 
stidla  in  scihla  erklärt  sich  dadurch,  dass  das  Wort  nach  Verdunkelung 
des  Etymons  unklar  und  nach  Aenderung  des  Genus  nicht  mehr  von  den 
c/Zo-Formen  gestützt  ward;  vergleiche  über  ähnliche,  auch  in  anderen 
slavischen  Sprachen  nicht  ungewöhnliche  Lautabwechslungen  Gebaner, 
Historickä  ml.  I.  §  323.  3. 


Slaviflche  Wortdeutungen.  67 

12.  Bulg.  sep^  (mena);  südslav.  mka. 

Miklosich  setzt  im  Et.Wtb.  338  a  für  bulg.  sep^  'Handvoll'  eine 
Grundform  seynpa  an,  indem  er  im  Bulgarischen  einen  Nasalvocal  ver- 
muthet,  gestützt  auf  die  im  Bellum  troj.  vorkommende  Form  uja^R'ki 
(Starine  III.  102:  aSTv  a^^mt^  eiuioy  TpH  ^voAid  3AaTa  .  .  .  noKa3d 
HiuiTv  rpH  iij;!^^^  pA^Ko;^  =  dabo  ei  tres  valles(?)  auri  .  .  .  ostendit 
eis  ter  volam  manus,  TpH  /v,c>A'ki  =  TpH  ui^^n'Ki);  vgl.  auch  Lexicon 
palaeosl.  gr.-lat.  1139  sub  uj/^na.  Das  jetzt  dafür  im  Bulgarischen 
gebräuchliche  Wort  lautet  sep^  (mena).  Wie  haben  wir  uns  dieses, 
wie  Hi;i^nnvi  des  Bellum  troj.  zu  erklären?  Liegt  wirklich  im  Worte  ein 
Nasalvokalreflex  ?  Das  Wort  ist,  was  Miklosich  entgangen  ist  —  wahr- 
scheinlich eben  wegen  der  Ansetzung  des  Nasalvokals  —  auch  sonst  den 
Südslaven  bekannt,  allerdings  hat  es  in  deren  Sprachen  nicht  den  für 
altes  q  erwarteten  Reflex  f,  sondern  nur  a  nach  s.  Die  Slovenen  sagen 
scqy  'Handvoll'^),  säpniti  'z  roko  udariti  (mit  der  Hand  schlagen), 
schlagen  überhaupt',  sapati  'sanft  schlagen,  am  Tage  der  unschuldigen 
Kindlein  schlagen'  (davon  das  kärnt.-d.  tschäp'n  id.);  ferner  kennen 
die  Slovenen  auch,  sowie  die  Serbokroaten  säpta  'Pfote',  wobei  zu  be- 
merken ist,  dass  'Pfote'  und  'Hand'  im  Grunde  dieselben  Begriffne  sind 
(cf.  bair.  Pfotschen^  Pfuetschen  'Pfote,  Hand'  bei  Schmeller-From- 
mann  1.455);  auch  noga  war  ursprünglich  nur  'Kralle':  skr.  tiakhö^ 
lit.  nagas  'Kralle',  was  noch  theilweise  in  noghth  'Nagel'  vorliegt. 
Wir  finden  also  im  Serbokroatischen  und  Slovenischen  für  Miklosich's 
vermeintlichen  Nasalvokal  in  den  der  Bedeutung  wegen  unleugbar  zum 
bulg.  sep^  gehörigen  Wörtern  ein  a\  dieses  könnte  zwar  in  einigen 
wenigen  slov.  und  kroat.  Dialekten ,  nirgends  aber  auf  serbischem  Ge- 
biete auf  e  beruhen,  daher  man  annehmen  muss,  dass  auch  im  bulgari- 
schen Worte  der  Vokal  a  das  ursprüngliche  ist  und  man  auch  dort, 
entsprechend  der  serbischen  Betonung  säjia,  eiust  sapä  gesprochen  hat. 
Unbetontes  a  ergab  nun  dort  den  unbestimmten  Vokal  (e  =  ?.),  welcher 
mit  bulg.  ;^  zusammenfiel,  daher  denn  die  Schreibung  iij;i^n'ivi  (ge- 
sprochen s^pi)  im  Bellum  troj.  Wie  kommt  man  aber  von  sapä  zum 
heutigen  sep^  ?  Nach  Zurückziehung  des  Accentes,  die  wir  annehmen 


1)  Die  Zusammenstellung  Pletersnik's  mit  oscapeÄ; 'Prise'  ist  unrichtig; 
dieses  beruht  auf  skhp,  stbp-,  was  scepec,  scepek  beweist,  'was  mit  den  Fingern 
erfasst  werden  kann',  cak.  scäpac  'quod  extremis  digitis  comprehendi  et  te- 
neri  potest':  die  'extremi  digiti'  sind  noch  lange  keine  'Handvoll'. 

5* 


68  K.  ^trekelj, 

müssen,  ward  aus  mpä  zunächst  säpa,  dieses  aber  ergab  —  wie  aca- 
^locTb  :  >Kijioc,  BO;i;'£Hiwäpfc  :  Bo;i,enHqtp,  OBtqapL  :  OB^ip,  mäpaH'L  : 
mipan,  mäpKa  :  m^pKa  —  zunächst  seap^  (mlna),  daraus  im  nom.  plur. 
vor  hellem  Vokal  der  nächsten  Silbe  memi,  und  endlich  ward  e  aus  dem 
Plural  auch  in  den  Singular  {>ep^  (mena)  übertragen.  Ueber  die  Ety- 
mologie des  Wortes  kann  ich,  nachdem  slov.  sapniti,  sapitt,  sapati'^) 
in  der  Bedeutung  'fassen,  erfassen,  schnappen,  haschen,  nach  etwas 
langen'  zu  ksl.  chapiti^  chopiti  'amplecti,  prehendere'  im  gleichen  Ver- 
hältniss  zu  stehen  scheint,  wie  osahen,  osavati,  osajati  zu  cJiahiti  (vgl. 
oben  die  Fussnote  bei  Nr.  1),  nur  die  Vermuthung  aussprechen,  dass 
sapa  zu  chapiti^  chopiti  zu  stellen  sei.  Die  Bedeutung  wäre  dann  'das 
ergreifende,  packende  Glied';  vgl.  rqka^  welches  zu  lit.  renkii  'sammle, 
lese  auf  gestellt  wird.  Von  dem  gleichen  sap-^  welches  dem  sapa  zu 
Grunde  liegt,  lässt  sich  mit  Suffix  ka^  vor  welchem  p  ausfallen  musste, 
dann  auch  mka  'Handvoll,  manipulus'  ableiten,  das  in  den  südslavischen 
Sprachen  vorkommt. 

13.  Slov.  ternjak^  tirnik. 

Heute  bedeutet  das  im  Küstenland  gebräuchliche  Wort  'Brot  aus 
gemischtem  Getreide'  und  'Brot  aus  Speltweizen'.  Dass  keine  dieser 
Bedeutungen  die  ursprüngliche  sein  kann,  ist  augenscheinlich,  denn  was 
immer  für  ein  Stamm  dem  offenbar  mit  j'aki  abgeleiteten  Worte  zu 
Grunde  liegen  mag,  nirgends  lässt  sich  einer  finden,  der  'Mischgetreide' 
oder  'Speltweizen'  oder  etwas  ähnliches  bedeutete.  An  Entlehnung  des 
Wortes  lässt  sich  kaum  denken,  auch  Ableitung  aus  einem  Lehnworte 
ist  mit  Suffix ya^'*  nicht  leicht  möglich.  Meines  Erachtens  bedeutet  das 
Wort  ursprünglich  'Kleienbrot',  und  da  könnte  man  allerdings  bei  der 
Beschränktheit  des  Wortes  auf  den  slovenischen  Westen  an  Entlehnung 
aus  dem  Ital.-Friaul.  denken  und  etwa  an  ital.  intiero,  friaul.  intir  'in- 
tegro,  che  ha  tutte  le  sue  parti'  verfallen,  also  gleichsam  ein  Brot,  das 
alle  Bestandtheile  des  gemahlenen  Getreides,  d.  h.  Mehl  sammt  Kleien 
enthält,  ein  semucan  hieb  'ex  farina  varia,  non  cribrata',  wie  ihn  der 
Kroate  Istriens  (Nemanlc  HI.  4,  =  vsemucan)  nennt.  Bezeichnender 
für  die  Sache  ist  jedoch,  wenn  deren  Name  zugleich  das  Hauptcharak- 
teristikon  enthält,  und  das  hat  ternjak,  tirnik^  ohne  dass  man  eine  Ent- 


I 


')  Davon  ist  natürlich  das  küstenländische  cdpiti,  6dpiti  aus  ital.  dial. 
ciapare,  friaul.  chaj)d  [capere)  zu  trennen. 


Slavische  Wortdeutungen.  69 

lebnung  anzunehmen  braucht:  das  Charakteristikon  der  farina  non  cri- 
brata  sind  die  Kleien,  die  durch  das  Mahlen  nur  zum  Theil  verrieben, 
zum  Theil  aber  als  schärfere  oder  spitzige  Splitter  und  Spreu  im  Mehl 
verblieben  sind,  als  tirine  [terne\  tirme  [terme)  von  tira^  tera  aus  der 
Wurzel  ter  (ksl.  twq^  treti)^  lat.  ter^re  'zerreiben';  vgl.  slov.  fcrnira 
'Spreu  winkel  auf  der  Dreschtenne',  terki  'Spreu',  terinje  'Brechelsplitter, 
Heuicht,  Heublumenbrösel',  welchen  die  Kleien  besonders  im  Spelt- 
weizen- und  llaferbrot  sehr  nahe  kommen :  »Oh  ceren,  ceren  je  zares, 
Iz  njega  gleda  polno  rös«  sang  von  letzterem  unser  Valjavec,  als  er 
noch  dichtete  und  nicht  ausschliesslich  philologisirte. 

14.  Serbokroat.  ti^om. 

Nach  Vuk  Karadzic  bedeutet  das  Wort  'schwerfällig,  tardus,  gravis', 
andere  Lexica  umschreiben  es  mit  'träge,  faul,  schwerfällig'  oder  mit 
'träge,  lass,  lässig,  schwerfällig,  phlegmatisch'.  Die  eigentlichen  Slo- 
venen  kennen  das  Wort  nicht;  bekannt  und  allgemein  in  der  Bedeutung 
'faul,  träge'  verbreitet  ist  es  hingegen  bei  ihren  unmittelbaren  Nach- 
barn, den  Kajkavci.  In  Miklosich's  Vgl.  Gramm,  II.  und  im  Et.  Wtb. 
wird  es  nicht  erklärt,  soviel  ich  ersehen  konnte.  Daniele,  Osnove  27. 
leitet  es  auf  eine  Wurzel  tram  'drhtati'  (tremere)  zurück.  Diese  Ablei- 
tung kann  kaum  ernst  genommen  werden ;  schon  die  Bedeutung  spricht 
dagegen :  ein  fauler,  träger,  schwerfälliger  Mensch  hat  ja  nicht  das 
Charakteristikon  des  Zitterns  an  sich.  Das  Wort  ist  anderen  Slaven 
unbekannt;  der  Grund  davon  wird  in  seiner  Form  zu  suchen  sein. 
Meines  Erachtens  haben  wir  darin  ein  part.  praes.  pass.  TKpCM'K  von 
Tbp;^,  Tp'kTH  vor  uns:  'der  gerieben,  gedrückt  wird',  daher  'schwer- 
fällig' und  weiter  'lässig',  zuletzt  'träge'.  Das  part.  praes.  pass.  wurde 
von  den  Slaven  bekanntlich  fast  ganz  aufgegeben;  zumeist  haben 
sich  nur  Trümmer  davon  erhalten,  natürlich  jetzt  in  der  Geltung  von 
Adjektiven  (cf.  pitom,  lakom,  vedom,  vidom,  znam  etc.);  ein  solches 
Truram  ist  auch  unser  trom.  Der  Schwund  des  *  ist  ganz  regelrecht, 
sekundäre  Erneuerung  nach  praes.  tärem  etc.  konnte  nicht  eintreten, 
weil  das  Gefühl  des  Zusammenhangs  von  trom  mit  der  Wz.  ter  früh 
verloren  gegangen  war.  —  Das  irische  trom  'schwer,  drückend',  tromme 
'Schwere'  ist  trotz  der  ähnlichen  Bedeutung  von  unserem  Wort  fern  zu 
halten,  da  es  auf  ^truchmos  beruht  (Stokes-Bezzenberger,  Urkeltischer 
Sprachschatz  139);  der  Gleichklang  ist  nur  zufällig. 


I 


70  K.  Strekelj, 

15.   Slov.  tvestij  tvezem. 

Das  Wort  tvesti,  tvezem^  welches  Miklosich  im  Et.Wtb.  366  a  als 
selbständige  Bildung  angeführt,  weiter  aber  nicht  erklärt  hat,  bedeutet 
'binden,  heften,  knüpfen,  anhängen,  anheften :  tvezti  se  na  koga,  na 
izprijene  zenske',  ferner  'albernes  Zeug  reden';  tvezati  'hängen'  (srce 
na  kaj  das  Herz  an  etwas  h.);  tvezeti  'hangen,  angebunden  sein:  vol 
tvezi';  fvez  'das  Holzband,  der  Gürtel,  die  Borte,  der  Streifen;  breitere 
Spitzen  in  die  äussere  Seite  der  Frauenärmel  eingenäht';  tveza  'das  Band, 
das  Hängeseil ;  tveze  =  cipke  Spitzen,  eitles  Geschwätz  (bes.  etwas,  was 
man  einem  anbinden  will)';  pretvesti  'an  einem  andern  Ort  oder  anders 
anbinden',  'vorschützen,  vorwenden';  pritvesti  'anbinden',  natvesti 
'anbinden'  (srce  na  kaj,  sein  Herz  an  etwas  hängen;  natv.  komu  kaj 
jemandem  etwas  anbinden,  anhängen,  zuschreiben);  otvesti  'umbinden, 
anhalsen,  mittelst  eines  Seiles  oder  einer  Kette  anbinden';  otvezen  pes 
'Kettenhund',  otvesti  koga  nase  'jemanden  ins  Schlepptau  nehmen'; 
otvQza  'Seil,  das  einem  Thiere  um  den  Hals  gelegt  wird'  (Pletersnik). 
—  Das  Wort  ist  etymologisch  nichts  anderes  als  das  ksl.  KAS;?»,  K/äcth 
'befestigen,  firmare  ftrjypvvai:  rH'R3^i,C»  iiTHi^a  BA.SfT'K,  serbokr. 
vesti,  vezem  'sticken'  (eig.  anbinden,  anknüpfen)  etc.,  also  die  dem  ge- 
meinslavischen  vezati^  v^znqti,  vezeti  zu  Grunde  liegende  Form.  Schon 
die  Grundbedeutung  'anbinden  =  befestigen',  die  in  allen  Ableitungen 
und  Kompositen  fort  und  fort  wiederkehrt,  sollte  vor  der  Aufstellung 
eines  selbständigen  tvesti  im  Etym.  Wörterbuch  warnen.  Miklosich 
nahm  offenbar  Anstoss  an  dem  anlautenden  t.  Dieses  ist  aber  (wie  b  im 
serbokroatischen  biskati  'Läuse  absuchen',  oder  im  slov.  bimckati  aus 
obimckati  =  obimati  'umarmen',  oder  im  cech.  bafmiti  'lammen'  aus 
obahniti^  oder  wie  ,d  in  dresiti  'die  Garben  auflösen'  aus  od-resiti  oder 
raz-d-resiti)  der  Auslaut  eines  Präfixes :  aus  otvezem  wurde  otvesti, 
indem  nur  o,  nicht  aber  of  als  Präfix  angesehen  ward,  das"  t  zum  Stamme 
geschlagen  und  so  statt  vez  nun  tvez  als  Stamm  angesehen,  wovon  dann 
weiter  pritvesti,  natcesti,  vtvesti,  pretvesti  abgeleitet,  ja  durch  Kreu- 
zung das  t  sogar  in  alie  Bildungen  vez,  veza,  ovoza  hineingebracht 
wurde:  tvez,  tveza,  otvoza.  Diese  Bildungen  mit  t  im  Stammesanlaut 
traten  offenbar  erst  auf,  als  das  selbständige  ot~o  durch  Analogie  von 
nad,  pred,  pod  u.  s.  w.  schon  längst  zu  od  geworden  war  und  ot  in 
otvesti  (wie  in  otrok)  nicht  mehr  als  'los',  'weg'  (losbinden),  sondern 
nur  als  o  'um'  (umbinden,  ein  Seil  umwerfen)  gefühlt  ward. 


Slavische  Wortdeutungen.  71 


16.   ZUU. 


Das  Wort  geht  auf  ein  urslavisches  *zelh%^  resp.  *gelbü  zurück, 
was  die  ganz  übereinstimmenden  Formen  der  slavischen  Sprachen  be- 
weisen:  ksl.  ^KA'tK'k  'canalis';  slov.  zUb  'Rinne,  Vertiefung  zwischen 
zwei  Flächen;  Krippe  im  Stall;  Furche  zur  Ableitung  des  Wassers, 
Mulde,  Kanal;  längliches  Thal  zwischen  zwei  Bergen,  Bergschlucht', 
zlebiti  'mit  einer  rinnenartigen  Vertiefung  versehen,  auskehlen',  zlebnik 
'Hohlziegel,  Falzhobel';  serbokr.  zlij'eb^  zdlijeb  'Rinne;  Rille,  Spur; 
Kehle,  Winkel;  Mahlrinne',  zljehiti  'aushöhlen,  kehlen';  cech.  zlab  (bis 
zum  XIV.  Jahrh.  noch  zleb)^  zlibek,  zläbek  'Rinne,  Wasserrinne,  Wasser- 
leitung, Röhre,  Kanal;  Quelle;  Trog,  Krippe  im  Stalle;  enges  Thal, 
Mulde,  Thalschlucht,  kleiner  Hohlweg',  üzlebi,  üzlabi  'Wasserkanal, 
Rinne,  Flussthal,  Hohlweg',  zlabiti  'höhlen,  falzen,  kehlen,  zlabina 
'Viehtrog',  zläbkovec  'Kehlhobel';  russ.  ate.ioöx,  acojioö'B  'Rinne,  Gosse; 
Krippe';  2Ke.io6HHa  'Vertiefung,  Aushöhlung';  »tejiHX,  ato.iH'B,  jk6joh% 
'Krippe,  Viehtrog'  (aus  ate-iÖHt :  7>,  h,  v  fiel  vor  n  und  überhaupt  Con- 
sonanten  aus,  cf.  gynqti  aus  g^bnqti,  konh  aus  kobnh\  das  zweite  o  in 
atojOHi.  ist  durch  Analogie  hervorgerufen),  acsjioÖHTfc  'auskehlen'; 
klr.  aiojroö  'Krippe,  Rinne,  kleiner  Brunnen,  Bach',  atdoduTH 
'meisseln,  aushöhlen',  acojroöima  'Rinne,  Bett  des  Flusses';  poln. 
zlöb^  zlobek  'etwas  nach  der  Länge  Ausgehöhltes,  Ausgekehltes, 
Rinne;  Mahlrinne;  Kerbe;  hohler  Einschnitt ;  wgJebienie  na  boku  gory ; 
Krippe',  ilobkowac^  ztowic  (für  zlobic)  'aushöhlen,  auskehlen' ;  os.  zlob 
'Rinne,  Riefe;  Vertiefung;  Thalgrund;  Krippe,  Trog',  ziobic  'rinnen- 
förmig  aushöhlen' ;  ns.  ziob  'Krippe'.  Miklosich,  Et.  Wtb.  407  b,  theilt 
diese  Gruppen  in  zwei  Abtheilungen,  in  solche,  die  auf  zelbii,  und  in 
solche,  die  auf  zolb7>  zurückgehen,  ein  Vorgang,  der  nach  den  heutigen 
Kenntnissen  von  dem  Schicksale  der  Lautgruppe  zeit  nicht  am  Platze 
ist.  Das  cech.  Hab  gibt  keinen  Stützpunkt  dafür,  da  es  verhältnissmässig 
erst  jung,  aus  zleb  entstanden  ist  (vgl.  Gebauer,  Hist.  mluvn.  I. 
§  157.  3);  andererseits  ist  das  von  Miklosich  angeführte  poln.  Heb 
(statt  ziöb)  meines  Eruchtens  nur  aus  einem  alten  Lokal  zlebie  er- 
schlossen. Bei  Linde  finde  ich  kein  Heb  verzeichnet.  Aus  Miklosich's 
Schlusssatze  I.e.  »Man  vergleiche  d.  kerbe  Einschnitt  und  beachte  poln. 
karb  Hobkoivaty  hohler  Einschnitt«  wäre  man  geneigt  zu  schliessen, 
dass  Miklosich  hiermit  eine  Verwandtschaft  des  slav.  Wortes  mit  dem 
d.  Kerbe  vermuthet  habe.     Da  jedoch  dieses  auf  eine  Wurzel  mit  an- 


72  K.  ^trekelj,  Slavische  Wortdeutungen. 

lautendem  h  [kerf^  ags.  cyrf  'Einschnitt',  engl,  carve  'schneiden')  zu- 
rückzuführen ist,  passt  dazu  die  slav.  Urform  *gelh%  nicht.  Wohl  aber 
entspricht  dieser  ein  anderes  d.  Wort,  nämlich  mhd.  Harn,  gen.  klammes, 
'Krampf,  Beklemmung,  Fessel,  Klammer,  Klemme,  Einengung,  Klamm, 
Bergspalte,  Schlucht,  Giessbach  in  Felsspalten',  klambe  'Klemme, 
Fessel'.  Diese  deutschen  Wörter  gehen  nach  Hirt  (Ablaut  275,  S.  87) 
auf  eine  idg.  Wurzel  g^^eleb  'umfassen,  helfen'  zurück,  welche  wir  auch 
im  lit.  gelbu,  yelheti  'helfen',  in  anderer  Ablautform  glebiu,  glöhiu  'mit 
den  Armen  umfassen'  finden,  wozu  Hirt  1.  c.  auch  ahd.  clüd,ftra  'Mass 
der  ausgespannten  Arme'  stellt.  Aus  g^eleb  entwickelte  sich  im  Slavi- 
schen,  indem  nach  Hirt's  Lehre  e  in  die  Schwundstufe  trat,  ganz  regel- 
recht gelb,  die  Wurzel  unseres  *gelb^.  Unser  zleb^  bedeutete  also  zu- 
nächst 'die  Umfassung',  'das  von  Seitenwänden  eingeschlossene',  'die 
Einengung' ;  zur  Bedeutung  des  d.  Wortes  'Klamm,  Bergspalte,  Schlucht, 
Giessbach  in  Felsspalten'  —  vgl.  auch  cymr.  ty7io  'Thal'  aus  *[s)tenovo, 
womit  orevög,  oreivög  'eng,  schmal',  xa  oxeivh  'Engpässe'  zu- 
sammengestellt wird  —  stimmen  ja  die  slavischen  Bedeutungen  wie : 
'längliches  Thal  zwischen  zwei  Bergen,  Bergschlucht,  Thalschlucht, 
Flussthal,  Hohlweg,  Wasserrinne'  vollständig,  indem  'die  Thalschlucht, 
der  Hohlweg'  das  natürlichste  Wasserrinnsal  bildet,  wobei  andererseits 
eine  solche  Wasserrinne  den  kürzesten  Weg  aus  der  Ebene  ins  Gebirge 
zeigt  und  ihre  Bezeichnung  häufig  dann  den  Begriff  'Gebirgsweg,  Ge- 
birgspfad'  annimmt:  vgl.  hw\g,  poteka  'Pfad'  (n;RTfKa,  siehe  Asböth 
im  Archiv  XXV.  576  ff".),  lit.  täkas  'Pfad'  zu  tekü  'laufe,  fliesse'.  Um- 
gekehrt können  aber  auch  Bezeichnungen  für  den  Begriff  'Weg,  Pfad' 
in  den  Begriflf  'Rinnsal'  umschlagen:  vgl.  alb.  vi,  vije  'Rinne,  Furche' 
aus  lat.  via]  slov.  klanec  bedeutet  nicht  bloss  'Hohlweg,  Dorfgasse', 
sondern  auch  'Rinnsal  eines  Baches,  Bachfahrt',  und  wenn  im  Serbo- 
kroatischen klanac  ausser  der  Bedeutung  'Engpass'  auch  die  von  'Koth' 
hat,  so  ist  diese  letztere  nur  dadurch  erklärbar,  dass  im  Engpass  eben 
Wasser  rinnt,  wodurch  das  Erdreich  darin  zu  Koth  gewandelt  wird. 

Graz.  K.  Strekelj. 


73 


Zur  Geschichte  der  serbischen  Deklination. 


Unter  den  slaviscben  Sprachen  nimmt  die  serbische  mit  ihrer  De- 
klination eine  besondere  Stellung  ein.  Während  die  Geschichte  der 
Casusformen  anderer  slaviscben  Sprachen  hauptsächlich  in  der  gegen- 
seitigen Beeinflussung,  in  dem  Wechsel  der  Casustypen  besteht,  zeigt 
die  serbische  Sprache  neben  dem  Wechsel  nach  Analogie  noch  eine 
Reihe  anderer  Processe,  durch  welche  ganz  neue,  in  keiner  übrigen 
slaviscben  Sprache  bekannte  Casusendungeu  hervorgehen,  die  der 
Sprache  einen  originellen  Charakter  verleihen.  Das  sind  die  Anhängsel 
-/,  -e,  -a.  Die  beiden  ersten  Anhängsel  wurden  in  den  altserbischen 
Denkmälern  (XIV.  saec.)  beinahe  für  alle  Casus  angewendet,  in  der 
modernen  serbischen  Sprache  hat  sich  -e  erhalten  nur  in  D,  L^,  D^. 
Wie  damals  die  Anhängsel  -/  und  -e,  so  hat  in  der  Gegenwart  das  An- 
hängsel -e  nicht  ganz  die  normalen  Casusformen  zu  verdrängen  ver- 
mocht. Dagegen  hat  das  Anhängsel  -a,  vom  XIV.  Jahrh.  angefangen, 
stufenweise  sich  der  Position  der  Endung  -^  bei  den  nominalen  o-  und 
a-Stämmen  bemächtigt,  bis  diese  Endung  zuletzt  ausschliesslich  wurde. 

Diese  neuen  Formen  gaben  schon  öfters  den  Forschern  Anlass, 
nach  dem  Grunde  ihrer  Erscheinung  zu  fragen.  Das  Anhängsel  -e  ver- 
suchten einige  (z.  B.  Majkov,  Hcxop.  cep6.  «3.  684)  durch  die  auf  dem 
Suffix  -ML  ruhende  Betonung,  andere  iz.  B.  Jagic,  Podmiad.  vokaliz. 
Rad  IX.  125 — 126)  durch  besondere  Bedingungen  der  sogenannten 
sekundären  Vokalisation,  die  dritten  (z.  B.  Sobolevskij,  Hscji^a-  Bt  06.1. 
pyccK.  rpaM.  49  flf.,  iIeKii,iH  2  140)  zum  Theil  durch  Betonung,  zum  Theil 
durch  die  Aufstellung  einer  urslav.  Endung  *me,  die  vierten  (z.B.Oblak, 
Die  Halbvocale,  Afsl. Phil.  XVI.  183)  durch  das  Bestreben,  die  Harmonie 
der  Silbenzahlen  zwischen  den  verschiedenen  Casusendungen  herzu- 
stellen, die  fünften  (z.  B.  Resetar,  Primorski  lekcionari  S.  79)  durch 
das  Bestreben,  die  alte  Betonung  an  ihrer  Stelle  zu  bewahren,  die 
sechsten  (z.B.  Belic,  üpHjtomi^H  HCTop.  caan.  jesHKa,  T^iac  LXII,  210  flf.) 
durch  eigenthümliche  Beeinflussung  seitens  der  Partikel  -re  zu  erklären. 
Wahrscheinlich  infolge  ihrer  geringeren  Verbreitung  lenkte  die  Endung 
-mi  (also  mit  dem  Anhängsel  i)  nicht  in  gleichem  Masse  die  Aufmerk- 


74  G.  Iljinskij, 

samkeit  der  Gelehrten  auf  sich,  dennoch  auch  diesbezüglich  wurden 
verschiedene  Ansichten  laut,  Resetar  a.  a.  0.  nahm  die  Analogieüber- 
tragung von  13  an,  Belic  a.  a.  0.  suchte  den  Grund  in  der  Beeinflussung 
seitens  der  Form  des  Pronom.  tcij^  ovaj.  Was  das  Anhängsel  -a  des 
Gen.  plur.  (G^)  anbelangt,  mag  auf  die  Erklärung  Hattala's  (Pocetne 
skupine,  Rad  IV.  158):  aus  dem  indogerm.  -säm^  Schleicher's  (CKJiOHe- 
Hie  ocHOBi)  Ha  -m,  S,  11):  aus  der  Flexion  L^,  Jagic's  a.a.O.  154 — 156: 
aus  der  sekundären  Vokalisation,  Baudouin  de  Courtenay's  (Recens.  auf 
Jagic's  Abhandlung  S.  16 — 17):  aus  dem  betonten -x,  Brandt's  (Ha- 
^epTanie  ciias.  AKii,eHTOJioriH  S.  101):  aus  der  Beeinflussung  der  se- 
kundären steigenden  Betonung,  Möhl's  (MSL  VI.  187 — 193):  aus  der 
Analogie  G^  der  Nominalstämme  -i.  und  -o,  Oblak's  (Zur  Gesch.  der 
nomin.  Dekl.  im  Slovenischen  Arch.  f.  sl.  Ph.  XII.  439 — 440):  aus  der 
Wechselbeziehung  dreier  Faktoren :  1)  der  Einsilbigkeit  der  Formen  G*"', 
2)  der  Betonung  am  Schluss  des  Wortes,  3)  der  Beeinflussung  von  -ma 
in  D^  P  L3,  endlich  Resetar's  a.  a.  0.  122 — 123:  aus  dem  Bestreben 
der  Sprache,  die  alte  Betonung  auf  der  Endsilbe  zu  wahren  —  ver- 
wiesen werden,  um  zu  zeigen,  dass  auch  die  Frage  über  die  Genitiv- 
endung -a  noch  immer  nicht  gelöst  ist. 

Wir  wollen  nicht  jeden  einzelnen  der  aufgezählten  Erklärungsver- 
suche einer  Prüfung  unterziehen,  betreffs  der  Anhängsel  -i  und  -e  unter- 
zog sich  dieser  Aufgabe  vor  kurzem  Prof.  Belic.  Wir  möchten  nur  be- 
merken, dass  uns  auch  sein  Erklärungsversuch  nicht  einleuchten  will. 
Er  glaubt  nämlich,  dass  infolge  des  fortwährenden  Wechsels  zwischen 
re  und  rh  sich  im  Bewusstsein  des  Sprechenden  die  Vorstellung  gebildet 
habe,  es  sei  die  kürzere  Form  ursprünglicher  als  die  volle  -re  und  es 
habe  die  Auffassung  der  Partikel  re  als  aus  r  -\-  e  entstanden  Platz  ge- 
griffen. Der  Partikel  re  habe  sich  die  Sprache  vorbildlich  bedient,  als 
sie  das  Bedürfniss  fühlte,  die  Silbenzahl  der  einsilbigen  (resp.  zwei- 
silbigen) Casus  mit  derjenigen  der  zwei-  (resp.  drei-;  silbigen  auszu- 
gleichen. 

Gegen  diese,  mir  sehr  künstlich  vorkommende  Erklärung  lässt  sich 
nach  meinem  Dafürhalten  folgendes  einwenden:  1)  Wenn  die  Erklärung 
Belic's  richtig  wäre,  so  würden  wir  die  den  serbischen  ähnlichen  An- 
hängsel auch  in  anderen  slav.  Sprachen  erwarten,  da  der  Wechsel  zwi- 
schen ze  und  z  auch  sonst  üblich  ist.  2)  Sehr  unwahrscheinlich  ist  die 
Annahme  der  Auflösung  des  ursprünglichen  re  im  Bewusstsein  des 
Sprechenden  in  r  -\-  e.    In  der  serbischen  Sprache  kommen  ja  auch  an- 


Zur  Geschichte  der  serbischen  Deklination.  75 

dere  Wechsel  vor:  re  :  ra,  -de  :  di  :  f?,  te  :  ta  u.  s.  w.,  und  man  be- 
greift nicht,  warum  das  Bewusstsein  des  Sprechenden  nicht  auch  andere 
Partikel  in  solche  Elemente  aufgelöst  hätte.  3)  Wenn  die  Sprache 
wirklich  die  gleiche  Silbenzahl  durch  alle  Casus  durchzuführen 
»wünschte«,  so  würde  sie  kaum  solche  Kürzungen  wie  D*  tom^  G^  kog 
zugelassen  haben.  4)  Nach  der  Erklärung  Belic's  fällt  die  Entstehung 
der  Endung  auf  -e  mit  jener  der  Endung  auf -i  nicht  zusammen;  allein 
zieht  man  in  Betracht,  dass  beide  Anhängsel  schon  in  der  ersten 
Zeit  ihres  Aufkommens  ineinemfort  abwechseln,  so  fällt  es  schwer 
zu  glauben,  dass  dieser  Wechsel  rein  zufällig  wäre,  wie  es  die  Hypo- 
these Belic's  glauben  machen  will.  Man  muss  diesen  letzteren  Fehler 
in  der  Hypothese  Belic's  um  so  mehr  bedauern,  als  er  bezüglich  der 
Erklärung  des  Anhängsels  -i  nach  unserem  Dafürhalten  sehr  nahe  der 
Wahrheit  kam,  und  er  brauchte  nur  noch  einen  Schritt  zu  thun,  um 
vom  Standpunkt  des  Anhängsels  -i  auch  das  Anhängsel  -e  zu  erklären. 
Auf  Grund  eines  reich  gesammelten  Materials  aus  den  Urkunden  zwi- 
schen 1387  und  1485  hat  Belle  klar  dargethan,  dass  das  Anhängsel  -i 
zu  allen  Endungen  der  Pronomina  OBt,  oiit,  tl,  cl  hinzutreten  kann 
(S.214).  Wenn  das  so  ist,  wenn  man  die  Einheitlichkeit  der  Entstehung 
z.  B.  des  G^  Toran  und  G^  xixH  nicht  in  Abrede  stellen  kann,  so  ist 
man  berechtigt,  auf  dieselbe  Quelle  auch  die  Form  P  thmh  zurückzu- 
führen. Allerdings  kann  uns  die  Erklärung  der  Endung  -i  in  den  Casus 
obliqui,  wie  sie  Belle  gibt,  nicht  befriedigen,  allein  die  Frage  selbst 
scheint  richtig  gestellt  zu  sein :  es  ist  kaum  zweifelhaft,  dass  die  Formen 
TOH(Nin),  ToraH(Gi),  TOMyH(Di),  thmh(II)  in  einer  innigen  Beziehung 
mit  der  Form  xän  sich  befinden,  die  gleichzeitig  mit  ihnen  aufkam. 

Von  dieser  letzteren  Form  ausgehend  wollen  wir  im  Nachfolgenden 
eine  andere  Erklärung  der  in  Frage  stehenden  Formen  auf  i  und  e  in 
Vorschlag  bringen.  Was  stellt  die  Form  täj\  oväj  yot?  Sie  ist  augen- 
scheinlich nichts  weiter,  als  eine  Zusammensetzung  der  Pronomina  mit 
dem  Affix  u  (^),  mag  diese  Zusammensetzung  syntaktisch  (was  minder 
wahrscheinlich  ist)  oder  analogisch,  nach  dem  Vorbild  anderer  zu- 
sammengesetzter Pronomina  (z.  B.  khj,  ^hj,  was  wahrscheinlicher  ist) 
zu  Stande  gekommen  sein.  Von  dem  Grade  des  organischen  Zusammen- 
wachsens der  beiden  Pronominalelemente  hängt  die  weitere  Flexion 
der  zusammengesetzten  Pronomina  ab.  Sie  kann  zweierlei  sein.  War 
das  Zusammenwachsen  innig,  fest,  so  bildeten  beide  Bestandtlieile  ein 
Ganzes  sowohl  in  der  Bedeutung  wie  in  der  Form.    In  der  Deklination 


76  G-  Iljinskij, 

wurde  nur  der  zweite  Bestandtheil  flektirt,  der  erste  aber  bloss  als 
Stamm  gefühlt.  Als  Beispiel  eines  solchen  organischen  Zusammen- 
wachsens können  die  Pronomina  ^kyjh  und  '^cijh  dienen  (vergl.  S.  48 
unserer  Schrift  »CjoacHBiK  MicTOHMenia  h  OKOHianiK  G^  iiejiH'iHtix'B 
MicTOHMeniH  Myat.  h  cp.  p.y).  Wenn  dagegen  das  Zusammenwachsen 
nicht  genug  innig  und  nicht  beständig  war,  dann  bewahrte  das  zweite 
Pronomen  die  ursprüngliche  Funktion  des  einfachen  Affixes  oder  De- 
terminativs  nicht  bloss  in  N,  sondern  auch  in  allen  Casus  obliqui.  Ein 
schönes  Beispiel  solcher  Deklination  liefert  das  altsl.  KtatLAO  (N),  ko- 
roa:i>ÄO  (G),  KOMoyatLAO  (D)  u.  s.  w.  oder  xtacAe  (N),  xoroatA©  (G  , 
TOMoyastAe  (D)  u.  3.  w.,  wo  die  Affixe  acL^o  und  ac^e  schon  darum  nicht 
mit  jedem  einzelnen  Casus  eine  innigere  Verbindung  eingehen  konn- 
ten, weil  sie  selbständig  gar  nicht  im  Gebrauch  waren.  Doch  auch  in 
dem  Falle,  wenn  ein  lebendiges  Pronomen  als  Suffix  verwendet  wurde, 
war  die  Flexion  nach  diesem  Princip  möglich.  Vergl.  altböhm.  tet  (wo- 
für heute ^ew^o),  tohoto,  tomuto  u.  s.w.  und  daneben  das  kleinrussische 
TOT,  TOToro,  TOTOMy  u.  s.  w. ;  oder  vergl.  das  heutige  böhmische  kdos^ 
kogoh^  komm  u.  s.  w.  und  daneben  das  altbulg.  ohlcb,  oiitcero,  OHt- 
ceMy  u.  s.  w. 

Wie  wurden  die  serbischen  Pronomina  bnäj,  ÖBaj,  caj,  Taj  dekli- 
nirt?  In  altserbischen  Denkmälern  wechseln  diese  Formen  ineinemfort 
mit  T  und  Ta,  ob  und  ona,  c  und  ca,  oh  und  oiia  ab  (cf.  Daniele,  IIcTop. 
oöji.  149,  BejHh  a.a.O.  217),  darum  ist  es  gestattet  zu  vermuthen,  dass 
die  zweite  Form  das  Anhängsel/ verhältnissmässig  spät  annahm,  nach 
der  Analogie  von  Koj.  Das  Zusammenwachsen  war  nicht  besonders 
innig,  die  Flexion  geschah  nach  dem  Typus  von  k-bh-Läo.  So  entstanden 
die  Formen  Toran,  Toiyn,  thmh  u.  s.  w.,  die  sich  zu  Tora,  Toxy,  tdm 
u.  s.  w.  so  verhalten,  wie  die  zusammengesetzten  zu  den  einfachen. 
Daraus  ergibt  sich  nach  unserer  Auffassung :  1 )  die  Erklärung,  warum 
in  anderen  slav.  Sprachen  solche  Formen,  wie  im  Serbischen,  nicht  be- 
gegnen: in  denselben  kommen  die  zusammengesetzten  Formen  *%ft, 
*omJ'b  entweder  äusserst  selten  vor  (wie  in  den  westslav.  Sprachen)  oder 
sie  werden  infolge  eines  besonderen  Zusammenwachsens  beider  Bestand- 
theile  nach  dem  Typus  von  *kyjh  deklinirt  wie  z.  B.  im  grossruss. 
Tfciero,  Tfciearjr  u.  s.  w.  oder  bulg.  thh)  ;  2)  auch  die  Erklärung  der  Be- 
ziehung des  Anhängsels  -i  zu  -e.  Da  nämlich  die  Form  I^  twn  mit  der 
entsprechenden  nominalen  Form  I^  zusammenfiel,  so  erwachte  in  der 
Sprache  sehr  früh  das  Bestreben,  ihr  Suffix  durch  ein  anderes  zu  er- 


Zur  Geschichte  der  serbischen  Deklination.  77 

setzen.  Als  Ersatz  des  Affixes  -i  erschien  das  Neutrum /e  oder  nach 
der  Verhärtung  desselben  e  (vergl.  serbokr.  cre  neben  jere),  das  etymo- 
logisch mit  j'c  in  koj'e  identisch  ist.  Daraus  ergibt  sich,  dass  die  For- 
men Tii.Me,  THxe  nach  dem  Bildungsprincip  noch  näher  sich  dem  ko- 
roHCbAO,  KOMoyatBAO  u.  s.  w.  anschliessen  oder  dem  böhm.  tohoto,  tomuto 
U.S.W,  als  die  Formen  Toran,  TOM-yn:  im  ersten  Falle  ist  das  Affix  neutr. 
gen.,  im  letzteren  masc.  gen.  Die  Formen  thmhjb,  rixHJe  sind  Kon- 
tamination der  beiden  Anhängsel,  auf  -i  und  auf  -e.  Demnach  finden 
die  »neuen«  serbischen  Formen  ihre  verhältnissmässig  einfache  Er- 
klärung im  Bereich  und  der  Beleuchtung  der  zusammengesetzten  Pro- 
nomina des  Typus  der  lateinischen  ruiusque,  ciiique  u.  a. 

Was  die  dritte  Endung  betrifft  (mit  dem  Anhängsel  -a),  sie  bleibt 
auch  nach  diesem  Gesichtspunkt  räthselhaft. 

G.  Iljinskij. 

Zusatz  der  Redaktion.  Es  ist  selbstverständlich,  dass  wir  auch 
solchen  Erklärungsversuchen  in  unserer  Zeitschrift  Raum  gönnen,  die 
wir  selbst  nicht  verantworten  oder  unterschreiben  möchten.  Wenn  die 
bisherigen  Erklärungsversuche  der  serbischen  Casusformen  mit  den  An- 
hängseln -i  und  -e  bei  Herrn  Iljinskij  keine  Gnade  fanden,  so  ist  stark 
zu  befürchten,  dass  auch  sein  vorliegender  Vorschlag  nicht  besser  fahren 
wird.  Es  ist  schon  desswegen  bedenklich,  das  Anhängsel  -i  auf  gleiche 
Linie  zu  stellen  mit  den  zusammengesetzten  Pronominen  khh,  ^ran,  weil 
die  Flexion  ganz  divergirt:  dort  Koiera,  ^miera,  hier  Toraj,  ceraj.  Also 
im  letzteren  Falle  schwebte  dem  Bewusstsein  des  Sprechenden  h  nicht 
mehr  als  Pronomen  vor.  Die  Formen  wie  ovi,  oni  (für  ov,  on)  zeigen 
deutlich,  dass  auch  bei  ti,  taj  (statt  ta)  die  zusammengesetzte  Form  der 
Adjektiva  mitwirkte,  um  auch  hier  die  Endung  auf  -i  (resp.  -«*,  -j)  zu 
erzeugen.  Die  Form  tajx'iei  dann  ^o/ hervor,  ebenso  entstand  onaj\  onoj\ 
weiter  die  übrigen  Casus :  togaj\  tomiij.  Chronologisch  ist  das  i  in  t'Sxh 
vielleicht  älter  und  nicht  damit  in  unmittelbarem  Zusammenhang,  eher 
wohl  als  Analogiebildung  zum  Nom.  plur.  th  aufzufassen.  Wenn  aber  in 
allen  diesen  Fällen  von  i  als  einem  gefühlten  Pronomen  masc. gen.  abzu- 
sehen ist,  so  liegt  nicht  die  geringste  Wahrscheinlichkeit  für  die  Annahme 
vor,  dass  e  ein  dem  i  entsprechendes  Pronomen  neutr.  gen.  sei.  Der 
Parallelismus,  den  Herr  Iljinskij  zu  Stande  bringen  möchte,  lässt  sich 
also  kaum  aufrecht  erhalten  ;  man  hat  ja  auch  kein  *toe^*fogae^  *tomue, 
womit  man  ihn  stützen  könnte.    Dem  Bestreben  Belic's,  die  Partikel  re-7' 


78  G.  Iljinskij, 

dabei  mitspielen  zu  lassen,  lag  der  gewiss  beaehtenswerthe  Gedanke 
zugrunde,  dass  das  Anhängsel  e  zunächst  auf  das  Gebiet  der  Pronomina 
beschränkt  war,  wo  auch  die  Partikel  re  ihre  Hauptrolle  spielt.  Und 
doch  steht  auch  für  mich  diese  Erklärung  nicht  so  fest,  dass  man  sich 
nicht  nach  einer  anderen  umsehen  dürfte.  Man  vergesse  nicht,  dass 
wir  auch  in  der  l.Pers.  sing,  ein  e  finden  in  Verben  wie  vime  (^B^Mb). 


Meine  Bemerkungen  bekam  der  Verfasser  zur  Einsichtnahme  und 
er  vertheidigt  seinen  Erklärungsversuch  unter  der  üebersehrift  »Pro 
domo  sua«  mit  folgenden  Worten: 

»Ich  kann  selbstverständlich  dem  Akad.  Jagic  für  seinen  , Zusatz', 
der  wie  immer  schätzbar  und  belehrend  ist,  nur  aufrichtig  danken. 
Leider  kann  ich  seine  Einwendungen  nicht  gelten  lassen  darum,  weil 
sie  das,  worauf  das  Hauptgewicht  in  meiner  Beweisführung  fällt,  näm- 
lich die  Zusammenstellung  der  altserb.  Formen  Toran,  ceran  mit  altbulg. 
KOro;^i>ÄO,  KOMyÄtAO,  ausser  Acht  lassen.  Jagic  hat  recht,  wenn  er  sagt, 
dass  in  taj  dem  Sprechenden  u  nicht  mehr  als  Pronomen  vorschwebte. 
Eben  darum  und  aus  keinem  anderen  Grunde  musste  taj  in 
den  Casus  obliqui  nicht  nach  dem  Typus  kbih  oder  ^ihh,  sondern  nach 
dem  Typus  KtJKtAO  oder  Ti-at^e  flektirt  werden.  Alle  Forscher  sind, 
glaub'  ich,  darin  einig,  dass  die  Formen  KoroKbAO,  KOMyacb^o  ganz 
normale  Paradigmen  der  pronominalen  Deklination  desjenigen  Typus 
darstellen,  nach  welchem  nicht  der  zweite  (affixive),  sondern  der  erste 
Bestandtheil  des  Wortes  flektirt  wird,  vergl.  cuiusque^  cuique  u.  s.  w. 
Aehnlich  der  Hypothese  Belic's  geht  auch  meine  von  Pronominen  aus, 
doch  während  die  erste  die  wunderbare  Gesetzmässigkeit  (saKono- 
M^pHOCTb)  der  Erscheinung  in  altserb.  Denkmälern  nicht  erklärt,  er- 
scheint sie  von  meinem  Gesichtspunkt  aus  geradezu  als  unumgänglich 
nothwendig.  Die  von  J.  für  t^xh  angenommene  Erklärung  durch  die 
Analogie  von  th  halte  ich  für  unmöglich  schon  darum,  weil  die  Bedeu- 
tung von  TH  mit  der  Bedeutung  von  Tixu  nichts  gemeinsames  hat. 
Ueberhaupt  die  Beeinflussung  von  L.  durch  N.  wäre  in  der  ganzen  Ge- 
schichte der  indoeurop.  Sprachen  beispiellos.  Meine  Hypothese  wird 
auch  durch  die  unbelegten  Formen  ^togae^  *tomue  nicht  widerlegt,  sie 
sind  zur  Vermeidung  des  Hiatus  zu  togaj\  tomuj  geworden  (vergl.  alt- 
serb. SKBHOBb  aus  *a:eHoy).(f 

So  H. Iljinskij.  Ich  will  dazu  nur  das  bemerken,  dass  wenn  er  mir 
recht  gibt,   dass  h   im  Bewusstsein   der  Sprechenden    nicht 


Zur  Geschichte  der  serbischen  Deklination.  79 

mehr  als  Pronomen  gefühlt  wurde,  dann  eigentlich  die  Meinungs- 
verschiedenheit zwischen  uns  jede  raison  d'etre  verlieren  sollte.  Es  geht 
doch  nicht  an,  in  einem  Athemzug  zu  behaupten,  taj  sei  wie  K-Batt^o 
flektirt  worden  und  doch  -n  und  -e  seien  Pronomina  masculini  und 
neutrius  generis  gewesen.  Wenn  man  in  diesen  Anhängseln  sogar  den 
Genusunterschied  herausgefühlt  hätte,  dann  würden  wir  wohl  auch  die 
Flexion  derselben  erwarten.  Ob  xfen  wobei  ich  an  Gen.  plur.  dachte) 
f.  gerade  unter  dem  Einfluss  des  Nom.  plur.  th  das  Affix  annahm,  das 
mag  man  glauben  oder  nicht.  Wir  liaben  ja  im  Bulgarischen  für  acc. 
plur.  rn  offenbar  aus  sing,  ro  hervorgegangen  mit  dem  Auslaut  des 
pluralischen  Casus  generalis.  Und  im  Russischen  Nom.  plur.  xi  nach 
den  Casus  obliqui.  Also  gegenseitige  Beeinflussung  der  Casusformen  ist 
sehr  gut  möglich.  Den  Zusammenhang  der  Formen  xan,  xoh,  xoran, 
xoMoyn  mit  dem  Pronomen  h  hat  bekanntlich  schon  Danicic  gelehrt. 
Neu  ist  also  bei  dem  Erklärungsversuch  des  H.  IL  eigentlich  nur  sein 
»Neutrum«  e,  das  er  weder  als  *t'oe  noch  als  *togae  oder  '^tomue  nach- 
weisen kann,  und  zu  einer  Vermeidung  des  Hiatus  Zuflucht  nehmen 
muss.  V.  J. 


I 


Slavische  Fragmente  aus  der  Bibliothek  S.  Giacomo 
(lella  Marca  in  Montepraudone. 


Etwa  10  km  von  S.  Benedetto  del  Tronto  am  westadriatischen 
Meeresstrande  erhebt  sich  in  wildromantischer  Gegend  das  Felsennest 
Montepraudone,  der  Geburtsort  des  berühmten  Hussiten-  und  Bogomilen- 
inquisitors  Dominik  Gangala,  allgemein  unter  seinem  Mönchsnamen  als 
Giacomo  della  Marca  'Jacobus  de  Marchia    bekannt. 

Geboren  im  Jahre  1391  (1393  hütete  er  bis  zu  seinem  9.  Lebens- 
jahre in  den  wilden  Bergschluchten  die  Schafe  der  Familie,  bis  ein 
Oheim  seine  Fähigkeiten  entdeckte  und  ihn  zuerst  in  Ascoli,  dann  in 
Perugia  studiren  Hess.  Im  Jahre  1416  trat  nun  Dominik  Gangala  unter 
dem  Namen  Jakob  in  den  Franziskaner-Orden.  Im  Jahre  1426  hebt  seine 
Missionsthätigkeit  in  Böhmen   gegen  die  Hussiten  an.      1432,   1435*), 

*J  Fr.  Jacobus  de  Marchia  verweilte  1435  auch  in  Canali  bei  Ragusa, 
einer  Landschaft,  welche  die  Ragusaner  kurz  zuvor  erworben  hatten,  und 


80  Ludwig  V.  Thallöczy, 

1451,  1452  wirkt  er  in  Bosnien,  Ungarn,  Oberitalien,  überall  muthig  und 
mit  Zähigkeit  den  Katholicismus  vertheidigead  und  die  Hussiten,  Bogo- 
milen  fanatisch  bekämpfend.    Er  starb  am  28.  Nov.  1476  in  Neapel  i). 

Fra  Giacomo  repräseutirt  in  der  Geschichte  des  Franciskanerordens 
den  Glaubensstreiter  mit  dem  schweren  Rüstzeug.  Es  fehlte  ihm  der 
elektrische  Funke,  der  seinem  grossen  Ordensbruder  Johann  von  Ca- 
pistrano  innewohnte  und  die  verschiedenen  Nationen :  Deutsche,  Ungarn, 
Südslaven,  Italiener  in  der  flammenden  Idee  des  Glaubenskrieges  zu 
vereinigen  wusste.  Dagegen  war  Giacomo  mit  dem  Gesammtwissen 
seiner  Zeit  bewappnet,  beseelt  von  der  Mystik  Dante's  und  ein  grosser 
Hasser  aller  antikatholischen  Bestrebungen.  Ein  gediegener  Redner 
schöpfte  er  aus  literarischen  Quellen  und  sammelte  selbst  eine  stattliche 
Bibliothek,  die  er  dem  Franciskaner-Convente  (Convento  d.  S.  Maria 
delle  Gra?.ie'  in  Monteprandone  testamentarisch  überantwortete.  Die- 
selbe wurde  im  Laufe  der  Zeit  beträchtlich  vermehrt,  jedoch  kam  viel 
abhanden,  und  die  werthvolleren  Handschriften  wurden  leihweise  in  die 
Vatikanische  Bibliothek  gesendet,  von  wo  sie  erst  auf  Befehl  Gregor  XVI. 
wieder  zurückgestellt  wurden. 

Das  erste  Verzeichniss  der  Biblothek  wurde  im  J.  1647  auf  Befehl 
des  Ordensgenerals  verfasst,  die  erste  Beschreibung  der  Werke  (6 1  Stück, 

hatte  Streitigkeiten  mit  dem  dortigen  serbischen  Popen  Niksa.  Am  7.  Juni 
d.  J.  beschloBS  das  Consilium  Eogatorum,  den  Rector  mit  dem  Consilium  mi- 
nus zu  bevollmächtigen:  »respondere  litteriB  fratris  Jacobi  de  3Iarchta,  exi- 
stenti  in  Canali,  prout  sibi  videbitur,  non  facieudo  tamen  pro  nunc  nouitatem 
siue  molestiam  uel  vim  aliquam  contra  presbyterum  Nixam  es  fide  greca. 
Captum  per  omnes«.  Am  21.  d.  M.  beschloss  derselbe  Rath  mit  26  gegen  5 
Stimmen:  »quod  supradictus  presbyter  Nixa  fidey  grece  non  possit  nee  debeat 
amplius  habitare  super  terreno  deceni  fratrum  minorum  S.Georgii;  set  possit 
Stare  in  alio  loco  contrate  Caualis«;  die  Minorität  wollte,  »quod  debeat 
exire  totam  contratam  Canalis,  et  nichilominus  jus  suum  sibi  sit  reseruatum«. 

C.  Jirecek. 
1)  Im  J.  1876  publicirte  D.  Giacinto  Nicolai  eine  Biopraphie  Giacomo's  : 
Vita  storica  di  San  Giacomo  della  Marca  dei  minori,  protettore  della  cittä  e 
diocesi  di  Napoli,  scritta  pel  IV.  Centenario  dflla  sua  morte  del  suo  coucitta- 
dino.  Bologna.  Tipografia  Pontificia  Mareggiani.  1876.  XX  +  329.  Die  Bio- 
graphie hat  wenig  absoluten  Werth  und  ist  eine  enthusiastisch  gehaltene 
Paraphrase  der  bekannten  Werke  [Wadding,  Civezza,  Farlati,  Muratori, 
Cautü,  Raynald,  Michaud.  Er  benützt  sehr  unkritisch  die  Biographien  Gia- 
como's von  Arcangelo  della  Fratta  und  Gasparo  de  Montesanto).  In  biblio- 
graphischer Beziehung,  speciell  die  Bibliothek  des  Heiligen  betreffend,  bietet 
die  Studie  jedoch  manch  werthvoUen  Fingerzeig. 


Slav.  Fragra.  aus  d.  Bibliothek  S.  Giacouio  della  Marca  in  Monteprandone.    8  I 

davon  15  beschrieben)  lieferte  Marchese  Filippo  Rafifaelli,  Bibliothekar 
von  Fermo. 

Vor  Aufhebung  des  Franciskanereonventes  war  der  Schlüssel  der 
Bibliothek  beim  Guardian  und  dem  Vorstande  des  Munizipiums  ver- 
wahrt. Derzeit  ist  die  Bibliothek  in  einem  hübschen  Kasten  im  Muni- 
zipalgebäude untergebracht. 

Das  Munizipium  Hess  die  Handschriften  von  Prof.  Amadeo  Cri- 
vellucci  (Pisa)  bibliographisch  beschreiben.  Der  Titel  dieses  brauch- 
baren Wegweisers  ist: 

/  codici  della  libreria  raccolta  da  S.  Giacomo  della  Marca  nel 
contento  di  S.  Maria  delle  Grazie  presso  Monteprandone.  Livorno. 
Tip.  di  Raffaele  Giusti  libraio-editore.  1SS9.  8  -\-  110. 

Der  rühmlichst  bekannte  Bischof  Fraknoi,  Stifter  des  ung.  histo- 
rischen Institutes  in  Rom,  bekam  im  Vorjahre  Kenntniss  von  der  Biblio- 
thek Giacomo  de  Marchias  und  erhoffte  dort  eventuell  auf  Ungarn  be- 
zügliche Handschriften  zu  finden.  Dies  war  zwar  nicht  der  Fall,  jedoch 
machte  er  mich  aufmerksam,  dass  in  einem  der  Codices  zwei  slavische 
Texte  zu  finden  seien.  Bei  Gelegenheit  einer  Studienreise  in  den  Marken 
machte  ich  mir  diesen  Fingerzeig  zu  Nutzen. 

Sub  Nr.  18  fand  ich  den  von  Bischof  Fraknoi  erwähnten  Codex, 
welchen  Crivellucci  (o.  c.  S.  48 — 49)  in  folgender  Weise  beschreibt: 

»Xr.  18.  Pergamentcodex  vom  Anfang  bis  zur  Hälfte  —  abgesehen  von 
den  ersten  vier  den  Index  enthaltenden  Papierblättern ;  ein  dritter  Theil  be- 
steht sowohl  aus  Papier-  wie  Pergamentblättern  ivon  Pergament  sind  die 
äusseren  Blätter,  die  erste  und  letzte,  und  die  innersten,  die  beiden  mittleren 
der  Sexternen,  alle  anderen  sind  von  Papier),  schliesslich  kommen  wieder 
ausschliesslich  Pergamentblätter.  Er  ist  16  zu  12  cent.  hoch,  zählt  263  Papier- 
blätter, von  denen  8  unbeschrieben  sind,  einschliesslich  von  4  Vorsteckblät- 
tern, 2  am  Anfang  und  2  am  Schluss;  er  ist  von  mehreren  Händen  geschrie- 
ben, in  zwei  Colonnen,  25—40  Zeilen  in  der  Colonne.  Schrift  saec.  XV.  Auf 
dem  Rust  steht  zu  lesen:  Conclusiones  super  decretales;  auf  dem  Titelblatt 
ist  der  Titel  hinzugefügt:  Margaritarum.  Auf  fol.  233  steht:  Explicit  marga- 
rita[rum]  decretorum  a  fratre  Martine  domini  pape  penitenciario  et  eappel- 
lano  compilata  per  alphabetum. 

Den  Anfang  macht  ein  auf  4  Papierblättern  von  der  Hand  des  h.  Jacob 
geschriebener  Index,  der  folgendermassen  beginnt:  Liber  decretorum  distinc- 
tus  in  tres  partes  quarum  prima  vocatur  uistinctiones,  secunda  cause,  tertia 
de  consecracione.  Der  Schluss  lautet:  explicit  liber  decretorum  continens 
summam  tarn  textus  quam  glossarum. 

Der  Text  der  Margarita  beginnt:  Inter  alia  quecumque  ad  fidelium 
christianorum  doctrinam  scripta  u.  s.  w.  und  auf  das  Wort  Caritas  folgt:  Ab- 
Archiv für  slavische  Philologie.    XXVII.  6 


S2  Ludwigf  V.  Thallöczy, 

bas,  quod  abbas  non  ab  episcoporum  sed  a  monacorum  congregatione  eligitur 
11.  s.  w.  Abel,  aborsus,  Abraain,  absolutio,  abominatio,  absolutio  u.  s.  w.  bis 
zum  Nameu  Zacheus. 

Fol.  234  beginnt  mit  Abbatibus,  absolutio,  absolvere  u.  s.  w.  bis  Uxoreni 
ein  zweites  kürzeres  Wörterverzeichniss  auf  25  Blättern  von  anderer  Hand. 
Den  Schluss  macht  die  gewohnte  Erklärung  des  Heiligen. 

Der  Codex  ist  in  lederüberzogene  Deckel  gebunden.  An  die  Innenseite 
der  Deckel  sind  zwei  in  slavischen  Charakteren  beschriebene  Pergament- 
blätter angeklebt.« 

Als  ich  die  beiden,  den  Einbandtafeln  eingeschalteten  Pergament- 
blätter genauer  ansah,  musste  ich  mit  Bedauern  konstatiren,  dass  ich  in 
Ermangelung  der  notbwendigen  Behelfe,  ohne  Schädigung  der  Einband- 
tafeln und  besonders  der  Texte  an  eine  Auflösung  des  ledernen  Ein- 
bandumschlages nicht  denken  konnte.  Es  muss  daher  eine  in  natür- 
licher Grösse  der  Originalien  augefertigte  photographische  Aufnahme 
genügen,  welche  leider  nicht  den  ganzen  Text  veranschaulicht.  Ich 
muss  daher  sowohl  die  Ergänzung,  wie  die  sprachlich-textliche  Würdi- 
gung meinem  geehrten  Freunde  Hofrath  Dr.  V.  Jagic  überlassen. 

Den  Historiker  iuteressirt  bezüglich  dieser  Fragmente  in  erster 
Reihe  die  Frage  der  Provenienz.  Der  Codex,  in  dessen  Einbanddeckel 
die  beiden  Fragmente  eingeheftet  sind,  befand  sich  zweifellos  im  Be- 
sitze Giacomo's.  Die  Fragmente  können  daher  entweder  im  Besitze  des 
Inquisitors  selbst  gewesen  sein,  der  diesen  schismatischen  Text  in  dieser 
Weise  verwerthete,  oder  es  wurde  dieses  handschriftliche  Colligat  erst 
nach  dem  Todesjahre  des  Heiligen  (1478)  von  seinen  Ordensbrüdern  in 
der  päpstlichen  Mark  besorgt.  In  diesem  Falle  rühren  die  Fragmente 
von  den  im  XV.  Jahrb.  in  bedeutenderer  Zahl  eingewanderten  und  im 
Anconitanischen  (Recanati  etc.)  angesiedelten  slavo-albanesischen  Ele- 
menten her.  Schon  Makusev  i)  hat  in  dieser  Hinsicht  manches  publicirt, 
bz.  angedeutet,  ein  interessantes  Culturbild  bieten  uns  die  Fonti  per  Ja 
Storia  delle  Marche  (veröffentlicht  von  der  Deputazione  Marchigiana 
di  Storia  Patria,  mir  Statuti  IS!) 6  pub.  1 — 280  bekannt).  Im  Detail 
instruktives  Material  bietet  der  Index  des  Archives  in  Recanati,  vom 
berühmten  italienischen  Schriftsteller  Leopardi  verfasst.  Leider  fehlen 
die  Bücher  und  Acten  und  nur  einige  für  diese  Materie  recente  Proto- 
kolle sind  vorhanden. 


')  Mon.  Slav.  mer.  I.  S.  195 — 204:  Universitas  Slav.  habitantiuui  in  Marca 
Anconitana  1379. 1394.  1397.  1439. 1458.  Sciavi  de  provintia  Slavoniae  1510. 
S.  204 — 210.    Coloniae  Albanensium   in  Marca  itana.    Die   intensive 

Einwanderung  geschah  c.  1459. 


Slav.  Fragm.  ans  d.  Bibliothek  S.Giacouio  della  Marca  in  Monteprandone.    83 

Es  bietet  immerhin  einige  Anhaltspunkte,  wenn  diese  Leopardi'- 
schen  Extracte  aus  den  verlorenen,  oder  verlegten  Originalbücbern  ver- 
öflfentlicht  werden,  und  ich  glaube  nicht  fehl  zu  gehen,  wenn  ich  diese 
im  Zusammenhang  mit  der  Provenienzfrage  dieser  Fragmente  publicire: 

Elenco  Leoparcliano. 
Albanesi. 

a)  p.  114*)  (anno  1137,  9  Ag.). 

Molti  albanesi  si  erano  diffusi  nel  nostro  contado,  e  si  presero  delle 
providenze  sul  loro  conto. 

b)  p.  147   (a.  1451,  18  Gen.). 

Si  trattö  di  adattare  qualclie  misura  contro  gli  Albanesi,  attesa  la 
loro  malignitä,  e  fii  risoluto  che  venissero  tntti  descritti,  e  avessero  un 
mese  di  tempo  a  prendere  impiego  o  servizio.  Alle  spirare  del  mese 
sloggiassero  tntti  dal  nostro  territorio,  eccettuati  i  maestri  d'arte  e  li 
battuali  (?)  o  famuli  del  cittadini  e  degli  altri  abitatori. 

c)  p.  164  (a.  1456,  17  Gen.). 

Per  evitare  possibilmente  il  flagello  della  Peste,  si  decretö  che  non 
potessero  riceversi  li  Schiavoni  e  Albanesi  e  si  espellessero  quelli  venuti 
da  natale  in  poi.  Le  recenti  vittorie  delli  Tnrchi  in  Levante  rendivano 
forse  piü  frequente  la  emigrazione  di  quelli  infelici. 

d)  p.  177   (a.  1460,  2  Giugno). 

Peste  manifestata  di  nuovo;  disposizioni  contro  gli  Schiavoni  ed  Al- 
banesi ai  quali  si  attribniva  la  frequenza  de'  contagj.  La  Peste  fii  piü 
micidiale  del  solito. 

e)  p.  226  (a.  1478,  24  Marzo). 

Agli  Schiavoni  ed  Albanesi  fu  proibito  d'immischiarsi  in  alcune  fun- 
zioni  nelle  fraternitä  dei  cittadini. 

f)  p.  231   (a.  1479,  6  Giugno). 

Essendovi  nuovi  sospetti  di  Peste,  si  adattarono  varie  missure  e 
venne  decretato  che  in  caso  di  contagio  la  Fraternitä  degli  Albanesi  vi- 
starebbe  e  spellirebbe  gli  Albanesi,  quella  delli  Schiavoni  gli  Schiavoni, 
e  r  una  e  l'altra  gli  Italiani. 

Aus  dem  Original-Protokolle  ex  1479: 
Die  X  VII  Jatiuarii. 

Consilio  M.  d.  p.  Antianorum  viginti  qiiatuor  et  ducentorura  de  po- 
pulo.  comunis  et  horainum  civitatis  Kacaneti  more  solito  congrcfiato  in 
quo  fuit  propositum  quid  placebat  dicto  consilio  providere  super  infra- 
scriptis  propositis. 


*)  Bedeutet  die  Seitenzahl  der  Protokolle,  welche  wie  bemerkt  nicht 
mehr  vorhanden  sind. 

6* 


84  Ludwig  V.  Thalloczy, 

Tertio  si  placet  dicto  consilio  facere  aliquam  provisionem  pro  evitatione 
morbi. 

Super  quibus  Marinus  Nicoli  Dei  nomine  invocato  dixit .  .  .  super  facto 
morbi  evitandi  fiat  bannum  quod  nemo  audeat  receptare  aliquem  scla- 
vum  neque  Albanum  qui  istuc  concessisset  a  festo  nativitatis  citra  pena 
X  librarum  receptanti  et  venienti  X  tractarum  funis  et  quolibet  possit 
predicto  amisare  (?)  et  .  .  .  quartam  partem  dictarum  X  librarum;  et  si 
qui  reperirentur  venisse  ....  dicta  civitate. 

Conclusio  ottentiva:  .  .  .  pro  evitando  morbi:  fiat  bannum  quod  quicum- 
que  receptaret  aliquem  venientem  de  terra  morboso  mereret  penam  X  li- 
brarum tarn  receptans  quam  receptatus  et  ultra  dictam  penam  receptatus 
habeat  de  facto  quatuor  tractos  funis  et  qui  amisaret  contra  funentes, 
habeat  medietatem  diete  pene  et  quilibet  sclavus  seu  Albanus  qui  ve- 

nisset  iatuc  a  Kalendis  Juniis  citra,  debeat  dis orasse  civitatem  sub 

dicta  pena. 

Die  II  junii  Consilio  etc. 

Secundo  de  provisione  fienda  contra  pestem.  Ser  Leopardus  dei  no- 
mine invocato  ....  supra  provisione  pestis  dixit  quod  per  d[ominos] 
p[riores]  eligatur  et  constituatur  locus  extra  civitatem  ad  quem  omnes 
sclavi  et  Albani  morbo  infecti  in  civitate  Recanati  deferantur  et  consti- 
tuantur  ibi  custodes  et  curatores  qui  debeant  perscruptari  diligenter  per 
civitatem  et  infectos  referre  dominis  prioribus  sub  aliqua  pena. 

Jacobus  Janini  super  provisione  pestis  dixit  quod  primo  inveniatur 
locus  et  quod  hospitale  sancte  Lucie  extra  portam  maris  esset  locus 
ydoneus  et  quod  illuc  deferrantur  sclavi  et  albani  infecti  et  ibi  curentur. 

Ser  Antonius  Politi  dixit  ut  supra  dixerat  Jacobus,  sed  de  hoc  ha- 
beatur  colloquium  cum  d«  episcopo. 

Gaspar  Jacobi  dixit  super  provisione  pestis  quod  hospitale  sancte 
Lucie  de  quo  supra  dictum  est  non  est  locus  aliquo  modo  ydoneus  cum 
ibi  per  singulos  dies  et  horas  conversatur  prope  accessum  ad  sanctam 
Mariam  de  Varano  quapropter  queratur  pro  alio  loco. 

Petrus  Jeronimi  dixit  super  facto  pestis  prout  supra  dixit  Ser  Anto- 
nius Politi  hoc  addito  remictuntur  custodes  ad  portas  prout  erant  prius 
et  deputentur  eis  salarium  expensis  comitatinis. 

Petrus  Thome  dixit  ut  supra  dixit  Petrus  Jeronimi  hoc  addito  quod 
recludantur  alique  dictarum  portarum. 

Ser  Johannes  Francisci  de  iufectis  dixit  ut  supra  dixerunt  alii  hoc 
addito  quod  de  cetero  non  dimictantur  intrare  in  civitatem  albani  neque 
sclavi. 

Reformatum  fuit  et  conclusum  Constituatur  locus  pro  infectis  videlicet 
hospitale  sancte  Lucie  ut  supra  dictum  est  in  quo  deputentur  curatores 


l 


Slav.  Fragm.  aus  d.  Bibliothek  S.  Giacomo  della  Marca  in  Montepiandone.    85 

infirmorum  quibus  sit  cura  diligenter  curare  infinnos  et  constituatur  aro- 
inatarius  a  quo  accipiantur  necessaria  pro  dictis  infirmis  sumptibus  comi- 
tatinis  et  omnes  Albani  et  sclavi  infecti  illuc  deducantur.  Item  remictan- 
tur  custodes  ad  portas  prout  erant  prius  cum  salario  sibi  persolvendo 
de  pecuniis  coraunis  extrahendis  de  mundinis  proxiinis  et  hoc  pro  tempus 
duorura  luensiura.  ' 

Ludwig  v.  Thallöczy. 

Der  Inhalt  der  beiden  an  die  Buchdeckel  angeklebten  Pergament- 
blätter cyrillischer  Schrift  ist  uns  in  so  kümmerlicher  Weise  zugänglich, 
das3  es  derzeit  kaum  möglich  ist,  etwas  Näheres  über  denselben  zu 
sagen.  Die  beiden  Blätter  sind  ja  mit  je  einer  Seite  ihres  Textes  an  die 
Deckel  angeklebt  und  vor  ihrer  Loslösung  von  den  Deckeln  zunächst 
für  uns  so  gut  wie  nicht  vorhanden.  Ob  es  bei  Anwendung  der  grössten 
Vorsicht  möglich  wäre,  die  Blätter  von  den  Deckeln  so  loszulösen,  dass 
der  Inhalt  der  jetzt  zugedeckten  Seiten  gelesen  werden  könnte,  das  ver- 
mag ich  nicht  zu  sagen.  Aber  auch  die  oberen,  unseren  Augen  und 
dem  Licht  des  Photographen  zugänglichen  Seiten  haben  in  doppelter 
Weise  gelitten.  Einmal  findet  man  den  Text  der  linken  Kolumne  an 
vier  Stellen  durch  Lederspangen  so  beschädigt,  dass  überall  mehrere 
Buchstaben  für  uns  verloren  gehen.  Nicht  überall  ist  es  möglich,  die 
Lücken  durch  sichere  Konjekturen  zu  ergänzen.  Dann  aber  wurde 
auch  die  rechte  Kolumne  durch  den  Lederumschlag  des  Einbandes  in 
ihrem  grösseren  Theil  so  zugedeckt,  dass  sie  für  unser  Auge  und  auch 
für  den  Photographen  nicht  erreichbar  ist.  Es  hat  sich  also  von  den 
acht  Kolumnen  des  Textes  dieser  zwei  Pergamentblätter  nicht  einmal 
der  vierte  Theil  (d.  h.  zwei  Kolumnen)  vollständig  erhalten. 

Und  doch  gestattet  uns  selbst  dieser  kümmerliche  Rest  allerlei  Be- 
trachtungen anzustellen.  Vor  allem  könnte  man  dem  grossen  Bedauern 
Ausdruck  geben,  dass  die  Ungunst  der  Zeiten  und  der  religiöse  Eifer 
der  mönchischen  Missionäre  so  unglimpflich  mit  den  Denkmälern  der 
slavischen  literarischen  Thätigkeit  umgingen.  Doch  trifft  den  Fra  Ja- 
cobus  de  Marchia  keine  grössere  Schuld  den  bosnischen  Denkmälern 
gegenüber,  als  sie  in  Böhmen  und  Polen  den  Eiferern  für  die  Reinheit 
des  katholischen  Glaubens  und  die  sprachliche  Einheit  (Latein)  vorge- 
worfen werden  kann.  Also  sentimental  soll  man  nicht  sein,  es  würde  ja 
auch  nichts  nützen.  Aber  das  dürfen  wir  schon  sagen,  dass  der  Verlust, 
den  unsere  Einsicht  in  die  bosnische  mittelalterliche  Literatur  durch 
diese  Schädigung  und  Zerstörung  erleidet ,  in  der  That  sehr  gross  ist. 


86 


V.  Jagic, 
Fragra.  A. 


miLH 


..^  f  f  tiiii^  tlN  ffi  1  nrnn 


HäaSS^ 


Es  handelt  sich  nicht  etwa  uiu  n-eudwelche  Bestandtheile  der  Bibel, 
die  wir  ja  auch  sonst  haben  und  kennen,  sondern  um  Texte  homiletischen 
oder  katechetischen,  vielleicht  gar  bogomilischen  Inhaltes,  die  einzig  da- 
stehen und  in  keiner  Weise  ersetzt  werden  können.  Und  zwar  gestatten 
uns  diese  zwei  kümmerlichen  Ueberreste  von  zwei  Handschriften  zu  reden, 
weil  jedes  Blatt  eine  andere  Hand  und  ganz  verschiedene  Schriftzüge  re- 


Slav.  Fiagm.  aus  d.  IJibliotbek  S. Giacorao  della  Marca  in  Montcpraudo.if.    87 

Fragm.  B. 


präsentirt.  AUerdmgs  ist  das  Format  der  beiden  Codices  imgefähr  gleich 
gross  gewesen,  auch  die  äussere  Ausstattuug  (in  zwei  Kolumnen)  ganz 
gleich  gehalten,  so  dass  am  Ende  auch  an  zwei  verschiedene  Schreiber 
derselben  Handschrift  gedacht  werden  könnte.  Nichts  hindert  uns  je- 
doch anzunehmen,  dass  das  zwei  kleine  handschriftliche  Büchlein 
waren,  in  kleinem  Format  geschrieben,  in  der  Art,  wie  das  noch  spater, 


, 


88  V.  Jagic, 

als  die  Drucke  aufkamen,  gerade  bei  den  ältesten  bosnischen  Büchlein 
katholischen  Inhalts  und  cyrillischer  Schrift  sehr  üblich  war. 

Dass  diese  Ueberreste  Bosnien  (eventuell  nördliche  Theile  von 
Dalmatien  inbegriffen)  angehen,  dafür  spricht  die  Orthographie  und 
Sprache,  von  der  Graphik  gar  nicht  zu  reden.  Das  Blatt  A  macht  durch 
seine  Schriftzüge,  die  ganz  auf  alter  Unciale  beruhen,  entschieden  älteren 
Eindruck,  als  das  Blatt  B.  Dennoch  möchte  ich  beide  Blätter,  nach 
sonstigen  Merkmalen,  in  das  XV.  Jahrh.  versetzen,  und  zwar  eher  in 
die  erste  als  in  die  zweite  Hälfte  desselben.  Auf  beiden  Blättern  hat 
der  Buchstabe  K  noch  die  übliche  Gestalt,  ß  noch  nicht  die  spätere 
Quadratform;  in  beiden  ist  h  noch  schalenförmig;  in  beiden  fungirt 
ausschliesslich  H,  kein  "i;  in  beiden  vertritt  den  u-Laut  das  Zeichen  ^: 
in  A  findet  man  K>  zweimal,  in  B  zwar  auch  K>  zweimal,  doch  auch  das 
blosse  S,  z.  B.  ßOiiS  CBOK»,  Ai?,i,n  (für  ak«,i,h),  -R  steht  für  a :  H3  pa'k, 
(C  BacKpriiufHUlv  (3  mal  so),  'KKO  B,  ^HliBO  (wohl  Aa  oder  eine  an- 
dere Casusendung  zu  ergänzen)  A;  es  bleibt  auch  ein  unjotirtes  a:  po- 
AHTfAa  (A),  norÖKAaTf  (B);  ebenso  c  tCH,  ecT.  Auch  kein  w,  son- 
dern nur  h:  khth  (statt  kkith),  th  (statt  tki),  kh  (statt  kwh),  H(- 

KfCKH,  CHHOK(f)  A,  KH  (für  BkICTk),  TH  (für  TW),  KH^'  (für  BKI^k), 
THAKHHIir  (für  -HKlMh.)  B. 

Beachtenswerth  als  Tradition  der  volksthümlichen  Schreiberschule 
ist  das  Fehlen  des  schwachen  Vocals:  BEpHaAa;^,,  cnantaa,  ^\,HUJ,Haui, 

HlTcHY,    HCnORH,i,aiU,    HfKfCHY,    IKHBOT    (A),    CRpH;jH,    C  HfKa,   BH\-, 

Bac  Bauj  Tpö^k,,  THAfCHHM',  B  anoKaAHncHH,  TfAfc,  Haii.r,  pasSM, 
^UJOM  (B).  Nur  als  Abbreviatur  liest  man  in  B  dreimal  k:  AV^^  anAb 
und  c\'k  (wahrscheinlich  HC^k).  Der  Ersatzlaut  a  ist  nachweisbar  in 
Bac  (für  BkCk),  BacKpHLUCHH'k  (dreimal),  Ba  BcaKO  Bpne  (A),  3f- 
MaAHa  (B). 

Der  Dialekt  ist  entschieden  ikavisch,  weist  also  nach  Nordwest- 
bosnien mit  Einschluss  des  nördlichen  Dalmatien  hin.  Man  vergl.  hao- 
BHMf,  ;i,HiiJ  für  A'Si€11Jh),  hmhk>  (für  h  LI 'S  h?  oder  HM'SK'Tk),  rpH 
(wohl  die  erste  Silbe  von  rpH)C  etc.     und  die  Kasusendungen  TfBH. 

C«KH,  HEECCHY  (in  A),  AHTHHCTBi>f,   CKpOSH,   BaCKpHUIEHHt:  (3mal), 

THA6CHHM',  THAfCA  (allerdings  einmal  auch  Tf AfC),  pasÖMHHT«,  npH( 
(wenn  für  np'feJKAf  ?)  in  B.  Die  volksthümlichen  Wendungen  haben 
vor  den  kirchenslavischen  Sprachformen  und  -Wendungen  den  Vorzug  : 
KH,  KO  statt  HJKf,  i€>Kf,  CKpoSH  KÖ,  3  /i,iiJ<tM  als  lustrum.  neben  boaS 


Slav.  Fnigui.  aus  d.  Bibliothok  S.  Giacomo  della  Marca  in  Montepiandoue.    89 

CBOic  (wenn  letzteres  für  BOAieic  ckoi€io),  Genit.  Tora  ßAJi,»  und 
vielleicht  einmal  (Mojfra.  In  der  Konjugation:  K^A*»  HMa,  ,i,huj, 
HcnoBH;i,i\iiJ,  npaßH,  c8  (für  ci>Tk);  die  Form  ;k,HTHHCTK8e  könnte 
auch  Particip  sein.  In  B  ist  hto  deutlich,  daneben  vielleicht  auch 
aan,  doch  ist  diese  Lesart  unsicher.  Kirchenslavisch  klingen  die  For- 
men: KS^XfUJH,  noBH^aiUH  (in  A)  und  tKO,  wenn  es  Konjunktion  ist 
(in  B). 

Auf  den  Inhalt  kann  ich  hier  (in  Abbazia),  entblösst  von  allen 
Hilfsmitteln,  nicht  näher  eingehen.  Er  erinnert  an  ähnliche  Sachen  in 
der  kroatischen  glagolitischen  Literatur.  Wenn  es  eine  üebersetzung 
ist,  so  lässt  sich  die  lateinische  Vorlage  voraussetzen,  worauf  auch  das 
Citat  KaKO  npaßH  cth  BepHaaa^v,  hinweist.  Im  ersten  Fragment  ist 
deutlich  der  Sinn,  dass  das  menschliche  Leben  nach  dem  Vorbild  und 
Willen  des  himmlischen  Vaters  eingerichtet  werden  soll:  C>  naOKHHf. 
Ka;i,a  th  ^y\ui-  om«  Haiu  kh  «ch  Ha  HeptcHy  h  HcnoKH;V,auj  ^a 
HMaujH   pct^HTf/xa   Ha   HtBECHY   BaKO  <^^ä,  h  Ka,\a  noBH;i,aujH 

CfKH-  HMHK>,  Ji,H,  Ol^a  Ha  HEBECHJC,  HOKa^H  HCBfCKH  '^KHEOT  H 
yOTfHf  (nicht  ganz  sicher)  OU^a.  Diesen  Passus  kann  man  in  gutem 
Zusammenhang  lesen.  Was  vorausgeht,  ist  schon  lückenhaft;  noch 
mehr,  was  folgt.  Im  zweiten  Fragment  wendet  sich  ein  Sprechender  an 
das  Volk  (Tora  pa^H  Ai>^i,H  paaSMHHTe),  es  ist  von  der  Auferstehung 
die  Rede,  wird  zwischen  der  Vertreibung  des  Teufels  aus  dem  Himmel 
und  des  Menschen  (» A"")  aus  dem  Paradies  eine  Parallele  gezogen.  Der 
anonyme  Autor  citirt  die  Apokalypse,  erwähnt  auch  einmal  einen  Apostel 
(ungewiss  welchen,  wohl  Paul?).  Der  Inhalt  dieses  Blattes  könnte  eher 
etwas  Bogomilisches  enthalten,  als  das  Blatt  A;  dafür  sprechen  auch 
die  Schriftzüge  des  B-Fragmentes,  die  in  ihrer  schmalen  Gestalt  ent- 
schieden bogomilischen  Charakter  verrathen.  Dieser  Ansicht  ist  mein 
Freund,  der  serb.  Akademiker  Ljubomir  Stojanovic,  dem  ich  das  Facsi- 
mile  der  beiden  Blätter  zeigen  konnte.  Leider  kann  man  auf  B  nicht 
einmal  so  viel  im  richtigen  Zusammenhang  herauslesen,  wie  auf  A. 

Um  den  Text  genau  zu  veranschaulichen,  geben  wir  ihn  nach  der 
von  einem  Photographen  (C.  Cameli  in  Sambenedetto  del  Tronto)  ge- 
machten Aufnahme  in  genauer  Reproduktion  wieder.  Fragm.  A  lese 
ich  so: 

Ka  HaKC  npaBH  _    _    _ 

CTH  BfpnaaaA  kh  ••  • 


90 


V.  Jagic, 

Ra  KcaKO  lipiuie 

KpH   •  • 

KO    TfKH    BS^f    ß 

ßac  •  • 

^AHC>  HA  cnaH;a 

rpHC 

HHf    HMa    KHTH 

baSa 

HO  0  TfRH 

TAH    H 

KÖ^^IU" 

H  BH  H 

cnajKaa  o  maok 

yOAH  H 

HMf  KaAa  TH  ;k, 

HHJC  BO 

HUJ  Sh(  HAUl  KH 

lUiapTH 

KH   HKCHY  H   HCnO 

aSH  30 

üH^aiu  j\,A  HMa 

0  fra  H 

(ujH  p)0AHTfaa  h 

HlUaHH 

(a  HfJKecHY  KaKO 

c\'Hfr 

oi^a  H  KaA^»  ncKH 

HacS  0 

/k.aUJH      CCBh     HMH 

0B6  OA 

10  AH  ou^a  Ha  hcee 

caHO  B 

CH^      nOKa^KH      H( 

AHliBO 

EfCKH      /KHBOT 

CHHOBE 

H  \-CTfHe  oi;a  a 

CS    OHH 

npHTH 

A8k? 

Im  Fragm.  B : 

-    -    -    - 

h  OBaaA 

AX^      KT 

(AJ'J'AiJ    tKO 

npaBACHH 

3a  boaS   cb 

pa3SM    a  H 

OK«  CBpJKtH-   BH  C  Hf  Ba  • 

HA^Tf   • OH 

a    TH    H3    pa'k  AHTHHC 

0  •  3  A^l^^^M 

TBSE     ß(M     MHCMa     BH 

anAk    TOt 

\  :  Moraa'  cKasarn  CO 

npHE    0(Hi 

BaCKpHUlfMH-k  M  KW 

KOAOBapH 

3A    BoaS 

UJH   HEOH^H 

CKp03H 

Aa  n8cTH 

kS  HorSB/xa'i'E   Bac  • 

Mp    •• 

Slav. Fnigiu.  aus  d. Bibliothek  S. Giacomo  della  Maica  in  Montepraudone.    91 

H  A^^M   pasÖMHHTf  :  ,\--  3aM-. 

(D  BacKpHUJtHH'k-^iiic  •aa  ona 

H  C»l|Jf  npaKHT«  ,\A  Cf  3  '"TA 

(ob«)    Ji,UlA    THAfCHHIUl'  A    TfUlKa 

•  •  •  •   ^\A   HTO  npaß  «Ha  KacKp 

H  K  anoKaaHncHH  he  .A^BHan  a 

BECa  H  THAECa'SCMaa  0Kp3a  H  H 

Ha  H  3aT0  npaKMTf        h  pa3BoaH 

KaCKpHUJCHHlv  TfAfC"  C^l*  TaKH 
J\,A  KHCTf  HaMpa3i>llil  AflUI  B,A,aT 
{A,)Uii     HfK«  ____<. 

A^M   •   •   •   • 

Ich  fühle  mich  angenehm  verpflichtet,  dem  Herrn  Sections-Chef 
V.  Thallöczy  für  das  Interesse,  das  er  diesen  zwei  Fragmenten  ent- 
gegenbrachte, öfifentlich  den  Dank  auszusprechen.  V.  Jagte. 


Die  grossrussisclie  Dialektologie  in  den  letzten  fünf 
Jahren  (1897-1901)*). 


In  dieser  kritischen  Uebersicht  will  ich  über  die  Erfolge  der 
gross  russischen  Dialektologie  (die  kleinrussische  berühre  ich  nicht, 
die  Weissrussische  nur  bibliographisch,  ohne  auf  Vollständigkeit  An- 
spruch zu  erheben)  seit  dem  Erscheinen  des  Buches  Sobolevskij's  »OnwT'B 
pyccKOH  AiajieKTOjroriii«  (1897)  berichten.  Sobolevskij  verwerthete  in 
seinem  bedeutenden  Werke  beinahe  das  ganze  bis  dahin  erschienene 
Material,  darüber  aber  nochmals  zu  reden  wäre  überflüssig.  Dagegen 
seit  1897  machte  die  grossrussische  Dialektologie  grosse  Fortschritte. 
Im  Jahre  1896  wurde  in  der  russischen  Abtheilung  der  kaiserl.  Akade- 
mie der  Wissenschaften  als  Fortsetzung  der  einstigen  IIsBicTin  eine 

*)  Dieser  wertvolle  Beitrag  musste  leider  zu  lange  auf  Ausgabe  warten, 
so  dass  jetzt  schon  Nachträge  wünschenswert  wären,  auf  die  wir  auch  rechnen. 

V.  J. 


92  N.  Durnovo. 

Dreimonatschrift  »JlsBicTia  0Tji,i,Äema  pyccKaro  nsLiKa  n  cjroBecHOCxn 
Ibmep.  ÄKa^.  H.«  gegründet,  die  gleich  von  Anfang  an  der  russischen, 
zumal  der  gross-  und  Weissrussischen  Dialektologie  verhältnissmässig 
viel  Raum  gönnte,  Dank  sei  es  der  Energie  des  Akademikers  A.  A. 
Sachmatov  und  dem  Eifer  des  Professors  Ev.  Th.  Karskij  in  Warschau 
und  des  Professors  Evg.  Th.  Budde  in  Kazan.  Alle  drei  Herren  sind 
als  hervorragende  Kenner  der  russischen  Dialekte  rtihmlich  bekannt. 
Im  Jahre  1S96  erschienen  in  der  besagten  Zeitschrift  zwei  ausführliche 
»Programme«  zum  Sammeln  der  Eigenthümlichkeiten  der  russischen 
Volksdialekte,  das  eine  für  nord-,  das  andere  für  südgrossrussische 
Dialekte  im  1.  u.  3.  H.).  Beide  waren  vom  Akad.  A.  A.  Sachmatov 
zusammengestellt  (mit  Hilfe  anderer  Gelehrter).  Ihr  Vorzug  war  die 
ausführliche  Behandlung  der  Fragen  aus  der  Phonetik,  die  morpho- 
logischen und  syntaktischen  Fragen  traten  dagegen  zurück,  die  Wort- 
bildung fehlte  gänzlich.  Die  Programme  waren  auf  Personen  mit  ge- 
ringen Vorkenntnissen  und  unerfahren  im  Sammeln  des  dialektologischen 
Materials  berechnet.  Daher  eine  ausführliche  Anleitung  in  der  Vorrede. 
Das  3.  Programm  betreflfs  des  Weissrussischen  Dialektes  erschien  erst 
im  Jahre  1S97  (im  2.  Heft),  doch  war  es  ganz  entsprechend  den  beiden 
anderen,  nur  etwas  ausführlicher  abgefasst:  hier  giebt  es  mehr  Fragen 
über  die  Betonung  und  auch  ein  Abschnitt  über  die  Wortbildung  felilt 
nicht.  Lexicalische  Fragen  sind  kürzer  ausgefallen.  Es  war  beabsichtigt 
noch  ein  4.  Programm  über  die  kleinrussische  Dialektologie  zu  publi- 
ciren,  doch  der  in  Aussicht  genommene  Herr  Michal'cu  k  führte  bis 
jetzt  die  ihm  anvertraute  Aufgabe  nicht  aus.  Diese  Programme  trugen 
zur  Belebung  des  russischen  dialektologischen  Studiums  wesentlich  bei. 
Kein  einziges  der  früheren  Programme  '  fand  eine  so  grosse  Verbreitung 
und  konnte  so  ausführliche  Beantwortung  hervorrufen.  Die  russische 
Abtheilung  versendete  mit  grosser  Bereitwilligkeit  ihre  Programme 
nach  allen  Richtungen,  so  dass  im  Jahre  1S99  kein  Exemplar  mehr 
übrig  blieb  und  es  musste  eine  Neubearbeitung  des  Programmes  unter- 
nommen werden  (vgl.  Avchiv  XXIII,  S.  579 — 581). 

Als  Beantwortung  der  in  den  Programmen  aufgegebenen  Fragen 
langte  ein  eine  Reihe  Mittheilungen  von  Volksschullehrern,  Priestern, 


1;  Sie  sind  aufgezählt  in  dem  Aufsatz  F.  K.  Simoni's:  PyccKiii  >i3hkt,  b-l 
ero  Hapiiiax'B  h  roBopax-L  I.  (HsBicxifl  etc.  I.  1.  173 — 178).  Die  besten  darunter 
waren  —  das  Kolosov's  bei  Simoni  Nr.  1Ü7)  und  Sachmatov's  (Simoni 
Nr.  108),  sie  bezogen  sich  hauptsächlich  auf  den  o-Dialekt  Nordrusslands. 


Die  f!:rossruss.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jaliren  '1S97 — 1901).       9;^ 

Zöglingen  geistlichei-  Seminare,  Studenten  der  geistlichen  Akademien 
und  der  Universitäten,  die  Gelegenheit  hatten,  einen  Theil  des  Jahres 
im  Dorf  zuzubringen,  ja  auch  von  Gutsbesitzern  u.  s.  w.  Selbst  solche 
Einlaufe,  wo  man  sich  auf  das  Unterstreichen  der  in  den  Programmen 
angeführten  Beispiele  beschränkte,  vermochten  unsere  Begriffe  von 
den  grossrussischen  Dialekten  bedeutend  zu  erweitern,  da  sie  die  Mög- 
lichkeit boten,  über  die  Verbreitung  dieser  oder  jener  Erscheinung  ein 
Urtheil  zu  gewinnen.  Bis  1901  incl.  erschienen  in  den  »IIsBtcTia«  48 
solche  Mittheilungen  (zwei  über  Südgrossrussische  Dialekte  führen  die 
Nebenzahlen  41^  und  422;),  darunter  sind  5  den  a-,  die  übrigen  den 
o-Mundarten  gewidmet.  Eine  noch  grössere  Anzahl  von  Einlaufen  liegt 
bis  jetzt  ungedruckt,  obschon  sie  viel  Interessantes  enthalten  (vergl.  die 
Vorrede  zum  1.  Heft  des  IL  Bandes  des  russischen  Wörterbuches,  das 
jetzt  im  Erscheinen  begriffen  ist,  und  die  Sitzungsprotokolle  der  russ. 
Abtheilung  in  den  IIsB^cxiH  und  im  CßopHiiK'L  Band  65,  66  und  67). 
Der  günstige  Einfluss  der  akademischen  Programme  gibt  sich  auch  in 
den  nicht  in  den  akademischen  Schriften  gemachten  Publicationen  dieser 
Art  kund,  vergl.  die  Mundarten  des  Gouvernement  Kostroma  in  »^CnBaa 
C'rapHHa«  (beschrieben  von  Th.  Pokrovskij)  und  in  PyccKiH  $HJEo;iorH- 
necKÜl  B'£cTHiiKi>  die  Beiträge  Rezanov's,  Karaulov's,  des  Refe- 
renten und  A.  Nikol'skij's.  Das  Buch  Sobolevskij  wurde  abgefasst,  als 
noch  nicht  alle  Einlaufe  gedruckt  waren,  darum  konnten  in  seinem 
OntiT'B  nur  die  ersten  28  verwerthet  werden  —  meistens  nur  als  Er- 
gänzungen. 

Neben  den  »HsBicTiHt«  pflegten  die  russ.  Dialektogie,  wie  auch  bisher, 
noch  folgende  periodische  Zeitschriften :  »3CirBafl  CTapHHa«  und  »PyccKiS 
'T'Hjro.iornyecKiil  BicTHHKi.«.  Die  dialektologischen  Beiträge  in  einer  jeden 
dieser  Publicationen  tragen  ihren  besonderen  Charakter.  Während  in 
den  »IIsBicTifl«  mehr  oder  weniger  umfangreiche  Antworten  auf  die 
Programmfragen,  ohne  Beifügung  des  rohen  Materials  (Aufzeichnungen 
der  Texte)  und  des  Lexicons  vorliegen,  liefert  )^yKHBafl  CTapima«  bald 
kurze  Charakteristiken  der  Mundarten,  bald  eingehende  ethnographische 
Beschreibungen  mit  beigefügtem  lexicalischem  Material,  zuweilen  nur 
das  letztere  und  andere  Volksprodukte  (Erzählungen,  Lieder,  Sprich- 
wörter u.  a.).  Im  Pycc.  ^Hjiojor.  BicTHHKTi  werden  ausführliche  Abhand- 
lungen der  Specialisten,  mit  Excursen  in  das  Gebiet  der  Sprachgeschichte, 
mit  Vergleichungen  anderer  Dialekte  u.  ä.  publicirt;  dann  und  wann  ist 
auch  lexicalisches   und  anderes  Material  beigegeben.     Sehr  werthvoll 


94  N.  Durnovo, 

sind  die  Beiträge  zur  grossrussisclien  Dialektologie  Professor  E.  Th. 
Budde's  von  seiner  Reise  in  das  Gouvernement  Tula  (in  IlaBicxifl  1898, 
B.  III,  Heft  3  u.  4).  Der  vor  kurzem  erschienene  6S.  B,  des  CöopHHKTB 
ist  fast  ausschliesslich  der  Dialektologie  gewidmet.  Hier  sind  neben  den 
Charakteristiken  der  Mundarten  viele  Volkslieder,  Volkserzählungen 
u.  a.  m.  und  4  lexicalische  Idiotika  abgedruckt.  Ausschliesslich  rohes 
Material  (Lieder,  Erzählungen  u.a.;  erschien  von  Zeit  zu  Zeit  in  3tho- 
rpa<i>HyecKoe  Oöosp^Hie  und  sonst.  Es  war  mir  für  diesen  Aufsatz  nicht 
möglich,  das  in  verschiedenen  Provinzialausgaben  zerstreute  dialekto- 
logische Material  zu  verwerthen,  obwohl  dann  und  wann  in  solchen  Publi- 
cationen  Werthvolles  steckt.  Z.  B.  mir  ist  nur  aus  der  Recension  in  der 
»yKnBaa  CTapima«  (1899,  Heft  2)  das  1898  in  Petrozavodsk  erschienene 
Büchlein  »KnatcKoe  napime  BejiHKoryöcKoä  oöjracTH«  (53  Seiten)  be- 
kannt. 

Unter  dem  Material  der  mehr  oder  weniger  phonetischen  Aufzeich- 
nungen von  Liedern,  Erzählungen,  Legenden  u.a.  aus  dem  Bereich 
der  südgroäsrussischen  Mundarten  verdienen  die  vortreflflichen  Mit- 
theilungen V.  N.  Dobrovol'skij's  aus  verschiedenen  Gegenden  der 
Gouvernements  Smolensk  und  Kaluga  (in  'JKiiBaB.  CxapHHa)  hervorge- 
hoben zu  werden ,  sie  sind  nach  demselben  Plan  und  mit  derselben 
Sorgfalt  ausgeführt,  wie  sein  ausführlicher  »Cmoji  bhcküI  9THorpa*HyeeKi5 
c6opnHKi«.  Diese  Mittheilungen  beziehen  sich  auf:  I.  Die  Zigeuner 
von  Kiselevka  (Gespräche  mit  ihnen,  ihre  Erzählungen,  'JK.  Cxap. 
Jahrg.  1897,  H.  I,  S.  3 — 36,  Kiselevka  liegt  im  Bezirke  Smolensk); 
II.  Dialectproben  aus  dem  Bezirk  Zizdrinsk  (im  Gouvernement 
Kaluga,  Räthsel  und  Lieder,  3C.  Cxap.,  Jahrg.  1898,  H.  3 — 4);  IIL  Das 
Dorf  Tereben  (desselben  Bezirkes,  die  Bauernnamen,  ib.);  IV.  Erzäh- 
lungen aus  dem  Leben  der  Polechen  des  Bezirks  Zizdrinsk  (yK.  Cxap. 
1899,  Heft  I,  4—22,  II  151  —  166).  Hier  ist  eine  ausführliche  Erzäh- 
lung eines  Bauernweibes  mitgetheilt.  Den  Text  dieser  merkwürdigen 
Erzählung  verwerthete  M.  Karaulov  in  der  Abhandlung  »FoBop  na.i'Sx 
^HBApuHCKaro  yi3;i;a«  (vgl.  unten)  und  A.  Nikol'skij ;  V.  Tod-,  B egräb- 
niss-  und  Klagelieder  (nach  den  Worten  von  Bauern  aus  dem  Gouv. 
Kaluga,  yK.  Cxap.  Jahrg.  1900,  H.  1—2).  —  V.  J.  Öernysov  publi- 
cirte  in  der  jK.  Cxap.  einige  Erzählungen ,  die  im  Gouv.  Kaluga  (in 
Mescovsk,  Borovsk)  von  den  Bauern  selbst  niedergeschrieben  waren, 
auch  einige  geistliche  Lieder  (von  ihm  im  Smolensker  und  Moskauer 
Gouvernement  aufgezeichnet)  ^.  Cxap.  Jahrg.  1900,  H.  1 — 2. 


Die  grossniss.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Julncn  (1897 — 1901).       95 

In  den  IIsBicTia  der  russ.  Abtheilung  der  kaiserl.  Akademie  für 
das  Jahr  1898  (B.  III,  H.  4)  ist  das  von  Prof.  E.  Th.  Biidde  im  Gouv. 
Tiila  gesammelte  Material  (Gespräche,  Volkslieder)  erschienen ,  in  ge- 
nauer phonetischer  Wiedergabe,  und  im  Jahrg.  1900,  H.  3  das  von  dem 
Referenten  aus  dem  Munde  eines  Bauernweibes  aus  dem  Gouv.  Tambov 
(Bezirk  Sack)  niedergeschriebene  Material  (Lieder  und  Erzählung). 

In  dem  PyecKiri  <I>iuo.ior.  E'£ctiihk1)  erschienen  die  von  V.  Re- 
zanov  im  Gouv.  Kursk  (Bezirk  Obojan)  und  von  K.  Filatov  im 
Gouv.  Voronez  gesammelten  Texte  iT.  $.  B.  1897,  B.  38,  H.  3  —  4; 
1898,  B.  40,  H.  3—4). 

Der  68.  Band  des  akademischen  Sbornik  (S.Ptbg.  1901)  brachte 
die  von  V.  J.  Cernysov  in  einigen  Dörfern  des  Moskauer  Bezirkes  auf- 
gezeichneten Lieder  und  Erzählungen. 

Noch  kann  man  auf  eine  kleine  Sammlung  der  grossruss.  Hoch- 
zeitslieder und  Klagelieder  aus  dem  Gouv.  Saratov  verweisen,  die  im 
Jahre  1898  von  M.  E.  Sokolov  in  Saratov  gedruckt  wurde.  Einige 
Lieder  sind  phonetisch  wiedergegeben,  der  Dialekt  ist  akavisch. 

Aus  dem  uordgrossrussischen  Dialekte  erschienen  in  denselben 
Publicationen  folgende  Texte. 

In  der  aCiiB.  Cxap.  (1897,  Heftl,  S.  112—123)  Erzählungen,  auf- 
gezeichnet von  Balasoglo  im  Gouv.  Olonec.  —  Im  P.  <I>h.i.  B.  (B.  40, 
1898,  H.  3—4,  S.  3ü— 37) :  Volkslieder,  aufgezeichnet  von  K.  Filatov 
aus  dem  okavischen  Dorf  Novyj  Kurlak  (im  Bezirk  Bobrovsk,  Gouv. 
Voronez)  und  einige  andere,  aufgezeichnet  von  N.  Karinskij  im  Bezirk 
Novgorod  des  Gouv.  Novgorod  (an  dem  Flusslauf  Luga  und  Oredez), 
ib.  S.  116,  121 — 124.  —  In  BTnorpa*.  Oöospime:  1)  Die  unter  dem 
Namen  »Sbiruski«  (soheissen  kurze  vierzeilige  Lieder) ')  bekannten  Lieder 
aus  dem  Bezirk  Cerepovec,  Gouv.  Novgorod,  gesammelt  von  der  Frau 
Kl.  M.  Gardner  (B.  33,  1897,  Nr.  2,  S.  104—113,  phonetisch,  der 
Dialect  spricht  c  für  t);  2)  Die  im  Gouv.  Vologda  in  der  Gemeinde 
Dvinsk  des  Bezirkes  Kadnikov  gesammelten  kleinen  Lieder  von  Pr.  Di- 
laktorskij  (ib.  B.  40—41,  1899,  Nr.  1—2,  S.  339—343);  3)  Drei 
epische  Lieder  (Bylinen)  im  Gouv.  Perm,  aufgezeichnet  von  E.  N.  Kos- 
vincev  (der  Dialekt  verwechselt  c  und  /•  :  4)  Die  grossruss.  Hochzeit 
im  Gouv.  Vologda  von  Mich.  Kuklin,  IV.  —  Im  akademischen  »Sbornik« 

1)  Das  Versmass  dieser  Lieder  ist  vier-  oder  sechsfüsslge  Jamben  oder 
Trochäen.  Anderswo  heissen  diese  kleinen  Lieder:  castuski,  pvibautki,  ta- 
rantnski  u.  ä. 


96  N.  Durnovo, 

sind  erschienen  ausführliche  Beiträge  (Lieder,  Räthsel,  Erzählungen), 
aufgezeichnet  von  V.  G.  Bogoraz  in  Sibirien  (in  dem  Rayon  der  Jakuten), 
theilweise  phonetisch  genau. 

Unter  den  Einzelausgaben  erwähne  ich : 

1)  Die  Bylinen  vom  Weissen  Meere  (EijroMopeKia  ölijehhii),  auf- 
gezeichnet von  A.  Ma,rkov,  Moskau  1901,  XUI4- 1  +  618.  Diese 
umfangreiche  Sammlung  enthält  216  Bylinen  und  einige  andere  Lieder, 
in  sorgfältiger  Redaction,  mit  Bewahrung  aller  Eigenthümlichkeiten  der 
localen  Aussprache.  Unter  den  dialektischen  Eigenthümlichkeiten  ver- 
dient das  fricative  y  statt  des  gewöhnlichen  g  der  grossruss.  Dialekte 
und  die  stark  erweichten  Affricaten  c  und  c  hervorgehoben  zu  werden. 

2)  Die  Neuausgabe  des  Kirsa  Danilov :  CöopHmcB  KHpmir  /l^aHH- 
jiOBa.  Publication  der  Kaiserl.  Oeffentlichen  Bibliothek  unter  der  Re- 
daction P.  N.  Scheffer's.  S.Ptbg.  1901,  8«,  II  +  XL  VI  +  284.  Be- 
kanntlich ist  die  Handschrift  zu  Ende  des  18.  Jahrhunderts  geschrieben. 
Dank  der  Ungeübtheit  des  Schreibers  in  der  russischen  Orthographie 
treten  manche  phonetische  Züge  des  Dialektes  oder  seiner  Vorlage 
recht  deutlich  hervor.  Manches  weist  auf  die  Entstehung  der  Hand- 
schrift in  Sibirien  hin,  folglich  werden  auch  einige  Züge  der  Sprache 
in  dem  localen  sibirischen,  d.  h.  nordgrossrussischen  Dialekte  ihren 
Grund  haben.  Doch  neben  dem  harten  t  in  der  8.  Pers.  sing,  der  Verba, 
neben  den  Formen  tbök,  eeÖH,  neben  eno,  öoraTona  u.  s.w.,  werden  auch 
Charakterzüge  des  a-Dialektes,  die  Genitivformen  Mene,  xeöe,  ceöe 
(Vorrede  S.  XI — XIII)  hervorgehoben,  was  der  Herausgeber  so  deutet: 
»Auch  in  Sibirien  kommen  a-Dialekte  vor  .  .  .  man  darf  nicht  ausser 
Acht  lassen,  dass  bei  Demidov  auch  Schreiber  aus  der  Gegend  von 
Tula,  wo  er  bekanntlich  seine  Fabriken  hatte,  anwesend  sein  konnten 
(S.  XXV  Anm.  2).  In  dieser  Ausgabe  sind  alle  Eigenthümlichkeiten  der 
Handschrift  aufs  sorgfältigste  bewahrt  und  reproducirt. 

Der  lexicalische  Theil  der  russischen  Dialekte  ist  in  der  Abhand- 
lung Sobolevskij's  ganz  bei  Seite  gelassen.  Die  Aufzählung  der  lexi- 
calischen  Hilfsmittel  der  russ.  Sprache  bis  zum  Jahre  1896,  gegeben  von 
P.K.  Simoni  in  Hsb^ctih  1896,  B.I,  ist  nicht  vollständig.  Vollständiger 
ist  das  bei  dem  4.  Heft  des  von  der  russ.  Abtheilung  der  kaiserl.  Akademie 
herausgegebenen  Wörterbuchs  (1896,  Vorrede).  Seit  1896  erschienen 
dialektisch -lexicalische  Beiträge  in  der  ^HBan  CrapHna,  im  PyccKÜl 
<I>Hjio.iorKiecKiH  BicTHHKX,  in  den  Il3BicTifl  und  im  CöopiiHKi,,  ferner 
in  den  Beilagen  zu  einzelnen  Publicationen   des  ethnographischen  Ma- 


Die  grossruss.  Dialektologio  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1807—1901).      97 

terials.  Grosse  Bedeutung  für  den  lexicalischeu  Theil  der  russ.  Dialekte 
wird  dem  von  der  russ.  Abtheilung  der  kaiserl.  Akademie  herausge- 
gebenen Wörterbuch  zukommen.  Nach  dem  Plan  der  gegenwärtigen 
Herausgeber  des  Werkes  soll  es  ein  vergleichendes  Wörterbuch  des 
ganzen  grossrussischen  Dialektes  darstellen,  in  dasselbe  werden  nicht 
nur  die  Wörter  der  Literatursprache,  sondern  auch  alle  in  irgend  einem 
grossrussischen  Dialekte  nachweisbaren  Ausdrficke  aufgenommen,  mit 
Angabe  ihrer  Verbreitung  im  allgemeinen  oder  in  einer  bestimmten 
Bedeutung.  Leider  trägt  das  Wörterbuch  diesen  Charakter  erst  vom 
IL  Band,  d.  h.  vom  Buchstaben  E  an,  während  der  Herausgeber  des 
I.  Bandes  sich  ausschliesslich  auf  den  Wortvorrath  der  Literatur- 
sprache beschränkt  hatte.  Bei  der  Grösse  der  Aufgabe  ist  der  Abschluss 
des  Werkes  in  weite  Ferne  gerückt.  Seit  1897  erscheint  jedes  Jahr  ein 
Heft,  jetzt  ist  man  bei  dem  Buchstaben  3. 

Als  mundartliche  Idiotika  seit  dem  J.  1897  kenne  ich  folgende 
Publicationen:  Das  Wörterbuch  des  Dialektes  von  Olonec  (CjOBapt 
oöjiacTHoro  OjiOHeii,Karo  napigia  bx  ero  ötiTOBOM'L  h  3THorpa*H- 
^lecKOMT.  npHM'feHeHiH,  coöpajn.  na  MtcT'&  11  cocTaeHJix  V.  II.  KyjiHKOB- 
CKiii.  CIIö.  1898).  Dieses  von  der  II.  Abtheilung  der  kais.  Akademie 
der  Wiss.  herausgegebene  Wörterbuch  Kulikovskij's  übertrifft  an 
Umfang  das  bekannte  Wörterbuch  des  Dialektes  von  Archangelsk  von 
Podvysockij.  —  In  dem  3TiiO't>pa*HqecKoe  06o3piHie  vom  Jahre  1899, 
Buch  40 — 41,  Nr.  1  —  2  gab  derselbe  Verfasser  noch  Nachräge  zu  sei- 
nem Werke  (etwa  120  Wörter).  —  In  der  Zeitschrift  »^HBaa  CTapnHa« 
erschienen  mehrere  kleine  Idiotika,  und  zwar  fürs  Südgrossrussische 

1 .  Eine  Zusammenstellung  von  Idiotismen  aus  dem  Rjazaner  Gonv.  von 
Dittel,  ungefähr  900  Wörter  (einige  phonetisch  niedergeschrieben),  in 
K.  Cxap.  VIII,  Heft  2,  1898.  Dieses  Idiotikon  wurde  im  J.  1860  ge- 
sammelt, leider  ist  die  Provenienz  einzelner  Wörter  nicht  genau  ange- 
geben, neben  dem  reinen  südgrossruss  Gebiete  wurden  auch  einzelne 
in  dialektolog.  Beziehung  gemischte  Kreise  des  dialektisch  bunten  Rja- 
zaner Gouvernements   herbeigezogen.     Fürs  Nordgrossrussische: 

2.  Als  Beilage  zur  Abhandlung  Pokrovskij's:  Ueber  die  Volksdialekte 
des  nordwestl.  Theils  des  Gouv.  Kostroma  {'M.  Cxap.  1898^  Jahrg.  VII, 
Heft  3 — 4)  —  etwa  200  Wörter.  3.  Lexikographisches  Material  aus 
den  Novgoroder  Mundarten  von  M.  K.  Gerasimov  (MaxepiajiLi  jibkch- 
Korpa*HTiecKie  no  HoBropoACKHMt  roBopaMi.  M.  K.  TepacHMOBa) ,  etwa 
230  Wörter  und   121  Namen  ans  Cerepovec:   und  von  N.  Kedrov 

Archiv  für  »lavische  Philologie.    XXVII.  7 


98  N.  Durnovo, 

Wörter  ausLadoga  (CjiOBa  ja^oatCKia),  ungefähr  273  Wörter  (yK.  Cxap. 
1878,  Jahrg.  VIII,  Heft  3 — 4).  Beide  Sammler  berücksichtigten  haupt- 
sächlich den  in  der  Literatursprache  ungebräuchlichen  Wortvorrath. 
4.  P.  K.  Simoni  gab  in  H.  Crap.  1898,  Jahrg.  Vm,  Heft  3—4,  zwei 
alte  dialektologische  Wörterbücher  des  XVIII.  Jahrh.  heraus,  Wörter 
aus  der  Gegend  von  Gross-Ustjug  und  Vjatka.  5.  V.  Sevljakov 
gab  eine  Anzahl  von  Wörtern  des  localen  Gebrauches  der  Stadt  Tot'ma 
(Gouv.  Vologda,  gesammelt  im  Jahre  1859,  im  Ganzen  nur  19  Wörter, 
:aC.CTap.  1899,  Jahrg.  IX,  Heft  1).  6.  Als  Beilage  zur  Abhandlung 
über  den  Dialekt  des  Kreises  Cuchloma  des  Gouv.  Kostroma  erschien  ein 
Beitrag  von  etwa  100  Wörtern  von  Th.  Pokrovskij.  7.  A.  Balov 
sammelte  aus  dem  Dialekt  des  Ljubimer  Kreises  (Gouv.  Jaroslavl')  etwas 
über  100  Wörter  in  ^K.  Cxap.  1900,  Jahrg.  X,  Heft  1—2.  8.  A.  Fo- 
min  (A.  9omhhi)  gab  eine  ältere  Sammlung  (vom  Jahre  1787)  heraus: 
Pocnnet  ojiob'b  h  piqsHiä  h31>  ocTaxKOB'B  ApeBHiiro  pocciäcKaro  nsuKa 

BT.  /^BHHCKofi  CTpaH^  COÖpaHHfclX'L  H  HO  HWH'imHeMy  OÖpaSOBanilG  HST.- 

HCHBHHHxx—  nur  36  Wörter  (^K.Cxap.  1900,  Jahrh.  X,  Heft  3).  9.  Als 
Beilage  zur  Abhandlung  D.  Z  elenin 's:  lieber  die  dialekt.  Eigenthüm- 
lichkeiten  der  Bauern  des  südöstl.  Theiles  des  Gouv.  Vjatka  {'JK.  Cxap. 
1901,  Jahrg.  XI,  Heft  l)  erschien  auch  ein  Wörterbuch,  umfassend  ca. 
500  Wörter.  —  In  dem  Warschauer  PyccKiil  ^mtojrorH^iecKin  B'Scthhk'l 
ist  lexikalisches  Material  bei  folgenden  dialektologischen  Abhandlungen 
enthalten:  1)  RSzanov,  Zur  Dialektologie  der  grossrussischen  Mund- 
arten: die  Eigenthümlichkeiten  der  Volkssprache  im  Kreise  Obojan, 
Gouv.  Kursk  (südgrossrussisch,  B.  38,  Jahrg.  1897,  Nr.  3 — 4).  2)  Pro- 
vinzialismen des  Distriktes  Mozdok  des  Kozakengebietes  von  Terek,  ge- 
sammelt von  M.  Karaulov  (B.44,  Jahrg.  1900,  Nr.  3— 4,  S.  86— 114), 
etwa  500  Wörter  (südgrossruss.).  3)  In  der  Abhandlung  Karinskij's: 
Ueber  einige  Dialekteigenthümlichkeiten  im  Flussgebiet  Luga-Oredez, 
Gouv.  Novgorod  (B.  40,  Jahrg.  1898,  Nr.  3—4),  ca.  200  Wörter  und 
darüber.  4)  P.  Sein  gab  zu  dem  Bande  der  Erzählungen  und  Ueber- 
lieferungen  des  Samara-  Gebietes,  gesammelt  und  verzeichnet  von  Sadov- 
nikov,  ein  Wörterbuch  von  mehr  als  400  Wörtern  (B.  41,  Jahrg.  1899, 
Nr.  1 — 2,  S.  47 — 70).  —  In  den  »HsB^cTiii  OTA^jeniH  pyccKaro  HSLiKa 
H  cjOBecHOCTH«  erschion :  1)  Von  S.  K.  Bulic  Material  zum  russischen 
Wörterbuch  (B.  I,  1896,  Heft  2,  S.  294  —  334),  2)  von  Prof.  E.  Th. 
Budde  Wörter,  gesammelt  im  Gouv.  Tula  und  Kaluga  (als  Beilage  zur 
dialektologischen  Abhandlung  desselben  Verfassers,  B.  III,  1898,  H.  3, 


Die  grossruss.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1897—1901).       99 

S.  846  — 898),  ungefähr  690  Wörter,  mit  genauer  Angabe  des  Ortes  und 
der  ganzen  Phrase. 

Viel  lexikalisches  Material  enthält  der  68.  Band  des  akademischen 
CßopmiKt,  StPtbg.  1901.  Man  findet  hier  zwei  südgrossrussische  Wör- 
terbticher,  und  zwar  1)  in  der  Abhandlung  V.  Th.  Solovjov's:  Oco- 
öeHHOCTH  roBopa  AOHCKHXt  KaaaKOB'B  (als  Nr.  2),  451  Wörter,  und  2)  in 
der  Abhandlung  A.  I.  Sacharov's  :  Hsmk^  kpbctbhh'b  II.!Ilhhckoh  bo- 
jiocTH  EcixoBCKaro  yis^a,  Op.iioBCKOH  ryöepHin  (als  Nr.  5),  ca.  1000 
Wörter.  Ferner  3)  Wörter,  gesammelt  von  V.  I.  Öernysov  im  Kreise 
von  Moskau  ,;als  Nr.  3),  ca.  1000  Wörter  (der  Dialekt  stellt  den  ge- 
mischten Typus,  abweichend  von  dem  reinen  südgrossrussischen,  dar), 
endlich  4)  ein  nordgrossrussisches  Wörterbuch,  gesammelt  von  V.  G. 
Bogoraz  in  Kolym:  OÖJiacTHoä  cüOBapt  KojitmcKaro  pyecKaro  Hapi&- 
^ia  (als  Nr.  4)  mit  mehr  als  2000  Wörtern. 

Der  Ausgabe  A.  Marko v's  » Bi.ioMopcKia  ötMHHLi«  ist  ein  Wörter- 
buch der  Idiotismen  und  Archaismen  aus  den  vorliegenden  Bylinen  bei- 
gefügt. Ebenso  ist  der  Neuausgabe  des  Kirsa  Danilov  ein  Wörterbuch 
der  darin  vorkommenden  Idiotismen  (ca.  460  Wörter)  beigelegt.  Auch 
jedem  Bande  von  A.  I.  Sobolevskij,  BejiHKopyceKifl  Hapo;iHtiK  h'^chh 
Bd.I — VI, StPtbg.  1895 — 1900)  folgen  Indices  der  Idiotismen  u.a. nach. 

Ein  Mangel  vieler  der  genannten  Wörterbücher  ist,  dass  sie  meist  nur 
Wörter  bieten,  die  bei  V.  I.  Dal'  (To.ikobhh  cjroBapL  acHBoro  BeiHKopycc. 
asLiKa)  nicht  verzeichnet  sind  oder  die  dem  Sammler  auffallend  vor- 
kamen. Zweck  solcher  Wörterbücher  ist  nicht,  den  Interessen  der 
Dialektologie  zu  dienen,  sondern  den  schon  gesammelten  Wortvorrath 
zu  vervollständigen ,  weshalb  es  auch  auf  Grund  derselben  schwer  ist, 
über  den  lexicalischen  Bestand  irgend  einer  Mundart  oder  über  die  Ver- 
breitung der  gewöhnlichsten  Wörter,  wie  z.B.  nsöa  und  xaTa,  aomx  und 
;tBopi,  U.S.W,  zu  urtheilen. 

Ich  gehe  nun  zu  den  der  Beschreibung  einzelner  Mundarten  ge- 
widmeten Forschungen  über.  Da  ich  bei  meiner  Uebersicht  Sobolev- 
skij's  OntiTt  pyccKOH  Aia-ieKXOjioriH  zum  Ausgangspunkte  nehme,  so 
will  ich  ihn  vorerst  charakterisiren.  Hier  ist  auf  lOS  SS.  in  8"  nach 
Möglichkeit  alles  gesammelt,  was  von  den  gross-  und  Weissrussischen 
Dialekten  in  der  russ.  wissenschaftlichen  Literatur  bis  1897  bekannt 
war.  Gruppirt  wird  das  Material  folgendermassen :  I.  Grossruss.  Dialekt 
mit  A.  dem  Stidgrossruss.  oder  Akavischen  und  B.  dem  Nordgrossruss. 
oder  Okavischen,  wobei  noch  beim  letzteren  die  Untermundarten  1.  das 

7* 


100  N.  Durnovo, 

Nicht-Cokavische  und  2.  das  Cokavische  unterschieden  werden;  II.  Das 
Weissrussische  mit  seinen  1.  eokavischen  und  2.  nicht-eokavischen 
Mundarten.  Die  Vorführung  des  Materials  bei  einer  jeden  Gruppe  ge- 
schiebt nach  den  Gouvernements  und  den  Bezirken.  Das  Ziel  des  Buches 
war  nach  den  Worten  des  Verfassers,  »die  hauptsächlichsten  Eigenheiten 
der  russischen  Mundarten  in  Lauten  und  Formen  auf  Grund  von  fast 
ausschliesslich  gedrucktem  Material  zu  zeigen«  (S.  3),  daher  auch  nur 
das  meist  Charakteristische  und  das  Auflassen  alles  Uebrigen  in  seinem 
Buche.  Accent  und  Lexicon  der  einzelnen  Mundarten  werden  nicht  be- 
rücksichtigt. Phonetische  Feinheiten,  die  sich  durch  das  gewöhnliche 
Alphabet  schwer  wiedergeben  Hessen,  werden  ausser  Acht  gelassen. 
Nach  Möglichkeit  werden  folgende  Züge  in  jedem  Dialekte  festgestellt: 
der  Grad  des  a-  oder  o-Sprechens;  die  Diphthongirung;  'e  für  '«;  u  für  v 
[v  und  10  werden  nicht  unterschieden)  und  f.  7;  //  (d.  i.  y]  und  g;  das 
ÄSBKaHLe.  iioKaHbe  und  ii,0KaHLe  (das  dz-^  c-  und  c-sprechen);yfür  chv 
und  umgekehrt;  A'  f.  k  und  /für  Jc\  die  Aussprache  der  Zischlaute;  die 
Intonation  der  Rede;  beiden  Formen:  die  Vermischung  der  Declinationen 
und  Casus;  die  Endung  des  gen. sing,  der  Adjectiva  und  Pronomina;  die 
Formen  der  persönlichen  Fürwörter;  die  Endung  der  3.  Person  bei  den 
Verben;  die  zusammengezogenen  Formen  der  Adjectiva  und  Verba;  die 
Endungen  der  Verbareflexiva;  von  den  syntaktischen  Eigenthümlichkeiten 
nur  der  Gebrauch  des  Artikels  und  die  Vermischung  der  Genera.  Hie  und 
da  werden  auch  einige  andere  Züge  angemerkt,  wenn  sie  die  Quellen 
boten  uud  sie  für  die  Mundart  charakteristisch  sind.  In  dieser  Weise 
ist  Sobolevskij's  Buch  für  die  Wissenschaft  sehr  nützlich:  es  zeigt,  was 
für  diese  oder  jene  Mundart  bereits  gethan  worden  ist,  und  es  gibt  so- 
zusagen eine  dialektologische  Karte  von  Gross-  und  Weissrussland,  in- 
dem es  zwar  kein  vollständiges,  jedoch  immerhin  annäherndes  Bild  von 
der  Verbreitung  der  wichtigsten  dialektologischen  Merkmale  bietet.  Das 
Buch  ist  demnach  auch  ein  Wegweiser,  was  zu  thun  noch  aussteht.  So 
sehen  wir  z.  B.  daraus,  dass  im  Jahre  1S97  das  Südgrossrussische  viel 
weniger  erforscht  war,  als  das  Nordgross-  und  Weissrussische :  ausser 
den  Abschnitten  über  die  Mundarten  der  Gouv.  Rjazan  und  Kursk  ist 
alles  Uebrige  über  die  südgrossruss.  Dialekte  im  OnLixi.  fragmentarisch 
und  lückenhaft. 

Der  Behandlung  der  einzelnen  Mundarten  eines  jeden  Haupt-  und 
Nebendialektes  geht  eine  allgemeine  Ciiarakteristik  der  letztern  voran. 
So   steht  anfangs  die  Charakteristik  der  Moskauer  Literatursprache, 


Die  grossruBS.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1897 — 1901).     IQl 

welche  »massig  akavisch«  genannt  wird;  dann  folgt  die  Charakteristik 
der  südgrossruss.  »stark  akavischen«  Mundarten;  ebenso  wird  das 
Nordgrossrussische  im  Vergleiche  zum  Moskauischen  und  Südgross- 
russischen, schliesslich  das  Weissrussische  charakterisirt.  Dies  Letztere 
ist  nach  Sobolevskij  »nichts  anderes  als  ein  dritter,  westlicher  oder 
akavisch- dzekavischer  Nebendialekt  des  Grossrussischen,  und  zwar 
am  nächsten  den  südgrossruss.  stark  akavischen  Mundarten«.  Als  ein 
Verdienst  muss  man  dem  Verfasser  anrechnen,  dass  er  die  Moskauer 
Sprache  getrennt  von  den  übrigen  südgrossruss.  Mundarten  behandelt, 
mögen  auch  spätere  Forschungen  über  die  Mundarten  des  Moskauer 
Gouvernements,  wie  mir  scheint,  klar  gelegt  haben,  dass  das  Charakte- 
risiren  der  südgrossruss.  Mundarten  als  »stark  akavisch«  zum  Unter- 
schiede vom  Moskauischen  nicht  ganz  genau  ist.  Im  nördlichen  Theile 
des  Moskauer  Gouvera.  kennen  wir  Mundarten,  die  mit  ihren  lautlichen, 
formalen  und  lexicalen  Eigenthümlichkeiten  der  Moskauer  Literatur- 
sprache sehr  nahe  stehen,  dabei  jedoch  nicht  massig,  vielmehr  stark 
akavisch  sind.  Der  Art  sind  die  Mundarten,  die  von  mir  theils  be- 
schrieben, theils  erwähnt  werden  im  » Onncaiiie  rosopa  AepenHH  IIap*e- 
HOKT.  PyscKaro  yis^a«,  ebenso  auch  die  Mundarten,  die  V.  J.  Cernysov 
in  »Cßi^iiHiii  0  HapoÄnLixi>  roBopaxi>  iiiKOToptixt  cejreHiä  MocKOBCKaro 
yi3;i;a«  vorführt.  Anderseits  gibt  es  südgrossruss.  Mundarten  mit  dem 
A-sprechen  Moskaus,  obwohl  sie  sich  sonst  vom  Moskauischen  eben 
durch  ihre  südgrossruss.  Züge  unterscheiden,  wie  z.  B.  y  für  das  Mos- 
kauer g,  f  in  der  Endung  der  dritten  Person  der  Verba  für  Moskauer  t 
(hart),  gen.-acc.  mene,  telJe  f.  Mosk.  ihenä^  t'ehä:  schliesslich  ist  auch 
ihr  Lexicon  der  des  Südens  (cKopo^HTt,  ^eKa,  xaxa  u.  s.  w.).  Solche 
Mundarten  werden  »MimaHCKie«  genannt.  Jedoch  wenn  man  auch  das 
massige  A-sprechen  der  sog.  Bürgermundarten  durch  den  Einfluss  der 
Literatursprache  erklärt,  so  trifft  die  Charakteristik  jener  Mundarten 
als  stark  akavisch  er  nicht  zu,  wo  neben  cadü^  Üarü,  vad'i,  niisi  u.  s.  w. 
vydä,  bidä,  nisei^  vilat'  vorkommt.  Uebrigens  werden  Mundarten 
dieses  Typus  in  der  allgemeinen  Charakteristik  der  südgrossruss.  stark- 
akavischen  Mundarten  in  Sobolevskij's  OnLiTt  gar  nicht  berücksichtigt, 
obwohl  sie  dem  Verfasser  bekannt  waren.  So  werden  allen  südgrossruss. 
einige  für  den  südgrossruss.  Dialekt  nicht  besonders  charakteristische 
Züge  zugeschrieben,  z.  B.  die  harte  Aussprache  der  Endlabiale  und  der 
Doppelzischlante  in,  [ss]  und  zz  (ich  kenne  südgrossruss.  Mundarten  mit 
weicher  Aussprache  aller  Zischlaute;  anderseits  ist  hartes  ss,  zz,  auch 


102  N.  Durnovo, 

den  nördlichen  Mundarten  gut  bekannt),  weiches  h  nach  weichen  Con- 
sonanten  (was  sporadisch  sowohl  in  südlichen  als  auch  in  nördlichen 
Mundarten  vorkommt),  nichtorganisches  j  vor  u  (es  taucht  in  südl.  und 
in  nördl.  Mundarten  beim  Singen  auf,  doch  nirgends  beständig;  ob  es 
auch  in  der  Umgangssprache  erscheint,  dafür  gibt  es  kein  glaubwürdiges 
Zeugniss).  Nicht  ganz  genau  ist  auch,  dass  »r  vor  Vocalen  oft  oder 
sogar  regelmässig  als  li  ausgesprochen  wird«.  Richtig  ist  nur  das 
letztere:  jene  Mundarten,  wo  mau  g  hört,  sind  gemischte.  Zu  den  von 
Sobolevskij  aufgezählten  Eigenthümlichkeiten  des  südgrossruss.  Dia- 
lektes könnte  man  noch  hinzufügen :  ein  häufigeres  (als  im  Nordgross- 
russischen) Mischen  der  Conjugationen  mit  dem  Präsensthema  auf  -e 
und  -i,  wenn  die  Endungen  unbetont  bleiben  (z.  B.  liiha^  luhüt') ;  accus, 
sing.  fem.  der  Adjectiva  auf  ~aju  (ohne  Betonung)  oder  -üj'a  u.  a. ;  im 
Lexicon :  cKop6;i;HTB,  ^e^Ka,  Kopen;'i),  xaxa,  poraqt  u.  a.  statt  nordgross- 
russ.  öopoHOBaTfc,  KBamiia,  KOBmt,  nsöa,  yxBaTt  u.  a.  ^). 

Ich  verweilte  bei  diesem  Theile  von  Sobolevskij 's  Oiilit'b  deshalb 
etwas  mehr,  weil  der  Charakter  des  Nordgrossruss.  uud  Weissruss.  im 
Jahre  1897  besser  festgesetzt  werden  konnte,  als  der  Charakter  des 
Südgrossruss. ;  aber  auch  deshalb ,  weil  das  dialektologische  Material, 
das  seit  1897  veröffentlicht  wurde,  am  meisten  unsere  Kenntnisse  über 
das  Südgrossrussische  bereichert  hat.  Dazu  gehören  die  Arbeiten  von 
A.  A.  Sachmatov,  E.  Th.  Budde,  V.  J.  Cernysev,  K.  Filatov,  Rezanov, 
Karaulov,  Kalmykov,  A.  A.  Nikol'skij,  V.  N.  Dobrovol'skij. 

Eine  besonders  gute  Berücksichtigung  fanden  in  letzterer  Zeit  die 
Mundarten  des  Gouv.  Kaluga  und  des  benachbarten  Theiles  des  Gouv. 
Smolensk.  Der  unermüdliche  Ethnograph  V.  N.  Dobrovol'skij  sammelte 
hier  ein  überaus  grosses  Material  von  Liedern,  Märchen,  Legenden,  Er- 
zählungen aus  dem  Bauerleben  u.  a.  Der  Sammler  bemühte  sich,  die 
locale  Aussprache  wiederzugeben ,  ohne  dabei  zu  einer  complicirteren 
Transscription  der  Laute  Zuflucht  zu  nehmen.  Die  Aufzeichnungen  aus 
dem  Gouv.  Smolensk  sind  in  der  umfangreichen  Ausgabe  »CMOjreHCKiii 
BTHorpa^HgecKiä  cöophrnct«,  theilweise  auch  in  der  yRnBan  CTapnHa 
abgedruckt,  wo  auch  das  Material  aus  dem  Gouv.  Kaluga  zur  Veröffent- 
lichung gelangte.  Das  werthvolle  dialektologische  Material  in  den  Aus- 
gaben V.  N.  Dobrovol'skij 's  lenkte,  abgesehen  von  Sobolevskij's  Ontixt, 


1)  Anzeigen  von  Sobolevskij's  Onbiii.  pyccKofi  ÄiajreKiojioriH  s.  von  Sach- 
matov !i.  Karskij  in  den  HsBicTia  1897,  II,  S.  1157 — 64. 


Die  groBsruss.  Dialektologie  iu  den  letzten  fünf  Jahren  (1897 — 1901).     103 

die  Aufmerksamkeit  noch  anderer  Gelehrten  auf  sich.  So  legte  Akad. 
Sachmatov  die  Aufzeichnungen  aus  El'na  im  Gouv.  Smolensk  einer 
phonetischen  Studie  zu  Grunde  (die  erste  Hälfte  von  »SByKOBtifl  oeo- 

ÖeHlIOCTH    EjIbHHHCKHXI.    H    MoCaJtBCKHXl.    rOBOpOBt    im   PyCC.    $HJI0.1. 

BicTHHK'B  1896,  Nr.  3 — 4.  S.  66 — 99).  Er  unterzog  die  genannten 
Aufzeichnungen  derselben  kritischen  Analyse,  wie  eine  alte  Handschrift, 
d.  i.  trachtete  zuvörderst  zu  bestimmen,  worin  sich  der  Einfluss  der  üb- 
lichen Orthographie  und  die  Unkenntniss,  diesen  oder  jenen  Laut  wieder- 
zugeben, zeigt.  Die  Eigenthümlichkeiten  der  Mundart  des  Bezirkes  von 
El'na  gestatten  nach  der  Ansicht  Sachmatov's  nicht,  sie  der  weissr.  dia- 
lektolog.  Gruppe  zuzuzählen ;  nach  den  lautlichen  Zügen  gehört  diese 
Mundart  zusammen  mit  den  benachbarten  Mundarten  des  Gouv.  Kaluga 
zum  Südgrossrussischen.  Im  zweiten  Theile  der  Abhandlung  (Pyc.  $Hjr. 
BicT.  1897,  Nr.  3 — 4)  stellt  Sachmatov  die  Lautlehre  der  Mundarten 
des  Kreises  Mosal'sk  im  Gouv.  Kaluga  dar  (er  grenzt  an  den  von  El'na 
an)  und  zwar  auf  Grund  eigener  Beobachtungen.  Da  er  die  Geschichte 
der  einzelnen  lautlichen  Erscheinungen  vorführt,  so  konnte  nur  ein  ge- 
ringer Theil  der  Lautlehre  der  Mundarten  von  Mosalsk  zu  Worte 
kommen:  über  unbetontes  und  betontes  a,  o,  e;  über  «/,  e,  «",  die  o,  e 
anderer  Mundarten  entsprechen;  über  die  reducirten  und  nicht  redu- 
cirten  y,  ^<,  i.  Die  Mundarten  von  Mosal'sk  und  El'na  gehören  danach 
zu  den  südgrossruss. ,  wobei  einige  ihrer  Züge  auch  an  die  weissruss. 
erinnern. 

Prof.  Budde  konnte  im  Jahre  1897  auf  seiner  Reise  im  Gouv.  Tula 
zufälligerweise  auch  von  ein  Paar  Frauen  die  Mundart  des  Kreises 

V 

Zizdra  im  Gouv.  Kaluga  kennen  lernen  (cf.  0  n^feKOToptixt  napo^Htixt 
roBopaxt  Wh  TyjiLCKoil  ii  KajiyaccKOH  ryöepHiaxi)  in  den  HsBicxia 
OTA.  pyc.  33.  H  CJIOB.  HAH.  1S98,  Heft  3,  S.  842—845).  Die  Mund- 
arten desselben  Kreises  behandelt  M.  Karaulov  (FoBop  na^iix  /Kns/ipHH- 
CKaro  yi&3;i;a  Ka.ziyjKCKon  ryö.  im  Pycc.  <S>hji.  B'i&CT.  1900,  Nr.  1 — 2, 
S.  218 — 230).  Die  Quelle  für  ihn  bildeten  ausschliesslich  die  Aufzeich- 
nungen V.  N.  Dobrovol'skij's.  Schliesslich  ist  die  umfassende  Arbeit 
A.  Nikol'skij's  (Hapo;i,Hfcie  roBopti  yRasApHncKaro  yis^a  KajryatcKoä 
ryö.  im  Pycc.  $11.10.1.  BicT.  1901,  Nr.  1—2,  S.  269—277  und  Nr.  3 
bis  4,  S.  235 — 249;  Fortsetzung  folgt)  zu  nennen.  Zu  Grunde  liegen 
eigene  Beobachtungen  (es  werden  über  30  Dörfer  aufgezählt),  aber  auch 
das  Material  Dobrovol'skij's  und  Budde's.  Bisher  erschien  erst  die 
Vocallehre.  Das  Material  ist  reichha:ltig.  Die  Darstellung  systematisch. 


104  N.  Durnovo, 

nicht  selten  werden  wissenschaftliche  Erklärungen  verschiedener  mund- 
artlicher Erscheinungen  gegeben  und  Vergleiche  mit  andern  Mundarten 
angestellt. 

Die  Arbeiten  M.  Karaulov's  und  besonders  A.  Nikol'skij's  sind  sehr 
wichtig,  einerseits  weil  man  bisher  über  die  Mundarten  des  Kreises  von 
Zizdra  fast  nichts  gekannt  hatte,  anderseits  weil  sich  diese  Mundarten, 
wie  überhaupt  das  ganze  Volksleben  dortselbst,  durch  grosse  Alter- 
thümlichkeit  auszeichnen,  dabei  aber  auch  viele  eigenthümliche  Züge 
aufweisen,  die  vielleicht  durch  die  Nachbarschaft  der  nördlichen  Klein- 
russen und  der  Weissrussen  hervorgerufen  worden  sind.  Unter  diesen 
letzteren  Zügen  ist  besonders  charakteristisch  der  Mangel  der  voll- 
ständigen Erweichung  der  Consonanten  vor  e  (nach  der  Ansicht  Budde's 
und  A.  Nikol'skij's  ein  kleinrussischer  Zug).  Die  gleiche  Aussprache 
bemerkte  Budde  auch  im  Gouv.  Tula,  ich  selbst  kenne  es  aus  dem 
Kaluger  Kreise  im  Gouv.  Kaluga  und  aus  dem  Kreise  Skopin  im  Gouv. 
Rjazan.  Das  Akanje  der  Mundarten  von  Zizdra  gleicht  dem  von  Kal- 
mykov  für  das  Don'sche  Gebiet  (/l,0HCKaÄ  oöJiacTt;  s.  unten)  und  dem 
im  3THorpa*HqecKiH  CöopHHK'L  Bd.  V  für  den  Kreis  von  Obojan  im 
Gouv.  Kursk  beschriebenen. 

üeber  die  Mundart  der  Stadt  Mescovsk  im  Gouv.  Kaluga  veröffent- 
lichte ausführliche  Angaben  V.  J.  Cernysov  in  zwei  Aufsätzen  (CBiAinifl 
0  Meni,0BCK0MT,  roBopi,  IIsBicTia  II  ota.  1898,  kh.  3  und  ^ono.iHeHia 
Kl.  CBiA^HiHMi,  0  roBopi  V.  MemoBCKa,  CdopHnKT,  II  OTA.  Bd.  68,  Nr.  6, 
36  S.  CII6.  1900).  Nach  ihren  lautlichen  Eigenthümlichkeiten  stimmt 
die  Mundart  von  Mescovsk  mit  den  übrigen  Mundarten  des  Gouv.  Kaluga 
überein,  die  nicht  dem  Typus  von  Mosal'sk  oder  Zizdra  angehören. 
Durch  die  Aussprache  des  u  anstatt  v  oder  lo  nähert  sich  die  Mundart 
von  Mescovsk  einer  ganzen  Reihe  südgrossrussischer  Dialekte  (wie  die 
Mundarten  des  Orlover,  eines  Theiles  des  Tuler  und  Rjazaner,  Voro- 
nezer  u.  a.  Gouvv.).  Zu  bemerken  ist  auch  eine  ziemlich  geschlossene 
Aussprache  des  a  vor  dem  Tone  und  die  Laute  y  und  e  vor  i  in  einigen 
Declinationsformen  der  Adjectiva  und  Pronomina,  was,  wie  es  scheint, 
fast  dem  ganzen  Gouv.  Kaluga  zukommt. 

Ueber  die  Mundarten  des  Tuler  und  theilweise  Kaluger  Gouv. 
(der  Kreis  von  Lichvin)  brachte  neue  und  werthvoUe  Nachrichten  die 
schon  erwähnte  Reise  Prof.  Budde's.  Darüber  handeln  zwei  Aufsätze 
in  den  IIsBicTia  II  ot^.  (0  H'iKOTopBixT&  HapoAHBixT&  roBopax'B  bt.  Ty.ib- 
CKOH  H  KajryatcKOH  ryöepmax^B,  Hsb.  1898,  kh.  3,  S.  823 — 904  und 


Die  grossruss.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1897—1901).     1  05 

0  HapoÄHMxt  roBopax'L  bt.  TyjiLCKoii  ryÖepiuH.  ib.  kh.  4,  S.  1273 — 
1330).  Prof.  Budde  bietet  keine  ausführliche  Beschreibung  der  Mund- 
arten, die  er  kennen  gelernt  hatte,  weil  er  dazu  zu  wenig  Material  be- 
sass,  doch  er  gibt  ihre  charakteristischen  Züge  an  und  stellt  auf  Grund 
dessen  drei  Hauptgruppen  der  Tuler  Mundarten  auf:  1)  die  Mundarten 
des  Typus  von  Zizdra  (s.  oben);  2)  die  Mundarten  des  üblichen  süd- 
grossruss.  Typus  mit  starkem  Akavismus  und  3)  die  Mundarten  des 
Moskauer  Typus  mit  massigem  Akavismus  und  anderen  Moskauischen 
Zügen.  Seine  Thesen  illustrirt  Budde  am  Material:  Liedern  und  Bruch- 
stücken von  Gesprächen.  Diese  Aufzeichnungen  sind  streng  phonetisch 
durchgeführt,  obwohl  hie  und  da  darin  auch  Fehler  und  Ungenauig- 
keiten  vorkommen,  die  bei  der  Eile,  mit  der  die  Aufzeichnungen  ge- 
macht wurden,  begreiflich  sind. 

Sehr  ins  Detail  geht  die  Arbeit  eines  jungen  Warschauer  Gelehrten 
Kosmas  Filatov  (OiepKX  Hapo^Htixi.  roBopost  BopoHeatcKoii  ryöepHiH, 
Pyce.  $HJioj.  BicTHHKi>  189  7  und  1898).  Gleich  Budde  erforscht  hier 
der  Autor  die  Mundarten  eines  ganzen  Gouv.,  mit  denen  er  sich  im  Jahre 
1896während  einer  Bereisung  des  Gouv.bekannt  gemacht  hatte.  Ausser- 
dem nahm  er  alles  bis  dahin  gedruckte  dialektologische  Material  aus 
dem  Gouv.  Voronez  durch.  Die  Grundlage  der  Untersuchung  bilden 
K.  Filatov's  eigene  Beobachtungen.  Danach  stossen  im  Voronezer  Gouv. 
Mundarten  verschiedener  russischer  Dialekte  zusammen:  den  grösseren 
Theil  des  Gouv.  nehmen  die  südgrossruss.  Mundarten,  sodann  nord- 
grossruss.  und  kleinruss.  ein.  Die  südgrossruss.  theilt  er  in  3  Gruppen: 
1)  die  stark  akaisirende  Mundart  der  Bauern,  2)  die  massig  akaisirende 
der  Kleinbürger  und  3)  die  cokavische.  Indem  er  nun  die  übrigen  Mund- 
arten in  allgemeinen  Zügen  charakterisirt,  beschreibt  er  sehr  ausführ- 
lich die  stark  akaisirende  Bauernmundart  ^). 

lieber  die  übrigen  südgrossruss.  Mundarten  haben  wir  seit  1897 
keine  so  ausreichenden  Nachrichten.  Ueber  eine  Mundart  des  Orlover 
Gouv.  spricht  A.  J.  Sacharov  (HsbikI)  KpecxtflH'B  IIjilhhckoh  bo.iocth 
BojxoBCKaro  yia^a  OpjiOBCKoil  ryöepHin,  CII6.  1900,  48  S.  im  Cöop- 
iiHKt  OTA.  Bd.  68,  Nr.  5).  Den  grösseren  Theil  der  Abhandlung  nimmt 
ein  ziemlich  umfangreiches  Lexicon  ein ;  was  die  eigentliche  Beschrei- 
bung anbelangt,  so  ist  sie  sehr  unvollständig  und  gibt  keine  klare  Vor- 

*)  Eine  Anzeige  über  Filatov's  Untersuchung  a.  von  A.  Sobolevskij  im 
3THorp.  06o3p.  1898,  Nr.  4.  A.  Sachmatov  nennt  sie  »npenpacHoe  iiscjiiÄOBaHie 
(Oxiert  0  npiicyacft.  JIomohoc.  npeiaiH  b  1899  r.). 


106  N.  Durnovo. 

Stellung  von  dem  Charakter  der  Mundart.  Es  wird  nicht  einmal  gesagt, 
ob  dies  eine  akaisirende  Mundart  ist  und  was  für  einem  Typus  sie  an- 
gehört, wie  die  Formen  für  die  dritte  Person  praes.  und  g  {y  oder  g)  aus- 
gesprochen wird.  Betreffs  des  Akavismus  könnte  man  noch  vermuthen, 
nach  den  Wörtern  mit  A,  obwohl  die  Bezeichnung  bei  Sacharov  im  all- 
gemeinen unphonetisch  ist,  ausserdem  nach  Beispielen  wie  pamoTKa, 
pmuexo;  die  übrigen  Eigenthümlichkeiten  lassen  sich  einigermassen 
voraussetzen  1)  auf  Grund  der  geographischen  Lage  der  Mundart,  2)  des 
Akavismus,  3)  der  bei  Sacharov  angemerkten  Aussprache  des  u  anstatt 
V  und  umgekehrt,  der  Prothese  des  w  vor  u  und  o,  4)  einzelner  Wörter, 
wie  KymHHx,  poMHtiH,  0TKLi;i0Ba,  TbBiTi..  Man  kann  dafürhalten,  dass 
die  Mundart  mit  anderen  im  Gouv.  Orel  übereinstimmt,  was  auch  aus 
dem  Lexicon  ersichtlich  ist. 

Eine  sehr  gute  Beschreibung  einer  Mundart  des  Gouv,  Kursk 
lieferte  V.  Rezanov  (Kt  ^iajieKTOjioriH  BeJHKopyce.  napi^ä.  OcoöeHHOcxH 
a^HBoro  Hapo;i;Haro  roBopa  OöoaHCKaro  y.  KypcKoä  ryö.,  Pyce.  $h.io.i. 
BicTHHKi,  1897,  Nr.  3—4). 

Weiter  ist  da  zu  erwähnen  ein  kleiner  Beitrag  des  Verfassers 
(SaMixKa  0  roBopi  UlanKaro  y.  TaMÖoBCKoä  ryö. ,  IIsBicxia  11  ot;i,. 
1900,  KH.  3,  S.  921  —  955).  Obwohl  die  behandelte  Mundart  eine 
Mischmundart  ist  (nördl.  Züge  sind  die  sog.  lispelnde  Aussprache  der 
Sibilanten  und  Zischlaute,  g  anstatt  des  südgrossruss. ;'  u.s.  w.),  dennoch 
überwiegen  die  südgrossruss.  Züge  (darunter  auch  im  Lexicon).  Im 
OntiTt  Sobolevskij's  waren  die  Angaben  über  die  Mundarten  des  Gouv. 
Tambov  äusserst  dürftig.  Das  vom  Autor  aufgezeichnete  Material  be- 
stätigte die  Vermuthungen  B.  Ljapunov's  ^s.  ^HBaa  CxapHHa  1S94). 

lieber  die  Mundarten  des  Don'schen  Gebietes  bietet  der  Ontixt 
einige  Angaben  hauptsächlich  in  den  Zusätzen.  Nach  dem  Jahre  1897 
handelten  über  diese  Mundarten  zwei  Aufsätze:  1)  M.  Kalmykov, 
/[^OHCKaa  oöitacxb,  nepBLiii  ^ohckoh  OKpyrx.,  lopx'i.  KoqexoBCKoä  Cxa- 
HHi^ti  (IIsBicxia  II  ox;i;.  1898,  kh.  3,  npuJioa:.  S.  109  — 129)  und 
2)  V.  Th.  Solovjov,  OcoöeHHOCXH  roBopa  aohckhx'l  KaaaKOB^,  CII6. 
1900,  521  S.,  CöopHHKX  II  orji.  Bd.  68,  Nr.  2).  Die  von  M.  Kalmykov 
beschriebene  Mundart  stimmt  sehr  überein,  wenn  sie  nicht  identisch  ist 
mit  der  südgrossruss.  Mundart  der  TynAopoBCKaa  cxaHHii,a,  worüber  bei 
Sobolevskij  im  Ontixt  S.  102  gesprochen  wird.  Danach  würde  sie  zu 
dem  am  meisten  verbreiteten  Typus  südgrossruss.  Mundarten  gehören. 
Jedoch  der  fein  beobachtende  M.  Kalmykov  merkt  noch  einige  weitere 


Die  grossruss.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1897 — 1901).    107 

Züge  an,  die  im  Ohlitx  1.  c.  nicht  erwähnt  werden.  So  wird  unbetontes 
'rt  vor  dem  Tone  nur  vor  der  Silbe  mit  betontem  u  oder  /  (und  y?)  ge- 
hört, hingegen  hört  man  vor  der  Silbe  mit  den  übrigen  betonten  Vocalen 
nach  einem  weichen  unsonantischen  Laute  nur  /.  Ein  solcher  Akavis- 
muä  erinnert  an  den  von  Zizdra  und  Obojan  (s.  oben).  Ausser  dem 
Akavismus  findet  man  y  und  e  aus  altem  y  vor  {  u.  a. 

Die  Beschreibung  V.Th.Solovjov's  ist  bei  weitem  nicht  so  ausführ- 
lich und  genau,  dafür  umfasst  sie  aber  den  ganzen  Don'schen  Kreis 
(oKpyri,),  wobei  der  Verfasser  3  Hauptmundarten  unterscheidet:  1)  eine 
obere  (BepxoBtiä  ronopTb),  2)  niedere  (hhsoblih)  und  3)  cerkassische 
(yepKaccKiS). 

Die  Eigenthümlichkeiten  der  oberen  Mundart  sind:  ein  starker 
Akavismus,  ein  hartes  ss,  die  Erweichung  des  k  nach  weichem  un- 
sonantischem  Laute  [tnalacK-ä  u.  s.  w.  ,  das  Gerundium  auf  -msi  u.  a. ; 
die  Eigenthümlichkeiten  der  niederen  Mundart  sind  ausser  dem  Akavis- 
mus: u  anstatt  r,  und  umgekehrt,  Formen  der  ersten  Person  praes. 
chadii,  nam,  pram  u.s. w.  und  einige  Kleinrussismen;  die  cerkassische 
Mundart  stimmt  mit  der  vorhergehenden  niederen  überein,  zeichnet  sich 
aber  durch  die  Aussprache  der  Sibilanten  anstatt  der  Zischlaute  aus. 

Das  Ter'sche  Gebiet  am  Kaukasus  ist  die  südlichste  Gegend,  die 
vom  südgrossruss.  Stamme  besiedelt  ist.  Mit  einer  Mundart  dieses  Ge- 
bietes beschäftigt  sich  M.  Karaulov  (s.  oben:  roBopi.  cTaHHii;'i>  ötiBmaro 
Mo3;i;oKCKaro  nojKa  TepcKaro  KasaibHro  BOHCKa,  Pyec.  ^hjoji.  BicximKi. 
1900,  Nr.  3—4,  S.  66—115;  S.  86—115  bieten  das  Lexicon).  Der 
Aufsatz  ist  schon  deshalb  interessant,  weil  aus  dieser  Gegend  im  OnLiTi. 
fast  nichts  verzeichnet  ist.  Nach  ihren  Eigenthümlichkeiten  gehört 
die  von  Karaulov  beschriebene  Mundart  zu  dem  am  weitesten  ver- 
breiteten Typus  südgrossruss.  Mundarten  (sie  gleicht  der  zweiten  Gruppe 
der  Tuler  Mundarten). 

Die  nördlichsten  Mundarten  des  südgrossruss.  Dialektes  sind  die 
südgrossruss,  Mundarten  des  Gouv.  Pskov.  Auf  sie  beziehen  sich  in  den 
MaxepiaJLi  A-^a  Hsy^ema  seJiHKopycc.  ronopoBt ,  in  den  IIsBicxia 
U  ot;i,.  :  1)  E.  A.  Artenijev,  FoBopi.  ^epeBHH  Ey^aeBO  IIcKOBCKon  ryö. 
OcxpoBCKaro  y.  Cohhhckoh  bojiocxh  (HsBiexiÄ  1898,  kh.  1,  Nr.  33, 
S.  1 — 6);  2)  J.  Zamotin,  FoBopt  cejia  AjxyH'B  IIckobckoS  ryö.  Hobo- 
paieBCKaro  y.  (ib.  Nr. 3 9,  S.  43 — 45) ;  F.  Beljavskij,  üoroexi.  JTyKHHO 
IIcKOBCKOH  ryö.  Be.iHKO.iyi];Karo  y.  (IIsb.  1899,  kh.  1,  Nr.  45,  S.  8 — 17). 
Da  diese  Mundarten  stark  akavisch  sind  und  in  der  dritten  Person  sinsr. 


108  N.  DurnoTO, 

und  plur.  die  Endung  i!  (wenn  sie  nicht  abfällt)  zeigen,  so  kann  man  sie 
zum  Südgrossrussischen  rechnen;  doch  kommen  neben  diesen  Zügen  in 
ihnen  das  explosive  a  (wenigstens  in  der  Mundart  unter  3;  die  Berichte 
Nr.  32  und  39  sprechen  über  die  Aussprache  des  g  und  y  sehr  unklar) 
und  noch  andere  nordgrossruss.  Züge  vor,  z.B.  gen.-acc.  der  Personal- 
pronomina mand,  iaÖd,  der  Cokavismus,  die  Aussprache  kuksyn  (== 
südgrossruss.  kusij?i)^  instr.  plur.  =  dat.  plur.,  nördliche  Betonung  und 
Lexicon  u.  s.w.  Das  alles  weist  darauf  hin,  dass  es  sich  hier  um  Misch- 
mundarten handelt.  Ein  charakteristischer  Zug  dieser  Mundarten,  den 
sie  mit  südgrossruss.  Mundarten  der  Gouvv.  Kaluga  und  Smolensk  und 
den  nordgrossruss.  des  Gouv.  Olonec  gemein  haben,  ist  die  Aussprache 
des  e  statt  o  anderer  Mundarten  in  einigen  Pronominal-  und  Adjectiv- 
formen  vor  {.  Dieselben  Züge  werden  in  Sobolevskij's  Ohlit'l  (S.  29 
— 32)  auch  aus  anderen  Gegenden  des  Pskover  Gouv.,  den  Kreisen  von 
Pskov,  Cholm  und  Velikie  Luki  erwähnt.  Demnach  bieten  die  oben 
genannten  Beiträge  wenig  neues  und  bezeugen  nur  die  Gleichartigkeit 
der  neu  beschriebenen  und  der  schon  früher  bekannten  akavischen 
Mundarten  des  Pskover  Gouv. 

Auf  Grund  des  bisher  Vorgeführten  isehen  wir,  dass  sich  unsere 
Kenntnisse  über  die  südgrossruss.  Mundarten  seit  dem  Erscheinen  des 
OnLiTx  pycc.  Aia-i-  bedeutend  vermehrt  haben.  Es  erschienen  ausführ- 
liche und  in  wissenschaftlicher  Hinsicht  hoch  stehende  Beschreibungen 
von  Dialekten  nicht  nur  einzelner  Punkte,  sondern  auch  ganzer  mehr 
oder  weniger  umfangreicher  Gebiete:  erforscht  wurden  die  Dialekte  der 
Gouvv, Tula,Voronez  nnd  eines  bedeutenden Theiles  des  Gouvv.  Kaluga; 
ergänzt  wurden  unsere  Nachrichten  über  die  Mundarten  der  Gouvv. 
Kursk  und  Tambov  und  des  Donschen  und  Ter  sehen  Militärgebietes, 
schliesslich  auch  über  die  Mischmuudarten  im  Gouv.  Pskov. 

Die  Dialektologen  richteten  jedoch  ihre  Aufmerksamkeit  endlich 
auch  auf  die  Uebergangsdialekte  vom  Nord-  zum  Südgrossrussischen.  In 
dieser  Beziehung  war  besonders  V.  J.  Cernisov  thätig,  der  bereits  oben 
bei  Gelegenheit  der  Besprechung  von  Arbeiten  über  die  Mundarten  des 
Gouv.  Kaluga  erwähnt  wurde.    Doch  über  ihn  mehr  weiter  unten. 

Ich  gehe  nun  zu  den  Mundarten  des  Gouv.  Moskau  über.  Eine 
Mundart  im  Süden  des  Moskauer  Gouv.  berührt  eine  ganz  kleine  Auf- 
zeichnung in  /KnBaa  CxapHHa  (1901,  b.  II;  D,  Hapo;i;Hi.iu  roBop-E  na 
Moeä  po^HHi  [bt.  cejii  BocKpeceHCKOMTi  Mockob.  ryö.  KojoMeHCKaro 
y.]).    Angemerkt  werden  da  Formen  der  dritten  Person  sing,  mit  Be- 


Die  grossrnss.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1897 — 1901).     109 

tonung  auf  nichtletzter  Silbe  ohne  die  Endung  f''  und  in  geringem  Masse 
das  C-sprechen. 

Im  allgemeinen  stimmen  die  Mundarten  des  südlichen  Theiles  des 
Moskauer  Gouv.,  d.i.  die  Mundarten  im  Süden  des  Kreises  von  Ruza  und 
die  der  Kreise  von  Podol'sk,  Vereja,  Bronnicy,  Kolomna,  Mozajsk,  Ser- 
puchov  und  theilweise  Bogorodsk  mit  den  Mundarten  der  benachbarten 
Kreise  der  Gouvv.  Smolensk,  Kaluga  und  Tula  überein  und  werden  zu 
den  Südgrossrussischen  gezählt.  Was  die  Mundarten  der  übrigen  Kreise 
des  Moskauer  Gouv.  (den  Kreis  von  Moskau,  den  nördlichen  Theil  des 
Kreises  von  Ruza,  die  Kreise  von  Zvenigorod,  Klin,  Volokolarask, 
Dmitrov  und  einen  Theil  des  Kreises  von  Bogorodsk)  und  dazu  die  be- 
nachbarten Kreise  der  Gouvv.  Tvef,  Vladimir  und  Rjazan  betrifft,  so  ent- 
halten diese  Mundarten  neben  einem  A-sprechen  verschiedenen  Grades 
eine  ganze  Reihe  nordgrossruss.  Eigentliümlichkeiten  in  der  Laut-  und 
Formenlehre  und  im  Lexicon.  Ein  solcher  Charakter  der  Mundarten 
des  Moskauer  Gouv.  wurde  von  den  Gelehrten  schon  längst  erkannt, 
leider  kannte  man  da  gut  nur  die  Mundart  Moskaus  selbst,  während  die 
Mundarten  des  Gouv.  Moskau  fast  ganz  unbekannt  blieben.  Erst  in 
letzterer  Zeit  wurde  diese  Lücke  theilweise  von  V.  J.  Cernisov,  welcher 
von  der  11.  Abtheilung  der  kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften  den 
Auftrag  erhalten  hat,  die  Mundarten  des  Moskauer  Gouv.  zu  studiren,  und 
durch  den  Verfasser  des  vorliegenden  Aufsatzes  ausgefüllt.  Bevor  ich 
jedoch  von  den  Arbeiten  V.  J.  Uernysov's  über  die  Moskauer  Dialekte 
sprechen  werde,  will  ich  einiges  über  diese  interessante  Persönlichkeit 
selbst  mittheilen. 

Vasilij  Il'jic  Öernysov  wurde  im  Pokrover  Kreise  des  Gouv.  Vladi- 
mir geboren.  Er  absolvirte  das  Lehrerseminarium  i !  in  Kirzac  (in  dem- 
selben Gouv.)  und  war  dann  lange  Zeit  Volksschullehrer  in  einem  Dorfe 
des  Kreises  Zarajsk  im  Gouv.  Rjazan.  Darauf  legte  er  die  Prüfung  für 
Kreisschullehrer  ab  und  bekam  eine  Stelle  als  solcher  in  der  Kreis- 
schule von  Mescovsk  im  Gouv.  Kaluga,  wo  er  ungefähr  4  Jahre  verblieb. 
Als  die  Kreisschule  in  Mescovsk  in  eine  Bürgerschule  umgebildet  wurde, 
wurde  er  Kreisschullehrer  in  Borovsk  im  selben  Gouv.  Hier  hielt  er 
sich  nicht  lange  auf.  da  man  von  Seiten  der  zweiten  russischen  Ab- 
theilung der  Akademie  der  Wissenschaften  bereits  auf  ihn  aufmerksam 
wurde    und  er  wurde  Dank  den  Bemühungen  des  Akademikers  Sach- 


1)  Zur  Heranbildung  von  Dorfschullehrern.    Bürgerschullehrer  müssen 
ausserdem  noch  das  Lehrerinstitut  besuchen. 


110  N.  Dnrnovo, 

matov  nach  Petersburg  tibersetzt,  wo  er  noch  jetzt  an  einer  Bürger- 
schule als  Lehrer  wirkt  {AH;i;peeBCKoe  ropo;];cKoe  y^iHJiHme). 

Die  Bildung,  welche  die  russischen  Lehrerseminarien  bieten  können, 
ist  verhältnissmässig  sehr  dürftig.  An  die  Volksschule  gebunden,  haben 
die  Lehrer  selten  Zeit  und  Kraft,  sich  geistig  weiter  zu  entwickeln,  da 
ein  beträchtlicher  Theil  des  Tages  auf  den  Unterricht  in  der  Schule, 
das  Abfassen  von  Rechenschaftsberichten  und  die  Wirthschaft  aufgeht. 
Desto  auffälliger  sind  die  von  V.  J.  Cernysov  erzielten  Erfolge.  Seine 
wissenschaftliche  Thätigkeit  begann  damit,  dass  er  aus  Mescovsk  der 
zweiten  Abtheilung  der  Akademie  der  Wissenschaften  umfangreiche 
Anmerkungen  und  Ergänzungen  zum  ersten  Bande  des  akademischen 
Wörterbuches  übersandte.  Die  genannte  Abtheilung  drückte  ihm  ihren 
Dank  aus  und  schickte  ihm  zugleich  das  Programm  zum  Sammeln  süd- 
grossruss.  dialektologischer  Eigenthümlichkeiten  ein.  Als  Antwort  er- 
folgte von  ihm  »cnHCOKi.  cjIObi.  iiopxHOBCKaro  nstiKa«  und  eine  ausführ- 
liche und  sorgfältige  Beschreibung  der  Mundart  von  Mescovsk  mit  Hin- 
zufügung eines  umfangreichen  Wörterbuchs.  Obwohl  V.  J.  Cernysov 
sagt,  dass  er  bis  zur  Uebersendung  des  akademischen  Programms  nicht 
einmal  eine  Ahnung  hatte  von  der  wissenschaftlichen  Bedeutung  dialek- 
tischer Studien,  so  beweisen  dennoch  seine  Arbeiten,  dass  ihn  die 
Eigenthümlichkeiten  der  Volkssprache  schon  sehr  früh  interessirt  haben. 
In  der  Beschreibung  der  Moskauer  Mundarten  und  der  von  Mescovsk 
finden  sich  Hinweise  auf  Eigenthümlichkeiten  der  Mundarten  des  Kreises 
von  Pokrov  (im  Gouv.  Vladimir)  und  Zarajsk  (im  Gouv.  Rjazan),  die 
ihm  aus  eigener  Anschauung  bekannt  waren. 

Noch  in  Mescovsk  dachte  er,  wie  gut  es  wäre,  eine  Grammatik  der 
Sprache  desselben  zu  verfassen.  Mögen  ihm  auch  die  Aufgaben  der 
Dialektologie  bis  1896  noch  unklar  vorgekommen  sein,  sein  Interesse 
für  die  Sprache  und  damit  zusammenhängende  wissenschaftliche  Fragen 
tauchte  bei  ihm  früh  auf.  In  Mescovsk  und  Borovsk  war  V.  J.  Cer- 
nysov unter  den  Lehrern  der  einzige  Leser  des  nichtofficiellen  Theiles 
des  Journal  des  Minist.  :*^nr  Volksaufklärung  und  aufmerksam  arbeitete 
er  den  ersten  Band  des  akademischen  Wörterbuchs  durch.  In  seiner 
ersten  Arbeit,  der  Beschreibung  der  Mundart  von  Mescovsk,  zeigt  er 
schon  schöne,  für  einen  einfachen  Lehrer  sehr  gründliche  Kenntnisse 
von  der  russischen  Sprache  und  Literatur.  Aus  seinen  Hinweisen  sieht 
man,  dass  er  ins  Detail  Sobolevskij's  ».leKi^iH  no  ncxopin  pyccKaro 
HBBiKa«  und  Buslaev's  historische  Grammatik  und  einige  andere  durch- 


Die  grossruss.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1897 — 1901).     H  1 

studirt  hatte;  überdies  kennt  er  genau  die  Werke  vieler  russ.  Schrift- 
steller. In  seinen  schon  genannten  Cßijifkma.  o  roBopi  ropo;;a  MemoBCKa 
ist  eine  sehr  detaillirte  und,  so  weit  es  ihm  möglich  war,  genaue  Dar- 
stellung der  Lautlehre  jener  Mundart.  Nicht  minder  werth  ist  darin 
das  Capitel  »OcoöenHOCTH  Meii;oBCKaro  y^tapenia,  KaKt  loacHOBejiHKO- 
pyccKaro  Booöme«.  Die  Eigenthümlichkeiten  der  Betonung  in  der  Mund- 
art von  Mescovsk  fasst  er  als  stidgrossrussisch  überhaupt  auf  auf  Grund 
seiner  Studien  über  den  Accent  in  den  Gedichten  Kol'cov's  (geb.  im 
Gonv.  Voronez)  und  den  von  Zarajsk,  sowie  Pokrov,  welchen  letzteren 
er  als  nordgrossrussischen  zum  Vergleiche  heranzieht.  Seine  allgemeinen 
Resultate  im  genannten  Capitel  sind  folgende: 

I.  Die  südgrossruss.  Betonung  ist  nicht  so  beweglich  (no;i;BH2KHo), 
wie  die  Moskauische  und  nordgrossruss. ;  II.  In  den  Gedichten  Kol'cov's 
gibt  es  gar  nicht  lautliche  und  grammatische  Unebenheiten.  Das  letztere 
Resultat  ist  unbedingt  werthvoU;  das  erstere  ist  nicht  ganz  genau,  da 
Cernysov  die  nordgrossruss.  Betonung  zu  wenig  kennt.  Die  Eigenthüm- 
lichkeit  der  südgrossruss.  Betonung  liegt  nicht  nur  in  der  Cnbeweglichkeit 
(HenoABHacHOCTi)) :  ein  vahi-vöris,  fassü-tössis  u.a.  ist  auch  südgross- 
russ.;  anderseits  lässt  sich  auch  ein  nordgrossruss.  üica-tücu,  päsna- 
päh'iu,  sösna-sosnu  u.  a.  durch  einen  Hang  zur  Tonunbeweglichkeit  er- 
klären. Immerhin  unterscheidet  sich  die  nordgrossruss.  Betonung  stark 
von  der  südgrossruss.  Cernysov's  Beobachtungen  über  die  südgrossruss. 
Betonung  und  sein  Versuch,  die  allgemeine  Tendenz  im  Südgrossruss., 
welche  den  Accentwechsel  bedingt,  herauszufinden,  bedeuten  für  die 
russ.  Accentologie  einen  Schritt  nach  vorwärts. 

Nicht  so  vollständig  wie  die  Phonetik ,  dennoch  genug  ausführlich 
ist  die  Morphologie  der  Mundart  von  Mescovsk  behandelt.  Mit  süd- 
grossruss. Morphologie  hat  man  sich  überhaupt  bisher  wenig  be- 
schäftigt. Cernysov  gibt  mehr  als  seine  Vorgänger;  er  theilt  einige 
flüchtige  Notizen  über  die  Wortbildung  mit,  bringt  ganze  Paradigmen 
einiger  Declinationsarten;  die  Conjugation  ist  sehr  kurz.  Im  syntak- 
tischen Theile  untersucht  er  die  üebereinstimmung  des  Subjectes  und 
Prädicates,  den  Gebrauch  des  sing,  coli.,  den  Genuswechsel,  die  An- 
wendung der  Gerundia  und  Casus  und  den  Gebrauch  der  Präpositionen. 

Um  kurz  zu  sagen,  diese  Dialektbeschreibung  gehört  ungeachtet 
der  geringen  wisseschaftlichen  Vorstudien  des  Verfassers  zu  den  besten. 
Bemerkenswerth  ist  seine  Vorsicht  und  Beobachtungsgabe:  Cernysov 
unterscheidet  die  Sprache  der  Städter  und  Bauern,  merkt  den  Unter- 


112  N.  Durnovo, 

schied  zwischen  der  Sprache  der  Greise  und  Kinder  an  und  verallge- 
meinert nicht  für  den  ganzen  Kreis  Eigenthümlichkeiten,  die  er  an 
einem  Orte  feststellte,  dabei  benutzt  er  jedoch  zum  Vergleiche  ziemlich 
geschickt  seine  Beobachtungen  über  andere  Mundarten.  Noch  interes- 
santer stellt  sich  die  Arbeit  Cernysov's  dar  durch  Heranziehung  auch 
der  Sprache  der  Schriftsteller.  Es  giebt  wohl  unter  den  Erklärungen 
dieser  oder  jener  Erscheinungen  einige  gröbere  und  unwissenschaftliche, 
aber  solchen  Fehlern  entgingen  nicht  selbst  viel  besser  vorbereitete  Leute. 

Cernisov's  zweite  Abhandlung  (^onojiHeHifl  ki.  CBiji^inmm,  u.  s.  w.) 
bietet  nebst  Berichtigungen  auch  einige  neue  Beobachtungen,  z.B.  dass 
unbetontes  o,  welches  in  der  Mundart  von  Mescovsk  in  a  übergegangen 
ist^),  nicht  so  klar  ausgesprochen  wird  als,  sagen  wir,  in  den  Mund- 
arten von  Rjazan.  In  ähnlicher  Weise  konnte  ich  im  Gouv.  Kaluga  con- 
statiren,  dass  in  den  Mundarten  der  Kreise  Medyn,  Peremysl'  und  Me- 
s6ovsk  (hinter  dem  Fluss  Ugra)  unbetontes  a  (sogar  unmittelbar  vor  dem 
Tone)  etwas  geschlossen,  den  Lauten  der  palatovelaren  Reihe  sich 
nähernd  oder  aber  ein  volares  a  ist;  daneben  kommt  manchmal  ein 
labialisirtes,  in  o  übergehendes  a  vor  (neben  Labialen  und  Gutturalen).- 
Das  in  Aufzeichnungen  nicht  ganz  schriftkundiger  Leute  (Schüler)  vor- 
kommende 0  für  a  deutet  da  aaf  ein  geschlossenes  a  hin. 

Der  Theil,  der  über  Wortbildung  handelt  (er  fehlt  meistentheils 
bei  den  Vorgängern  Cernysov's) ,  beschränkt  sich  nicht  mehr  bloss  auf 
Eigennamen,  sondern  ist  bedeutend  ergänzt.  Bei  den  Suffixen  wird 
leider  nicht  immer  deren  Bedeutung  dargelegt;  die  Suffixe  -euHtiä  und 
-ymiii  werden  ungenau  Superlativ-,  statt  Augmentativsuffixe  genannt. 

Bedeutend  vervollständigt  ist  auch  der  Theil  über  Syntax.  Zu 
Ende  werden  einige  glücklich  ausgesuchte  Wörter  angeführt ,  die  als 
dialektische  Merkmale  dienen  können:  CKopo;iHTi),  saKyTa,  aarneTa, 
^eata,  Kopei^x  u.  a.  Nach  ihnen  kann  man  in  der  That  die  Zugehörig- 
keit einer  Mundart  zu  diesem  oder  jenem  Dialekt  bestimmen. 

Nach  seiner  Uebersiedelung  nach  Petersburg  stellte  Cernysov  auf 
Auftrag  der  II.  Abtheilang  der  Akademie  zunächst  ein  umfangreiches 
Programm  zur  Sammlung  von  Eigenthümlichkeiten  grossruss.  Mund- 
arten (statt  der  früheren  zwei)  zusammen,  worüber  einige  Worte  später 
unten.  Ausserdem  machte  er  ein  Paar  Reisen  ins  Gouv.  Moskau  und 
die  benachbarten  Gouv.,  um  die  grossruss.  Uebergangsdialekte  zu 
Studiren.    Darüber  handeln  vorläufig  zwei  Abhandlungen:   1)  KpaxKia 

')  Richtiger  wäre  gesagt  unbetontes  a  aus  altem  a  und  o. 


Die  groBsruss.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1897 — 1901).    113 

CBijiimfi  0  HiKOTopLixT.  roBopax'B  /I^MHTpoBCKaro,  Eoropo;i;eKaro  h  Ero- 
pteBCKaro  yiaAOBT.  (IIsBicTin  der  II.  Abth.  1900,  kh.  2,  üpHJiOK. 
Nr. 46,  8. 1 — 21)  und  2)  CBiA^HiK  o  HapcAHtixt  roBopaxx  iröKoxopi.TX'B 
ceüeiiiil  MocKOBCKaro  yis^a  (CII6.  1900,  II  +  174  aus  dem  CöopHHKT. 
der  II.  Abth.  Bd.  68,  Nr.  3,  CIIö.  1901). 

Diese  »CBiA^Hiii«  brachten  manches  neue.  Es  zeigte  sich,  dass 
okavische,  d.  i.  rein  nördliche  Mundarten  in  solcher  Nähe  von  Moskau 
vorkommen,  wie  man  bisher  nicht  einmal  vermuthet  hat,  so  z.  B.  in 
einigen  Dörfern  des  Moskauer  Kreises  selbst.  Von  den  Mundarten,  die 
in  der  ersten  Broschüre  vorgeführt  werden,  sind  einige  okavisch,  z.  B. 
im  Dorfe  Tal'niki  des  Kreises  Dmitrov  i),  wo  südgrossruss.  Züge,  wie 
es  scheint,  gar  nicht  vorkommen  (Cernysov  sieht  unrichtigerweise  das 
Akanje  in  psanica),  aber  IY2  Werste  von  hier  spricht  man  schon  a; 
im  Dorfe  Vanisova  des  Kreises  Bogorodsk  hat  sich  das  Okanje  noch  be- 
wahrt, aber  in  einer  Art  Uebergangsstadium  zu  Akanje  (für  südgross- 
russ. kann  man  hier  auch  das  Wort  hrumika  mit  k  und  nicht  g  u.  a. 
halten),  während  im  Dorfe  Ontonova  desselben  Kreises  südgrossruss. 
Züge  noch  nicht  bemerkbar  sind.  Unter  den  akav.  Mundarten  an  der 
Grenze  des  Kreises  Jegorjevsk  im  Gouv,  Rjazan  und  auch  weiter 
drinnen  finden  sich  Mundarten  des  Moskauischen  Typus  vor  (mit  con- 
trahirten  Verbalformen,  der  Endung  der  3  pers.  praes.  auf  hartes  t^  der 
Aussprache  der  explosiven  g  u.a.).  Daneben  gebraucht  man  das  süd- 
grossruss. cKopoAHTL.  Auch  das  Akanje  ist  stärker  als  das  Moskauische. 
Interessant  ist  das  Cokanje  in  einigen  Dörfern  der  Kreise  Bogorodsk 
und  Jegoijevsk. 

Cernysov's  Aufzeichnungen  sind  etwas  dürftig ;  man  sieht,  dass  er 
sich  nur  sehr  kurze  Zeit  dort  aufhielt.  Sie  sind  jedoch  von  Interesse, 
weil  sie  annähernd  die  heutige  Grenze  zwischen  dem  Nord-  und  Süd- 
grossrussischen zeigen  und  Beiträge  zur  Geschichte  des  Uebergangs- 
dialektes  zwischen  den  beiden,  welchen  ich  mittelgrossrussisch  nennen 
möchte,  liefern. 

Cernysov's  zweite  Abhandlung  ist  umfangreicher  und  besser. 
Ausser  einer  kurzen,  aber  schon  nicht  mehr  so  flüchtig,  wie  in  dem 
vorhergegangenen  Aufsatze,  ausgefallenen  Beschreibung  der  Mundarten 
eines  jeden  einzelnen  Dorfes,  wo  Cernysov  war,  kommt  hier  das  von 
ihm  gesammelte  Material  (18  Lieder  und  7  Märchen)  und  ein  Wörter- 

1)  Der  grösste  Theil  des  Kreises  von  Dmitrov  gehört  zum  Nordgross- 
russischen. 

Archiv  für  slavische  Philologie.  XXVn.  ■  g 


114  N.  Durnovo, 

V 

buch  (ca.  1000  Wörter)  zum  Abdruck.  Das  alles  sammelte  Cernysov  im 
Verlaufe  von  nur  10  Tagen.  Die  Dörfer,  die  er  besuchte,  befinden  sich 
im  Norden  des  Moskauer  Kreises  (ungefähr  40  km  nördlich  von  Moskau). 
Die  Mundarten  sind  dort  grösstentheils  akavisch.  Der  Grad  des  Akanje 
ist  verschieden,  angefangen  vom  gemässigten  Moskauischen  bis  zu  einem 
sehr  ausgeprägten,  fast  Rjazanischen.  Die  übrigen  Eigenthümlichkeiten 
der  Phonetik,  Morphologie  und  des  Lexicons  sind  jedoch  Moskauisch, 
d.  i.  eher  nördlich  als  südlich,  wonach  sich  auch  diese  Mundarten  als 
mittelgrossrussisch  erweisen.  In  einigen  Dörfern  hat  sich  noch  das 
nördliche  Okanje  erhalten,  doch  meistentheils  nur  in  der  Sprache  der 
Greise.  Interessant  ist,  dass  Cernysov  in  einem  Dorfe  eine  harte  Aus- 
sprache der  Consonanten  vor  e  und  i  (S.  31 — 32)  hörte. 

Zu  derselben  Gruppe  von  üebergangsmundarten  oder  mittelgross- 
russ.  Mundarten  gehört  auch  die  Mundart,  die  von  mir  in  OnHcaiiie 
roBopa  ;iep.  IIap*eiiOKT.  PyscKaro  y.  Mockob.  ryö.  (PyccKÜl:  $H.i[Ojior. 
BicTHHKT,  1900,  Nr.  3— 4,  S.  153—216;  1901,  Nr.  1—2,  S.  227— 268 
und  Nr.  3—4,  S.  128— 151;  1902,  Nr.  1—2,  S.  119— 151;  1893, Nr.  1—2, 
S.297— 321,Nr.3— 4,  S.  285—297)  behandelt  wurde.  Die  Haupteigen- 
thümlichkeit  der  lautlichen  Seite  dieser  Mundart  imVergleiche  zu  der  Mos- 
kauer Literatursprache  ist  ein  stärkerer  Akavismus,  woneben  die  übrigen, 
sowohl  nordgrossruss.  als  südgrossruss.  Züge  in  Lautlehre,  Morphologie 
und  Lexicon  die  des  Moskauer  Dialektes  sind.  Da  mir  noch  eine  Reihe 
anderer  Mundarten  in  den  nördlichen  Kreisen  des  Moskauer  Gouv.  und 
in  einem  Theile  des  Tverer  Gouv.  mit  mehr  oder  minder  ausgeprägtem 
A-sprechen,  jedoch  mit  Bewahrung  der  übrigen  lautlichen,  formalen 
und  lexicalen  Zügen  des  Moskauer  Dialektes  bekannt  sind,  so  möchte 
ich  alle  diese  Mundarten  unter  der  Bezeichnung  mittelgrossrussische 
zusammenfassen,  da  mir  diese  Kennzeichnung  genauer  und  passender 
vorkommt,  als  die  Bezeichnung  Mischmundarten  (cMimaHHtie  roBopti). 
Zu  dem  Typus  mittelgrossrnss.  Mundarten  gehören  auch  einige  Mund- 
arten des  Gouv.  Tula,  und  zwar  jene,  die  Prof.  Budde  zur  dritten 
Gruppe  (s.  oben)  gezählt  hat. 

Dem  Nordgrossrussischen  wurden  in  den  letzten  fünf  Jahren  nicht 
so  grosse  Studien  gewidmet  wie  dem  Südgrossrussischen,  dafür  wurden 
jedoch  viele  kleine  Beschreibungen  von  Mundarten,  hauptsächlich 
einzelner  Punkte,  veröffentlicht.  Einige  davon  sind  ziemlich  eingehend 
und  zeugen  von  grosser  Beobachtungsgabe.  Bloss  in  den  IIsBicxiH  der 
II.  Abtheilung  wurden  14  Antworten  auf  das  Programm  gedruckt  (an- 


Die  grossruss.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1897—1901).     1 15 

gefangen  von  Nr.  29).  In  der  /Kubüh  CrapHiia  und  im  PyccKiii  '^uäoäot. 
BicTUHKi.  gibt  es  auch  Mittheilungen  über  nordgrossruss.  Mundarten,  end- 
lich ist  eine  solche  im  68.  Baude  des  CöopuHK'B  der  II.  Abtheilung.  Alle 
diese  Materialien  berichtigen  wenig  unsere  bisherigen  Kenntnisse  über 
das  Nordgrossrussische,  dafür  aber  erweitern  sie  dieselben  in  bedeuten- 
der Weise. 

üeber  die  Mundarten  des  Gouv.  Novgorod  handelt  nach  dem  Jahre 
1S97  (ausser  den  oben  aufgezählten  lexicalischen  und  anderen  rohen 
Materialien)  nur  ein  Aufsatz  N.  Karinskij's,  0  H^KOTOpLixt  roBopaxx 
no  Te^iemK)  piKt  Zyrn  h  Ope^eaca^)  (Pycc.  <I>HJio.ior.  BicTHHix'L  1898, 
Nr.  3 — 4,  p.  92 — 124).  Interessant  sind  hier  die  Beobachtungen  Ka- 
rinskij's  über  den  Einfluss  der  Literatursprache  auf  den  localen  Volks- 
dialekt. Dieser  Einfluss  wird  durch  die  Nähe  von  Petersburg  besonders 
dadurch  hervorgerufen,  dass  die  Bevölkerung  dieser  Gegend  oft  nach 
Petersburg  auf  Erwerb  zieht;  ausserdem  miethen  Einwohner  von  Peters- 
burg nicht  selten  Sommerwohnungen  in  Dörfern ,  die  an  den  genannten 
Flüssen  gelegen  sind.  Die  von  Karinskij  beschriebenen  Mundarten  sind 
nicht  cokavisch  und  kennen  i  für  i. 

üeber  die  Mundarten  des  Gouv.  Olonec  bietet  schon  Sobolevskij's 
OnLiTT.  ziemlich  vollständige  Nachrichten.  Darunter  wird  auf  einen 
Zug  derselben  hingewiesen,  den  man  bisher  als  den  Nordgrossrussen 
nicht  eigen  hielt,  nämlich  die  Aussprache  des  friccat.  y  [h]  im  gen. 
sing.  m.  und  n.  der  Pronomina  und  Adjectiva  und  anstatt  des  allge- 
meinruss.  explos.  g ;  ebenso  ist  auch  schon  dort  der  Hinweis  auf  einen 
anderen  Zug:  die  Aussprache  des  e  ohne  Erweichung  der  vorhergehen- 
den Consonanten  vor/  oder  i  anstatt  0  (aus  altem  y)  anderer  nördlicher 
und  südlicher  nordgrossruss.  Mundarten.  Dieser  Zug  ist  bisher  ebenfalls 
fast  nur  aus  südgrossruss.  und  weissruss.  Mundarten  bekannt;  im  Nord- 
grossruss. kommt  er  ausser  den  Mundarten  des  Gouv.  Olonec  nur  spo- 
radisch in  einigen  pronominalen  Formen  vor.  Die  neuen  Materialien 
aus  verschiedenen  Kreisen  des  Gouv.  Olonec  in  den  IIsBieriH  (Nr.  29 
u.  30  in  KH.  1  für  1897;  Nr.  34  in  kh.  1  für  1898  und  die  Berichti- 
gungen zu  Nr.  22  in  kh.  2  für  1898)  bestätigen  nur  die  früheren  Kennt- 
nisse. Ausserdem  wird  in  Nr.  29  (1.  c.  S.  232 — 244)  noch  ein  südlicher 
Zug  der  Mundart  von  Olonec  erwähnt:  das  weiche  -t  in  der  dritten 
Person  praes.  (im  Plural?).  In  Nr.  34  wird  aus  dem  Zaonezje  (die  Kreise 


ii  Luga  und  Oredez  fliessen  durch  den  Kreis  von  Novgorod  u.  a. 

8* 


116  N.  Durnovo, 

Petrozavodsk  und  Vytegra  1.  c.  S.  7 — 9)  ein  charakteristischer  laut- 
licher Zug-  der  dortigen  Mundart  mitgetheilt :  der  Uebergang  des 
Accentes  auf  die  erste  Silbe  des  Wortes  mit  Umwandlung  des  unbe- 
tonten 0  in  einen  betonten  Diphthong  oa,  und  des  e  in  ia  oder  ija  (z.  B. 
kwijäty ^  vodda,  poasia^)).  Die  morphologischen  und  syntaktischen 
Eigenthümlichkeiten  der  Mundarten  von  Olonec,  aber  auch  der  Accent 
sind  nordgrossrussisch. 

Die  Mundarten  des  Gouv.  Archangel'sk  betrafen  in  den  IIsBi- 
exiji  in  den  letzten  fünf  Jahren  nur  die  sehr  eingehenden  Aufzeich- 
nungen Verjuzskij's  aus  dem  Kreise  Onega  (Nr.  41,  Hsb.  1898,  kh.  3 
npHJioai.  49 — 59).  Die  hier  beschriebene  Mundart  steht  der  im  OnMX'L 
dargethanen  nahe,  unterscheidet  sich  jedoch  auch  davon.  Der  Be- 
obachter merkt  hier  c,  aber  sehr  seltenes  c  (weich)  an,  ausserdem  im 
gen.  sing  m.  und  n.  der  Pron.  und  Adj.  -ooo  {-oyo'?)^  aber  im  Worte 
karavöd  —  v.  A.  D.  Grigofjev  und  A.  V.  Markov  hörten  in  einigen 
Mundarten  des  Gouv,  Archangel'sk  den  Laut  y  im  gen.  und  auch  anstatt 
g  anderer  nördl.  Mundarten. 

üeber  Mundarten  verschiedener  Orte  im  Gouv.  Vologda  handeln 
in  den  HsBiexia  zwei  Beiträge  (Nr.  31  in  kh.  1  für  1897  und  Nr.  36 
in  KH.  1  für  1898),  ausserdem  in  der  ^HBaa  CxapHHa  (1898,  b.  3 — 4) 
ein  Aufsatz  N.  Cernavskij's,  06i>  ocoöeHHOcxHxt  astiKa  bi.  r.  Yexiori 
H  yexroatcKOM'L  yisA^  Bojioro;i;cKOH  ryö.  Gegenüber  dem  Ontixt,  der 
schon  genügend  Material  über  diese  Mundarten  darbietet,  erfahren  wir 
aus  den  genannten  Beiträgen  nichts  wesentlich  Neues. 

Die  Mundarten  des  Gouv.  Vjatka  betreffen  in  den  HsBicxia  4  Mit- 
theilungen (Nr.  35  den  Kreis  Kotel'nic  in  kh.  1  für  1898,  Nr.  37  den 
Kreis  Orlov  ibid.,  ebenso  Nr.  42  den  Kreis  Orlov  in  kh.  1  für  1899  und 
Nr.  38  den  Kreis  Malys  ib.  wie  Nr.  35);  ausserdem  ist  in  der  ^HBan 
CxapHHa  (1901,  b.  1)  eine  interessante  Mittheilung  D.  Zelenin's  über  die 
Mundarten  der  Kreise  Sarapul'  und  Jelabuga.  Das  viele  neue  Material, 
das  da  geboten  wird,  bestätigt  nur  die  Darstellung  der  Mundarten  von 
Vjatka  im  Ontixi. 

Für  die  Mundarten  an  der  Wolga  finden  wir  in  den  IIsBicxia  we- 
niger Material  vor.  Unsere  Kenntnisse  über  die  Mundarten  des  Gouv. 
Kostroma  ergänzen  bedeutend  zwei  Abhandlungen  Th.  Pokrovskij's  in 
.^Chbek  CxapHHa  (1898,  b.  3  —  4:  0  HiKOxoptix'L  roBopax-B  ciBepo- 
sanaAHOH   ^aexH   KocxpojicKOH   ryö.   und   1899,  b.  3:   0  napoAHOMx. 

1)  Wahrscheinlich :  voqda,  poasia  mit  steigender  Betonung  auf  oq. 


Die  grossruss.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1897—1901).     117 

rOBopi  ^yxjioMCKaro  yii3Aa  KocTpoMCKcii  ryö.).  Die  Abhandlungen 
sind  das  Resultat  eigens  vorgenommener  Studienreisen  im  Gouv.  Kostroma 
und  berühren  nicht  einzelne  Punkte ,  sondern  entwerfen  das  dialekto- 
logische Bild  eines  bedeutenden  Theiles  desselben  (die  Kreise  Soligalic, 
Buj  und  Öuchloma).  Sie  sind  die  Fortsetzung  der  Beschreibung  der 
Kostromer  Mundarten,  die  Th.  Pokrovskij  schon  im  Jahre  1895  begonnen 
hat  (über  den  Kreis  Buj).  Beigegeben  sind  ihnen  kleine  Idiotica.  Ausser 
Mundarten  (sowohl  lispelnden,  als  auch  nicht  lispelnden)  mit  rein 
nordgrossrussischen  Zügen  weist  Th.  Pokrovskij  auf  das  Vorhandensein 
stark  akavischer  Mundarten  in  einem  Theile  des  Kreises  Soligalic  und 
im  grossen  Theile  des  Kreises  Cuchloma  aber  mit  Spuren  des  Okavismus 
und  anderer  nördlicher  Züge  hin.  Interessant  ist  das  Vorkommen  des 
südgrossruss.  niene,  teUe  in  den  akavischen  Mundarten  des  Kreises 
Cuchloma  (in  Wahrheit  selten,  nur  hier  und  dort),  aber  daneben  kommen 
das  nördliche  g,  das  harte  t  in  der  dritten  Person  der  Verba  und  sogar 
solche  nördliche  Züge  vor,  welche  in  den  Mundarten  des  mittelgrossruss. 
Typus  nicht  anzutreöen  sind  (z.  B.  Ueberreste  des  0-sprechens,  Accente 
wie  sös7ia  u.  s.  w.,  das  Wort  JciiMin  u.a.). 

lieber  die  Mundarten  im  Gouv.  Jaroslavl'  scheint  nichts  neues  er- 
schienen zu  sein.  Die  in  yKuBaa  CxapHHa  (1899,  b.  1)  von  A.  Balov 
abgedruckten  MaTepia.iti  no  Hapo;i;HOMy  nstiKy,  coöpauHLie  et.  Ilome- 
xoHCKOMx  yis^i  üpocjiaBCKOH  ryöepmH  bestehen  aus  einigen  Redens- 
arten u.  ä.  in  unphonetischer  Aufzeichnung. 

Weiter  erfahren  wir  aus  den  IIsBicTia  (1897,  kh.  2,  Nr.  32)  von 
dem  Vorhandensein  einer  Mischmundart  im  Kreise  Alatyf  des  Gouv. 
Simbirsk  mit  südgrossruss.  Zügen.  Nicht  gross,  aber  bemerkenswerth 
durch  streng  phonetische  Wiedergabe  der  Laute  ist  die  Mittheilung 
N.  P.  Demidov's  über  die  Mundart  von  Samara  (HsBicTia  1898,  kh.  1, 
Nr.  40).  Interessant  ist  hier  unter  Anderm  das  Vorkommen  des  e  in 
Adjectivformen  statt  y  und  ?',  z.  B.  suchei  u.  a.  Im  Pycc.  ^'ujiojor. 
BicTHHKi.  (1899,  Nr.  1—2,  S.  30—70)  ist  ein  Aufsatz  P.  V.  äejn's  zur 
Dialektologie  des  Gouv. Samara:  K-l  AiaJieKTOjioriH  BBJiuKopycc. napi^. 
HsB-ie^ienia  uat  cJOBHinca  CKaaoK-B  n  npeAamil  CaMapcKaro  Kpaa, 
coöpaHHtix'L  H  sanncamiLix'B  ^.  H.  CaAGBrniKOBtiMt  (den  grösseren 
Theil,  S.  47 — 70,  nimmt  ein  Wörterbuch  ein).  Merkwürdigerweise  gibt 
es  in  den  beiden  zuletzt  genannten  Beiträgen  keine  directen  Hinweise 
auf  das  Lispeln  (mene.iflBOCTb)  der  Mundart  von  Samara,  von  welcher 
Dal'  in  0  HapimHxt  pycc.  üBLiKa  spricht  (er  führt  die  spöttische  Redens- 


118  N.  Durnovo, 

art  an,  mit  der  die  Frauen  von  Samara  geneckt  werden:  IIIaMa  maiviapKa, 
uiapa*ainb  m  oöopKoil).  Demidov  betont,  dass  »ti  und  ii,  völlig  klar  gebort 
werden«;  in  den  von  ihm  angeführten  Beispielen  mit  Zischlauten  und 
Sibilanten  vertreten  diese  Mitlaute  einander  nirgends.  Auch  die  Bei- 
spiele einer  Vertretung  der  Sibilanten  durch  Zischlaute,  die  Sejn  aus  dem 
CöopHHKrB  Sadovnikov's  angibt,  bezeugen  nicht  die  inene.MB0CTB  der 
Aussprache.  Im  Oni.iTr&  pyce.  Äia:ieKTOJiorin  steht  über  die  Mundarten 
des  Gouv.  Samara  fast  nichts. 

Ueber  die  nordgrossruss.  Mundarten  des  Gouv.  Voronez  sprach, 
wie  es  scheint,  der  erste  K.  Filatov  in  OiepiCB  napoAHtix'L  roBopoB% 
EopoHeatcKoii  ryö.  (im  Pyce.  <I>iijiojror. B'Scthhk'b  1S98,  Nr.  1 — 2).  Im 
OnuTh  findet  man  über  die  okavischen  Mundarten  des  genannten  Gouv. 
nichts.  Die  Einwohner  sind  da  grösstentheils  aus  anderen  Gouv.  ange- 
siedelt ;  wahrscheinlich  sind  demnach  auch  die  okavischen  Mundarten 
dahier  durch  Colonisation  aus  nordgrossruss.  Gouv.  zu  erklären. 

Endlich  sind  über  nordgrossruss.  Mundarten  Sibiriens  in  letzter 
Zeit  folgende  Aufzeichnungen  erschienen:  1)  P.  M.  Vdovcenko,  Toöojit- 
cKoä  ryö.,  ToöojiLCKaro  OKpyra,  ^eMLmicKaa  BOjrocTb  (IIsBicTia  1899, 
KH.  1,  npnjioa:.  Nr.  43,  S.  3 — 5).  Die  Mundart  gehört  dem  gewöhn- 
lichen nordgrossruss.  Typus  an,  ist  nicht  cokavisch,  spricht  i  statt  i 
vor  weichem  Consonanten  und  unterscheidet  sich  überhaupt  nicht  viel 
von  den  im  Ontixt  dargelegten  Mundarten  des  Gouv.  Tobol'sk.  — 
2)  V.  G.  Bogoraz,  06 jacTHOÖ  cjosapt  KojMMCKaro  pycc.  Hap'£mn.  CII6. 
1901,  S.  346  (CöopHHKi  der  IL  Abtheilung  Bd.  68,  Nr.  4).  Der  Kreis 
von  Kolymsk  liegt  im  Gebiete  von  Jakutsk.  In  der  Vorrede  zum 
Wörterbuche  und  der  Sammlung  von  Liedern  und  Märchen  gibt 
Bogoraz  auch  eine  kleine  Beschreibung  des  Dialektes  von  Kolymsk. 
Darin  weist  er  auf  den  starken  Einfluss  der  Fremdvölker,  besonders  der 
Jakuten,  auf  denselben.  Den  ganzen  Dialekt  von  Kolymsk  theilt  er  in 
den  von  Mittel-  und  Niederkolymsk.  Beide  sind  nordgrossruss.  okavisch 
und  dabei  lispelnd  (alle  Zischlaute  werden  mit  Sibilanten  verwechselt). 
Als  Unterschiedsmerkmal  des  Dialektes  von  Niederkolymsk  erscheint  j 
anstatt  r  und  l  und  zwar  nicht  nur  des  weichen,  sondern  auch  des 
harten ,  übrigens  nicht  immer ;  ausserdem  sind  die  Consonanten  vor  e 
und  0  (aus  altem  e)  hart  geworden  u.  a.  Cf.  im  OnLixt  S.  65  und 
67  —  68. 

Alle  seit  1897  veröffentlichten  Mittheiluugen  über  die  nordgross- 
russ. Mundarten  ändern  im  Allgemeinen  zwar  wenig  an  dem  dialekto- 


Die  grossruss.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1897—1901).     119 

logischen  Bilde,  welches  von  Sobolevskij  im  OnuTi  gezeichnet  worden 
ist;  dafür  erweitern  und  vervollständigen  sie  bedeutend  unsere  Vor- 
stellungen vom  Charakter  des  Nordgrossrnssischen  und  seiner  detail- 
lirteren  Eigentbümlichkeiten ,  von  der  Verbreitung  dieser  oder  jener 
Einzelerscheinungen,  über  die  uns  die  kurzen  Berichte  im  Ohliti.  nichts 
sagen.  Dadurch  ist  es  nun  möglich  geworden,  auf  Grund  dieses  neuen 
Materials  und  jener  umfangreichen  Forschungen,  die  in  letzter  Zeit  den 
Süd-  und  mittelgrossruss.  Mundarten  gewidmet  wurden ,  einen  näheren 
Vergleich  zwischen  den  beiden  grossruss.  Hauptdialekten  ziehen  zu 
können. 

Die  weissruss.  Dialektologie  will  ich  nicht  im  Detail  vorführen. 
Ich  bemerke  nur,  dass  auch  hier  ein  grosser  Fortschritt  zu  verzeichnen 
ist,  hauptsächlich  in  Folge  der  Bemühungen  des  Warschauer  Professors 
E.  Th.  Karskij,  unter  dessen  Redaction  in  den  IIsBicTia  18  eingehende 
Nummern  Material  zur  weissruss.  Dialektologie  als  Antwort  auf  das  von 
Karskij  zusammengestellte  Programm  (s.  oben)  veröffentlicht  worden 
sind  (1897,  kh.  2;  1898,  kh.  3;  1899,  kii.  3  und  4).  Ausserdem  be- 
treffen 4  Nummern  nordkleinruss.  Mundarten  und  Uebergangsmundarten 
zwischen  dem  Weiss- und  Kleinrussischen  (Polesje;  1898,  kh.  4).  Im 
Pycc.  4'n.iio.ior.  BicTiiiiKt  erschienen  folgende  hierher  bezügliche  Auf- 
sätze :  N.  Cudovskoj ,  MaTepiajiLi  p^Äsi  Hsy^ieHiü  6i.iopycc.  roBopoBi, 
Cryi^KiS  roBop-B  (1898,  Nr.  3 — 4,  S.  53 — 91);   E.  Karskij,  SaMiTKH 

OTHOCHTejrtHO  ÄH^TOHTOB-L  BX  HapO^HOMt  TOBOp^  CBJra  EaCIOBI^eB^  H  }!,. 

ILoß.Äicha.  Cjiyi^Karo  y.  Mhiickoh  ry6.  (ib.  325 — 327);  id.,  SaaiiTKH 
no  öiJopycc.  roBopasit  (1901,  Nr.  3—4,  S.  275 — 281). 


Abhandlungen  zur  Geschichte  und  Vergleichung  grossrussischer 
Mundarten  sind  in  den  letzten  fünf  Jahren  nicht  viele  erschienen. 
Akad.  A.  I.  Sobolevskij,  von  dem  eine  Reihe  hervorragender  Arbeiten 
über  die  historische  Dialektologie  der  russischen  Sprache  herrührt,  die 
allen  späteren  Studien  anderer  Gelehrten  zur  Richtschnur  wurden,  ver- 
öffentlichte im  letzten  Fünfjahr  einige  Aufsätze,  die  nicht  der  Geschichte 
der  Mundarten,  sondern  verschiedenen  anderen  Fragen  der  Geschichte 
der  russischen  Sprache  gewidmet  sind.  Nur  in  einigen  von  ihnen  wird 
volksmundartliches  Material  herangezogen.  Derart  sind  seine  Be- 
merkungen »Ilax  iisTopin  pyccKaro  asHKa«  im  ^ypiia.ix  Mhhhct. 
HapoA.  IIpocB.  (2  Serien:  1897,  Mai  und  November,  I — XIX  und  1901, 
Oktober,  I — VIU).    In  dem  Abschnitt  III  aus  der  ersten  Serie  macht 


1 20  N.  Durnovo, 

Sobolevskij  unter  Anderm  die  Bemerkung,  dass  der  üebergang  weicher 
k  und  ^  in  ^  und  d^  der  in  den  heutigen  grossruss.  Mundarten  nicht 
selten  ist,  wie  es  scheint,  eine  Eigenthtimlichkeit  der  Sprache  Kievs  des 
XII. — XVI.  Jahrb.  gewesen  ist,  und  er  vermuthet,  dass  der  alte  Dialekt 
Kievs  den  heutigen  Mundarten  der  Gouv.  Orel  und  Kursk  nahe  ge- 
standen sein  mag.  Jedoch  war  er  nach  der  Ansicht  Sobolevskij's  kaum 
rein  grossrussisch,  sondern  entweder  ein  Uebergangsdialekt  zum  Klein- 
russischen  oder  ein  Mischdialekt,  wenigstens  für  das  XV. — XVI.  Jahrh. 
Die  tibrigen  Bemerkungen  handeln  mehr  über  Einzelfragen,  darunter 
auch  über  die  Geschichte  einiger  Erscheinungen,  die  uns  in  den  gegen- 
wärtigen russ.  Mundarten  begegnen. 

Das  umfangreiche  Material,  welches  in  letzter  Zeit  gesammelt 
worden  ist,  veranlasste  Prof.  E.  Th.  Budde  und  Akad.  A.  A.  §ach- 
matov  die  Frage  über  die  Entstehung  und  Verschiebung  russischer  Dia- 
lekte von  neuem  aufzustellen  und  durchzusehen.  Prof.  Budde  drückte 
in  seiner  Doctordissertation  (Kx  ncxopin  BCJiHKopycc.  rosopoB'L.  Onwxi 
HCTopHKo  -  cpaBHHTejtHaro  H3Cj[iA0BaHiii  napoAHaro  roBopa  Bt  Kacn- 
MOBCKOMi,  y.  PHsaHCKOH  ry6.  Kasant  1896,  S.  377  -f-  II)  den  Ge- 
danken aus,  dass  die  Principe,  die  der  Eintheilung  der  russ.  Sprache  in 
Dialekte  zu  Grunde  liegen,  unwissenschaftlich  sind,  und  schlug  vor, 
die  russ.  Mundarten  in  drei  dialektische  Gruppen  zu  theilen:  auf  «luene- 
JBBaTtie«  (d.  i.  Mundarten  mit  Mittellauten  —  die  ältesten),  »nojry- 
mene.ireBaTtie «  (die  nur  die  Mittellaute  zwischen  c  und  c  haben,  also 
cokavische  und  cokavische)  und  »He  menejieBaTLie«  (die  einer  dialekti- 
schen Gruppe  entstammen,  welche  die  Laute  c  und  c,  k  und  5,  i  und  z 
u.  s.  w.  unterschied,  oder  in  urrussischer  Zeit  die  Mittellaute  verloren 
hatte,  s.  S.  29S).  Die  Unhaltbarkeit  dieser  Eintheilung  bewies  Akad. 
Sachmatov  in  seiner  herrlichen  Recension  über  Budde's  Buch  (im 
OriLiT-L  0  npiicyjKAemH  ./ToMOHOcoBeKoii  npeMin  bt.  1897  r.  CIIö.  1898, 
S.  25 — 73,  gedruckt  im  66.  Bande  des  CöopHHKt  der  II.  Abth.  Nr.  2, 
CIIÖ.  1900).  Als  stichhaltig  erwiesen  sich  einige  andere  Schlüsse 
Budde's  und  zwar,  dass  die  Mundarten  des  Kreises  Kasimov  in  be- 
deutendem Grade  gemischte,  nicht  reine  Mundarten  sind,  dass  die  Ein- 
wohner Autochthonen  des  Rjazan'schen  Gebietes  sind,  die  einen  starken 
Einfluss  durch  die  benachbarten  südrjazanischen  Mundarten  erfahren 
hatten.  Demnach  sind  die  Mundarten  von  Kasimov  in  ihrer  Grundlage 
nordgrossrussisch,  wurden  jedoch  durch  südliche  Mundarten  beeinflusst. 
Ihr  Akanje  ist  eine  spätere  Erscheinung,  die  vom  Süden  hereingetragen 


Die  grossruss.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1897 — 1901).     121 

worden  ist.  Endlich  erwies  Budde,  dass  die  genannten  Mundarten  in 
nächster  Verwandtschaft  zu  den  von  Vjatka  stehen  •). 

A.  A.  äachmatov  ging  in  seiner  Recension  der  Dissertation  Budde's 
noch  weiter  und  meint,  dass  man  mit  der  Zeit  mit  vollem  Grund  das 
ganze  Gebiet  von  Rjazan  dem  Nordgrossrussischen  wird  zuzählen  können. 

Der  Kampf  mit  der  Steppe  und  der  tatarische  Einfall  drängten  die 
alten  Stämme  der  ursprünglichen  Ansiedler  gegen  Norden  und  Nord- 
osten, ihre  Stelle  aber  nahmen  die  vom  Süden  und  Südosten  verdrängten 
Stämme  ein,  deren  Bewegung  den  Fall  Kievs  und  die  Uebertragung  des 
Centrums  des  russischen  Lebens  in  das  Bassin  der  Oka  zur  Folge  hatte 
(S.  6S). 

Etwas  früher  wurde  vom  Akad.  Sachmatov  eine  andere  Abhand- 
lung zur  Geschichte  des  grossruss.  Dialektes  gedruckt,  nämlich  die 
schon  erwähnten  3ByK0BtiH  ocoöeHHocTH  EjilhhhckhxI)  h  MocaJtcKHX'B 
roBopoBi.,  wo  Sachmatov  im  zweiten  Theile  (1897)  auf  Grund  von  süd- 
grossruss.  und  weissruss.  dialektologischen  Facten  über  die  Entstehung 
des  südgross- weissruss.  Akanje  und  über  das  Schicksal  des  alten 
schwachen  ^  und  irrationalen  y  (d.  i.  ti)  im  Gross -Weissrussischen 
spricht.  Das  Akanje  ist  nach  der  Ansicht  Sachmatov's  in  der  Epoche 
der  südgross -Weissrussischen  Einheit  aufgekommen,  hervorgerufen 
durch  die  Umwandlung  der  exspiratorisch- musikalischen  Betonung 
in  eine  rein  exspiratorische ,  was  der  Grund  war,  dass  die  betonte 
Silbe  vor  den  übrigen  stark  hervortrat,   die  übrigen  Silben   aber  ge- 

1)  Gegen  den  letzten  Schluss  sprach  sich  entschieden  Prof.  V.  Th.  Miller 
aus  in  seiner  sehr  strengen  Recension  über  Budde's  Buch  im  Sinorpa*.  OöospiHie 
1897,  Nr.  1 ,  S.  164— 171 .  Nach  der  Ansicht  V.  Th.  Miller's  sind  die  den  Mundarten 
von  Vjatka  und  Kasimov  gemeinsamen  dialektischen  Züge  gar  nicht  derartig, 
dass  man  auf  eine  genetische  Verwandtschaft  derselben  schliessen  müsste. 
Auch  sonst  stimmt  Prof.  Miller  mit  den  Ansichten  Budde's  vielfach  nicht 
überein.  Einigen  seiner  Einwendungen  kann  man  jedoch  schwer  beistimmen. 
So  spricht  er  sich  auf  S.  166  f.  gegen  das  Vorhandensein  des  Lautes  ö  in  dem 
Vocalismus  der  russ.  Sprache  aus  und  bemerkt,  dass  sich  ö  gegenwärtig  in 
keinem  slavischen  Dialekte  vorfindet;  dabei  wirft  er  den  russ.  Linguisten 
vor,  dass  sie  nicht  die  Bedingungen  erforscht  haben,  welche  in  einigen  leben- 
den Sprachen  den  Laut  ü  hervorgerufen  haben.  Mir  ist  nun  in  der  russischen 
Sprache  aus  den  Mundarten  von  Kaluga  secundäres  ö  aus  e  nach  erweichtem 
Consonanten  vor  harter  Labialis  (d.  i.  in  analoger  Stellung,  in  welcher  nach 
der  Meinung  des  Akad.  Ph.  Th.  Fortunatov  und  seiner  Schule  das  ü  im  All- 
gemeinrussischen und  theilweise  schon  im  Allgemeinslavischen  aufgekommen 
ist)  bekannt. 


122  N.  Durnovo, 

schwächt  wurden.  Jedoch  in  Worten,  wo  dem  Accente  einige  Silben 
vorausgingen,  bewahrte  die  vortonige  Silbe  einigen  Ton.  Die  ver- 
schiedenen Arten  des  Akanje  rtihren  von  der  Verschiedenheit  des 
Charakters  der  nachfolgenden  Laute  her,  sowie  von  der  Wechselbe- 
ziehung zwischen  der  Aussprache  des  unbetonten  Vocals  in  verschie- 
denen Stellungen.  Das  Schicksal  des  allgemeinslavischen  z  in  der  russ. 
Sprache  stellt  Sachmatov  folgen  der  massen  dar.  Das  allgemeinslavische  ^ 
ging  ins  ürrussische  als  5  oder  o  über;  vor  i  wurde  es  schon  im  ür- 
russischen  zu  einer  Art  y  (irrational).  Im  Allgemeinrussischen  fiel  ~o  in 
jeder  Stellung  aus,  worauf  statt  seiner  in  jenen  Fällen,  wo  eine  für  die 
Aussprache  unbequeme  Consonantenanhäufung  stattfand,  ein  neues  ir- 
rationales y  aufkam.  Dies  y  hatte  dann  in  den  einzelnen  Dialekten  der 
russ.  Sprache  dasselbe  Schicksal,  wie  das  y  vor  ?',  d.  i.  in  einigen  Mund- 
arten fiel  es  mit  altem  o  in  einem  Laute  0,  wenigstens  unter  dem 
Accente,  zusammen,  in  andern  behielt  es  sich  als  irrationales  y,  welches 
danach  in  y,  ö,  e  (ohne  Erweichung  des  vorausgehenden  Consonanten) 
überging. 

Im  Jahre  1899  erschien  ein  neuer  Aufsatz  des  Akad.  Sachmatov: 
Kt  Bonpocy  o6t>  oöpasoBamn  pyccKHXX  napiinH  h  pyce.  HapoAHOCTeH 
(^ypnajii,  Mhhhct.  Hapo^n.  IIpocBn;^.  1899,  April  und  im  S.-A.  S.  63). 
Gleich  gut  sowohl  mit  der  russischen  Sprache  (im  Besonderen  mit  der 
Dialektologie),  als  auch  mit  der  russischen  Geschichte  bekannt,  benutzt 
Sachmatov  in  meisterhafter  Weise  das  ihm  zugängliche  Material  und 
verknüpft  die  Entstehung  der  russischen  Dialekte  und  ihre  spätere  Ge- 
schichte mit  der  Bewegung  der  slavischen  Stämme,  welche  Russland  be- 
wohnten. Bei  dem  von  ihm  gezeichneten  Bilde  geht  er  von  dem  Ge- 
danken aus,  dass  die  in  der  altrussischen  Chronik  vorkommenden  Namen 
russischer  Stämme  den  wirklich  vorhanden  gewesenen  Stämmen  ent- 
sprachen, die  sich  nicht  nur  in  den  Sitten,  sondern  auch  in  der  Sprache 
von  einander  unterschieden:  ein  Gedanke,  den  in  seinen  Forschungen 
auch  Akad.  Sobolevskij  durchführte.  Die  Hauptresultate,  zu  denen 
Sachmatov  im  genannten  Aufsatze  kommt,  sind  folgende :  Die  russische 
Sprache  zerfiel  schon  in  ältester  Zeit  in  drei  dialektologische  Gruppen, 
welche  auch  den  Stammgruppen  des  östlichen  Zweiges  der  Slaven  ent- 
sprachen: diese  Gruppen  kann  man  eine  nördliche,  mittlere  und  südliche 
nennen  .  .  .  Die  mittelruss.  dialektische  Gruppe  theilte  sich  in  eine 
westliche  und  östliche,  die  südruss.  aber  in  eine  nördliche  und  südliche 
Hälfte  .  .  .     Die  Ereignisse  im  Süden   und  der  ungleiche  Kampf  der 


Die  grossruss.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1897 — 1901).    123 

ruhigen  russischen  Bevölkerung  mit  den  Steppenhorden  (Pecenegen, 
Polovcen,  Tataren)  rief  eine  Bewegung  und  neue  Gruppirung  der  rus- 
sischen Stämme  und  Dialekte  hervor.  Der  tatarische  Einfall  zwang  die 
Bevölkerung,  sich  in  drei  (neue)  politische  Gruppen  zu  einigen  und 
wirkte  förderlich  auf  die  Bildung  dreier  Nationalitäten  ein.  Im  Süd- 
westen führte  die  Vereinigung  des  Landes,  welche  theihveise  schon  von 
Roman  erreicht  wurde,  mit  der  Zeit  zur  Einheit  der  Nationalität,  die 
also  auf  diese  Art  aus  den  beiden  Hälften  der  südruss.  Stamm-  und 
Dialektgruppe  entstand.  Im  Nordwest  einigte  sich  das  Land  zu  Anfang 
des  XIV.  Jahrb.,  und  die  weissruss.  Nationalität  vereinigte  die  west- 
lichen Stämme  der  mittelruss.  Gruppe,  sowie  Süd-  und  Nordrussen,  die 
sich  diesen  im  Süden  und  Norden  assimilirten.  Die  Einigung  des  Landes 
im  Nordost  begann  schon  zu  Ende  des  XII.  Jahrb.,  wobei  schon  da- 
mals die  grossruss.  Nationalität  ihren  Anfang  genommen  hatte;  sie 
setzte  sich  aus  nordruss.  Stämmen,  sowie  Stämmen  beider  Theile  der 
mittelruss.  Gruppe  —  dem  westlichen  (Vjatici)  und  dem  östlichen  (Se- 
verjane)  —  zusammen.  Die  Sprache  bewahrte  jedoch  mit  besonderer 
Beharrlichkeit  ihre  Individualität:  nur  in  Moskau  und  in  einigen  Grenz- 
gebieten ,  sowie  neu  colonisirten  Ortschaften  bildeten  sich  Misch- 
dialekte; im  Allgemeinen  kann  man  aber  das  grossrussische  Volk  bisher 
nach  der  Sprache  in  zwei  Gruppen  eintheilen  —  eine  nordgrossrussische, 
welche  der  alten  nordrussischen  entspricht,  und  eine  südgrossrussische, 
die  westliche  und  östliche  Dialekte  der  mittelruss.  Gruppe  vereinigte  .  .  . 
So  sind  an  Stelle  der  drei  alten  dialektischen  Gruppen  —  der  nörd- 
lichen, mittleren  und  südlichen  —  vier  neue,  eine  nord-  und  südgross- 
russische, eine  weiss-  und  kleinrussische  getreten. 

Hinweisen  muss  mau  auch  auf  Sachmatov's  Aufsatz  «PyccKiH 
ii3LiKX«  im  SimHKjroneAHyecKÜl  ciosapL Brockhaus'  und  Efron's  (5 5. Halb- 
band, Columne  564 — 581,  CIIö.  1S99),  wo  Akad.  Sachmatov  in  ge- 
drängter Kürze  seine  Schlüsse  über  die  Entstehung  und  den  gegen- 
wärtigen Stand  der  russ.  Sprache  uud  ihrer  Dialekte  darlegt. 

Der  Geschichte  des  Moskauer  Dialektes  sind  die  letzten  Abhand- 
lungen Prof.  Budde's  im  iKypHa.ii.  Mhhiict.  Hapo^H.  üpocBim.  und  im 
lOßH-ieiiHLiii  CöopmiKx  bt.  ^leext  B.  0.  Miu-iepa  gewidmet.  Schon  in 
seiner  Doktordissertation  setzte  Budde  fest,  dass  die  Mundarten  von 
Kasimov  Mischmundarten  sind ;  Akad.  Sachmatov  bekräftigt  (in  der  Re- 
cension  der  genannten  Dissertation  und  des  OnLiTt  pycc.  AiajreKTOJioriii 
Sobolevskij's,  hauptsächlich  aber  in  der  oben  vorgeführten  Abhandlung 


124  N.  Durnovo, 

«K-B  Bonpocy  oöxioöpasoBamH  pycc.  Hapima  u.  s.  w.)  dieselbe  Ansicht 
auch  hinsichtlich  des  Moskauer  Dialektes,  wobei  er  glaubt,  dass  die 
Vermischung  nord-  und  mittelrussischer  Züge  im  Moskauer  Dialekte 
sehr  früh,  vom  Anfange  der  Erstarkung  Moskaus  an  begonnen  hat  und 
dass  die  Grundlage  dieses  Dialektes  eine  nordrussische  Mundart  bildete, 
welche  den  südgrossruss.  Vocalismus  angenommen  hatte.  Zu  ähnlichen 
Schlüssen  kommt  auch  Prof.  Budde.  Er  behandelt  die  Geschichte  des 
Moskauer  Dialektes  hauptsächlich  in  folgenden  Aufsätzen:  HicKO.ibKO 
sasröTOK'L  no  ncTopin  pycc.  asMKa  (^MHIIp.  1898,  März),  H3%  HCTopin 
pycc.  jHTepaTypHaro  asBiKa  Kornea  XVIII  h  Ha^iajra  XIX  b.  (ib.  1901, 
Februar)  und  HiKOTopLie  bliboaw  hs-l  noBAHiiinraxt  xpyAOBi.  no  bb- 
jiHKopyec.  Aia.TeKTOJioriH  (IOöhji.  CöopHHKt  bi,  tibctI.  B.  6.  MHJuepa, 
CII6.  1900).  Im  ersten  Aufsatz  macht  Budde  auf  Grund  eines  Studiums 
der  Sprache  Lomonosov's,  Sumarokovs  und  Trediakovskij's  und  ihrer 
gegenseitigen  Polemik  über  die  Sprache  sehr  scharfsinnige  (hie  und  da 
übrigens  etwas  gezwungene)  Bemerkungen  über  die  Sprache  (vor  Allem 
die  Aussprache)  der  Moskauer  in  der  Mitte  des  XVIU.  Jahrh.  unter 
anderm  weist  er  für  die  Mitte  des  XVIII.  Jahrh.  in  Moskau  die  nord- 
grossruss.  Aussprache  der  Comparativformen  {cmiÄSie  u.a.)  nach,  was 
später  durch  die  südgrossruss.  Sprechweise  (cMi.iie  u.  ä.)  verdrängt 
wurde.  In  dem  letzten  der  genannten  Aufsätze  drückt  er  die  Ansicht 
aus,  dass  man  in  Moskau  im  XIII. — XIV.  Jahrh.  eher  okavisch,  als 
akavisch  sprach ;  die  heutigen  nordgrossruss.  Züge  der  Moskauer  Mundart 
gehörten  ihr  von  jeher  an,  das  Akanje  wurde  aber  hierher  später  vom 
Süden  oder  Westen  hereingetragen,  üeberhaupt  waren  die  Südgrenzen 
des  nordgrossruss.  Dialektes  jener  Zeit  bedeutend  südlicher,  als  jetzt. 

Hierher  gehört  theilweise  auch  meine  Onncame  roBopa  ;iep. 
Ilap^eHOKi.  (s.  oben),  welches  einer  mittelgrossruss.  Mundart  gewidmet 
ist.  Ohne  hier  die  Frage  über  die  Entstehung  des  mittelgrossruss. 
Dialektes  lösen  zu  wollen  und  ohne  welche  Epochen  in  dessen  Ge- 
schichte aufzustellen ,  stellte  ich  mir  nur  zur  Aufgabe  auf  Grund  einer 
ausführlichen  Analyse  der  Laut-  und  Formenlehre  und  des  Lexicons 
genauer  das  Verhältniss  der  behandelten  Mundart  zu  den  übrigen  gross- 
russ.  festzustellen.  Dabei  stellten  sich  die  Wechselbeziehungen  der 
nord-  und  südgrossruss.  Elemente  in  dieser  Mundart,  sowie  überhaupt 
im  Mittelgrossruss.  heraus,  und  es  bestätigten  sich  noch  einmal  die  An- 
sichten Sachmatov's  und  Budde's,  dass  dem  Moskauer  Dialekte  eine 
nordgrossruss.  Mundart  zu  Grunde  liegt. 


Die  grossruss.  Dialektologie  in  den  letzten  fünf  Jahren  (1897 — 1901).    125 

Einen  Versucli,  die  Gegenwart  mit  der  Vergangenheit  zu  ver- 
knüpfen, findet  man  auch  in  der  Abhandlung  K.  Filatov's  OuepHi.  na- 
poAHLix'L  roBopoBT&  BopoHBaccKOH  ryö.  Leider  sind  seine  Excurse  in 
das  Gebiet  alter  Handschriften  oft  sehr  schwach,  üebrigens  gelang  es 
Filatov,  zu  bestimmen,  dass  schon  im  XVII.  Jahrh.  im  Gouv.  Voronez 
das  Südgrossrussische  vorhanden  war. 

A.  Kikol'skij  vergleicht  in  seiner  Beschreibung  der  Mundarten  des 
Kreises  Zizdra  (s.  oben)  deren  lautliche  Erscheinungen  mit  solchen 
anderer  nordgrossruss.  Mundarten  und  streift  auch  die  Geschichte  dieser 
Erscheinungen. 

Schliesslich  habe  ich  das  Erscheinen  zweier  neuer  Programme  zum 
Sammeln  der  Eigenthümlichkeiten  grossrussischer  Mundarten  zu  er- 
wähnen. Das  eine  wurde  von  der  zweiten  Abtheilung  der  Petersburger 
Akademie  für  russische  Sprache  und  Literatur  an  Stelle  der  vergriffenen, 
im  Jahre  1896  von  der  Abtheilung  veröffentlichten  ersten  zwei  Pro- 
gramme 1)  herausgegeben.  Das  neue  Programm  wurde  von  V.  J.  Cer- 
nysov  in  ganz  befriedigender  Weise  zusammengestellt.  Bedauern  könnte 
man,  dass  keine  Fragen  über  Wortbildung  aufgenommen  sind,  während 
in  dem  Programm  für  die  weissruss.  Mundarten,  welches  Cernysov  vor- 
lag, ein  solcher  Abschnitt  vorkommt.  Es  gibt  auch  einige  kleinere 
Mängel.  Dem  Umfange  nach  übertrifft  das  Programm  bedeutend  die 
früheren ,  und  das  ist  theilw'eise  das  Unangenehme  daran ,  da  es 
Sammler  abschrecken  kann,  obwohl  anderseits  die  Ausführlichkeit  der 
Fragen ,  die  Fülle  der  Beispiele  u.  s.  w\  die  Arbeit  des  Beobachters  er- 
leichtern und  die  Antworten  vor  zu  groben  Fehlern,  Verallgemeine- 
rungen, Ungenauigkeiten  u.  ä.  schützen. 

Um  nicht  Sammler  zu  schrecken  nnd  in  dem  Wunsche  schneller 
Nachrichten  über  die  hauptsächlichsten  Eigenthümlichkeiten  verschie- 
dener Mundarten  zu  erhalten,  veröffentlichte  auch  Akad.  Sobolevskij  in 
der  yKasaH  CTapHHa  (1901,  b.  1)  eine  kurze  »üporpaMMa  a-iä  couHpaHia 
CBiAiHÜi  0  BBjiiiKopyccKHXTE)  TOBopaxi.«  (S.  112 — 113).  Für  den  Werth 
derselben  bürgt  der  Name  des  Verfassers. 


1)  S.  die  Eecension  darüber  im  Archiv  f.  slav.  Philol.  Bd.  XXIII. 
Moskau,  15.  (28.)  Dec.  1901.  N.  Durnovo. 


Kritischer  Anzeiger. 


Stanisiaw  Ciszewski:  Ognisko.  Studyum  etnologiczne.  WKra- 
kowie,  naktadem  akademii  umiej^tnosci,  1903.  S.  VII +  238.  (Der 
Herd.  Etlinologisehe  Studie.  In  Krakau,  Verlag  der  Akademie  der 
Wissenschaften,  1903.) 

In  den  slavischen  Literaturen  gehören  solche  Werke,  die  das  reichlich 
vorliegende,  jedoch  allerorts  zerstreute  Material  über  das  allgemeine  Völker- 
leben nach  Gebühr  ausnützen  und  systematisch  behandeln,  zu  merkwürdig 
seltenen  Erscheinungen.  Der  Mangel  an  wissenschaftlicher  Verarbeitung 
macht  sich  da  mit  jedem  Tage  in  dem  Grade  fühlbarer,  als  auf  der  anderen 
Seite  die  Zahl  der  Publikationen ,  die  direkt  ans  dem  Munde  des  Volkes 
schöpfen,  immer  stärker  zunimmt.  Gerade  unlängst  lasen  wir  diesbezüglich 
eine  bittere  Aeusserung.  Die  Vorwürfe,  die  Herr  E.  Majewski  in  der  Wisla 
1903,  XVII.  760  ff.  den  polnischen  Folkloristen  macht,  dürften  sich  mit  leich- 
tem Gewissen  weit  über  die  polnischen  Grenzen  hinaus  anwenden  lassen. 

Schon  auf  Grund  dieser  Erwägung  müssen  wir  die  obengenannte  Publi- 
kation der  Krakauer  Akademie  freudig  begrüssen.  Sie  gab  da  ein  Werk  des 
durch  seine  umfassenden  Studien  erprobten  und  durch  seine  bisherigen 
Sammlungen  bekannten  polnischen  Gelehrten  Stanislaw  Ciszewski  heraus, 
der  sich  darin  die  Aufgabe  gestellt  hatte,  die  Bedeutung  des  Feuerherdes 
(ognisko)  im  Völkerleben  zu  untersuchen.  Das  gegen  8  Seiten  starke  Quellen- 
verzeichniss  klärt  uns  über  den  geographischen  Umfang  auf,  innerhalb  dessen 
der  Verfasser  sich  bewegte.  Die  weitaus  grösste  Anzahl  der  Quellen  gehört 
der  deutschen  und  der  russischen  Literatur  an,  während  von  anderen  Litera- 
turen noch  die  böhmische,  serbokroatische,  französische  und  polnische  heran- 
gezogen wurden. 

Herr  Ciszewski  wollte  offenbar  alles  in  seine  Studie  aufnehmen,  was 
immer  mit  dem  Gegenstande  vom  Standpunkte  der  allgemeinen  Ethnographie 
in  Zusammenhang  stand.  Er  beschränkt  sich  nicht  auf  ein  einzelnes  Volk 
oder  eine  bestimmte  Völkergruppe.  Der  Feuerherd  und  seine  Bedeutung  für 
die  Menschheit  überhaupt  —  das  ist  die  Aufgabe  seiner  Studie. 

Sie  zerfällt  in  zwei  Theile,  von  denen  der  erste  den  elementaren,  der 
zweite  den  socialen  Kult  des  Herdes  behandelt. 


Ciszewski  über  Ognisko,  ethnologische  Studie,  angez.  von  Pivko.    127 

Der  häusliche  Herd  bildet  mit  dem  auf  ihm  flammenden  Feuer  zusammen 
einen  Gegenstand  des  Kultes.  Mit  diesem  allgemeinen  Satze  leitet  der  Verf. 
den  ersten  Theil  seiner  Schrift  ein.  Nun  werden  kurze  Berichte  über  die 
Hochachtung  und  Verehrung  des  Herdes  bei  den  Albanesen,  Armeniern,  Kir- 
gisen. Kleinrussen,  alten  Persern,  Scythen  und  Osseten  angeführt.  Diese  eth- 
nographischen und  historischen  Quellen  entnommenen  Berichte  darf  man, 
sagt  der  Verf.,  in  die  Zahl  jener  Beweise  zählen,  die  die  Existenz  und  Allge- 
meinheit des  Herd-  und  Feuerkultes  bestätigen.  Zum  Glück,  fährt  der  Verf. 
fort,  fehlt  es  aber  auch  an  anderen  noch  specielleren  ethn.  bist.  Daten  nicht, 
durch  deren  geordnete  Zusammenstellung  wir  ein  vollständiges  Bild  dieses 
Kultes  in  seinen  verschiedenen  Formen  erlangen.  Die  psychologische  Ana- 
lyse aller  dieser  Formen  werde  dann  zum  Verständniss  jener  Grundideen 
leiten,  auf  denen  der  ganze  Herd-  und  Feuerkult  sich  aufbaut  (S.  12). 

Der  Verf.  meint  also,  dass  die  Existenz  des  Herd-  und  Feuerkultes  durch 
eine  Anzahl  anderer,  dem  Leser  schon  bekannter  Beweise  hinlänglich  er- 
wiesen sei,  —  dass  er  infolgedessen  nur  zur  Erinnerung  einige  Zeugnisse  an- 
zuführen brauchte.   Nun  folgen  jene  »specielleren  Daten«. 

Vor  allem  werden  die  Anrufungen  des  Herdes  und  des  Feuers  in  Be- 
tracht gezogen.  Dem  Herde  und  dem  Herdfeuer  werden  öfters  Epitheta  or- 
nantia  beigelegt.  So  rief  die  preussische  Braut  beim  Abschied  aus  dem 
Elternhause  dem  Herde  zu :  »Theure,  heilige  Jungfrau ! «  So  nennen  Lithauer 
stellenweise  das  häusliche  Feuer  »heilig«,  also  ganz  wie  der  alte  Römer  seine 
Göttin  Vesta,  die  Personificirung  des  Reichsherdes,  nannte.  So  betiteln 
ferner  die  Kleinrussen  das  Feuer:  »Theurer  Gast!« 

Auch  durch  Abziehen  der  Fussbekleidung,  durch  Niederknien,  durch 
Verbeugungen,  durch  Küsse  u.s.w.  wird  dem  Herde  Ehre  erwiesen.  Am  besten 
hat  sich  die  Ehrenbezeugung  in  der  Form  von  Verbeugungen  erhalten  und 
zwar  hauptsächlich  in  den  Hochzeitsgebräuchen  der  Völker. 

Der  Mensch,  der  dem  Herde  einerseits  auf  jede  mögliche  Art  Ehrerbie- 
tung zollt,  derselbe  Mensch  wird  sich  auf  der  anderen  Seite  wohl  hüten,  den 
Herd  zu  vernachlässigen  oder  ihn  vielleicht  gar  zu  beleidigen.  Vielerorts  ist 
es  nicht  erlaubt,  dem  Herde  beim  Stehen  oder  Sitzen  die  Kehrseite  zuzu- 
wenden ;  beim  Vorbeigehen  darf  die  schuldige  Verbeugung  nicht  unterlassen 
werden,  nie  darf  ferner  der  Fuss  auf  den  Herd  gesetzt  werden  u.  s.  w.  Auch 
die  Kette,  an  der  der  Kessel  über  dem  Herde  hängt,  spielt  eine  hervorragende 
Rolle.  Bei  den  Wotjaken  darf  diese  Kette  nur  im  Falle  des  äussersten  Fa- 
milienunglückes herabgenommen  werden,  da  sie  (als  Amulet)  im  Stande  sei,  das 
drohende  Unglück  abzuwenden.  Sehr  interessant  ist  die  Bemerkung,  in  wel- 
chen Ehren  eine  solche  Kette  bei  den  Osseten  sich  befindet.  In  der  gericht- 
lichen Klage  eines  Osseten  heisst  es  nämlich  charakteristisch:  »Nicht  genug, 
dass  N.N.  mir  den  Sohn  erschlagen  hatte,  —  er  warf  mir  sogar  meine  Haus- 
kette hinter  die  Thüre«. 

Auch  durch  unhöfliche  Reden  könnte  sich  das  Feuer  beleidigt  fühlen, 
falls  solche  in  seiner  Nachbarschaft  geführt  werden  (Weiss-  und  Kleinruss- 
land u.  s.  w.).  Das  Feuer  ist  ferner  zu  heilig,  als  dass  es  den  Kindern  zum 
muthwilligen  Spiele  überlassen  werden  dürfte.    Was  jedoch  diesen  letzten 


128  Kritischer  Anzeiger. 

Punkt  anbelangt,  so  darf  man  auf  die  Art  der  Warnungen  der  Eltern  kein  so 
grosses  Gewicht  legen,  wie  der  Verf.  es  thut,  da  die  Kinder  eher  aus  anderen 
natürlicheren  Gründen  vom  gefährlichen  Spiele  zurückgehalten  werden 
müssen. 

Der  Mensch  verehrt  nicht  nur  den  Herd  an  und  für  sich,  sondern  über- 
haupt alles,  was  mit  diesem  in  näherer  dauernder  Berührung  steht.  Der  Be- 
griff des  Kultes  des  häuslichen  Herdes  müsse  daher,  so  meint  der  Verfasser, 
um  ein  Bedeutendes  erweitert  werden,  da  in  denselben  der  Kult  aller  mit  dem 
Herde  in  dauernder  Berührung  stehenden  Gegenstände  aufzunehmen  ist  (S.  18). 

Darum  wird  zuerst  das  Fernhalten  scharfer  und  spitziger  Gegenstände 
und  Werkzeuge  vom  Herde  besprochen.  Das  Schüren  mit  solchen  Werk- 
zeugen wird  bei  sehr  vielen  Völkern  als  eine  strafbare  Handlung  angesehen. 
Bei  den  Mongolen  und  Burjaten  ist  es  nicht  einmal  erlaubt,  in  der  Nähe  des 
Herdes  Holz  zu  hacken.  Dass  solche  Arbeit  in  der  Nähe  lebender  Wesen  ge- 
mieden wird,  ist  natürlich  und  ganz  verständlich.  Einen  leblosen  Gegenstand 
jedoch  wie  den  Herd  können  wir  uns  kaum  einer  Verwundung  ausgesetzt 
denken.  Oder  hätte  der  ursprüngliche  Mensch  seinen  häuslichen  Herd  viel- 
leicht in  die  Kategorie  der  lebenden  Wesen  gezählt?  —  Vor  der  Beantwortung 
dieser  Frage  zieht  der  Verf.  noch  einige  andere  Eigenschaften  des  Feuers  in 
Betracht  (S.  20). 

Zwei  Momente  scheinen  dem  Menschen  beim  Feuer  am  meisten  aufge- 
fallen zu  sein,  aus  denen  er  schloss,  dass  das  Feuer  1.  die  Gabe  der  Sprache 
besitze  und  2,  der  Nahrung  bedürfe,  welche  zwei  Eigenschaften  sonst  nur 
lebenden  Wesen  zukommen.  Wenn  daher  der  ursprüngliche  Mensch  dem 
Feuer  diese  Eigenschaften  beilegte,  so  musste  er  es  noth wendiger  Weise 
unter  die  lebenden  Wesen  gezählt  haben.  Daher  scheute  er  es  auch,  in  un- 
mittelbarer Nähe  des  Feuers  seine  Arbeit  mit  scharfen  Werkzeugen  zu  ver- 
richten. 

Wie  war  der  Mensch  zu  der  Ueberzeugung  gelangt,  dass  das  Feuer  ein 
lebendes  Wesen  sei  ?  Die  verzehrende  Kraft  des  Feuers  erweckte  im  Men- 
schen die  Vorstellung  von  der  Unersättlichkeit,  vom  Hunger.  Das  Knistern 
des  verschwindenden  Holzes,  das  Lecken  der  Flamme,  das  Aufsteigen  des 
Rauches,  das  Sprühen  der  Funken  —  alle  diese  Erscheinungen  mussten  im 
Auge  des  Menschen  als  Lebenszeichen  angenommen  werden,  wogegen  ihm 
das  allmähliche  Auslöschen  des  Feuers  als  der  Tod  des  Herdes  erscheinen 
mochte  (S.  24).  —  Die  Vorstellung  des  lebenden  Herdes  wird  oft  noch  weiter 
ausgeführt,  da  sich  der  Mensch  jegliches  Leben  am  leichtesten  in  ausgepräg- 
ter plastischer  Gestalt  denkt.  Bei  sehr  vielen  Völkern  findet  man  die  Per- 
sonification  des  Feuers  uni  den  Glauben  an  die  Feuergeister  in  menschen- 
ähnlicher Gestalt  (S.  24—32). 

Im  zweiten  Abschnitt  des  ersten  Theiles  will  uns  der  Verf.  mit  ethno- 
graphischen und  geschichtlichen  Zeugnissen  die  Existenz  des  allgemeinen 
Glaubens  in  die  natürliche  ideale  Reinheit  des  Feuerelementes  beweisen.  Der 
alte  Hindu  hütete  sich,  nasses  oder  übelriechendes  Holz  auf  den  Herd  zu 
legen.  Viele  Völker  halten  Thiere,  die  in  ihren  Augen  als  unrein  gelten,  vom 
Herde  fern.  Auch  der  menschliche  Leichnam  sowie  alles,  was  vom  Menschen 


Ciszewski  über  Ognisko,  ethnologische  Studie,  angez.  von  Pivko.    129 

herrührt,  Speichel,  Urin,  Haare,  ja  sogar  der  Athem  ist  im  Stande,  den  Herd 
zu  verunreinigen.  Ebenso  sind  die  Wöchnerinnen  in  Anbetracht  der  jung- 
fräulichen Reinheit  des  Feuers  unrein.  —  Natürlich  müssen  auch  hier  alle  mit 
dem  Herde  in  dauernder  Berührung  stehenden  Gegenstände  dem  Herde 
gleich  vor  Verunreinigung  geschützt  werden,  wie  z.  B.  die  vorn  erwähnte 
Kette  (S.  50). 

Der  Glaube  an  die  angeborene  Reinheit  des  Feuers  und  des  Herdes  und 
der  Gedanke  an  die  Möglichkeit  der  Entweihung  derselben  gaben  Anlass  zu 
besonderen  Ceremonien,  die  bei  der  Reinigung  und  neuerlichen  Einweihung 
des  Herdes  vorgenommen  werden.  Solche  Reinigungen  fanden  bei  den 
Parsen,  Indern,  Griechen  und  Römern  statt.  Am  weitesten  gingen  hierin 
wohl  die  Römer,  die  die  Bewachung  des  Reichsfeuers  im  Heiligthum  der 
Vesta  den  vestalischen  Jungfrauen  überliessen.  Logisch  schlössen  sie,  dass 
der  Jungfräulichkeit  des  heil.  Feuers  nur  die  allerreinsten  Wesen  dienen 
dürfen.  —  Es  bleibt  jedoch  immerhin  merkwürdig,  dass  unter  den  Alten 
einzig  und  allein  die  Römer  auf  den  Gedanken  gekommen  waren,  Vestalinnen 
einzusetzen. 

Die  Ueberzeugung  von  der  idealen  Reinheit  des  Herdes  und  des  auf  ihm 
brennenden  Feuers  führte  zu  dem  Schlüsse,  dass  das  Feuer  als  ein  ausge- 
zeichnetes Mittel  zur  Tilgung  der  Makel  an  entweihten  Wesen  und  Sachen 
dienen  könnte,  dass  es  sich  vorzüglich  zur  Reinigung  eigne.  Dass  in  der 
That  viele  Völkerschaften  diese  Kraft  des  Feuers  ausnützen  wollten,  davon 
gibt  uns  die  ungemein  starke  Verbreitung  der  Feuerreinigungsmethoden  den 
besten  Beweis.  Solche  Reinigungsgebräuche  existiren  bis  auf  unsere  Tage 
(S.  57). 

Mittels  Feuers  ist  man  im  Stande,  ansteckende  Krankheiten  von  Leuten 
und  Thieren  abzuwenden.  Die  Kraft  des  Feuers  als  Reinigungs-  und  Ver- 
sicherungsmittel gegen  die  Krankheit  ist  so  gross,  dass  oft  nur  die  Anwesen- 
heit des  Feuers  vollständig  genügt,  um  dem  Uebel  den  Zutritt  zu  den  Men- 
schen zu  verwehren.  Viele  Völker  sind  der  Meinung,  dass  z.  B.  im  Wochen- 
zimmer ohne  Unterbrechung  ein  Feuer  unterhalten  werden  muss,  um  die 
Mutter  und  das  neugeborene  Kind  vor  bösen  Geistern  zu  schützen.  Femer 
lässt  das  Feuer  am  Herde  das  Einschlagen  des  Blitzes  nicht  zu. 

Dieses  Vermögen  wurde  bisher  dem  Herde  als  dem  Ganzen  zugeschrie- 
ben. Infolge  der  Idee  der  sympathischen  Vererbung  jedoch  und  vielleicht 
auch  gewisser  praktischer  Rücksichten  wegen  dehnten  einige  Völker  diese 
Kraft  auch  auf  Theile  des  Herdes  im  weitesten  Sinne  des  Wortes  aus,  so  auf 
Asche,  Kohle,  schliesslich  auch  auf  Kesselruss  und  Kaminthon  (S.  68).  Diese 
Vererbung  der  Reinigungskraft  kann  noch  weiter  verfolgt  werden.  Der  Verf. 
zeigt  nämlich  in  vielen  Beispielen,  dass  Fackeln,  Kohle  und  Asche  die  vom 
Herde  vererbte  Kraft  auch  anderen  Dingen  mittheilen  können,  wie  z.  B.  dem 
Wasser. 

Bei  primitiven  Kulturvölkern  werden  Verbrechen  und  Vergehen  eben- 
falls mittels  Feuers  gesühnt,  da  in  den  Augen  solcher  Völker  der  Begriff  des 
Verbrechens  mit  jenem  der  Unreinheit  unzertrennlich  verbunden  ist.  Einem 
Verbrecher  müsse  man  womöglich  aus  dem  Wege  gehen  und  den  geselligen 

.Vrchiv  für  slavische  Philologie.    XXVU.  9 


130  Kritischer  Anzeiger. 

Verkehr  mit  ihm  bis  zur  Wiedererlangung  der  Eeinheit,  die  durch  die  Ver- 
mittelung  des  unbefleckten  Feuers  am  ehesten  zu  bewerkstelligen  sei,  gänz- 
lich einstellen.  So  kommt  es,  dass  dem  Herde  und  dem  Feuer  in  den  soge- 
nannten Gottesurtheilen,  in  Schwüren  und  in  allerlei  Betheuerungen  und  Be- 
schwörungen eine  so  wichtige  Rolle  zufiel.  Dies  ist  jedoch  im  Grunde  ge- 
nommen nur  eine  besondere  Abart  der  allgemein  verbreiteten  Feuerreinigungs- 
methoden. Hier  stellt  der  Verf.  einige  Zeugnisse  über  Betheuerungen  und 
Schwüre  im  Namen  des  Feuers  zusammen,  mit  denen  viele  Stämme  die  Wahr- 
heit der  Aussagen  bekräftigen  wollen  (S.  78). 

Im  dritten  Abschnitt  beschäftigt  sich  der  Verf.  mit  der  Sammlung  der 
Zeugnisse  über  die  Nothwendigkeit  einer  steten  und  ununterbrochenen  Pflege 
des  häuslichen  Herdes  —  der  einfachsten  Form  des  elementaren  Feuerkultes. 
Die  Pflege  des  Feuers  besteht  hauptsächlich  aus  der  Sorgfalt,  mit  der  man 
wohl  bei  allen  Völkern  mit  dem  Feuer  umzugehen  sich  bestrebt  (Zusammen- 
fegen der  Glut,  Zudecken  derselben  u.  s.  w.).  Man  scheut  es,  das  Feuer  aus- 
zulöschen. Die  Beschüttung  der  Glut  mit  Asche  erscheint  dem  Verf.  aus  ur- 
alten heidnischen  Kultgebräuchen  zu  stammen,  während  er  die  Beschüttung 
mit  Salz  und  Kümmel  (Hessen)  als  einen  viel  später  eingedrungenen  Gebrauch 
bezeichnen  möchte,  der  auf  rein  christlichen  Ursprung  hindeute.  — 

Bei  der  Existenz  des  allgemeinen  Prinzips  der  sorgfältigen  steten  Pflege 
des  Feuers  kann  man  sich  jene  Vorschriften,  die  die  entgegengesetzte  Hand- 
lungsweise verbieten,  leicht  erklären.  Hierher  gehört  das  Verbot  des  Aus- 
einanderschürens  und  des  Feuerlöschens  mittels  Wasser,  welch'  letzteres 
mehrere  Erklärungen  zulässt.  Jene  Völker,  bei  denen  das  Feuer  und  das 
Wasser  als  einander  völlig  entgegengesetzte  Elemente  gelten  oder  als  zwei 
Brüder  zueinander  im  Verwandtschaftsverhältniss  stehend  angesehen  werden 
(Parsen,  Armenier  u.s.w.),  lassen  keine  Berührung  beider  Elemente  zu,  da  es 
einem  Brudermorde  gleichzustellen  wäre,  falls  das  Feuer  unter  Wasser 
stürbe.  —  Noch  öfters  treffen  wir  das  Verbot  des  Feuerlöschens  überhaupt 
an,  da  man  hierdurch  das  Feuer  des  Lebens  beraube,  was  dem  Prinzip  der 
Feuererhaltung  und  Feuerverehrung  widerspricht.  (Das  Zudecken  mit  Asche 
ist  kein  Löschen,  vielmehr  Streben  zur  Erhaltung  des  Feuers  S.  87.) 

Das  Zulegen  von  Holz  bildet  die  eigentliche  Erhaltung,  gleichsam  Fütte- 
rung des  Feuers.  Das  Holz,  das  der  Mensch  den  Flammen  zum  Verzehren 
vorlegt,  ist  Gabe  und  Opfer  zugleich  —  wohl  die  einfachste  Opferform,  die 
der  Mensch  dem  Feuerelement  darbringt.  Die  Idee,  dem  Herde  vollkommenere 
Opfer  in  der  Form  von  Speise  und  Trank  zu  widmen,  muss  man  mit  der  Vor- 
stellung des  personificirten  lebenden  Herdes  in  Verbindung  bringen,  die  die 
einfache  Abspeisung  mit  Kolz  als  ungenügend  finden  musste  (S.  95). 

Im  zweiten  Theile  bespricht  der  Verf.  die  socialen  Funktionen  des  Her- 
des, um  uns  in  das  Wesen  des  gemeinsamen  Herd-  und  Feuerkultes  einzu- 
führen. Der  Herd  ist  ein  vereinigendes  sociales  Centrum.  Personen,  die  zu- 
sammen einen  gemeinschaftlichen  Herd  besitzen,  befinden  sich  infolgedessen 
zu  einander  im  Solidaritätsverhältniss  und  heissen  Herdgenossen.  In  erster 
Linie  muss  die  Familie  als  eine  solche  Gruppe  genannt  werden,  sowohl  die 
engere  als  auch  die  erweiterte,  sog.  patriarchalische  Familie.  In  den  Kreis  der 


Ciszewski  über  Ognisko,  ethnologische  Studie,  angez.  von  Pivko.    131 

Herdgenossen  treten  ferner  noch  Schutz  suchende  Personen,  Sklaven,  Diener- 
schaft, Lehrlinge,  ja  sogar  Hausthiere. 

Dieselbe  Rolle  des  vereinigenden  Centrums  übernimmt  der  Herd  in 
grösseren  Gruppen  der  Geschlechter  und  Stämme. 

Die  Aufnahme  in  die  Genossenschaft  geschieht  stets  unter  besonderen 
symbolischen  Ceremonien.  Selbst  die  der  Genossenschaft  entsprossenen 
Personen  müssen  sich  als  Herdgenossen  symbolisch  legitimiren,  da  ihre 
Genossenschaftsrechte  durch  Geburt  allein  nicht  gesichert  sind.  Fast  überall 
treffen  wir  in  den  Geburts-  und  ganz  besonders  in  den  Hochzeitsgebräuchen 
solche  Legitimirungen,  die  heute  vom  Volke  meistens  nicht  mehr  verstanden 
werden.  —  Fremde,  von  aussen  kommende  Personen  müssen  einen  zweiten 
Weg  zur  Erlangung  der  Herdgenossenschaftsrechte  betreten,  den  der  Adop- 
tirung.  Auf  diesen  Abschnitt  hat  der  Verf.  ganz  besonderen  Flelss  verwen- 
det und  ihn  viel  reichlicher  mit  Zeugnissen  belegt  als  die  übrigen  Theile. 
Hier  möge  der  kurze  Hinweis  genügen  (S.  99 — 159). 

Der  ursprüngliche  Mensch  dachte  sich  das  jenseitige  Leben  ganz  dem 
hiesigen  analog.  So  kommt  es,  dass  er  der  Meinung  war,  dass  sich  die  Seelen 
der  Ahnen  in  den  elyseischen  Feldern  geradeso  wie  ihre  lebenden  Nachkom- 
men auf  Erden  nach  Herdgenossenschaften  gruppiren.  Die  Bedürfnisse  der 
Todten  sind  natürlich  ganz  menschlicher  Art,  vor  allem  müssen  sie  essen  und 
trinken.  Sie  werden  befriedigt,  wenn  man  ihnen  auf  den  Herd  Speisen  wirft 
und  Tropfen  der  Getränke  giesst.  Der  Herd  vertritt  hier  die  Stelle  des  Al- 
tars, übt  also  die  Funktion  des  Vermittlers  zwischen  der  irdischen  und  jen- 
seitigen Herdgenossenschaft  aus. 

Vom  Herde  ist  schliesslich  das  ganze  Geschick  der  Herdgenossenschaft 
abhängig,  sein  Leben  sichert  dieser  ein  gutes  Gedeihen,  während  sein  Tod 
(beim  Erlöschen)  das  Absterben  der  ganzen  Gruppe  zur  Folge  haben  müsste. 

Stark  angewachsene  Genossenschaften  unterliegen  dem  natürlichen 
Spaltungsprocess.  Vom  Muttergeschlecht  lösen  sich  neue  Flügel  ab,  von  der 
grossen  patriarchalischen  Familie  trennen  sich  neue  Familien  des  gewöhn- 
lichen Typus  und  aus  dem  Stamme  treten  einzelne  Kolonistengruppen  heraus 
u.  s.  w.  Mit  diesen  Spaltungen  hängen  sehr  interessante  Ceremonien  zusam- 
men, bei  denen  der  Herd  und  das  Feuer  eine  wichtige  Rolle  spielen.  Dem  abwei- 
chenden Flügel  wird  etwas  Glut  aus  dem  mütterlichen  Familien-,  Geschlechts- 
oder Stammesherde  mit  in  die  neue  Heimat  gegeben,  damit  sich  die  neue 
Gruppe  ein  festes  neues  Centrum  schaffe.  Der  alte  Herd  verleiht  Glück  und 
Wohlergehen.  Damit  hängt  auch  die  Meinung  zusammen,  dass  durch  die 
Entwendung  des  Feuers  aus  dem  Herde  der  Genossenschaft  zugleich  das 
Glück  entwendet  werde.  Viele  Völker  weigern  sich  deshalb,  fremden  Per- 
sonen das  Feuer  herauszugeben.  Dieser  Glaube  herrscht  selbst  bei  den  vor- 
geschrittensten europäischen  Nationen. 

Der  gemeinsame  Herd-  und  Feuerkult  hat  überall  in  der  allgemeinen 
socialen  Evolution  der  betreffenden  Stämme  seinen  Grund.  Mit  diesem  Be- 
weis und  mit  einem  Anhang  über  den  Namen  des  Herdpatrones  bei  den  Os- 
seten, Safa,  schliesst  die  Schrift  (S.  238). 

Hiermit  habe  ich  den  reichen  Inhalt  der  Studie  nur  in  den  allgemeinsten 

9* 


132  Kritischer  Anzeiger. 

Zügen  angedeutet.  Eine  jede  der  aufgestellten  Behauptungen  wird  durch 
zahlreiche,  lose  aufeinanderfolgende  Zeugnisse  beleuchtet.  Mit  dieser  Me- 
thode des  Verf.  können  wir  uns  nicht  ganz  befreunden.  Er  gelangt  wohl  zu 
schönen  Resultaten,  doch  sind  diese  durch  einen  aus  zusammengewürfelten 
Steinen  verschiedenster  Art  zu  Stande  gekommenen  künstlichen  Aufbau  er- 
zielt. Der  Verf.  hat  nämlich  in  seiner  Studie  der  Herbeiziehung  von  bist,  und 
ethnogr.  Zeugnissen  keine  Grenzen  gesetzt  und  auf  Grund  seiner  Sammlungen, 
die  zwar  sehr  mannigfaltig  sind,  aber  keineswegs  auf  irgendwelche  Vollstän- 
digkeit Anspruch  erheben  können,  gleich  eine  Gesammtdarstellung  der  Be- 
deutung des  Herdes  im  Völkerleben  zu  geben  unternommen.  Daher  kommt 
es,  dass  die  Schwierigkeiten,  die  bei  der  Abfassung  ähnlicher  Werke  stets 
auftreten,  selbst  durch  den  ausserordentlichen  Fleiss  des  Verf.  nicht  beseitigt 
werden  konnten.  Die  Studie  ist  unvollständig,  wie  es  bei  diesem  Plane 
anders  nicht  sein  kann.  Ausserdem  lässt  seine  Schrift  nicht  erkennen,  auf 
welche  Vorarbeiten  er  sich  dabei  stützte.  In  dem  Gebotenen  war  er  gezwungen , 
sich  einen  jeden  einzelnen  Baustein  selbst  zu  holen.  Dabei  bekommt  man 
öfters  den  Eindruck,  dass  er  von  seinem  Bestreben  nach  Allgemeinmensch- 
lichem geleitet  in  wildfremden  Gebieten  herumstreift,  ohne  vorher  das  ein- 
heimische, näher  liegende  Material  gehörig  ausgenützt  und  erschöpft  zu 
haben.  Fast  alle  Völker  sind  in  der  bunten  Studie  vertreten,  das  eine  mehr, 
das  andere  weniger,  je  nach  dem  Glück,  welches  den  Verf.  auf  der  Suche 
nach  Zeugnissen  begleitete.  Aber  wir  sind  nicht  in  der  Lage,  uns  nur  ein 
einziges  vollständiges  Bild  zu  machen,  woraus  der  ganze  Werth  und  die 
wahre  Bedeutung  des  Feuerherdes  bei  irgendeinem  Volke  klar  zu  ersehen 
wäre.  Man  wird  jetzt  wohl  an  Specialuntersuchungen  in  kleinen  festen 
Grenzen  denken  müssen,  um  auf  solcher  Grundlage  der  Bedeutung  des 
Feuerherdes  im  allgemeinen  Völkerleben  sichere  Stützen  zu  liefern.  Bevor 
dies  nicht  geschieht,  wird  jeder  derartige  grosse  Versuch  gewagt  sein. 

Aber  selbst  die  als  Quellen  angeführten  Werke  wurden  in  der  vorliegen- 
den Studie  nicht  immer  ganz  ausgenützt.  Ueber  Altserbien  besitzen  wir  —  um 
ein  Beispiel  anzuführen  —  ein  in  ethnographischer  Beziehung  grundlegendes 
Werk  von  I.  S.  Jastrebov,  Oöbi^an  h  nicHU  lypeuKuxt  CepöoBi.,  IItö.  1S86  (Ge- 
wohnheiten und  Lieder  der  türkischen  Serben,  Ptb.  1886),  dem  wir  nur  we- 
nige ähnliche  Arbeiten  zur  Seite  stellen  können.  H.  Ciszewski  führt  dieses 
Werk  unter  seinen  Quellen  an  und  erwähnt  es  an  4  Stellen  der  Studie.  Wie 
viele  Stellen,  die  den  Herd  betreffen  und  die  wenigstens  ebenso  wichtig  sind 
wie  die  angeführten,  wurden  da  gänzlich  unberücksichtigt  gelassen! 

Auf  der  anderen  Seite  hat  der  Verf.  Exkursen,  die  gar  nicht  in  das 
Werk  gehören,  Raum  geboten.  Auf  S.  42  spricht  er  von  der  Entweihung  des 
Herdes  durch  die  Anwesenheit  einer  Wöchnerin.  Dieser  Punkt  gibt  ihm  zu 
einer  breiten  Darstellung  Anlass,  in  welcher  er  (auf  beinahe  10  Seiten)  den 
Beweis  zu  erbringen  sucht,  dass  viele  Völker  das  Weib  allgemein  und  zu 
gewissen  Zeiten  für  besonders  gefährlich  und  unheilbringend  halten.  Das 
Werk  ist  ja  aber  »Ognisko«  betitelt ! 

Dessenungeachtet  fesselt  die  grosse  Fülle  von  interessanten  geschicht- 
lichen und  ethnographischen  Daten  und  der  leichte  erzählende  Ton  den 


Surmin's  Wiedergeburt,  angez.  von  V.  Jagic.  133 

Leser  im  hohen  Grade.  Auch  wird  die  Studie  bei  weiteren  Forschungen  auf 
diesem  Gebiete  ein  gutes  Hilfsmittel  abgeben  und  als  solches  begrüsseu 
wir  sie.  Ludwig  Pivko. 


V 

Hrvatski  preporod.    Napisao  Büro  Surmin  (Die  kroatische 

Wiedergeburt  von  Universitätsprofessor  Gjuro  Surmin)  I.  Od  godine 

1790  do  1836.    Zagreb  1903.    8^.    VII.    203,  043.    II.  Od  godine 

1836  do  1843.   Zagreb  1904.   8«.   287,  040. 

Die  russische  und  polnische  Literatur  hatten  sich  früher  mit  der  unter 
dem  Namen  des  Illyrismus  bekannten  kulturpolitischen  Bewegung  befasst, 
als  zu  Hause  selbst,  in  Kroatien,  dieser  wichtige  Abschnitt  des  Kulturlebens 
seinen  Bearbeiter  gefunden.  Ueber  die  betreffenden  Werke  Kulakowskij's 
und  Zdziechowski's  wurde  im  Archiv,  B.  XVII,  S.  304— 306  und  B.  XXV, 
S.  317 — 320  kurz  berichtet.  Um  so  mehr  ist  es  jetzt  die  Pflicht  der  Zeitschrift 
auch  das  Hauptwerk,  das  bereits  zwei  Bände  umfasst  und  bis  zum  Schluss 
des  Jahres  1842  reicht,  einer  Besprechung  zu  unterziehen.  Es  war  in  der 
That  schon  beim  Erscheinen  des  ersten  Bandes  ein  berufener  Referent  in  Aus- 
sicht genommen,  dessen  andauernde  Krankheit  leider  sowohl  unsere  Zeit- 
schrift um  einen  kritischen  Beitrag,  aber  auch  den  Verfasser  des  Werkes  um 
verdiente  Anerkennung  gebracht  hat.  Das  Werk  Prof.  Surmin's  beabsichtigt, 
wie  es  auch  anders  kaum  möglich  wäre,  das  ganze  geistige  Leben  der  Kroaten 
in  der  Periode  zwischen  1790  und  1850,  in  welche  Zeit  der  Kampf  um  die 
Rechte  der  Sprache  und  Nationalität  und  um  die  politische  Sonderstellung 
innerhalb  der  Länder  der  ungarischen  Krone  fällt,  in  zusammenhängender 
Erzälung  zu  schildern,  abwechselnd  bald  das  Bild  der  politischen  bald  der 
literarischen  Zustände  uns  vorzeigend.  Die  zur  Pflege  und  Sicherung  der 
Nationalsprache  verlangten  Garantien,  durch  die  nationale  Bewegung  der 
Magyaren  zu  Gunsten  ihrer  Sprache  hervorgerufen,  nahmen  früher  eiuen 
politisch-nationalen  als  literarisch-kulturellen  Charakter  an.  In  Agram  und 
Pressburg  kamen  zuerst  in  den  politischen  Versammlungen  der  Stände  diese 
Fragen  zur  Sprache.  Die  Kroaten  als  die  Schwächeren  wehrten  lange  Zeit 
den  aggressiv  auftretenden  Magyarismus  so  ab,  dass  sie  sich  hinter  die 
Schutzmauer  der  althergebrachten  Herrschaft  der  lateinischen  Sprache  ver- 
krochen, wobei  die  Abneigung  vor  Concessionen  an  den  dritten  und  vierten 
Stand  nicht  die  letzte  Rolle  spielte.  Der  Illyrismus  war  nur  ein  späterer  Ein- 
schlag in  dieser  Bewegung,  seitdem  sie  beinahe  unbewusst  eine  demokratische 
Richtung  annahm.  Freilich  verschaffte  gerade  das  der  ganzen  Bewegung 
eine  grössere  Tragweite,  eine  neue  Idee  bemächtigte  sich  ihrer,  die  den 
Kämpfern  um  das  natürliche  Recht  der  Nationalität  festeren  Boden  gab  und 
zahlreiche  Kampfgenossen  zuführte.  Die  Idee  kulminirte  nicht  in  dem  Auf- 
sehen erregenden  Namen,  wenn  auch  dieser  am  heftigsten  bekämpft  wurde. 
Der  Bureaukratismus  hatte  sich  wieder  einmal  gewaltig  getäuscht,  wenn  er 
mit  dem  Verbot  des  Namens  auch  die  Idee  glaubte  eonfisciren  zu  können! 


134  Kritischer  Anzeiger. 

Die  Idee  verfolgte  sprachlich-literarische  Einigung  der  bisher  in  provinzieller 
Isolirtheit  vegetirenden  Theile  des  Ganzen,  worunter  man  zanächst  an  Kro- 
atien, Slavonien  nebst  der  Militärgrenze  und  Dalmatien  dachte,  die  kühner 
dem  Flug  ihrer  Phantasie  folgenden  gingen  auch  weiter  und  rechneten  das 
österreichische  Illyrien  dazu,  ferner  Bosnien  und  selbst  Serbien,  Montenegro 
und  sogar  Bulgarien.  Die  Hauptverfechter  dieser  Idee,  die  Provinzialkroaten 
mit  Agram  an  der  Spitze,  hatten  dabei  allerdings  ein  in  der  slavischen  Welt 
selten  begegnendes  Opfer  der  Selbstverläugnung  gebracht,  sie  entsagten 
ihrem  seit  zwei  Jahrhunderten  literarisch  gepflegten  Localdialect  zu  Gunsten 
der  sie  umgebenden  Majorität,  wobei  ihnen  namentlich  das  hohe  Ansehen  der 
einstigen  Republik  Ragusa  mit  ihren  klassischen  Dichtern  vorschwebte.  Aber 
anders  ging  es  nicht.  Nur  um  dieses  vernünftige  Opfer  war  das  schöne  Ziel  der 
literarischen  Einigung  erreichbar.  Als  Entschädigung  dafür  bekamen  sie  nach- 
her, nachdem  sich  die  Verhältnisse  geklärt  hatten,  statt  des  todten  ihren  leben- 
den ethnischen  Namen  zurück,  mit  einer  kleinen  Aenderung  in  der  Form:  die 
raagyarisirte  Benennung  Horvat,  horvatski  wurde  durch  den  einheimischen 
Namen  Hrvat,  hrvatski  ersetzt.  Wenn  man  jetzt  an  der  Hand  der  beiden 
Bände  des  Werkes  Surmin's  die  gewaltigen  Schwierigkeiten  sich  vergegen- 
wärtigt, die  sich  von  innen  und  aussen  kommend  gegen  die  dem  Illyrismus 
zu  Grunde  liegende  Idee  aufthürmten  und  doch  glücklich  überwunden 
wurden,  so  wird  man  ohne  Uebertreibung  sagen  dürfen,  hier  habe  einmal  die 
innere  Wahrheit  der  Sache  zum  Siege  verholfen.  Ja  wie  so  zum  Siege ,  wird 
man  sagen,  da  ja  der  Illyrismus  vom  Schauplatz  verschwunden,  höchstens 
vielleicht  noch  in  der  k.  und  k.  österr.-ungar.  Marineakademie  zu  Fiume  als 
Lehrgegenstand  fortlebt.  Das  ist  allerdings  richtig  und  doch  fühlt  es  jeder 
unbefangene  Beurtheiler  jener  denkwürdigen  Epoche,  dass  mit  der  Beseiti- 
gung des  Namens  das  Wesen  der  Sache  selbst  keinen  Schaden  erlitten  hat. 
Ja  das  gewonnene  Resultat  steht  so  fest,  mit  jedem  Decennium  fester,  dass 
es  selbst  Bürgschaften  für  die  weitere  Evolution  jener  Idee  in  sich  schliesst. 
Doch  kommen  wir  zum  Werk  ^urmin's.  Ich  halte  es  für  eine  sehr  zeit- 
gemässe,  dankenswerthe  und  im  Ganzen  wohlgelungene  Publikation,  die 
namentlich  der  heutigen  jüngeren  Generation  viel  Belehrung  zuführen  dürfte, 
die  sie  aus  keinem  anderen  Werk  in  gleicher  Ausführlichkeit  schöpfen  kann. 
Einiges  zur  Sache  hatte  allerdings  der  80.  Band  des  Agramer  akademischen 
»Rad«  geliefert.  An  das  dort  Gebotene  wird  auch  hier  angeknüpft.  Soll  ich 
von  diesem  Gesichtspunkte  ausgehend  einige  Worte  über  die  Leistung 
Surmin's  sagen,  so  muss  ich  ihm  die  Anerkennung  zollen,  dass  er  mit  grosser 
Gewissenhaftigkeit  das  ihm  zugänglich  und  bekannt  gewesene  Material  ver- 
wertet und  unter  Abwägung  aller  Umstände  ein  möglichst  treues,  objectiv 
gehaltenes  Bild  der  Thatsachen  und  Verhältnisse  zu  entwerfen  bemüht  war. 
Es  ist  damit  nicht  gesagt,  dass  er  überall  die  Ereignisse  erschöpfend  be- 
handelt. Er  scheut  sich  nicht,  öfters  selbst  auf  die  Lücken  in  unseren  bis- 
herigen Kenntnissen  der  Thatsachen  und  Motive  hinzuweisen.  Neue  Quellen, 
neue  Documente,  die  gewiss  noch  in  Ungarn  und  Oesterreich  in  nicht  geringer 
Zahl  stecken  mögen,  werden  mit  der  Zeit  die  eine  oder  andere  dieser  Lücken 
auszufüllen  helfen.   Schade,  dass  man  hinzufügen  muss,  dass  auch  von  den 


Surmin's  Wiedergeburt,  angez.  von  V.  Jagid.  I35 

dem  "Verfasser  zugänglich  gewesenen  Archivalien  und  autobiographischen 
Aufzeichnungen  oder  Memoiren  viele  noch  immer  das  Licht  der  Oeffentlich- 
keit  zu  scheuen  scheinen.  Oder  soll  ich  die  Epigonen  der  Indolenz  anklagen, 
dass  sie  sich  um  die  monographische  Behandlung  solcher  Fragen,  aus  denen 
ein  Werk  wie  das  Surmin's  hervorgeht,  gar  nicht  kümmern?  Niemand  wird 
auffallend  finden,  dass  der  Verfasser  in  den  Partien  seines  Werkes,  wo 
Gegensätze  der  magyarischen  und  kroatischen  Auffassung  hervortreten ,  den 
kroatischen  Standpunkt  einnimmt.  Er  ist  unbefangen  genug  in  vielen  anderen 
Punkten,  die  nicht  die  Magyarisirungstendenzen  betrafen,  der  energischen 
Vertretung  der  constitutionellen  Rechte  seitens  derselben  Magyaren  volle  An- 
erkennung zu  zollen.  Vielleicht  hätte  man  hier  und  da  ein  näheres  Eingehen 
auf  die  Argumentation  der  Gegenpartei  erwarten  können,  um  den  Lesern 
auch  die  Kehrseite  des  Bildes  zu  zeigen.  Es  ist  mitunter  sehr  belehrend,  den 
Gesichtspunkt  des  Gegners  zu  kennen. 

Um  auf  den  Inhalt  einzelner  Kapitel  näher  einzugehen,  möchte  ich  be- 
treflfs  des  ersten  die  Bemerkung  mir  erlauben,  dass  in  diesem  die  schwäch- 
liche Vertretung  der  kroatischen  politisch-nationalen  Individualität  zwischen 
1790  und  1830  viel  zu  kurz  behandelt  wird.  Es  scheint  fast,  als  ob  der  Ver- 
fasser hier  auf  die  Wiedergabe  der  Ansichten  Anderer  (z.  B.  Smiciklas)  sich 
hätte  beschränken  wollen.  Ich  befürchte,  dass  so  manchem  jüngeren  Leser 
des  Buches  das  ganze  Bild  der  jämmerlichen  Zustände  jener  vierzig  Jahre 
nicht  klar  genug  vor  die  Augen  treten  wird.  Und  doch  wie  wichtig  waren  die 
Ereignisse,  die  sich  während  jener  Zeit  abspielten.  Die  Einflüsse  des  Jose- 
phinismus, die  französische  Herrschaft,  die  Reaction.  War  man  in  Kroatien 
so  stumpfsinnig,  dass  alle  diese  Ereignisse  an  Zeitgenossen  wirkungslos  ab- 
prallten? Das  zweite  Kapitel,  das  parallel  zum  ersten  die  literarischen  Be- 
strebungen jener  Zeit  zur  Sprache  bringt,  befriedigt  mehr,  und  doch  fällt  es 
auf,  dass  der  Verfasser  keinem  einzigen  Slavonier  dieser  Zeit  eine  gleiche 
Aufmerksamkeit  schenkte,  wie  den  kajkavischen  Schriftstellern.  Ein  Krm- 
potic,  Lanosovic,  Cevapoviö  u.  A.  werden  gar  nicht  erwähnt,  ein  Katancic, 
Reljkovic,  Maudic,  Nagy  nur  ganz  kurz.  Das  dritte  Kapitel,  das  mit  dem 
politischen  Leben  während  der  Jahre  1830 — 1835  uns  vertraut  machen  soll, 
bleibt  ebenfalls  hinter  dem  nächstfolgenden  literarischen  Bild  derselben  Zeit 
weit  zurück.  Ob  die  Ueberschrift ,  die  ihm  der  Verfasser  vorlegte :  »Hrvati 
odlucuo  braue  stara  svoja  prava«  wirklich  gerechtfertigt  ist,  will  ich  dahin- 
gestellt sein  lassen.  Einzelnen  Namen,  wie  Graf  Janko  Draskovic  oder  Derkos, 
die  mit  politischen  Broschüren  die  Gesellschaft  zur  Vertheidigung  ihrer  natio- 
nalen Rechte  aufrütteln  wollten,  steht  die  Energielosigkeit  vieler  Anderer 
gegenüber,um  von  verblendeten  Vertheidigern  des  gegnerischen  Standpunktes 
in  der  Art  eines  Salopek  gar  nicht  zu  reden.  Das  Hauptgewicht  des  ersten 
Bandes  fällt  auf  das  vierte  und  letzte  Kapitel,  das  die  literarische  Thätigkeit 
zwischen  1830  und  1835  behandelt,  auf  S.  114— 223,  also  die  Hälfte  des  ganzen 
Bandes  umfasst.  Die  Ausführlichkeit  dieses  Kapitels  erklärt  sich  daraus, 
dass  hier  der  Hauptheld  der  ganzen  Bewegung,  Ljudevit  Gaj,  und  zwar  zu- 
nächst mit  seinen  Jugendjahren  zur  Darstellung  kommt.  Wenn  wir  auch 
nicht  viel  neues  erfahren,  sind  die  biographischen  Daten  doch  hübsch  gruppirt 


1 36  Kritischer  Anzeiger. 

und  die  Eindrücke,  die  der  schwärmerische  Jüngling  aus  seinem  lebhaften 
Verkehr  mit  Landsleuten  und  anderen  Slaven  auf  seiner  Studienreise  gewann, 
recht  anschaulich  dargestellt.  Allerdings  möchte  ich  mich  auf  seine  auto- 
biographischen Notizen  nicht  ganz  verlassen,  Gaj  liebte  seinen  einzelnen 
Schritten  und  Entschlüssen  poetische  Verklärung  beizulegen  oder  sie  in 
einem  höheren  Lichte  erscheinen  zu  lassen.  Ich  erinnere  mich  einer  Er- 
zählung seiner  Freunde,  wie  er  einmal  in  Zagorien  bei  einem  trostlosen  Weibe, 
dessen  Kind  gefährlich  krank  war,  die  Rolle  des  Heilandes  spielen  wollte, 
doch  versagte  der  Erfolg.  Er  mag  öfters,  halb  unbewusst,  solche  Rollen  ge- 
spielt haben,  die  vielleicht  auch  seinen  Fall  zuletzt  mitverschuldeten.  Das 
Buch  ^urmin's,  ohne  gerade  in  einen  Fanegyrikus  auf  Gaj  auszuarten,  lässt 
ihm  volle  Gerechtigkeit  widerfahren.  Ich  rechne  ihm  das  hoch  an.  Er  legte 
keinen  einseitigen  Massstab  auf  die  Beurtheilung  dieses  merkwürdigen 
Mannes  an:  weder  als  Schriftsteller,  noch  als  Gelehrter,  noch  weniger  als 
Dichter  leistete  Gaj  Bedeutendes.  In  jeder  von  diesen  Beziehungen  waren 
ihm  einzelne  von  der  Umgebung  weit  überlegen.  Und  doch  war  er  etwas, 
was  allen  anderen  fehlte,  er  war  ein  zur  Führung  geborener  Geist,  ein  wenn 
man  will  höherer  patriotischer  Agitator,  in  welchem  die  fascinirende  Kraft 
der  poetisch  angehauchten  Beredtsamkeit  mit  dem  praktischen  Blick  für  die 
wahren  Bedürfnisse  des  nächsten  Augenblickes  glücklich  gepaart  war.  Man 
muss  die  übrigen  Kampfgenossen  persönlich  gekannt  haben,  um  zu  begreifen, 
wie  sie  ganz  und  gar  nichts  ohne  Gaj  in  der  grossen  Aufgabe,  das  nationale 
Bewusstsein  in  allen  Sphären  des  Lebens  zu  erwecken  und  zu  Thaten  auf- 
zurütteln, hätten  erreichen  können  :  der  tiefsinnige  Dichter  Iv.  Mazuranic  war 
im  hohen  Grade  schwerfällig,  um  nicht  zu  sagen  indolent;  Demeter  hatte  nur 
viel  Sinn  fürs  Theater;  A.  Mazuranid  und  V.  Babukic  waren  brave,  pflicht- 
getreue Vollführer  fremder  Aufträge;  St.  Vraz  fühlte  nicht  den  festen  Boden 
unter  Füssen,  er  zog  vor,  sich  ästhetischen  Betrachtungen  und  ethnographi- 
schen Interessen  hinzugeben.  Allen  zusammen  ging  praktischer  Sinn,  Be- 
geisterung, Ehrgeiz  und  Rührigkeit  Gaj's  gänzlich  ab.  Er  verstand  andere 
für  sich  arbeiten  zu  lassen.  Ich  erinnere  mich  noch  der  Erzählung,  die  einst 
A.  Mazuranic  zum  besten  gab  über  die  Schwierigkeiten,  die  das  Redactions- 
comite  zu  überwinden  hatte  um  den  bekannten  »Oglas«  zu  Stande  zu  bringen. 
Bis  tief  in  die  Nacht  waren  sie  damit  beschäftigt  um  die  richtigen  Ausdrücke 
zu  finden.  Selbst  solche  Worte,  wie  narod,  erregten  Bedenken.  Wie  schade, 
dass  der  alte  Mann,  der  in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  einem  wandeln- 
den Schatten  glich,  solche  Scenen  nicht  niederschrieb  !  Mit  der  Proklamation 
des  lUyrismus  für  die  Sprache,  Literatur  und  die  ganze  nationale  Bewegung, 
die  für  den  Anfang  des  Jahres  1836  angekündigt  wurde  —  einzelne  Stimmen 
der  Illyrier  aus  verschiedenen  Gegenden  hatten  sich  schon  früher  gemeldet 
—  beschliesst  der  erste  Band  des  ^urmin'schen  Werkes.  Ich  hätte  hier  seitens 
des  Verfassers  eine  Auseinandersetzung  der  Motive  erwartet ,  die  Gaj  und 
seinen  Kreis  veranlassten  jetzt  mit  dem  proklamirten  lUyrismus  anzufangen. 
Der  ganze  zweite  Band,  der  an  Umfang  um  etwa  60  Seiten  stärker  ist, 
als  der  erste,  ist  den  äusseren  und  inneren  Begebenheiten  des  lUyrismus 
während  eines  Zeitraumes  von  sieben  Jahren  (1836 — 1842)  gewidmet.    So 


Sarmin's  Wiedergeburt,  angez.  von  V.  Jagid.  137 

reichhaltig  sammelt  sich  der  Erzählungsstoff  an,  wenn  man  tief  in  die  dama- 
ligen Zeitströmungen  und  die  Geisterrichtung  der  Gesellschaft  eindringt. 
Warum  der  Verfasser  diesen  reichen  Inhalt  nur  in  drei  Kapitel  eingetheilt, 
warum  er  z.  B.  nicht  aus  dem  fünften  Kapitel,  das  die  Jahre  1836 — 1839  um- 
fasst,  in  der  bisher  beobachteten  Weise  zwei  getrennte  Kapitel,  ein  kultur- 
politisches und  ein  literarisches,  gemacht  hat,  das  entzieht  sich  meiner  Ein- 
sicht. Hat  er  ja  doch  den  nächsten  Zeitraum,  nämlich  die  Jahre  1839 — 1842, 
in  der  That  wieder  in  zwei  Kapiteln  behandelt,  deren  erstes  (das  jetzige 
sechste)  über  die  politischen  Angelegenheiten  dieses  Zeitraumes,  zweites  (das 
jetzige  siebente:  über  die  literarisch -kulturellen  Angelegenheiten  referirt. 
In  ähnlicher  Welse  hätte  es  sich  empfohlen  aus  dem  fünften  Kapitel  die 
Schilderung  der  politischen  Situation  in  Ungarn  und  Kroatien  während  der 
Zwischenzeit  der  beiden  Reichstage,  des  im  Jahre  1836  geschlossenen  und  des 
im  Jahre  1839  eröffneten,  dann  die  Bemühungen  des  immer  bewusster  auf- 
tretenden lUyrismus  durch  Gründung  von  Lesevereinen  und  mittelst  der 
theatralischen  Vorstellungen  den  Regungen  des  nationalen  Individualismus 
entgegenzukommen,  endlich  die  Bekämpfung  der  illyrischen  Richtung  seitens 
der  wenigen  Vertreter  des  engen  Provinzialpatriotismus,  wobei  leider  die 
Einmischung  Kopitars  keine  schöne  Rolle  spielte,  —  alles  das  als  ein  eigenes 
nichtliterarisches  Kapitel  herauszuheben,  um  den  literarischen  Erzeugnissen, 
die  allerdings  fast  ausschliesslich  in  der  »Danica  ilirska«  zum  Ausdruck 
kamen,  ein  entsprechendes  parallelgehendes  Kapitel  zu  überlassen.  Doch 
diese  Desiderata  berühren  Nebensächliches.  Wichtiger  ist  es  hervorzuheben, 
dass  die  Darstellung  des  Verfassers  sich  durch  ruhige  Auffassung  auszeichnet, 
dass  sie  Thatsachen  sprechen  lässt  und  dem  Leser  überlässt,  wenn  er  will, 
ein  schärferes  Urtheil  auszusprechen,  als  er  es  selbst  thut.  Das  gilt  sowohl 
über  das  Verhältniss  der  Slovenen  zu  dem  Illyrismus  wie  über  das  der  meisten 
Serben.  Man  kann  die  Ruhe  des  Verfassers  gegenüber  diesen  beiden  dem 
Illyrismus  abhold  gewesenen  Tedenzen  nicht  genug  loben.  Für  jene  Zeit 
konnte  ja  der  Illyrismus  weder  in  sprachlicher  Beziehung  noch  nach  ästheti- 
schem oder  wissenschaftlichem  Werth  seiner  Leistungen  auf  solche  Literatur- 
producte  hinweisen,  die  den  skeptischen  und  befangenen  Beobachtern  dieser 
Bewegung  von  rechts  und  links  Bewunderung  eingeflösst  hätten.  EinVrazwar 
zu  schwach,  um  die  Mehrzahl  der  Slovenen  mit  sich  zu  reissen,  dagegen  ein 
Presern  reichte  hin,  um  die  neue  Richtung  zu  hintertreiben.  Dass  der  Verfasser 
dennoch  sein  Bild  in  das  Werk  aufnahm  (zur  S.  60 — 61),  zeugt  von  seiner  milden 
Beurtheilung;  eigentlich  gehört  es  nicht  hinein.  Ja  man  könnte  vielleicht 
sagen,  dass  selbst  Vraz  nicht  den  richtigen  Weg  damit  eingeschlagen,  dass  er 
die  Pflege  des  Slovenischen  gänzlich  aufgab.  Dadurch  konnten  ja  seine 
Landsleute  nur  zurückgeschreckt  werden,  zumal  die  Krainer,  denen  es  doch 
nicht  so  leicht  war  ihren  Dialect  aufzugeben,  wie  den  Provinzialkroaten,  die 
sich  mit  den  sto-sprechenden  Slavoniern  in  einem  fort  berührten,  mit  ihnen 
politisch  und  kirchlich  vereinigt  waren.  Wenn  man  so  von  Wünschen  eines 
Jarnik  oder  Mursec  hört,  da  muss  man  von  neuem  den  praktischen  Scharf- 
blick Gaj's  bewundern,  der  auf  die  gewünschten  Compromisse  nicht  einging. 
Um  den  Preis  einiger  grammatischer  Formen  waren  ja  die  Slovenen  so  wie  so 


138  Kritischer  Anzeiger. 

nicht  zu  haben  und  Gaj  hätte  riskirt  seine  schöne  Idee  selbst  bei  Slavoniern, 
Dalmatinern  und  anderen  Sto-sprechern  kalt  zu  stellen.  Noch  lehrreicher  sind 
in  dem  Werke  Surmin's  die  Aeusserungen  über  den  von  den  Serben  gegenüber 
dem  Illyrismus  eingenommenen  Standpunkt.  Mit  Eecht  geht  der  Verfasser 
darauf  mit  Sorgfalt  ein.  Es  sind  ja  seitdem  ungefähr  siebzig  Jahre  verflossen, 
die  befruchtende  Kraft  der  dem  Illyrismus  zu  Grunde  liegenden  Idee  hat  den- 
noch nicht  aufgehört  fortzuwirken.  Sie  modificirt  sich  in  der  Form,  aber  ihr 
Wesen  bleibt  aufrecht,  sie  hat  noch  heute  mit  inneren  und  äusseren  Wider- 
sachern zu  kämpfen,  allein  sie  macht  Fortschritte  und  das  spricht  für  ihre 
Berechtigung,  für  ihre  Wahrheit.  Auf  die  Fülle  des  Erzählungsstoifes  der 
beiden  letzten  Kapitel  will  ich  gar  nicht  näher  eingehen.  Wer  sie  durchliest, 
wird  mit  Befriedigung  das  Buch  niederlegen,  selbst  wenn  im  Einzelnen 
manches  nachgetragen  werden  könnte ,  namentlich  nach  Aeusserungen  in 
fremden  Literaturen,  politischen  Broschüren,  periodischen  Zeitschriften  u.  s.  w.. 
die  ich  für  dieses  Werk  fast  gar  nicht  herangezogen  finde.  Das  wird  übrigens 
nachträglich  geschehen  können,  wenn  die  Aufmerksamkeit  des  lesenden 
Publikums,  wie  man  es  erwarten  sollte,  den  Verfasser  zu  neuen  Auflagen  auf- 
muntert. Da  ich  den  Plan  der  weiteren  Darstellung  nicht  kenne,  so  weiss 
ich  auch  nicht,  ob  sich  der  Verfasser  in  bisheriger  Weise  mit  der  fortlaufen- 
den Erzählung  an  dem  Faden  der  aufeinanderfolgenden  Ereignisse  begnügen 
wird,  oder  ob  in  seinem  Werke  auch  gewisse  Ruhepunkte  eintreten  werden, 
die  er  dazu  benutzen  könnte,  uns  eine  Charakteristik  der  Hauptrepräsen- 
tanten der  ganzen  Bewegung  zu  liefern.  Ich  würde  das  entschieden  wün- 
schen. Es  ist  ja  nicht  genug  an  dem,  dass  vor  dem  Leser  eine  ganze  Reihe 
von  Namen  theatralisch  einherschreitet,  er  möchte  mit  einigen  Worten  auch 
den  Charakter  der  Träger  jener  Namen  geschildert  sehen.  Z.  B.  im  zweiten 
Band  des  »Preporod«  kommt  Banus  Vlasic  einige  Male,  aber  immer  nur 
nebenbei  zur  Sprache,  und  doch  ist  die  Rolle,  die  die  Baue  seit  jeher  in 
Kroatien  gespielt  haben,  keine  unbedeutende.  Wer  kann  sich  nun  nach  den 
abgerissenen  Bemerkungen  über  Vlasic  in  diesem  Buche  ein  anschauliches 
Bild  schaffen?  Ob  wir  von  Haller,  Haulik  u.v.a.  mehr  erfahren  werden, 
weiss  ich  nicht,  und  doch  wäre  das  ebenso  wünschenswerth,  wie  eine  zu- 
sammenfassende Charakteristik  der  Männer  aus  der  nächsten  Umgebung 
Gaj's.  Ich  empfehle  dieses  Desiderium  der  freundlichen  Erwägung  des  Ver- 
fassers. V.  J. 


Zur  Phonetik  des  Dialectes  von  Polstrau,  von  Prof.  Dr.  K.  Ozvald. 
Im  54.  Jahresberichte  des  k.  k.  Staatsgymnasiums  in  Görz.  1904. 

S.  1—16. 

Einen  willkommenen  Beitrag  zur  Kenntniss  der  slovenischen  Dialecte 
Steiermarks  hat  uns  heuer  Herr  Dr.  K.  Ozvald  geliefert.  Schade  nur,  dass 
solche  oft  recht  wertvolle  Beiträge  bei  der  Unzugänglichkeit  der  Gymnasial- 


Ozwald,  Dialect  von  Polstrau,  angez.  von  Grafenauer.  139 

Programme,  die  im  Buchhandel  gewöhnlich  nicht  zu  finden  sind,  meist  unbe- 
achtet gelassen  werden  und  der  Vergessenheit  anheimfallen*). 

Der  Polstrauerdialect  ist  desshalb  interessant,  da  sich  bei  ihm  Erschei- 
nungen der  steierischen  Dialecte  mit  den  äussersten  Ausläufern  jener  Er- 
scheinungen verbinden,  die  dem  Jaunthalerdialecte  in  Kärnten  eigenthümlich 
sind.  Ersteres  ist  der  Ersatz  des  Halbvocales  durch  e  auch  an  unbetonter  und 
schwachbetonter  Stelle,  die  Behandlung  des  t  als  mittleres  l  ausser  im  Part. 
Perf.  IL,  dieses  die  eigenartige  Behandlung  des  w  vovj:  "fwa,  prcV'ß  ko"j,  dem 
im  Jaunthalerdialecte  dasselbe  entspricht:  svija  {i  für  nasalirtes  i)  kuhtja, 
zaklfjeti  u.  8.  w.  Auch  die  Aussprache  des  starkbetonten  a  als  o  (Ozvald 
schreibt  a,  dessen  Aussprache  von  der  eines  offenen  o  um  nichts  abweicht) 
ist  neben  mehreren  steierischen  Mundarten  dem  Jaunthalerdialecte  eigen. 
Interessant  ist  es  auch,  dass  sich  der  Dialect  von  Polstrau  in  Bezug  auf  a  an 
die  Kärntnerdialecte  mit  ihrem  offenen  e  anschliesst,  das  dem  offenen  Nasal- 
vocale  des  Jaunthalerdialectes  entsprechend  wohl  aus  offenem  Nasale  f  zu 
erklären  sein  wird.  Das  o  (<h)  hat  aber  schon  theilweise  in  die  Bahnen  des 
etym.  o  eingelenkt :  mos  roka  (enges  o)  —  döga  mbski. 

Der  Accent  ist  exspiratorisch  wie  in  den  meisten  steiermärkischeu 
Mundarten;  die  westliche  Grenze  dieser  Betonungsart  ist  das  Miessthal  in 
Kärnten  (Jaunthalerdialect),  das  sich  hierin  ganz  an  die  benachbarte  Steier- 
mark anschliesst,  während  westlich  davon  in  ganz  Kärnten  und  zwar  schon 
auf  den  das  Miessthal  westlich  abgrenzenden  Hügeln  (St.  Daniel,  Strojna)  der 
musikalische  Accent  herrscht.  Der  Herr  Verfasser  hätte  wegen  des  exspira- 
torischen  Accentes  die  Quantität  mehr  berücksichtigen  sollen,  über  die  er 
uns  so  ziemlich  im  Unklaren  gelassen  hat,  da  uns  die  Bemerkung,  nur  betonte 
Silben  könnten  lang  sein  (S.  2),  unmöglich  genügen  kann.  Auch  die  Fixi- 
rung  der  Laute  ist  etwas  zu  allgemein  und  ungenau,  denn  die  Erklärung:  »f 
ist  ein  enger  zwischen  e  und  i  liegender  Laut,  i  ein  enger  zwischen  i  und  e 
liegender  Laut«  (S.  3)  kann  uns  auf  keine  Weise  zufriedenstellen.  Eine  Ein- 
heitlichkeit der  Lautzeichen  zu  phonetischen  Studien  im  Slovenischen  wäre 
dringend  erwünscht.   Dass  wir  nur  nicht  zu  lange  darauf  warten  müssten ! 

Doch  verschwinden  diese  kleinen  Mängel  dem  Ganzen  gegenüber ;  die 
kleine  Abhandlung  ist  sehr  lesenswerth  und  gibt  in  einer  kurzen,  abgerun- 
deten Darstellung  manches  Bemerkenswerthe.  Möge  der  Herr  Verfasser  es 
nicht  versäumen  uns  recht  bald  auch  mit  der  versprochenen  Morphologie 
seiner  heimathlichen  Mundart  bekannt  zu  machen  und  seiner  folgenden  Ab- 
handlung auch  einige  Sprachproben  beizufügen.  Ivati  Grafenauer. 


*)  In  diese  Klage  kann  auch  die  Redaction  einstimmen,  da  selbst  der  Ver- 
fasser es  nicht  der  Mühe  werth  gefunden ,  sie  von  der  Existenz  seiner  Ab- 
handlung in  Kenntniss  zu  setzen.  -A.  f.  sl.  Ph. 


140    Krit.  Anzeiger,  Breyer,  bio-  u.  bibliogr.  Beiträge,  angez.  von  Resetar. 

M.  Breyer,  Prilozi  k  starijoj  knjizevnoj  i  kulturnoj  povjesti  hrvat- 
skoj.  Agram  1904,  Selbstverlag.  8»,  203  S.  Preis  3  Kronen. 

Herr  M.  Breyer,  Buchhändler  in  Agram,  hat  seine  in  verschiedenen 
Journalen  zerstreuten  Aufsätze  biblio-  und  biographischen  Inhaltes  zur 
älteren  serbokroatischen  Literatur-  und  Kulturgeschichte,  welche  schon  ein- 
mal von  ihm  vor  einigen  Jahren  in  einem  Hefte  herausgegeben  worden  waren 
(Nesto  gradje  staroj  hrvarskoj  knjizevno-kulturnoj  povjesti,  Kreutz  1898,  80, 
76  S.),  nunmehr  zum  zweiten  Male  edirt.  In  dieser  zweiten  Ausgabe  finden 
wir  mehrere  neue  durchwegs  interessante  Beiträge,  worunter  eine  sehr  aus- 
führliche Lebensbeschreibung  (S.  107 — 157)  des  aus  Budva  in  Dalmatien  ge- 
bürtigen bekannten  Hochstaplers  des  XVIII.  Jahrh.  Stephan  Zanovic ,  dann 
eine  (bisher  wenig  bekannte)  Biographie  des  Lexikographen  Voltiggi  (Voltic) 
und  neue,  ungedruckte  italienische  Gelegenheitsgedichte  des  Mathematikers 
Boskovic.  Von  den  älteren  Aufsätzen  wurde  derjenige  über  den  Buchdrucker 
Boninus  de  Boninis  vervollständigt,  indem  es  Herrn  B.  gelang  zu  erweisen, 
dass  dieser  (neben  Paltasic  von  Cattaro)  älteste  südslavische  Buchdrucker 
nebenbei  auch  als  Emissär  der  venetian.  Regierung  thätig  war,  wofür  er  als 
Belohnung  zuletzt  das  einträgliche  Dekanat  von  Treviso  erhielt,  wo  er  noch 
im  J.  1526  lebte.  Dadurch  ist  auch  erwiesen,  dass  das  in  einer  Kirche  auf  der 
Insel  Lagosta  (bei  Ragusa) ,  der  Heimath  des  Boninus,  aufbewahrte  Bild, 
welches  die  Inschrift  trägt:  ».  .  .  Boninus  de  Boninis  decanus  Tarvisinus  aere 
suo  f.  f.  MDXVI.c,  wirklich  von  ihm  gewidmet  wurde,  wovon  bis  auf  den 
heutigen  Tag  die  Tradition  auf  der  kleinen  Insel  sich  erhalten  hat.  Dagegen 
hätte  in  dieser  neuen  Auflage  der  kleine  Aufsatz  »Nepoznato  djelo  Tome 
Baseljica,  Dubrovcanina«  ausbleiben  sollen,  denn  das  von  B.  diesem  Bischof 
von  Stagno  auf  Grund  einer  alten  handschriftlichen  Angabe  zugeschriebene 
Werk  »Historia  illustrium  Romanorum  a  Jano  usque  ad  captam  a  Gothis 
urbem.  Jampridem  edita  per  Fr.  Thomam  .  .  .  (Romae  1510)«  hat  nicht  diesen 
Ragusaner,  sondern  den  Director  der  vatikanischen  Bibliothek  Fr.  Thomas 
Ochsenbrunner  zum  Verfasser.  M.  R. 


Kleine    Mitth eilungen. 


Der  Ausdruck  bicaä's  in  altkirchenslamschen  Denkmälern, 

In  der  vita  Methodii  ist  der  Brief  des  Papstes  Hadrian  an  die  Fürsten 
Rostislav,  Svatoplk  und  Kocel  enthalten.  In  diesem  Brief  kommt  folgende 
Phrase  vor :  ame  k-bto  ffi  ci.öi.paH'EiHX'B  Baait  oyinie^iB  h  gennomiix'B  caoyxTH  h  w 

HCTHH-H    WBpamaiOmHX'L    Ha     6;iÄaH     HaqtHGTB     ÄBpBHOyB'L    HHaKO    paSBpamaTH    ETI 

rasA  KEHrra  Msiana  Bamero ,  ja  öoyAext  OTtJioy'ieH'L  ne  xxkxmo  Excoysa 
Ht  u  upKBG  ÄOHÄC  CA  ucnpaBHTB.  Die  im  Druck  hervorgehobenen  Worte 
müssen  offenbar  so  gelesen  werden  statt  der  handschriftlichen  Ueberlieferung 
des  Uspenskischen  Sbornik  saec.  XII  und  anderer  Handschriften,  wo  es  heisst : 
Hl.  TXK1.M0  Btcoysa  HB  HpKBe.  Somit  gewinnen  wir  in  der  Vita  Methodii  einen 
Beleg  für  das  Wort  B-BCmat  in  der  Bedeutung  communio,  das  wir  aus  den 
Kijewer  und  Wiener  Blättern  kennen.  Es  ist  wichtig  hervorzuheben,  dass 
der  Brief  des  Papstes  Hadrian  lateinisch  geschrieben  war,  darnach  ist  auch 
hier  Btc&jt  Uebersetzung  des  lateinischen  Wortes  communio.  Denn  auch 
das  Missale  der  Kijewer  Blätter  war  im  Original  lateinisch  geschrieben.  Es 
ist  mir  übrigens  fraglich,  ob  b-lcaäi»  unmittelbar  aus  dem  lateinischen  Wort 
communio  geflossen  ist,vielleicht  ist  es  wörtliche  Uebersetzung  des  griechischen 
Wortes  tyxQiai;-.  Warum  tyxQiais  bei  der  Uebersetzung  aus  dem  Lateinischen 
das  Wort  communio  ersetzte,  das  ist  mir  nicht  klar.  Das  sollten  die  Byzan- 
tinisten  erklären.  Wenn  aber  b-bcaät.  eine  unmittelbare  Uebersetzung  aus 
dem  griechischen  tyxqiai;  darstellt,  dann  könnte  man  daraus  folgern:  1.  dass 
dem  Verfasser  der  Vita  Methodii  das  Schreiben  des  Papstes  Hadrian  in 
griechischer  Uebersetzung  vorlag,  und  2.  dass  auch  das  glagolitische  Missale 
in  gleicher  Weise  auf  die  griechische  Uebersetzung  des  lateinischen  Originals 
zurückzuführen  sei. 

Auf  jeden  Fall  ist  durch  das  Wort  BtcAa-B  der  Zusammenhang  zwischen 
der  Vita  Methodii  und  dem  Texte  der  Kijewer  und  Wiener  Blätter  herge- 
stellt, da  man  bisher  aus  anderen  slavischen  Denkmälern  das  Wort  nicht 
kennt.  ^, 

April  1904.  A.  Sachmatov. 

Der  verehrte  Verfasser  dieser  werthvollen  Notiz  geht  von  der  Ablei- 
tung des  Wortes  BtcmÄi.  von  c&;i;t.  und  b-b  aus.  Ich  habe  immer  den  Ausdruck 
von  dem  Adverbum  Bi.Ciii;ioy  (ubivis  ubique)  abgeleitet:  das  was  überall  ist, 
ist  auch  allen  gemeinsam.  So  dachte  ich  mir  die  wenn  auch  nicht  ganz  rich- 
tige Auffassung  des  lateinischen  Ausdrucks  communio  seitens  desjenigen 


142  Kleine  Mittheilungen. 

Slaven,  der  für  KOMtKaxH,  KOM-BKaHHie  (communicare)  einen  alavischen  Aus- 
druck setzen  wollte.  Dass  tyxgiais  wörtlich  zwar  durch  BtcAai.  wiedergegeben 
werden  könnte,  das  ist  wohl  richtig.  Doch  ist  die  Bedeutung  lyxgiais,  so  weit 
ich  sie  aus  Wörterbüchern  kenne,  weit  entfernt  von  dem  lateinischen  com- 
munio,  und  auch  das  einmal  in  der  heil.  Schrift  vorkommende  Verbum  eyxqi- 
fsa&cci  wird  einfach  durch  c&ähtu  übersetzt  (2.  Cor.  X,  12.  Wer  an  meiner 
Ableitung  festhält,  für  den  entfallen  die  Schwierigkeiten,  wie  die  einer 
griechischen  Vorlage  des  Schreibens  des  Papstes  Hadrian  oder  gar  des  Mis- 
sais der  Kijewer  Blätter.  Beides  gewiss  im  höchsten  Grade  unwahrschein- 
lich! Dagegen  kann  der  Zusammenhang  der  vita  Methodii  mit  den  Kijewer 
und  Wiener  Blättern,  durch  diesen  Ausdruck  angeknüpft,  auf  den  Verfasser 
der  vita  Methodii  bedeutsames  Licht  werfen  und  seine  für  mich  schon  lange 
feststehende,  ganz  verschiedene  von  dem  Verfasser  der  vita  Cyrilli  Indi- 
vidualität neu  bestätigen.  V.  J. 


Ein  Nachtrag  zu  Bd.  XXVI,  S.  571. 

Professor  E.  Sievers  hatte  die  Freundlichkeit,  die  Redaction  der  Zeit- 
schrift darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  er  bereits  in  der  Leipziger  Philo- 
logenversammlung, die  im  Jahre  1872  stattfand,  für  die  slavische  Imperativ- 
form pmu  (rBci)  auf  die  Erklärung  kam,  die  jetzt  Prof.  M.  Resetar,  ohne  eine 
Ahnung  davon  gehabt  zu  haben,  von  neuem  vorgetragen  hat.  Es  ist  aller- 
dings auffallend,  dass  von  der  Erklärung  Siever's  keine  Notiz  in  die  Werke, 
die  sich  mit  der  kirchenslav.  Grammatik  abgaben,  gekommen  ist.  Weder  bei 
Miklosich,  noch  bei  Leskien,  oder  in  irgend  einem  russ.  Werke  geschah 
dieser  Erklärung  Erwähnung.  Wir  citiren  die  betreffende  Stelle  aus  den  Be- 
richten über  die  Verhandlungen  der  Versammlung,  Leipzig  1872,  S.  192,  nach 
der  uns  freundlich  zugekommenen  Anführung  von  Prof.  Sievers  selbst.  »Auch 
für  die  besondere  Neigung  der  palatalisirten  Gutturale,  die  ihnen  vorauf- 
gehenden Vocale  heller  zu  färben,  kann  ich  aus  den  slavischen  Sprachen  eine 
Analogie  beibringen.  Im  Altbulgarischen  behalten  nämlich  alle  eiufachen 
Präsensstämme  mit  dem  Wurzelvocal  e  diesen  in  dem  auf  i  ausgehenden  Im- 
perativ unverändert  bei  (z.  B.  von  nesa  nesi,  von  veda  vedi  u.  s.  w.},  mit  Aus- 
nahme der  auf  einen  Guttural  ausgehenden  Wurzeln,  welche  das  e  der  Wurzel 
vor  dem  durch  die  Endung  i  palatalisirten  Guttural  zu  t  schwächen:  j-eka  nci, 
peJca  pici,  teka  tici;  ähnlich  bildet  zega  die  2.  sg.  präs.  zizesl,  den  Aorist 
zize  u.  s.  w.  (s.  Schmidt,  Zur  Gesch.  des  indog.  Vocalismus,  S.  25).« 


Ljudevit  Stur's  slovakische  Monatshezeichnung . 

Mit  dem  Monate  August  des  Jahres  1845  begann  Ljudevit  Stur  die  Zeit- 
schrift »Orol  Tatränski«ij  in  Pressburg  herauszugeben  und  zwar  slo- 
vakisch. 


1)  Als  Unterhaltungsbeilage  zu  seinen  »Slovenske  Noviny«,  die  ich 
jedoch  nicht  zur  Hand  bekam. 


Kleine  Mittheilungen.  143 

Beim  Durchblättern  derselben  fand  ich  nun  eine  Monatsbezeichnung, 
die  Miklosic  in  seiner  Abhandlung  über  die  Monatsnamen  (DenkschriftenXVII) 
nicht  berücksichtigt  hat. 

Die  Monate  heissen  da:  vel.  secen  (Jänner),  maly  secen  (Februar),  brezen 
(März),  duben  (April),  kveten  (Mai, ,  lipen  (Juni),  cervenec  (Juli),  klasen  (Au- 
gust), maly  rujau  (September;,  vel.  rujan  (Oktober),  listopad  (November), 
prosinec  (December). 

Unter  diesen  Namen  fällt  vor  allem  die  Bezeichnung  des  Jänners  und 
Februars  auf.  Secen  heisst  der  Jänner  oder  Februar  im  Südslavischen,  im 
Böhmischen  kommt  dieser  Name  dem  Monate  Juli  zu,  »sie.  et  mor.  Alit.  = 
Augustus«  (Juugmann  und  nach  ihm  Miklosic).  Stur's  Benennung  dieser  Mo- 
nate weicht  also  von  der  gewöhnlichen  cecho-slavischen  ab  und  nähert  sich 
der  südslavischen. 

Aus  dem  nämlichen  Grunde  fällt  der  Name  des  Juni  lipen  auf,  der  dem 
südslavischen  lipanj  entspricht.  Unter  lipa  führt  Miklosic  überhaupt  nichts 
Cecho-slavisches  an,  Jungmann  aber  sagt  unter  lipen:  »siez.  =  cervenec« 
(also  Juli). 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  der  Bezeichnung  der  Monate  September 
und  October.  Für  das  cechische  zari  und  rijen  (»ehedem  September,  jetzt 
October«,  Miklosic;  haben  wir  da  maly  und  vel.  rujan.  Bei  §tur  sind  also  die 
alte  und  neue  cechische  Bedeutung  des  Wortes  rujan  [rijen]  gewissermassen 
verknüpft  und  kommt  der  Name  beiden  Monaten  zu  mit  der  Unterscheidung 
durch  maly  und  veliky.  Gleichzeitig  muss  erwähnt  werden,  dass  diese  ehe- 
malige cechische  und  in  einem  ätur'sche  Benennung  des  Monates  September 
auch  südslavisch  ist :  serbokroatisch  rujan  =  September. 

Auch  klasen  =  August  soll  hervorgehoben  werden.  Jungmann  hat  das 
Wort  überhaupt  nicht.  Miklosic  führt  klasen  als  Aehrenmonat  (lunius)  aus 
Ev.  Tirn.,  Jambr.,  Saf.  Gesch.  der  südsl.  Lit.  II.  322,  367  an,  also  südslavisch; 
jetzt  kann  man  noch  eine  südslavische  Belegstelle  anführen:  der  älteste  bis- 
her bekannte  kroatische  Kalender  aus  dem  Jahre  16531)  nennt  den  Monat 
Juni  klaszan. 

Die  nämliche  Monatsbezeichnung  wie  bei  Stur  findet  sich  auch  im  Ka- 
lender »Domovä  Pokladnica«,  den  Daniel  Lichard  seit  dem  Jahre  1847  her- 
ausgegeben hat;  nur  hat  dieser  für  den  Monat  Mai  die  Benennung  traveti,  die 
ebenfalls  mit  dem  Südslavischen  übereinstimmt  und  die  auch  Miklosic  kennt 
(»träven  cech.  Malus,  bei  den  Mährern  und  Slovaken  lunius«). 
*  * 

Anfangs  dachte  ich,  dass  diese  zum  Südslavischen  neigende  Monats- 
bezeichnung bei  den  Männern  der  slavischen  Renaissance  unter  den  Slovaken 
ein  Kunstproduct  sei  und  etwa  den  Sympathien  entspringe,  welche  man 
dort  zu  den  Slaven  der  südlichen  Länder  der  Stephanskrone  hegte. 

Namentlich  fiel  es  mir  auf,  dass  der  maly  secen  dem  veliky  folgt  und 


^]  Besprochen  in  der  Agramer  »Prosvjeta«  1904,  H.  1,  pag.  30 — 31,  von 
E.Laszowski;  auchBelostenec  kennt  diesen  Namen  des  Monates;  desgleichen 
Körnig,  Kroat.  Sprachlehre,  1795;  vgl.  auch  Danica  1837,  p.  6! 


144  Kleine  Mittheilungen. 

nicht  umgekehrt;  ich  dachte  da  an  (slovenisch)  inali  traven  =  April,  veliki 
traven  =  Mai ,  malt  srpan  =  Juli ,  veliki  srpan  =  August ,  an  (altböhmisch) 
maly  cerven,  cerven  mensi  =  Juni ,  cerven  veliky  =  Juli  V  .  Allein  dieser  Ge- 
danke trat  bald  in  den  Hintergrund,  da  sich  auch  Fälle  von  der  entgegen- 
gesetzten Reihenfolge  zeigen:  es  kommen  da  nicht  so  sehr  der  südsl.  veliko- 
inesnjak  (August)  und  7na/omesw;aÄ  (September)  in  Betracht,  die  dem  Gross- 
und Kleinfrauentag  entsprechen,  als  vielmehr:  die  heutigen  böhmischen 
Monatsnamen  cerven  =  Juni,  cervetiec  =  Juli,  klr.  majik  =  September  (also 
nach  dem  Mai),  it.  giugnetto  =  Juli  (kleiner  Juni);  namentlich  fällt  aber  da- 
bei ins  Gewicht  der  bulgarische  golem  secko  =  Jänner,  malki  secko  =  Februar, 
desgleichen  der  nlaus.  vuiki  rözk  =  Jänner,  dem  der  ?na/j/  rözk  folgt,  vgl. 
grosser  und  kleiner  Horning  (Erben  im  CCM,  1849,  162),  vgl.  auch  klr.  Ij'utyj 
und  paJjutyj. 

Zu  beachten  ist  dabei,  dass  sich  in  der  Monatsbenennung  ^tur's  neben 
der  Aufeinanderfolge  veliky  —  maly  secen  die  umgekehrte  ??2a/j/  —  veliky  ruj'an 
befindet.  Leicht  begreiflich  finden  diesen  Wechsel  diejenigen,  die  beim  Worte 
seceti  an  das  Schneidende  der  Kälte  denken ,  beim  rujan  aber  ganz  unglaub- 
würdig an  das  südsl.  rujno  (vince)  —  wie  Erben,  der  zari  wirklich  als  maly 
rujan  erklärt  (CCM.  1849,  152)2). 

An  eine  künstliche  Erfindung  der  Benennungen  veliky  —  maly  secen 
durch  Stur  kann  nicht  gedacht  werden.   Das  bezeugen  positive  Zeugnisse. 

In  der  Zeitschrift  »Slovenske  Pohl'ady«  1891,  pag.  507  wird  berichtet, 
es  sei  in  den  vierziger  Jahren  (des  XIX.  Jahrhunderts)  in  dem  Trenciner 
Komitate  gehört  worden,  wie  jemand  einfache  Leute  verlachte,  weil  sie 
sprachen:  vel'ky  secen,  maly  secen;  d.  h.,  wer  da  spricht:  vel'ky  secen,  maly 
secen,  spricht  »ungebildet«,  »januär«,  »februär«  ist  »gebildet«  (vzdelane). 

In  der  Sammlung  «Slovenskä  pHslovi,  porekadla  a  üslovi«  von 
A.  P.  Zäturecky  (Praha  1896)  findet  sich  das  Sprichwort:  Maly  secen  protivi 
sa  vel'kömu  (=  im  Februar  ist  die  Kälte  ärger  als  im  Jänner).  Herr  Jos.  §kul- 
tety,  der  Redacteur  der  Zeitschrift  «Slovenske  Pohl'ady«,  dessen  Liebens- 
würdigkeit ich  diese  letzten  Daten  verdanke,  berichtete  mir,  Leute  hätten 
ihm  erzählt,  dass  sie  das  Sprichwort  gehört  haben:  Maly  secen  posmieva  sa 
vel'kemu.  Nach  dem  nämlichen  Berichte  sei  in  Dechtice  (Pressburger  Ge- 
spanschaft) das  Sprichwort:  Keby  maly  secen  mal  take  prävo,  ako  hruby 
secen,  zamrazil  by  v  krave  tel'a. 

Hiermit  ist  es  wohl  erwiesen,  dass  dem  Namen  secen  für  Jänner-Februar 
slovakische  Autochthonität  zukomme.  Hat  ja  auch  Lo  o  s  in  seinem  »S4ownik 

1)  Auch  gibt  die  Erklärung  der  veljaca  von  velij  dem  Februar  das  Epi- 
theton veliky,  und  nicht  dem  Jänner;  vgl.  übrigens Relkovi(5(Kucnik,  uOseku 
1796):  »Dobri  Ijudi  razlozno  provode  poklade:  po  starinski  mad  sobom 
velj'aj'u,  sto  od  davna  il  od  skora  znaju;  obtud,  mislim,  da  veljaca  posta«. 

2)  Als  maly  gilt  übrigens  der  September  im  Verhältniss  zum  October 
gewissermassen  auch  bei  der  Erklärung  der  Namen  züri  und  rijen  von  rjuti; 
denn  »nach  Brehm  fängt  die  Brunstzeit  des  Hirsches  mit  Eintritt  des  Monates 
Septembers  an  und  dauert  bis  Mitte  October«  (bei  Miklosic) ;  vgl.  zarev^  An- 
fang des  BrüUens. 


Kleine  Mittheilungen.  1 45 

madarskej,  nemeckej  a  slowenskej  reci«  (Pest  1869 — 1871)  im  deutschen 
Theile  für  Jänner:  Januar,  ladon,  secen;  im  slovakisch-majryarisch-deutschcn 
sowie  im  magyarisch-deutsch-slovakischen  Bande  ist  sece7i  nicht  angeführt, 
was  wohl  von  der  geringen  Uebliclikeit  dieser  Bezeichnung  zeugen  dürfte. 
Für  Februar  hat  Loos  neben  dem  lat.  Namen  bloss  tinor. 

Im  nämlichen  Lexicon  ist  im  slovakisch-magyarisch-deutschen  Theile 
lipe?l  als  Juli  angeführt,  was  Jungmann  als  schlesisch  bezeichnet. 

Im  slovakischen  Volksmunde  bleibt  mir  vorläufig  der  Monatsname 
klaseii  unbelegt. 

Dagegen  finde  ich  bei  Loos  im  deutschen  Theile  für  Juni  neben  cerven 
auch  zuzen ;  vgl.  damit  das  zweifellos  als  Monatsname  anzusehende  zviren,  das 
im  CCM.  1848,  II.  329  genannt  ist;  V.  Dusan  Lambl  veröffentlicht  da  einen 
»Slovnicek  slovensky«,  den  er  aus  den  Schriften  Kollärs,  Sturs,  Hurbans  und 
anderer  Slovaken,  namentlich  aber  aus  eigenen  Aufzeichnungen  während 
einer  Reise  durch  die  Slovakei  im  J.  1846  angelegt  hat;  Lambl  spricht  da 
von  der  Tatra  und  sagt;  »Tatry  liptovskö  jsou  nad  miru  pamätne  v  prirod- 
nim  ohledu:  onyt'  obsahuji  nejkräsnejsi  rozmanitost  iitvarü  geologickych  v 
nejblizsim  sousedstvi  vedle  sebe  ...  A  tak  se  i  Kvetena  i  Zvifena 
objevuje:  ve  slujich  pod  Poludnici  zkameneliny  pfedpotopni,  na  Choci  nej- 
bujnejsi,  nejvzäcnejsi  rostlinstvoi).  .  .  .« 

In  den  slovakischen  Kalendern  des  XVII.  und  XVIII.  Jahrh.  finden  sich, 
wie  mir  Herr  Skultety  berichtet,  nur  lateinische  Monatsnamen.  Das  gewöhn- 
liche Volk  gebrauchte  aber  gewiss  seine  slavischen  Bezeichnungen,  und  hier 
setzten  die  Wiedererwecker  des  slavischen  Volksthums  unter  den  Slovaken 
in  der  ersten  Hälfte  des  XIX.  Jahrhundertes  ein.  .  .  .  Allein  nach  dem  Jahre 
1848  blieb  man  bei  den  lateinischen  Monatsnamen. 


Durch  die  Erweisung  der  slovakischen  Volksthümlich- 
keit  der  besprochenen  Monatsnamen  wäre  ein  neuer  Zusam- 
menhang der  nordslavischen  Dial  ectengruppe  mit  dem  Süd- 
slavischen dargethan  (vgl.  Archiv  XXL  212,  XXIL  494). 

Allein  hiermit  gewinnt  nicht  etwa  die  kühne  Klassifikation  Dr.  Czam- 
bel's,  der  in  seinem  Buche  »Sloväci  a  ich  rec«  (Budapest,  1903)  die  Slovaken 
einfach  zu  den  Südslaven  wirft. 

Hiermit  ist  nur  neuerdings  die  Thatsache  bestätigt,  dass  die  Slovaken 
einstei^ß  (vor  dem  Einbrüche  der  Magyaren)  in  einem  ununterbrochenen  Con- 
tinuum  mit  den  Slaven  Pannoniens  und  des  südlichen  Ungarns  wohnten  und 
die  dialectische  Verbindung  zwischen  den  heutigen  Südslaven  einerseits  und 
den  Cechen  und  Polen  andererseits  herstellten. 

Ljublj  ana.  Dr.  Fran  Hesic. 


1)  Der  nämliche  Lambl  führt  aus  Dalmatien  (oder  dem  kroat.  Küsten- 
lande) gospin  tnesec  =  August  an  (CCM.  1851,  22);  vgl.  bei  Miklosic  gospojnik, 
gospodinstak. 

Archiy  für  slavisclie  Philologie.    XXYII.  10 


146  Kleine  Mittheilungen. 

Nochmals  Klagenftirt-Celövec^). 

In  der  Streitfrage,  die  sich  über  die  Erklärung  der  beiden  Benennungen 
der  Hauptstadt  Kärntens  (deutsch:  Klagenfurt,  slovenisch:  Celövec)  ent- 
sponnen hat,  dürfte  es  nicht  unpassend  erscheinen,  dass  auch  ein  Angehöriger 
des  Kronlandes  selbst  das  Wort  ergreift  und  seine  Meinung  an  dieser  Stelle 
zum  Ausdruck  bringt.  Ich  sage  mit  Betonung  »an  dieser  Stelle«,  weil  es  an- 
derwärts bereits  geschehen  ist,  aber  wegen  —  sagen  wir  zu  geringer  Ver- 
breitung der  betreffenden  Zeitschrift  keine  Beachtung  gefunden  hat.  Zuerst 
hat  Dr.  Richard  Müller  in  der  in  Klagenfurt  erscheinenden  »Carinthia  I., 
Mittheilungen  des  Geschichtsvereines  für  Kärnten,  redigiert  von  Simon  La- 
schitzer,  83.  Jahrg.,  1893«,  S.  179u.ff.,  über  den  Namen  Klagenfurt  gesprochen, 
jedoch  so,  dass  ihm  nicht  beizustimmen  ist.  Durch  Müller's  Aufsatz  angeregt, 
veröffentlichte  ich  in  ebenderselben  Zeitschrift  (gegenwärtig  redigiert  von 
A.  R.  V.  Jaksch)  vom  Jahre  1901  auf  S.  21  einen  toponomastischen  Beitrag 
zur  Erklärung  von  Klagenfurt  und  Celövec,  worin  ich  beide  Namen  in  Be- 
ziehung zu  einander  zu  bringen  versuchte.  Er  soll  weiter  unten  ausführlicher 
reproduciert  werden.  Vorerst  sollen  die  bisherigen  Versuche,  diese  Ortsnamen 
zu  erklären,  auf  ihre  Haltbarkeit  geprüft  werden. 

Zuerst  Müller's  Aufstellung  als  des  der  Zeit  nach  ersten  wissenschaft- 
lichen Erklärers.  Dr.  R.  Müller's  grosses  Verdienst  ist  es,  die  Gleichung 
Klagenfurt  =  Glaufurt ,  die  von  Megiser  aufgestellt  bis  in  die  neueste  Zeit 
gegolten  hat,  endgiltig  aus  der  Welt  geschafft  zu  haben.  Wir  wollen  seine 
diesbezüglichen  Ausführungen  in  Kürze  wiedergeben.  Ein  direktes  urkund- 
liches Zeugnis  für  die  Umgestaltung  Klagenfurts  aus  Glanfurt  (Furt  an  der 
Glan)  gibt  es  nicht;  zu  belegen  ist  nur  die  Glanfurt,  ein  im  Süden  der  Stadt 
befindlicher  Abfluss  des  Wörther  Sees  allein,  der  im  früheren  Mittelalter  auch 
als  Lanquart  in  den  Urkunden  auftritt.  Die  Stadt  tritt  am  Ende  des  XII.  Jahr- 
hunderts unter  ihrem  heutigen  Namen  auf  (mittelhochdeutsch  Klagenvurt  . 
Sehr  viel  älter  wird  sie  auch  gar  nicht  sein.  Nach  dem  »liber  certavum  his- 
toriarum«  des  Abtes  Johann  von  Viktringl.  I.  c.  5.  zum  Jahre  1256  wäre  Her- 
zog Bernhard  (1202 — 1256)  der  Gründer;  und  wie  man  zu  seinerzeit  ihren 
Namen  verstand,  ergibt  sich  aus  der  von  ihm  angefügten  lateinischen  Über- 
setzung: Querimoniaevadum.  Ganz  genau  ist  diese  Angabe  über  die  Gründung 
der  Stadt  freilich  nicht  zu  nehmen,  sie  kommt  schon  in  der  Epoche  vor  der 
Alleinherrschaft  Bernhards  vor.  In  einer  St.  Pauler  Urkunde,  deren  Datierung 
in  die  Zeit  von  1181—1199  zu  setzen  ist,  kommt  forum  Chlagenuurt  vor  (Ur- 
kundb.  von  St.  Paul,  S.  102,  Nr.  30  =  Fontes  rer.  austriac.  II.  39).  Eine  andere 
Form  des  Stadtnamens  ist  nicht  zu  erbringen.  Glanvurt  für  die  Stadt  ist  un- 
erhört. Nun,  meint  Müller  weiter,  wäre  immer  noch  die  behauptete  Differen- 
zierung (Klagen  —  aus  Glan)  aus  Gründen  der  Zweckmässigkeit  denkbar, 
d.  h.  es  konnte  sich  im  Munde  der  Ein-  und  Umwohner,  als  die  Stadt  aufzu- 
blühen begann  und  häufiger  genannt  ward,  gleichsam  von  selbst  diese  Schei- 
dung beider  Örtlichkeiten  (Stadt  Glanfurt  und  Wörtherseeabfluss  Glanfurt) 


1)  Vergl.  Archiv  XXVI,  S.  63.5—640. 


Kleine  Mittheilungen.  147 

vollziehen.  Die  hier  in  Betracht  kommenden  lautlichen  Vorgänge  k  für  g, 
gn  aus  n  lassen  sich  im  Allgemeinen  nachweisen.  Doch  ist  urkundlich  diese 
angebliche  Grundform  nicht  zu  finden  und  von  allem  Anfange  setzt  bereits  die 
angebliche  Umdeutung  Klagenfurt  ein.  Weiters  ist  zu  bedenken,  dass  (und 
dies  ist  nach  meiner  Meinung  entscheidend)  in  der  Umgebung  Klagenfurts 
nicht  nur  der  keltische  Flussname  Glana  (die  reine,  lautere?)  unangetastet 
bleibt,  sondern  auch  die  mit  ihm  gebildeten  Ortsnamen  Glandorf,  Glanegg, 
Glanhofen.  Alle  drei  sind  aus  alter  Zeit  überliefert:  979:  Glanadorf  (v.  Jaksch, 
Mon.  bist,  ducatus  Carinthiae  III.,  Nr.  149,  S.  62),  1142:  Glandorf  (ebenders. 
III.,  Nr.  749,  S.  293),  1233:  Glandorf  (Ankershofen,  Reg.),  1136:  Walther  von 
Glanekke  (Ank.  Reg.),  1190 :  Hartmrdo  de  Glanecke  (v.  Jak.  1.  c.  III.,  Nr.  1370, 
S.  515),  1070  — c.  1080:  Glanahouen  (id.  III.,  Nr.  384,  S.  152),  1216:  Glanhouen 
(id.  I.,  Nr.  459,  S.  351;.  Aus  keinem  von  diesen  hat  sich  ein  Klagendorf, 
Klagenegg,  Klagenhofen  entwickelt,  warum  also  gerade  bei  Klagenfurt? 
Es  ist  nicht  zu  erklären,  wie  ein  Lautvorgang  in  einem  Falle  eingetreten 
sein  soll,  in  3  anderen  aber  nicht  und  dies  in  einem  Umkreis  von  wenigen 
Stunden. 

Nachdem  nun  Müller  sich  so  freie  Bahn  gemacht,  trägt  er  seine  Meinung 
vor.  Er  sagt,  Klagenfurt  ist  als  echte  und  ursprüngliche  Form  anzusehen  und. 
aus  sich  selbst  zu  erklären.  Er  verweist  auf  Ortsnamen,  die  auf  ähnliche  Weise 
mit  Abstrakten  gebildet  sind,  so  Riuwental,  die  Heimat  Neidharts  von  Reuen- 
tal (=  Thal  der  Betrübnisse  oder  Thränen),  ferner  die  allegorischen  Namen 
Siuftenhein  (=  Seufzerheim^,  Sorgenrain  (Rain  der  Sorgen),  Siuftenecke 
(Seufzereck);  dann  die  wirklichen  Ortsnamen  Freudenthal  in  Schlesien,  Freu- 
denstadt in  Württemberg,  Seligenstat,  Paradies  u.  s.  w.  Wenn  also,  schliesst 
Müller,  ein  Thal  der  Reue  möglich  ist,  warum  nicht  auch  eine  Furt  der 
Klagen? 

Diesen  Ausführungen  MüUer's  ist  entgegenzuhalten,  dass  die  Zahl  der 
mit  Abstrakten  durchgeführten  Ortsnamenbildungen  eine  sehr  beschränkte 
ist,  die  noch  dadurch  eine  Verminderung  erfährt,  dass  der  eine  oder  andere 
dieser  Ortsnamen  eine  andere  Erklärung  zulassen  dürfte.  So  führen  sicherlich 
die  in  Kärnten  sesshaften  Ritter  von  Paradies i;  nicht  deshalb  diesen  Namen, 
weil  ihr  kärntisches  Stammschloss  Pregrad  in  einer  paradiesischen  Gegend  ge- 
legen war,  sondern  weil  sie  die  silberschillernde  Schlange  des  Paradieses, 
drei  Ringe  schlagend,  mit  Ohren  und  langem  Spitzrachen  im  Schilde  führten 
(vgl.  A.  Weiss:  Der  Adel  Kärntens  bis  zum  Jahre  1300,  Wien  1869,  W.  Brau- 
müller, S.  109],  ähnlich  wie  die  Ritter  von  Hollenburg.  Die  mit  Freuden-  zu- 
sammengesetzten Ortsnammen  sind  Bildungen  mit  dem  althochd.  Personen- 
namen Fridun,  wie  Fürsteman  II.  531  lehrt:  Freudenbach  aus  Fridunbach, 
folglich  auch  Freudenberg,  Freudenthal  aus  Fridunberg,  Fridunthal.  Abgesehen 
davon  ist  zu  bemerken,  dass  wir,  wie  Dr.  Müller  selbst  zugibt,  den  Sinn  einer 
solchen  Ortsuamenbildung  nicht  einsehen,  sondern  nur  raten  können.  Und  so 
stehen  wir  vor  einem  neuen  Rätsel,  die  eine  zu  erklärende  Unbekannte  wird 
durch  eine  zweite  ersetzt  und  unsere  Erwartung  ist  nicht  befriedigt.    Mit 


')  Nach  ihnen  ist  in  Klagenfurt  die  Paradeisergasse  benannt. 

10* 


148  Kleine  Mittheilungen. 

der  Erklärung  der  slovenischen  Bezeichnung  Celövec  beschäftigt  sich  Müller 
nicht. 

Zu  dem,  was  Pintar  gegen  Baudouins  Ableitung  des  slovenischen  Celövec 
von  cviliti  einwendet,  möchte  ich  bemerken,  dass  die  etymologische  Ver- 
wandtschaft beider  Wörter  nicht  desshalb  zurückzuweisen  ist ,  weil  ein  aus 
diesem  Zeitwort  gebildetes  Substantiv  nach  slovenischem  Sprachbewusstsein 
und  Sprachgefühl  nur  einePerson,  nämlich  einen  Winseier  bezeichnen  kann. 
Warum  sollte  denn  nicht  der  Name  einer  Person  zur  Bezeichnung  eines  Ortes 
dienen?  Es  ist  doch  nicht  nöthig,  hier  auf  die  Bildung  der  Ortsnamen  aus 
Personennamen  hinzuweisen.  Im  Gegentheil,  wenn  die  Bedeutung  passt,  haben 
wir  sofort  zuzugreifen.  Doch  hierin  liegt  das  Hindernis,  das  mich  abhält,  der 
geradezu  bestechenden  Aufstellung  Baudouins  zuzustimmen.  Cviliti  ist  ein 
onomatopoetisches  Verbum,  das  eine  gewisse  Art  von  lautem  Geschrei  nach- 
ahmt. Der  Slovene  sagt,  pes  cvili,  svinja  cviii  (wenn  es  abgestochen  wird), 
otrok  cvili  (wenn  das  Kind  ein  den  genannten  Thieren  ähnliches  Geschrei  er- 
hebt). Im  Deutschen  entspricht  noch  am  besten  die  Bedeutung  winseln,  wie 
auch  Pintar  das  Wort  übersetzt.  Vergleichen  wir  damit  das  deutsche  Klagen, 
so  können  wir  nicht  behaupten,  dass  beide  Zeitwörter  sich  hinsichtlich  der 
Bedeutung  vollkommen  decken.  Denn  während  cviliti  den  sinnlich  wahr- 
nehmbaren Laut,  die  Art  des  Geschreies  bezeichnet,  bezieht  sich  klagen  auf 
den  Inhalt,  klagen  ist  kein  winseln.  Es  hat  auch,  wie  wir  gesehen  haben,  Abt 
Johann  von  Viktrlng  die  erste  Hälfte  des  Wortes  Klagenfurt  mit  querimonia 
übersetzt,  was  doch  nicht  mit  Gewinsel  oder  cviljenje  wiederzugeben  wäre. 
Wie  ich  später  zu  zeigen  versuchen  werde,  hat  der  gelehrte  Abt  nicht  weit 
von  der  Wahrheit  fehlgegriffen.  Ferner  ist  zu  fragen,  ob  denn  der  Begriff 
cviliti  ein  zur  Bildung  eines  Personennamens  passender  ist,  ich  möchte  dies 
verneinen.  Endlich  muss  noch  betont  werden,  dass  es  sehr  misslich  ist,  auf 
irgend  eine  einzelne,  beschränkte  Dialektform  der  Gegenwart  (Cvilövec)  eine 
solche  Annahme  zu  gründen.  Denn  es  drängen  sich  bei  einem  solchen  Vor- 
gange sofort  Fragen  auf  wie:  wie  alt  ist  diese  Dialectform?  warum  hat  sie  sich 
in  Tolmein  und  nicht  irgendwo  anders,  z.  B.  in  Kärnten  selbst,  entwickelt? 
ist  es  nicht  möglich,  dieselbe  auf  andere  Weise  zu  erklären  z.  B.  durch  das  e 
der  Stammsilbe  in  Celövec?  oder  ist  sie  nicht  eine  dialectisch  corrumpirte 
Form?  Ich  halte  sie  für  eine  gelungene  Volksetymologie,  wie  Blekövec  für 
Velikovec.  Die  schriftliche  Fixirung  des  W^ortes  Celövec  reicht  allerdings 
nicht  weit  zurück.  Gutsmanns  »Evangelie  in  Branje  ali  Pisme  u.  s.  w.«  sind  ge- 
druckt 1T80  »v'Zelouzi«  und  sein  Wörterbuch  aus  dem  Jahre  1789  enthält  die 
Form  »zelovez  und  zelouzhan  (=  ein  Klagenfurter)«.  Doch  dürfen  wir  von 
dieser  in  ganz  Kärnten  einzig  und  allein  bekannten  Schriftform  zu  Gunsten 
eines  auf  einen  ganz  kleinen  Umfang  sich  beschränkenden  Dialektwortes 
nicht  abgehen,  so  lange  wir  mit  ihr  unser  Auskommen  finden  können.  Dass 
dies  möglich  ist,  soll  später  gezeigt  werden.  Es  sei  also  hier  zusammenge- 
fasst:  Celövec  kann  nicht  von  cviliti  abgeleitet  werden,  weil  sich  die  Bedeu- 
tungen der  beiden  Zeitwörter  klagen  und  cviliti  nicht  decken,  weil  die  bei 
weitem  überwiegende  Mehrheit  der  Slovenen,  in  Kärnten  ausnahmslos,  nur 
die  Form  Celövec  kennt,  weil  die  Dialektform  Cvilövec  nicht  unbedingt  auf 


Kleine  Mittheilungen.  149 

cviliti  zurückzuführen  ist,  sondern  sich  aus  dem  e  der  Stammsilbe  entwickelt 
haben  kann,  endlich  weil  es  im  vorhinein  nicht  zulässig  ist,  die  Erklärung  alt- 
bezeugter Ortsnamen  auf  moderne  Dialectformen  zu  stützen. 

Ich  komme  zu  den  Ausführungen  Pintars.  Es  ist  seit  Müllers  Beweis- 
führung jetzt  selbstverständlich,  dass  die  Latinisirungen  Claudiforum  oder 
Claudiforium,  Claudenfurtum,  vadum  querimoniae  nicht  in  ernste  Erwägung 
gezogen  werden  können.  Sie  gehören  in  die  Gruppe  der  sogenannten  ge- 
lehrten Erklärungen  der  Klöster,  deren  es  gerade  in  Kärnten  eine  ziemliche 
Anzahl  gibt,  z.  B.  Gentiforum  =  Völkermarkt,  St.  Maria  de  victoria  = 
Viktring,  ad  mille  statuas  =  Mills tatt,  St.  Maria  in  solio  =  Maria-Saal,  villa 
ad  aquas  =  Villach,  vallis  rosarum  =  Rosenthal  u.  s.  w.  Zu  diesen  Etymologien 
wurden  die  Motivirungen  erfunden  in  Gestalt  von  Sagen  oder  sonstigen  cha- 
racteristischen  Zügen,  so  in  Viktring  die  Sage  von  einem  siegreichen  Zwei- 
kampfe, in  Millstatt  von  der  Umstürzung  von  1000  heidnischen  Götterstatuen, 
in  Maria-Saal  von  dem  Bilde  der  Muttergottes  »in  solio«  =  auf  dem  Throne 
usw.  Ebenso  ist.  wie  bereits  bemerkt,  die  Gleichung  Klagenfurt  =  Glanfnrt, 
die  auch  Pintar  verwirft,  von  Müller  abgethan.  Wenn  Pintar  gegen  Baudouin 
ausführt,  dass  bei  den  Orten  mit  Furt  gewöhnlich  nicht  der  Name  des  be- 
treifenden Wassers  im  Furtcompositum  enthalten  ist,  dass  wir  also  kein  Gera- 
furt, Leitafurt,  Mainfurt,  Oderfurt  haben,  sondern  nur  Ebenfurt,  Erfurt,  Frank- 
furt u.  s.  w.,  so  ist  dies  nicht  richtig,  wie  wir  später  an  den  Furtorten  genauer 
nachweisen  werden. 

Was  nun  Pintars  eigene  Erklärungen  anlangt,  so  erblickt  er  in  der  ersten 
Hälfte  des  deutschen  Namens  das  Collectiv  «Gelache«,  das  sich  aber  in  der 
Schriftsprache  meines  Wissens  nicht  belegen  lässt.  Daraus  hätte  sich  auf 
dem  Wege  dialectischcr  Differenzirung  Klage  —  entwickelt.  Ich  habe  schon 
oben  das  principielle  Bedenken  geäussert,  wie  misslich  es  ist,  auf  moderne 
Dialectwörter,  deren  Vorkommen  häufig  nur  auf  einzelne  Ortschaften  sich  er- 
streckt, Erklärungen  von  Ortsnamen  zu  bauen,  besonders  dann,  wenn  die 
ihnen  beigelegte  Bedeutung  mit  der  wirklichen  nicht  übereinstimmt.  Dies  ist 
in  unserer  Sache  der  Fall.  Es  kommt  allerdings  in  Klagenfurt  in  den  unteren 
Volksschichten  ein  aus  Gelache  stammendes  Wort  vor;  dieses  lautet  aber 
nicht  Klage,  sondern  Gläck  (aus  Geläcke)  und  bedeutet  nicht  lagunenartiges, 
mooriges  Terrain,  das  in  Kärnten  Moos  heisst,  sondern  schlechtes,  verdor- 
benes, zusammengeschwemmtes  Getränke,  was  auch  mit  Ksüf  =  Gesöffe  und 
Kschwemm  (Geschwemm)  und  G'schlader  bezeichnet  wird;  der  gemeine  Mann 
sagt  »dös  Bier  is  a  Gläck«  und  will  damit  sagen,  das  Bier  ist  schlecht,  abge- 
standen oder  aus  mehreren  Resten  (Noaglan)  zusammengeschüttet.  Dass  ein 
solches  der  Kneipe  eigentümliches  Dialektwort  der  Gegenwart  die  Grundlage 
für  einen  bereits  Ende  des  12.  Jahrhunderts  ohne  Schwankung  präcis  festge- 
legten Ortsnamen  abgeben  soll,  ist  nicht  bloss  unwahrscheinlich,  sondern 
geradezu  unmöglich.  Dazu  gesellen  sich  nicht  geringe  sprachliche  Schwierig- 
keiten. Der  Uebergang  der  gutturalen  Media  im  Anlaute  in  die  Tennis  muss 
viel  besser  belegt  werden  als  durch  Beispiele,  die  sämmtlich  wieder  Dialect- 
wörter sind  und  nicht  die  Probe  aushalten;  denn  für  Geländer  hört  man  in 
Kärnten  (auch  in  Klagenfurt  selbst)  Glander  sprechen  statt  Klander  und 


150  Kleine  Mittheilungen. 

ebenso  Gleger  für  Kleger.  Da  ferner  das  schriftdeutsche  Wort  Lache  im 
Dialecte,  wie  Pintar  selbst  bemerkt,  Läggen  (nicht  Lägge)  lautet,  was  man 
eben  so  gut  Lacken  schreiben  kann,  so  sollte  nach  dem  dialectischen  Laut- 
processe  aus  Gelachenfurt  wohl  ein  Gläckenfurt,  niemals  aber  ein  Klägenfurt 
hervorgehen.  Denselben,  wenn  nicht  grösseren  Schwierigkeiten  begegnet 
Pintars  Ableitung  der  zweiten  Worthälfte  —  fürt.  Trotz  aller  Klarheit  und 
Durchsichtigkeit  des  Wortes  verwirft  er  die  Bedeutung  Furt  =  üebergangs- 
stelle,  und  dessen  Ableitung  von  fahren.  Er  behauptet,  fürt  sei  in  diesem 
Falle  identisch  mit  Werd,  Werder,  Wörth,  Wurd  und  bezeichne  »einen  mitten 
im  Fluss,  See,  Sumpf  gelegenen  etwas  erhöhten  Platz  mit  reicher  üppiger 
Vegetation,  eine  Au  mit  Kiedgras  u.  s.  w.«  Im  Jahre  891  heisst  Maria-Wörth 
(slov.  Otok):  in  loco,  qui  Uueride  vocatur  (Zahn,  cod.  dipl.  I.  24);  a.  1168: 
Werthse  (Meill.  114)  und  1285:  praepositura  in  Wertse  (Über  decimationis 
S.  16).  Ich  habe  diese  Stellen  ausgeschrieben,  um  zu  zeigen,  was  aus  dem 
alten  Weride  werden  kann:  Werth  und  heutzutage  Wörth,  wobei  der  Umlaut 
durch  den  Ausfall  des  nachfolgenden  i  vollkommen  gerechtfertigt  ist.  Wollten 
wir  Pintar  folgen,  so  müssten  wir  annehmen,  dass  aus  Weride  auf  einem  so 
kleinen  Territorium  sich  zwei  verschiedene  Wörter  Furt  und  Wörth  ent- 
wickelt haben  und  das  eine  sei  bei  der  Bildung  des  Ortsnamens  Klagenfurt, 
das  zweite  bei  der  von  Maria-Wörth  thätig  gewesen.  Auch  die  Einmüthigkeit 
der  Ueberlieferung,  die  schon  Müller  nachdrücklich  hervorgehoben  hat,  fällt 
schwer  gegen  Pintar  ins  Gewicht.  Vor  mir  liegen  21  urkundliche  Schreibungen 
aus  der  Zeit  von  rund  1200 — 12t)0.  Davon  haben  12  die  Form  -fürt,  1  -furtt, 
2  -uurt,  2  -fort,  1  -vurt,  2  -vort  und  1  -wart.  Und  gerade  die  letzte  nur  einmal 
erscheinende  Schreibung  verwendet  Pintar,  um  der  sprachlich  so  gewagten 
Annahme  fürt  =  Weride  auch  einen  urkundlich  beglaubigten  Halt  zu  ver- 
leihen. Dies  ist  um  so  weniger  zulässig,  als  der  im  Jahre  1245  erwähnte 
Liepardus  de  Clagenwart  in  einer  im  J.  1246,  also  nur  um  1  Jahr  später  ver- 
fassten  Urkunde  ganz  correct  Liphardus  de  Ciagen  fürt  genannt  wird. 

Ist  somit  die  Ableitung  des  deutschen  Ortsnamens  nicht  stichhaltig,  so 
fällt  mit  ihr  zugleich  die  Uebereinstimmung  mit  der  ebenfalls  von  Pintar  ge- 
gebenen Erklärung  des  slovenischen  Celövec.  Für  dies  nimmt  er  nämlich  als 
Etymon  das  Appellativ  stvoli»  =  Pflanzenröhre,  Kohrstengel  an,  leitet  davon 
ein  nicht  nachweisbares  stvölovtc  ab,  woraus  durch  gewisse  dialectische  Ab- 
schweifungen das  heutige  Celövec  hervorgegangen  sei.  Um  diese  Form  aus 
jener  zu  erhalten,  hat  man  mit  Pintar  zuerst  den  Uebergang  des  anlautenden 
st  in  c  (Cvölovec),  denn  die  Verrückung  des  Accentes  auf  die  folgende  Silbe 
(Cvolövec),  weiters  den  Ausfall  des  v  (Colövecj  und  endlich  die  Abschwächung 
des  stammhaften  o  (C'lövec)  anzunehmen,  ein  Process  wie  er  complicirter 
nicht  gedacht  werden  kann.  Und  das  alles  ohne  irgend  eine  historische  Be- 
glaubigung durch  Urkunden  oder  andere  schriftliche  Zeugnisse.  Ortsnamen 
aber  wie  Zoll,  Zollfeld  u.  ä.  dürfen  schon  gar  nicht  damit  in  Verbindung  ge- 
bracht werden.  Diese  nämlich  gehen  auf  einen  deutschen  Personennamen  zu- 
rück. Maria-Saal  heisst  a.  c.  1050:  in  loco,  qui  dicitur  Zol  (Ank.  Reg).  Zol 
ist  bajuvarisches  Eigenthum.  Es  bedeutet  nach  Schmeller  (Bayr.  Wörtb. 
S.  115)  1.  einen  cylindrischen  Klumpen,  2.  einen  Klotz,  Baumklotz,  3,  einen 


I 


Kleine  Mittheilungen.  151 

Klotz  von  einem  Menschen,  d.  h.  einen  Lümmel,  welche  Bedeutungen  auch 
in  den  deutschen  Theilen  Kärntens  allgemein  gang  und  gebe  sind.  Zollfeld 
ist  eine  sogenannte  Zusammenrückung  zweier  Begriffe  ohne  gegenseitige  Ab- 
hängigkeit. Wir  finden;  auch  bei  Förstemann  S.  1371  die  Personennamen 
Zol,  ZoUi  und  ZoUo.  Doch  dies  nebenbei.  Nach  all  dem  Vorgebrachten  kann 
man  auch  den  Aufstellungen  Piutars  nicht  beistimmen. 

Ich  habe  im  Eres  II.  (1892)  S.  640  der  Vermuthung  Raum  gegeben,  dass 
Celüvec  mit  selo  in  Verbindung  zu  bringen  sei  und  man  ein  ursprüngliches 
Selovec  anzunehmen  habe.  Schon  damals  äusserte  Jagid  seinen  Zweifel  an 
dieser  Erklärung.  Mir  schwebte  eben  der  Name  eines  Berges  an  der  kärntisch- 
steirischen  Grenze  vor,  der  Selovec  lautet.  Durch  ein  Schreiben  D.  Trsten- 
jaks  jedoch  belehrt,  dass  der  Bergname  Zelovec  und  nicht  Selovec  lautet, 
dem  der  Stamm  zel  =  grün  zu  Grunde  liege  (daher  auch  in  den  Karawanken 
die  Zelenical,  kam  ich  von  dieser  Aufstellung  ab  und  schloss  mich  an  die 
Ausführungen  Trstenjaks  an.  In  der  Carinthia  I.  Jahrg.  1901  S.  21  veröffent- 
lichte ich  eine  neue  Erklärung  sowohl  des  deutschen  Klagenfurt  als  auch  des 
slovenischen  Celövec.  Da  diese  Erklärungen  bisher,  wie  ich  sehe,  den  Weg 
in  die  breitere  Oeffentlichkeit  nicht  gefunden  haben,  was  wohl  aus  dem  Still- 
schweigen Baudouins  und  Pintars  zu  schjiessen  ist,  so  mögen  sie  mit  gütiger 
Erlaubniss  der  Redaction  mutatis  mutandis  nochmals  gegeben  werden. 

Das  Appellativ  Furt  bezeichnet  eine  üebergangsstelle  über  einen  Fluss, 
Bach,  eine  Brücke  über  ein  Gewässer  und  dient  sehr  häufig  zur  Namengebung  für 
Oertlichkeiten.  Daher  die  vielen  Furt  und  Fürth.  Noch  viel  häufiger  erscheint 
Furt  in  solchen  Ortsnamen,  welche  Zusammensetzungen  darstellen.  Förste- 
mann allein  hat  in  seinem  altdeutschen  Namenbuche  (I.  Aufl.  S.  539)  nicht 
weniger  denn  73  Ortsnamen,  in  denen  Furt  als  zweites  Glied  der  Zusammen- 
setzung erscheint.  Eine  Musteriang  von  Ritters  geographischem  Lexikon 
(12.  Aufl.)  ergab  eine  noch  grössere  Zahl.  Betrachtet  man  die  zusammen- 
gesetzten Bildungen  genauer,  so  kommt  man  bald  zur  Einsicht,  dass  sie  in 
drei  Gruppen  zu  gliedern  sind. 

1.  Nehmen  wir  Namen  wie  lUfurt,  Pachfurt,  Querfurt,  Wipperfurt,  Burg- 
steinfurt, Wegfurt.  Was  bedeuten  diese?  lUfurt  im  Elsass  ist  die  Furt  an 
der  111,  Pachfurt  =  die  Furt  am  Bach,  Querfurt  (urk.  Quirnifurt)  =  Furt  an 
der  Quirn  in  Sachsen  falthochd.  quirn  =  die  Mühle,  also  Quernbach  =  Mühl- 
bach und  Querfurt  =  Furt  am  Miihlbach),  Wipperfurt  =  Furt  an  der  Wupper, 
also  Furt  an  irgend  einem  Wasser.  Daher  ist  Pintars  Behauptung,  dass  bei 
den  Furtorten  gewöhnlich  nicht  der  Name  des  betreffenden  Wassers  im  Furt- 
compositum  enthalten  ist,  unhaltbar  und  der  Zufall  hat  ihm  einen  bösen 
Streich  gespielt.  Denn  ich  erinnere  mich  im  J.  1903  in  den  öffentlichen  Blät- 
tern gelesen  zu  haben,  dass  die  deutsche  Gemeindevertretung  von  Piivoz  in 
Mähren  um  die  Aenderung  des  cechischen  Namens  in  Oderfurt  bei  den  Be- 
hörden eingekommen  sei  und  die  Bewilligung  dazu  erhalten  habe;  was  können 
die  Gemeindeväter  von  PHvoz  mit  Oderfurt  anderes  gemeint  haben,  als  Furt  an 
der  Oder?  Wegfurt  ist  die  Furt  am  Wegp,  Burgsteinfurt  ist  die  Furt  beim  Orte 
Burgstein.  Es  gehören  somit  in  diese  Gruppe  alle  jene  Zusammensetzungen, 
die  eine  Furt  an  einem  Wasser,  bei  einem  Orte,  Wege  u.  s.  w.  bezeichnen. 


152  Kleine  Mittheilungen. 

2.  Eine  zweite  Gruppe  erhalten  wir  durch  Ortsnamen,  wie  Breitenfnrt 
(bei  Ritter  4  mal),  Breitfurt,  Ebenfurt,  Hohenfurt,  Niederfurt,  Oberfurt,  Sand- 
furt (Sandforde,  Sandfort),  Steinfurt  (6 mal),  Steinforde,  Steinfort  (4 mal), 
Schmalförden,  Schneüfurt,  Tiefenfurt  (=  an  der  tiefen  Furt),  Tiefurt  (=  Tief- 
furt), Trockenerfurt  u.  s.  w.  Diese  Namen  sind  durchsichtig  und  erklären  sich 
selbst.  Das  Grundwort  ist  bei  ihnen  durch  ein  Adjectiv  oder  substantivisches 
Bestimmungswort  differencirt:  die  breite,  ebene,  hohe,  niedere,  sandige, 
schmale,  schnelle,  steinerne,  tiefe,  trockene  Furt. 

3.  Betrachten  wir  nun  Ortsnamen  wie  Dietfurt,  Erfurt,  Frankfurt,  Tau- 
benfurt, so  müssen  wir  sofort  erkennen,  dass  der  erste  Teil  der  Zusammen- 
setzung ein  Personenname  ist.  Dietfurt  ist  die  Furt  oder  Fähre,  an  der  sich 
ein  Diet  (althochd.  Thiuto  =  Dieto)  niedergelassen  hat.  Ebenso  ist  Erfurt  die 
Furt  eines  Erfo  (Erbo,  Arpo),  denn  die  urkundlichen  Belege  lauten  Erpisford, 
Erfesfert,  Erfesfurt  (s.  Förstemanu  II.  S.  102  u.  f.);  Frankfurt  =  die  Furt  der 
Franken,  urkundl.  Franconofurt;  Adolzfurt  aus  Adolandesfurt  also  Furt  des 
Adoland.  Schlagend  wird  die  Zusammensetzung  von  Furt  mit  Personen- 
namen erwiesen  durch  den  Ortsnamen  Taubenfurt  in  Mähren.  Da  der  Ort  in 
einer  gemischtsprachichen  Gegend  liegt,  trägt  er  auch  die  cechische  Bezeich- 
nung: Holubice.  Nun  sind  im  Bümischen  die  auf  -ice  gebildeten  Ortsnamen 
von  Persenennamen  gebildet.  Also  Holubice  Ort  des  Holub  und  damit  stimmt 
Taubenfurt  d.  i.  Furt  des  Taube  vollkommen  überein.  Die  Zahl  der  in  diese 
Gruppe  gehörenden  Ortsnamen  ist  eine  sehr  bedeutende  und  ist  namentlich 
die  Thierwelt  vielfach  vertreten,  als  Eselsfurt,  Hengstforde,  Hassfurt  (=  Hasen- 
furt), Katzenfurt,  Krebsförde,  Ochsenfurt  (vgl.  engl.  Oxfort,  im  Englischen  ist 
die  Zahl  der  mit  -ford  gebildeten  Ortsnamen  Legion),  Eabenfurt,  Schwein- 
furt, Straussfurt,  Wolfsfurt,  sämmtliche  hier  vorkommenden  Thiernamen 
lassen  sich  als  Personennamen  belegen. 

Es  entsteht  nun  die  Frage,  in  welche  der  angeführten  Gruppen  wohl 
unser  Klagenfurt  einzureihen  wäre.  In  die  erste  (Furt  an  der  Glan)  sicher- 
lich nicht;  das  hat,  wie  wir  gesehen  haben,  Dr.  R.  Müller  zur  Gewissheit  dar- 
getan. Auch  in  die  zweite  nicht.  Wohl  aber  in  die  dritte,  sobald  wir  uns 
eutschliessen,  in  der  ersten  Hälfte  des  Ortsnamens  Klagen  fürt  einen  Per- 
sonennamen zu  erblicken.  Vom  althochdeutschen  Stamm  chlag  —  lässt  sich 
ein  Personenname  Klago  recht  wohl  denken,  wenn  ich  auch  vorläufig  nicht  in 
der  Lage  bin,  das  Vorkommen  desselben  belegen  zu  können.  Könnte  ich  das, 
dann  wäre  diese  Vermuthung  evident.  Als  Parallele  ist  das  von  Müller  ange- 
führte wahrscheinlich  bayrische  Clagedorf  zu  verzeichnen,  das  um  1140  an 
das  Kloster  Prüfling  vergabt  ward.  Im  Nordischen  finden  wir  ein  Klagerup 
und  Klagstorp.  Im  Nordisrhen  bedeuten  die  Wörter  auf  -torp,  -trup,  -drup, 
-ruf  Dorf.  (Vgl.  L.  Herrig's  Archiv  f.  d.  Stud.  d.  neuer.  Sprachen  u.  Lit. 
XXXIV.  Bd.  S.  203  u.  ff.  «Nordische  Ortsnamen  nach  den  Sprachforschern 
N.  M.  Petersen  u.  Lyngbye.  Von  Gh.  Beissel.«)  So  bedeutet  Torstrup  =  Dorf 
des  Thor,  Frörup  =  Dorf  der  Freya,  Bjolderup  und  Bylderup  =  Dorf  des 
Baidur  (vgl.  Bulletin  de  la  societe  de  geographie.  Troisieme  s6rie.  Tome  X. 
Paris,  1849,  S.  217 — 231:  Sur  la  limite  meridionale  de  la  monarchie  Danoise 
et  sur  l'etymologie  de  noms  geographiques  du  Slesvig  et  de  la  Normandie. 


f 


Kleine  Mittheilungen.  153 

Par  M.  Etienne  Borring  S.  224).  Nach  dieser  Auffassung  wäre  die  erste  Hälfte 
unseres  Ortsnamens  nicht  der  Genetiv  plur.  vom  Appellativ  die  Klage,  sondern 
der  Genetiv  sing,  des  Personennamens  Klago  in  schwacher  Biegung,  eine 
Ortsnamenbildung,  die  sich  in  Kärnten  reichlich  belegen  lässt,  z.  B.  Berndorf 
=  Dorf  des  Pero;  Pernegg  =  Eck  des  Pero;  Eppeudorf  =  Dorf  des  Eppo; 
Frankenstein  =  Stein  des  Franko;  Arndorf  (2mal)  =  Dorf  des  Arbo  (Aribo); 
Gunzenberg  =  Berg  des  Gunzi ;  Ratzendorf  =  Dorf  des  Razo  u.  s.  w.  Und  so 
wäre  ich  bei  Abt  Johann  von  Viktring  und  seinem  vadum  querimoniae  oder 
querimoniarium  angelangt,  nur  mit  einer  kleinen  Abweichung  von  seiner 
Deutung.  Klagenfurt  ist  nicht  vadum  querimoniarum  =  Furt  der  Klagen, 
sondern  vadum  Queruli  cuiusdam  =  die  Furt,  an  der  ein  gewisser  Klago  ein- 
mal gehaust  hat.  Dabei  ist  zu  bemerken,  dass  Furt  nicht  bloss  eine  seichte 
Stelle,  sondern  auch  einen  Zugang,  Uebergangsstelle  auf  einer  Brücke  oder 
auf  trockenem  Wege  durch  sumpfiges  Land  bedeuten  kann.  Das  passt  auch 
für  die  Lage  des  Ortes.  Bis  auf  den  heutigen  Tag  haben  wir  das  Weidmanns- 
dorfer  Moos  im  Süden  der  Stadt,  das  noch  zu  Beginn  des  19.  Jahrh.  einen  viel 
grösseren  Umfang  hatte  und  erst  im  Laufe  der  dreissiger  Jahre  halbwegs 
trocken  gelegt  wurde.  Auch  im  Norden  und  Nordosten  verursachte  die  Glan 
vor  der  Regulirung,  die  erst  in  allerjüngster  Zeit  erfolgt  ist,  durch  regel- 
mässiges Austreten  in  der  Herbstregenzeit  Ueberschwemmungen  und  Ver- 
sumpfungen. Die  Stadt  selbst  liegt  gleich  einer  Insel  auf  festem  und  trockenem 
Terrain,  aber  nicht  im  »  Gelache  «,  mitten  in  dieser  Moor-  und  Sumpf landschaft. 
Und  hier  setzt  die  slovenische  Bezeichnung  Celovec  ein. 

Cell,  entspricht  nach  Mikl.  Etym.  Wb.  S.  28  dem  deutschen  ganz  =  integer, 
asl.  celizna  =  ungepflügtes  Land,  nsl.  celina  =  Brachfeld,  polnisch  :  celc  und 
calec  =  hartes  Erdreich,  somit  eine  Bedeutung,  wie  wir  sie  mit  Rücksicht  auf 
die  örtliche  Beschaffenheit  nicht  günstiger  und  passender  wünschen  könnten. 
Was  nun  das  Suffix  —  ovec  betrifft,  so  bemerkt  Pintar  vollkommen  richtig, 
»dass  die  mit  demselben  gebildeten  Adjektiva  angeben,  woraus  etwas  gemacht 
oder  gebildet  ist,  woraus  es  besteht,  woraus  es  sich  zusammensetzt  (Materie), 
wie  brinovec  =  brinovo  zganje,  kruhovec  =  Brotbrei,  auch  Mehl  zum  Brot- 
backen«. Pintar  führt  weiter  correct  aus,  dass  es  zahlreiche  Ortsnamen  gibt, 
die  analoge  Bildungen  aufweisen,  und  bringt  eine  Reihe  solcher  Ortsnamen 
vor.  Sie  bezeichnen  alle  eine  von  der  betreffenden  Baumgattung  (cer,  dob, 
dren,  lipa  u.  s.  w.)  bewachsene  Gegend,  ein  aus  solchen  Bäumen  sich  zu- 
sammensetzendes Wäldchen,  wie  die  deutschen,  von  Gehölzen  entnommenen, 
mit  der  Kollektivendung  -ach  gebildeten  Ortsnamen,  wie  Erlach,  Tannach, 
Pirkach  u.  s.  w.  Wir  brauchen  also  gar  nicht  auf  die  Suche  nach  einem  neuen 
Etymon  auszugehen,  um  aus  demselben  mit  Hilfe  problematischer  Lautpro- 
zesse unser  Celovec  zu  gewinnen,  sonderü  wir  können  ohne  Skrupel  mit  cel 
=  integer  zufrieden  sein.  Mit  Hilfe  des  erwähnten  Suffixes  bekommen  wir 
Cel-|-ov-[-ec  in  der  Bedeutung  terra  integra  =  festes,  trockenes  Land,  auf 
dem  eine  Ansiedelung  entstehen  konnte,  im  Gegensatze  zur  Moorumgebung. 
Derselben  Anschauung  verdankt  auch  das  in  der  Nähe  der  Stadt  liegende 
Otoce  (deutsch  Weidmannsdorfj  seine  Entstehung,  es  bedeutet  das  Inseldorf 
mitten  in  der  rings  sich  ausbreitenden  Sumpf  landschaft,  auf  welche  auch  das 


154  Kleine  Mittheilungen. 

benachbarte  Blace  (deutsch  Fiatschach)  hinweist.  Ich  fasse  das  Ergebniss 
meiner  Ausführungen  folgendermassen  zusammen:  Der  deutsche  Ortsname 
Klagenfurt  ist  zusammengesetzt  aus  dem  Personennamen  Klago  und  dem 
Appellativ  Furt,  also  Furt  des  Klago  fvadum  Queruli  cuiusdam)  und  das  slo- 
venische  Celovec  ist  abzuleiten  von  cel  =  fest,  ganz,  trocken  und  bedeutet 
durch  die  Verbindung  mit  dem  Suföce  -ovec:  terra  Integra  =  festes,  trockenes 
Land,  was  slovenisch  auch  mit  celina  bezeichnet  werden  kann. 

Klagenfurt,  15.  Oktober  1904  J.  Scheinigg. 


Kollär's  Antheil  an  politischen  Broschüren. 

Herr  Dr.  Fran  Ilesic  veröflfentlichte  im  Archiv  XXVI.  159  die  Erklä- 
rung Kollär's  in  der  »Pester  Zeitung«  (vom  29.  September  1848),  die  in  dessen 
Lebensabrissen  bisher  nicht  berücksichtigt  wurde. 

In  den  Biographien  Kollär's  hat  man  die  Erklärung  Kollär's  in  der 
»Pester  Zeitung«  Nr.  788  (vom  29.  September  1848)  zwar  nicht  erwähnt,  aber 
bekannt  ist  sie. 

Diese  Erklärung  und  dann  die  Polemik  Kollär's  mit  Havlicek 
waren  im  Leben  Kollär's  zwei  heikliche  Punkte,  die  man  nicht  gerne  be- 
rührte. Es  ist  merkwürdig,  wie  heftig  Kollär  von  Havlicek  im  »Slovan«  an- 
gegriffen wurde ;  Havlicek  hatte  kein  Verständniss  für  die  schwere  Stellung 
Kollär's,  dem  der  Minister  Bach  sogar  ein  Gönner  war.  Bach  hat  es  gegen 
Miklosich  durchgesetzt,  dass  »Staroitalia  slavjanskä«  in  der  Staatsdruckerei 
gedruckt  wurde;  es  war  Bach's  Verdienst,  dass  Kollär  neben  anderen  Gelehr- 
ten mit  einem  Orden  ausgezeichnet  wurde  —  aber  in  politischer  Hinsicht  war 
für  den  geistigen  Vater  des  gefürchteten  Panslavismus  der  Boden  in  Wien 
gerade  so  heiss  wie  in  Pest.  Seine  politischen  Gutachten,  die  ich  eben  in 
der  cechischen  Akademie  veröffentlichte,  fielen  ins  Wasser;  man  hat  sie  in 
Wien  für  zu  radikal  gehalten  und  gegen  Ungarn  getraute  man  sich  doch 
nichts  Ernstes  zu  unternehmen.  Ich  überging  in  meinem  Aufsatze  »Jan 
Kollär  ve  Vidni«  (Sbornik  Jan  Kollär)  diese  Controverse  zwischen  dem  streit- 
süchtigen, aber  festen  Havlicek  und  dem  schon  kampfesmüden  Professor  der 
Archäologie,  Kollär,  der  damals  hauptsächlich  in  seinen  slavischen  Alter- 
thümern  lebte,  mit  Bedacht,  und  berührte  ihn  der  Vollständigkeit  wegen 
bloss  mit  einem  einzigen  Satze. 

Aehnlich  verhält  sich  die  Sache  mit  der  angeführten  Erklärung 
Kollär's. 

Man  wollte  diese  peinliche  Erklärung  —  die  de  facto  die  allgemein  be- 
kannten Grundsätze  Kollär's  umstiess  —  nicht  erörtern  in  Anbetracht  der 
ganzen  schwierigen  Situation,  für  die  jedermann  Rücksicht  und  Verständniss 
haben  müsste,  namentlich  jeder  Biograph,  welcher  in  seinem  Autor  immer 
mehr  oder  weniger  einen  Helden  sieht. 

Aber  bekannt  war  sie  in  Böhmen.  Wie  mir  Dr.  Jan  Jakubec  mittheilt, 
schrieb  darüber  Havlicek  in  seinem  »Slovan«  1850,  S.  1485,  obzwar  er  dort 


I 


Kleine  Mittheilungen.  155 

irrthümlich  von  »Kossuth  Hirlap«  spricht.  In  der  letzten  Zeit  beschäftigte 
sich  damit  Dr.Jakubec  in  Rozhledy  1894  auf  S. 508  in  einem  Artikel  »Poli- 
ticke  a  socialni  näzory  v  Kollärove  poesii«,  wo  er  auch  diese  Erklärung  ab- 
druckte. 

Im  Jahre  1848  musste  KoUär  in  Pest  mehrere  schwere  Stunden  verleben, 
worüber  er  in  seiner  Autobiographie,  die  ich  in  cechischer  Uebersetzung  (1893) 
veröffentlichte  und  die  nun  auch  im  deutschen  Original  herausgegeben 
wurde,  manches  erzählt. 

Es  scheint,  dass  mit  der  Erklärung  KoUär's  bald  darauf  die  Pester 
Slaven  nicht  zufrieden  waren.  Es  wäre  interessant,  zu  erfahren,  worauf  sich 
eine  Erklärung  der  Pester  Slaven,  die  in  »Kvety«  1848  erschienen  ist,  bezog. 
Mir  ist  die  Zeitschrift  nicht  zugänglich,  aber  sie  musste  in  ziemlich  heftigem 
Tone  gehalten  sein.  Andrej  Lanstjäk  sagt  davon:  »Avsak  co  tyka  sa  toho 
ohiasu  .pestianskych  Slovanov'  z  r.  1848  v  ,Kvetech'  vysleho,  musim  vy- 
znat',  ze  nebolo  tak  myslene,  jako  bolo  pisan6.  KoUär  säm  uznal  ho  neskorsie 
za  prehnane ! « 

In  der  Vorrede  zu  den  Gutachten  Kollär's  erwähne  ich,  dass  KoUär  den 
Conte  Medo  Pucic  (Pozza)  auf  das  »vorzügliche  Büchlein«  »Politische  Memo- 
rabilien  aus  Oesterreich  neuer  Zeit«  aufmerksam  machte,  dessen  Autor  mir 
unbekannt  war.  Ich  sprach  die  Vermuthung  aus  —  die  Broschüre  kam  mir 
bis  jetzt  nicht  in  die  Hände  — ,  dass  Kollär  an  ihrer  Verfassung  irgend  wel- 
chen Antheil  hatte.  In  Gedanken  bezog  ich  auf  diese  Broschüre  die  Worte 
Kollär's  zu  Soltis,  welche  Krizko  im  Sbornik  (S.  22)  veröffentlichte:  »Nepria- 
telia  nasi  po  mene  auktora  apologie  pätrajü,  ale  nebojte  sa,  budeme  se 
bränit «. 

Dieser  Satz  Kollär's  bezieht  sich  jedoch  auf  eine  andere  politische 
Broschüre,  die  im  Verzeichnisse  Pypin's  (Historie  literatur  slov.  I,  S.  198) 
nicht  citirt  ist.  Krizko  hat  mich  nämlich  irregeführt,  da  er  »apologia«  klein 
schrieb.  Es  ist  eine  selbständige  Broschüre,  die  »Apologia«  heisst,  und 
im  J.  1841  in  Budapest  erschien.  Der  Titel  lautet:  Apologia  |  to  geft:  | 
Obrana,  kterau  fe  odrodilci,  |  genz  |  od  fve  närodnofti  Slowanfke  odftu- 
pugj  I  bräniti  chtegj,  |  ti  pak  kterj  w  nj  ftogj  |  pofilniti  fe  mohau:  Sepfanä  | 
od  I  Ondfiflawa  z  Prawdomluwic.  |  W  Budjne  [  tiffteno  literami  Jana 
Gyuriäna  a  Mart.  Bagö.  1841.  S.  40. 

In  den  vierziger  Jahren  ist  eine  bedeutende  politische  Literatur  ent- 
standen, die  sich  auf  die  magyarisch-deutsch-slavischen  Reibungen  bezog; 
man  bekommt  eine  so  ephemäre  literarische  Erscheinung,  die  damals  viel- 
leicht grosses  Aufsehen  erweckte,  jetzt  sehr  schwer  oder  nur  zufällig  in  die 
Hand.  Die  ganze  hierher  einschlägige  Literatur  ist  nicht  einmal  in  der  Schrift 
»Les  Serbes  de  Hongrie«  (Prag  und  Paris,  1873)  vollständig  angeführt. 

Als  ich  im  August  d.  J.  19ü3  in  Cilli,  dem  Geburtsorte  Oblak's,  weilte, 
besuchte  ich  auch  die  slovenische  Bibliothek  (Narodna  citalnica),  um  die 
slovenische  Literatur  auf  Grund  des  dortigen  Materiales  näher  kennen  zu 
lernen.   Zu  meinem  Erstaunen  fand  ich  hier  eine  wunderbare  Sammlung  von 


156  Kleine  Mittheilungen. 

allen  möglichen  Slavica,  besonders  aus  der  ersten  Hälfte  des  XIX.  Jahrh. ; 
hauptsächlich  waren  die  böhmisch-slovakfschen  Schriftsteller  (Kollär,  Tomsa, 
Wocel,  Burgerstein,  Hanka's  Orthographie,  Prostonärodni  biblioteka  von 
Dr.  ßadlinsky  und  Podhradsky,  Nitra  von  Hurban),  dann  die  Repräsentanten 
des  Illyrismus,  Jordans  Jutnicka,  Zeitschrift  für  slav.  Literatur,  Kunst  und 
Wissenschaft,  Jahrbücher  (1844—46)  vertreten. 

Sehr  interessant  war  auch  die  Sammlung  von  mehreren  politischen 
Broschüren.  Ich  forschte  nach  den  ehemaligen  Besitzern  der  verschieden- 
sprachigen Bücher;  es  waren  Zuza,  ein  Bergwerksbesitzer,  der  erst  dieses 
Jahr  in  Var-Palota  bei  Pest  starb,  und  Andrej  Pirnat,  ein  Bergbaubeamter 
in  Tüchern  (bei  Cilli),  der  in  früheren  Jahren  (1845 — 46;  in  Schemnitz  unter 
den  Slovaken  gelebt  hatte  und  als  intelligenter  Slovene  für  die  damalige  Be- 
wegung unter  den  Slovaken  Sympathie  hegte.  Er  war  auch  schriftstellerisch 
thätig;  im  J.  1845  verüflfentlichte  Bleiweiss  in  »Novice«  sein  Gedicht  »Kme- 
tovac«.  Iz  St'avnice  (Semnic)  na  Ogerskim. 

Unter  diesen  Broschüren  interessirten  mich  z.  B.  »Petitionen  der  Serben 
und  Slovaken  vom  Jahre  1561«  (Wien,  Gorischek,  1S62,  S.  31)  und  das  hoch- 
wichtige Büchlein  »Protestantismus,  Magyarismus,  Slawismus«, 
welches  für  die  damaligen  Zustände  besonders  charakteristisch  ist.  Der 
Untertitel  lautet:  Als  Antwort]  auf  die  gegen  den  |  Grafen  Carl  Zay,  | 
Generalinspector  der  evangelischen  Kirchen  und  Schulen  A.  C.  in  Ungarn,  | 
erschienene  Schrift.  |  Vom  jaller  Menschen  Freunde,  nur  der  Finster- 
linge Feinde.  I  Leipzig,  1841,  Verlag  von  Georg  Wigand.  S.  78. 

Diese  Broschüre  enthält  die  Antwort  auf  ein  »Libell«,  wahrscheinlich 
»Apologie«  betitelt. 

Der  kurze  Sinn  der  Vertheidigung  Zay's  liegt  in  den  erlösenden  Worten  -. 
»Die  Magyarisirung  aller  Nationalitäten  Ungarns«;  die  Forderung  »Ungrische 
Armee«  lief  nur  nebenbei.  Es  sei  heilige  Pflicht  der  Slaven  Ungarns,  »die 
Magyarisirung  ihres  Vaterlandes  auf's  eifrigste  zu  befördern«,  »so  wird  denn 
unser  Vaterland  nur  dann  gross  und  glücklich,  wenn  es  magyarisch  wird«. 
An  einer  Stelle  (7)  spricht  er  von  der  »jugendlichen,  eine  grosse,  ruhmvolle 
Zukunft  verheissendeu  Nation«. 

In  dieser  Broschüre  sind  interessante  Nachrichten  über  die  Lehrkanzel, 
resp.  Aufhebung  des  slavischen  Lehrstuhles  des  Professors  Falko  wich 
enthalten. 

Die  Polemik  endet  mit  den  Worten:  »Der  alte  Gott  der  Magyaren,  er 
lebt  ja  noch,  und  segnet  König  und  Vaterland!« 

Dann  folgen  einige  Beilagen,  wie  sich  Graf  Zay  um  Gleichberechtigung 
der  Protestanten,  Nicht- Umrten  und  der  Juden  mit  den  Katholiken  eingesetzt 
habe  — ,  »wo  das  ganze  constitutionelle  Europa  in  der  Eatwickelung  unserer 
Sprache  und  Nationalität  den  treuesten  und  kräftigsten  Wächter  und  Kämpen 
seiner  Freiheit  erkennt«,  lautet  ein  Satz. 

Aus  der  Biographie  des  Grafen  erfahren  wir,  dass  er  in  Odenburg  (in 
der  Umgebung  wohnen  die  Kroaten)  geboren  wurde ;  seine  Feinde  haben  ihn 
daran  erinnert,  dass  seine  Mutter  eine  Schlesierin  war  und  er  ein  Halbslave  — 
aber  er  vertheidigt  sich  dagegen. 


Kleine  Mittheilungen.  157 

Die  Professoren  des  Leutschauer  evangelischen  Lyceums  wollten  die 
Einfälle  des  demokratischen  Grafen  nicht  recht  begreifen  und  waren  im 
Tärsalkodö  Nr.  92  einer  anderen  Anschauung.  Das  hat  den  Grafen  Zay  »mit 
traurigem  Gefühl  und  Kummer  erfüllt«. 

Sein  letzter  Rath  kulminirte  in  diesem  Satz:  »Unsere  slavischen  Brüder 
mögen  fernerhin  aufhören,  ihre  geistigen  Kräfte  zwecklos  ')  zu  verschwenden «. 

Zum  Schlüsse  droht  er  mit  Repressalien  »im  Sinne  der  Gesetze  und  der 
Befehle  der  Regierung«,  wenn  seine  »herzliche  Zurede  erfolglos  bleiben« 
sollte  (24.  November  1810). 

Die  Professoren  von  Leutschau,  wo  damals  ein  reges  geistiges  Leben 
blühte,  haben  sich  gegen  Zay  vertheidigt,  ja  sogar  ein  »so  gelehrter  und  ver- 
dienstvoller Mann«,  wieCaplovic(Czaplovics)  hat  sich  der  slovakischen  Sache 
in  Szäzadunk  Nr.  3  angenommen. 

Czaplovics  rüttelt  unbarmherzig  an  der  magyarischen  Logik  Zay's, 
dessen  circulus  vitiosus  sich  in  dem  bekannten  Satze  und  dessen  Variationen  : 
»die  Magyarisirung  des  Vaterlandes«  bewegt.  Er  nennt  seine  Ideen  »über- 
spannte magyarische  Tiraden«  und  zu  der  Bedeutung  der  Ungarn  in  Bezug 
auf  die  Künste  bemerkt  er  bissig:  »die  Slaven  hätten  im  Bereiche  der  bilden- 
den Künste  von  den  Magyaren  im  Verlaufe  von  neun  Jahrhunderten  kaum 
etwas  Anderes  gelernt,  als  die  Kunst,  Knöpfe  zn  stricken  und  aus  Dünger 
Brennholz  zu  bilden«. 

Czaplovics  fordert  den  Grafen  auf,  er  möchte  ihm  folgende  Zeilen  er- 
klären: »die  magyarische  Sprache  ist  das  Nährelement  der  Freiheit,  der  In- 
telligenz, des  Protestantismus«,  sowie  auch  diese:  »Die  slawische  Sprache 
ist  nicht  mehr  die  Sprache  der  Freiheit,  des  Protestantismus«.  Unter  An- 
derem fragt  Czaplovics  den  Zay,  ob  er  vielleicht  nicht  zu  den  magyarischen 
Slawen  gehöre«. 

Die  Antwort  desGrafenZay  (Pressburg,  im  Jänner  1S41)  ist  sehr  schwach 
ausgefallen. 

Sein  Gedankenkreis  ist  mit  dem  Grundsatze :  Magyarisirung  von  ganz 


')  Die  Slavisten  und  Leute  der  Wissenschaft  wird  es  interessiren,  was 
für  eine  hohe  Meinung  dieser  Chauvinist  von  ihrem  ernsten  Studium  hatte 
(S.  3):  »Philologische  Forschungen  sind  wohl  an  sich  selbst  ein  eben  so  un- 
schuldiges als  verdienstliches  Unternehmen;  allein  wird  dabei  nichts  Höheres 
bezweckt,  so  sind  sie  eine  bedauernswürdige  Verschwendung  zu  etwas  Heil- 
samerem geschaffener  Kräfte;  sollen  jedoch  jene  als  Beförderungsmittel  der 
Intelligenz  dienen,  so  kann  ja  dieser  heilige  Zweck  nicht  nur  mit  Hilfe  der 
slavischen,  sondern  auch  mit  jeder  andern  Sprache  erreicht  werden  .  .  .  näm- 
lich mittelst  der  magyarischen.  Vergleichen  wir  die  slawische  Literatur 
Ungarns  mit  der  der  Magyaren  und  fällen  wir  ein  unbefangenes  Urtheil.  Der 
Inbegriff  jener  ist  vorzugsweise  belletristisch  und  streng  wissenschaftlich; 
die  magyarische  Literatur  hingegen  verhandelt  die  heiligsten  Interessen  der 
Menschheit,  nämlich  die  religiösen  und  staatsrechtlichen  Verhältnisse  sammt 
vielen  anderen  Lebensfragen,  was  auch  insbesondere  von  der  magyarischen 
Journalistik  gilt«.  -^ 


158  Kleiae  Mittheilungen. 

Ungarn  erschöpft;  wo  er  aber  mit  logischen,  wissenschaftlichen  und  humanen 
Gründen  operiren  soll,  dort  verräth  seine  Argumentation  auffallende 
Schwäche. 

Ich  habe  mich  bei  dieser  Broschüre  länger  aufgehalten,  weil  dieser 
merkwürdige  Broschürenkrieg  dem  allgemeinen  Vergessen  verfallen  ist,  ob- 
zwar  er  manch'  wichtige  kulturelle  und  literarische  Momente  enthält. 

Kollär  wusste  bald,  wie  gefährlich  für  die  Slovaken  die  Thätigkeit  des 
evangelischeu  Generalinspectors  sei.  Er  beklagt  sich  über  Zay  in  seinem 
Gutachten  über  die  protestantische  Kirche  (meine  Ausgabe,  S.  64 :)  —  »nur 
auf  diese  Art  (Auflösung  einer  solchen  aufrührerischen  Synode)  wird  es 
möglich  sein,  dass  künftighin  ein  Kossuth  oder  Zay  eine  beispiellose  Ty- 
ranay  in  der  protestantischen  Kirche  ausüben  können,  welche  oft  mit  50  Ju- 
raten  und  anderen  unberufenen  jungen  Leuten  in  den  Conventsaal  der 
Kirchenversammlung  hineinstürzten  und  einmal  den  ehrwürdigen  Superin- 
tendenten Jozeflfy  gröblich  insultirten  .  .  .« 

Die  schon  früher  angeführte  »Apologia  —  ti  pak  kteri  v  ni  stojl,  po- 
silniti  se  mohou«  (1841)  ist  eine  Gegenschrift  gegen  eine  andere  »Apologia, 
tojest:  Obrana,  kterau  se  odrodilci .  .  .  bräniti  chteji «. 

Auf  dem  Landtage  in  Pressburg  1840  (wo  keine  Slovaken  anwesend 
waren)  wurde  beschlossen  anzuordnen,  »dass  die  Bewohner  Ungarns  magya- 
risch sprechen  sollen«.  Irgend  ein  Magyarone  hat  ein  Büchlein  geschrieben, 
wo  er  nachzuweisen  trachtet,  was  für  Vortheile  für  die  Slovaken  entstehen, 
wenn  sie  sich  magyarisiren  werden.  Jedes  Kapitel  endete  mit  den  Worten  : 
»Giz  geft  darmo«  —  »Es  ist  schon  vergeblich«,  das  heisst,  alles  ist  verloren, 
wehret  euch  nicht,  es  ist  besser  und  opportuner  für  euch,  Slovaken,  wenn  ihr 
euch  magyarisirt. 

Als  Antwort  darauf  erschien  die  im  slovakischen  Sinne  geschriebene 
»Apologia«  1841.  Der  Verfasser  führt  die  Titel  von  neun  Kapiteln  an  und 
trachtet  die  magyarische  Argumentation  durch  die  Gründe  aus  der  Bibel, 
aus  der  Natur  zu  entkräftigen.  Die  Folgerung,  dass  alle  in  Ungarn  wohnen- 
den Völker  sich  magyarisiren  müssen,  Verstösse  gegen  göttliche  und  natür- 
liche Gesetze,  gegen  die  Humanität  und  gesunde  Vernunft.  Zuerst  werden 
historische  Beispiele  angeführt,  die  für  die  Gleichberechtigung  der  Völker 
in  der  Slovakei  sprechen.  Dann  geht  es  kapitelweise  weiter.  Der  Autor  ver- 
räth, dass  er  in  der  Bibel  gründlich  belesen  ist;  man  fühlt  bald  heraus,  dass 
es  ein  protestantischer  Priester  ist,  in  dessen  Feder  manche  Phrasis  aus  der 
»brüderlichen«  Bibel  stecken  geblieben  ist.  Die  Sprache  ist  ziemlich  rein 
cechisch;  man  erkennt  aus  dem  Stil  und  der  verhältnissmässig  guten  Schrift- 
sprache, dass  Kollär  diese  Broschüre  nicht  verfasste.  Aber  aus  der  ganzen 
Beweisführung  und  der  Kenntniss  der  slavischen  Literatur  —  viele  Gründe 
der  »Apologia«  sind  der  >Wechselseitigkeit«  KoUär's  entnommen,  —  haupt- 
sächlich aber  aus  dem  warmen  Tone  der  Broschüre  lässt  sich  schliessen,  dass 
ihr  Verfasser  zu  der  Umgebung  KoUär's  gehörte.  Wir  werden  daher  nicht 
fehlgehen,  wenn  wir  annehmen,  dass  —  nach  dem  früher  angeführten  Citate 
bei  Krizko  —  Kollär  geistiger  Beistand  bei  dem  Werkchen  und 
Soltis  dessen  Schreiber  war. 


Kleine  Mittheilungen.  159 

Kollär  war  in  der  polemischen  Literatur  schon  bewandert;  er  schrieb 
für  Zschokke's  »Ueberlieferungen«  »Etwas  über  die  Magyarisirung  der  Sla 
ven  in  Ungarn«,  und  nach  Marko:  »Sollen  wir  Magyaren  werden«  und  »Hi- 
KOJtHKO  pi^ifi  0  TOMt,  KaKO  ce  CjiaBeHH  y  BeurepcKofi  Mal)apH3Hpaio «  (Spomen- 
Cviede  und  meine  KoUdrova  dobrozdäni  XVII).  Er  hat  mehrere  Gründe  für 
die  Vorzüge  der  slavischen  Kultur  in  der  »Wechselseitigkeit«  ins  Treffen 
geführt. 

An  einer  Stelle  in  der  » Apologia«  (S.  26 — 27)  werden  einzelne  Schrift- 
steller citirt,  die  sich  der  Bekämpfer  ihrer  Muttersprache  schämen  würden  ; 
angefangen  mit  Hus  bis  zu  Dobrovsky,  Nudozerin,  Tranovsky,  Bei,  Tablic, 
beide  Nejedly,  Puchmajer,  Samuel  Hruskovic,  Elias  Mlinarovych,  Joachim 
Kaiinka,  Jiri  Zäbojnik. 

Besonders  interessant  ist  die  Ueberschrift  des  siebenten  Kapitels;  es 
ist  ein  Citat  aus  der  genannten  magyarenfreundlichen  Broschüre,  das  in  dem 
Kapitel  widerlegt  wird: 

»In  der  magyarischen  Nation  (närod)  werden  wir  alle  frei  und  unter- 
einander gleich  sein,  und  dadurch  entstehen  für  uns  goldene  Zeiten  in  Un- 
garn.  Es  ist  schon  vergeblich«. 

Dem  Ganzen  wird  die  Krone  durch  das  bekannte  Citat  Kollär 's  auf- 
gesetzt: 

»Säm  svobody  kdo  hoden,  svobodu  znä  väziti  kazdou: 

Ten  kdo  do  put,  jiinä  otroky,  säm  je  otrok. 
Necht'  ruky,  necht'by  jazyk  v  okovy  sve  väzal  otrocke : 
Jedno  to,  neb  neznä  setfiti  präva  jinych«. 

Gerade  dieses  Kapitel  ist  besonders  charakteristisch  für  die  damals 
hochgehenden  Wogen  des  politischen  Lebens  in  Ungarn,  unter  dem  aber  auch 
die  Literatur  zu  leiden  hatte.  Ich  führe  einige  markante  Stellen  (31—32)  in 
der  Uebersetzung  an : 

»Die  Magyaren  lieben  nur  sich  und  suchen  die  Freiheit  nur  für  sich 
selbst  und  ihr  Volk:  dagegen  wollen  sie  den  Slovaken  noch  grössere  Knech- 
tung aufzwingen  und  grösseres  Joch  auferlegen.  Am  letzten  Kongresse  in 
Balasch-Gyarmot*)  am  12.  Mai  1841  wurde  darüber  öffentlich  diskutirt:  »dass 
die  Jugend  nichts  aus  dem  Slovenischen  lernen  solle,  die  Theologen  sollten 
nicht  slovakisch  predigen  und  andere  Abhandlungen  schreiben;  dass  man 
den  ungarischen  Slovaken  verbiete,  mit  anderen  slavischen  Gesellschaften 
und  gelehrten  Vereinen,  und  zwar  nicht  nur  mit  den  russischen,  polnischen, 
sondern  auch  mit  den  cechischcn,  zu  korrespondiren«.  Siehe,  das  ist  die  ma- 
gyarische Liberalität !  Die  Magyaren  dürfen  ihre  Gesellschaften  haben,  aber 
für  die  Slovaken  etwas  Aehnliches  nem  szabad.  Ist  das  eine  Freiheit!  Junge 
Slovaken  haben  einen  Almanach  unter  dem  Namen  »Nitra«^)  angekündigt: 


1)  W  Baläs-D'armotech.  Da  ich  das  Werk  des  Prof.  Niederle  über  die 
slovakische  Topographie  nicht  bei  der  Hand  habe,  kenne  ich  nicht  die  offi- 
cielle  ungarische  Benennung. 

2)  »Nitra«  von  Hurban  ist  im  J.  1842  in  Pressburg  erschienen  und  wurde 
dem  Caplovic  gewidmet.   Der  zweite  Jahrgang  dieser  Zeitschrift  concentrirte 


\  ßO  Kleine  Mittheilungen. 

einige  Magyaren  verlangten,  man  solle  diesen  Titel  verbieten:  das  ist  die 
magyarische  Freiheit !  Die  Magyaren  wollen  die  Evangelisten  mit  den  Cal- 
vinisten  gewaltsam  vereinigen  (wie  der  Simson  die  Füchse  mit  den  Schwän- 
zen), damit  sie  leichter  die  Slovaken  magyarisiren  könnten;  ist  das  eine 
Freiheit !  Sie  wollen  eine  neue  magyarische  Religion  bilden,  wie  Tärsalkodo 
schreibt:  »Seien  wir  weder  Juden,  noch  Christen,  weder  Katholiken,  noch 
Orthodoxe,  noch  Protestanten,  sondern  —  Magyaren!«  (d.  h.  wahrscheinlich 
Heiden). 

Kollär  erinnert  sich  dieser  Worte  in  der  »Apologia«  und  wiederholt  sie 
auch  in  seinem  Gutachten  (31):  .  .  .  »nach  dem  bekannten  kossuthischen 
Grundsatz:  Seyen  wir  nicht  Katholiken,  nicht  Protestanten,  nicht  Griechen, 
nicht  Christen,  nicht  Juden,  seien  wir  nur  Magyaren«. 

Der  Herausgeber  der  Nitra,  Miloslav  Jos.  Hurban,  bemerkt  über  ver- 
schiedene Schwierigkeiten  (S.  293)  folgendes:  »Nevime  pak  sobe  docela  vy- 
svetliti,  kterak  i  nepfätel  nasich  toto  nevinn6  predsevzeti  pozornost,  jako- 
vousi  kfivozämernou  vzbuditi  mohlo  natolik,  ze  se  jim  zachtelo  kvetinku 
tuto,  jakoby  v  korunce  jeji  jester  jedovaty  di-imal,  pred  rozvinutim  se  jejim 
poslapati.  Ano  jakovysi  pamphletista  präve  v  tom  jmene  .Nitra'  cosi  podiv- 
neho  nalezä,  a  proto  verejne  näm  radil,  abychom  spisek  tento  radeji  ,Kar- 
pathus'  anebo  .Släva'  etc.  pojmenovali,  ne  moha  se  prenadiviti,  proc  präve 
Nitrou  jsme  därek  tento  vlastensky  nazvali«. 

Der  erste  Jahrgang  wurde  » Janu  Caplovicovi  z  Jasenovi,  .  .  vlastenci 
slovenskemu  dalece  povestnemu,  spisovateli  slavn6mu,  närodu  slovenskeho 
ctiteli  a  zästupci  neohrozenemu«  mit  einem  begeisterten  Gedicht  gewidmet. 
Die  letzte  Strophe  der  von  Hurban  verfassten  Dedikation  lautet : 

»Posvecenät' jsi.  Nitro,  jiz  Slävovi, 

Jehoz  jmena  släva  Tatrou  poletuje 

Jdiz  ku  statnemu  Tater  Obhajcovi  *) 

A  On  te  CO  dceru  Nitry  zamiluje«. 
Ob  Kollär  auch  irgend  einen  Antheil  bei  der  Verfassung  der  »Politischen 
Memorabilien«  (Leipzig  1843)  hatte,  kann  ich  nicht  angeben.  Jedenfalls  wer- 
den die  Biographen  von  nun  an  mehr  die  politische  Wirksamkeit  KoUär's 
betonen  müssen;  die  von  mir  herausgegebenen  »Gutachten  Kollär's  und  seine 
Autobiographie  aus  dem  J.  1849«  (Böhmische  Akademie,  IJI.  Klasse,  1903) 
srehören  zu  den  wichtigsten  Schriften  Kollär's  auf  diesem  Gebiete. 


alle  für  die  slovakische  Literatur  ;im  Gegensatz  zu  der  böhmischen)  begei- 
sterte Schriftsteller. 

1)  Wir  begreifen  jetz';,  warum  Caplovic  als  Vertheidiger  genannt  wurde. 
Wien,  Dezember  1903.  Dr.  Josef  Karäsek. 


Beri^chtigung  zu  S.  135,  Z.  30.  Ich  habe  übersehen,  dass  Cevapovic 
im  Buche  Surmin's  erwähnt  wird,  aber  erst  B.  IL  26,  und  zwar  nebst  Georg 
Feric,  beide  als  —  illyrische  Zeitgenossen,  der  »Danica«,  was  doch  gelegent- 
lich berichtigt  werden  müsste.  V-  J- 


Zur  glagolitischen  Schrift. 


Die  folgende  Betrachtung  hat  nicht  den  Zweck,  den  Ursprung 
des  glagolitischen  Alphabets  zu  untersuchen  oder  seine  Geschichte 
zu  behandeln,  sondern  will  nur  einen  Beitrag  geben  zur  Beant- 
wortung der  Frage,  wie  und  warum  den  Buchstaben  der  Lautwerth, 
den  wir  in  der  Ueberlieferung  finden,  beigelegt  ist.  Dabei  sind 
freilich  paläographische  Erwägungen  nicht  zu  umgehen ,  und  bei 
den  stark  verschiedenen  Ansichten  über  die  Entstehung  der  glago- 
litischen Schrift  muss  man  einen  bestimmten  Standpunkt  ein- 
nehmen, um  überhaupt  auf  die  gestellte  Frage  eine  Antwort  geben 
zu  können. 

Aus  den  bisherigen  Untersuchungen  über  die  beiden  Schrift- 
gattungen des  Altkirchenslavischen  stehen  mir  folgende  Sätze  fest: 

1.  Von  den  beiden  Alphabeten  ist  das  glagolitische  das  ältere. 

2.  Die  Aufstellung  dieses  Alphabets  ist  das  Resultat  der  gelehrten 
Thätigkeit  einer  bestimmten  Person.  Es  ist  gleichgiltig,  ob  man 
schon  frühere  Versuche  zur  Herstellung  einer  slavischen  Schrift 
vermuten  will;  es  kommt  hier  nur  darauf  an,  dass  das  fertige 
Schriftsystem,  wie  die  Ueberlieferung  es  darbietet,  das  wohl  über- 
legte Werk  eines  Mannes  ist.  3.  Der  Hersteller  dieser  Schrift  war 
Konstantin  (Kyrill),  und  sie  war  bestimmt  für  den  Dialect,  in  dem 
er  seine  slavischen  Schriften  abfasste.  4.  Das  glagolitische  Alpha- 
bet beruht  auf  der  griechischen  Minuskelschrift  des  IX.  Jahr- 
hunderts, und  zwar  in  allen  seinen  Bestandtheilen.  Die  Versuche, 
glagolitische  Buchstaben  aus  orientalischen  Alphabeten ,  aus  einer 
albanesischen  Schrift  oder  aus  der  lateinischen  abzuleiten,  halte 
ich  für  verfehlt.  Es  ist  richtig,  dass  die  bisherigen  Untersuchungen 
noch  nicht  jeden  glagolitischen  Buchstaben  auf  griechische  Schrift- 
zeichen zurückführen  konnten,  dass  über  die  Herkunft  einzelner 
Buchstaben,  d.  h.  welchen  griechischen  oder  welcher  Verbindung 
griechischer  Zeichen  sie  entsprechen,  Zweifel  bestehen.  Aber  trotz 
dieser  Zweifel  und  selbst,  wenn  man  dabei  bleiben  sollte,  dass 

AicMt  für  slaTische  Philologie.    XXVII.  \\ 


162  A.  Leskien, 

einzelne  glagolitische  Zeichen  —  es  kann  sich  nur  um  wenige  han- 
deln —  aus  dem  Orient  stammen ,  so  hat  das  für  die  hier  vor- 
liegende Frage  wenig  Bedeutung.  Man  mag  immerhin  annehmen, 
dass  die  dem  Konstantin  zugeschriebene  Kenntniss  orientalischer 
Sprachen  und  ihrer  Alphabete  nicht  bloss  legendenhaft  sei,  aber 
man  muss  doch  erkennen,  dass  ihm  nur  sein  lebendiges  Griechisch 
und  seine  mit  der  byzantinischen  Gelehrsamkeit  nothwendig  ver- 
bundene Ausbildung  in  griechischer  Grammatik  die  Richtschnur 
geben  konnten  für  die  Bestimmung  der  Laute  seines  slavischen 
Dialects  und  für  die  Aufstellung  eines  Schriftsystems. 

Die  nächste  Aufgabe  ist,  zu  bestimmen,  wie  das  älteste  glago- 
litische Alphabet  beschaffen  gewesen  ist,  d.  h.  welche  Zeichen  es 
besessen  hat.  Nach  den  Untersuchungen  von  Jagic  halte  ich  es  für 
sicher,  dass  es  sämmtliche  aus  der  Gesammtheit  der  glagolitischen 
Handschriften  sich  ergebenden  Zeichen  besass  ausser  «  =  e ,  dass 
es  vielmehr  für  e  nudj'e  nur  das  eine  Zeichen  9e  gab.  Auf  diesem 
Standpunkt  stehen  Psalt.  sin.  und  Kiev.  Bl. ,  Nachwirkung  des 
alten  Zustandes  zeigt  noch  die  weiter  entwickelte  Schrift  des  Zogr. 
und  Mar.,  indem  sie  3€  nur  im  Wort-  und  Silbenanlaut,  nicht  nach 
Consonanten  {n  Im.  s.  w.)  setzen. 

Steht  das  fest,  so  ist  zu  fragen,  welche  Laute  hat  das  Alphabet 
ausdrücken  sollen.  Es  war  nach  meiner  Meinung  für  Konstantin 
selbstverständlich,  dass  er  den  Lautwerth  der  für  seinen  slavischen 
Dialect  aufgestellten  Buchstaben  nach  Lautwerthen  griechischer 
Buchstaben  bestimmte,  d.  h.  nach  den  Werthen,  die  diese  im 
Griechischen  des  IX.  Jahrhunderts  hatten;  und  es  dürfte  nicht 
überflüssig  sein,  das  glagolitische  Alphabet  von  diesem  Gesichts- 
punkt zu  betrachten. 

Von  den  Consonanten  konnten  ohne  Abweichung  über- 
nommen werden  ß  =  v  "is,  ^  =  2öj,  x  =  Ä^,  1  =  l  a,  (ohne  Berück- 
sichtigung des  Unterschiedes  von  palatalem  und  nichtpalatalem  /), 
[x  =  m'9s,i/  =  n-p  (wie  bei  /),  jt  =p  f,  q  =  r  b  (wie  bei  ti,  l), 
(7  =  52,  z  =  t  m,  ■^^=  ch  h.  Von  den  nur  in  griechischen  Fremd- 
wörtern möglichen  q)z=f^^  t9- =^  ♦,  a«  =^  ist  hier  abzusehen. 
Der  Umstand,  dass  griech.  x  und  x  nicht  überall  den  gleichen  Laut 
darstellten,  da  sie  wie  im  heutigen  Griechisch,  vor  e-  t-Lauten  eine 
palatale  Färbung  haben  konnten,  störte  nicht,  da  ja  k  ch'  in  dem 
slavischen  Dialect  überhaupt  nicht  vorhanden  waren,  sondern  schon 


Zur  glagolitischen  Schrift.  163 

urslavisch  dafür  c  s  eingetreten  war.  Nicht  so  einfach  lag  die 
Sache  bei  griech.  d  und  y.  Diese  Zeichen  drückten  im  IX.  Jahr- 
hundert wie  heute  je  zwei  ganz  verschiedene  Laute  aus,  die  Spi- 
ranten Ö  5  (so  im  Anlaut  und  zwischen  Vocalen)  und  die  Medien  d  g 
nach  Nasalen:  öivöqov  =  ^endro^i^  ayyaqEia  =z  angarid).  Da  aber 
für  den  Slaven  in  seinem  Dialect  die  Spiranten  gar  nicht  vorhanden 
waren,  konnten  ohne  Weiteres  6  Sh  und  y  %  vü.  der  Geltung  reiner 
Mediä  aufgenommen  werden.  Auch  die  starke  Palatalisirung  des  y 
vor  palatalen  Vocalen,  agos  aj'os  =  aytog  konnte  für  das  Slavische 
gleichgiltig  sein,  da  hier  ein  g  nicht  vorkommt,  sondern  bereits  ur- 
slavisch durch  {d]z  vertreten  wird.  Die  Möglichkeit,  einen  griechi- 
schen Buchstaben  mit  an  sich  mehrfacher  lautlicher  Geltung  in  das 
slavische  Alphabet  mit  einheitlicher  Geltung  aufzunehmen,  musste 
dagegen  bei  h  versagen;  das  griech.  ß  hatte  zwei  verschiedene 
Werthe:  v  im  Anlaut  und  zwischen  Vocalen,  b  nach  Nasal  [lafxßavo) 
=  lambano).  Dem  ß  =  v  entspricht  der  slavische  Laut  t?,  und  ß  v 
ist  für  diesen  Spiranten  festgelegt;  für  das  rein  mediale  h  musste 
also  eine  Auskunft  gefunden  werden,  und  ich  meine,  Jagic  hat 
Recht,  wenn  er  das  glagolitische  b  e  für  eine  Ligatur  aus  griech. 
f.iß  hält.  Man  muss  dabei  berücksichtigen,  dass  die  Gruppe  mb 
im  Slavischen  gar  nicht  vorhanden  war,  also  ohne  Schwierigkeit 
für  einfaches  b  verwendet  werden  konnte. 

Für  die  im  damaligen  Griechisch  nicht  vorkommenden  Conso- 
nanten  und  Consonantengruppen  hat  das  glagolitische  Alphabet 
griechische  Buchstaben  umgeformt  oder  combinirt:  z  ac,  dz  ^, 
c  «v,  c^,  s  uj,  k'8.  Für  diese  ist  das  griechische  Alphabet  nur 
zeichengebend,  nicht  oder  wenigstens  nicht  direkt  Laute  ver- 
mittelnd gewesen.  Wie  im  einzelnen  die  Adaptirung  vorgenommen 
ist,  muss  weitere  paläographische  Forschung  entscheiden.  Im 
ganzen  kann  man  sagen,  dass  für  die  Consonanten  keine  so  grossen 
Schwierigkeiten  bestanden,  dass  ein  grammatisch  geschulter  Ge- 
lehrter sie  nicht  passend  lösen  konnte. 

Bei  den  Vocalen  waren  die  Umstände  ungünstiger.  Die 
griechische  Schrift  bot  an  Vocalzeichen:  a  =  a\  €  ai  =  e]  rj  loistv 
=  i\  o  u)  =  o\  ov  =  u;  die  diphthongischen  Verbindungen  av,  sv 
kommen  nicht  in  Betracht,  da  sie  bereits  av  ev  (vor  tonlosen  Con- 
sonanten af  ef)  waren,  also  in  den  betreffenden  Silben  nur  das 
vocalische  Element  a  e  darstellen.  Dass  im  glagolitischen  Alphabet 

11* 


1 64  A.  Leskien, 

die  e-Zeichen  oc  ei  v  unberücksichtigt  blieben,  erklärt  sich  einfach 
daraus,  dass  den  Aufsteller  der  slavischen  Schrift  keine  Kücksicht 
auf  Ueberlieferung  oder  Etymologie  band.  Die  beiden  einfachen 
/-Zeichen  /j  l  kehren  wieder  in  s  und  t  (mit  der  Variante  s).  Wie 
weit  bei  dieser  an  sich  überflüssigen  Doppelheit  oder  Dreiheit  doch 
Berücksichtigung  gewisser  lautlicher  Verhältnisse  des  slavischen 
Dialects  mitgewirkt  hat,  lasse  ich  hier  ununtersucht.  Die  Zeichen 
für  a,  e,  o,  u  {a,  €,  o  w,  ov)  konnten  ohne  Weiteres  übernommen 
werden. 

Das  glagolitische  Alphabet  besitzt  an  Vocalzeichen  (die  latei- 
nische Umschreibung  soll  hier  keine  genauere  Bestimmung  geben, 
sondern  nur  zur  nächsten  Verdeutlichung  dienen) :  +  =  a ,  3  =  e, 
s  «p  (s)  =  /,  3  =  0,  »  =  w,  »e  =  %  (dazu  die  Combination  css  cst  [.««] 
=  'y]j  -6  :=  h,  &  =  e  (ja),  fp  =ju,  s€  =  ^,  3€  =  e,  ^a€  =jq.  Zu  den 
durch  o6,  oQV,  -8,  A,  §€,  3€,'»€  ausgcdrücktcn  Vocalen  hatte  der 
griechische  Lautbestand  keine  Entsprechungen,  die  Buchstaben 
sind  daher  aus  Zeichen  des  griechischen  Alphabets  umgebildet 
oder  combinirt.  Merkwürdig  ist  nun,  dass  auch  von  den  Zeichen 
für  solche  Vocale,  die  an  sich  lautlich  im  Griechischen  und  Slavi- 
schen übereinstimmten,  eigentlich  nur  zwei  ganz  gleiche  Verwen- 
dung gefunden  haben,  o  ä  =  o^  ov  f»  =  u.  Dagegen  bedeutet  3  so- 
wohl e  wie  je  (im  Silbenanlaut),  in  derselben  Weise  s  (t  s)  i  wie 
Ji.  Für  ja  im  Silbenanlaut  und  an  Stelle  des  kyrillischen  i  e  dient 
das  gleiche  Zeichen  a,  3€  dient  für  e  und  silbenanlautendes  y^.  Die 
Lautverbindung yw  aber  wird  von  u  regelmässig  durch  ein  von  »  u 
unterschiedenes  Zeichen  jp  gegeben,  und  ebenso  regelmässig  y^ 
durch  %e,  unterschieden  von  9e  q.  Warum,  wird  man  fragen  müssen, 
hat  jemand,  der  im  Ju^Jq  besondere  Zeichen  nöthig  hielt,  nicht 
dasselbe  Verfahren  bei/e  gegenüber  e,  bei/«  neben  i  eingeschlagen? 
Wer  eine  Combination  von  Zeichen  iür  Ju^  Ja  ersinnen  kann,  wird 
nicht  in  Verlegenheit  sein,  auch  für  andere  entsprechende  Laut- 
verbindungen denselben  Weg  einzuschlagen.  Es  müssen  daher 
innere  Gründe  für  die  Unterlassung  vorhanden  sein,  und  diese 
können  nur  liegen  in  einer  Eigenthümlichkeit  des  altkirchenslavi- 
schen  Dialects. 

Wenn  sowohl /a  wie  der  Vocal,  der  im  kyrillischen  Alphabet 
einen  von  m  verschiedenen  Buchstaben  i  e  hat  und  dort  sicher  einen 
e-Laut  bezeichnet,  glagolitisch  durch   dasselbe  Zeichen  a  aus- 


Zur  glagolitischen  Schrift.  165 

gedrückt  wird,  so  kann  das  nichts  anderes  bedeuten,  als  dass  ur- 
sprüngliches ja  und  ursprüngliches  e  in  der  Aussprache  einander 
so  nahe  lagen,  dass  ein  Zeichen  für  beide  genügen  konnte.  Sie 
brauchten  darum  nicht  identisch  zu  sein,  und  waren  es  auch  nicht, 
denn  während  ein  dem  urspr.  ja  vorangehender  Consonant,  der  ur- 
slavisch  palatalisirt  war,  mit  dem  Erweichungszeichen  ^  versehen 
wird  oder  versehen  werden  kann,  >%v^  =  hona^  geschieht  das  bei 
A  =  urspr.  e  nicht:  ■PA'sffcs.  Wie  das  so  verwendete  a  gelautet  hat, 
kann  man  völlig  genau  nicht  bestimmen,  man  wird  aber  richtig 
vermuthen,  dass  das  a  in/a  und  der  dem  e  entsprechende  Laut  die 
Färbung  eines  sehr  offenen  e  [ä]  angenommen  hatten.  Man  konnte 
also  für  das  ä  in  altem  ja  und  für  das  ä  aus  altem  e  denselben 
Buchstaben  anwenden.  Es  liegt  in  der  Wiedergabe  des  Vocals 
also  keine  Unvollkommenheit,  sondern  in  der  Wiedergabe  eines 
diesem  Vocal  vorangehenden  palatalen  Consonanten  [n  u.  s.  w), 
wenn  dieser  nicht  mit  ^  versehen  wird,  wie  etwa  .■'§•? a  statt  ^i-PA. 
Ganz  auf  derselben  Linie  steht  der  Gebrauch  eines  und  desselben 
Zeichen  3  für  e  und/e,  s  (t  «)  für  i  undy/,  3€  für  e  und/^,  nach 
palatalen  Consonanten.  Dass  man  so  verfahren  konnte,  muss  seinen 
Grund  in  der  Sprache  selbst  gehabt  haben.  Die  Grammatik  der 
slavischen  Sprachen  ergibt  sicher,  dass  nirgends  urspr.  j  [t]  nach 
Consonanten  erhalten  geblieben  ist;  entweder  es  geht  mit  den  Con- 
sonanten eine  diese  zugleich  verändernde  Verbindung  wie :  kj  —  c, 
gj  —  dz  [z]  u.  s.  w.,  oder  der  Consonant  geht  von  der  nicht  pala- 
talen Lage  zur  palatalen  über  (w,  /',  r).  Bekanntlich  neigen  nun  die 
slavischen  Sprachen  dazu,  die  Palatalisirung  weiter  zu  führen,  in- 
dem auch  die  palatalen  Vocale  [e-  /-Laute)  palatale  Verschiebung 
vorangehender  Consonanten  bewirken.  Ich  möchte  dazu  bemerken, 
die  Frage ,  ob  diese  Art  der  Palatalisirung  bereits  urslavisch  be- 
standen habe,  ist  eine  Doctorfrage,  denn  es  gibt  wohl  überhaupt 
keine  Sprache,  in  der  die  Organstellung  der  Consonanten  vor 
harten  Vocalen  (a,  o,  u]  genau  dieselbe  wäre,  wie  vor  den  weichen 
(e,  *),  z.  B.  ein  w,  ^  in  ta  to  tu,  na  no  nu  lautet  immer  anders  als 
in  te  ti ,  ne  ni.  Es  kommt  nicht  auf  die  Palatalisirung  überhaupt 
an,  sondern  auf  deren  Stärke,  und  diese  kann  sehr  verschieden 
sein.  Nimmt  man  nun  an  —  wie  ich  es  annehme  —  dass  im  alt- 
kirchenslavischen  Dialect  eine  Erweichung  der  Consonanten  durch 
e-^-Laute  in  wahrnehmbarem  Grade  bestand,  so  muss  man  doch 


166  A.  Leskien, 

daneben  behaupten,  dass  sie  graduell  verschieden  war  von  der 
durch  urspr.  j  bewirkten,  denn  es  kann  wohl  z.  B.  s-a-ps^os  = 
konerm,  doch  niemals  ^3  =  ne  geschrieben  werden.   Dieser  Unter- 
schied des  Grades  der  Erweichung  ist  aber  bei  der  Aufstellung  der 
Schrift  unberücksichtigt  geblieben ,  so  gut  wie  bei  a  =  ä.    Lässt 
man  diese  Auseinandersetzung  gelten,  so  erhebt  sich  die  weitere 
Frage,  warum  irnje^ß^Jh^Je  im  Silbenanlaut  kein  besonderes 
Zeichen  gebraucht  wurde.    Der  Ansatz  eines  silbenanlautenden 
ji  {(i),  j'h  {ih)  ist  von  dem  eines  /,  h  bei  prononcirter  i-Stellung  der 
Organe  überhaupt  so  gut  wie  identisch  und  besondere  Zeichen  waren 
daher  unnöthig.    Bei  e  und  §  liegt  die  Sache  natürlich  anders,  da 
die  Ansätze  von  e  und  ie,  e  und  i§  wohl  unterschieden  sind.   Hier 
ist  der  Umstand  entscheidend,  dass  es  überhaupt  kein  silbenanlau- 
tendes e,  e  in  der  Sprache  gab,  sondern  nur  ?'e,  ie.  Es  konnte  daher 
bei  der  angenommenen  palatalisirenden  Wirkung  des  e,  e  auf  vor- 
angehende Consonanten ,  die  man  recht  gut  auch  durch  ie,  i§  be- 
zeichnen kann,  das  Zeichen  für  e  3  und  das  für  e  3€  auch  als  je,  je 
im  Silbenanlaut  verwendet  werden.    Ganz  anders  lagen  aber  die 
Verhältnisse  heij'u,  'u,  jq,  'q:  es  gab  silbenanlautende /w  und  u,  j'q 
und  q,  nicht  palatale  und  palatale  Consonanten  vor  u  und  q,  die 
ihrerseits  an  sich  vorangehende  Consonanten  nicht  palatalisiren. 
Hier  konnte   also,    wenn  die  Schrift  nicht  ganz  unvollkommen 
bleiben  sollte ,  eine  Unterscheidung  nicht  entbehrt  werden ,  daher 
der  allgemeine  Gebrauch  der  Zeichen  p-  und  ^.   Was  deren  Ent- 
stehung betrifft,  so  scheint  mir  fpju  eine  directe  Uebernahme  des 
griech.  to  oder,  mit  Vereinfachung,  des  lov  zu  sein  (vgl.  kyr.  lo). 
Die  erste  Hälfte  des  ^  ist  meines  Wissens  bisher  unerklärt.  Ueber- 
legt  man,  dass  im  ältesten  glagolitischen  Alphabet  €  nicht  an  sich 
Vocalzeichen  ist,  sondern  nur  die  Nasalität  des  o  §  in  »€,  das  e  3  in 
3€  bezeichnet,  so  muss  auch  in  dem  Theile  ^  des  ja  der  eigentliche 
Vocal  stecken.    Die  Gestalt  dieser  ersten  Hälfte  des  Buchstaben 
sieht  in  den  ältesten  Denkmälern  so  aus  ^  Q,  und  ich  glaube 
man  darf  annehmen,  dass  in  ihr  enthalten  ist  das  o-Zeichen  §  mit 
einem  darüber  gesetzten  diakritischen  Zeichen  "",  dass  dann  aus 
der  Verschlingung  der  beiden  Bestandtheile  die  überlieferte  Form 
entstanden  ist.   Die  älteste  Anwendung  des  '^  wäre  darnach  hier 
zu  suchen,  später  wurde  es  als  Erweichungszeichen,  also  eigentlich 
im  selben  Sinne  wie  hei  j'q,  über  palatales  n,  I,  r  und  gelegentlich 


Zur  glagolitischen  Schrift.  167 

sonst  gesetzt.  Ich  lasse  es  dahingestellt,  ob  das  Zeichen  ^  nicht  im 
letzten  Grunde  auf  griech.  i  zurückgeht. 

Schwierig  ist  die  Frage,  was  die  Zeichen  c8  *,  -e  %  eigentlich 
ausdrücken  sollen.  Jagic  meint,  <«  sei  aus  dem  o -Zeichen  s  mit 
diakritischem  Beistrich,  ■&  aus  dem  e'-Zeichen  8  mit  demselben  an- 
gefügten Element  hervorgegangen.  Das  würde  stimmen  zu  der 
allgemeinen  Vorstellung,  dass  ^  einen  o-w-artigen,  h  einen  2-e-artigen 
Laut  enthält.  Aber  mir  erscheint  die  Annahme  unwahrscheinlich. 
Thatsächlich  sehen  die  Buchstaben,  wenn  man  die  Ansätze,  bei  ^  das 
CN,  bei  h  das  >-  abzieht,  in  der  handschriftlichen  Ueberlieferung  ganz 
gleich  aus,  auch  die  Variationen  sind  bei  beiden  gleich,  man 
kann  bei  beiden  sowohl  ein  deutliches  o -Zeichen  §  wie  ein  mehr 
oder  minder  dem  s  i  gleichendes  herausfinden,  und  ich  komme 
nicht  darüber  weg,  dass  dies  gleiche  Element  so  aufzufassen  ist, 
wie  das  €  in  se  ^,  3€  ^,  d.  h.  eine  bestimmte  Nuaneirung  des  eigent- 
lichen Vocals,  der  in  der  ersten  Hälfte  des  Buchstaben  ausgedrückt 
ist,  bezeichnen  soll.  Darnach  wäre  also  in  den  Beistrichen  «^^  >- 
der  eigentliche  Vocal  zu  suchen,  in  dem  gleichartigen  Zusatz  die 
Modificirung.  Bei  der  Frage ,  woraus  dieser  Zusatz  entstanden  ist, 
muss  man  auch  die  Bezeichnung  des  y  heranziehen.  Das  y  war 
sicher  kein  diphthongischer  Laut,  es  hatte  so  wenig  wie  ^fbim 
griechischen  Lautsystem  eine  Entsprechung,  und  es  bleibt  doch 
auffallend ,  dass  der  Aufsteller  des  Alphabets  dafür  kein  einheit- 
liches Zeichen  gefunden  hat,  sondern  zwei  Buchstaben,  <«8  [oqt,  <««) 
zusammenstellt.  Im  Princip  ist  das  genau  wie  die  Anfügung  des  € 
bei  »€  q  und  3€  e;  das  dem  "Q  beigegebene  e-Zeichen  muss  also  be- 
deuten ein  dem  ^  sich  näherndes  os.  Dabei  kommt  in  Betracht,  dass 
y  als  die  dem  ?>  entsprechende  Länge  auftritt ;  lange  oder  irgendwie 
gedehnte  Vocale  sind  aber  in  der  Regel  geschlossener  als  die  ent- 
sprechenden Kürzen,  so  dass  bei  y  eine  ziemlich  starke  Annäherung 
an  ^  empfunden  werden  konnte;  es  geht  ja  thatsächlich  früh  in  i 
über.  Wendet  man  den  Satz,  dass  die  zweiten  Hälften  der  zu- 
sammengesetzten Buchstaben  die  Modification  eines  durch  die 
ersten  Hälften  bezeichneten  Vocals  ausdrücken  sollen,  nun  auf  «« 
und  -8  an,  so  scheint  es  mir  möglich,  dass  in  dem  Ansatz  o^  von  c:8 
das  o -Zeichen,  in  dem  Ansatz  >-  von  -8  das  e-Zeichen  verwendet 
ist,  und  dass  in  dem  zweiten  Theile  8  das  e'-Zeichen  steckt.  Durch 
die  Anfügung  des  i  wäre  dann  der  ö-artige  Laut  des  ^  aufgefasst 


168  V.  Gardthausen, 

als  eine  nach  i  hinneigende  Modification  des  o,  der  e- artige  Laut 
des  h  als  eine  nach  i  neigende  Lautung  des  e. 

Nach  den  vorgetragenen  Ansichten  erscheinen  die  Buchstaben 
8€  3€,  c85,  cö  flj  d.  h.  die  nicht  durch  ein  einfaches  Zeichen  aus- 
gedrückten Vocale,  nach  einem  einheitlichen  Princip  gebildet;  die 
erste  Hälfte  enthält  die  eigentliche  Vocalbezeichnung,  die  zweite 
deren  Modification.  Zu  dem  zusammengesetzten  Vocalzeichen  ge- 
hört noch  »  u\  hier  liegt  die  Sache  aber  anders,  da  auch  das 
Griechische  das  Doppelzeichen  ov  hat,  und  ich  meine,  es  liegt  in 
dem  glagolitischen  Buchstaben  nichts  anderes  vor  als  die  Stilisirung 
der  griechischen  Buchstaben  Verbindung.  A.  Leskien. 


Eine  alt-russische  Schrift. 


Dass  die  Russen  mit  dem  Christenthume  ihre  Schrift  von  den 
Byzantinern  erhalten  haben,  ist  eine  unbestrittene  und  unbestreitbare 
Thatsache.  Aber  dabei  wäre  es  doch  wenigstens  denkbar,  dass  einige 
Theile  oder  Volksstämme  dieses  gewaltigen  Reiches  in  alter  Zeit  sich 
zunächst  einer  anderen  Schrift  bedient  hätten,  bis  auch  bei  ihnen  das 
allgemein-russische  Alphabet  den  Sieg  davon  trug.  In  der  That  glaubte 
ein  Akademiker  in  S.  Petersburg  eine  derartige  Entdeckung  gemacht 
zu  haben: 

Origine  syrienne  des  lettres  russes  primitives. 

M.  Fraehn,  savant  orientaliste,  a  trouv6  dans  un  auteur  arabe,  Ibn- 
abi-Yakoub-el-Nedim ,  qui  ecrivait  en  987,  un  passage  constatant  qu'ä 
cette  6poque  les  Kusses  possedaient  dejä  Tart  d'ecrire.    Cet  auteur  nous  a 

meme  conserv^  un  modele  de  l'ecriture  russe  du  dixieme  siecle. Ces 

caracteres  ne  ressemblent  ni  ä  l'alp habet  grec,  ni  aux  rhunes  des  peuples 

scandinaves ces  anciens  lettres  russes,  si  difförentes  de 

tout  autre  aiphabet,  ont  la  plus  grande  analogie  avec  les  inscr.  non  encore 
expliquees,  tracöes  sur  quelques  rochers  entre  Suez  et  le  mont  Sinai. 

s.  Annales  de  philos.  chretienne  pp.  Bonnetty  N.  S.  13.  Paris  1836,  p.  80. 

Sowohl  in  dem  dort  citirten  Journal  des  Ministeriums  i.  Volksauf- 
klärung, wie  in  den  Schriften  der  S.  Petersburger  Akademie  hat  der 
Entdecker  dieser  wunderbaren  Thatsache  von  seinem  Funde  berichtet : 


Eine  alt-russische  Schrift.  169 

Ch.  M.  Frähn,  Ibn-abi-Jakub-el-Nedims  Nachricht  von  der  Schrift 
der  Russen  im  X.  Jahrh.  n.  Chr.  —  s.  M^m.  de  l'acad.  Impör.  des  scien- 
ces  de  S.  Petersbg.  VI  S.  Sciences  polit.  etc.  t.  3.  S.  Petersbg.  183G. 
S.  507.  S.  513  Text,  Uebersetzung  u.  Facsim.  (das  unten  nach  einer 
Durchzeichnung  wiederholt  ist). 
Die  Uebersetzung  lautet: 

Die  russische  Schrift. 

Jemand,  dessen  Worten  ich  trauen  darf,  erzählte  mir,  dass  einer  von 
den  Koenigen  des  Berges  Kabk  (d.  i.  des  Kaukasus)  ihn  an  den  Koenig 
der  Russen  geschickt  habe ;  und  er  nahm  davon  Veranlassung  zu  der 
Bemerkung,  dass  diese  eine  Schrift  hätten,  die  auf  Holz  eingekerbt 
werde.  Dabei  zog  er  ein  Stückchen  weisses  Holz  hervor,  das  er  mir 
hinreichte.  Auf  demselben  waren  Charactere  eingeschnitten,  die,  ich 
weiss  nicht,  ob  Wörter  oder  isolirte  Buchstaben  darstellten.  Hier  ihre 
Nachbildung  (siehe  unten). 

Von  befreundeter  Seite  wurde  mir  mitgetheilt,  dass  man  den  ara- 
bischen Text  und  das  dazu  gehörige  Facsimile  jetzt  besser  findet  in  der 
neuen  Ausgabe  Kitäb  al-Fihrist,  hg.  v.  Flügel.  Lpz.  1871.  Bd.  1 
(Text)  S.  [20]. 

Frähn  schliesst  an  diesen  ganz  verständigen  Text  seines  arabischen 
Gewährsmannes  einige  Bemerkungen,  welche  diese  interessante  That- 
sache  illustriren  sollen  und  vergleicht  S.  5 1 7  diese  wunderbare  russische 
Schrift  mit  sinaitischen  (d.  h.  nabataeischen)  Characteren,  welche  zum 
Vorbild  gedient  haben  sollen.  Ohne  auf  die  Bedeutung  der  Zeichen 
einzugehen,  malt  er  orientalische  und  russische  Zeichen  untereinander 

russische  Schrift 

sinaitische  Schrift 

und  behauptet  dann,  die  einen  seien  aus  den  andern  abgeleitet.  Frähn's 
Erklärung  ist  viel  auffallender,  als  die  Behauptung  seines  arabischen 
Gewährsmannes.     Die  Russen   waren   im  X.  Jahrhundert  durch  die 


170  V-  Gardthausen, 

Tartaren  des  heutigen  Südrusslands,  das  Schwarze  Meer,  Kleinasien  und 
Syrien  vom  Sinai  getrennt,  durch  eine  Reihe  von  Völkern,  die  eine 
eigene  Schrift  hatten,  und  es  ist  kaum  denkbar,  dass  sie  sich  das 
Vorbild  ihrer  Schrift  von  den  Ufern  des  weit  entfernten  Rothen  Meeres 
geholt  hätten;  namentlich  im  X.  Jahrb.,  in  dem  nach  der  gewöhnlichen 
Annahme  die  heutige  Schrift  der  Russen  bereits  erfunden  war.  Und 
wenn  man  näher  zusieht,  so  ist  die  Aehnlichkeit  der  Schriftzüge  keines- 
wegs so  gross,  wie  Frähn  behauptet;  und  selbst  wenn  sie  grösser  wäre, 
als  sie  ist,  so  würde  jeder  verständige  Beuitheiler  dennoch  die  weit- 
gehenden Folgerungen  ablehnen ,  die  Frähn  daraus  ziehen  wollte ;  bei 
der  Art  und  Weise,  wie  der  arabische  Schreiber  ihm  fremdartige  Schrift- 
arten wiedergibt,  würde  man  eher  an  eine  flüchtige  Nachbildung  oder 
an  eine  irrthümlicheVertauschung  unverstandener  Schriftproben  denken, 
die  entweder  dem  Verfasser,  oder  dem  Abschreiber  passirt  wäre.  Ich 
weiss  nicht,  dass  Frähn^s  wunderbare  Hypothese  jemals  widerlegt  ist, 
glaube  aber  annehmen  zu  dürfen,  dass  es  heutzutage  Niemand  gibt,  der 
es  wagen  wird,  sie  zu  vertheidigen. 

Wie  bereits  gesagt,  ist  das  Wunderbare  und  Unglaubliche  erst 
durch  Frähn  in  diese  Controverse  hineingetragen,  der  arabische  Text 
ist  durchaus  verständig  und  verständlich,  wenn  wir  ihn  nur  so  wörtlich 
wie  möglich  fassen.  Die  »Schrift,  die  auf  Holz  eingekerbt«  wird,  muss 
man  nämlich  als  Kerbholz-Schrift^)  auffassen. 

Als  Rest  einer  schriftlosen  Zeit  findet  sich  das  Kerbholz  fast  bei 
allen  europäischen  Völkern  2].  In  Deutschland  3)  hat  es  sich  bis  ins 
XIX.  Jahrh.  gehalten  und  ist  vielleicht,  auch  jetzt  in  abgelegenen 
Theilen  noch  nicht  vollständig  verschwunden.  Auch  bei  den  skandi- 
navischen Völkern  sind  vielfach  Runen  als  Kerbholz-Zeichen  verwendet. 
»Selbst  die  im  Gebiete  des  russischen  Gouvernements  und  ehemaligen 
Königreiches  in  Asien,  Casan,  wohnhaften  heidnischen  Völker,  die 
Tscheremissen,  Tschuwaschen  und  Wotiaken,  nehmen  bei  Schuld-Ver- 
schreibungen  zwey  Kerb-Stöcke,  die  sich  ineinander  passen,  und  schnei- 
den auf  dieselben  so  viele  Kreutze  oder  Striche,  als  die  Summe  des 


1)  Sam.  Stryck,  Dissertation,  juridicarum  vol.  III,  Francof.  1743,  p.  219  : 
De  bacillis  fissis  vulgo  Kerb-Stöcken. 

2)  Kerbholz,  niedersächsisch  Karvstock,  schwedisch  Karfstock,  mittel- 
alterl.- lateinisch  bacillus  fissus,  tessera  lignea,  französisch  Taille,  Oches; 
Krünitz,  Encykl.,  s.  u. 

3)  Grimm,  Deutsches  Wörterbuch  5.   562  u.  d.  W.  Kerbholz. 


Eine  alt-ruBsische  Schrift.  171 

Geldes  in  Griwen  oder  Kopeken  beträgt.  Ein  jeder,  der  Gläubiger  und 
Schuldner,  schneidet  auf  seinem  Kerb-Stocke  zu  Ende,  wo  die  Kreutze 
und  Striche  aufhören ,  sein  angenommenes  Zeichen  statt  der  Hand- 
schrift. Die  Zeichen  sind  z.  B.  <^,  ^,  6,  X,  H  u.  dergl. ,  wie  es 
einem  jeden  in  den  Sinn  kommt,  dergleichen  zu  wählen,  dessen  er  her- 
nach bey  aller  Gelegenheit,  wo  Unterschrift  nöthig  ist,  sich  zu  bedienen 
pflegt.  Darauf  werden  die  Kerb-Stöcke  gegen  einander  ausgewechselt, 
und  sind  bey  ihnen  so  gültig,  als  bey  uns  die  kräftigsten  Verschrei- 
bungen.  Doch  geht  solches  nur  in  Geldsummen,  die  nicht  über  10  Rubel 
sich  belaufen,  an.  Müllers  Samml.  russ.  Geschichte  3.  St.  Petersbg. 
1758,  S.  363  f.((i). 

In  unseren  Museen  findet  man  garnicht  selten  Kerbstöcke  mit 
Runen  oder  runen-ähnlichen  Zeichen  und  der  von  Frähn  so  weit  weg- 
geworfene Gedanke,  dass  die  Runen  das  Vorbild  dieser  altrussischen 
Schrift  gewesen,  wird  jedenfalls  der  Wahrheit  näher  kommen,  als  seine 
eigene  ganz  unglaubliche  Hypothese.  Auf  das  Lesen  und  Erklären  im 
Einzelnen  wird  man  allerdings  bei  diesem  Facsimile  verzichten  müssen; 
da  die  Schriftproben  der  europäischen  Völker  im  Fihrist  vom  Verfasser 
sowohl  wie  von  seinen  Abschreibern  unverstanden  nachgemalt  und  viel- 
fach entstellt  sind.  Aber  vielleicht  führt  der  Querstrich,  der  in  so  auffallen- 
der Weise  fast  das  ganze  Facsimile  durchzieht,  auf  die  richtige  Spur. 

In  seiner  ausgebildeten  Form  bestand  das  Kerbholz  nämlich  aus 
zwei  gleichen  aneinanderpassenden  Holzstäben ,  von  denen  der  eine 
sich  in  den  Händen  des  Käufers  befand,  der  andere  aber  in  denen  des 
Verkäufers  (beide  Ausdrücke  im  weitesten  Sinne  des  Wortes). 

Beim  Abschliiss  eines  Geschäftes  legte  man  beide  Stäbe  anein- 
ander; der  eine  der  Contrahenten  schnitt  auf  seinem  Stabe  eine  Kerbe, 
deren  Bedeutung  beiden  bekannt  war,  die  sich  auch  auf  dem  zweiten 
Stabe  fortsetzte.  Die  Fuge  zwischen  Stäben  ist  also  für  diese  Art  der 
Kerbholz-Zeichen  besonders  wichtig ;  sie  muss  in  einer  Nachzeichnung 
auf  Papier  als  ein  Quersti'ich  erscheinen,  der  die  Zeichen  durchschneidet, 
welche  sich  zu  beiden  Seiten  meist  rechtwinklig  an  diesen  Querstrich 
anschliessen.  Gerade  dieser  Querstrich  tritt  aber  in  der  Nachzeichnung 
des  orientalischen  Schreibers  (s.  o.)  ganz  besonders  deutlich  hervor,  so- 
wohl auf  der  rechten  (wo  er  etwas  geschwungen  ist)  wie  auf  der  linken 

1)  Krünitz,  Oekonom.-technologischeEncyklopaedie  u.  d.  W.  II.  Aufl.  37. 
Berl.  1794.  S.  2—3.  Vgl.  Fr.  Krauss,  Ztschr.  f.  Ethnologie  18.  1886.  S.  (384) 
Botenstöcke  b.  den  Slaven  (m.  Abbild.). 


172  V.  Gardthausen,  Eine  alt-russische  Schrift. 

Seite,  Er  sollte  eigentlich  natürlich  gerade  durchlaufen;  in  der  Mitte 
müssen  wir  ihn  uns  also  natürlich  ergänzen.  Ich  denke  mir  die  in  der 
orientalischen  Handschrift  entstellten  Kerbholz-Zeichen  der  Russen  also 
ungefähr  so: 


f^%n<-ß-i^pj^ 


Wenn  wir  das  Facsimile  von  diesem  Standpunkte  aus  betrachten, 
so  scheinen  die  Zeichen  des  obern  Stabes  {A)  ausgebildeter  und  mannig- 
faltiger zu  sein  als  die  des  unteren  {B);  man  sieht  dort  3+1  +  1 
gerade  Striche,  die  von  A  nach  B  durchlaufen,  die  aber  nur  auf  A  mit 
einem  kleinen  Kreise  oder  Punkte  ansetzen,  die  stets  auf  der  anderen 
Seite  fehlen;  sie  sind  also  wahrscheinlich  das  Kennzeichen  der  Partei  A. 
Von  den  Zeichen  <^  ^  <|^  X  H ,  die  von  Krünitz  (s.  o.)  als  Marke  der 
Personen  angeführt  werden,  erkennt  man  im  mittleren  Theile  <^;  dass 
wir  in  dem  ersten  Zeichen  links  ein  verstümmeltes  ^  zu  erkennen 
haben,  erscheint  doch  nicht  recht  wahrscheinlich. 

So  schwinden  also  auf  der  einen  Seite  die  vermeintlichen  Spuren 
einer  alten  orientalisch-russischen  Schrift  und  verwandeln  sich  vielmehr 
in  Reste  der  uralten  Kerbholz-Zeichen,  die  bei  fast  allen  europäischen 
Völkern  und  ins  Besondere  auch  bei  den  Russen  gebraucht  wurden.  Bei 
den  Deutschen  wurden  sie  im  Volke  noch  angewendet  in  einer  Zeit  als 
eine  wirkliche  Schrift  längst  Allgemeingut  geworden  war;  es  ist  also 
durchaus  nicht  auffällig,  dass  das  russische  Volk  diese  primitiven  popu- 
lären Zeichen  beibehielt,  als  die  russische  Kirche  sich  bereits  des  heu- 
tigen, aus  dem  Griechischen  abgeleiteten  Alphabetes  bediente. 

V.  Gardthausen. 

Anm.  Der  russ.  Akademiker  Baron  Rosen  hatte  die  Freundlicheit, 
meine  Aufmerksamkeit  auf  das  wohlbekannte  Werk  Harkavy's  (CKasaHifl  My- 
cy.ai>M.  nacaTejieä  o  cias.  u  PyccKHXi..  ClXöri.  1870)  zu  lenken,  wo  S.  241 — 244 
einige,  jetzt  allerdings  zun  Theil  schon  veraltete  Bemerkungen  zu  Fraehn  zu 
finden  sind.  Das  Buch  »CiBepHtiii  pfonoii  Ka-ieHjapi.«  von  Vjac.  Sreznevskij 
(SPtbg.  1874)  berührt  die  Frage  über  die  angebliche  alte  Orient,  russ.  Schrift 
gar  nicht,  es  beschränkt  sich  auf  den  Runen-Kalender.  Selbstverständlich 
hält  auch  Baron  Rosen  die  Ansicht  Fraehn's  für  verfehlt,  dagegen  die  von 
Prof.  Gardthausen  eingeschlagene  Richtung  nicht  für  aussichtslos.  Freilich 
sei  die  Ueberlieferung  der  Zeichen  ganz  verzweifelt.  F.  J. 


173 


Le  prix  normal  du  ble  ä  Constantinople  pendant  le 
moyen  äge  et  le  Code  de  Stephan  Dnsan  empereur 

des  Serbes. 


Quand  je  m'occupais  (1898)  de  la  seconde  Edition  du  Code  de  Ste- 
phane Dusan,  j'ai  ränge  le  manuscrit  du  Code  dösignd  Rakovacki  ä  la 
fin  de  la  Serie  des  copies  qui  nous  ont  conserv^  le  mieux  ce  monumen- 
tum  aere  perennius  de  l'empereur  serbe. 

Le  manuscrit  Rakovacki  contient  une  douzaine  d'articles  du  Zako- 
nik  qui  ne  se  trouvent  dans  aueune  autre  des  copies.  Le  copiste  a  pos- 
sede  un  manuscrit  plus  ancien,  appartenant  evidemment  ä  la  seconde 
eathegorie  des  textes  (comprenant,  selon  moi,  les  changements  d'une 
revision  du  XV  siecle),  qui  s'est  malheureusement  perdu.  Est-ce  que  la 
douzaine  d'articles,  uniquement  conserve'e  dans  le  Rakovacki,  appartient 
ä  cette  revision  ulterieure  du  Zakonik  ou  est-ce  qu'elle  n'appartiendrait 
plutot  ä  la  redaction  premiere  ?  Ce  sont  les  questions  auxquelles  nous 
ne  pouvons  r^pondre  que  par  des  suppositions.  Au  lieu  de  nous  y 
^garer,  tächons  de  mieux  connaitre  ce  qu'il  y  a  dedans. 

L'article  198  (de  mon  edition  1898)  appartient  ä  la  douzaine  sus- 
mentionn^e  et  a  le  texte  suivant: 

/I^oxoäbkl  i];apcKLiH,  coKie  h  naMext  h  apaqt,  ^a  Aasa  BLcaKb  mjio- 
BiKL  —  KLÖtjib  KHxa,  nojOBHHa  qucTaa  a  no^iOBHua  npinpocxa,  bojim 
nepnepB  ;i;HHapMH,  a  poKt  xoMoy  jkhxoj  /i;a  ce  oycnna  na  MnxpoBb 
;i;i)HL,  a  ApoyTUH  poKB  Ha  Pea^^texBO  XpHCXOBO,  etc. 

II  y  a  une  chose  qui  se  deduit  de  ce  texte,  c'est  l'equivalence  pos^e 
entre  le  kböBjIl  aciixa  et  entre  le  nepnept  AHiiapjiH.  Dans  les  expli- 
cations  de  cet  article  (p.  265  Edition  1898)  j'ai  dömontre  que  le  kböbüb 
est  la  meme  chose  que  le  mbxl  —  modius. 

L'equivalence  du  perper  et  du  modius  de  bl^  au  XIII — XIV  siecle 
peut  etre  constatee  aussi  dans  les  traites  de  l'Empire  Byzantin  avec  la 
Röpublique  de  V^nise. 

Dans  le  traite  du  8  juin  1265  l'empereur  Michel  Paleologue  fixe  la 
regle :  Et  habeant  Veneti  libertatem  extrahendi  frumentum  de  terris  Im- 
perii  mei  et  ponere  illud  ubi  volent,   salvo  quam  in  terris  inimicorum 


174         St.  Novakovic,  Le  prix  normal  du  ble  ä  Constantinople  etc. 

Imperii  mei.  Verum  quando  frumentum  venditur  a  quinquaginta 
yperperis  supra  centenarium  in  Constantinopoli,  quod  tunc  ipsi  non 
possint  entere  pro  transportando  ipsum  ('Orav  de  TrwXf^rat  t6  /.ev- 
TrjvaQiov  6n:ey.etva  tOjv  TtevTrjycopra  VTteQTraQcov,  ov  fj.i]v  l^covcovrai 
avTÖv). 

La  meme  stipulation  se  trouve  plus  clairement  exprimee  dans  la 
rdnovation  du  meme  traitö  le  15juin  1285  sous  l'empereur  Andronique  : 
Item  habebunt  libertatem  Veneti  emendi  frumentum  et  extrahere  ipsum 
de  Imperio  nostro  cum  navibus  eorum  seu  lignis,  aut  forinsecorum,  et 
quocumque  voluerint  portare  predictum  frumentum  excepto  ad  terras  ini- 
micorum  Imperii  nostri,  quandocumque  centum  modia  frumenti  volue- 
rint yperperorum  centum  et  infra;  et  si  ultra  valuerint,  quam  centum 
yperperorum  centum  modia  frumenti^  non  possint  extrahere  de  Im- 
perio nostro  sine  licentia  Imperii  nostri.  (Tafel  u.  Thomas,  ürk.  z. 
alt.  Handels-  und  Staatsgeschichte  d.  R.  Venedig.  III,  74,  85,  331). 
Les  memes  traitös  furent  renouvel^s  encore:  le  11  novembre  1310,  le 
25  mars  1342  et  le  9  septembre  1349  (Thomas,  Diplomatarium  veneto- 
levantinum  1300—1350.  Venetiis  1880,  p.  82,  257,  341). 

II  est  donc  clair  que  le  prix  normal  du  ble  dans  les  etats  balca- 
niques  du  moyen  äge  etait  un  perpere  par  modius  et  que  cette  stipula- 
tion du  Code  Dusan  selon  le  texte  Rakovacki  se  confirme  par  d'autres 
documents  contemporains. 

Kuokkala  (Finlande),  le  7/20  aoüt  1904. 

St.  Novakovic. 


175 


CoKK  et  coKajiBHHKB  dc  la  Scrbic  du  moyen  äge. 


C'est  presque  tonte  ma  vie  que  j'ai  pass^e  ä  lire  et  ä  refeuilleter 
des  documents  serbes  du  moyen  äge.  Je  dois  reconnaitre  que  j'ai  eu 
recours  tres  rarement  aux  documents  byzantins  contemporains.  L'ete 
passö,  ayant  eu  un  peu  plus  de  loisir,  je  me  suis  mis  ä  prendre  en  con- 
sid^ration  le  diplomatarium  balcanique  de  son  cote  byzantin.  L'effet  de 
cet  essai  a  6t6  tres  interessant,  J'emportais  l'impression  qu'on  doit 
avoir  quand  on  lit  un  original  apres  en  avoir  longtemps  lu  seulement 
les  traductions.  J'avais  devant  moi  une  fois  aussi  les  modeles  qui 
avaient  servi  ä  nos  logothetes.  Certaines  cboses  s'expliquaient  qui  me 
tourmentaient  depuis  longtemps.  Je  communiquerai  ici  ce  que  m'ont 
inspire  les  lectures  mentionnees  sur  les  deux  termes  serbes  du  moyen 
äge  insuffisamment  expliqu^s  —  sur  le  cokk  et  sur  le  coKajtHHKt. 

I. 

L'explication  du  cokk  a  et6  tentee  il  y  a  döjä  trente  ans  par 
Miklosich  et  Daniele.  Dans  son  PjeynHK  h3  KH.H^eBHHX  cxapHHa 
cpncKHx  Daniele  sous  cohL  explique  ce  terme  comme  6tant  provenu  du 
latin  medi^val  soca,  socagium  et  dit  qu'il  signifie  tributum  frumenta- 
rium.  A  la  fin  des  citations  il  le  met  en  correspondance  avec  le  mot 
coKaJbHHKB ,  indiquant  par  lä  la  meme  provenance  des  deux  termes. 
Cette  explication  se  retrouve  chez  Miklosich  dans  son  Lexicon  palaeo- 
slovenico-graeco-latinum.  Quant  au  coKajiLHHKi.  nous  lisons  chez 
Miklosich  que  ce  terme  indique  le  »colonus  qui  tributum  cohb  dictum 
pendere  debebat,  mlat.  socamannus«. 

La  premi^re  objection  qu'on  est  force  de  faire  ä  ces  explications 
consiste  dans  ce  qu'elles  ne  tiennent  aucun  compte  des  institutions 
byzantines.  Toutes  les  citations  du  feu  Daniele  nous  portent  dans  les 
pays  de  la  Serbie  centrale  ou  Orientale  qui  n'ont  jamais  öte  sous  le 
regime  des  feodaux  d'occident.  Or  ces  pays-ci  ont  souvent  change  le 
regime  byzantin  contre  le  regime  slave,  et  on  sait  depuis  longtemps 
d^jä  que  ces  changements  n'etaient  rien  autre  que  des  changements  de 
personnes  dans  la  haute  administration.  Sauf  les  changements  provenant 
(probablement  encore  sous  le  regime  byzantin)  des  circonstances  locales, 
le  Systeme  administratif  etait  toujours  celui  qui  fut  inaugure  une  fois 


176  St.  Novakovid, 

pour  toutes  par  les  autorit^s  imperiales  de  Constantinople.  Le  grand 
centre  ne  perdait  jamais  son  prestige  legislatif,  ne  cessait  presque  Ja- 
mals de  legif^rer  pour  la  Presqu'ile  Balcanique  toute  entiere  meme 
alors  quand  eile  etait  demembr^e  en  plusieurs  etats.  Et  comme  il  est 
incontestable  que  Vordre  administratif  dans  l'Empire  Byzantin  differait 
de  celui  des  etats  europöens  occidentaux,  malgr^  la  base  romaine  iden- 
tique,  il  y  a  peu  de  chance  qu'on  puisse  maintenir  l'explication  pure- 
ment  occidentale  du  terme  cokk  chez  Miklosich  et  chez  Danicic.  Iiie- 
vitablement ,  on  doit  chercher  une  explication  qui  se  rapproche  des 
institutions  byzantines  et  de  l'ordre  qui  provient  de  celles-ci. 

Toutes  les  citations  qu'on  pourrait  actuellement  compulser  sur 
eoKie  DU  cofeB  comportent  que  c'6tait  une  contribution  imperiale  et 
regalienne.  Nous  nous  bornerons  ä  ne  citer  que  le  bon  texte  du  Code 
Dusan,  l'article  42  de  1349  qui  dit:  II  öauiTHHe  Bi.ee  Aa  coy  cboögahc 
OTt  Bi.cix:L  paöoTB  H  no^antKL  uaptcTBa  mh,  pasBi  ^a  Aaio  coioe,  h 
BOHCKoy  Aa  BOioio  no  saKOHoy.  Tous  les  patrimoines,  contre  le  Service 
militaire  obligatoire,  ^taient,  par  cet  article,  exempts  de  toutes  les  cor- 
v^es  (dont  le  role  6tait  tres  grand  dans  les  etats  mddi^vaux)  et  de  toutes 
les  contributions  de  l'Empire  except^  le  cokk  et  le  Service  militaire. 
L'article  198  (provenant  malheureusement  des  copies  tardives  inter- 
polees)  nous  apprend  que  cokk  consistait  dans  un  modius  du  ble  ou 
dans  un  hyperpere  en  argent.  Les  autres  sources  nous  informent  que 
c'etait  une  dime  d^stinee  ä  l'usage  de  l'autorite  centrale,  c'est-ä-dire  de 
la  couronne.  II  y  a  beaucoup  de  cas  oii  les  souverains,  en  cedant  aux 
monasteres  certains  villages  ou  terres,  se  desistaient  de  cette  contribu- 
tion obligatoire  pour  tout  le  monde ,  en  faveur  des  ^glises.  C'est  une 
confirmation  par  les  faits  de  l'article  sus-mentionn6  du  Code  Dusan. 

L'excellente  dissertation  de  H.  Geizer  Die  Genesis  der  byzantini- 
schen Themenverfassung  (Leipzig  1899)  mentionne  ä  la  page  122  ce 
qui  suit:  Wichtig  ist  Ibn  Hordadbehs  Bemerkung,  dass  der  im  ganzen 
Reiche  in  natura  erhobene  Getreidezehnten  in  erster  Linie  dazu  diente 
die  grossen  Proviantmagazine  der  Kaiserlichen  Armee  zu  füllen.  Les 
documents  byzantins  du  XI.  siecle  nous  permettent  d'entrevoir  les  roua- 
ges  de  l'administration  byzantine  ä  Constantinople.  D'apres  les  chryso- 
bouUes  de  l'empereur  Michael  VII.  Ducas  (1071  — 1078)  de  l'annöe 
10741)  on  voit  que  Tadministration  ä  Byzance  ^tait  partagee  en  diS6- 


1)  Fr.  Miklosich  et  Jos.  Müller,  Acta  et  diplomata  medii  aevi  I,  134. 


CoKK  et  coKajBHHKB  de  la  Serbie  du  moyen  äge.  177 

rent3  0€aq€tov.  Ces  aexgerov  devraient  correspondre  ä  ce  qu'on 
appelle  actuellement  le  ministere.  On  en  mentionne:  ro  oexgerov  tov 
ysviyiov  loyod-itov\  ro  OEy.Qerov  tCov  oi'/.Eia-/.Cov  (pour  lequel 
M.  L.  Petit  dit  qu'il  d^signait  le  bureau  Charge  d'administrer  la  fortune 
particuliere  de  l'Empereur.  ILiBtcTin  PyccK.  Apxeo.iorHy.  Oum,ecTBa 
B-L  KoHCTaHTHHonOjii,  VI,  51);  lo  G8'^Q€Tov  Tfjg  aayiiXXrjg;  ro 
ot'/.qixov  TOV  oi'/.ovoi.iiov  rüv  Evay(bv  o'iy.iov.  ro  aexQSTov  tov 
orqciTuoTi/.ov  XoyoS'erov.  Le  chrysobouUe  et  ses  Privileges  furent 
enregistres  dans  tous  ces  OE-AQeTd.  Quand  la  meme  chrysobouUe  fut 
confirmee  par  l'empereur  Nicöphore  III  Botaniate  (1078 — 1081)  on 
jugea  utile  d'indiquer  comment,  sous  quelle  date  eile  avait  et6  enre- 
gistree  dans  le  aey.qirov  T\g  oay.ü.hrjg  et  aussi  dans  le  oe/.QeTOv  tov 
fieyaXov  oaxelXagiov  ^].  Le  meme  empereur,  voulant  exempter  le 
monastere  de  St.  Jean  Prodrome  cctto  re  tCov  /mtu  y.aiQovg  cayella- 
gitov  Tü)v  iTtl  Tfjg  r^i^iETeqag  aa/Jlkrjg  yal  tov  ßeoTiaQiov  confere  au 
dit  monastere  une  chrysobouUe  en  aoüt  1079 ^j.  L'enregistrement  d'une 
autre  exemption  semblable  ev  tm  GEyqeTio  Tfjg  aaye?J.rjg  est  mentionnö 
dans  les  chrysobouUes  de  l'empereur  Alexius  I.  Comnene  en  1088, 
destin^es  aux  moines  de  l'ile  de  Patmos^).  Dans  une  sceau  de  plomb 
de  la  meme  annee  lOSS  on  lit  l'inscription:  6  ßaailiy.bg  voTaqiog  tov 
OEyQETou  tov  oay.eX?.aQiov  y.QiTrjg  /.cd  avuyqacpEvg  tGjv  Kv/.Xccdiov 
vrjGiüv*].  Une  autre  exemption  sous  l'empereur  A,  Comnene  du  juillet 
1099  fut  aussi  enregiströe  Iv  Tcp  OEy.QExo)  Tf^g  ßaailiyf^g  GayeXXr^g^]. 
Sous  l'empereur  Manuel  Comnene,  en  1145,  au  mois  de  mars  fut  en- 
registree  une  exemption  pour  les  moines  de  l'ile  de  Lere  (Cyclades)  Iv 
T(o  GEy.QETcp  Tf^g  ßaGiXiTifjg  GaxEXkrjg^),  avec  indication  de  la  date  de 
l'enregistrement. 

II  est  tout-ä-fait  clair  que  le  GEy.QETOv  Tf^g  ßaGiXi/.f^g  Ga-KskXrjg 
etait  la  grande  caisse  imperiale  qui  exigeait  la  taxe  prescrite  de  tout  le 
monde,  qui  avait  ses  organes  et  ses  fonctionnaires  partout  dans  l'empire 
et  qui  devait  etre  saisie  officiellement  de  chaque  exemption  imperiale 
pour  que  celle-ci  püt  etre  eflfectuee.  Tb  gev.qetov  rfjg  ßaGiXr/.f}g 
GayiXXr^g  ä  Constantinople  fonctionnait  donc  comme  aujourd'hui  le 
tresor  ou  le  ministere  des  finances.  D'apres  un  prostagma  de  l'empereur 
A.  Comnene,  de  l'annöe  1094,  qui  nous  apprend  que  l'empereur  etait 


1)  Acta  et  diplomata  graeca  V,  138.  2)  Acta  VI,  21. 

3)  Acta  VI,  49,  53.      *)  Acta  VI,  57.       5)  Acta  VI,  94—95.      6)  Acta  VI,  105. 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXVII.  12 


178  St.  Novakoviö, 

autorise  de  conferer  au  patriarcat  la  nomination  t(^  (.leyaho  oiy.ovöuo) 
—  T(^  l-ieyüXo)  oa'/ieX'kaqidj  —  T(p  aeyaXo)  oy.£vo<f)v?yay.i  —  y.ai  r^ 
oay.eX'kiov  on  voit  que  le  meme  rouage  administratif  fonctionnait  aussi 
au  patriarcat  i).  L'institution  me  rappelle  les  mots  russes  Kasna,  Kaseu- 
Htiä  et  KaseHHoe  le  fisc,  le  tresor;  fisc  et  tresor,  qui  non  seulement 
remplacent  completement  les  termes  byzantins  t]  ßaaiXiKr]  aaxeXXrj  et 
rfjg  ßaaiXr/.rig  oaziXXrjg^  mais  semblent  y  etre  calquös  entierement. 
Je  n'entre  pas  dans  l'explication  etymologique  de  mots  Kasna  et 
KaseuHBiil. 

Et  c'est  sur  ces  bases  que  j'oserai  hasarder  mon  explication  du 
COKK  en  Serbie.  11  me  parait  que  aa/JXXr]  (prononcee  cahe.iii)  et  cokk 
correspondent  aussi  completement  qu'il  est  nöcessaire.  Tous  les  x«  grecs 
devenaient  regulierement  en  serbe  he.  On  peut  trouver  dans  le  diction- 
naire  de  Daniele  toute  une  coUection  de  mots  medievaux  oubli^s,  avec 
d'autres  qu'on  parle  encore  aujourd'hui:  he^ipb,  heJiHM,  he<i>ajiHH,  heuTH- 
HapL,  hHBOT,  hepaMHAa,  hupiiua,  etc.  A  l'occasion  des  conquetes  de 
provinces  qui  alternaient  tantot  au  profit  des  uns  et  tantot  au  profit  des 
autres,  on  changeait  les  fonctionnaires  serbes  contre  les  fonctionnaires 
byzantins  et  vice  versa,  mais  la  contribution  rjjg  aaxiXXrjg  restait  teile 
quelle  et  changeait  seulement  sa  forme  grecque  contre  la  forme  serbe 
ou  reciproquement. 

II. 

L'^ancien  terrae  de  la  Serbie  du  moyen  äge  coKajitiiuKb  n'a  rien  de 
commun  ni  avec  lat.  socamannus  ni  avec  le  m. -serbe  coKie. 

J'ai  ddjä  Signale  une  explication  differente  de  celle  de  Miklosich 
et  de  Danicic'  dans  la  deuxieme  Edition  du  Code  Dusan  ä  Tarticle  107 
du  Code  oii  le  mot  coKajibHUKt  est  employe^).  Selon  les  donnees  y  men- 
tionnöes  j'ai  mis  en  avant  que  coKa.i[i>HHKi>  ne  signifie  pas  une  classe 
particuliere  des  contribuables,  mais  un  artisan,  un  cuisinier  ou  un  bou- 
langer  ou  peut-etre  le  ma^on  qui  se  connaissait  dans  la  constraction  des 
ätres  ou  des  fourneaux  de  l'dpoque.  Comme  la  chose  a  trait  aux  usages 
du  moyen  äge,  on  doit  prendre  en  consideration  la  diflf^rence  des  con- 
structions  memes  servant  aux  besoins  indiques  qui,  surtout  dans  la 
Presqu'ile  Balcanique,  echappe  aux  observations  plus  precises.  Je 
reviens    ä  cet   objet  d'abord   ä   cause   de   la   connexion   d'idees   chez 


1)  Byz.  Zeitschrift  III,  19. 

2)  SaKOHHK  Cie^aHa  /lymana.  Beorpa;i;  1898,  pag.  211. 


CoKK  et  coKa;itiiuKB  de  la  Serbie  du  moyen  age.  179 

Miklosich  et  Daniele,  et  aussi  parce  que  9a  se  dövoile  tres  clairement 
par  les  comparaisons  des  textes  byzantins  et  des  traductions  slaves. 
L'explication  erron^e  de  Miklosich  et  Daniele  a  donnd  lleu  ä  beaucoup 
de  combinalsons  essayant  de  dömontrer  quelle  etait  cette  claase  du 
peuple  Serbe  qui  s'appellait  coKaJibimi^H,  qul,  certainement,  s'ecroulent 
d'elles-memes  aussitot  qu'on  fait  voir  que  coicajibHHKh  n'ötait  qu'un 
simple  artisan. 

Nous  commencerons  notre  enquete  par  les  lols  byzantines. 

Le  recuell  de  M.  Viastar  dans  le  oroixelov  v.  (edltion  athenienne 
Rhalli,  p.  313)  contient  la  loi  du  Procheiros  Nomos  eh.  38,  p.  17: 
OvTE  cpovQvoVy  ovxe  eariav  ev  rw  l7ti-/.oiv(o  toIxm  övvar ai  rig 
TTOLElv.  Le  traducteur  serbe  de  Viastar  du  XIV  siecle,  contemporain 
de  St(§phan  Dusan,  reproduit  le  meme  texte  en  slave  par  les  mots: 
Hnace  neuiTt ,  HHJKe  coKajii.HHi],oy  bb  oöbuitsh  ct^h^  hb  Moacexb  kto 
TBopHTH.  La  meme  loi  a  ete  traduite  encore  une  fois  pour  la  Serbie  au 
commencement  du  XIII  siecle  dans  la  KpLMfcqaM  du  St.  Sava  oü  le 
meme  paragraphe  se  trouve  dans  le  Procheiros  Nomos  —  rpaAbCKLiH 
3aK0Ht.  Le  texte  grec  du  Procheiron  contient  une  phrase  supplementaire, 
rendue  aussi  dans  la  traduction  slave.  Le  texte  du  Procheiron  est  le 
suivant:  Ovre.  cpovQvov,  avve  nvQY.a'Cav  ev  rcp  eTtiy.oivco  rolyji) 
dvvarai  rtoiElv^  iv  ih  tbi^  iTtiy.otvov  roly^ov  viib  xov  Jivqog  v.cxTa- 
ß)M7tTsad-ai.  Ce  qu'on  a  traduit  par  les  mots  slaves:  Hh  nemTH,  hh 
noBapLHHu;e    npisb    bahrs    wöbuiToy    ct^hs    hb    MoacBXb    HHKbxo^B 

TBOpHTH,  HMbaCB  OÖbmTJsK)  CT^HOy  OrbHb  BpijKAaKTb  1). 

On  voit  donc  que  les  mots  grecs  eoria  ou  7tVQ%aläy  le  feu,  le 
foyer,  sont  traduits  en  slave  une  fois  (au  XIV  siecle)  par  coKajibHHua 
et  une  autre  fois  (au  XIII  siecle)  par  noBapbUHi^a. 

Dans  la  chrysobouUe  du  roi  Miloutine  (Stephan  Uros  II)  de  1322 
on  remarque  que  coKajibinma  prenait  quelque  fois  la  forme  masculine. 
On  lit  dans  cette  chrysobouUe:  II  cinoKomb  mxo  le  kochjio  KpajiKBbcxBO 
MH,  HiiavB  coKa.ibHHKa,  H  cb  sbmjIbh)  u'Xb  xora  ciHOKoea  npaso  ÄOJiOMb 
ropi  c  xiMHSH  HHBaMH  Ha  apxHKHHCKoynoBO  cxaHHmxe  h  ujxb  xoy  rope 
oy  no;ie2).  II  parait  que  le  texte  veut  parier  d'une  construction  k 
fourneau  ou  au  foyer  public.    On  ne  peut  pas  1  expliquer  avec  plus  de 


1)  TjiacHiiK  2or  OÄ.  VIII.   Apx.  H.  ityquha  KpMiuja  Mopa^Ka,  p.  116.   Nous 
avons  remplace  la  lecture  erronee  numm  par  neiuxu. 

2)  Miklosich,  Mon.  serbica,  563. 

12* 


180      St.  Novakoviö,  Cokk  et  coKajtHHKb  de  la  Serbie  du  moyen  äge. 

precision  sans  une  connaissance  exacte  du  mode  des  constructions  de  ce 
genre  au  XIV  siecle. 

Un  extrait  d'un  manuscrit  de  la  Bibliotheque  Nationale  de  Beigrade 
No.  60,  f.  159  contient  le  texte  qui  montre  la  meme  signification  du  mot 
coKajitiiHi^a :  Et  eoKajiBHHi^H  .ih  re  coyxt  nocxaBHJiH,  noMemi  öarpeiu- 
TBK  HJiH  M^At  KOBoynixeie,  H2Ke  HomTL  HKO  AtHt  coBptmaiomTe  et 
ü/rHieMt  öopoyinTe  ce  h  BjacTii  noKapaiouiTe  ce,  wtl  KHest  cToy- 
acaKMH. 

Par  tout  ceci  se  trouve  confirme  l'article  107  du  Code  Dusan: 
Kto  ce  HaHÄ©  otöhbl  coy^HHa  coKajiBiuiKa  h.ih  npHCTaea,  Aa  ce  n.iiiiH 
H  Aa  Moy  ce  B'Ece  oysMi  niTO  ima.  II  parait  qu'on  a  vite  oublie  le  mot 
et  la  signification  de  la  coKajiBHHiia  apres  le  XIV  siecle,  car  les  textes 
du  XV  siecle  interpolent  dejä  noctJifcHHKa  au  lieu  de  coKajitHHKa. 

Et  on  voit  clairement  que  coKajbHHKt  n'etait  autre  chose  que 
l'homme  prepose  aux  cuisines  et  aux  foyers  ou  un  artisan  qui  construisait 
ce  qui  y  ^tait  necessaire.  L'insuffisance  de  nos  connaissances  sur  la 
construction  des  foyers  et  des  cuisines  nous  empeche  de  nous  prononcer 
plus  precisement.  Le  Procheiros  Nomos  dans  son  chapitre  ne  menti- 
onne  pas  des  cheminöes  qui  n'existaient  pas  jusqu'au  XII  siecle.  Le 
paragraphe  suivant,  le  20,  dans  le  chapitre  XXXVIII  du  Procheiron, 
nous  aide  un  peu  k  entrevoir  ce  qu'on  faisait  des  foyers  et  de  leurs 
fumee  dans  les  maisons.  ^Eäv  rig  Ttoirja}]  rvQsipelov,  l|  oii  xaTtvog 
k-A7tEi.i.7iö{.ievog  AaraßlccTiTei  rovg  Iv  rolg  vipr^lorsqoig  oi/iovvrag, 
övvavTai  y.axa  vöiioug  ol  ßlaTtTÖf-isvoi  '/iloIvelv  avTov  sigTref-ineLV 
Tov  -/.ajtvov.  Le  mot  TVQEipslov  ne  se  trouve  ni  cbez  Sophocle  ni  chez 
Deheque  ou  Legrand.  La  traduction  slave  nous  rend  le  texte  precedent 
comme  il  suit :  Amxe  kxo  cLXBopnxt  oKLHLi^e,  irxt  Hieroace  AUMt  ncxoAe 
naKoext  XBopnxb  npintime  atiiBoyuixHMt  jioroyxL  naKocxt  npHKMjrio- 
mxen  BLSLÖpaHHXH  bm«  no  saKOHOMt  ne  BLcnoymxaxn  AHMa.  Le  typique 
de  St.  Sava  pour  le  monastere  Chilandare  nous  apprend  qu'on  chauffait 
les  cbambres  de  Tbopital  par  une  aroula  de  bronze,  un  rechaud  ou 
plutöt  un  brasero  portatif  {(xay/.dlt,  mangal)  encore  en  usage  ä  Con- 
stantinople  et  dans  l'intörieur  de  la  Presqu'ile  Balcanique. 

Ce  que  les  coKa.ii>HimH  vivaient  aussi  dans  les  villages  nous 
empeche  de  d^terminer  leur  metier  qui  avait  trait  en  tout  cas  ä  la 
cuisine  ou  au  foyer  d'apres  la  construction  ou  d'apres  l'occupation.  On 
doit  renoncer  totalement  ä  les  considörer  comme  une  classe  particuliere 
de  la  Population  ou  des  Colons.    Quand  on  examine  les  lois  qui  les  con- 


L.  K.  Goetz,  Die  Echtheit  der  Mönchsreden  des  Kyrill  von  Turov.    181 

cernent  dans  les  chrysoboullea  des  monasteres,  on  voit  qu'ila  etaient 
partout  traites  ä  la  fagon  des  autres  artisans  auxquels  on  faisait  aussi 
la  mesure  de  la  corväe  agricole  plut  petita  en  röcompense  de  leurs  pre- 
stations  d'artisans  —  im  traitement  partout  usite  dans  la  vie  feodale  de 
l'ancienne  Serble.  St.  Novakovic. 


Die  Echtheit  der  Mönchsreden  des  Kyrill  von  Tnrov. 

Von  Leopold  Karl  Goetz-Bonn. 


In  der  kurzen  Vita  des  cb.  KHpHJiJit  TypoBCKiä,  f  Ende  des  XII. 
Jahrhunderts,  die  im  cjiaBiHio-pyccKiä  npo.ior^  unter  dem  28.  April 
mitgetheilt  ist  (vergl.  Cepriä:  MicHUiecjcoB'L  II,  110,  Ausgabe  von  1876, 
abgedruckt  in  TBopeiiiü  cb.  oxi^a  iiamero  KHpHjr.!ia  enncKona  TypoB- 
cKaro  et  npe/tBapHTejiBHHM'B  oiiepKOMt  Hcxopia  Typona  h  TypoBCKOH 
iepapxin  äo  XIII  siKa,  HBAaide  npeocB.  EBrenin.  KieBt  1880,  p.  296, 
nnd  in  IIoHOMapeB'S :  üaMHTHHKH  ApeßHe-pyccKOH  u;epKOBHO-y^iHTejB- 
HOH  jraTepaxypLi,  IV. Band :  CjraBflHO-pyecKÜl  npojior'B.  C. üeTepöypr'B 
1898,  p.  74),  findet  sich  folgende  Mittheilung  über  die  Lebrthätigkeit, 
die  Kyrillus  von  Turov  als  Mönch  entfaltete:  »II  MHoraMi,  na  no;iL3y 
ßticT'L,  y^ia  H  noyii];aK  MonaxH  Bt  noKopcHin  h  noc^ymamH  6hth  ko 
iiryMeHy  h  xoro  hm^xh  hko  Eora  h  bo  bccm'b  big  nocjiymaxH.  ^ep- 
Heu,x  6o,  H^e  hg  HM^ex-L  nocjiymaniH  ko  HryMeny,  hko  ^e  oöimacH, 
He  Moatex-B  6tiXH  cnaceni.«  (IIoHOMapeB'B :  üaMKXHHKH  IV,  74). 

Dem  Wortlaut  dieser  Stelle,  dass  Kyrill  speciell  zum  Gehorsam 
gegen  den  Abt  gemahnt  habe,  entsprechen  auch  in  der  That  einige 
unter  seinem  Namen  gehende  Mahnreden  an  Mönche.  Es  ist  auch  wohl 
anzunehmen,  dass  der  Autor  der  im  Prolog  enthaltenen  Vita  des  Kyrill 
diese  fragliche  Stelle  auf  Grund  seiner  Kenntniss  eben  dieser  Mahn- 
reden an  die  Mönche  niedergeschrieben  hat. 

Der  Schlusssatz  der  Vita  ist  ein  Gebet  um  Befreiung  von  feindlicher 
Herrschaft:  »Mojihmch  'm.q  xe6i,  Majraa  cia  c^OBeca  npHHOcame,  mojih 
[sei.  Kyrill]  o  iiacL  BceAep^Hxe.;iH,  Ewy  5Ke  Htint  npeACXonrnn  co 
AepsHOBeHieMT. ,  oxrB  Hacxomii;!?!  naMt  ö^am  HSÖaBHXHca  h  ox-l  6e3- 


182  L.  K.  Goetz, 

6o2CHiix'L  ArapaHT.,  npncHO  MyiiamHxi.  nacB  .  .  .  h  t.  a-«  (IIoHOMa- 
peBi.:  IlaMflTHHKH  IV,  75).  Mit  Rücksicht  auf  diese  Bitte  wird  die  Ab- 
fassung der  Vita  in  die  Zeit  der  Mongolenherrschaft  verlegt  (IIoHOMa- 
peEt:  üaMHTHHKH  I,  89),  $HJiapeTi.:  Oösopt  pyccKoil  AyxoBHOH  .raxe- 
paTypti.  3.  Aufl.  C.  IleTepöypr'B  1884  verlegt  sie  speziell  in  die  Zeit 
des  Chmboh'b  en.  TBepcKiä,  f  1289. 

Die  im  folgenden  zu  besprechenden  Stücke  des  Kyrill  sind,  mit 
den  alten  Titeln,  wie  sie  in  der  Ausgabe  von  en.  EBreniä  p.  XCV  ver- 
zeichnet sind,  diese  drei,  die  ich  weiterhin  kurz  mit  A,  B,  C  be- 
zeichne: 

A:  CKaaaHLe  o  TiepHopHSL^bCTtMi,  tinny  ott.  BfcTxaro  aanoiia  u 
HoBaro,  onoro  oöpast  Hocnma,  a  cero  a^Jibi  exBtpmaioma,  abgedruckt 
bei  KajraHAOBim. :  naMüTHHKH  PocciScKOH  CjiOBecHoeTH  XII  B^Ka. 
MocKBa  1821,  p.  102 — 116,  bei  CyxoMJHHOB'L:  PyKonHCH  rpa*a  ysa- 
poBa.  T.  IL  C. üeTepöypri.  1858,  p.  89 — 98,  in  russischer  Uebersetzung 
bei  EBremit  op.  cit.  p.  90 — 102. 

B:  IIoBicTB  K-L  BacH.iiK)  Hryjieuy:  npiixya  o  6ijiO'^u3u,i  nejio- 
Biii,i,  H  0  MHHUibCTBi,  H  0  AyuiH  H  0  noKaHHiH,  abgedruckt  bei  Kajaä- 
j[,OBTvrh  p.  117 — 131,  bei  CyxoM.iHHOB'L  p.  79 — 89,  bei  EBreniH 
p.  103—115. 

C :  üocjiaHie  H^Koero  cTapu;a  kt.  6oro6.iaaieHHOMy  BacHJiiio  apxn- 
MaHApHTy,  0  cKHMi,  zucrst  edirt  von  ropcKiH  in  üpHÖaBJieHia  kx  tbo- 
peniaM'L  cb.  0Ti];eB'i..  Kasant  1851,  t.  X,  p.  346 — 357,  in  russischer 
Uebersetzung  bei  EnreHiä  p.  115 — 120. 

Ich  citire  im  folgenden  A  und  B  nach  KawiaHAOBH^i.,  C  nach  EB- 
reniä. A  und  B  behandeln  in  allegorisch-symbolischer  Darstellung  und 
Deutung  das  Mönchthum  und  seinen  Vorzug  vor  dem  Weltleben,  A 
trägt  keine  bestimmte  Adresse,  B  ist  nach  der  Ueberschrift  gerichtet  an 
den  Abt  BacHJiiil  des  Kiever  Höhlenklosters,  der  1 182  zum  Abt  gewählt 
wurde  (Hnax.  JliT.  2  p. 424,  siehe  Goetz:  Das  Kiever  Höhlenkloster  etc. 
S.  97  flf.,  in  dem  Aufsatz:  »Kieso-IIeyepcKaa  ./laBpa«  in  KisBCKaa 
CTapHHa  1886  wird  seine  Abtszeit  mit  11S2 — 1197  angegeben).  C  ist 
eine  Antwort  an  diesen  Abt  Baciuiil  auf  dessen  Frage,  ob  er  (Bacn- 
jdS)  das  Gelübde  der  mönchischen  Vollkommenheit  (ßejiHKiil  h  cbhtoh 
oßpasT.  cxHMLi)  ablegen  solle.  Auf  den  Inhalt  dieser  Stücke  im  einzel- 
nen, ihre  Beurtheilung  als  Literaturdenkmäler,  die  in  ihnen  sich  finden- 
den Entlehnungen  brauche  ich  nicht  näher  einzugehen,  da  es  sich  im 
folgenden  nur  um  die  Frage  handelt,  ob  sie  wirklich  dem  ihnen  gegebe- 


Die  Echtheit  der  Mönchsreden  des  Kyriil  von  Turov.  ]  83 

nen  Titel,  resp.  der  ihnen  gegebenen  Adresse  entsprechen,  also  um  die 
Frage :  ob  sie  wirklich  von  Kyriil  stammen,  wann  und  für  wen  sie  ver- 
fasst  sind.  Zur  allgemeinen  Beurtheilung  von  A,  B  und  C  vergl.  ausser 
den  schon  genannten  Werken  noch  Il3BicTifl  II.  Ota^jI.  AKa^eM.  HayKt 
Bd.  V,  241  SS.:  MaKapin:  Cb.  KnpHJiJi^  TypoBCKiä,  KaK'L  nHcaxejib, 
ferner  MaKapiil:  IIcTopin  PyccKOH  i^epKBH^.  C.  IIeTep6ypr'i>188S,T.III, 
p.  146  SS.  und  ro.iyf)HiiCKiH :  llcropia  PyccKOH  i^epKBH  2.  MocKBa  1901, 
T.  1\  p.  808  SS. 

tpHJiapeT'B  op.  c.  p.  36  hält  alle  drei  für  echt,  d.  h.  für  Werke  des 
Kyriil,  EBreniH  op.  c.  p.  LXIX  ^  hält  A  für  unzweifelhaft  echt,  von  B 
und  C  sagt  er:  »mli  pasA^-ifleMt  MHinie  xixx,  Koxoptifl  npHSHaioTt 
nocj^AHia  Asa  co^HHeHiu  HecoMHiiiuo  ii.iii  BectMa  BipoaTHO  npHna^-ie- 
jKamHMH  iiamsMy  KHpH.j[jiy«;  ähnlich  nimmt  auch  IIoHOMapeB'L :  Ila- 
MflTHHKH  I,  p.  98  A  für  sicher,  B  und  C  für  mehr  oder  weniger  wahr- 
scheinlich echt  an;  rojiyÖHHCKifi  op.  c.  I^  810  hält  nur  A  für  sicher 
dem  Kyriil  gehörig,  von  B  sagt  er:  »Hiiyero  neÄhsa.  cKasaTfc  othoch- 
xe.itHO  Toro,  npniiaAJiea^HT'i  hjih  ue  npHHaA-ieaciix'L  3xo  ciobo  Kh- 
pn-oy«,  über  C  äussert  er  sich  dagegen  bestimmter:  «noc.iaiiie  kt>  Ba- 
CH.iiiD  HryMGHy  üeiiepcKOMy  ycBOHSXcfl  KHpHJi.iy  TypoBCKOMy  npsA- 
no.i03KHxejibHO,  HO  BÄBa  Äu  cnpaBeA-iHBO «. 


A  gilt  also  allgemein  als  ein  sicher  dem  Kyriil  zugehöriges  Stück, 
wie  schon  MaKapiS  op.  c.  III,  147,  Anm.  232  bemerkt:  »eme  bx  Kopin- 
nen  XIII  b.  CKasanie  o  iiepHopHSCKOM'B  ^mni  noMiiu,eHO  no^t  iiMeiieMt 
,KHpH-ijia  emicKona  TypoBtcKaro'.  Cji^a-  no^JinHHoext  CKasania  hg 
MoatexT,  no^jeacaxt  coMHiHiio.  He  ynoMiiHaeM'L  o  nosAHÜlmHxi.  cnn- 
CKaxt  H  X.  A.« 

Von  diesem  allerseits  getheilten  Urtheil  über  A  aus  wird  nun  durch 
Textvergleichung  nach  Möglichkeit  die  Frage  zu  beantworten  sein:  ge- 
hört B  dem  Kyriil  an,  ist  es  in  der  That  an  den  Abt  Bacioia  gerichtet 
gewesen,  ferner:  gehört  das  nach  seinem  Eingang  unzweifelhaft  an  Abt 
BacH.iiH  des  Höhlenklosters  gerichtete  Antwortschreiben  C  wirklich  dem 
Kyriil  an.  

Dass  ro.iyÖHHCKiH  meint,  die  Autorschaft  des  Kyriil  an  B  lasse 
sich  nicht  sicher  bestimmen,  habe  ich  eben  angeführt.  Was  die 
Adressirung  von  B  an  Abt  BacH.iiH  betrifft,  sagt  ro.iyÖHHCKiS  op.  c.  I^ 
810  B  sei  nicht  an  BacHjin  und  nicht  an  das  Höhlenkloster  gerichtet 


184 


L.  K.  Goetz, 


gewesen,  »a  öpaTCTsy  KaKoro-TO  ^pyraro  HeHSBicxHaro  MOHacTBipa«. 
Auf  die  Gründe,  die  er  dafür  anführt,  werde  ich  später  zurückkommen. 


Die  erste  Frage,  die  bezüglich  A  und  B  zu  stellen  ist,  lautet  also: 
ist  B  gleichfalls  wie  A  ein  echtes  Werk  des  Kyrill  ?  Darauf  glaube  ich 
antworten  zu  dürfen:  »Ja«,  und  zwar  auf  Grund  dessen,  dass  eine  An- 
zahl von  Stellen  in  A  und  B  so  vielfach,  in  materieller  wie  in  formeller 
Hinsicht,  übereinstimmen,  dass  man  eine  innere  Einheitlichkeit  von  A 
und  B  annehmen  kann,  die  auf  einen  Autor,  einen  Zuhörerkreis, 
einen  Zweck  für  A  und  B  hinweist. 

Ich  gebe  nun  zunächst  das  Beweismaterial  für  die  inhaltliche, 
materielle  Uebereinstimmung  von  A  und  B,  d.  h.  führe  die  Stellen  von 
A  und  B  an,  an  denen  Kyrill  ihm,  wie  es  scheint,  besonders  liebe  Ge- 
danken vorträgt. 

So  empfiehlt  er  den  Mönchen  vor  allem  den  Gehorsam,  den  Ver- 
zicht auf  den  eigenen  Willen : 


KajiaHAOBH^ii,  p.  103.  To^lk) 
äo  MaHacTwpK  HÄrää  cbok)  bojiio; 
no  BxcnpiflTtH  jkb  oöpasa  Bcero 
coöe  noBbpsH  bt.  noKopenieHH  Majia 
CBOBBOjitcTBa  yTaS  b-l  cepAi;«  tbo- 
eMx,  ^a  HB  yMpemt  Äyuieio. 

KajraHAOBHTi'E  p.  107.  Ila^e 
BBcero  KT&  roenoAy  HMyiii,a  jrio- 
ÖOBB,  H  K^  HryMeny  nocjiymaHie, 
H  Kt  öpaTiH  6e3jio6ie,  pasyMx 
HMyiu,a  öoatecTBbHfcixx  ÜHcaHiH, 
H  T'^Mb  iiacTaBJifliou^a  kx  Eory  na 
Heöeca  iiAyui,aH.  Tony  npeAaacAb 
ceöe,  aKLi  XajieB%  IcycoiiH,  blck) 

CBOK)  OTCiK'L  BOJIIO. 

Ka-iaHAOBHM^  p.  113.  ^a  h 
TLi,  MHHme,  noacpH  cbok)  bojk),  h 

Chy&hyKU  rpiXH  H3.IHTbeML  XenjBIX'B 
CJBS'B. 


B. 

KajiaHAOBHi[T>  p.  122.  Bny- 
Tpeniä  ace  BspTen'i,  ycTaBt,  rja- 
rojK),  anocTOJiLCKaro  npeAania  h 
Ke.ieHHaro  acHTejitcxBa,  b-b  iieM^ce 

HHKT0»:e    CaMOBOJIBCTBO   HMaXB,    HO 

BciMx  BCH  o6iu;a  cyxB,  cyxB  6o  bch 
no^t  IlryMeHOM-B. 

KaaaHAOBHiirB  p.  128.  06aqe 
Bca  cjrya^öa  ArrejibCKaa  h  MHHmb- 
CKaa  e^HHO  ecxB,  ohh  6o  bck)  cboio 
ocxaBHBme  bojik),  ho  Bo2Kiio  h  Hry- 
MeHK)  noBHHyioxoi  noBe^iiHiiG. 


Die  Echtheit  der  Mönchsreden  des  Kyrill  von  Turov. 


185 


Anderswo  spricht  er  über  die  Kleidung  des  Mönches. 


A. 

KajraHÄOBH^t  p.  105.    Phsbi 

3Ke    HB    CJaBHH    H    MflKtKLI    JIIOÖH, 

iiapacxyma  [in  einem  anderen  Text 
»HX  pacxyma«  vielleicht  »iio  iia- 
pacxyma«]  cnpi^ifc  MHortiMH  nomn- 
Baa  3an;iaTaMH,  AOHAeate  kt.  ropi 

ÖOrO.IIOÖHBIX'L  ÄOÖpOA'feTejiiH  äoh- 
ÄBUIH. 


B. 

KajiaHÄOBHyx  p.  123.  A  iia:e 

xyAWMH  odoji^sHT.  pyÖM,  ce  öeci. 

npHT^H  CAOBO  HMBiiyeTt:    B^raca- 

HHi^a  H  cyKHHHafl  OAeat^a,  h  ot% 

KOSLEXt    KOaKL    OÖOJnieHBfl;     BCHKa 

6o  Aoöpa  pH3a  h  njioTCKoe  yicpaine- 
nie  yioaKe  bctb  HacToaxBjfl  h  bcbfo 
MHHUiBCKaro  ycxaBjienia. 


Auch  gegen  die  Unruhestifter  im  Kloster  richtet  er  seine  Mahnung. 


B. 

KajiaHAOBHyi.  p.  130.  Hb 
npoAaAHMx  Eoacia  cjicea  na  ji»:h: 
Kpa^yme,  rpa6fliii;B,  göhaaiUiB,  na 
HryMBHa  sjiob  MticjiHmB  h 
KjiflXBoio  onpaBAaiomB. 


KajiaHAOBnyi>  p.  108.  Chxx 
6o  paAH  npHxoAHTb  rHis-L  Eoacin 
Ha  CBiHLi  npoxHBHBia,   cnp^yt  Ha 

MHHXLI,  0XM6Xai0ni,a  CBOH  oöixx. 
HMH  :as.e  [so  im  Original  und  Korm- 
caja;  in  einem  anderen  Text:  »h 
MAXBacx«]  Bx  ManacxLipH  cxBa- 
paioma. 


Im  Allgemeinen  betrachtet  Kyrill  das  irdische  Leben  und  die 
weltlichen  Geschäfte  als  bedenklich  und  gefahrdrohend  für  das 
Seelenheil. 


KaJiaHAOBHM'B  p.  104.  Zm^h 
Ha  CBOBMB  yM^:  qero  pa^n  paay- 
MHaro  Eionra,  Mipa,  oxöiraBuiH? 
HJiH  oöin^aHaro  xh  I^apcxBa  a:6- 
jiaa,  JiH  AtHBOJifl  rpixoBHBia  pa- 

60XBI   HB   XOXa,    JIH   atHxiHCKÜ   HB- 

najLu  HB  Aio6a,   oxt  HBaacB  h^cxb 

n0.I3BT,    XOKMO    AyUIH    nOrHÖBJIb,    JIH 
aCBHOK)  H  A^XMH  CMymaBMX  ■? 


B. 

KajcaHAOBHit  p.  126.  A  xop- 
ryiomHM'B  BFAa  Kyn.ia  C'BA'^BaBXca, 
xy  H  rpixx  CBBspuiBBaexca,  h  hhbi 
BCa  JKHXiäsKBia  BBmH,  B-B  HHui,axi 
a:B  H  öoraxcxBi,  cnony  HMyxB  ki. 
cnacBHiio  cbmbio  h  aomx. 

KajiaHAOBHTi'B   p.  128.     Ch- 

pi&qB   AOHABJKB   qBJIOBiKX   HB   OCXa- 

HBXca  xijrecHBixT.  noxoxiä  h  äh- 
xBHCKBix'B  nB^ajiiH,   Ayuia  Bro  cb 

EorOMT)  CMipHXHCa  HBMOaCBXB. 


186 


L.  K.  Goetz, 


Auch  die  folgende  Stelle  sei  noch  angeführt,  in  der  über  die  grosse 
Neigung  der  Laien  zum  Mönchthum  gesprochen  wird. 


Ka.iaHAOBHyL    p.   105.       II 
CTapi^a,  aee  h  öciamaro,  yate  yMb- 

piTH    XOTHma    nOAOÖaeTb    OCTpH^H 
Bt  MHHmtCTBO  xoTain,a. 


B. 

Ka-iaHAOBH^n.  p.  127.  ChxT) 
pa^H  oöimaHiä  bcakx  XpiiexiaHHiit 
HjAHTCfl  noHecTH  apeMT,  rocno- 
AeHB,    CHp^qt  HHoybCKfciH  oöpast 

na  ca.  B3flTH. 


Es  ist  selbstverständlich,  dass  die  angeführten  Gedanken  nicht 
ausschliessliches  geistiges  Eigenthum  des  Kyrill  sind,  es  sind  allgemeine 
so  zu  sagen  Mönchsideen;  aber  immerhin  darf  man  auf  die  Ueberein- 
stimmung  von  A  und  B  in  diesen  Anschauungen  und  auch  in  ihren 
Wortwendungen  hinweisen. 


Auch  in  formeller  Hinsicht  findet  sich  an  einzelnen  wichtigen 
Stellen  eine  weitgehende  Uebereinstimmung  zwischen  A  und  B.  Und 
das  zwar  besonders  da,  wo  Kyrill  bescheiden,  jeweils  am  Schluss  der 
betrefifenden  Mahnrede,  von  seiner  Arbeit  spricht,  dass  sie  nicht  von 
ihm  selbst  stamme,  sondern  aus  den  heiligen  Schriften  entnommen  sei, 
dass  er  ein  ganz  einfacher  Mensch  sei  und  dergleichen. 


A. 

Ka.iaH^tOBHyB  p.  116.  Ch 
rjiarojia  mh^  o  cnx'i  oxi.  KHHn>,  a 
He  0  co6i  CKaaaBiny.  Ame  h^kto 
MjßT^'h,  TiS  HHaKO  npoTOJTKyexb, 
Mbi  npoTHBy  HB  B^maeMt,  nicMb 
6o  aceHbi^H,  ho  K.iacoc'LÖHpaTe.iH,  hh 
xHTpei];H  KHHraMT.;  mh,  rpyßaa 
naAb,  na^e  Bcero  oxt  cTapiHiuHHb- 
CTBa   Bamero    xpcöyeMi.    CBHTbia 

MOjIHTBBT. 


B. 

KajiaHAOBHU'B  p.  125.  Cni^e 
5Ke  CHMi.  cKaBaHbiM'b  H  npoyee  öes-L 
pasyjia  Aa  ne  ocTaHBT-i ;  ne  jih  6o 

CHMt    nOBiCTCMb    TBOpi^H,    HO    0T1> 
ÖOJKeCTBeHblXl,       B-LSeHJHGUlie      HH- 

caniH. 

KajaHÄOBH^t  p.  131.  Cia 
2ce  r.iaroaio  ne  Be.iHyaflCfl,  ho  ce6e 
xima,  OTt  Hepasysiia  r.iaroJiio,  ^e- 
.iOB']&Kb  6o  ecMb  rpiment,  KajieH'b 
yA'b  HMia  MOH  flSbiKT) ;  aui,e  6o  bx 
rjiyÖHHy  Eoacinx-i.  bhhaoxt.  khht^, 
HO  rpyßbiM'b  paayMOMb  npocTbiä 
hshouik)  rjtacL. 


Die  Echtheit  der  Münchsreden  des  Kyrill  von  Turov.  1 87 

Auch  hier  ist  zu  sagen ,  dass  diese  Selbstverdemüthigungen  so  zu 
sagen  zum  allgemein  üblichen  Stil  und  zum  eisernen  Bestand  der 
Mönchsphraseologie  gehören,  siehe  Goetz:  Kirchenrechtliche  u.  kultur- 
geschichtliche Denkmäler  Altrusslands,  Stuttgart  1905,  S.  388  f.  So 
drückt  sich  z.  B.  Nestor  in  /Kiixie  iipen.  OTua  ÖeoAoeia  an  mehreren 
Stellen  ähnlich  aus :  ÜKOBJieB'B :  IlaMHTHHKH  PyccKOH  JiHTepaTypbi  XII 
H  XIII  BiKOBt.  C.IIeTepöypr'L  1872,  p.LV:  hb  BtSMory  rpyötin  chii 
n  iiepaayMiiyeii'L  und  p.  LXIII :  rpyöx  cbih  h  iiSBiatAa.  >lKOBJieBi>  in 
/tpeBHe-KieBCKifl  PejiHrio3HMfl  CKasanifl,  Bapinana  1875,  p.  69  bemerkt 
richtig  hierüber:  »Sto  aBTopcKoe  cMMpenie,  xaKt  pacnpocTpaHeHHoe 
BT}  ApeBHB  pyccKoil  .iHTepaxypi  BOo6iu,e,  yxo  piAKiä  naMaxHHKi.  ea  o6- 
xoähxch  öes'B  3Toro  Mi&exa  Bt  Ha^ajii  hjh  Bt  kohu,^,  ecxb  noApaacaiiie 
rpeqecKHMi  xpHcxiaHCKHMX  nHcaxejHMi.tf.  Immerhin  sind  die  Stellen 
aus  A  und  B  in  ihrer  Uebereinstimmung  dadurch  ausgezeichnet,  dass 
ihr  Autor  beidemale  eigens  die  heil.  Schrift  als  seine  Quelle  angibt,  aus 
der  er  die  Autorität  für  seine  Wahrnehmungen  schöpft. 

In  gleicher  Weise  hat  A  wie  B  den  Gedanken,  dass  der  Autor  für 
die  einfacheren,  nicht  für  die  klugen  Zuhörer  spricht. 


A. 

KajraHÄOBHTH.  p.  114.     Ame 

6o   H    BGH  B'^AflX'I.    0    CeMt    HO    a31> 

M-iaAUx-B    paAH    H    HepasyMHMXT. 
HanHcaio. 


B. 

KajiaäAOBHyi.  p.  118.  3ä'£ 
CJIOBO  nocxaBJibme  iia  npe^pe^eH- 
HaK  BTbSBpaxHMCH ,  paspimalome 
npnxiH  QT>K)3T>,  ycntxa  pa^n  npo- 

CX'feHUIHX'L,     a     ÖLICXpin     yMOM'B     H 

npeacA©  CKasaiiia  ch  Bi^axTb. 


Die  Zuhörer  von  A  wie  B  sind  Mönche.  Indess  redet  Kyrill  in  A 
fast  durchweg  seine  Zuhörerschaft  in  der  Einzahl  an;  xbi  Monaxi., 
ßpaxx,  HiiOKi),  während  in  B  fast  immer  die  gesammte  Brüderschaft 
apostrophirt  wird:  bli,  o  hiiokii,  öpaxie.  Dass  auch  in  A  die  Zuhörer- 
schaft nicht  nur  ein  einzelner  Mönch,  sondern  die  ganze  Brüderschaft 
ist,  geht  daraus  hervor,  dass,  wo  Kyrill  von  einer  rituellen  Handlung 
des  Mönchslebens  spricht,  er  an  die  Kenntniss  seiner  Zuhörerschaft 
appellirt  mit  den  Worten:  ii  ca^in  Bicxe  (KajiailAOBHyt,  p.  114).  Auch 
■weist  es  vielleicht  auf  eine  grössere  Zuhörerschaft  hin  bezw.  ist  viel- 
leicht mit  Rücksicht  auf  eine  solche  gesprochen,  wenn  Kyrill  am  Schluss 
von  A  gewissermassen  seine  Zuhörer  auffordert,  es  besser  zu  machen: 
(Ka^aHÄOBH^T,  p.  11 6)  ame  h^kxo  My^p'B,  xxh  nnaKo  npoTOJiKyexL,  Mti 


188  L-  K.  Goetz, 

npoTHBy  He  BimaeiwB.    In  gleicher  Weise  bittet  Kyrill  auch  in  A  wie  B 
zum  Schluss  um  das  Gebet  der  Zuhörer. 


A. 

KajiaHAOBH^'L  p.  116.  Mti 
rpyöaü  ^aa^,  na^e  Bcero  ot-b  cTa- 
piäiuHHbcTBa    Bamero    TpeSysMi. 

CBflTLia  MOJIHTBH. 


B. 

KajaHÄOBHui.  p.  131.   Mene 
a:e  aKt  nca,  mojiio  bli  ,   hg  npe- 

3pHTe,  HO  H  3Ai  Bt  CBüTUXX  CBOHX^ 

noMKHixe  MOjraTBaxt. 


Und  dem  Worte  cxapiHuiHHbCTBO  in  A  entspricht  in  der  parallelen 
Schlusswendung  von  B  oxe^beTBo;  beide  Ausdrücke  auch  in  ihrer 
konkret-persönlichen  Form  finden  wir  sonst  sowohl  für  die  Gesammtheit 
der  Brüderschaft,  besonders  ihrer  älteren  Hälfte,  wie  als  Anrede  für 
den  Abt  allein  angewendet. 

Aus  der  Textvergleichung  scheint  sich  mir  also,  bei  der  materiellen 
wie  formeilen  vielfachen  Uebereinstimmung  von  A  und  B,  zu  ergeben, 
das3  B  wie  A  das  Werk  des  Kyrill  ist.  Gleichzeitig  haben  wir  aber 
auch  ersehen,  dass,  wie  der  Autor  derselbe,  so  auch  der  Zweck  seiner 
Mahnrede  derselbe  und  endlich  auch  die  Zuhörerschaft  die  gleiche  ist. 

Die  zweite  Frage,  die  mit  der  Beantwortung  der  ersten  im  engsten 
Zusammenhang  steht,  lautet  nun:  hat  die  alte  Ueberschrift  von  B 
Recht;  ist  B  an  den  Abt  BacH.iiä  des  Höhlenklosters,  sei  es  an  ihn 
allein  oder  mit  an  die  Brüderschaft  des  Klosters,  wirklich  gerichtet  ge- 
wesen? Darauf  glaube  ich  antworten  zu  dürfen:  »Nein(f,  die  Empfänger 
bezw.  Zuhörer  von  B  sind  die  gleichen  wie  die  von  A,  die  Brüderschaft 
des  Klosters,  dem  Kyrill  selbst  angehörte.  Welches  dieses  Kloster  war, 
lässt  sich  allerdings  nicht  sicher  bestimmen.  In  einer  Handschrift  der 
Gebete  des  Kyrill  wird  er  Mönch  des  Klosters  des  heil.  Nikolaus  in 
Turov  genannt  (EBreHÜt  p.  LXXX).  Andere  denken  sich  das  Boris- 
und  Glebkloster,  das  Residenz  der  Bischöfe  war,  als  Aufenthaltsort  des 
Kyrill  (EBreniä  p.  LVI,  Ka-ianAOBmix  p.  XXI,  roryönncKiä  I^,  630) 
oder  ein  anderes  bekanntes  südrussisches  Kloster,  z.  B.  das  zu  Zarub, 
aus  dem  K.iHMeHTx  Cmojjüth^'l  hervorging  (noHOMapoBi.,  üaMHTHHKH 
I,   95). 

Dass  B  nicht  an  BacHjriS  im  Höhlenkloster,  sondern  an  die  Brüder- 
schaft eines  anderen  unbekannten  Klosters  gerichtet  sei,  hat  auch  Fo- 
jtyÖHHCKiä  op.  c.  I^,  810  gesagt,  und  als  Grund  für  seine  Meinung  an- 
gegeben:  »h6o  bx  3aK.iK)yeHie  cjiOBa  [sei.  B]  asTop-L  o6pan;aeTCfl  hb 


Die  Echtheit  der  Mönchsreden  des  Kyrill  von  Turov.  189 

KT.  OAHOMy  JiHity,  a  ko  mhofhm'b  (Bauie  oxe^ecxBO,  saiuH  AyuiH.  Baiiii, 
iiokoh)  h  BHuie  roBopHTx  0  üeyepcKOM'L  MOiiacxtipi  bt.  KieB'6  KaKTb  o 
TryatoMT)  h  nocxopomieMt  ajih  axitsTb  MHoraxx  jiHi^Tb«.  Er  spricht  auch 
im  Vorübergehen  die  Vermuthung  aus,  der  Text  von  B,  der  uns  heute 
bekannt  ist,  könnte  interpolirt  sein,  geht  aber  nicht  näher  hierauf  ein. 

A  ist  unzweifelhaft  an  die  eigene  Brüderschaft  des  Kyrill  gerichtet, 
das  besagen  ganz  klar  kurze  Wendungen,  wie :  xti  »:e  ne  po^tcxBOM'B 
co6e  npHHecx  3Ai  (Ka-ianAOBiiTi.  p.  102)  und  dafür,  dass  die  Zuhörer- 
schaft von  B  die  gleiche  ist,  wie  die  von  A,  darf,  ausser  der  schon  an- 
gestellten Textvergleichung,  auch  noch  die  folgende  Stelle  aus  B  ange- 
führt werden,  bei  der  Kyrill  offenbar  sich  und  seine  Mitbrüder  im  Auge 
hat:  a^^e  öwxom'B  oö^x-l  nocxpHsama  namero  ctxpaHHJH  (KajiaHAO- 
BHqx  p.  129). 

Es  ist  auch  richtig,  dass,  wie  ro-üjÖHHCKiä  bemerkt,  in  B  von  dem 
Höhlenkloster  als  von  einem  den  Zuhörern  ferne  stehenden  Orte 
gesprochen  wird.  Mir  scheint,  dass  hier  eine  klar  erkennbare  und 
abgrenzbare  Interpolation  vorliegt.    Die  fragliche  Stelle  lautet  (Ka^iaä- 

AOBH^Il.  p.  126  S.):    HHOKH  HB  MOHaCXtipt  CJiaBHLI  XBOpHXt,  HO  AOßpaA'fe- 

xejiL  MHHmLCKaa  h  Monacxtipt  cjiaBeH'B  XBopHXi,. 

H  ce  Hßih  ecmh  formj  ßeodocia  nenephCKaio  MiyMena,  uowe 
e^  Kueen  ipadn,  Hana.iHUKa  o6meMy  oKumiw,  noueotce  ne- 
AUneMnpHO  MHumhcmeoea,  e^3AK)6ue^  Eoia  u  öpamiw  ceom, 
HKO  C80H  ydw,  mihMowe  u  Eoih  ehSJiwSu  u,  u  mncmo  eio  padu 
npocjiaeu  nane  ecnxi,  uowe  e^  Pycu  Mouacmupee^. 

Cia  BHyxpeHfla  AoöpoAixejH  cbüxbixt.  mhhxobx  a:Hxie,  naye  MipLCKoM 
BJiacxH  ciaiox'B  qiOAecLT,  h  xtx'B  pa^n  MHpLCKtia  BejiMoa:a  cbok)  noKJO- 
HHioxi)  rjiaBy  mhhxomx  .... 

Das  eingerückt  und  in  Schreibschrift  (cursiv)  gesetzte  Stück  halte 
ich  für  Interpolation.  Kyrill  sagt  vorher:  »Die  Mönchstugenden  machen 
ein  Kloster  berühmt«  und  dieser  Gedanke  wird  nach  der  Interpolation 
logisch  eng  weitergesponnen:  »und  wegen  dieser  Tugenden  kommen 
auch  die  Grossen  dieser  Welt  zum  Kloster«.  Das  Zwischenstück  ist 
eine  später  eingefügte  thatsächliche  Einzelbezugnahme  auf  ein  be- 
stimmtes Kloster,  das  dem  Interpolator  geistig  und  wohl  auch  körper- 
lich räumlich  nahe  lag,  während  Kyrill  ganz  allgemein  redete.  Zu  der 
mehr  abstrakten  These  des  Kyrill  hat  also  der  Interpolator  ein  Beispiel 
aus  dem  praktischen  Leben  bezw.  der  Geschichte  eines  Klosters  gefügt. 


1 90  L.  K.  Goetz, 

Und  zwar  scheint  mir  möglich  anzunehmen,  dass  der  Interpolator 
nicht  den  Text  selbst  verändern  wollte.  Er  las  die  Stelle,  vielleicht 
beim  Abschreiben,  »die  Tugend  der  Mönche  macht  ein  Kloster  be- 
rühmt«; erinnerte  sich,  dass  gerade  das  Höhlenkloster  in  Kiev  von 
ganz  kleinen  Anfängen  an  durch  die  Wirksamkeit  des  heiligen  Theo- 
dosius  berühmter  als  alle  anderen  russischen  Klöster  wurde  und  notirte 
sich  dann  die  Nutzanwendung  und  diesen  Beweis  aus  der  Geschichte 
für  die  Richtigkeit  der  Behauptung  des  Kyrill  mit  den  Worten  h  ce  aßi 
ecTt:  »Die  Richtigkeit  der  vorstehenden  Worte  des  Kyrill  ergibt  sich 
uns  aus  folgendem  geschichtlichen  Beispiel  u.  s.  w. «  Ein  späterer  Ab- 
schreiber hat  dann  diese  Nutzanwendung  als  ein  Stück  des  Textes  mit 
niedergeschrieben.  Die  Adressirung  von  B  an  BacHJriä  mag  dann  viel- 
leicht so  entstanden  sein,  dass  B  und  C  von  einem  Abschreiber  mit  ein- 
ander abgeschrieben  wurden  und  von  dem  Empfänger  von  C,  BacHjiiii, 
ausgehend,  und  bei  der  in  B  vorhandenen  Bezugnahme  auf  das  Höhlen- 
kloster, der  Abschreiber  eben  auch  B  an  BacHJiiH  gerichtet  sein  Hess. 


Die  dritte  Frage,  die  zu  stellen  ist,  lautet:  wann  sind  nun  A  und 
B  von  Kyrill  verfasst  bezw.  gehalten  worden? 

Sein  Vita  sagt  uns  ja,  dass  er  als  junger  Mönch  eine  eifrige  Lehr- 
thätigkeit  im  Kloster  entwickelte ;  es  liegt  also  nahe ,  dieser  Lebens- 
zeit des  Kyrill  A  und  B  zuzuweisen.  Andererseits  wird  angenommen, 
dass  Kyrill  vielleicht  das  bischöfliche  Amt,  das  er  nach  seiner  Mönchs- 
zeit bekleidete,  vor  1182  niederlegte  und  dann  noch  bis  zum  Ende  des 
Jahrhunderts  lebte.  Es  wäre  also  auch  möglich,  dass  er  A  und  B  nach 
1182  als  alter  Mann  verfasst  hat.  Die  Annahme,  Kyrill  habe  nach 
Niederlegung  seines  Bischofsamtes  vor  1182  noch  längere  Jahre  gelebt, 
gründet  sich  auf  die  andere  Annahme,  dass  Kyrill  wirklich  C,  den 
Brief  an  Abt  BacHJiiH  des  Höhlenklosters  geschrieben  habe.  Nämlich  bei 
der  Weihe  des  Abtes  Baciuift  wird  unter  den  Theilnehmern  an  der 
Einkleidung  des  Bacimä  zum  Mönch  auch  der  Nachfolger  des  Kyrill, 
der  Bischof  JlaBpeHTiH  von  Turov  genannt  (IlnaT.  JiTon.  ^  p.  126). 
Aus  C  ergibt  sich  aber  unzweifelhaft,  dass  BacH.mi,  als  er  diesen  Brief 
erhielt,  schon  einige  Jahre  Abt  im  Höhlenkloster  war,  denn  in  C  ist  die 
Rede  von  dem  Bau  einer  steinernen  Mauer  nm  das  Kloster,  der  das 
Werk  des  BacH.iiH  sei,  und  der  doch  sicher  längere  Zeit  gewährt  haben 
wird.  Ferner  schreibt  der  Autor  von  C,  dass  BacH.iiH,  nachdem  er 
schon  als  Mönch  bezw.  als  Abt  ein  srottgefälliges  Leben  geführt  habe. 


Die  Echtheit  der  Münchsreden  des  Kyrill  von  Turov.  191 

nunmehr  cxhmiihki.  werden  wolle,  setzt  also  gleichfalls  voraus,  dass 
schon  einige  Zeit  seit  der  Abtswahl  des  Jahres  1182  verstrichen  ist. 

Mir  scheinen  nun  einige  Stellen  von  A  und  B  dafür  zu  sprechen, 
dass  er  als  junger  Mönch  und  ehe  er  selbst  Bischof  wurde,  A  und  B 
verfasst  habe. 

Darauf,  dass  Kyrill  als  junger  Mönch  A  und  B  gehalten  hat, 
scheinen  mir  die  oben  angeführten  Stellen  hinzuweisen,  in  denen  er 
sich  bescheiden  über  seinen  Vortrag  äussert,  in  denen  er  versichert, 
dass  viele  seiner  Zuhörer  das,  was  er  sagen  will,  schon  wissen,  dass 
wohl  manche  unter  ihnen  es  besser  machen  könnten,  vor  allem  aber 
auch  die  Anwendung  der  Worte  cTapülumiibCTBO  und  oreiiLCTBO,  die 
im  Munde  eines  jungen  Mannes  natürlicher  klingen,  als  in  dem  eines 
schon  Bischof  gewesenen  Greises. 

Darauf,  dass  er  also  A  und  B  vor  seiner  bischöflichen  Zeit  ver- 
fasste,  scheint  mir  aber  ganz  besonders  die  folgende  Stelle  hinzuweisen. 
KajiailAOBHui>  p.  114:  TaKoace  h  IlryMenoM'B ,  et  nojiHi];eH)  cjiyjKa- 
in,HMx,  cBHHMaTH  MaHOTKy  ci>  njiBUK).  IIoAOÖaeTt  jKe  H  Majiy  h  nejiHKy 
HryMeny  cb  nojiHi];eio  cjiyatHTH  h  hb  npocHTH  xoro  y  EmicKona,  to  6o 
ecTfc  MHHxy,  EnncKony  ysae  qi05Ke,  a  IlryMeHOMX  CBoe :  na  n.3aTHi  6o 
^HCTi  AepatHTCH  B'tyA'B,  a  HB  no  BJiacTH  cana;  a  h  eaMH  Bicxe,  H/Kb  hb 
EnHCKon'B  bcImi.  hhokomi.  MajiyK)  MaHaxiio  BT.s.iaraBTb  na  njiBmH. 

Wir  haben  hier  eine  ziemlich  unumwundene  Vertheidigung  ge- 
wisser ritueller  Rechte  der  Mönche  bezw,  des  Abtes,  die,  wie  es 
scheint,  von  den  Bischöfen  den  Mönchen  streitig  gemacht  oder  we- 
nigstens nur  den  Aebten  der  grossen  Klöster  concedirt,  jedenfalls  aber 
von  der  Erlaubniss  des  Bischofs  abhängig  gemacht  wurden.  Mir 
scheint  es  wahrscheinlicher,  dass  Kyrill  so  deutlich  antibischöflich  sich 
äusserte,  ehe  er  Bischof  wurde,  als  dass  er,  nachdem  er  selbst  das 
Bischofsamt  schon  bekleidet  hatte,  sich  in  diesem,  wie  es  scheint, 
streitigen  Punkt  auf  Seiten  der  Mönche  gegen  die  Bischöfe  stellte. 


Aus  dem  angeführten  scheint  sich  mir  also  für  A  und  B  zu  ergeben : 
beide  Stücke  sind  Mahnreden,  die  Kyrill  als  junger  Mönch,  ehe  er 
Bischof  wurde,  für  die  Brüderschaft  seines  Klosters  gehalten  hat.  B  ist 
später  durch  einen  Zusatz  vermehrt  worden  und  in  dieser  Form  an  Abt 
BacHJiiä  des  Höhlenklosters  als  Empfänger  adressirt  worden,  vermuthlich 
weil  es  in  einer  Handschrift  mit  dem  an  BacHjtiii  gerichteten  Brief  C 
verbunden  war. 


192  L.  K.  Goetz, 

Dagegen,  dass  A  und  B  Mahnreden  sind,  spricht  es  durchaus 
nicht,  dass  Kyrill  in  A  gelegentlich  sagt,  er  schreibe  seine  Ausfüh- 
rungen: »HariHcaio«  Ka.iaiiAOBH^'L  p.  114,  das  ist  eine  Redewendung,  die 
ihm  beim  selbstverständlichen  schriftliclien  Ausarbeiten  seiner  Rede  in 
die  Feder  geflossen  ist.  Der  ganze  Wortlaut  von  A  und  B  wie  auch  der 
öftere  »cii  rjiarojia  mhJ«  KajaHAOBHii)  p.  116  und  ähnliche  Wendungen 
bekunden  A  und  B  als  Reden. 


Die  letzte  Frage  lautet:  gehört  das  an  Abt  BacHjiiä  des  Höhlen- 
klosters gerichtete  Schreiben  C  wirklich  dem  Kyrill  als  Autor  an?  Zur 
Beantwortung  dieser  Frage  bietet  C  selbst  wenig  sicheres  Material, 
so  dass  ich  eine  entschiedene  Antwort  nicht  zu  geben  wage. 

Aehnlich  wie  oben  A  und  B  spricht  ja  auch  C  von  der  Gering- 
schätzung, die  man  für  das  irdische  Leben  gegenüber  dem  ewigen 
Leben  haben  soll.  Aber  die  Stelle  EBremii  p.  117:  saöoxii  o  BeMHOM-B 
cfflTaä  noA'fe.iieM'i ,  h  BcerAa  ncKHCH,  no  npaBHjy  CBoero  oöira,  o 
2CH3HH  neöecHOH,  enthält  doch  einen  den  Mönchen  zu  allgemeinen  Ge- 
danken, um  einen  bestimmten  Schluss  aus  ihr  zu  ziehen. 

Aehnlich  wie  in  A  und  B  stehen  auch  am  Schluss  von  C  die  Selbst- 
verdemttthigungen  des  Autors;  EBreniä  p.  119:  hb  nnraS  ko  mh^ 
Bpaac;];Li  3a  to,  tito  Hanncajii.  ki.  re6i  3to  hb  ot-b  y>ia,  ho  otb  ÖBsy- 
Mia  CBOBro,  aber  wie  oben  schon  bemerkt,  sind  diese  Schlussphrasen 
Gemeingut  aller  schriftstellernden  Mönche. 

Mehr  Gewicht  glaube  ich  aber  auf  die  folgenden  zwei  Ueberein- 
stimmungen  zwischen  A,  B  einerseits  und  C  andererseits  legen  zu 
dürfen.  A  wie  B  bekunden  ihrem  ganzen  Wortlaut  nach  die  Vorliebe 
des  Kyrill  für  die  Anwendung  von  Gleichnissen  zur  Erklärung  des 
Wesens  und  der  verschiedenen  Seiten  des  Mönchthums.  Diese  Vorliebe 
bekundet  auch  C  und  zwar  in  bewusster  Weise,  sagt  doch  der  Autor 
von  C:  »yKaacy  xeöi  na  npnxTy«  (EBreniil  p.  116). 

Vollends  auffallend  ist  die  Uebereinstimmung  von  C  mit  A  B 
darin,  dass  der  Autor  von  C  gleichfalls  sich  auf  die  heiligen  Schriften 
als  auf  die  autoritative  Quelle  seiner  Darlegungen  beruft;  EBremä 
p.  116:  II  H  öy^y  roBopnTt  xeöi  o  cbhtoh  cxHMt  hb  oti>  cb6h,  ho 

OT-L  CBHIIi;BHHtIX'I.  KHHri.  HJIH  jy^HüB  OTt  C-IOBt  CaMOFO  XpHCTa. 

Mehr  Material  kann  ich  in  C  selbst  nicht  finden.  Wenn  ich  also 
auch  nicht  mit  Sicherheit  mich  darüber  aussprechen  kann,  ob  Kyrill  als 
Autor  von  C  anzusehen  sei  oder  nicht,  scheint  es  mir  doch  auf  Grund 


Die  Echtheit  der  Mönchsreden  des  Kyrill  von  Turov.  1 93 

der  zaletzt  angeführten  Uebereinstimmungen  ziemlich  wahrscheinlich, 
dass  Kyrill  den  Brief  C  an  Abt  BacH^iä  geschrieben  hat. 


HeBOCxpyeßX  in  ^peBiie  PyccKia  IIoy^eHifl  h  IIoc.iaHifl  oßt  hiio- 
MecKofi  acH3HH.  KaptKOBt  1862,  S.  12  ss.  hat  ein  Stück  edirt,  das  er 
dem  Kyrill  zuzutheilen  geneigt  ist.  Und  zwar  hat  er  es  aus  einem 
Pergamentmanuskript  des  Öudovklosters  des  XV.  Jahrh.  entnommen, 
wo  es  den  dritten  Theil  von  A  an  Stelle  des  von  Ka-iaHAOBHix  p.  114, 
115  mitgetheilten  Textes  bildet.  Im  Allgemeinen  äussert  sich  Ne- 
vostruev  zu  der  Frage,  ob  das  von  ihm  edirte  Stück  wirklich  dem  Kyrill 
zugehöre  und  einen  Bestandtheil  von  A  gebildet  habe,  in  folgender 
Weise,  p.  12  ss. :  »Bt  noyiisHiH,  dem  von  Nevostruev  edirten  Stück, 
KaKT.  H  Bi>  CjiOBaxi.  KnpHJiJia  TypoBCKaro  rocnoACTByeTt  TyBcxBO 
aBTopa  H  BOOöpaatBHie,  ne  cto.jbko  sa^cl  rojLixx  MticjieH  h  iiasH^ia- 

TBjItHOCTH,    CK0.1bK0   yBJieUBHifl  npeAMBTOMI)    H    TaK1>    CKaSaTb    n033iH, 

qacTO  ynoTpeÖJiHioTCii  oöpasti  h  cpaBHenifl  h  pasBHBaiOTca  nojratifl 
KapTHHti  ....  To  ^e  opaxopcKoe,  oökülhob  h  njoxHoe  HSJoateiiie  cb 
pa3HLiMH  «tnrypaMH  piin,  xüx-l  ace  atiiBoä  h  oöpaöoxaHHLifi  hsbik-l, 
Kaici  y  KnpHjja  TypoBCKaro  (f. 

Was  Nevostruev  hier  sagt,  ist  natürlich  rein  subjektive  Empfin- 
dung, die  nicht  Jeder  zu  theilen  braucht,  wie  ja  derartige  Beurthei- 
lungen  alter  Autoren  oft  in  ganz  entgegengesetzter  Richtung  sich  be- 
wegen. 

Der  Grundzug  resp.  das  Grundthema  von  Nevostruev's  Stück  ist: 
der  Mönch  soll  sein  Kloster  nicht  verlassen  und  in  die  Welt  zurück- 
kehren, ein  Thema,  dem  ich  in  dieser  Ausführlichkeit  und  Intensität 
der  Behandlung  keine  Parallele  aus  A  und  B  zur  Seite  stellen  kann. 
Innerhalb  dieses  Rahmens  behandelt  dann  Nevostruev's  Stuck  das  be- 
liebte Thema  mönchischer  Autoren:  den  Gegensatz  von  klösterlichem 
und  weltlichem  Leben.  Auch  hier  finde  ich,  obwohl  A  wie  B  ja  auch 
diesen  Gegenstand  berühren,  keine  wirklich  verwandten  Stellen,  im 
Gegentheil  Nevostruev's  Stück  scheint  mir  weit  stärker  als  A  und  B 
das  irdische  Leben  gänzlich  zu  verdammen  und  bewegt  sich  dabei  mit 
Vorliebe  in  einem  Gedankenkreis,  den  ich  bei  A  und  B  vergebens  ge- 
sucht habe,  der  Gegenüberstellung  und  Vergleichung  der  irdisch- 
materiellen und  der  klösterlich-himmlischen  Reichthümer. 

Ebenso  scheint  mir,  was  Nevostruev  an  direkten  Parallelen 
zwischen  seinem  Stück  und  A  und  B  anführt  und  worauf  es  doch  be- 

Archiv  für  slavische  Philologie.   XXVII.  -  JQ 


194 


L.  K.  Goetz, 


sonders  ankommt,  gar  nicht  beweiskräftig  zu  sein.    Nevostruev  führt 
folgende  Parallelen  an: 


HeBOCTpyeBT.  p.  16.  Toro 
pa^H  Bort  qejiOBiK'L  ölictb,  Aa  mm 
CLiHOBB  Ero  öyACMi). 


KajiaHÄOBHq'L  p.  124.  Cbihi. 
BoadS  ciuBÄt  CB  neöece  h  Bxnjio- 
THCH  cnacenia  pa^n  namero  h  öwcti. 
ye^iOBiKB,  Aa  ^e.iOB'SKa  oöoacHTt. 


Einen  derartigen,  allgemeinen  christlichen  Grundgedanken  kann 
man  doch  nicht  als  Parallele  ausgeben ! 


HeBOCTpysB'B  p.  16.  He  6o 
HjÄHTB  Hacx  Eon.  ßjiarHMTi  6bith, 
naTKe  BejiMTi.  HaMT>  ajiBiM-B  6bith, 
HO  nate  kto  ce6e  ^lecxH  hjih  6e- 

meCTilO    nOBHHHa  CXBOpHTB,    TO  B'B 

BOJiH  ero  ecTB. 


KajiaHAOBH^'B  p.  121.  Hh- 
Koro  6o  XpHCTOcB  HyacAeK)  kx  no- 
Kaaniio  B.ieqeTB,  ho  BemBMH  pa- 
syiWB  AaexB,  Aa  ottb  t^x^  no3HaB- 

UIHM^  ero  H  BX  HBÖeCHOe  BBGAeXB 

ItapeTBO. 

Hier  liegt  doch  gerade  das  Gegentheil  einer  Parallele  vor,  denn 
bei  KajiaHAOBHTi'B  heisst  es  im  Gegensatz  zu  HeBocxpyeBi.,  dass  Christus 
uns  mit  einer  Art  milden  Zwanges  zum  Guten  führt. 


Ka.iaHAOBHqT.  p.  103.  Cßima 

ÄK     eCXB,     XOKMO    AO    ItepKOBHBIX'B 

ABBpiä  B'B  CBoeä  bojih  6yAH,  h  o 
xoMB  He  paoiaxpaä,  KaKO  ii  iihxt. 
tä  noxBapÄexB. 


HeBocxpyeB-B  p.  19.  Oöpas'B 
6o  BBi  HB  cnacexB,  amB  a^-ibi  au- 
rBJiBCKBi  HB  yKpacHxecH.    ErAa  6o 

B'B  HHO^IBCHOB  BXOAflIUiB,  XOrAa  CBÖi 

CBin^a  B-BacHsaexe,  Mae^io  CBi- 
iu,aMX  B'B  ManacxBip'fe  XBpnamB  Ky- 
hhxb;  CB^ma  6o  Bipa  bcxb,  Macjro 
ate  AoöpBia  A^xejrH. 

Hier  handelt  es  sich  doch  nur  um  rein  äusserliche  zweimalige  An- 
wendung eines  Wortes,  von  einer  Einheitlichkeit  der  Gedanken  kann 
nicht  die  Rede  sein.  Und  auch  in  der  folgenden  von  Nevostruev 
noch  angezogenen  Parallele  liegt  doch  nur  das  vor,  dass  beide  Stellen 
von  dem  Ritus  der  Ueberreichung  einer  brennenden  Kerze  bei  der  Ein- 
kleidung des  Mönches,  dereinen  allgemein  bekannten  symbolischen 
Sinn  hatte,  ausgehen,  und  diesen  allen  Mönchen  vertrauten  Sinn,  ohne 
dass  in  A  der  Ritus  der  Kerzenüberreichung  überhaupt  erwähnt  wurde, 
zur  Deutung  verschiedener  Stellen  benutzen.  KajrailAOBHyB  p.  111: 
Chmb  oöpaaoMB  h  mhhx'b,  XBopenieaiB  saKona  n  AoßpBix'B  a^J'b,  cbob 
TiÄO  cKHniio  CBHXOMy  Äy^y  CBXBapaexB  h  JKUBy  ^BpxBy  co6i  rocno- 


Die  Echtheit  der  Mönchsreden  des  Kyrill  von  Turov.  195 

^eBH  npHHOCHTb  OT-L  yHCTa  yjia,  hko  MyKy  MOjiHTBy  roeno^eBH  npH- 
Hoca :  Bi  Mac.ia  m^cto  c.ib3ti,  bx  ea;ia  m'Jcto  BtSABixanie  ott.  cepAu;a. 

Die  von  Nevostruev  angeführten  Parallelen  kann  ich  also  durchaus 
nicht  für  beweiskräftig  halten. 

Dagegen  finde  ich  in  formeller  Hinsicht  zwischen  Nevostruev's 
Stück  und  A  und  B  einen  ständigen  Unterschied.  A  und  B  reden  die 
Zuhörer  immer  da  mit  dem  allgemeinen  Wort  «Mönch«  an,  sei  es  in  der 
Einzahl  oder  Mehrzahl.  Nevostruev's  Stück  braucht  stets  »BtBjnoöJSH- 
hIh«,  das  ich  bei  A  und  B  nicht  finde. 

Demnach,  scheint  mir,  ist  dieses  Stück  nicht  dem  opus  A  des 
Kyrill  zuzuschreiben  und  in  den  Handschriften,  wo  es  sich  als  Schluss- 
theil  von  A  findet,  nur  durch  Fehler  des  Abschreibers  hineingekommen. 

Aber  ich  kann  Nevostruev,  der  schliesslich  selbst  an  der  Richtig- 
keit seiner  Annahme  zweifelte,  nur  beistimmen,  wenn  er  sagt  p.  13: 
»KaKi)  ÖBi  TG  iiH  61.1.10:  noyyeiiie  cie,  o^ibbhaho,  pyccKoe  h  othochtch 
Kl.  ApeBHewy  Bpejieim(f. 


Zum  Accente  im  Gailtlialerdialekte. 


Vorbemerkungen. 

Der  Dialekt  von  Brdo  (Egg)  ist  der  am  meisten  nach  Westen  vor- 
geschobene Theil  des  Gailthalerdialektes.  Dieser  wird  im  südwestlichen 
Kärnten  im  Gail-  und  Kanalthale  gesprochen,  und  zwar  reicht  der 
Gailthalerdialekt  von  Podkloster  (Arnoldstein),  wo  die  Vermischung  mit 
dem  Rosenthalerdialekte  beginnt,  bis  in  die  Nähe  von  Hermagor  einer- 
seits und  ins  Kanalthal,  unterbrochen  von  deutschen  Sprachinseln,  bis 
Pontafel  anderseits,  er  umfasst  also  geographisch  das  untere  Gailthal 
bis  zur  Mündung  der  Gailitz  (Ziljica)  in  die  Gail  (Zilja),  das  Gebiet  der 
Gailitz  und  ihrer  Zuflüsse,  und  das  Thal  der  Fella  (Bela)  bis  zur 
Grenze  Italiens. 

Die  speciell  als  Gailthalerdialekt  bezeichneten  Mundarten,  die 
keineswegs  gleichartig  sind,  reichen  von  Arnoldstein  bis  gegen  Hermagor 

13* 


196  Ivan  Grafenauer, 

und  zwar  theilen  sie  sich  in  folgende  Gruppen:  die  Feistritzer  Gruppe 
am  rechten  Ufer  der  Gail,  umfassend  die  Pfarren  Gorje  (Göriach)  und 
Feistritz  (Bistrica),  die  St.  Stefauer  Gruppe  im  Terrassengebiete  am 
linken  Ufer  der  Gail  vom  Dobrac  bis  gegen  den  Pressegger  See  (Pa- 
zrisko  jezero)  umfassend  die  Pfarren  Cace  (Sack),  ät.Jurij  (St.  Georgen), 
St.  Pavel  (St.  Paul),  §t.  Stefan  (St.  Stefan)  und  Borlje  (Förolach),  die 
Vordernberger  Gruppe,  umfassend  die  Pfarre  Blace  (Vordernberg)  am 
rechten  Ufer  der  Gail  gegenüber  St.  Stefan.  Bis  dahin  umfasst  das  slo- 
venische  Gebiet  die  ganze  Breite  des  Thaies.  Westlich  davon  erhebt 
sich  mitten  im  Thale  ein  Hügelkomplex  in  der  Richtung  von  Westen 
nach  Osten,  der  das  Gailthal  in  zwei  Theile  theilt,  in  einen  südlichen, 
durch  welchen  die  Gail  ihren  Lauf  nimmt,  und  einen  nördlichen,  der 
als  eine  Fortsetzung  des  (deutschen)  Gitschthales  betrachtet  werden 
kann  und  den  der  Vellacherbach  (Bela)  durchfliesst.  Der  Hügelkomplex 
reicht  im  Westen  bis  zum  Durchbruche  der  Göstring,  welche  aus  dem 
Gitschthale  kommend,  am  Markte  Hermagor  (deutsch)  vorbeifliessend, 
dort  am  linken  Ufer  in  die  Gail  sich  ergiesst.  Dieses  Hügelgebiet  ist 
der  westlichste  Theil  des  slovenischen  Gailthalerdialektes  und  umfasst 
die  Pfarren  Melvice  (Meilweg)  und  Brdo  (Egg).  Der  im  Norden  dieses 
Hügelzuges  gelegene  Theil  des  Gailthales  (Gemeinde  Mitschig  [Micice]) 
ist  deutsch  bis  dahin,  wo  die  Bela  den  Pressegger  See  bildet,  wo  die 
südlich  vom  See  gelegene  Ortschaft  Pazrije  (Pasriach)  slovenisch,  das 
nördlich  vom  See  liegende  Dörfchen  Pressegg  (Preseka)  deutsch  ist. 
Auch  die  am  nördlichen  Rande  dieses  Hügelzuges  gelegenen  Dörfer 
Borovnica  (Brannitzen),  Ob.-  und  Unt.-Vellach  (Zgorna,  Spodnja  Bela) 
sind  deutsch,  durch  einen  Wald  (Egger  Forst,  Dobrava)  vom  sloveni- 
schen Sprachgebiete  getrennt.  Die  westlichste  slovenische  Ortschaft  ist 
Potoce,  welche  sich  um  den  an  die  Gail  anstossenden  Rügelzug  herum- 
zieht und  so  in  zwei  Theile  getheilt  ist,  von  denen  der  östliche  ganz 
slovenisch,  der  westliche,  am  Aussenrande  des  Hügelzuges  gelegene 
Theil  aber  gemischt,  doch  tiberwiegend  deutsch  ist.  Das  nur  durch  die 
Gailbrücke  davon  getrennte  Möderndorf  (Modrinja  vas)  ist  aber  schon 
ganz  deutsch.  —  Die  Pfarre  Melvice  (Spodnje  vasi),  um  800  Einw., 
umfasst  die  Dörfer  Melvice,  Dole  (Dellach),  Napolje  gespr.  Näpale 
(Nampolach),  Rut  (Raut),  Loce  gespr.  Ocane,  w  Ocah  (Latschach),  und 
Kozlöz  (Grafenau);  die  Pfarre  Egg  (Brdo),  um  1200  Einw.,  umfasst  Brdo, 
Velika  vas  (Micheldorf),  Limace  (Fritzendorf),  Potoce  Potschach;,  Go- 
cina  (Götzing),  Mele  gespr.  Melane  w  Melah  (Mellach)  und  Moste  (Brugg). 


Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte.  J97 

Die  Sprache  dieser  letzten  Gruppe  liegt  den  folgenden  Ausführungen 
zugrunde. 

Erklärung  der  Lautzeichen. 

Zur  Fixirung  des  Lautbestandes  des  Dialektes  von  Brdo  gebrauche 
ich  folgende  Zeichen:  a,  J,  c,  c,  d,  e,  ?,  %,  ßa,  e,  ä,  9,f,  g,  x>  ^5  hJ,  k,  l, 
i  (w),  w,  w,  0,  0,  ?^j,  0«,  ö,  0,  /?,  r,  5,  is,  f,  e<  (w),  v,  w,  z,  z. 

a,  w,  i  sind  die  sonst  im  Slovenischen  üblichen  Laute  (Bell-Sievers 
a^,  u\  i^).  d  ist  der  unbestimmte  Vokal  (Halbvokal,  reduzirter  Vokal). 
Die  Artikulation  ist  die  mit  niedriger  palatal-velarer  Zungenstellung. 
Die  Zunge  wird  nur  sehr  gering  aus  ihrer  Ruhelage  nach  rückwärts 
verschoben  bei  der  Lippenstellung  wie  beim  engen  e.  e  ist  das  offene  e 
(Brückes  e^^  Sievers  ce^)\  e  das  enge  e  (Bell-Sievers  e^)\  ig  ist  die  Ver- 
bindung des  i  mit  a,  wobei  auf  dem  ersten  Bestandtheil  der  Hauptnach- 
druck liegt ;  ea  ist  die  Verbindung  von  offenem  e  mit  a,  e  hat  den  grössten 
Nachdruck ;  e  ist  meist  reduzirtes  i  am  Ende  der  Worte,  in  der  Aussprache 
nähert  es  sich  kurzem  e\  ö  kurzes  offenes  e  am  Schlüsse  der  Worte,  klingt 
ähnlich  kurzem  offenen  e ;  0  ist  offenes  o  (Brückes  0^,  Sievers  0^) :  g  enges 
0  (Bell-Sievers  0^);  u^  ist  eine  Verbindung  von  wund  9,  wobei  das  m  stärker 
hervortritt;  Op  ist  die  Verbindung  von  offenem  0  mit  a,  wobei  der  erste 
Vokal  stärker  hervortritt;  6  meist  reduzirtes  ti  am  Schlüsse  der  Worte, 
ähnlich  klingend  einem  kurzen  g ;  o  kurzes  offenes  0  am  Schlüsse  der 
Worte. 

Die  Konsonanten  c,  c,  d,  f,  g,  j\  k,  m,  n,  p,  r,  s^  s,  f,  z,  z  haben 
die  im  Slovenischen  übliche  Aussprache,  l  ist  das  mittlere  /  und  ver- 
tritt das  l'  und  das  mittlere  /  vor  e  und  /;  /  wird  gesprochen  wie  ein 
nichtsilbiges  u  [ti)  und  ist  das  l  vor  Konsonanten  und  vor  a,  0,  u  dem 
Halbvokal,  und  am  Ende  der  Worte,  b  ist  kein  ausgeprägter  tönender 
Verschlusslaut,  sondern  eine  tönende  labio-labiale  Spirans,  die  sich  von 
v  nur  dadurch  unterscheidet,  dass  die  Reibung  bei  b  grösser  ist.  Im  abs. 
Auslaut  und  vor  tonlosen  Konsonanten  sind  i,  d^  g  stimmlos  (Sievers 
Z>,  d^g).  V  ist  eine  tönende  labio-labiale  Spirans,  nicht  wie  in  den  slavischen 

V       V     V 

Sprachen  und  in  der  Mehrzahl  der  slov.  Dialekte  labio-dental.  Es  wird 
gesprochen  vor  ^  und  e,  iv  wird  gesprochen  wie  unsilbiges  21  (m,  ^),  und 
erscheint  vor  Konsonanten,  vor  a,  0,  u,  dem  Halbvokal  und  am  Ende  der 
Worte.  /  ist  gutturale  Spirans  nur  im  absoluten  Auslaut,  h  ist  ein  Hauch- 
laut wie  deutsches  /i.   r,  /,  m,  n  können  auch  silbenbildend  auftreten. 


198  Ivan  Grafenauer, 

Betonung. 

Die  Betonung  im  Dialekte  von  Brdo  ist  in  den  Grundzügen  gleich 
der  musikalischen  Betonung  der  slovenischen  Dialekte  Krains,  die  der 
Isovenischen  Schriftsprache  zugrundeliegen.  Den  Hauptunterschied 
bildet  der  kurze  Accent  des  Gailthalerdialektes.  In  der  slovenischen 
Schriftsprache  ist  bekanntlich  der  kurze  steigende  Accent  ganz  ge- 
schwunden, der  kurze  fallende  aber  nur  in  einsilbigen  Worten  und  in 
Worten  mit  Ultimabetonung  erhalten  (vgl.  M.  Valjavec :  Glavne  tocke  o 
naglasu  knizevne  slovenstine  im  Rad  jugosl.  akad.  Band  132,  S.  118). 
Der  Gailthalerdialekt  hat  aber  beide.  Wo  im  Gailthalerdialekte  der 
kurze  fallende  Accent  in  einsilbigen  Worten  und  in  der  letzten  Silbe 
vorkommt,  deckt  er  sich  mit  der  Schriftsprache,  daher  ich  diesen  Accent 
nur  gelegentlich  erwähnen  werde.  Der  Gegenstand  der  vorliegenden 
Arbeit  ist  daher  die  Darlegung  des  Hauptunterscheidungsmerkmales  der 
Betonung  des  Gailthalerdialektes  um  Brdo  gegenüber  der  slovenischen 
Schriftsprache,  des  kurzen  Accentes  in  nichtletzter  Silbe. 
Dieser  scheidet  sich  in  den  älteren  kurzen  Accent,  der  aber  nur  kurz 
steigend  ist  (cak.  vodä  —  stok.  vdda  —  schriftslov.  vöda  —  gt.  wögäa] 
und  den  jüngeren,  der  sowohl  steigend  als  auch  fallend  ist  und  eine 
neue  Weiterbildung  im  Gailthalerdialekte  bedeutet. 

Der  ältere  kurze  Accent. 

Dieser  entspricht  dem  kurzen  steigenden  Accente  in  den  serbo- 
kroatischen Mundarten  mit  jüngerer  Betonung  (ich  bezeichne  sie  der 
Kürze  halber  mit  st.  =  stokavisch),  er  kommt  also  meist  in  Worten  mit 
ursprünglicher  Endbetonung  vor,  welche  im  Cakavischen  (c.)  und  Rus- 
sischen (r.)  noch  erhalten  ist.  In  den  slovenischen  Dialekten  herrscht 
darin  keine  Einheitlichkeit.  Es  gibt  Dialekte,  welche  diese  Endbetonung 
in  zweisilbigen  Worten  ganz  konsequent  noch  erhalten  haben,  so  der 
Rosenthalerdialekt  in  Kärnten,  während  in  dreisilbigen  Worten  dort  die 
drittletzte  Silbe  den  Ton  trägt,  andere  Dialekte  zeigen  wenigstens  theil- 
weise  die  ursprüngliche  Betonung  wie  der  Dialekt  des  Resiathales  und 
einige  Theile  des  Oberkrainerdialektes,  so  im  Veldeser  Becken,  wo  ich 
in  Zirovnica  voda  aufgezeichnet  habe  (vgl.  damit  Preseren's  Krst  pri 
Savici  in  der  15.  Stanze:  vodä  razgräja).  In  der  grössten  Mehrzahl 
der  musikalisch  accentuirenden  slovenischen  Dialekte  aber  haben  wir 
den  langen  steigenden  Accent  in  der  vorhergehenden  Silbe  bei  o  und  e, 
die  Endbetonung  bei  Halbvokalen  in  der  vorletzten  Silbe. 


I 


Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte.  199 

Der  kurze   steigende   Accent  bei  e«  und  o«    (aksl.  f,  o)   im 

Thema. 

Für  das  Schriftslovenische  formulirte  M.Valjavec  bei  den  Stämmen 
mit  e  und  o  die  Regel  folgendermassen :  Hatte  das  Wort  den  Accent 
ursprünglich  auf  dem  Halbvokale  am  Ende  des  Wortes  in  der  letzten 
Silbe  und  steht  in  der  vorhergehenden  Silbe  der  Vokal  e  oder  o,  so 
wird  der  Accent  nach  dem  Ausfalle  der  letzten  Silbe  unverändert  auf 
die  vorhergehende  jetzt  die  letzte  event.  einzige  Silbe  zurückgezogen, 
falls  das  Wort  früher  nur  zwei  Silben  hatte,  und  bleibt  auf  dem 
e  oder  o  auch  dann,  wenn  das  Wort  wieder  eine  Endung 
bekommt  und  zwar  als  ',  besser  gesagt:  wenn  '  als  '  von 
der  letzten  Silbe  auf  die  vorletzte  zurückgezogen  wird 
(Rad  B.  132,  S.  167).  Dasselbe  geschieht  auch  bei  mehrsilbigen  Wörtern 
mit  ursprünglicher  Endbetonung,  wenn  die  letzte  Silbe  nicht  wegfällt 
(Rad  B.  132,  S.  176).  In  allen  jenen  Fällen  also,  wo  hier  das  Stoka- 
vische  kurzen  steigenden  Accent  hat,  ist  im  Schriftslovenischen  das 
ursprünglich  kurze  e  und  o  gedehnt  und  offen.  Doch  ist  diese  Dehnung 
nicht  überall  und  in  allen  Dialektgruppen  durchgeführt.  Dr.  Sket  in 
seiner  Slovenska  slovnica  betont  z.  B.  vöda^  gora^  was  wir  aber  wohl 
als  exspiratorische  Kürze  auffassen  müssen,  da  sich  Dr.  Sket  hier  wohl 
nach  den  exspiratorischen  Dialekten  Steiermarks  gerichtet  hat. 

Im  Gailthalerdialekte  von  Brdo  haben  wir  in  diesen  Fällen  den 
älteren  kurz  steigenden  Accent.    Beispiele  sind : 

Substantiva.    Einsilbige  Maskulinstämme: 

Sgl.-Nom.-Akk.  blejc,  Gen.  bUaka^  Dat.  hlejcö,  Lok.  hlehö^  Instr. 
hleajkan.  Plur.  Nom.  hlejie^  Gen.  hle„köw^  Dat.  hUnkan^  Akk.  hUgCe^ 
Lok.  hUaCdx^  Instr.  hle(,Jcame.  Dual  ist  nur  Nom.  Akk.  hlejca  erhalten. 
Schriftslov.  (sl.)  hlek^),  bUka\  c.  biek,  blekä;  im  Rosenthalerdialekt 
(rst.)  blaJ^,  blaJ^a\  —  boab,  böaba  (auch  bdabo)\  sl.  bob^  böba;  st.  bdba\ 
c.  boba\  r.  öoöä;  —  boaX-,  ^^J^a;  sl.  boh^  böha\  —  cveak,  cveaka\  sl. 
cvek^  cveka\  rst.  cva^a\  Q.cvek,  cveka\  —  ceap,  ceapa\  sl.cejt?,  cepa.  st. 
cep^  cepa\  c.  cepa\  —  co«/,  cdafa\  sl.  co/",  cöfa  aus  dem  Deutschen 
»Zopf«.  —  droak,  dreaka\  sl.  drek^  dreka\  rst.  dra^ä]  c.  drekä;  — 
goazd,   gdazda;   sl.  gozd,  gözda;  —  groab,  grbaba\   sl.  gröb^  gröba; 


1)  Um  Zweideutigkeiten  auszuweichen,  gebrauche  ich  auch  im  Schrift- 
slovenischen für  den  kurzen  fallenden  Accent  das  Zeichen  «,  nicht  Pleters- 
nik's  ».  Sonst  lasse  ich  alle  diakritischen  Zeichen  Pletersnik's  unverändert. 


200  I^an  Grafenauer, 

li.  grob,  grdba\  c.  grobä]  r.  hat  hier  abweichend  rpö6a;  —  koap, 
kbapa,  das  i  des  Mop  ist  hier  ganz  mit  dem  ersten  Theile  des  Oa  ver- 
schmolzen; sl.  klop,  klöpa\  —  knoafi  kndafa\  al.  knof,  knöfa\  — 
koaS^  kdaSa\  sl.  kos,  kösa\  st.  kos,  kdsa\  c.  kosä;  r.  Koma;  —  krd„f, 
kroafa',  sl.  krof,  kröfa;  —  plßaXi  P^^Jia;  sl.  pleh,  pleha;  c.  pleh, 
plehcl;  —  poad,  pdada\  %\.  p>od,  pöda;  l.  pod,  podä;  Vuk  aber  hat 
pod,  poda;  Mazuranic  jedoch  j9oc?a;  —  poaSt,  pdaSta;  sl.  posf,  pösta: 
st.  nach  Mazuranic  pösta,  nach  Vuk  posta\  c.  posta\  —  roaC,  rbgfia; 
sl.  roh,  Val.  röca,  PI.  roca;  daneben  kennt  Pletersnik  auch  rohe,  röcca. 
aus  letzterem  wird  wohl  auch  roaC  zu  erklären  sein,  sonst  wäre  uns  das 
c  ein  Räthsel;  —  snoaP,  snöapa;  sl.  snop,  stiöpa;  st.  snop^  sndpa;  c. 
snopa,  r.  ciionä;  —  speaX,  speaha;  sl.  spe/i,  speha;  c.  spe/i,  speha;  — 
toaf,  togfu,  Batzen,  Fladen;  —  zoji,  zd„ka,  Sack;  sl.  zök,  zöka]  c. 
Zok,  zokci.   Vgl.  Rad  B.  132,  S.  167  ff. 

Abweichend  ist  dügr,  dü^ra',  sl.  dvor,  dvöra;  c.  dvor,  dvora;  r. 
;iBopä;  st.  hat  aber  dvor,  dvöra,  wozu  die  Form  des  Gailthalerdialektes 
^her  stimmt.  Andere  recht  interessante  Abweichungen  sind  auch:  koi, 
ko^a;  sl.  koi,köla\  —  mol  mö^ia;  sl.  mol,  mala;  —  stoi,  stö^a;  sl. 
stoi,  stöla,  st.  stöla,  c.  stola,  r.  cxojia;  —  wol,  toö^-^a;  sl.  voi,  völa; 
st,  völa,  c.  vola,  r.  BOjia.  Die  Klangfarbe  des  i  =  w  (w)  hat  bewirkt, 
dass  das  vorhergehende  Oa  nicht  mehr  offen  als  o«  ausgesprochen  wird, 
sondern  eng  geworden  ist  [o],  was  seinerseits  wieder  bewirkt  hat,  dass 
der  Accent,  der  auf  diesem  Vokale  ruhte,  und  der  ursprünglich  kurz 
war,  gedehnt  wurde.  Die  Kürze  des  Accentes  ist  also  in  allen  diesen 
Fällen  an  den  bestimmten  Klang  des  offenen  e„,  o«  gebunden  und  wird 
verändert,  d.h.  gedehnt,  sobald  dieser  bestimmte  Klang  des  e„,  Oa  ver- 
ändert wird.  Dies  wird  uns  noch  klarer,  wenn  wir  diejenigen  Formen  dieser 
Ausnahmen  betrachten,  bei  denen  wir  nichts,  sondern /haben.  Dort  haben 
wir  nämlich  den  älteren  kurzen  steigenden  Accent.  Nom.  Fl.  lautet 
nämlich  nidje,  kdje,  stöje,  xcöjie,  Akk.  PL  mdj.^,  kd„U,  stdjs,  wöjb. 
Eigenthümlich  ist  auch  die  Behandlung  von  koiif:  kiiojn,  ktiojnja. 

Mehrsilbige  Maskulina  mit  derselben  Betonung  auf  der  Endsilbe 
sind  nicht  zahlreich:  ropo„t,  rdpd„ta;  s\.  ropdf,  ropöta;  —  trdak, 
trbaka,  Instr.  trüiCe',  sl.  otrok,  otröka;  c.  otrok,  otrokä;  —  z9wo  f, 
zdwd(,ta',  sl,  zivot^  zivöta;  c.  zivota,  r.  sKHBOTa. 

Auch  im  Nominativ-Akkusativ  Singular  haben  kurzen  steigenden 
Accent  jene  Maskulina  mit  dem  Vokal  e  oder  o  in  der  Stammsilbe,  wel- 
che in  der  Ableitungssilbe  einen  ursprünglich  betonten  Halbvokal  be- 


Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte.  201 

sitzen,  von  dem  der  Accent  auf  das  vorhergehende  e  oder  o  zurückge- 
zogen wurde:  cef,pdc,  cegpca;  si.  cepac,  st.  cij'epac,  c.  cepoic\  im 
Thema  ist  hier  zwar  t,  doch  ist  es  schon  vor  der  Zurückziehung  des 
Accentes  so  gekürzt  worden,  dass  es  dann  wie  einfaches  e  behandelt 
werden  konnte  ;  ccasn^,  ceaSvka,  durch  Analogie  gebildet  aus  sl.  cesan ; 
st.  cesan,  c.  cesan ;  —  hddögbdc^  hadö„hca ;  sl.  hudöbac^  hudöbca ;  — 
kd„tdc^  köafca,  ein  Verschlag  im  Stalle  meist  für  junge  Hausthiere  und 
die  Mutterthiere,  besonders  für  Pferde  und  Schweine;  sl.  k6t9c\  st. 
kötac\  —  köutö^  kdatla\  ^X.kötal]  st.  kötao^  h.kotäl]  —  nöaVC,  nOaTca; 
sl.  nörsj]  —  ?id(,sc,  nO(,hca\  sl.  n<)zic\  st.  ndzic,  c.  nozic]  das  i  wurde 
hier  wie  ein  Halbvokal  behandelt;  —  ^^d„pi,  "ö„y??a;  sl.  ogenj\  st. 
bgan^  c.  ogan\  r.  oront;  —  "oaSö,  ^ögsia]  sl.  ösai]  st.  osao,  c.  osäl; 
r.  ocejx;  —  Meaprc,  Iie„prca,  Flurname;  sl.  rebrdc;  — pegwc,  pcawca, 
sl.  pevac]  st.  pijevac\  r.  niBeui:,;  davon  gilt  das  oben  bei  ceup9c  Ge- 
sagte; —  sdaköj  seakia\  sl.  sokoi,  soköla\  st.  soko^  sokdla\  r.  coKOJit, 
eoKOJia ;  der  Genetiv  und  alle  übrigen  Formen  sind  analog  nach  dem 
Nominativ  gebildet;  —  stdde„7ic^  stddeanca\  die  Aussprache  nähert 
sich  öfters  geradezu  stdd-änc^  st9d^änc\  sl.  studendc^  st.  studenac 
('  statt  '  wegen  studenca^  Rad  132,  S.  178);  c.  studenac]  —  Uapac, 
tcapca  [tcap^cdw  sl.  tepde\  —  tbark^  tö„rka\  tördk^  c.  torak\  — 
zgöanc^  zgdanca\  s\.zvön9c]  G.zvojiäc;  —  zre„h6^  zre(,hio\  s\.  zrebalj] 
zreblja  ^].  Als  hierhergehörig  können  wir  auch  he,jzdöwc^  bdazdöwca 
betrachten,  wenngleich  in  den  übrigen  slav.  Dialekten  diesem  e  nicht  c, 
sondern  Halbvokal  entspricht;  sl.  hazdg.  Pletersnik  hat  das  Wort  in 
seinem  slovenisch-deutschen  Wörterbuche  nach  Jarnik.  Die  Betonung, 
die  er  angibt,  ist  aber  nicht  richtig,  da  man  im  Rosenthale,  woher  die 
von  Pletersnik  angeführte  Form  [bdzovdc)  wohl  stammt,  nicht  aus  dem 
Gailthale,  wie  dort  angegeben  ist,  bdzowc  spricht. 

Der  Accent  in  den  Worten  roddowc^  wddoioca\  '-ows,  ^pwsa;  sl. 
vd6v9c,  st.  udbvac,  r.  B^OBeux;  sl.  övds,  st.  ovas.  r.  OBecL  ist  kurz 
wegen  der  folgenden  Konsonantengruppe,  da  er  sonst  wegen  o  statt  Oa 
lang  sein  müsste. 

Nur  im  Nominativ- Akkusativ  haben  kurzen  steigenden  Accent  jene 
männlichen  Substautiva  mit  Endbetonung,  bei  denen  der  nunmehr  auf 
das  0  oder  e  zurückgezogene  Accent  ursprünglich  nicht  auf  dem  Halb- 
vokale am  Ende  des  Wortes  ruhte,  sondern  auf  der  letzten  dem  Halb- 


1)  Vgl.  dazu  Rad  132,  S.  178  flF. 


202  Ivan  Grafenauer, 

vokale  vorangehenden  Silbe  im  Gegensatze  zur  vorhergehenden  Gruppe, 
wo  ursprünglich  der  Halbvokal  am  Schlüsse  des  Wortes  betont  war.  In 
den  übrigen  Kasus  bleibt  der  Accent  auf  derselben  Silbe,  wo  er  ursprüng- 
lich war  als  lang  steigender  Accent,  da  der  Accent  im  Slovenischen  nicht, 
wie  im  Stokavischen,  auch  von  nichtletzter  Silbe  zurückgezogen  wird. 

chaVak^  C9veka\  sl,  clövek^  cloveka\  st.  covjek,  covjeka;  c. 
clovek^  cloveka]  r.  iie.iOBforB,  ^ejoB^Ka;  —  jkacman^  J9cmena\  sL 
j'ecmen^  Jecmena\  l,t.  j'ecam,  Jäcmena;  — jealan^jdl'ena\  s\.jele?i, 
jeVena\  \i.  jelen^  jele7ia\  r.  ojieHi>,  ojtena; — JeaZdk^Jdzika\  sl.ye- 
zik^  jezika\  \i.  jezik^  jezika\  c.  zafik^  zaflka\  —  koaZdXi  kazüha: 
sl.  közuh^  kozüha\  st.  kozuh^  kozuha;  r.  KOyKyxt,  Koatyxa;  — 
meadvad,  m9dveda\  %[.medved^  medveda]  st.  med'cjed,  medvjeda: 
c.  medved,  medveda\  r.  MeABi/it,  Me^BiAa;  —  '^Oagrad^  wdgräda: 
sl.  ograd,  ogräda\  —  ^OaVay^^  wdreha;  sl.  örqh,  oreha\  st.  orah^ 
oraha\  c.  oreh^  or%ha^  r.  optxi.,  optxa;  — pealan^  pdlina\  sl.  jt)e- 
Zm,  pelina\  st.  pelm,  pelina;  c.  peltn,  pefifia;  r.  nejLiH'B;  — pa- 
tealn,  pdtdlitia  ;  sl.petelm,  peteltJia;  —  p  dakr  özv ,  p  &  kr  6^^'  a;  sl.pö- 
krov,  pokrov,  pokröva;  lt.  pdkrov,  pdkrova',  r.  noKpoBi.,  nOKpoBa;  — 
pdatak,  patöka',  s\.  pötok, potok^  potgka',  st.  pdtok,  pdtoka',  c.  po- 
tok,  pofdka;  r.  hotok'B,  noxoKa.  —  Auch  kd^hok,  k9hüka\  sl.  klo- 
hük  klöhuk^  klohiika.,  st.  klöbük^  klohüka;  c.  klohük,  klobükä,  r.  kjo- 
6yK^,  KüOÖyKa  ist  hier  anzuführen,  wenn  es  auch  streng  genommen 
nicht  zu  den  obigen  Beispielen  gehört  wegen  der  ursprünglichen  Suffix- 
betonung; seakö  und  wo^sc  sind  in  die  vorhergehende  Gruppe  durch 
Analogie  übergegangen  und  sind  oben  angeführt  worden.  Vgl.  dazu 
Rad  B.  132,  S.  141  und  179. 

Jene  einsilbigen  Substantive  der  o/o-  und  e'-Deklination,  welche  im 
Thema  ein  durch  ursprünglichen  fallenden  Accent  gedehntes  e  oder  o 
haben,  zeigen  im  Lokal  Singular  theilweise  kurzen  steigenden  Accent 
auf  der  Stammsilbe :  drügb,  lo  drdabö;  sl.  drgb^  v  di'öbu;  —  nü^s. 
w  ndaSd\  sl.  ngs,  nösu  u.  s.  w.  Aber  dieser  Gebrauch  ist  schon  stark 
geschwunden  vor  der  in  diesen  Fällen  üblicheren  Betonung  wie 
V  drü^bö^  719  mü^stö  u.  s.  w.  Konsequent  kurzen  steigenden  Accent 
haben  im  Lok.  Sgl.  nur:  ww^c,  sl.  wpc;  pd  ndgce',  s\.  po  nöci\  —  sü 
(aus  su^l\  sl.  sql\  w  sdje,  sl.  v  söli\  —  nd  skr e Je  von  sh%l  Ofen- 
decke. Pletersnik  hat  nach  Zalokar  für  Krain  in  derselben  Bedeutung 
skril  (nicht  skrei)  skrili:  na  skrili  (=  na  pedi)  lezäti. 

Zahlreich  sind  diese  Beispiele  bei  den  femininen  a-Stämmen .  wo 


Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte. 


203 


diese  Art  der  Betonung  durch  Analogie  auch  in  der  Deklination  stark 
um  sich  gegriffen  hat.  Ich  führe  daher  vorher  ein  vergleichendes  De- 
klinationsschema an  :  gd„ra^^\.göray  %\.gdrci,  c.gorä,  r.  ropu,  rst.  Ziora: 


Singular. 


Gailtd.  (Brdo).    Schriftsl. 


Nom. 

Gen. 

Dat. 

Akk. 

Lok. 

Instr. 


Nom. 

Gen. 

Dat. 

Akk. 

Lok. 

Instr. 


goara 
gdaVS 
göave 

gÖaTO 

go„re 

[neb.  gd„re) 
gdrö 


gdlrS 

gu,r 

gbgi'an 

göaTi 

goarax 

gdrame 


gora 
göre 
göri 
goro 
göri 

gorö 

Plural. 
göre 
gor 

goräm  [göram] 
göre 

gor  ah  [gor  ah) 
gorämi 

Dual. 


Rosentd. 

Russisc 

(n.Scheinigg  in  Kres  11,428). 

horä  [hora) 

ropa 

höre  [höre] 

ropLi 

hör  hora) 

rop^ 

horö  [horo) 

ropy 

hör''  [ho7'9) 

ropi 

horö  [horö) 


höre  (höre) 
hiier  (küjr) 
hör  am  [hör  am) 
höre  (höre) 
horäh  [horah] 
horärn  [horämd) 


ropoK) 


ropw 

rop-B 

ropaM'L 

ropti 

ropäxi. 

ropaMH. 


Nom. -Akk.:  go„re^  sl,  gorl:.  Die  übrigen  Kasus  des  Dual  sind 
durch  den  Plural  ersetzt.  Es  ist  also  die  Behauptung  Oblak's  in  seiner 
Abhandlung  »Zur  Geschichte  der  nominalen  Deklination  im  Sloveni- 
schen«(SA.S.204),  dass  die  Kärntnerdialekte  den  Unterschied  zwischen 
Dual  und  Plural  festhalten,  nur  theilweise  richtig.  Auch  die  von  Oblak 
nach  Scheinigg  citirte  Form  Dat.  Instr.  Du.  Upama  im  Rosenthale  ist 
sehr  zweifelhaft,  da  Scheinigg  diese  Form  (Kres  II,  S.  428)  nur  bei  lipa 
anführt,  nicht  aber  auch  bei  horä^  vodd^  und  da  er  in  der  Anm.  1  auf 
derselben  Seite  sagt,  der  Dual  gehe  in  der  Volkssprache  verloren,  da 
selbst  mit  dba^  oba  (ausser  im  Nom. -Akk.)  Pluralformen  gebraucht 
werden.  Die  Formen  Kpama^  hväpcama^  miestama,  misama  (1.  c.) 
beruhen  wohl  mehr  auf  Spekulation  als  auf  Wirklichkeit. 

Was  den  kurzen  steigenden  Accent  bei  diesen  Formen  im  Gail- 
thalerdialekte (um  Brdo)  anbelangt,  so  entsprechen  die  Formen  des  Nom. 
Dat.  Lok.  Sing,  ganz  den  entsprechenden  Formen  der  Dialekte,  welche 


204  Ivan  Grafenauer, 

der  sloveniscben  Schriftsprache  zugrunde  liegen,  ebenso  sind  auch  der 
Dativ  und  Lokal  Plur.  (Dual)  lautlich  aus  den  entsprechenden  Formen 
der  Schriftsprache  zu  erklären,  wenn  man  auch  beinahe  mit  Gewissheit 
annehmen  kann,  dass  bei  diesen  Formen,  welche  in  der  Schriftsprache 
die  Endbetonung  noch  bewahrt  haben,  der  Accent  im  Gailthalerdiaiekte 
später  zurückgezogen  wurde  als  bei  den  ersteren.  Zu  dieser  Annahme 
bewegten  uns  die  Formen  des  Substantivums  röka^  sl.  röka^  r.  pyKa, 
wo  sich  die  Formen  N.  röka^  G.  röce^  D.  röc^^  L.  röc^  u.  s.  w.  und 
rhkax^  rdkan  gegenüberstehen.  Die  Betonung  der  Formen  des  Gen. 
und  Akk.  Sgl.,  Nom.  Akk.  des  Dual  und  Plural  ist  durch  Analogie 
nach  den  übrigen  Formen  entstanden,  ebenso  die  Endung  Nom.  Akk. 
Dual  golre  statt  ghlri^  (sl.  göre)  durch  Analogie  nach  der  Mehrzahl  der 
a-Stämme,  um  die  Dualform  vom  Plural  zu  diflferenziren. 

Beispiele  sind:  kdubg^pla  kdnöf^ple\  sl.  konoplja^  r.  kohohjih,  aber 
st.  kbnoplja\  —  kd(,pa  kdap^\  sl.  köpa,  resiad.  Äojoa,  c.  kopa,  r.  Konä  : 

—  kdaSa,  kdaSd\  sl.  kösa^  rostd.  ^"osa,  st.  kösa^  c.  kosa^  r.  Koea;  — 
köaZa,  köaZ^^  slov.  köza^  rtd.  ^oza\  st.  köza,  c.  kozä^  r.  K03a;  —  mö„- 
sna  mdaSn^,  sl.  mösfij'a,  resiad.  mösna,  c.  mohijä,  r.  MomHa;  — 
meatla  meatU',  sl.  metla^   st.  metla\  rtd.  matia,    c.  metla,    r.  Msxjia : 

—  nd„sna  nöasne\  sl.  nöbija]  —  röaSa  rdaSe\  sl.  rosa]  st. 
rosa^  rtd.  rosa^  6.  rosa,  r.  pocä;  —  scastra  seaSträ;  sl.  sestra,  st. 
sestra,  rtd.  saslrä;  c.  sesträ,  r.  cecxpa;  —  wdada,  wdadö',  sl.  vöda, 
st.  vöda,  rtd.  voda,  c.  vodä,  r.  BO^iä;  —  icöazna  wd„hi^\  sl.  vöztij'a. 
st.  vdznja\  —  zdainla,  ze„mlp.\  sl.  zemlja\  st.  zemlja,  rtd.  zamlä]  c. 
zemlja\  r.  sbMjIä;  —  zeana,  zeanS;  sl.  zeV^a,  st.  ze?ia,  rtd.  zawa,  c. 
ze^^a,  r.  atenä.  —  Hierher  gehört  auch  '•^daca,  sl.  dce,  r.  OTei^t;  dieses 
Wort,  das  ich  nur  im  Singular  gehört  habe,  deklinirt  folgendermassen : 
Nom.  "o^m,  Gen,  Dat.  Akk.  Lok.  '^dacö,  Instr.  ^dacan.  Küzmics  hat 
auch  den  Genetiv  oce  wie  vode  u.  s.w.  Die  Form  oca  ist  nach  Oblak's 
Annahme  die  ältere  und  kommt  [otfcha]  in  der  Klagenfurter  Hand- 
schrift und  deu  Schriftstellern  des  XVL  und  XVU.  Jahrh.  allein  vor 
(aber  kein  oce).  Der  Akk.  oco  [othfcho),  welcher  in  der  K.H.  sich 
findet,  ist  regelmässig  nach  der  a-Deklination  gebildet  (Oblak,  Zur  Ge- 
schichte S.  240  ff.).  Die  Form  y<öac6  aber  ist  nicht  auf  dieselbe  Stufe 
zu  stellen  mit  dem  Akk.  Sgl.  der  a-Stämme,  da  das  ö  des  Suffixes  eng 
ist,  wir  haben  hier  wohl  mit  einer  Analogiebildung  nach  der  Deklination 
der  2/-Stämme  zu  thun,  da  das  6  am  Schlüsse  der  Worte  im  Gailthaler- 
diaiekte die  Entsprechung  für  u  ist. 


Zum  Accente  im  Gailtbalerdialekte.  205 

So  werden  betont  feiner  auch  alle  Worte  auf  -b,iba  (sl.  -öha)  und 
-data  (sl.  -öta)^  z.  B.:  grdöaba,  grddah&\  sl.  grdöba^  c.  grdoha\  — 
hdddaba^  hdddahS  in  der  Bedeutung  Teufel  wie  hdddahdc\  sl.  hu- 
döba,  st.  hudoba,  c.  hudobä]  —  u.  s.  w.  Ipöata  Ipdati]  sl.  lepöta^ 
st.  lepota,  c.  lepotä,  r.  .lenoxa;  —  slpOata,  slpdate\  sl.  slepöta,  st. 
slepöta,  r.  citnoxa,  u.  s.  w.  Einige  mit  dem  Suffix  -ote  gebildete  Sub- 
stantiva  sind  aber  wohl  durch  Analogie  nach  dem  ehemaligen  Akkusativ 
(nach  M.  Valjavec,  vgl.  Rad  132,  S.  177)  in  der  slovenischen  Schrift- 
sprache lang  fallend  betont:  dobrota^  gorkgta^  sirota.  Im  Gailtbaler- 
dialekte um  Brdo  ist  ddbriata,  idpü^ta  (sl.  toplota)  ebenso  betont,  aber 
wir  haben  nur  SQrd^ta  aber  Akk.  sarü^to. 

Der  kurze,  steigende  Accent  ist  nicht  vorhanden  vor  j\  l  und  lo. 
Der  offene  Vokal  o«  wird  vor  diesen  Konsonanten  geengt  zu  p  und  ge- 
dehnt; j  und  w  [l]  haben  nämlich  im  Dialekte  von  Brdo  die  Eigen- 
thümlichkeit,  dass  sie  in  nominalen  Bildungen  intervokalisch  zwischen 
gewissen  Vokalen,  wil)  zwischen  e-ö,  e-a,  a-a^  a-o,  g-a,  o-o\  — /zwi- 
schen e-a,  e-o,  a-e,  a-^,  p-^,  o-e,  reducirt  und  dann  gleich  behandelt 
werden,  z.  B. :  kräa  [kräva],  vidaa  [videla],  wo  das  zweite  a  in  etwas 
höherer  Tonlage  gesprochen  wird  als  das  erste ;  ze-a,  ze-o  wird  so  ge- 
sprochen wie  ddze-a,  ddze^Ö.  Auf  dieser  Eigenthümlichkeit,  glaube  ich, 
beruht  auch  die  Behandlung  des  Accentes  in  den  hierhergehörigen 
Fällen. 

daze^a;  sl.  dezela\  —  me-a^  sl.  meja^  st.  meda^  c.  mej'a^  r. 
Mea:a;  —  nog^i  sl.  nöga^  st.  nöga^  c.  noga^  r.  iiorä;  —  smg^a^  sl. 
smöla^  st.  smdla,  l.smola,  r.  CMOjä;  —  so"«,  sl.  söva,  c.  sovä,  r.  eoBa, 
st.  aber  sova]  —  ^-gwca,  sl.  övca,  st.  övca,  c.  övcä,  r.  OBi^ä. 

Das  unmittelbare  Aneinanderrücken  der  beiden  Vokale  ist  wohl 
der  Hauptgi'und  gewesen,  dass  der  diphthongische  Vokal,  der  der 
Träger  des  kurzen  steigenden  Accentes  ist,  zum  einfachen  Vokal  wurde, 
und  dass  der  Vokal,  weil  er  so  in  offener  Silbe  steht,  gedehnt  wurde. 
Bei  Oa,  das  zu  g  geworden  ist,  ist  dies  allerdings  nicht  der  einzige 
Grund  der  Dehnung,  es  ist  hier  auch  die  Verengung  des  Vokales  von 
Bedeutung,  bei  e,  das  nicht  verengt  worden  ist,  ist  dies  ganz  sicher  der 
Hauptgrund:  ddzeaia-ddzeaa-ddze^a.  —  Bei  ngga,  nggo  ist  uns  dieser 
Zusammenhang  nicht  so  klar,  da  hier  nicht/ oder  ^ü,  sondern^  vor- 
liegt. Es  liegt  hier  Analogie  nach  den  übrigen  Kasus  vor:  Sgl.  N.  ngga^ 
Gen.  wd"^  aus  noj^,  Dat.  wö"e  aus  noji^  Lok.  wd"e  aus  tioji  (neb.  nöz^)^ 
Du.  Nom.  Akk.  nö^i  aus  noJi\    Plur.  Nom.  Akk.  wd"d  aus  7ioje.     Bei 


206  Ivan  Grafenauer, 

'^gwca  ist  das  o  eng  wegen  des  nachfolgenden  w,  der  Accent  aber  ist 
kurz  wegen  der  folgenden  Konsonantengruppe. 

Wo  aber  das  /,  das  dem  e,  o  nachfolgt,  als  l  wieder  zutage  tritt, 
haben  wir  kurzen  steigenden  Accent:  smq^-a^  Gen.  Sgl.  smoje,  Dat. 
Lok.  smoje]  —  dBze^a,  Gen.  Sgl.  dazeje,  Dat.  ddzeje,  Lok.  ns  dazeje. 
Nom.  Akk.  Du.  ddzeJe',  Nom.  Akk.  Plur.  ddzeJe.  So  auch  in  zwei 
Formen  von  ngga:  Dat.  PI.  nbagan^  Lok.  ndaga%. 

Die  neutralen  o-Stämme  mit  ursprünglicher  Endbetonung  und 
dem  Stammvokal  o  oder  e  gehören  mit  dem  ganzen  Singular  zu  dieser 
Gruppe:  Nom.  Akk.  ^öokno^  Gen.  ^^ojcna^  Dat.  Lok.  y^daknö^  Instr. 
y^öaknan^  sl.  öi^wo,  ökna^  stokno,  rst.  o^'?id,  r.  okho;  —  biadro,  bead7-a, 
sl.  bedrg,  bedra;  st.  bedro,  r.  6eAp6;  —  ^^Caklo^  ^akla\  &\.Jeklo,jekla\ 
rst./fl^^o;  —  pUace^  pUaca]  s).  plece,  pleca;  %t.  plece;  rst.  place: 
c.  plece,  r.  njTeqo;  —  pscano,  pseafia]  s\.  psetig^  psena]  —  regbro, 
reabra\  sl.  rebrg^  rebra]  c.  rebro^  r.  peöpo;  st.  aber  rebro\  —  r^sdato, 
r^seja;  sl.  resetg,  reseta\  Itreseto,  r.  pemexo;  —  ^rmea?icö,^rmeanca; 
Pletersnik  hat  hier  unrichtige  Betonung  rumhice;  —  scadiö,  sdadia: 
sl.  sedig,  sedla;  st.  sedlo;  rst.  sadio\  c.  sedlo,  r.  ciA-i6.  —  Bei  ce^o, 
sl.  ce7o,  st.  celo,  rst.  ca/o,  c.  celo,  r.  ^lejio  haben  wir  die  schon  oben 
bei  smo^a  ddze-a  betrachtete  Erscheinung,  der  Lokal  Sgl.  aber  hat 
kurzen  steigenden  Accent  nd  cej^,  r.  iia  yejii.  Von  den  konsonanti- 
schen Stämmen  ist  nur  der  Nom.  Akk.  Sgl.  tCfiU  zu  erwähnen ;  sl.  tele. 
st.  tele\  rst.  tale:  r.  tbm. 

Adjektiva.  Ursprünglich  auf  dem  Suffix  betonte  Adjektiva, 
welche  in  der  slovenischen  Schriftsprache  den  Accent  auf  ein  vorher- 
gehendes e  oder  o  zurückgezogen  und  dieses  gedehnt  haben,  falls  es 
nicht  in  der  einzigen  oder  vorletzten  Silbe  des  Wortes  steht,  in  welchem 
Falle  kurzer  fallender  Accent  in  der  slovenischen  Schriftsprache,  wie 
auch  im  Gailthalerdialekte  eintritt,  haben  im  Gailthalerdialekte  kurzen 
steigenden  Accent :  brbd„k,  brboaka,  brbögko ;  sl.  globok,  globoka. 
glohökg\  st.  dübok,  duboka,  c.  dubok,  duboka]  der  kurze  steigende 
Accent  ist  durch  Analogie  in  allen  Formen  durchgedrungen  ausser  Nom. 
Akk.  Sgl.  mask.,  wo  Endbetonung  herrscht:  sdroak,  hröaka,  hröako: 
sl.  sirok,  siröka,  sirökg\  st.  sirok,  siroka;  c.  strok,  sirokä;  —  vasdak, 
vasoaka,  vdsoako;  sl.  vüok,  vtsöka,  visökg\  st.  vlsok,  visöka]  c.  visok., 
visoka.  —  Auch  im  Nom.  Akk.  Sgl.  haben  den  Accent  von  der  letzten 
Silbe  zurückgezogen:  'rman,  ^'meana,  h-meano\  sl.  rimien,  rumena. 
rumeng]  st.  rümen,  rumena]  c.  7'umen,  rufnefiä,  und  zejan,  zdlcana. 


Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte.  207 

zdle„no\  sl.  zelen  und  zelen,  zelefia,  zeleno\  st.  zelen^  zel<ma\  v-zelen, 
zeletia.  —  Zu  bemerkeu  ist  dazu,  dass  der  kurze  steigende  Accent  nur 
der  unbestimmten  Form  des  Adjektivums  eigen  ist,  die  bestimmte  Form 
hat  langen  fallenden  Accent:  zdlijne,  zali^na^  zdU^no  u.s.w.  Denselben 
Unterschied  zwischen  bestimmter  und  unbestimmter  Form  haben  wir 
auch  im  Rosenthalerdialekte  und  im  Dialekte  von  Resia :  zalanä  ist  das 
r.  3e.iena,  zeloeiia  aber  das  r.  sejieiiaK  (vgl.  Baudouin  de  Courtenay, 
OiitiT  *0H.  Pes.  roBopoB.  S.  75).  Für  das  Schriftslovenische  vergleiche 
Rad  B.  132,  S.  154.  Bei  7idw,  ?i6y^a,  ng^o]  sl.  nov,  növa',  —  gof^  ffQ^a, 
go^o\  sl.  gol^  göla  ist  der  Accent  lang  steigend  wegen  tv  \i). 

Ausser  im  Nom.  Akk.  Sgl.,  wo  der  Accent  ursprünglich  auf  der 
vorletzten  Silbe  ruhte,  in  allen  Formen  haben  kurzen  steigenden  Accent : 
döhdr^  döuhra^  doabro;  sl.  döba?',  döbra]  st.  dobar^  dobj'a,  c.  dobar, 
dobra;  rst.  dora^  doro\  Endbetonung  ist  im  Gailth.  erhalten  in  dro  = 
doro  (wohl,  ja);  —  möhdr^  möakra,  mbahro\  sl.  mökdr^  7n6kra\  st.  hat 
hier  auch  im  Fem.  Nom.  moh'a\  —  töpö^  td'apia^  tdapio\  sl.  aber 
auch  im  Nom.  Mask.  töpdi^  töpla. 

Mit  allen  Formen  gehören  hierher:  mbacn^  möacna^  mdacno\  sl. 
möcdn^  möcna,  möcnq\  —  nöaSn,  7idaS7ia^  W()«swo;  sl.  nösdn^  7iös7ia^ 
7iös7io\  —  i'boSTi^  röaSfia,  rd(,s7io\  sl.  rös97i^  7'ös7ia^  rös7io\  —  pbatti^ 
pöatna^pöatno\  ?\.  pötd7i,  pöt7ia^  potnq  neben  potm,  pot?ia,  pofTiq.  — 
Ferner  zwei  Adjektiva  mit  i  in  der  Stammsilbe:  sve^tö^  svcatia, 
sveatio\  sl.  svetSi,  svetlä,  svetlo;  —  tcaS7i,  teaS7ia^  teaS7io\  sl.  tes^hi, 
tesTia^  testiq.  Das  Adjektivum  boi^/i,  boina,  bgino  hat  g  wegen  des 
i,  kurzen  Accent  wegen  der  nachfolgenden  Konsonantengruppe;  rst. 
boldn. 

Nur  im  Nom.  Akk.  Sgl.  mask.  haben  kurzen  steigenden  Accent  auf 
dem  e  oder  o  der  Stammsilbe  einige  Adjektiva,  welche  im  Schriftslove- 
nischen  im  Nom.  Sgl.  mask.  zweifache  Betonung  haben,  die  ursprüng- 
liche auf  der  letzten  Silbe  und  die  jüngere  auf  der  vorletzten:  böagat\ 
sl.  bögat  und  bogdt;  st.  bögat^  c.  bogat]  —  Jcd(,smat\  sl.  kösTnat  und 
kosmat]  st.  kösmat^  c.  kosmat\  —  das  oben  erwähnte  ze„la7i\  sl.  zelen 
und  zeren\  st.  zele7i\  rst.  zalan,  c.  zelen;  —  vej9k,  sl.  velik  und 
celtk. 

Numeral  e.  Kurzen  steigenden  Accent  hat  in  allen  Formen  ^ead7ij 
^eana,  ^eanö]  sl.  [edon]  e«,  ena,  eno\  \i.  jedan^  jed7ia^  jedno\  rst.  adn^ 
anci,  a7iu[ano)^  e.  jedan^jedna^jediid;  r.  oahhx,  OAHa,  05116.  —  Bei 
den  Ordinalzahlen  haben  diese  Betonung  die  Lokale :  pootd^,  ü.petih;  — 


208  Ivan  Grafenauer, 

seaStdyiy  sl.  sestih\  —  seadmdyi^  sl.  sedmih\  —  '^da.smdXi  sl-  ösmih\  — 
ddiüe^td^i,  sl.  devetih]  —  ddse^tdx^  sl.  desetih. 

Pronomen.  Pronomina,  welche  in  diese  Kategorie  gehören,  sind: 
der  Gen.  Dat.  Akk.  Lok.  Sgl.  von  ti  und  vom  Reflexivum  sehe:  teabS, 
scahi't  sl.  tebe  tebe^  sehe  sehe  und  teUi  tebi,  seb'i  sebi;  rst.  tabe,  sabe; 
st.  tebe,  tebi',  sehe,  sebi;  c.  tebe,  sebe;  r.  tböh,  xeöt;  ceöa,  ceöi.  Im 
Gail-  und  Rosenthalerdialekte  ist  hier  die  Endung  des  Dativ-Lokal  (i) 
herrsehend  geworden,  nicht  wie  man  anf  den  ersten  Blick  annehmen 
könnte,  des  Genetiv-Akkusativ  [e],  denn  wir  haben  vom  Pronomen  der 
ersten  Person  im  Gailthalerdial.  Gen.  Dat.  Akk.  Lok.  mhi^,  im  Rosen- 
thalerdial.  mdtie  [mena],  was  deutlich  auf  aksl.  Mtni  im  Gegensatze  zum 
Gen.  (Akk.)  .Meue  hinweist.  Dieser  Gebrauch  ist  schon  alt,  denn  wir 
finden  ihn  schon  in  der  Handschrift  der  slovenischen  protestantischen 
Gemeinde  von  Gorice  ob  Arnoldstein  im  Gailthale  aus  dem  XVII.  Jh.. 
von  welcher  Oblak  Bruchstücke  im  Archiv  f.  sl.  Phil.  B.  XV,  S.  459  flf. 
veröffentlicht  hat:  kar  fi  ti  mene  dobriga  fturil,  S.  462;  —  oflfer,  kateri 
ieft  tebe  .  .  pernefom,  ebenda;  —  offram  fe  febe  dones  . .  ebenda,  u.s.  w. 
—  Ferner  haben  wir  "ö„wa  '^-öano;  sl.  öna  öno,  st,  ona  öno,  c.  ona  o7io\ 
ncaga  neben  ne^a,  nenmö\  sl.  njega  njem/ü,  njega  njemu;  rst.  njaha, 
njomh;  ^^i. njega  njemu;  g.  njega  tijemü;  r.  ero,  esiy.  — Beim  Possessiv- 
pronomen mqj  tvqj  svoj  ist  im  Gailthalerdialekte  Kontraktion  wegen  des 
reducirteny  eingetreten  und  ist  daher  die  Accentuation  eine  andere  ge- 
worden: aus  mb,Ja  wurde  mioä,  aus  twd„Ja  ^erau.s.w. — In  der  Dekli- 
nation tritt  aber  der  kurze  steigende  Accent  öfters  wieder  zutage,  wenn 
auch  nicht  in  seiner  charakteristischen  Form.  Der  Klarheit  halber 
führe  ich  das  Deklinationsschema  an : 

Singular: 
Mask.  Nom.  Akk.:       m'^oj  tiooj  swoj;  Neutr.:  mwö  tioö  swö 

Gen. -Akk. :    m^o^ega  t^o'-ega  s^^ö-ega 
Dat.  Lok.:    my^of^amö  f^'c^amö  s^ö^-amö  (neben  mwämö 

twdmö  swdmö] 
Instr. :  mwän  twän  swdn 

Femin. : 


Nom.: 

mwä  iwd  svö 

Gen.: 

mioe  twe  swe 

Dat.  Lok.: 

m}ibU  t^oH  s^ö^e 

Akk.  Instr.: 

mioö  twö  swö. 

Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte.  209 

Plural: 

Nom.:     Mask.  m-o*e  t^^i^e  s^^'o^e\  Fem.  Neutr. :  mice  tice  swe 


Gen. :  mrcäli  twäh  sicäh 

Dat. :  mtcän  twän  swän 

Akk. :  i7iice  twe  swe 

Lok. :  mioäh  ticäh  sioali 

Instr. :  mwäme  twäme  swänie. 

Dual: 
Nom.  Akk.:   Mask.  mwä  ticä  sicä;  Fem.  Neutr. :  m"o^e  t^d-e  s'^ö^e. 
Die  übrigen  Kasus  wie  Plural. 

Das  unbestimmte  Demonstrativum  ^-dne  ^dnä  ^^anö  »jener  gewisse« 
hat  im  Gen.  Akk.  Mask.  ^hne^a  aus  -Ca.ga^  Dativ  Lok.  -a?2(?„wö ;  das  Frage- 
pronomen kdö  (Gt.  tüj)^  Gen.  Akk.  kbaga^  Dat.  Lok.  kouniö.  —  wtsy 
sdaffct,  seafnö^  sl.  vsega^  vsemü]  st.  svega,  svemu\.  c.  sega^  semü]  r. 
Bcerö,  BCOMy. 

Verb  um.  Die  Verhältnisse  sind  bei  den  verschiedenen  Verbal- 
klassen ungleich.  Von  der  L  Verbalklasse  haben  die  Verba  mit  ur- 
sprünglicher Endbetonung  kurzen  steigenden  Accent  auf  dem  e^  oder 
Oa  des  Stammes  im  Infinitiv,  Imperativ,  ferner  im  umschreibenden  Par- 
ticipium  Perfecta  auf  -/,  -/a,  -lo  und  im  Part.  Perf.  Pass.  in  allen  For- 
men ausser  Sgl.  Maskul. 

Infinitiv:  zd-boaSte,  sl.  böaii,  st.  l/osti,  r.  öocTii;  —  grcahate^ 
<\.  grehsti^  st,  grepsti,  r.  rpecxn;  —  pd-mea^te^  sl.  menti^  st.  mesti^ 
r.  mbcth;  —  neaste^  sl.  neati,  st.  nesti,  r.  iiecTii;  —  pUaSte,  sl.  plesti^ 
iit.plesti,  r.  nJBCTH;  —  tcapste,  sl.  tepdi,  Ittepsti,  r.  tccth.  Eigen- 
thtimlich  ist  es,  dass  bei  Verben  der  4.  Gruppe  das  e  vor  e  verengt  wird 
zu  ej\  während  es  in  den  Dialekten  die  der  Schriftsprache  zugrunde 
liegen,  offen  ist:  Vejct^  sl.  Jehi^  st.  leci^  r.  jiequ;  — p^jce,  sl.  peci,  st. 
peci^  r.  nequ;  —  ^'^Jce^  sl.  reci,  st.  reci,  r.  peqa;  —  tejce,  sl.  teci,  st. 
teci^  r.  Teqn. 

Der  Imperativ  dieser  Verba  lautet :  gi-ej>e,^\.grehi,  st.^rei?',  Q.greln^ 
r.  rpeöii;  —  zd-hoade^  sl.  hödi^  st.  bödi,  r.  öoau;  —  vldaze  t>e,  sX.Uzi]  — 
pd-meade^  s\.?nefi,  ht.mefi^  c.  meß,  r.  MCTii;  —  ndaSe,  sl.  fiesi,  st.  nest, 
c.  ?ief>t,  r.HBCH ;  —  za-pleade,  sl.p/ett,  ht.plefi,  r.  njiexii;  —  teape,  sl.  tepi, 
st.  tepi,  Y.  Tenu.  Mit  Halbvokal:  'rce',  sl.  ren,  st.  rm,  r.  peKii;  — pdce, 
sl.  /»ec/,  st.  2^ßct\  c.  jOßc«,  r.  neicii.  —  ^a<5<?,  sl.  ^ecV,  st.  ieci,  r.  tbkh.  — 

Archiv  für  slavische  Philologe.     XXVII.  14 


210  Ivan  Grafenaiier, 

Ebenso  betont  ist  auch  der  Imp.  Plur.  1.  und  2.  Ps.  durcli  Analogie 
nacli  dem  Sgl.:  nCaSBioa  nea&^ta^  sl.  aber  neswa  nealta.  —  Das  Partie. 
Perf.  auf  -l^  -la,  -lo  dieser  Verba  lautet:  bödö,  böadia,  höadlo. 
höadle^  u.  s.  w.,  hödla^  hödlo\  —  g^'ehö^  grcabla^  grcahlo  u.  s.  w. : 
sl.  grehlcij  greblo  u.  s.  w. ;  st.  grehla^  grehlo  u.  s.  w. ;  c.  greblu^  greblo : 
r.  rpeöjiä,  rpeöjro ;  —  p9meadia\  sl.  metla,  mela\  —  icUagla^  sl.  legla. 
st.  legla^  c.  legla,  r.  Jier.ia;  —  ncasla,  sl.  tiesla,  st.  nesla^  c.  nesla,  r. 
iiecjia;  — pejila,  &\.pekla^  It.pekla,  c.pekla,  r.  nsKJiä;  —  z9-pleadla\ 
&\.  pletla  plela,  lt.  plela,  c.  plelcl,  r.  njiejä;  —  reuHa,  sl.  rekla^  st. 
rekla,  c.  re/da,  r.  peKJia;  - —  teakia,  sl.  iekla,  st.  iekla,  c.  fekla,  r.  xe- 
laa;  —  icapia,  sl.  ^e/j/a,  st.  ^e^/a.  —  Partieip.  Perf.  Pass. :  pr-bd- 
deaii,  -bddkgna^ -hddeano  u.  s. w.,  sl.pre-boden,  bodena,  bodeno  u.  s.w. ; 

—  grboaii,  grbeaua,  grbeano\  sl.  greben^  gr-ebena,  grebeno\  h.grebe7i, 
grebenoj  grebmo;  c.  greben,  grebena,  grebeno\  r.  rpeöeiiä,  rpeöeno: 

—  tepi'ji^  tdpeana^  t9pean'ü\  sl.  tepen,  tepena^  tepeno\  st.  tepen,  te- 
pena,  tepeno,  c.  tepen,,  tepena^  tepeno\  —  ebenso  niddcana^  nsseaiia, 
pdinddeaUa,  pd6i\,na  u.s.w.  Im  Singular  Mask.  ist,  wie  wir  sehen,  nach 
Analogie  der  übrigen  Formen  kurzer  steigender  Accent  statt  des  fallen- 
den eingetreten. 

Alle  diese  Verba  haben  im  Schriftslovenischen  auch  im  Präsens 
den  Accent  zurückgezogen :  nesem.,  dieses,  tiese,  ?ieseva,  7ieseta,  ne- 
semOj  nesete^  c.  nesen,  neses,  nese^  neaeind,  nesete.  Im  Gailthaler- 
dialekte  ist  dies  nicht  der  Fall.  Das  Präsens  lautet  hier:  ndsen,  nd&es. 
ndse\  7idseva,nesesta\  ndsemo,  7i9seste,  7id^ö  u.  s.w.  Vgl.  Scheinigg, 
Narodne  pesni  koroskih  Slovencev  39:  Kaj  mi  lipca  prevetujes  —  Der 
mi  sadja  ne  nesös.  Im  Rosenthalerdialekte :  nascmi^  7iasas^  7iase  aber 
7iasava  u.  s.  w. 

Kurzen  steigenden  Accent  hat  auch  der  Imp.  und  das  Part.  Perf.  tau 
-l  (nur  Sgl.  Mask.)  von  prp9g7iUe,  sl.  pripog7iiti\  prpOagTie,  pipdagtfva^ 
p7'pdag7v'7}io\  s\.  pripög7n  ahev  p}'ipog7iiva ;  prpd„gnö^  ^\.  prip6g7iii. 

Von  der  dritten  und  vierten  Verbalklasse  gehören  hierher 
jene  Verba,  welche  das  e  {a)  resp.  i  in  -eti,  -iti  betonen  und  in  der  vor- 
bergehenden  Silbe  den  Vokal  e  oder  o  haben,  und  zwar  haben  sie  den 
kurzen  steigenden  Accent  im  Imperativ,  im  Supinum  und  im  Part.  Perf. 
auf  ^  Sgl. Mask. :  gorete:  gdgre,  gda7'^te\  goaT^t]  göj-6l\  Bl.göri,  göret, 
g6rel\  \X.göri,go7'io\  l.  göret, go7'el\  —  bdlete:  bbjöl,  '^.bölei;  böalt, 
sl.  bölet\  —  Itete:  Uate,  sl.  Uti,  st.  leti,  r.  .neTii;  lejöl,  sl.  Utei, 
st.  letio\  —  Pzäte:  IcgZe,  sl.  leH,  st.  lezi,  r.  .iea:ii;  IcgZöl,  sl.  lezai, 


Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte.  21 1 

st.  lezao^  c.  lezcd^  r.  jieKajii.;  IcaZat^  sl.  Uzat^  c.  lezat,  u.  s.  w.  —  ir- 
dite:  broade^  sl.  Jrö^//,  r.  öpoAH,  st.  ^rwc;?^;  bröadö^  hrögcl't^  sl.  hrödil^ 
hrödit\  —  hddite:  hoade^  sl.  Äorfe,  r.  xo^ii;  höadö,  sl.  Ä(?(^«7,  st.  Äoc?«o, 
r.  xo^Mt;  so  auch  von  lomite  (sl.  lotnüi):  zidaine,  U„m^t,  zldamö;  — 
mddite  {s\.  modifi) :  zmd,^dc,  möa^'t,  zmbj:ö\  —  skodife:  sköade,  sköa- 
66  \  —  lodzite  [voziti]'.  tcöaZe^  wögZ't^  zicöaZö\  —  zdniU  [zeniti): 
zcane,  zeaiif.,  ^'9ze,{)iö\  u.  s.w.  Vom  Imp.  Du.  Plur.  ^'^'^ie^w/fe  gegenüber 
sl.  zenUe  gilt  das  schon  oben  Gesagte.  Die  hier  angeführte  Participial- 
betonung  ist  aber  bei  den  Verben  der  IV.  Klasse  mit  betontem  l  (sl.  f 
des  Inf.  nur  dann  der  Fall,  wenn  das  i  der  Konjugationsendung  im 
Präsens  nicht  betont  ist,  sonst  ist  die  Betonung  anders:  zohrin^  zdhrltc 
govorim^  govoriti):  zdhü,rd. 

Aehnlich  ist  es  auch  bei  der  V.  Verbalklasse.  Jene  Verba,  welche 
ein  e  oder  o  in  der  dem  betonten  -ä-ti  vorausgehenden  Silbe  haben, 
betonen  kurz  steigend  den  Imperativ  Sgl.,  durch  Analogie  auch  Plur., 
das  Supinum  und  das  Part.  Pf.  auf  -l  im  Sgl.  Mask. :  09 säte  [desäti) : 
deaSej]  SeaS^va,JeaS^ta,  deaS^mö,  dcaS^tö;  SdaSat;  dc'aSöi;  sl.  dest\  desat, 
6esai\  st.  6esi^  öesat^  aber  öesao  (r.  qeeajra,);  —  klpäte  [klepäti): 
kleaple,kleaplte\  kUapat,  kUapöl]  ü.klep1Ji,klepat,klepal\  &t.klepaj\ 
klrpaf,  klepao ;  —  kaniäte  [kondäti] :  kö^,n6öl^  sl. köncal  (die  anderen 
Formen  habe  ich  nicht  gehört);  —  kr  säte  [kresäti):  kreaSat,  krcasoi; 
sl.  kresatj  kresal\  —  nidtäte  [metäti):  zmea^Ie]  meafat,  mcatoi; 
sl.  7ne6i,  metatj  metal\  —  pdläte  ' peljäti):  peje^  pejat,  pejöl^  sl. 
pelji.,  peljat^i  peljal\  —  pdslate  [poslati):  pöaSU,  pöaSlöl\  jJÖsK,  pö- 
slal\  —  kdpäte  [kopäti)  (graben):  köapU,  köapat,  köapöl]  sl.  köplji^ 
köpat^i  köpaf.  —  Jene  Verba  aber,  welche  mehr  als  dreisilbig  sind, 
haben  Endbetonung:  trpdtät^  [trepetäti):  trpatej\  trpatol]  sl.  trepeöi.^ 
trepetal\  —  kö}^ati  hat  im  Infinitiv  zurückgezogenen  Accent  wegen  il\ 
welches  das  o  verengte,  daher  auch  ko^^'ej,  ko^^'af,  ko^'-^öi.  —  Jene  Verba 
dieser  Klasse,  bei  welchen  im  Infinitiv  und  Part.Perf.  auf  -l  der  Stamm- 
vokal schwindet,  betonen  kurz  steigend  nur  den  Imperativ:  brate: 
beoTe,  sl.  Jen,  st.  5m,  r.  6epji;  —  driate:  ddare,  sl.  deri,  st.  de7'i, 
r.  AepH 5  —  kläte'.  zd-köale^  sl.  köJj'i.,  st.  kö/j'i,  r.  KOJii;  —  mU^te  : 
rndje,  sl.  me/j'i,  st.  melji^  r.  mcih  ;  —  präte:  pe^re^  sl.  peri\  —  sräte : 
pase^re  se,  sl.  serj'i;  —  pd-stläte:  p9siejej  s\. postelJi\  —  gnäte: 
zdane.,  sl.  ze)ii\  ■ —  zrijte:  pszcare.,  sl.  zrl.  Jene  dieser  Verba,  welche 
im  Präsens  ursprünglich  Endbetonung  haben,  die  im  Schriftslovenischen 
auf  das  e  oder  o  zurückgezogen  wurde,  haben  wie  ähnliche  Verba  der 

14* 


212  Ivan  Grafenauer, 

I.  Klasse  im  Gailthale  Endbetonung :   hdi'en^  hdres^  hare  u.  s.  w.,  sl.  Le- 
rem^ heres,  here\  rosentd.  hartim^  baras. 

Halbvokal  oder  reducirter  Vokal  im  Tliema. 

Der  Halbvokal  ^jh  ist  im  Gailthalerdialekte  in  dreifacher  Weise 
behandelt  worden.  In  jenen  Fällen,  wo  er  gedehnt  worden  ist,  haben 
wir  offenes  e  (denselben  Laut,  der  auch  der  regelmässige  Vertreter  des 
Ä  im  Gailthale  ist),  in  den  übrigen  Fällen  ist  er  entweder  ausgefallen 
oder  als  Halbvokal  erhalten  geblieben.  Da  der  Halbvokal  naturgemäss 
kurz  ist,  haben  wir  in  jenen  Fällen,  wo  der  Accent  auf  einen  Halbvokal 
von  der  folgenden  Silbe  zurtickgezogen  wurde,  kurzen  steigenden 
Accent.  Dasselbe  gilt  auch  von  reducirten  Vokalen,  da  sie  lautlich 
gleich  sind  den  alten  Halbvokalen,  und  vom  silbenbildenden  r.  In  den 
Dialekten  Krains  haben  wir  in  diesen  Fällen  fast  durchwegs  die  End- 
betonung erhalten. 

Substantiva.  Im  Thema  ist  ein  Halbvokal:  pbs phsa  pd&ö  pd&a 
P&SÖ  phsan ;  p9sa;  pase  pii söiv pa sati  pdse  pdSdx  p^satyie;  sl.  pds  psä ; 
lt.  pas  psa\  —  sds  sdsa;  sl.  sas  sasa;  —  söw  (dieses  a  wird  wegen 
des  10  wie  ö  gesprochen)  so^^'a;  sl.  Sdv^  iava,  ivä;  st.  säv  svä]  — 
ddz?i  ddznj'a  aus  daz  dazj'a;  sl.  daz  dazjä,  r.  Aoac^TB,  Aoac^a.  Die  Be- 
tonung ist  also  ganz  analog  der  Betonung  einsilbiger  Maskulina  mit  dem 
Stammvokale  e/o  und  ursprünglicher  Endbetonung:  boab,  höaha  u.  s.w. 
Ebenso  betonen  Maskulina  mit  ursprünglich  betontem  halbvokalischen 
Suffixe,  nur  dass  hier  auch  der  Nom.  Sgl.  kurzen  steigenden  Accent 
hat:  lakdt  iakta  u.  s.  w.,  sl.  lakät^  -kta  neben  /a^a^,  -kta  (Valj.-Rad). 
—  pekö^  pekla,  sl.  paTicl^  pakla\  st.  päkao^i  c.pakaJ.,  pak/ä;  — 
6tahar^  atabra;  sl.  staba7\  stabra;  c.  stabai\  stah'a.  —  Feminina  und 
Neutra  mit  ursprünglicher  Endbetonung  und  mit  halbvokalischem  Stamm 
haben  kurzen  steigenden  Accent  auf  dem  Halbvokale  in  allen  mehr- 
silbigen Kasus:  daska  ddsö^  d^de  dasko  dasde  dasko\  dds6e\  dasdS, 
dask,  ddükan  dasdö,  daakah  daskame\  sl.  daska  daske  wie  göra\  st. 
däska^  c.  da.ska,  r.  ^ocKa;.  —  magla  möglö;  sl.  mdgla,  st.  mägla,  c. 
7nagla\  —  mazda^  sl.  mazdu  (pio-d-ög);  —  sfazda,  sl.  sfaza,  st.  stäza, 
c.  i,taza^  V.  cTBsa;  —  ta7na^  sl.  tamu,  ftJia,  st.  täma;  —  sa?ice,  sl. 
satice;  —  sl.  stablo  lautet  aber  stebio. 

Im  Thema  ist  silbenbildendes  r:  lirhat^  Jirbta,  sl.  hrbet,  hrbta] 
st.  hruat  aber  Iirpta;  —  datrtak,  datrtka\  sl.  detrtakj  6etrtka\  st. 
6etvrtaky  S.  detrtuk,  cetrtka,  r.  ^lexBepTOKt,  qeTBepxKa ;  —  ^rja^  "^'J^y 


Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte.  213 

sl.  rjil  rdja^  st.  rdja,  c.  rja\  —  msta  V)'sf(*,  sl.  vrsta,  vrstä,  i:  Bepexä 
uud  ähnliche.    Nur  im  Nom.  Sgl.  drv9d,  gen.  drvica,  sl.  drvid,  örviöa. 

Im  Thema  ist  ein  zu  Halbvokal  gekürzter  Vokal :  j'dgla^  J^gU 
Deichselnagel  sl.  igla  im  PöUauerthale  in  Oberkrain  jdgla  (fallend) ; 
st.  nßa^  c.  igVä^  r.  Hr.ia;  — J^spa^  sl.  izbu  neben  izba  (Plet.),  st.  izba^ 
r.  nsöa;  —  khpdc  khpca^  sl.  kupifc  kupca^  st.  küpac^  r.  Kyneu;^;  — 
m'dstwo^  sl.tnostvq; — papar^  phpra^  ^\.  pöpar^  pöpra;  h.  popar\  — 
schio  sekna^  sl.  suknq  sükng;  st.  dükno,  r.  cyKHo;  —  zhistica  von 
zanstwo]  sl.  zenstvq  nnd  ähnliche. 

Adjektiva.  Im  Thema  ist  ein  Halbvokal.  In  allen  Formen  ist 
kurzer  steigender  Accent  bei :  mddö  mddia  m'Jdid^  sl.  mdddi  mddla'. 

—  idödk  Idhka  idhko^  sl.  hgtk  Idhdk^  hJika^  c.  lagak\  —  thrndn 
tdmna  tdmno\  sl.  tarndn  tamjiä;  —  tandk  tdnka  thnko,  sl.  tandk 
tdnka  aber  st.  fdnak.  In  allen  Formen  ausser  Nom.  Sgl.  Mask. :  {dsc 
ids6a  tdsco,  sl.  tasdii,  st.  aber  tasta.  —  Im  Thema  ist  r:  mrtö^ 
mrfwa  mrtwo]  sl.  mrtdv  mrtva\   st.  mrtav  mrtva,  c.  mrtäv,  mrtva; 

—  shidn  shii'na  schläfrig;  —  6rn  örna  6rno\  sl.  6rn  6rna  6rno\  st. 
crna^  c.  craä,  r.  ^lepna;  —  grd  grda  grdo,  sl.  grd  grda;  c.  grda^  r. 
ropAa;  —  trd  trda  trdo^  sl.  tfd  irda\  st.  tvrda^  c.  tvrda.  Im  Thema 
ist  gekürzter  Vokal.  In  allen  Formen  ':  krdak  krka,  krko,  sl. 
krätak  krätka  krätko^  c.  kratdk'.  —  madak^  mhhka^  mahko]  sl. 
mehak,  mehka,  mehko;  — m'astn^  mastna^  masfno',  s\.mas{an,mdstan, 
mastna,  mästna ;  —  p^sn,  prsna,  prsno^  sl.  praPan.,  präsan^  prasnd, 
präsna^  c.  p7'asdn,  prasftd;  —  s-lddak,  siadka^  sladko]  sladak  slä- 
ddk^  sladka  slädka]  c.  sladak  sladka;  —  stfsn  strsna  strsno;  strasan 
strdsati,  sirasnd  sträma.  —  Nur  im  Nom.  Sgl.  Mask.:  daböl  dabe^a, 
sl.  debal  debela. 

Vom  Pronomen  gehört  zu  dieser  Gruppe  das  schon  erwähnte  mane 
und  nasce^  sl.  nihM.   Von  den  Adverbien  vane^  sl.  vne. 

Verba.  Die  Imperative: />3(^6',  'r(5e,  tace,  s\.  pect,  7-eci,  ^ece  habe 
ich  schon  oben  erwähnt.  Von  der  IL  Verbalklasse  gehören  hierher 
einige  Verba  mit  Halbvokal  in  der  Silbe  vor  dem  charakteristischen 
Infinitivsuffixe,  welches  betont  ist.  Sie  haben  bei  ursprünglicher  End- 
betonung kurzen  steigenden  Accent  im  Imperativ  Sgl.  Du.  und  Plur., 
im  Supinum  und  im  Part. Perf.  auf  -l  im  Sgl.  Mask. :  dahnite  [dahniti): 
daJvie,  dalmawa^  daJmamö^  dahnt^;  daJmt]  daJinö\  sl.  dalirit^  dhhnU^ 

—  pr-maknxte  [pre-makniti):  pr-makne^  pr-makiü^  pr-maknö\ 
sl.  mahn,  mahiU;   —  pahnite  {pahniii):   paJme^  pahnt^  pahnö: 


214  Iv&n  Grafenauer, 

sl.  pahni,  pd/mii:  —  sa/mife  [sdhniti):  söhne,  shlüit^  sdJmö;  sl. 
vsahm,  vsdhnU',  —  spd-tdkräte  [spo-tdh.nite):  spotakni^  ^'thknt^  spd- 
t9knö\  sl.  spotdknl^  spotdknll.  Von  der  V.Klasse  erwähne  ich:  sdsäte, 
sl.  sdsäti:  sdsöl^  %\.sdsal;  iagate  [Idgäti^  lagäti):  iagej\  hgol  aber  id- 
gat\  sl.  läzi,  idgai^  lagat.  —  Gekürzten  Vokal  hatjac/e  und  jdU^  sl. 
idi  i<n,  iti  ifi,  silbenbildendes  ?' :  tvrnUe  {vrniti) :  pd-whie,  pdwrnt. 
patorjiö. 

In  allen  diesen  Fällen  ist  also  der  kurze  steigende  Accent  dadurch 
entstanden,  dass  der  Accent  von  der  folgenden  Silbe  auf  die  kurze  halb- 
vokalische vorhergehende  zurückgezogen  wurde.  Die  gekürzten,  zu 
Halbvokalen  gewordenen  vollen,  langen  Vokale  mussten  vorher  gekürzt 
worden  sein,  bevor  der  Accent  zurückgezogen  wurde,  denn  sonst  könn- 
ten wir  uns  nicht  erklären,  warum  der  lange  Vokal  zu  einem  Halbvokal 
gekürzt  worden  ist.  Der  Prozess  also,  der  im  Dialekte  von  Brdo  ganz 
konsequent  durchgeführt  ist,  dass  alle  Vokale  vor  der  betonten  Silbe 
wie  Halbvokale  ausgesprochen  werden,  musste  früher  durchgeführt 
worden  sein,  bevor  in  diesen  Worten  der  Accent  zurückgezogen  wurde. 
Der  Prozess  des  Zurückziehens  des  Accentes  musste  daher  bei  o  und  e 
früher  durchgeführt  worden  sein,  als  bei  den  Halbvokalen  und  den  re- 
ducirten  Vokalen.  Diese  Annahme  wird,  glaube  ich,  auch  durch  den 
Umstand  bestätigt,  dass  im  Schriftslovenischen  im  Gegensatz  zu  o/e,  auf 
welche  der  Accent  fast  durchwegs  von  der  folgenden  letzten  Silbe  des 
Wortes,  falls  sie  ursprünglich  betont  war,  zurückgezogen  wurde,  beim 
Halbvokal  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  die  ursprüngliche 
Endbetonung  beibehalten  wurde. 

Der  jüngere  kurze  Accent. 

Während  wir  in  den  bisherigen  Fällen  den  kurzen  Accent  als  den 
älteren  bezeichnen  konnten,  da  er  ganz  dem  kurzen  steigenden  Accente 
des  Stokavischen  entspricht  [vöfjda — toda,  magia — mägla),  und  da  der 
ältere  kurze  Accent  (st.  krava)  im  Slovenischen  in  nichtletzter  Silbe 
zu  lang  steigendem  oder  fallendem  geworden  ist,  tritt  in  einer  Reihe 
von  Fällen  im  Gailthalerdialekte  ein  jüngerer  kurzer  steigender  oder 
fallender  Accent  auf,  der  sich  aus  langem  Accente  entwickelt  hat,  und 
zwar  vor  Konsonantengruppen  in  geschlossener  Silbe, 

M.  Valjavec  hat  im  Rad  jugosl.  akad,  B.  132,  S.  120  u.  149  darauf 
hingewiesen,  dass  der  im  Serbokroatischen  und  Slovenischen  aus  nrspr. 


Zum  Accente  im  Gailthalerdiaickte.  215 

steigendem  Accente  entstandene  kurze  fallende  Accent  im  Slovenischen 
in  nichtletzter  Silbe  verschieden  behandelt  wurde,  je  nachdem  die  be- 
tonte Silbe  offen  oder  geschlossen  war.  Im  ersten  Falle  entstand  langer 
steigender  Accent,  im  letzteren  lang  fallender,  z.  B. :  ruk,  rä-ka^  rü-kov 
u.  s. w.,  dagegen:  riik-ca^  hU-ka,  st.  Vltka^  krüs-ka,  st.  kruska  n.s.w. 
Als  geschlossen  fühlte  aber  damals  die  Sprache  Worte,  wo  der  Scbluss- 
konsonant  zum  Stamme  gehört,  und  die  folgende  Silbe  ein  mit  einem 
Konsonanten  beginnendes  Suffix  ist.  —  Silben  jedoch  wie  ce-sta^  di-sta 
galten  als  offen. 

Die  Kürzung  dieses  langen,  fallenden  oder  steigenden  Accentes  im 
Gailthalerdiaickte  hat  ihren  Grund  darin,  dass  die  Sprache  nicht  nur 
Silben  wie  hit-ka^  hrui-ka  als  geschlossen  fühlte,  sondern  auch  solche 
wie  cesta,  disfa,  die  sie  ces-ta,  dis-ta  zu  trennen  begann.  Ein  Theil  der 
Dauer  des  Vokales  wurde  auf  den  nachfolgenden,  zur  selben  Silbe  ge- 
zählten Konsonanten  übertragen,  so  dass  der  Vokal  kurz  zu  werden  be- 
gann, bis  er  heute  als  kurz  gefühlt  wird:  ce-sta — ces-ta.  Es  ist  dies 
derselbe  Prozess,  der  sich  auch  in  der  deutschen  Sprache  in  der  Ent- 
wicklung vom  Mittelhochdeutschen  zum  Neuhochdeutschen  abgespielt 
hat:  mhd.  hrähte  —  nhd.  brachte,  mhd.  dähte  —  ix'kd.' dachte,  kläfter 
—  Klafter,  höchzit  ■ —  Hochzeit,  höchvart  —  Hoffart,  herlich  — 
herrlich:  u.  s.  w.  Vgl.  Paul,  Mittelhochdeutsche  Grammatik s,  S.  14. 
Sievers,  Phonetik  &,  S.  304,  §  849. 

Der  gekürzte  steigende  Accent. 

Ursprünglich  steigender  Accent  wurde  im  Slovenischen  zu  kurzem 
fallenden  umgewandelt,  blieb  aber  kurz  und  fallend  nur  in  letzter  Silbe 
und  in  einsilbigen  Worten.  In  nichtletzter  Silbe  aber,  wenn  sie  als  offen 
gefühlt  wurde,  entstand  daraus  langer  steigender  Accent,  unter  dessen 
Einfluss  e  und  o  geengt  wurden  vgl.  Rad  132,  S.  120),  ebenso  im  Gail- 
thalerdiaickte :  präg  präga,  r,  nopöri,  nopora,  st.  präg  praga ;  kräa, 
sl.  kräva,  r.  Kopona,  st.  c.  krava.  In  den  Fällen  jedoch,  wo  die  betonte 
Silbe  als  geschlossen  gefühlt  wurde,  hat  der  Gailthalerdialekt  die  lange 
betonte  Silbe  gekürzt  und  wir  haben  kurze  steigende  Betonung. 

Substantiv.  Einsilbige  Maskulina  in  allen  Kasus  ausser  Nora. 
Sgl.,  wo  kurzer  fallender  Accent  erhalten  ist:  chit  centa;  sl.  c'cnta  ;  — 
flnt,fünta\  %\.  funt  Junta;  —  grlnt,  grünta,  ^\.  grünt  grünta;  — 
gwant,  gxoänta,   a\.  gvä?tfa;  —  gcmk  gänka,  ü.  gänka;  —  kramp. 


216  Ivan  Grafenauer, 

krämpa^  sl.  krämpa'.  —  pänk  (Analogie  nach  den  übrigen  Kasus), 
pänka^  s,\.  pd?ikrt,  mhd.  bcmchart; — pmit^  pänta;  ü.pänta\  — pari, 
j}ärta\  sl. /Jar^a; — prrst  jirsta^  s\.  prsia;  — prt  prta\  &\. prta\  — 
stomf  (das  m  ist  labiodental  wie/*),  stümfa\  sl.  strümfa\  —  üjmf 
tümfa]  »Tumpf«;  — -  trbmf^  trümfa^  »Trumpf«;  —  wamp  wämpa;  sl. 
vämpa.  —  Mehrsilbige  Maskulina  in  allen  Kasus:  äntKury^^  änt- 
varha^  Handwerk,  äntvarhar,  mhd.  antwerc\  —  lürtay.,  Schürze,  »Vor- 
tnch«;  hädrar  Lumpensammler  von  hadra  Fetzen;  —  händö  Streit- 
handel, »Handel«;  —  lähray^  der  Waldtheil,  der  zum  Bauernbesitze 
gehört,  wohl  »Laubreche«;  —  mäjraf,  Stadel,  »Maierhof«;  — pdlpaz 
ein  dummer  roher  Kerl ;  —  pülpay.,  eine  Art  Pech  (von  Tannen) ;  pän- 
katar^  pänkatarca^  der  Vater  (Mutter)  eines  unehelichen  Kindes,  von 
mhd.  hancliart\  —  zämpr^  mit  gehacktem  Fleisch  gefüllter  Schweins- 
magen, und  andere,  besonders  Fremdwörter.  Einheimische  Maskulina 
mit  dieser  Betonung  sind  nicht  zahlreich:  küsöar  küs6arja\  sl.  küsder, 
st.  guster;  —  li,snjak  Ußnjaka^  sl.  l'esnik^  st.  lesnik]  —  Jiotdsödc  von 
ndtösdk^  vgl.  nätan^  sl.  näton\  —  ^akolsödö,  ein  kleiner  Garten  vor  dem 
Hause;  —  piskr piskra^  %\.insk9r\  —  r^käwösö^  sl.  rokävöid]  — 
s?7irkJ;  sl.smrkalj,  st.  smrkcd/,  Türk  Ttirka.  sl.  Türdk  Türka,  c.  Tn- 
rak  (%i.Türak).  —  /-Deklination:  äntvart  äntvatie]  »Antworte;  - — 
päprat  päprate^  sl.  präprot\  st.  paprat\  — prse^  sl.  p'rsi^  st.  prsi. 

Die  grösste  Anzahl  von  Worten  mit  diesem  jüngeren  kurzen  stei- 
genden Accente  bietet  aber  die  «-Deklination:  cesta  ceste  ceste  u.s.w., 
sl.  cesta,  st.  cesta  \  —  cthija  cünj^,  sl.  cwija,  st.  cunja;  —  dcöia 
Mädchen,  c?«?^^/a  Magd,  decle,  dekU\  sl.  dekla,  st.  d^xkJa^  djekla:  — 
gonja  gonjS^  sl.  gönja\  —  gösca  gösdl'^  sl.  gösda,  st.  gusta\  —  grinta 
grmt^\  sl.  grinta  »Grind«;  —  grmoivla,  grmbiole,  sl.  mrävlja\  —  kd~ 
Udlca  kdUdlc^  1.  Heuschrecke,  2.  Fieber;  sl,  kohilica^  st.  kobilica]  — 
krästa  kräsfe;  sl.  krdsta,  st.  krdsta,  r.  Kopocxa;  —  fänkwada,  ünter- 
krain.  länkei;  mhd.  lcmcwit\  —  lästahca  (das  h  aus  labialem  v  wegen  c) 
iästabc^,  sl.  lästavica,  st.  lastavica ;  —  lenda  lendä ;  sl.  leda;  —  mrka, 
mrlw,  sl.  mrha,  st.  mrha\  —  novcsta  )i9vest^\  sl.  nevesta^  It.nevjesta, 
c.nevesta,  r.  HeBiexa;  — pälcapälce;  ü.päh'ca^  %i.pdlica.  — presta 
preste^  sl.  presta ;  —  pi^ga  prg^^  sl.  pö'ga,  st.  prga,  klr.  nepra,  r.  aber 
nepra;  —  skränja,  skränj^j  sl.  skräfrfa;  —  srenda  srenS^,  sl.  sreda: 
st.  sreca:  —  skrba,lskrbä,  sl.  skrba,  st.  skrba;  —  sprätija  spränß. 
sl.  ipränja ;  —  wähte  f.  [nd  wähte  prite  zum  Kirchweihfest  als  Gast 
[wahtiik  waht7ikd\  kommen).  Pletersnik  kennt  vähte  f.  pl.  vähti  m.  pl. 


Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte.  217 

Allerheiligen ;  —  vidh'  PI.  fem., sl.  vile^  st.  tile^  r.  bu.ili  ;  —  vidice,  sl.  viJice^ 
ItvUica ;  —  woina,  sl.  völna,  st. vüna ;  —  zingrada  » Sinngrün «  bedeutet 
Preisseibeeren.  So  aucli  7to/ra,  sl.  hUra^  skorja  und  ähnliche.  Dass 
der  Accent  wegen  der  folgenden  Konsonantengruppen  kurz  ist,  sieht 
man  besonders  deutlich  dort,  wo  der  ursprüngliche  Nasalvokal  im  Gail- 
thalerdialekte in  seine  Bestandtheile  zerlegt  worden  ist.  Der  Vertreter 
des  Nasälvokals  ist  im  Gailthalerdialekte  beinahe  durchwegs  lang: 
möka^  röka^  '^eza  u.  s.  w.,  sobald  wir  aber  statt  e  (a)  en  haben,  ist  der 
Accent  kurz:  lenöa^  srenca  {leöa  =  Unöa).  Interessant  für  den  Kon- 
sonantismus des  Gailthalerdialektes  ist  es  auch,  dass  die  Verbindung 
7ij\  rj  ebenso  Kürze  des  Accentes  bewirkt,  es  ist  dies  eben  kein  er- 
weichtes w,  r,  sondern  n  -\-j\  r  -\-j. 

Neutra:  Grdisde  Flurname,  sl.  gradtsSe,  c.  g7-adls6e\  —  g'^'io, 
gfla\  sl.  grlq^  st.  grlo,  r.  r6p.io;  —  gmidUsde^  grmdl\s6a\  sl.  mrav- 
IJisce^  c.  mravlfUce^  vgl.  gmöxola.  Entstanden  ist  diese  Form  wohl 
durch  Volksetymologie  in  Anlehnung  an  das  Verbum  grmaJete  wim- 
meln.—  juiro^jütra^  adv.ziifra;  sl.jütro,  zjidraj\  \,{.jutro  mtra;  — 
mäsio  mäsia-,  sl.  mäslg^  st.  mclslo;  —  mcstb,  sl.  mestg,  st.  mfesto\  — 
pdrißlo^  &\.povreslo\ — pdvesnw^ pdvesma\  ^l.povesmo,  c. povestno^  st. 
pÖDjesmo]  —  srej'sde  &rejs6a\  sl.  sräjca\  —  stmisöe  sfrnisda;  sl. 
st)-msde,  st.  sfrniste.  —  Hierher  gehört  auch  eine  Anzahl  von  Wörtern 
auf -f/Zo  gegenüber  südslavischem  /  aus  tl:  hdbidlo^  hdculla\  hdcidlce^ 
hddidlca^  üeberzug  über  das  Kopfkissen,  sl.  ohlacüg^  ohla6iIce\  — 
krsädio,  krsädia;  sl.  h'esälg,  b.  kresadlo',  —  mstdvidlo^  mdtavidia: 
sl.  motovilg^  c.  motovllo,  st.  motovilo,  b.  motovidlo ;  —  st9p)ädio^ 
stdpädia^  sl.  stopälg^  c.  stopalo^  st.  stdpalo;  —  sidlo,  sidia\  sl.  m7o, 
st.  6■^7o,  b.  sidlo;  —  sidlc^,  skllca\  —  zedio,  zedla\  sl.  zeig.  —  Die- 
selbe Betonung  müssten  wir  auch  bei  hadidio  (r.  KaAHJio)  annehmen, 
welches  in  den  Volksliedern  bei  Strekelj  vorkommt,  das  ich  aber  aus  dem 
Dialekte  von  Egg  (Brdo)  nicht  belegen  kann,  da  es  hier  vom  Lehnworte 
viaTdli^  mhd.  vnrouch^  verdrängt  worden  ist,  ebenso  wohl  auch  bei  kro- 
pidlo^  das  ich  um  Egg  nicht  gehört  habe,  das  aber  bei  Strekelj  mit  kadidlo 
in  Verbindung  (Slovenske  narodne  pesmil.  433)  dreimal  vorkommt.  Das 
Wort  kadilo  hat  sich  im  Dialekte  von  Brdo  nur  in  einem  Gebetsverslein 
erhalten,  aber  als  kadiio^  nicht  als  kadidlo'.  nSvete  tri^a  kräle  —  so 
zütra  zgujda  stäU  —  so  Jezasa  hskäle  —  trinejst  dni  n  irlnejst  nöi 
—  so  Jezdsö  6ut  gfr  pmcasle:  —  miro,  kddiio.,  cisto  ziätov..  Es  ist 
dies  der  Rest  eines  Volksliedes,  das  sich  anderswo  erhalten  hat,  und 


218  Ivan  Grafenauer, 

zwar  scheint  das  Lied  von  einer  anderen  Dialektgruppe  ins  Gailthal  ge- 
langt zu  sein.  —  Dieselbe  Erscheinung  haben  wir  auch  dort,  wo  ur- 
sprünglich langer  steigender  Accent  nicht  gekürzt  wurde  und  im  Slove- 
nischen  (und  Cakavischen)  langer  steigender,  im  Stokavischen  langer 
fallender  Accent  erscheint:  möjstdr^  sl.  möjstdr^  st.  mäJstor\  — 
grbzdje^  sl.  grozdj'e,  st.  grozcte ;  —  listje^  sl.  listje^  st.  lisce^  c.  lisce ; 

—  qlje^  sl.  ölje^  \i.ülje\  —  2;t'/;e,  sl.  z'elje^  st.  zelje.  Einige  haben  aber 
auch  kurz  fallenden  Accent:  trnje^  sl.  trnje^  st.  trnje  u.  einige  andere. 

Adjektiva.  In  allen  Kasus  ausser  Xom.  Sgl.  Mask. :  6'^ht^  öista, 
disto  U.S.W.,  sl.  Slst  6ista  Sistg,  st.  d^'ist  ölsta.  —  In  der  letzten  Silbe 
ist  ein  Halbvokal:  nizdh,  niska,  nisko  u.  s.  w.,  sl.  nizdk^  nizJca,  nizko^ 
st.  mzak\  —  öz3k^  öska,  osko,  sl.  gzdk,  gzka,  özkg\  st.  uzak.  —  Bei 
der  Mehrzahl  der  so  gebildeten  Adjektiva  ist  aber  auch  im  Nom.  Sgl. 
Mask.  der  kurze  steigende  Accent  durchgedrungen  in  Anlehnung  an  die 
übrigen  Formen  und  Kasus,  und  wir  haben  durchwegs  kurzen  steigen- 
den Accent:  gVdddk  gVddka  glhdko^  sl.  gläddk  glädka  glädkg\  st. 
gladak  [a  zu  Halbvokal  geworden  wegen  l)\  — glinddk  aus  dem  Deut- 
schen, indeklinabel;  —  limojtn^  hmojtna,  hmojtno^  mhd.  gemeit\  — 
jäsn^  jäsna^  Jäsno\  sl.  jäsdn^  jäsna^  jäsng\  st.  jäsan\  —  srentn^ 
srencna.,  sren6no\  sl.  sriicdn^  sreöna,  sre6ng\  st.  srefan',  —  mli^dii, 
mliydna,  mli^dnö;  sl.  mleddfi,  mleS?ia,  mUöng:  —  fff'hSHj  grijsna. 
grijno;  sl.  gres97i,  gresna^  gresng\  st.  grjesan^  grljesan^  und  andere 
ähnliche.  Adjektiva  mit  den  Suffixen  -ji^  -ski^  -ov  {-ev),  -ast,  welche 
ursprünglich  steigenden  Accent  in  nichtletzter  Silbe  hatten,  haben  im 
Gailthal  er  dialekte  um  Brdo  kurzen  steigenden  Accent  in  allen  Formen 
und  Kasus,  falls  dem  betonten  Vokale  mehrere  Konsonanten  folgen: 
kojnsöe^  köjnska^  kojnsko]  sl.  kgnjski^  kgnjska^  kgnjskg\  st.kd7ijski: 

—  crcsuöw^  dresnaa^  6resnd^o\  sl.  öresnjev^  drehy'eva^  öresnjevh  ; 
st.  tresnjev\  —  kü,zjc^  kiigzja^  k'ii3ZJo\  sl.  kgzji^  kgzj'a,  kgzje\  st. 
kozjl,  r.  kogIü;  —  krempast^  krempasta,  krempasto  von  krcmpate, 
hinken;  —  P^sje^  P^sj<i,  pesjo\  sl.  päsji.,  pö,sja^  pö,sje\  st.  pdsj'l^  r. 
neciil;  —  sdtenje^  sl.  slovenski\  tiimpast,  tümpasta,  tümpasto\  — 
^'owdj'e,  V.oic6Ja^  "owdj'o;  sl.  gvdj'i,  aber  st.  btijt.  — 

Zahlwörter,  welche  hierher  gehören,  sind:  dvcjste^  sLdväj'set; 

—  f7']ste  =  sl.  fridesef,  gebildet  analog  nach  dvefste]  —  sirte^  sl.  detrti, 
st.  detvrti,  r.  ^leTBepTLiil ;  —  sesie,  sl.  scsti;  —  sedme^  sklmi\  —  osme. 
sl.  gsmi.  —  Vom  Pronomen:  täksn^  käksn,  sl.  tdks9f7,  kdks9n.  Ad- 
verbia :    doisan  herunter,   dblta  hinunter,  grsan  herauf,  grta  hinauf. 


Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte.  219 

aus  ^oy  seni^  gor  ija\  movka  nachhause;  sönJca  heraus,  tdnka  hinaus, 
soDiie  herausen,  tf}v7ie  draussen ;  zwrha  [züarlia]  oben.  — 

Verbum.  Die  Verba  der  ersten  Klasse:  {^\.)  Jesti^  sedi,  sesti, 
vredi  haben  im  Gailthalerdialekte  um  Brdo  aus  langem  Accente  ge- 
kürzten steigenden  Acccnt  im  Infinitiv  und  im  Part.  Perf.  auf -/, -^a, -/o 
ausser  im  Sgl.  Mask.:  J'^^te^  jedlo^  jedl'b\  sl.j'esii^  j'edia,  jedlo\  st. 
jesti,jela\  —  sejöe^  seJda^  seklo\  sl.  seöi,  sekla^  seklg\  st,  sjeci,  sje- 
kla\  —  seste,  sedia^  sedio;  sl.  sestt\  sedia,  sedig ;  st.  sj'estt,  sj'ela; 

—  tcrde,  icrgla^  icrglo]  sl.  vre&i^  vrgla^  ®^V^?j  ^*'  '^^'c'/,  vrgla.  — 
Diese  Verba  haben  also  den  Stammvokal  e  (f),  und  nur  diese  werden 
gekürzt,  während  ursprünglich  ganz  gleich  betonte  Verba  mit  anderem 
Stammvokal  den  langen  Accent  bewahren  trotz  der  auf  den  betonten 
Vokal  folgenden  Konsonanteugruppe :  kräste^  krädla,  sl.  krautig  krädla : 
st.  krasti\  krdia ;  —  päsfe,  pädia ;  griste^  grizla ;  stride^  strigla  u.  s.  w. 

Von  der  II.  Verbalklasse  betonen  Verba  mit  ursprünglich  kurzem 
Vokal  oder  Halbvokal  im  Thema  die  Stammsilbe  mit  gekürztem  Accente 
durch  das  ganze  Präsens,  der  Infinitiv  betont  das  ^  des  Infinitivsuffixes : 
pr-pdgnite^  prpbgnan^  prpognas,  prpqgnü  u.s.  w.,  sl.  Valj.  pripögnem^ 
pTipogniti,  Flei.  ^) pögnifi, pn'pggnem^  iit. pdgnem;  — pr-mdknlti^ pr- 
meknan ;  sl.  pre-mdknitii  pre-mäknem ;  st.  mäknuti^  maknem ;  — 
^'^^dgnlte^  ögnan\  sl.  ognitl^  ggnem\  st.  ognem\  — pahnite^  pehnan\ 
ü.  p9Jmiti^  pälinem\  h.  pa/i?ie}7i',  —  sd/mUe\  seJma7i\  sl.  S9ntii,  säh- 
?iem;  st.  sa!inem\  —  spd-tdknUe^  spd-tekna7i\  sl.  spo-tdkniti^  spo- 
täknem ;  st.  taknem ;  —  zdshnUe^  zdeJman ;  sl.  vzddhniti^  vzdähnetn  ; 
st.  daluiem.  —  Im  Infinitiv,  Imperativ  und  im  Part.  Perf.  smf  -i, -ia, -io 
zeigen  gekürzten  steigenden  Accent:  zignte,  zigne,  zignö,  zigtfia. 
ztgiv'lo^  sl.  vzdigniti^  vzdigni^  vzdignii]   st.  dtgnuti,  dlgni^  dtgmio: 

—  zmrzfite,  zmrzne,  zmrztw,  zmrzniti,  zmrznij  zmrznil',  st.  smrznuti^ 
smrz7ii^  srrirznuo ;  —  plüs7iU,  plüs7ie^  plüs7iö^  sl.  pljüs7iiti^  pJji'iS7ii, 
pljüs7iil\  h,. pljus7iuii\  —  prä-mte^ präs7ie, p7-äs7iö ;  %\.  ■p7'äs7iiH, präsni, 
prdsiiii',  lt.  p7^äs7iuti;  —  prdTite,  jJvdne,  pt^dtiö;  sl.  p7'rl7iitZj  prd7ii, 
pfdnii\  6i.  prd7iuti\  —  söipiite^  scipne^  s6ip7i6\  vs6ip7iiti^  ■vs6ip7ii^ 
vsdip7iil\  st.  sßp7mti',  —  sk7-}p7ite,  sk7']p7ie,  skiupnd\  sl.  sk7'ip7iiti^ 
skrip7ii,  skripnil',  lt.  sk7'muti;  —  st\s7ite^  stis7ie,  süs7iö;  s\.  sits- 
Tiiti,  stis7ii,  stiSTiii;    st.  stls7iuti\  —   vkhite,  vedTie,  vednö\   sl.  ved- 

1)  In  solchen  Fällen  hat  Pletersnik  die  zurückgezogene,  jüngere  Be- 
tonung, während  Valjavec  die  ursprünglichere,  ältere  Betonung  bevorzugt. 
Ich  richte  mich  hier  nach  Valjavec.  Vgl.  Ead  B.  132,  S.  144. 


220  Ivan  Grafenaucr, . 

niti,  vqdni^  vedmi\  st.  venuti;  —  sSisnte,  sdistie,  s6isnö\  sl.  kisniti, 
kisni,  kisnii\  st.  Uhnuti.  —  So  auch:  ömrkute^  jemanden  heftig  auf 
den  Boden  werfen  [yicmrka)^  dregnte^  pd-6ednti^  fimfnte  einen  Stoss 
versetzen,  mläsnte^  mignte^  zibnte  =^  zginiti^  zehnte^  zmeknte  = 
6m)-knte  u.  s.  w.  Im  Präsens  haben  diese  Verba  kurzen  fallenden  Accent. 

Interessant  ist  die  Infinitiv-  und  Präsensbetonung  bei  einigen  Verben 
dieser  Klasse,  welche  im  Infinitiv  ursprünglich  das  i  des  Suffixes  be- 
tonten, deren  Stammvokal  aber  lang  war.  In  diesem  Falle  geht  nämlich 
im  Gailthalerdialekte  der  Accent  vom  ursprünglich  betonten  Suffix  auf 
die  vorhergehende  lange  Silbe  über,  so  auch  in  der  IV.  und  V.  Verbal- 
klasse: kddUe,  ndsite  ■ — ■  dräzte,  ciepHe\  mdtäte^  kdpäU  —  söipate^ 
skäkate.  —  Die  Präsensbetonung  dieser  Verba  wäre  wegen  des  stok.  " 
im  Sloveuischen  '  (vgl.  Rad  132,  S.  160),  das  auch  Valjavec  verzeich- 
net, im  Gailthalerdialekte  von  Egg  haben  wir  aber  kurzen  fallenden 
Accent.  Es  hat  also  Analogie  nach  der  Gruppe  zmrztite^  zmrznan  u.s.w. 
durchgegriffen:  spläknte^  spiäknan;  sl.  splakniti  (Valjavec),  splähiiti 
(Pletersnik);  spläknem  (Valj.),  spläknem  (Pletersnik),  st.  splakniti, 
spldknem\  —  st('gnte,stegna7i\  seknte^seknan.  Aber:  lürnUe^ivrnan, 
sl.  vrniti,  vrnem.  Die  Verhältnisse  sind  bei  spiäknU  ursprünglich  die- 
selben wie  bei  icrnite.  Die  verschiedene  Behandlung  rührt  daher,  dass 
r  schon  sehr  früh  als  kurze  Silbe  gefühlt  werden  mnsste,  daher  die 
Anlehnung  an  die  Gruppe  makmte,  meknan  und  nicht  an  die  Gruppe 
zmrznte,  zmrznan. 

Dieselbe  gekürzte  Betonung  wie  zmrznte  u.  s.  w.  haben  von  der 
vierten  Verbalklasse:  sölstaie  {sdutn,  s6tstds^  sd'iste],  sdiste,  sdistö; 
s\.  izSistiti,  izöisti,  izöistil]  st.  dtstiti,  dlsti^  dlstio]  — '^^9-prtdte, 
'"^aprte^  ^"dprfö;  sl.  o-prtiti,  oprti,  oprtii\  h.  prtiti:  — jezd9te,je- 
zdöy  sl.j'ezditi.  —  Im  Präsens  hat  kurzen  steigenden  Accent:  pdstUe 
se,  pbstn  se^  pöstds^  poste  u.  s.  w.,  sl.  posiiti,  pqstim  aber  st.  pöstim. 

V.  Verbalklasse.  Der  Infinitiv  ist  ursprünglich  auf  dem  Suffixe 
betont,  das  Präsenssuffix  ist  -jem  [-Jan) :  dri^mate,  di^mlan^  dri^mlas, 
drlsmU  u.  s.  w.,  sl.  dremäU.,  dremlj'em^  st.  drijemati,  drljemJjem\  — 
joskäte,jds6an\  &\.iskäti,  is6em\  'utiskati,  Istem;  —  klpäie,  kleplan; 
sl.  klepäti,  kl'epljem.\  st.  kUpati^  klepljem;  —  &räte^  serJan,  ü.sräte, 
serjem\  st.  serem\  —  skripate^  skr) plan;  sl.  skripäti,  skripljem;  st. 
skrlpljem ;  —  söipate^  s6\plan,  sl.  sSipdti,  sHpljem ;  st.  süpljem.  Auch 
im  Infinitiv  haben  gekürzten  Accent:  henjate,  henjati,  lienjas  u.  s.  w., 
'^.  j'enjam..  Vi.  jenjäm;  —  püiöate,  piisöam.,  sl.  püsdam^  st.  püstätn  ; 


Zum  Accente  im  Gailthalerdialckte.  221 

—  mi^njaU^  m\}njan\  sl.  mcham^  st.  mijevjän.  Imperativ  und  Part. 
Perf.  auf  -/,  -la^  -lo  dieser  Verba:  hcrijej\  henjöl\  2iüs6ej\  pmdeßd^ 
pusd(Jl\  mijnjej^  nti^njöl'^  d\irjaU^  (Dgrjan,  (l/igrjej\  di^rjol  rennen.  So 
auch  die  im  Präsens  nicbfjotirten  Verba:  dürhate  durchgelien,  laufen; 
fentaU  pfänden,  ßedraU  aus  dem  Dienste  entlaufen,  ßobxite  flattern, 
Jiäwlate  bellen;  lömhate  läuten,  türdate  zusammenstossen,  ein  Spiel 
mit  den  Ostereiern,  und  andere.  Im  Präsens  fallenden  Accent  hat: 
irgatcj  sl.  trgati,  st.  i/rgati]  —  it'9y\  t''9'^i-i  sl.  trgaj\  trgal\  Präs.  aber : 
trgan,  irgas,  trga  u. s.w.,  sl.  trgam.  Von  der  VI. Klasse  hat  in  allen 
Formen  gekürzten  steigenden  Accent  auf  der  ersten  Silbe:  pestowate, 
sl.  pestoväti, pestovaii.  Präs.  pestdwati,  pcstawas  u. s.w.  Imp.  peatd- 
icej\  Part.  Pf.  II.  pe&tdwöl^  Part.  Pf.  Pass.  pesidwan^  Sup.  pestdwat. 

Denselben  Prozess,  den  wir  bei  ursprünglich  steigendem  Accente 
auf  derselben  Silbe  im  Gailthalerdialekte  beobachtet  haben,  sehen  wir 
auch,  falls  der  Accent  von  der  darauffolgenden  Silbe  auf  einen  ur- 
sprünglich langen  Vokal  zurückgezogen  wurde.  Gewöhnlich  haben  wir 
im  Gailthalerdialekte  denselben  langen  steigenden  Accent,  der  auch 
sonst  im  Slovenischen  in  diesem  Falle  eintritt:  hräda.,  sl.  bräda,  r.  60- 
poAa;  —  düsa,  sl.  düsa,  r.  Ayiuä;  —  sriadci^  sl.  sreda^  r.  cepeAa;  — 
zinia^  si.zima^  r.  3HMa;  — greda^  %\.greda^  r.  rpaAa;  —  möJca,  ^X.möka^ 
r.MjKa.  Vgl.  Rad  132,S.  183 ff.  Kurzer  steigender  Accent  aber  erscheint 
unter  denselben  Bedingungen,  wie  in  der  eben  besprochenen  Gruppe. 

Mit  dem  Zurückziehen  des  Accentes  ist  im  Gailthalerdialekte  auch 
eine  Erscheinung  verbunden,  welche  als  Doppelaccent  bezeichnet  wird. 
Diesen  hat  für  den  Gailthalerdialekt  schon  V.  Oblak  konstatirt,  vgl. 
Arclüv  B.  XVIII,  S.  257  ^).  Der  Doppelaccent  im  Gailthalerdialekte 
stimmt  in  zweisilbigen  Worten  und  in  Worten,  welche  die  vorletzte 
Silbe  betonen,  lautlich  mit  der  Definition  übereiu,  welche  Prof.  Resetar 
im  §  3  seiner  Schrift  »Die  serbokroatische  Betonung  südwestlicher  Dia- 
lekte« feststellte,  die  erste  Silbe  ist  stärker,  die  zweite,  ursprünglich 
betonte,  höher  betont.  Diese  Erscheinung,  welche  einUebergangsstadium 
von  der  ursprünglichen  zur  jüngeren  Betonungsweise  ist,  kann  aber  im 
Gailthalerdialekte  nicht  mehr  als  üebergangsform  betrachtet  werden, 
denn  sie  ist  keineswegs  nur  auf  Worte  mit  ursprünglicher  Endbetonung 


1)  Oblak  ist  dort  ein  Versehen  unterlaufen;  er  gibt  als  Beispiel  für  den 
Doppelaccent  im  Gailthale  unter  anderem  auch  giiddamö  {gl§d).  Es  ist  dies 
wohl  eine  Kontamination  zweier  Formen:  gth.  gödam'ö  [gqd)  und  jaunth.  gtq- 
damo,  gth.  gledamo  [glfid],  das  aber  fallend  betont  ist. 


222  Ivan  Grafenauer, 

beschränkt,  sondern  hat  weitere  Kreise  gezogen.  Ursprünglich  auf 
Fälle  beschränkt  wie  röka,  bräda^  wo  der  Doppelaccent  auf  lautlichem 
Wege  entstanden  ist,  ist  er  auch  auf  die  übrigen  Fälle  des  steigenden 
Accentes  ausgedehnt  worden:  z.  B.  bäha,  st.  baha^  Mäce^  st.  Made. 
verUj  st.  vj'era^  süsä,  st.  susa  u.  s.w.,  wo  er  nicht  lautlich  erklärt  wer- 
den kann,  sondern  durch  eine  Inklination  des  Sprachgefühles,  weiches 
dieser  Form  des  steigenden  Accentes,  sie  analog  verallgemeinernd,  den 
Vorzug  gab.  So  ist  heute  der  Doppelaccent  die  einzige  Form  des  stei- 
genden Accentes  im  Gailthale,  nur  dass  die  Exspiration  des  Neben- 
accentes  beim  kurzen  Accente  schwächer  ist  als  bei  langem.  Aehnlich 
ist  es  auch  in  mehrsilbigen  Wörtern,  bei  denen  der  Hauptaccent  auf 
einer  Silbe  vor  der  vorletzten  Silbe  ruht.  Bei  diesen  Wörtern  trägt 
immer  die  zweite,  dem  (steigenden)  Hauptaccente  folgende  Silbe  einen 
schwächeren  aber  höheren,  kurz  fallenden  Accent :  zmr/rada,  vevarcä 
{veverica),  läkatnca  [la/cotnica]^  sMkate,  pestdicclte  u.  s.  w.  Wegen 
der  Regelmässigkeit  dieser  Erscheinung  bezeichne  ich  den  Neben- 
accent  nicht. 

Gekürzter,  von  der  folgenden  Silbe  zurückgezogener,  steigender 
Accent : 

Substantiv.  Maskulina.  Es  sind  dies  meist  Wörter,  weichein 
der  letzten  Silbe  einen  Halbvokal  haben,  die  aber  theilweise  wie  ein- 
silbige Wörter  gesprochen  werden:  cvinc^  cv)nca,  sl.  svinac,  svmca\  r. 
CBHnei];'i>;  —  kiänc^  Mänca\  sl.  Mändc^  st.  klänac,  c.  Tdänac\  — 
KräJnCj  Kräjnca^  sl.  Kränjdc^  st.  Kränjac^  c.  Ki'änjac\  —  s)rh, 
s\rka\  shstrdk,  IX.sijerak,  c.  siruk\  —  rä7ik,  ränka  [virani)'^  vgl.  sl.  vrä- 
nec^  st.  vränac,  c.  vränac;  krücl  Eiszapfen,  sl.  krcelj\  räskiad  Acktx- 
beet,  Pletersnik  hat  nach  Jarnik  räsklad\  sl.  rttzklad.  Feminina  der 
a-Dekliuation :  bi^äzda,  bräzde  u.s.y^.,  sl.brdzda,  ht.bräzda^  c.bräzda, 
Y.  öoposAa;  — p}zda,  s\.  jnzdo,  c.  plzdä',  —  itzda,  sl.  lizda,  st.  zizda, 
r.  ysAa,  aber  c.  uzda]  —  zvi^zda,  sl.  zvezda,  st.  zvijezda,  c.  zvezda, 
r.  3Bi3/i;ii;  kl),sö6,  sl.  klesde,  st.  klijcste^  r.  KMemii;  —  slotcza^  sl. 
solza,  c.  suzä.  Dazu  kann  auch  das  schon  oben  aufgezählte  slhzba  hin- 
zugezählt Averden. 

Neutra:  äpno,  äpna  u.s.  w.,  sl.  väpng,  st.  väptio,  c.j'äpno,  klr. 
Baniio,  r.  aber  Banuo;  —  gni^zdo,  sl.  gnezdo,  st.  gnijezdo,  c.  gtiezdo^ 
X.  TYAijifi;  —  V^two^  sl.  dleto^  st.  dlijeto^  c.  dleto,  r.  ao-ioto;  —  tisf/S, 
sl.  Ustje,  st.  lisce,  c.  Itsöe;  —  k7'uUÖ,  sl.  krilg,  st.  krilo,  c.  krllo,  r. 
KpHJio;  —  trüpio,  sl.  trüphj  c.  tniplo)  —  üst^,  sl.  üsta,  st.  i'ista^  r. 


Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte.  223 

ycTci ;  — pvu  fj'r,  sl.  vpifje ;  zgänjo^  sl. zganje.  Dazu  können  noch  gezählt 
werden  die  schon  oben  erwähnten  Neutra:  7)idsHco,  sshiö,  zhnstico. 

Adjektiva:  gost^  gösta,  gösto,  s\.  gost,  ggsta,  gosto',  st.güst, 
güsta;  r.  rycTi,  rycTa,  rycTo:  —  pusf,  püsta,  püsto,  9\.  püst, 
jjHsta,  st.  püst^  püsta^  r.  nycTi,  nycTa,  nycTO.  —  du^zn^  dti^zna, 
dü^zno^  sl.  döizdn,  c.  duzan;  ■ —  gi'hsn,  grtjtia,  gfi^sno]  sl.  grehn^ 
('.  gresan\  —  möin,  mbtna^  sl.  m()t9n^  c.  mütun\  —  /p/i^ö,  pVdwa\  — 
r))d9k,  rijdka^  sl.  reddk,  redka\  c.  rcdak\  ^V^f/;?,  ^"iUjdna\  sl.v7'ed9n, 
vredna,  c.  vredä/i,  und  andere  ähnliche. 

Pronomina:  nehte^  sl.  ?iekdn',  nejkc^  sl.  nehje. 

Vevbum.  Bei  der  ersten  Verbalklasse  sind  die  Betonungsverhält- 
nisse nicht  bei  allen  Formen  gleich.  Der  Infinitiv  hat  gewöhnlich,  falls 
die  Stammsilbe  den  Ton  trägt,  trotz  der  folgenden  Konsonantengruppen 
langen  steigenden  Accent:  meste^  sl.  mesti^  st.  mesti,  r.  mhctii;  — 
räste^  sl.  rästi,  r,  pocxii;  —  zebste,  sl.  zebsti,  r.  3h6cth;  —  ireste^  sl. 
(rcsti,  r.  TpHCTii.  Ausgenommen  sind  nur  die  Verba  mit  en  für 
e  (a):  n9pren6e^  sl.  na-preH^  klr.  npHiii,  und  dasenöe^  sl.  do-seci^  r. 
AOCH^H.  Dagegen  im  Präsens :  nicht  nur  pr-senzan^  pr-senzas  u.  s.  w., 
sl.  prisezem\  ndprenzan^  sl.  naprezem^  r.  sanpaaceuit;  Unzan^  sl.  /(?- 
zem^  sondern  auch  rästan^  sl.  rästem^  r.  pocTemB.  So  auch  im  Impe- 
rativ: -prhnze^  sl.  -pr'ezi^  -senze^  sl.  S(?i?*,  raste,  sl.  ms^/,  r.  pocTii.  Im 
Part.  Pf.  auf  -/«,  -^  sind  die  Verhältnisse  wieder  dieselben  wie  beim 
Infinitiv:  räsia^  räsio  u.  s.  w.,  sl.  räsla,  räslo,  r.  poexjia,  pocxjro;  — 
media,  medio\  stri^gla,  stri^glo  u.  s.w.  Aber:  -prengla,  sl.  -pr'egla, 
X.  Hanpfltrjiä;  sengia,  lengia. 

Bei  den  übrigen  Klassen  sind  die  Verhältnisse  einfacher,  kurzer 
Accent  tritt  ein  vor  mehreren  Konsonanten.  Im  Infinitiv:  spiäknte,  sl. 
splakniti,  st.  splähttUi]  mahnte,  sl.  mähniti,  st.  mähnuti;  stegnte, 
sl.  stegniti,  seknte,  sl.  sekniti  u.  s.  w. ;  —  räwnate,  sl.  ravnäti,  st.  rar- 
?^ö^^  U.S.  w.  Präsens:  rävman,  rawnas,  rävna  u.s. w.  Die  hierherge- 
hörigen Verba  der  II.  Klasse  aber  maJinatixi.i.v:. —  Imperativ:  mahne, 
sl.  mähni,  r. MaxHii;  spiäkne,  sl.  spläkni;  sekne,  sl.  vs'ekni;  von  wrnite, 
sl.  vrniti,  icrne,  sl.  ?'/•«?,  r.  sepHii.  —  Weiter:  raxcnej;  skMle  von  5^-«- 
knte,  skäclan  u.  s.  w.  Part.  Perf.  auf  -/,  -la,  lo:  mahnö,  mähti'la, 
mähn^lo,  sl.  mähnil,  mahnxla,  mahnilo.  spläknö  u.  s.  w.,  sl.  splä- 
knil;  u.  s.  w. 

In  jenen  Wörtern,  wo  ursprtinglich  fallender  Accent  auf  nichtletzter 
Silbe  ruhte,  trat  dieser  im  Slovenischen  von  dieser  auf  die  folgende  Silbe 


224  lyan  Grafenauer, 

des  Wortes  über,  welche  gedehnt  wurde,  falls  sie  kurz  war,  und  wir 
haben  langen  fallenden  Accent  auf  der  folgenden  Silbe.  Vgl.  Rad  132, 
S.  191  ff.  Das  Stokavische  hat  den  ursprünglichen  fallenden  Accent, 
nur  dass  die  folgende  Silbe,  falls  sie  geschlossen  war,  gedehnt  wurde  : 
sl.  (^ospgd,  kokgSj  gorq^  lt.  gdspöd,  kokös^  goru.  Im  Gailthalerdialekte 
haben  wir  aber  meist  langen  steigenden  Accent  auf  der  Silbe,  auf  der 
ursprünglich  der  Accent  war:  kokds^  öko,  sl.  okg  u.  s.  w.  Es  hat  auch 
die  Analogiebildung  insbesondere  in  der  a-Deklination  diese  spezifisch 
slovenische  Betonung  stark  verwischt,  ebenso  bei  der  Deklination  der 
einsilbigen  ■b/o-Stämme,  wo  der  Nominativ  Sgl.  auf  die  übrigen  Kasus 
einwirkte,  so:  7nüi>st,  mösfa  und  tnüiSta.  Die  Regel  ist  hier  doch  immer- 
hin der  steigende  Accent. 

In  jenen  Wörtern  mit  dieser  Betonung,  deren  Stamm  auf  mehrere 
Konsonanten  endigt,  erwarten  wir  im  Gailthalerdialekte  in  den  mehr- 
silbigen Formen  kurzen  steigenden  Accent,  doch  ist  dies  bei  den  (im 
Nom.  Sgl.)  einsilbigen  Wörtern  nicht  immer  der  Fall,  z,  B.  mäst^  mäste, 
sl,  mäst,  masti,  st.  mästi',  —  7nüfSf,  mösta  neben  mü^sta,  sl.  mf)st, 
mostü,  st.  mosta.  Kurz  sind :  pest,  peste,  sl.  pesf,  pesti,  st.  pesti  und 
Substantiva  mit  r  im  Stamme:  brv,  brve,  sl.  bfo,  brvi,  r.  öposn;  — 
kriy  Irve,  sl.  h^vi,  r.  KpÖBH  u.  s.  w.  Die  Neutra  der  Adjektiva  posf, 
ffdsto,  sl.  ffosto,  r.  rycTO ;  pilsto,  sl.  pustu,  r.  nycxo  habe  ich  schon 
oben  kurz  angeführt,  es  ist  dies  Analogie  wohl  nach  dem  Femininum, 
das  ursprünglich  endbetont  war.  So  auch  grdo,  sl.  (/rdg,  r.  r6p;i;o, 
frdÖ,  sl.  trdoj  r.  TBep;i,o.  Hier  mag  ich  auch  erwähnen,  dass  im  Gthd. 
das  Adv.  nicht  gleich  ist  dem  Nom.  Sgl.  Neutr.  des  betreffenden  Ad- 
jektivs, das  Adjektiv  hat  im  Neutr.  Sg.  die  Endung  o,  das  Adverbium 
ö,  die  Betonung  ist  dieselbe. 

Bei  mehrsilbigen  Substantiven  ist  die  Betonung  regelmässiger,  lang 
bei  einfacher  Konsonanz :  kökds-kokgs,  pöma6-pomq6,  kurz  vor  meh- 
reren darauffolgenden  Konsonanten:  öblak,  oblaka  u.  s.  w.,  sl.  oblak, 
ohlaka,  st.  obläk,  resiad.  bblak  (fallend?),  r.  oöjiaKt;  —  obrand,  sl. 
obrgö,  st.  obrUd,  r.  ööpyut,  bulg.  ööpi.Ti'L;  —  öinlada  die  Zeit,  da 
der  Mond  aufnimmt  (vom  Neumond  bis  Vollmond) ;  östara  die  Zeit  vom 
Vollmond  bis  Neumond;  —  mqzyane,  sl.  mozgani,  st.  mozdäni;  — 
podlaka,  sl.  podl?)ka ;  —  preklade  Pluraletant  fem.  Gen. ;  Pletersnik 
betont  es  prckladi  und  stellt  es  unter  das  Schlagwort  pi'eklad.  Er 
hätte  es  besser  unter  prekliida  stellen  sollen,  das  etwas  Darübergelegtes, 
speciell  auch  die  Dachstuhlfette  bezeichnet,   was  mit  der  Bedeutung 


Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte.  225 

von  prekiade  Tenndecke  stimmt.  Der  Akkusativ  ist  auch  preklade'. 
rds  preklade  Je pädö^  vgl.  auch  Kres  III.  474.  Gen.  lautet  aber  pre- 
kladöw,  also  nach  der  ö/o-Deklination.  Ebenso:  pograde  Pluraletant. 
fem.,  Schlafstelle  über  dem  Ofen;  —  otracc  Pluraletant.  fem.;  Ple- 
tersnik  kennt  otrohi  und  otrova^  was  wohl  ein  und  dasselbe  Wort 
ist.  Es  ist  ein  alter  Plur.  auf  -y  und  ist  theils  zur  ^-,  theils  zur  o-De- 
klination  übergegangen.  Im  Gailthalerdialekte  lautet  der  Gen.  ''^dtrvi, 
also  nach  der  «-Deklination ;  —  drozj^^  sl.  drozj?;  u.  s.  w.  Ganz  ähn- 
lich verhält  es  sich  mit  den  Wörtern  auf  -äva:  döbraa^  sl.  dobräva; 
mznjaa^  &\.mzäva;  vwnjaa,  sl.  visäva]  HrnjaUj  sl.  sirjava\  bliznj'aa^ 
sl.  blizava]  delnjaa^  sl.  daljäva.  So  auch  pöxoadn^  i\. poviodenj\  st. 
pövodanj. 

Der  gekürzte  fallende  Accent. 

Er  ist  gekürzt  worden  aus  slovenischem  langen  fallenden  Accente 
meist  in  jenen  Fällen,  wo  dieser  aus  ursprünglich  steigendem  Accente 
entstanden  ist,  und  zwar  unter  denselben  Bedingungen,  wie  der  ge- 
kürzte steigende  Accent. 

Feminina  mit  einem  Suffixe,  das  mit  einem  Konsonanten  beginnt 
und  an  den  mit  einem  Konsonanten  schliessenden  Stamm  angefügt  wird. 
Die  Beispiele  sind  der  Mehrzahl  nach  Feminina:  lergia^  VergU,  sl. 
berglja]  —  britwa,  britlca^  sl.  britoa,  st.  brifva;  —  caganka^  sl.  ci- 
ganka\  —  6l,kla^  sl.  kikla  Kittel;  —  clkla  Thiername;  —  godla,  sl. 
godlja;  —  hruska,  sl.  hrüska^  st.  kruska\  —  kasta^  sl.  kasta\  — 
kl  etwa,  sl.  kletva\  —  idznlwka,  sl.  ldzmvka\  —  maöka,  sl.  maöka, 
st.  ma6ka\  —  ndthka,  sl.  oüska\  —  parnS  (Plur.),  %\.  pdrna\  — 
pj'anka,  &\.  pijä7ika\  — pUmnÖQca,  ^\. plamnka,  planmdica]  —  pd- 
setwa,  sl.posetva;  —  rania,  al.ränia',  —  regia,  sl. reglja;  —  rejta,  sl. 
rajta;  —  rogia,  al.rogla;  —  signca,  'sX.senca,  h..sjenica\  —  sprikla, 
sl.  sprikJja ;  —  zvizgla,  sl.  zvizglja  u.  s.  w.  Hierher  gehört  auch  das 
Neutrum  sonce,  sl.  soince,  ferner  die  neutralen  KoUektiva  und  Abstrakta 
auf  -Je,  die  Neutra  auf  -stcg  und  die  Verbalsubstantiva  von  Verben  der 
3.,  4.  und  6.  Klasse,  gebildet  vom  Part.  Perf.  Passivi :  BriiZjS,  sl. 
Brezje,  Wallfahrtsort  in  Oberkrain;  grmqxoj^,  sl.  grmq'oj^;  Inje,  sl. 

ivje;  piarj^,  i\.  perje;  smigtje,  sl.  swe^'e  und  smetje;  smori^öj^,  sl. 
smredje;  snirrinj'^,i[.smrlmjc'  woUJi  aus  lobUa,  %\.JeUJe  aus  Jeiia; 
zgiüwjä,  sl.pod-zgldvje ;  zdräwje,  ül.  zdrävje ;  zrnje,  sl.  zrnje  u.  s.  w.  — 
bdgastwo,  sl.bogästvg;  pjanstwo,  a].pijänstvg;  pastMwo,  il.po/nstvg; 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXTII.  15 


226  Iv^ii  Grafenauer, 

zrianstwo  »Bekanntschaft«,  sl.  znanstvo  u.  s.  w.  —  6dsanj^^  '^.6esanje\ 
klöanje^  sl.  kle6änje\  Uzanj^^  sl.  lezanje\  k9pwanj6,  sl.  kupovänJe\ 
zd-pdftsnji^  ■A.potcnje  [zdpdtlßijii  bedeutet  »Arznei«);  znanj^^  sl. 
znänje  und  viele  andere. 

Bei  den  männlichen  Substantiven  der  */o-Deklination  tritt  im  Slo- 
venischen  fallender  Accent  auch  im  Nominativ  Sgl.  auf  bei  den  Suffixen 
-9c,  -dk.  Dieses  Suffix  hat  ausser  im  Nominativ-Akkusativ  Sgl.  konso- 
nantischen Anfang,  daher  fallender  Accent  zuerst  in  den  obliquen  Kasus, 
analog  auch  im  Nom.Akk.Sgl.  Im  Gailthalerdialekte  haben  wir,  da  der 
Halbvokal  auch  in  den  obliquen  Kasus  nicht  oder  wenigstens  nicht 
spurlos  schwindet,  langen  fallenden  Accent,  wofern  nicht  die  vorher- 
gehende betonte  Silbe  mit  mehreren  Konsonanten  scliliesst:  j'azhdc^ 
Jiizbdca^  s\.  jäzb9c,  it.  j'azavac,  doch:  /ili^bdc,  hlijjsca,  sl.  /ilebdc; 
brt,mac,  5r?jW9C(7,  sl.  bremac ;  zlü^mdk^  zlü^m^ka,  sl.  zlomek,  u.  s.  w. 
Kurz  betont  sind:  paic,  päica,  s\.  pähc,  pälca,  lt.  palac;  —  kälc, 
kaha;  sl.  tkaifdc,  tkalca\  st.  fkalac.  —  Tritt  aber  zu  dem  ersten 
Suffixe  in  den  Wörtern  mit  langer  Betonung  noch  ein  zweites  hinzu, 
wodurch  der  Halbvokal  des  ersten  Suffixes  schwindet,  so  haben  wir 
kurzen  fallenden  Accent:  Jdt,bdc:  hTiabödd]  —  brt,m9c:  bri^mdad;  — 
klindc'.  kT%ncd6\  krajdc:  krajdd6\  petelindc:  pdldVlnödö.,  vim9c,  vi- 
maca :  virndad,  u.  s.  w.  Kurze  Betonung  haben  auch  ctlntrar,  mr/iar 
und  ähnliche,  dagegen  hribar,  glazar  u.  s.  w. 

Bei  den  Adjektiven  haben  wir  im  Gailthalerdialekte  kurzen  fallen- 
den Accent  in  Bildungen  mit  dem  Suffixe  -j'i  {-{/'),  das  ursprünglich  wohl 
lang  steigend  betont  war,  {/'aus  tjt,  was  im  Slovenischen  in  der  vor- 
hergehenden Silbe  langen  fallenden  Accent  bewirkte  (vgl.  Rad  1 32,  S.  1 54), 
und  in  der  unbestimmten  Form  im  Gailthalerdialekte  gekürzten  stei- 
genden Accent  haben:  babj'e,  sl.  babji\  kadje,  sl.  kä6Ji\  krawji!,  sl. 
krävj'i]  kurje.,  sl.  kürji\  mUje.,  sl.  misj'i;  rlbje,  sl.  ribji;  fl^Je.,  sl. 
'pti6ji\  hsidje,  sl.  Usiöji  u.  s.  w.  —  Ö'^iste.,  dlsfa,  ölsto^  sl.  6isti\  — 
crne,  örna^  6rno,  sl.  6rni\  —  gosU,  gosta\  grde.,  grda\  iasde,  iahka; 
madlSy  madia;  mdtne,  mbtna:,  nisde,  niska]  osde^  oska;  ptitve^ 
prUwa]  sll^^Se,  sü^dka,  u.  s.  w. 

Pronomina:  fiste,  ßsta,  fisto  durch  alle  Formen,  sl.  üsti. 
Numeralia:  petnejst.^  sl.  petnajst\  s'i^stnejsf,  sestnajst\  petred^ 
^ijstredj  fünfzig,  sechzig;  täwzni,  tausend;  jyrve,  sl.  pfvi\  dicqjne, 
trojne^  sl.  dvojni,  trgjni.  Adverbia:  tuka,  &\.tükaj\  tukaU,  sl.  tü- 
kajle\  tanU^  sl.  tämU\  znd^,  anderswo;  — pttjle, poslej)  pgtlej',jliträ, 


Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte.  227 

sl.JütrL    Präposition:  zUfpa?'^  ä\. zojydr.    Konjunktionen:  Ää/tar, 
k9ddr,  sl.  käkor,  kddSr. 

Verbum.  Von  der  I.  Klasse  haben  kurzen  fallenden  Accent: 
wrzan^  sl.vrzem,  ivrzas,  vrzi'u.B.w.j  wrffö,  i[.vrgal\  tcrzan^  %\.vrzen. 
Ferner  das  Part.  Perf.  auf  -/  und  das  Part.  Perf.  Pass.  von :  Unzan^  sl. 
lezem:  Tengo^  sl.  Icgdl^  st.  Vegao]  lenzan,  sl.  tqzen]  —  prende,  sl. 
prqdi.  prengö^  ü.  pregal;  st.  näpregao;  — prenzan^  sl.prezen;  — 
-sende,  sl.  -sedi:  sengöj  sl.  segdl,  st.  dosegao]  z9prsenzan,  sl.  zapri- 
sezen]  zräste,  sl.  zrästi:  zrasöati,  sl.  zräsöen.  II.  Verbalklasse:  Im 
Präsens  Singular  durch  Analogie  auch  Dual  und  Plural  und  im  Part. 
Perf.  Pass.  auf  -en  haben  kurzen  fallenden  Accent  (über  den  fallenden 
Accent  im  Slovenischen  in  diesen  Fällen  vgl.  Rad  132,  S.  155  ff.): 
zignte^i  sl.  vzdigniti:  ztgnan,  zignas,  zlgn^',  u.  s.  w.,  sl.  vzdigneni: 
ztgnjan,  sl.  vzdlgnjen\  —  znirznte,  sl.  zmrztiiti:  zmrznan,  sl. 
zmrznem,  h.  zmrztietn;  z?nrzt7jan,  sl.zmfznj'en',  — plüsnte:  plüsnan., 
sl.  plüs?iem;  —  präsnte:  prasnan,  s\. präs?ietn,  st.  prasnem ;  praspj'an, 
sl.  prasnj'en;  — prdnte:  prdnan,  i\.  prdnem,  htjjrdnetn;  —^  sSipnte: 
äö^ipnan,  ü.  i6ipnem\  prs6\pnjan,  %\.pres6ipnjen\  —  sknpnte:  skrip- 
nan,  sl.  skripnem;  skripnjan,  sl.  skripnjen\  —  süsnte:  sfisnan,  sl. 
silsnem,  st.  sfisnem ;  sßsnjmt,  sl.  süsttjen ;  —  vedfite:  vednati,  sl.  ved- 
nem,  st.  venem;  vednjan,  sl.  vednjen\  —  s6\snte:  sd^isnan,  sl.  skis- 
nem,  st.  Msnem\  sdls7ijan,  sl.  sk%snjen\  —  so  auch:  pdkleknte,  sl.po- 
kl'ekniti:  pdkTeknan\  — prmbknte.^  %\.premökniti'.  prnioknan;  ebenso 
dmyknte^dregjite,  padednte,  finfnte,  mläsnte,  mignte,  z\hnt'ef  zmeknte 
U.S.W.  Von  der  IV.  Verbalklasse  haben  diese  Betonung  das  Präsens  der 
Verba:  jezddte:  fi^zdn,  fijzdos  u.  s.  w.,  s\.  jezdim]  —  grezddte  s^'. 
gri^zde  sS  me  es  ekelt  mich;  Pletersnik;  hat  nach  Janezic  groziti,  grozi 
se  mi,  nach  Erjavec  aus  Dreznica  pod  Krnom  greziti  se:  grezi  se  mi\ 
vgl.  r.  rpesHTtcfl.  Von  der  V.  Verbalklasse  haben  einige  diese  Betonung  in 
allen  Formen  :  nQgävjate,  sl.  nagänjatij  Sup.  ndganjat\  Präs.  ndganjan^ 
ndga7ijas,ndganja^  ^. ganjam\  lmp.?idga?2jej\  ndgattjej'ica,  naganjejmöj 
ndganjejle,  sl.  naganjaj\  Part.  Perf.  auf  -/:  ndglhy'öl^  sl.  naganjal; 
prgänjan,  sl.  pregänjan;  —  hrncate  werfen  etwas,  dass  es  schwirrt: 
drnkate  schnurren  (von  der  Katze);  Vmgate  baumeln;  menkate,  sl. 
manjkati\  7i9sianjate.i  sl.  vaslanjati,  pumrate  laut  klopfen  (an  der 
Thüre);  rancate  ein  Spiel  auf  der  rdncala]  das  ist  ein  etwa  drei  Meter 
langes  Brett,  das  in  der  Mitte  auf  einer  Seite  eine  Höhlung  besitzt,  dass 
es  auf  einen  massig  hohen  Pfahl  aufgesetzt  werden  kann.     Die  beiden 

15* 


228  Ivan  Grafenauer,  Zum  Accente  im  Gailthalerdialekte. 

Spielenden  setzen  sich  auf  je  ein  Ende  des  Brettes  und  drehen  sich  auf 
dem  Brette  im  Kreise  um  den  Pfahl,  auf  dem  das  Brett  in  der  Mitte 
ruht.  —  rinkate,  zdpisnjate,  sl.  zapenjati.  Zu  erwähnen  sind  dann  noch 
die  Verbindungen  des  ne  mit  den  Verben  hom  und  6em :  rieJÖn^  nejdes 
u.  s.  w.  ich  will  nicht;  tieghn,  nejbds  u.  s.  w.  ich  werde  nicht. 

Wenn  wir  das  Resultat  dieser  Ausführungen  zusammenfassen,  so 
sehen  wir,  dass  der  Gailthalerdialekt  in  Bezug  auf  den  kurzen  Accent 
einerseits  den  älteren  Zustand  des  Slovenischen  bewahrt  hat,  dort  wo 
der  Accent  von  der  ursprünglich  betonten  Silbe  auf  eine  vorhergehende 
kurze  Silbe  (insbesondere  bei  e  und  6)  zurückgezogen  wurde,  —  langen 
steigenden  Accent  hat  in  diesen  Fällen  nur  die  Vordernberger  Mundart 
bei  offenem  einfachen  e  und  o,  —  anderseits  aber  in  der  Lautentwick- 
lung dem  Slovenischen  vorausgeeilt  ist,  indem  er  die  Kürzung  geschlos- 
sener Silben  beinahe  ganz  konsequent  durchgeführt  hat.  Dies  liegt 
zwar  schon  in  der  allgemeinen  Entwicklung  der  Sprachen,  doch  kann 
die  Nähe  des  deutschen  Sprachgebietes  und  die  Einflussnahme  der  deut- 
schen Sprache  den  ersten  Anstoss  zu  dieser  Entwicklungsrichtung  ge- 
geben haben. 

Ivan  Grafenauer. 


Die  slavische  Vertretimg  von  indogerman.  o. 


Im  Slavischen  sind  indogerm.  a  und  o  unterschiedslos  durch  o  ver- 
treten. Die  von  Brugmann  (Grundriss  P,  146)  vorgetragene  Lehre: 
»0  blieb  in  der  Zeit  der  balt.-slav.  Urgemeinschaft  o,  weiterhin  auch  im 
Allgemeinen  im  Slavischen,  während  es  im  Baltischen  zu  a  wurde«, 
dürfte  die  herrschende  Anschauung  wiedergeben,  wenn  auch  vielleicht 
nicht  allgemein  anerkannt  sein.  Ich  selbst  habe  jedenfalls  Einleit.  in 
d.  Geschichte  d.  griech.  Sprache  S,  111.  115  eine  andere  Ansicht  ver- 
treten, wonach  idg.  o  im  Slavischen  wie  im  Baltischen  zuerst  zu  a  ge- 
worden und  dadurch  mit  idg.  a  zusammengefallen,  dann  später  gemein- 
sam mit  diesem  in  das  schon  in  den  ältesten  slavischen  Texten  vor- 


Die  slavische  Vertretung  von  indogerman.  o.  229 

liegende  o  übergegangen  ist.    Folgendes  Schema  veranschaulicht  den 

Vorgang : 

idg.  a  o 

\/ 
balt.-slav.  a 

/\ 
balt.  a  slav.  0. 

Ausgesprochen  hat  die  Ansicht,  dass  »jedes  slavische  o  aus  a  entstan- 
den ist«,  schon  Mahlow,  Die  langen  Vokale  S.  7  f.,  sie  aber  lediglich 
mit  der  Analogie  des  baltischen  Wandels  von  o  zu  a  begründet:  da  im 
Litauischen  ev  ^  ov  ^  av  geworden  sei,  so  könne  auch  aksl.  synove 
nicht  direkt  auf  *süneves  zurückgehen,  sondern  habe  ein  *sünaves  zur 
Vorstufe  gehabt. 

Diese  Folgerung  ist  natürlich  nicht  zwingend  und  hat  deshalb,  wie 
es  scheint),  keinen  Eindruck  gemacht.  Das  Baltische  allein  beweist 
nichts  fürs  Slavische :  mag  man  die  Uebereinstimmungen  beider  Sprachen 
auch  noch  so  hoch  einschätzen,  so  gibt  es  doch  auch  zahlreiche  Abwei- 
chungen zwischen  ihnen,  und  die  Behandlung  von  idg.  o  könnte  zu 
diesen  gehören.  Andererseits  aber  muss  betont  werden,  die  Ansicht, 
dass  idg.  o  im  Slavischen  sich  unverändert  erhalten  habe,  ist  genau  so 
wenig  bewiesen,  wie  jene  andere  Anschauung.  Wir  haben  es  mit  zwei 
an  sich  gleichwerthigen  Möglichkeiten  zu  thun:  die  erste  er- 
scheint vom  rein  slavischen  Standpunkt  aus  als  die  einfachere,  die 
zweite  empfiehlt  sich  vom  Standpunkte  des  Lituslavischen  aus. 

Es  fragt  sich  nun  aber,  ob  sich  zwischen  diesen  beiden  Möglich- 
keiten nicht  doch  eine  bestimmte  Entscheidung  treffen  lässt.  —  Mich 
leitete  bei  meiner  Auffassung  der  Verhältnisse  erstens  die  Erwägung, 
dass  nicht  bloss  die  Balten,  sondern  auch  die  übrigen  westlichen  und 
östlichen  Nachbarn  der  Slaven,  die  Indoiranier  mit  ihren  europäischen 
Verwandten,  den  Skythen,  und  die  Germanen  den  Wandel  von  o  zu  a 
vollzogen  haben,  während  die  lUyrier  (Albanesen  und  Messapier),  die 
ihn  ebenfalls  haben,  aus  nordöstlicheren,  den  Slaven  benachbarten  Ge- 
genden in  ihre  späteren  Sitze  gelangt  sein  mögen.  Die  Slaven  wären 
also  in  dem  grossen  Gebiet  von  Indien  bis  Germanien  das  einzige  Volk, 
das  die  Entlabialisirung  des  idg.  o  unterlassen  hätte,  während  sie  selbst 
ihre  nächsten  Verwandten,  die  Balten,  vorgenommen  haben. 

Ein  zweiter  Wahrscheinlichkeitsgrund  ist  folgender.  Idg.  oi  ist 
wie  at  im  Slavischen  zu  ^  geworden.    Nun  ist  zwar  der  üebergang  von 


230  Paul  Kretschmer, 

ai  in  e  phonetisch  begreiflich,  weil  e  in  der  Mitte  zwischen  a  und  i 
liegt,  und  hat  zahlreiche  Parallelen  in  anderen  idg.  Sprachen,  im  Indi- 
schen, im  boiotischen  Dialekt  des  Griechischen,  sowie  im  Neugriechi- 
schen, im  Albanesischen,  Umbrischen,  Romanischen,  Niederdeutschen 
u.  s.  w.  Dagegen  ist  unmittelbarer  Uebergang  von  oi  in  e  nicht  glaub- 
lich, er  setzt  vielmehr  eine  Zwischenstufe  ai,  mithin  Wandel  von  oi  in 
a?',  also  auch  von  o  in  a  voraus.  Man  könnte  dieser  Folgerung  nur  durch 
die  Annahme  entgehen,  dass  oi  über  einen  ö-Laut  zu  e  geworden  sei: 
vgl.  lat.  poina~^'poena~^pena,  foedus^\i2\.  fedo.  Die  Entrundung 
von  ö  zu  e  müsste  aber  im  Slavischen  in  relativ  späte  Zeit  fallen;  denn 
die  Monophthongirung  von  o?,  ai  ist  bekanntlich  nicht  sehr  alt,  jeden- 
falls jünger  als  der  Wandel  von  ^-e^  slav.  6e,  da  koi,  kai  durch  slav.  ce 
vertreten  sind.  Nun  fällt  aber  auch  die  slavische  Labialisirung  von  a 
zu  0  in  jüngere  Zeit,  wie  die  Lehnworte  aus  dem  Griechischen,  Latei- 
nischen und  Germanischen  lehren :  aksl.  moloiru  =  i.iaQa-9-Qov,  po- 
lata  =  palatium,  olütari  =  lat,  altZire^  popü  =  got.  papa,  ahd. 
p/iapho,  TtaTtäg,  koülu  =  got.  katils,  osilü  =  got.  asilus  u.  s.  w. ;  vgl. 
J.Schmidt  Vocal.  IL  170  Anm.  Ferner  hat  das  einem  ö  analoge  'Kl 
keine  Entlabialisirung  erfahren.  Das  spricht  alles  gegen  die  Annahme 
einer  Entlabialisirung  von  ö  zu  e  und  einer  Zwischenstufe  ö  zwischen 
oi  und  e. 

Zu  diesen  Wahrscheinlichkeitsgründen  kommen  aber  noch  that- 
sächliche  Zeugnisse  für  einen  Wandel  von  idg.  o  in  slav.  a.  Allerdings 
bieten  schon  die  ältesten  kirchenslavischen  Texte  durchgehends  o  für 
idg.  0  und  a,  aber  ältere  Belege  slavischen  Lautbestandes,  nämlich  die 
slavischen  Eigennamen  bei  den  frühmittelalterlichen  Autoren,  zeigen 
dafür  noch  a.  Auf  solche  Namen  hat  bereits  Zeuss,  Die  Deutschen  und 
die  Nachbarst.  S.  68  f.  Anm.,  hingewiesen,  aber  zu  seiner  Zeit,  wo  man 
dem  europäischen  a  und  o  noch  idg,  a  zu  Grunde  legte,  konnte  man  in 
dem  a  dieser  slavischen  Namen  natürlich  nur  das  postulirte  idg.  a  er- 
blicken. Anders  hat  dann  Safailk,  Slav.  Alterthümer  IL  35  f.,  diese  Fälle 
beurtheilt,  er  erklärte  sich  das  a  für  aksl.  o  durch  Lautsubstitution,  durch 
ungenaue  Wiedergabe  des  slavischen  o- Vokales.  J.  Schmidt  endlich  hat 
Vocal.  IL  169  fif.  theils  aus  jenen  sogleich  namhaft  zu  machenden  slav. 
Namen,  theils  aus  der  Wiedergabe  von  lat.  a  durch  aksl.  o  in  christ- 
lichen Termini  wie  poroda  =  paradit,us,  olütari  =  altare  den  Schluss 
gezogen,  dass  das  o  im  VII, — VIII.  Jahrb.  bei  den  norischen  Slaven 
noch  ein  dem  a  sehr  nahe  liegender  Vokal,  etwa  schwed.  ä,  gewesen 


Die  slavische  Vertretung  von  indogerman.  o.  231 

sei.  Auch  damals  hatte  diese  Folgerung  noch  nicht  die  Bedeutung,  die 
sie  heute  hat,  da  die  Existenz  eines  idg.  o  noch  nicht  erkannt  war  und 
der  Wandel  von  idg.  o  in  slav.  a  daher  nicht  angenommen  werden 
konnte.  Nach  der  grossen  Wendung  aber  in  der  idg.  Vokalforschung, 
die  zu  dem  Ansatz  eines  idg.  a,  e,  o  führte,  scheint  man  jene  Zeugnisse 
ganz  vergessen  zu  haben  —  auch  Mahlow  erwähnt  sie  nicht.  Die  we- 
nigen Fälle  indessen,  die  Zeuss  und  J.  Schmidt  citiren,  lassen  sich  noch 
bedeutend  vermehren.    Ich  stelle  sie  im  Folgenden  zusammen. 

^QÖciyuaros,  Theophyl.  Sim.  (VII.  Jahrh.)  I  7,  5.  VU  7,  1. 
0,  1  cod.  Vatic,  JivÖQaydazn)  vulg.,  Theophan.  p.  254  (v.  1.  J^vÖQa- 
yäorq),  Ji/vöoayuao)),  270.  271  de  Boor.  Das  zweite  Element  des  Na- 
mens ist  aksl.  gosfi  =  lat.  //ostis,  also  mit  idg.  o;  das  erste  scheint 
verderbt  (aksl.  radu  'libens'?  odrü  'Bett'?),  geht  aber  vielleicht  auf 
Stammvokal  -a  <^  idg.  -o  aus. 

IIsiQdyccaTog,  Theophyl.  Sim.  VII  4,  13.  Hr^Qäyuorog  Theo- 
phan.  p.  27  5.  276  [Tlr^QiyaoTog  codd.),  nach  Safarik  =  Pirogosü  aus 
pirü  'Trinkgelage,  Gastmahl'  -j-  gosVi. 

KelayuGtög,  Menand.  ed.  Dindorf  p.  5  (VI.  Jahrb.),  =  Ceh- 
(josU  aus  6elo  Stirn  (vgl.  delesmü  'praecipuus')?  +  cjostt. 

/IctßQay e'Cag^!J4vTrig  avriQ^TU^iaQyog:  Agathias III 2 1  (p.  18b, 
1 1  Bonn.),  VI.  Jahrh.  /tußqa-  =  Dohro-.  Safarik  setzt  ^aßqayetag 
=  Dohrogosü^  doch  ratisste  dann  der  zweite  Bestandtheil  stark  ent- 
stellt sein.  Wenn  dobrü^  ndl.  dapper^  engl-  dapper^  ahd.  tapfar  zu 
lat.  paelign.  yaZ'e;'  gehört  (Planta,  Osk.-ümbr.  Gramm.  I  468.  Brug- 
mann,  Idg.  Forsch.  XVI  499),  so  handelt  es  sich  in  der  ersten  Silbe  um 
idg.  er,  in  der  zweiten  jedenfalls  um  idg.  o. 

Jctoyaur^oög  Theophan.  p.  497,  17  (Arch.  f.  sl.  Ph.  XXI  609) 
=  Dragomeru  mit  a  =  o  im  Stammvokal  des  ersten  Elements.  Vgl. 
Dragamer  Raeki  Mon. bist.  Slav.  merid.  VII  383  (c.  850— 896  n.Chr.)  i). 

Der  Name  der  Slaven  selbst,  aksl.  sloveninü  adj.,  wird  bei 
Byzantinern  und  allen  abendländischen  Völkern  mit  a  geschrieben. 
Das  älteste  Zeugniss  für  Iv.Kavr^voi  findet  sich  nach  Müllenhoff, 
Archiv  f.  sl.  Ph.  I  294  f.,  bei  Pseudo-Caesarius  um  525  n.  Chr.;  '^A.'ka- 
ßr^voi  Prokop.,  Sclaveni  Jordan.,  2y.XäßoL  Maurik.  Strateg.,  2-/.Xüßoi, 
2y.Xavivoij  ^ycXaßivot  Theophan.,  Slavi,  Sclavi,  Slavefii,  Sclaveni, 


*)  Dagegen  enthält  der  griechische  Ortsname  JaqyuuiaTo  (Atollen)  im 
ersten  Theil  wohl  aksl.  draga  Thal,  bedeutet  also  'Thalstadt'. 


232  Paul  Kretschmer, 

Sclavonia,  Sclavanicus  u.  s.  w.  bei  den  lat.  schreibenden  Autoren  des 
Mittelalters.  ^d-loßiqvoL  erst  in  späterer  Zeit  (einer  der  frühesten  Be- 
lege wohl  in  der  Vita  Clementis)  und  immer  seltener  als  die  Form  mit 
a.  Diese  hat  sich  bei  Byzantinern  und  Abendländern  forterhalten,  auch 
als  die  Slaven  selbst  den  Namen  längst  schon  mit  o  sprachen.  Die 
Namensform  ^/.kaßrji/oi,  Slavi  u.  s.  w.,  hatte  sich  also  bei  den  nicht- 
slavischen  Nationen  schon  eingebürgert,  ehe  im  Slavischen  a  in  o  über- 
gegangen war,  und  ist  ihnen  so  bis  auf  den  heutigen  Tag  geblieben. 
Ob  es  sich  hier  um  idg.  a  oder  o  handelt,  ist  zweifelhaft,  da  der  Name 
bekanntlich  etymologisch  noch  nicht  erklärt  ist.  Die  Ableitung  von 
slovo  =  xlefog  hat  schon  Safaiik  bestritten.  Möglich  bleibt  jedoch, 
dass  sekundäres  ov  aus  ev  zu  Grunde  liegt.  Die  kürzere  Form  ^yJ.äßoi 
{29-ldßoi),  über  die  Miklosich  (Etym.Wtb.  308)  sein  Befremden  aus- 
drückt, ist  vielleicht  auf  griechischem  Boden  in  der  Weise  entstanden, 
dass  2y,Xaßrivol  nach  Analogie  von  Uegyaur^vög ,  ^aaipay.rjvög, 
Kv'Cixrjpög,  J^Qrayrjpög  u.  s.  w.  als  adjektivische  Ableitung  aufgefasst 
und  dazu  gleichsam  als  substantivisches  Stammwort  ^y.laßoi  gebildet 
wurde. 

^dy.avov.  Konstantinos  Porphyrogennetos  gebraucht  das  Wort 
zweimal  im  Sinne  von  'Sitte,  Gewohnheit',  wo  er  von  den  Petschenegen 
und  Chazaren  spricht,  aber  wie  ein  griechisches  Wort.  Die  admin.imp. 
c.  8  p.  73,  18  ff. :  ors  ftoir^oovair  ol  narCivccyilrai  nqbg  rov  ßaai- 
liybv  zovg  oQy.ovg  y.arh  to.  Ca/ara  ccvrCov.  c.  38  p.  170,  14  f.:  ov 
y.al  aQxorra  y-ara  to  tCov  Xaud:Qtov  ed-og  y.al  udy.ccrov  TtSTtoir]- 
xaot.  Er  setzt  also  die  Kenntniss  des  Wortes  bei  seinen  Lesern  voraus, 
und  dieses  muss  daher  zu  seiner  Zeit  im  Griechischen  schon  eingebürgert 
gewesen  sein.  Es  begegnet  auch  bei  Suidas  s.  v.  öaröv^  jedoch  in  einer 
von  Gaisford  als  Interpolation  ausgeschiedenen  Stelle.  Das  Wort  kann 
also  zu  einer  Zeit  aufgenommen  worden  sein,  als  die  Slaven  noch  a  für 
o  sprachen,  udyavov  =  aksl.  zakonu  ist  ein  Compositum  von  honu^ 
das  sich  zum  Verbum  6%nq  verhält  wie  o-pona  zu  pmq  von  Wurzel 
{s)pe?i-.  Es  handelt  sich  also  vermnthlich  um  idg.  mit  e  ablautendes  o; 
doch  ist  auch  idg.  a  nicht  ausgeschlossen.  Im  heutigen  Griechisch  lautet 
das  Wort  tayövi  (Du  Gange  Uay.övwv).  Die  südlichen  Griechen  haben 
wohl  das  Wort  später  als  die  Byzantiner  aufgenommen  oder  an  die  sla- 
vische  Form  angelehnt,  als  diese  bereits  in  der  zweiten  Silbe  mit  o  ge- 
sprochen wurde. 

yaQaadoeidrig.    An  einer  sehr  bekannten  Stelle,  De  themat. 


Die  slavische  Vertretung  von  indogerman.  o.  233 

p.  53f.,  erzählt  Konstantinos  Porphyrogennetos,  dass  zur  Zeit  des  Kon- 
stantinos  Kopronymos,  als  die  Pest  wüthete  (746  n.  Chr.),  ganz  Hellas 
und  der  Peloponnes  slavisirt  worden  sei;  der  berühmte  Gelehrte  Euphe- 
mios  habe  daher  einen  Mann  aus  dem  Peloponnes,  der  sich  auf  seinen 
Adel  viel  einbildete,  mit  jenem  zu  einem  geflügelten  Wort  gewordenen 
Jambus  verspottet : 

yagaadoeidrjg  oipig  sa-0^?MßcofX€vrj. 
Dieser  Mann  verrieth  also  durch  den  slavischen  Typus  seines  Gesichtes 
seine  unhellenische  Abkunft.  Mit  besonderer  Absicht  ist  hier  offenbar 
das  hybride  Compositum  yaQaadosidr^g  'schlau  aussehend'  aus  aksl. 
gorazdü  '^ pev'itns,^ -\- gr. -eidrjs  gewählt,  um  die  ungriechische  oder 
halbslavische  Abkunft  des  Peloponnesiers  zu  kennzeichnen.  Aksl.  go- 
razdü hat  Miklosich  auf  ein  unbelegtes  got.  Adjektiv  *garazds  'mit 
Rede  begabt,  viel  redend'  aus  Präfix  ga-  -\-  razda  'Sprache'  zurück- 
geführt, später  freilich  (Etym.Wb.  73)  diese  Herleitung  wieder  in  Zweifel 
gezogen.  Die  Bedeutung  von  aksl.  gorazdü  spricht  kaum  dagegen,  da 
sie  nach  cech.  horazditi  'schelten',  vgl.  magy.  garäzda  'zänkisch', 
russ.  dial.  gorazdü  'sehr'  u.  a.  sicherlich  nicht  die  Grundbedeutung  dar- 
stellt. Ist  die  Etymologie  richtig,  so  handelt  es  sich  in  der  ersten  Silbe 
um  german.  a,  das  zur  Zeit  der  Aufnahme  des  von  den  Slaven  entlehn- 
ten Wortes  ins  Griechische  im  Slavischen  noch  nicht  zu  o  geworden  war. 

gaycctiov.  In  den  Schollen  Gu  zu  Euripides,  die  Dindorf  auf 
Thomas  Magister  zurückführt,  sowie  in  der  Editio  princeps  von  1534 
findet  sich  zu  Orest  v.  146  folgende  Bemerkung :  dövat,  y.dlauog  Xertzog 
ev  Tolg  eXeoL  q)vöf.iEvog.  zivhg  de  ipaoi  to  iduoTLvSog  lEyöf-ievov 
Quyd^iop,  ou  '/.a?Mg  ?JyovTeg'  ov  yaq  airb  tovtov  avQiyi  yivsTai. 
Ngr.  qayä'Qi  'Gebüsch,  eine  Art  Gras'  (G.  Meyer  Ngr.  Stud.  II  53)  aus 
aksl.  rogozü,  serb.  rogoz  u.  s.  w.  'Riedgras'.  Daneben  gibt  es  wie  bei 
L,ä/.avov — L.ay.6vt  im  Ngr.  auch  die  jüngere  Vokalisation:  epirot.  ^o/- 
yöi:^og^  ZwyqdcpeLog  Jäywv  I  50,  der  Flussname  'Poyöupog  in  Thessa- 
lien, vgl.  aksl.  rogozi?ia. 

In  den  erst  aus  dem  heutigen  Griechisch  bekannten  slavischen 
Lehnwörtern,  die  zuletzt  G.Meyer  Ngr. Stud. II  gesammelt  hat,  ist  slav. 
o  in  der  Regel  durch  o  wiedergegeben.  Eine  Ausnahme  macht  y.a- 
qovva  'Trog'  =  aksl.  koryto^  Meyer  S.  30,  dazu  die  Ortsnamen  Ka- 
QOVTsg  und  Kaqovvia  in  der  Eparchie  Doris.  Daneben  kommt  die 
jüngere  Form  -/.ovQvra^  tsakon.  korita  vor,  die  auch  in  der  zweiten 
Silbe  jüngere  Vokalisirung  zeigt. 


234  Paul  Kretschmer, 

TtuyavLÖ,  'Verfolgung  (von  Räubern  z.B.),  das  Treiben  von  Wild'. 
Ortsname  Ilayavea  bei  Gythion:  vgl.  Ttayavala  'Ort,  wo  man  jagt, 
Wald',  G.  Meyer  Ngr.  Stud.  II  49.  Zu  serb.  pogona  'Verfolgung'  (aksl. 
nicht  belegt).  Meyer  will  die  Vokaldifferenz  durch  Anlehnung  an  Tta- 
yavog  oder  aus  dem  Vlachischen  erklären,  aus  einem  vorauszusetzenden 
rumän.  *poffoanä,  doch  befriedigt  keine  dieser  beiden  Vermuthungen. 
/cayavög  =  lat.  paganus  liegt  doch  begrifflich  sehr  weit  ab.  Also  a 
Vorstufe  von  slav.  o  =  idg.  o,  Aa.  pogona  zu  aksl.  ze?iq  'treibe',  Iterat. 
goniti  gehört. 

Anderes,  was  man  könnte  hierherziehen  wollen,  bleibt  als  unsicher 
besser  bei  Seite:  so  das  nur  bei  Somavera  belegte  rcaaräßt  'pezza  di 
ißSinno^  ==  aksl. postavü,  aber  epir.  Ttoaräßi  ZcoyQcccp.  Jäy. Ibl,  tzovg- 
Tccßt  2v?J.oyos  XIV  216b  (Meyer  a.a.O.  52).  kayy,6g,  lay/.ccdi,  lay- 
xdda  'Schlucht,  Thal',  das  G.  Meyer  S.  37  zu  aksl.  Iqka  'palus,  sinus' 
stellt,  erklärt  Amantos,  Die  Suffixe  der  ngr.  Ortsnamen  25  f.,  besser 
aus  Verschränkung  von  kayiov  X  ay/.og  (oder  a/xw?-'),  vgl.  Xayyövi. 
Nur  ?.ovyyiu  ^ayoog  jiaoaTCoräf.iiog'  mag  auf  das  slavische  Wort  zurück- 
gehen. —  Tsakon.  ygäßcc  'Höhle,  Loch'  ('^  ygcovi],  7i^xqa  -/.oilri^  ßa- 
^vA,r]  xoiXÖTT],  TQVTta'  Oixopöfiov  rQuiiii.  T.  toa/..  dtaX.  67)  kann 
zwar  nicht  aus  dem  erst  spät  dem  Deutschen  entlehnten  neuslov.  graha 
'Graben'  herstammen,  wie  Thumb  (German.  Abh.  f.  Paul  253)  für  mög- 
lich hielt;  eher  könnte  man  an  aksl.  grobü  'Grube,  Grab'  denken  wie- 
der mit  a  =  urslav.  a  aus  o.  Indessen  verdient  die  Annahme  von 
Loewe  K. Z.  39,  285  f.,  dass  das  Wort  das  entlehnte  germ.  graha  sei, 
entschieden  den  Vorzug,  einmal  wegen  der  üebereinstimmung  des 
Genus,  ferner  weil  das  Wort,  wie  Thumb  und  Loewe  entgangen  ist, 
schon  bei  Hesych  in  doppelter  Bedeutung  bezeugt  ist:  y^aßäv  ay.a- 
rptov.  ßöd-QOv.  Diese  beiden  Bedeutungen  'Grabscheit'  und  'Graben' 
vereinigt  auch  das  germanische  Wort;  bezeugt  sind  sie  freilich  aus  ver- 
schiedenen Dialekten:  got.  graha  'Graben'  und  ahd.  graha  'Grabscheit. 
Spaten'.  Darin  irrt  Loewe  jedoch,  dass  er  annimmt,  yqäßa  existire 
nur  im  Tsakonischen  und  müsse  daher  aus  der  Sprache  in  Lakonien 
angesiedelter  Germanen  entlehnt  sein,  yqäßa  ^rgc'oyXif  wird  von  ^ra- 
uariädr^gj  ^ainiay.d  V  35,  auch  für  Samos  bezeugt,  und  bei  unserer 
unvollständigen  Kenntniss  des  Wortschatzes  der  neugriechischen  Dia- 
lekte lässt  sich  niemals  sagen,  ob  ein  Wort  nicht  auch  in  andern  Gegen- 
den vorkommt. 

Neben  den  Lehnwörtern  sind  es,  und  zwar  in  weit  grösserer  Zahl 


Die  slavische  Vertretung  von  indogerman.  o.  235 

als  diese,  die  Ortsnamen,  in  denen  die  Slaven  Spuren  ihres  dauernden 
Aufenthalts  auf  griechischem  Boden  hinterlassen  haben.  Auch  die  sla- 
vischen  Ortsnamen  des  modernen  Griechenlands  zeigen  grösstentheils  o 
für  slav.  0,  sei  dies  nun  aus  idg.  a  oder  o  entstanden;  z.  B.  FaüI^ilov 
(Messeuien),  role/.iiov  [Lokvis,  Olympia),  rolefirj  (Eparchie  Naupaktia, 
Patras)  zu  aksl.  (joUmu  'gross';  Kö'Qlov  (Lakonien),  KoQua  (Gythion), 
Kotiroa  (Naupaktia)  von  aksl.  koza  'Ziege',  Adj.  kozij\  Flöyoßa 
(Gortynia),  rioyoßiraa  von  aksl.  ffloffii  'Weissdorn';  IIodoloßiTOa 
(Eparchie  Vonitsa)  zu  aksl.  podolükü  'Saum';  ToTZÖlia  (Theben,  Par- 
nassis),  ToTtoXiavd  (Eurytanien),  Tojculoßa  (Patras)  zu  aksl.  topoU 
'Pappel';  ToTCOQiora  (Gortynia):  aksl.  ^o/?om^e 'Hackenstiel' ;  ^0{.i- 
rtOTivä  (Naupaktia)  zu  bulg.  serb.  lohoda  'Melde'.  Daneben  gibt  es 
aber  auch  Ortsnamen,  in  denen  a  dem  slavischen  o  entspricht. 

Neben  rogirCa  in  Epirus,  FovQiTGa  in  den  Eparchien  Parnassis 
und  Trichonias  (letzteres  mit  nordgriechischer  Vokalisirung  aus  Fo- 
qizou)  steht  Faglrau  auf  Korfu  =  slav.  Gorica.  FaqävxLa  in 
Messenien  (vgl.  FaQavTUvov  in  Arkadien)  erinnert  an  slav.  Goranci 
in  Krain  (nach  Miklosich,  Die  slav.  Ortsnamen  aus  Appellativen  I  24). 
Auch  der  Bergname  FctQovvci  sowie  der  Dorfname  Fccqovpuc  auf  Korfu 
gehören  wohl  hierher  und  sind  mit  slav.  Goryni  zu  vergleichen,  vgl. 
kleinruss.  Horyn  (Miklosich  a.  a.  0.).  Neben  Zayöqi  in  Epirus,  Za- 
yoqä  in  Thessalien  liegt  ZayaQÜ  in  Böotien,  Zayäqaiva  in  Messenien. 
Es  fragt  sich,  ob  das  in  diesen  Ortsnamen  steckende  slav.  gora  'Berg' 
idg.  0  oder  a  enthält.  Die  verwandten  lit.  gire  'Wald',  skr.  giri-,  avest. 
gairi-  (Nom.  PI.  garayo)  'Berg'  entscheiden  die  Frage  nicht.  Für  o 
spräche  aber  das  von  Livius  45,  29  genannte,  vielleicht  mit  dem  Ber- 
mion  in  Makedonien  identische  Gebirge  Bora.,  wenn  dieser  Name  mit 
slav.  gora  gleichzusetzen  ist,  sowie  gr.  ßoQsag,  falls  es  ursprünglich 
»Bergwind«  bedeutete;  vgl.  Prellwitz  Etym.Wb.  u.  ßoqiag,  Pederseu 
K.Z.  36,  319,  der  alban.  malijE  'Nordwind',  eig.  'ßergwind'  und  ital. 
tramontana  vergleicht. 

FaoTovvr]  in  Elis  dürfte  slav.  Gostgm  vertreten  (vgl.  den  Namen 
des  Ortes  Gosty?i  bei  Lissa  in  Posen)  und  dann  zu  gostt  gehören,  für 
welches  lat.  Jiostis  idg.  o  erweist.  Dieser  Fall  reiht  sich  also  den  früher 
genannten  Personennamen  auf  -yaozoo,  an  *). 


^J  Nicht  beweiskräftig  ist  TvQuußo;  oder  TovQvußog,  wie  zwei  thessa- 
lische  Ortschaften  (bei  Larissa  und  Trikkala)  heissen,  neben  Tvqvoßov  (im 


236  Paul  Kretschmer, 

Eine  weitere  Durchforschung  des  in  Betracht  kommenden  Mate- 
riales,  besonders  aber  der  noch  so  wenig  untersuchten  slavischen  Orts- 
namen des  modernen  Griechenlands,  wird  vielleicht  die  Zahl  dieser 
Belege  für  gr.  a  =  slav.  o  noch  vermehren.  Es  fragt  sich,  welche  Be- 
weiskraft ihnen  für  unsere  Frage  zukommt.  Wie  bereits  erwähnt,  er- 
klärte Safafik  das  gr.  a  =  slav.  o  aus  ungenauer  Wiedergabe  des  sla- 
vischen Lautes,  während  J.  Schmidt  auf  einen  dem  a  sehr  nahe  liegenden 
Vokal,  etwa  schwed.  «,  schloss.  Beiden  Gelehrten  war  es  aber  unbe- 
kannt, dass  auch  das  griechische  o  (o,  w)  ein  durchaus  offener  Laut  ist 
und  schon  zur  Zeit  der  Aufnahme  der  slavischen  Wörter  war:  dies  folgt 
aus  der  Wiedergabe  des  geschlossenen  italienischen  o  und  des  lat.  ö 
durch  gr.  ov  (s.  darüber  Byzantin.  Zeitschr.  X  586).  Gr.  o  (w)  wäre 
also  zur  Wiedergabe  eines  offenen  slav.  o  sehr  geeignet  gewesen,  und 
wenn  statt  seiner  gr.  a  verwendet  wurde,  so  muss  der  slavische  Vokal 
mehr  nach  a  als  nach  offenem  o  hin  gelegen  haben,  d.  h.  er  war  ent- 
weder reines  a  oder  höchstens  ein  ä  mit  minimaler  labialer  Färbung. 
Nun  wird  ja  thatsächlich,  wie  wir  erwarten,  in  der  Zeit,  wo  die  Slaven 
schon  0  sprachen,  dieses  immer  durch  gr.  o  wiedergegeben,  und  nur  in 
den  ältesten  Belegen  slavischer  Namen  und  Wörter  im  Griechischen 
findet  sich  dafür  a.  Daraus  folgt  mit  Sicherheit  wenigstens  das  eine, 
dass  im  Slavischen  ein  Vokalwandel  stattgefunden  hat,  der  sich  in  der 
Richtung  von  a  nach  o  hin  bewegte  ^). 


heutigen  Xo/ub^  ElqvTciviag),  Ttqi'oßu  (in  demselben  Nomos  und  in  Lokris), 
sowie  bulg.  Trnova  (Tarnova  auf  einer  latein.  Urkunde  vom  Jahre  994,  Eacki 
S.  23),  poln.  Tarnovo,  auf  deutschem  Boden  Tornow,  Tarnow  (Buttmann,  Die 
deutschen  Ortsnamen  S.  97),  d.i.  aksl.  frt'itiovü,  trunova,  trünovo  'spinosus' von 
irunü  'Dorn'.  [Sonst  erseheint  in  griechischen  Ortsnamen  vielfach  -oPjo,  -oßa 
für  slav.  -ovo,  -ova,  z.  B.  }jQä%o3(e,  FäßQoio  Berg  in  Atollen  (=  bulg.  Gabrovo), 
r?.6yoßa,  riukoßa  [n^^l.jalova  fem.  'unfruchtbar';,  TonöXoßa,  BtQ^oß«,  Jeqi- 
xoßo,  '£yx'/.ii'oß((  u.  8.  w.]  In  Tvqvußog  kann  jedoch  auch  die  slav.  Endung  -avu 
vorliegen,  wie  iuKiaußo;  dem  moderneu  Namen  des  Ossa,  der  wohl  von  serb. 
Jiisa  'Regen',  bulg.  kisa  'nasses  Wetter'  (zu  aksl.  kysnqti  'nass  werden')  =  gr. 
y.iGa  'regnerisches  Wetter'  (aus  Thrakien  bezeugt,  G.  Meyer  Ngr.  Stud.  II  30) 
abgeleitet  ist,  also  slav.  a  aus  «  enthält.  Thatsächlich  begegnet  fem.  Tmava 
als  Ortsname  wiederholt  in  Kroatien,  als  Flussuame  auch  in  Böhmen  und  im 
westlichen  Ungarn. 

1)  Nicht  unerwähnt  lassen  will  ich,  dass  man  bei  ^«x«ror  und  yccQaa- 
d'oEi&rjg  auch  an  Assimilation  von  o  an  das  «  der  Nachbarsilbe  denken  könnte. 
Indessen  ist  die  Assimilation  von  o  an  «  im  Ngr.  so  selten  (vgl.  Hatzidakis 


Die  sliivische  Vertretung  von  indogerman.  o.  237 

Nächst  dem  byzantinischen  Reich  ist  es  Dalmatien,  wo  uns  sla- 
vische  Eigennamen  aus  verhältnissmässig  früher  Zeit  überliefert  sind. 
Das  Material  ist  uns  neuerdings  durch  Jirecek's  so  lehrreiche  Abhand- 
lungen über  die  Romanen  in  den  Städten  Dalmatiens  während  des 
Mittelalters  (Denkschriften  d.  Wien.  Akad.  IS.  und  49.  Bd.,  1901 — 4) 
näher  gebracht  worden.  In  den  lateinischen  Urkunden  Dalmatiens  vom 
X.  bis  ins  XIII.  und  den  Anfang  des  XIV.  Jahrh.  weisen  die  slavischen 
Eigennamen  in  ihrer  lateinischen  Form  vielfach  ein  a  an  Stelle  von 
slav.  0  auf.  Ich  stelle  die  Fälle  aus  Racki,  Mon.  spect.  bist.  Slav.  merid. 
VII,  und  den  Sammlungen  bei  Jirecek  ^namentlich  II.  Theil  S.  65  ff.) 
zusammen. 

X)a^ra  =  slav.  Z>oira in  Urkunden  vom  Jahre  1076 — 80  und  1078, 
Racki  S.  125.  121,  aber  auch  noch  1260,  1273,  1289:  Jirecek  II  69. 
Daneben  Dobra  seit  119S.  —  Dabro  918  n.  Chr.,  Racki  a.  a.  0.  19; 
940 — 46,  Racki  20;  986:  Racki  22;  zahlreiche  Belege  aus  dem  X. — 

XIII.  Jahrh.  bei  Racki  Regist.  S.  502.  Jirecek  II  69.  Auch  Dahriis 
Racki  128  ff.  vom  J.  1080.  Daneben  Dobro  seit  1034.  —  Dabre  (Gen. 
Dabrete)  1282,  Jirecek  a.  a.  0.  —  Dabriza  1032,  Racki  41  u.  ö.  Da- 
bricha  1196  neben  Dobriga  1279,  Jir.  a.  a.  0.  —  Dabraza  =  slav. 
Dobraöa  1080,  Racki  130  u.ö.  Dabrazze  1124.  —  Dabrisius  =  slav. 
Dobriga  1248.  —  Dabrosa  =  slav.  Dobrusa  1198,  Jir.  a.  a.  0.  — 
Dabralis  =  slav.  Dobrali  1085,  Racki  141  u.  ö.  Bei  dobrü  handelt 
es  sich  vermuthlich  um  idg.  a  (s.  oben  S.  231). 

Balislaua,  auch  Ballislaua  =  sl.  Boleslava  in  Ragusa  im  XIII. — 

XIV.  Jahrh.,  Jirecek  II  66,  neben  Boledragus  schon  892,  Racki 
S.  16.  Ob  aksl.  bolijz  'grösser'  idg.  a  oder  o  enthält,  ist  zweifelhaft; 
%kr. bala-m  'Kraft',  \a,t. de-bilis  'kraftlos'  entscheiden  nichts;  gr.ßelTe- 
Qov  'besser'  spräche,  wenn  es  verwandt  wäre,  für  o. 

Gatjslauus,  Fem.  Gaysclaua  =  sl.  Gojslav,  -slava,  Kurzform 
Gaya,  Gaiussa  neben  Goülauus,  Goya  im  XIII.  Jahrb.,  Jirecek  II  72. 

Pradanus  im  J.  1080,  Racki  135,  Micha  Pradani  1144,  Jirecek 
II  74,  sonst  Prodanus.  Aksl./jro-  =  gr.TVQÖ,  lat.^ro-,  also  mit  idg.  o. 

Pauersenus  1190,  Pauergenus  1255 — 61  neben Pouergenus  1279 
=  slav.  Povrizen  'Projectus'  von povresti  'projicere',  Jirecek  a.  a.  0. 
Aksl.  po^  lit.  pas  zu  lat.  osk.  umbr.  pos^  also  idg.  o. 


Einleit.S.331),  dass  diese  Erklärung  nichts  Befriedigendes  hätte,  zumal  dann 
jene  Fälle  von  den  anderen  analogen  getrennt  werden  müssten. 


238  Paul  Kretschmer, 

Der  Stammvokal  -o-  erscheint  in  der  Compositionsfuge  als  -a-  in 
Dedasclava  =  Dedoslava^  Jirecek  II  68.  Dahrasclauus  =  Dohro- 
slav  1169,  1195,  1199  und  noch  im  XIII.  Jahrh.,  Jirecek  II  70;  Ba- 
hr amusclo  ==  Dobromysli^  850 — 96,  Racki  383.  Dragauiti  =^  Dra- 
(jovit^  1069,  Racki  76  f.;  Dragamer  850  —  96,  Racki  383;  Dragabuth 
1076,  R.  110;  Draganegus,  Dragadet  1080,  R.  128.  134;  Draga- 
mosus  819,  R.  322;  Dragaslaua  1282  u.  ö.,  Jirecek  II  71,  Mirasclaua 
=  Miroslava  1282,  ebd.  74;  Miramuscle  ^^  Miromysli  850 — 96, 
Racki  383.  Negamire^  slav.  NSgomir^  Jir.  74.  Radasclauus  =  Ra- 
doslav  1247,  ebd.  75.  Uitadrag  XI.  Jahrb.,  Racki  166,  sonst  Uito- 
drag  u.  s.  w. 

Die  Endung  -ota  erscheint  als  -ata  in  Bell  ata  =  Belota  1018, 
Racki  33  u.  ö. ;  Cernata  =  Crtnota,  lOSO,  Racki  133;  Velcata  = 
Vlukota  1195,  Jirecek  II  79.  Vgl.  auch  den  Ortsnamen  Dahrat  = 
Dohrota  bei  Cattaro,  Jir.  I  98.  Der  Ausgang  -oiia  als  -ana  in  Bu- 
bana^  Bubcmna^  Bubogna  =  Bubona:  Berzana  =  Brizona^  Jirecek 
II  67;  Dabrana  =  Dohrona  [hjz.JoßQCiJvctg),  ebd.  70;  Peruan7ia  = 
Prwotia,  ebd.  75;  Uilcana  =  Vlnkona,  Zuuerana  =  Zverona. 
ebd.  79. 

Diesen  zahlreichen  Schreibungen  mit  a  stehen  aber  in  derselben 
Zeit,  oft  in  derselben  Urkunde  solche  mit  o  gegenüber  ^).  Dieses 
Schwanken  wird  kaum  aus  der  offenen  Aussprache  des  slav.  o  zu  er- 
klären sein,  die  die  romanischen  Notare  theils  mit  a,  theils  mit  o  aus- 
gedrückt hätten.  Den  Romanen  ist  offenes  o  nicht  fremd,  sie  hätten  es 
gewiss  ebenso  von  a  geschieden,  wie  die  Slaven  selbst,  die  es  schon  vom 
IX.  Jahrh.  ab  konsequent  mit  o  bezeichnen.  Auch  hier  dürfte  das  a  auf 
Tradition  aus  einer  Zeit  beruhen,  in  der  die  Slaven  noch  reines  a  oder 
höchstens  ein  ä  mit  geringfügiger  Lippenrundung  sprachen.  Dabra- 
sclavus  in  Dalmatien  wird  man  schwerlich  anders  beurtheilen  dürfen, 
wie  z/aßqayfCag  bei  Agathias.  Dass  die  lateinische  Kanzleisprache 
ältere  Lautformen  fremder  Eigennamen  bewahrte,  ist  nicht  verwunder- 
lich und  kann  man  ähnlich  auch  anderwärts  beobachten. 

Safarik  a.  a.  O.  führt  auch  deutsche  Belege  für  die  Wiedergabe 
von  slav.  o  durch  a  an.    Für  unsere  Frage  möchte  ich  jedoch  diesen 


1)  Im  Laufe  des  XIV.  Jahrh.  verschwinden  die  Schreibungen  mit  a  für 
sl.  o  (Jirecek  I  98),  was  sich  nach  Jirecek  daraus  erklärt,  dass  damals  in  Dal- 
matien an  die  Stelle  der  früheren  geistlichen  Notare  italienische  Juristen 
traten. 


Die  slavische  Vertretung  von  indogerman.  o.  239 

Fällen  keine  grosse  Beweiskraft  beimessen.  Wenn  der  Name  des  sla- 
vischen  Gottes  in  Retbra,  Radogost,  bei  Adam  von  Bremen  (MGH. 
VII  312)  Rcdigost,  bei  Helmold  (MGH.  XXI  13)  Radigast  lautet  i),  so 
kann  hier  recht  wohl  Umformung  des  slav.  gosü  nach  deutschem  gast 
vorliegen;  und  dasselbe  gilt  von  den  zahlreichen  deutschen  Ortsnamen 
slavischen  Ursprungs  siwf-gasf,  wie  Dobergasf  in  Schlesien  und  Sachsen, 
wo  schon  das  o  im  ersten  Element,  sl.  dobrü,  gegen  die  Annahme 
spräche,  dass  das  a  in  -gast  die  offene  Aussprache  des  sl.  o  wiedergibt, 
Gorgast  hei  Küsh-'m^  Wolgast  in  Pommern,  Liebegast^  Radegast  u.s.w. 
(Buttmann,  Die  deutschen  Ortsnamen  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  ursprünglich  wendischen  in  der  Mittelmark  und  Niederlausitz  S.  133). 
In  Gosda  (Kreis  Sorau,  Kalau,  Kottbus,  Spremberg),  Zschornegosda 
bei  Senftenberg  ist  dasselbe  slav.  Wort  mit  o  wiedergegeben.  Aber  auch 
die  anderen  Fälle,  in  denen  a  slavischem  o  entspricht,  z.  B.  Rogaseti, 
Rog'dsen:  poln.  rogozina  (Buttmann  a.  a.  0.  110  f.).  Garenchen  bei 
Luckau  zu  gora^  GahlenhQi  Kalau,  Galinchen  bei  Kottbus:  niedersorb. 
gola  'Wald'  (Buttmann  a.  a. 0.  85)  u.s.w.  sind  nicht  sehr  beweiskräftig 2), 
weil  hier  in  der  That  die  Möglichkeit  besteht,  dass  a  auf  der  offenen 
Qualität  des  slav.  o  beruhe,  der  die  geschlossene  Aussprache  des  deut- 
schen 0  nicht  entsprach.  Mit  den  griechischen  und  lateinischen  Belegen, 
die  überhaupt  die  slavischen  Laute  strenger  festhalten,  können  also  die 
deutschen  nicht  auf  eine  Linie  gestellt  werden. 

Um  zusammenzufassen,  so  hat  sich  uns  ergeben,  dass  im  Slavischen 
vor  und  um  die  Zeit  der  ersten  schriftlichen  Denkmäler  ein  Lautwandel 
in  der  Richtung  von  a  nach  ö  stattgefunden  hat.  Es  ist  mindestens  sehr 
wahrscheinlich  geworden,  dass  slav.  o,  ob  es  nun  idg.  o  oder  a  vertritt, 
die  Stufe  a  durchlaufen  hat.  Hinter  der  Ausflucht,  dass  dieses  a  doch 
eine  leichte  labiale  Färbung  gehabt  haben  könnte,  kann  sich  der  Skep- 
tiker nur  deshalb  verschanzen,  weil  wir  die  Qualität  prähistorischer 
Laute  immer  nur  ungefähr  zu  bestimmen  vermögen  und  daher  auch  z.B. 
nicht  die  Möglichkeit  bestreiten  könnten,  dass  idg.  a  ein  wenig  labial 
gefärbt  gewesen  sei.  Andererseits  steht  dem  Ansatz  idg.  o^urslav.«^ 
slav.  0  kein  Argument  entgegen,  und  für  die  übliche  Annahme,  die  auf 


V  Bei  Thietmar  ;MGH.  HI  812,  7;  ist  Riederjost  neben  Riedegast  über- 
liefert. 

-;  Es  verstellt  sich,  dass  von  diesen  Ortsnamen,  wenn  sie  verwerthct 
werden  sollen,  zuerst  die  ältesten  urkundlichen  Formen  ermittelt  werden 
müssten. 


240       Paul  Kretschmer,  Die  slavische  Vertretung  von  indogerman.  o. 

jeden  Fall  nur  eine  Möglichkeit  darstellt,  dass  idg.  o  im  Slavischen  un- 
verändert erhalten  geblieben  sei,  ist  noch  kein  stichhaltiger  Beweis- 
grund beigebracht  worden. 

Wien,  25.  Febr.  1905.  Paul  Kretschmer. 


Einige  Hypotliesen  über  die  Sprache  der  Skythen 
und  Sarmaten. 


Die  Frage  über  die  Nationalität  der  Skythen  und  Sarmaten  kann 
im  wesentlichen  als  gelöst  betrachtet  werden :  die  einen  wie  die  anderen 
waren  iranischen  Stammes,  mehr  oder  weniger  verwandt  mit  den  heu- 
tigen Osseten. 

Aber  nicht  alle  Einzelheiten  sind  aufgeklärt  und  vor  allem  nicht 
die  Frage  über  das  Verhältniss  der  Sprache  der  Skythen  zu  jener  der 
Sarmaten. 

Wie  bekannt,  waren  vor  dem  Beginn  unserer  Aera  die  Skythen 
aus  Südrussland  verschwunden  und  an  ihre  Stelle  traten  die  Sarmaten. 
Im  Zusammenhang  damit  unterlagen  beinahe  alle  Flussnamen  Südruss- 
lands ümbenennungen.  Statt  BoQvad-evrjg  der  skythischen  Epoche 
kam  JävaTtQig  auf,  statt  Tvqag  —  Danaster,  statt "F^raj'fi?  —  Vagus. 
Der  letzte  Umstand  veranlasst  die  Vermuthung,  dass  die  Sarmaten  vom 
Norden  her  nach  Südrussland  kamen,  aus  den  Gegenden,  wo  der  mitt- 
lere und  obere  Lauf  der  besagten  Flüsse  lag,  aus  dem  Volynischen  und 
Kijever  Waldland,  aus  den  Bassins  der  Flüsse  Dniepr,  Oka,  Don,  unter 
anderem  aus  den  Gegenden ,  wo  sie  in  der  Nachbarschaft  der  Slaven 
wohnten  —  dass  sie  ihre  Flussbenennungen  mit  sich  nach  dem  Süden 
brachten  und  damit  die  älteren  skythischen  eintauschten. 

Die  russische  Benennung  des  alten  Täva'ig  ist  Don  [jlfiwh).  Man 
kann  als  sicher  annehmen,  dass  die  Russen  den  Namen  von  den  Sar- 
maten entlehnten  und  dass  er  auf  die  sarmatische  Benennung  mit  dem 
Laute  d  zurückgeht,  vgl.  avest.  dänu-  (Fluss),  osset.  -don  (fluss).  Die 
Verwandtschaft  zwischen  der  sarmatischen  und  skythischen  Benennung 


Einige  Hypothesen  über  die  Sprache  der  Skythen  und  Sarmaten.    241 

unterliegt  keinem  Zweifel,  nur  blieb  im  Sarmatischen  im  Wortanlaut  das 
alte  iranische  tönende  f/,  während  im  Skythischen  der  tönende  Laut 
durch  den  tonlosen  /  ersetzt  wurde. 

Darnach  ist  die  Annahme  gestattet,  dass  die  skythische  Sprache 
im  Wortanlaute  und  intervokalisch  an  Stelle  der  ältesten 
und  sarmatischen  tönenden  Konsonanten  die  tonlosen  setzte. 

Von  dieser  Hypothese  ausgehend  sind  wir  im  Stande,  einige  sky- 
thische Namen  zu  erklären. 

Vor  allem  die  Benennung  des  Flusses  Prut  nÖQata,  bei  den  Grie- 
chen des  Schwarzen  Meeres  ITvQeTÖg.  Die  älteste  Form  der  skythischen 
Benennung,  die  augenscheinlich  von  den  Slaven  direkt  aus  dem  Skythi- 
schen ^)  entlehnt  wurde,  kann  auf  Grund  des  angesetzten  *II'BpyTTb,  wo 
y  den  Diphthong  ati  ersetzt,  wieder  hergestellt  werden.  Die  ursprüng- 
liche skythische  Form  msig  pär-cmfa{h)  gelautet  haben,  mit  dumpfem  ä, 
das  im  Slavischen  durch  i.,  bei  den  Griechen  durch  ihr  o  und  v  wieder- 
gegeben wurde.  Wenn  in  dieser  Form  das  intervokalische  t  aus  d  her- 
vorgegangen ist,  so  lässt  sich  der  zweite  Theil  des  Wortes  leicht  mit 
Hilfe  des  avestischen  aodha  Gewässer,  altind.  odatl  als  Particip  f.  g. 
quellend,  wallend  erklären.  Im  ersten  Theil  suchte  schon  MtiUenhoff 
die  Wurzel  par.  Darnach  wäre  die  Bedeutung  des  skythischen  par- 
auta{h)  —  ein  wasserreicher,  wogenreicher  Fluss. 

Die  skythische  Benennung  eines  unbekannten  Flusses  unweit  vom 
Dniepr  war  —  navTi-Ad/tr^g.  Herodot  erzählt,  dass  die  Benennung 
eines  Flüsschens  in  Skythien  in  der  Uebersetzung  ins  Griechische  igal 
ödoi  bedeutete.  Darnach  haben  wir  Grund  anzunehmen,  dass  die  Sky- 
then dann  und  wann  kleine  Flüsse  und  Bäche  mit  dem  Worte  »Weg« 
bezeichneten.  Folglich  ist  der  erste  Theil  des  Namens  naPTi-'/.(X7rr]g 
möglicherweise  in  Zusammenhang  zu  bringen  mit  dem  altind.  panthä 
Weg,  slav.  nATfc  id.,  und  der  zweite  mit  dem  altind.  gahh-lra  (tief),  so 
dass  IIavTL-/Mm]g  —  bedeuten  würde:  tiefer  Weg.  Man  vgl.  die 
Benennungen  russischer  Flüsse,  die  wahrscheinlich  von  den  Sarmaten 
den  Slaven  übermittelt  wurden  —  Ipuf  (Hnyxi.  ^epHnr.  ryö.),  Ikopot 
(IlKonoTi,  BojitiHCK.  ryö.). 

Die  Namen  skythischer  Gottheiten  widerstrebten  bisjetzt  der  Er- 
klärung.   Doch  mit  JäTti  (Erde)  vgl.  griech.  artcpä  (Väterchen  =  *abbha) ; 


1)  Wir  nehmen  als  die  Urheiraath  der  Slaven  die  Gegend  des  heutigen 
Königreichs  Polen  und  des  westlichen  Weissrusslands  an. 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXVII.  16 


242  A.  Sobolevskij, 

die  Bedeutung  des  Namens  wäre  —  Mütterchen.  Mit  Taßixi  die  Göttin 
des  Herdes  vgl.  laX.  favilla^  griech.  d-vto,  altind.  dhüma  Rauch,  slav. 
ABiM'B  U.S.  w. ;  die  Bedeutung  wäre  die  »rauchende«  (AMMHmaH,  AHMHan). 
In  der  zweiten  Hälfte  des  Wortes  J^gyiu-itaGa  oder  J^QTii^i-Ttaaa 
darf  man  dasselbe  Element  suchen,  das  in  der  zweiten  Hälfte  vieler  alt- 
persischer Namen  wiederkehrt,  als :  Jigra-ßatog,  Oagvcc-ßa^og  u,  s.w., 
d.  h.  avest.  häzu  (Arm),  osset.  hazug  (Ellenbogen).  In  der  ersten  Hälfte 
von  Olvö-ovQog  könnte  man  ein  mit  dem  altind.  veda,  avest.  vaedha 
verwandtes  Wort  erblicken ;  den  zweiten  Theil  stellt  Vsevolod  Miller 
(OccBTHHCK.  3TK)Ati  III  132)  in  Überzeugender  Weise  mit  dem  altind. 
gura  Held,  avest.  süra  (mächtig)  zusammen.  Der  zweite  Theil  des  Na- 
mens der  mythischen  Vorfahren  der  Skythen  TctQyt-TÖcog  erklärt  sich 
mit  Hilfe  des  altind.  deva,  avest.  daeva. 

Herodot  hat  uns  zwei  skythische  Benennungen  der  Flüsse  '^'YTtavig 
und  '^YTtccKVQig  überliefert.  Die  erste  ist  jetzt  Bug,  die  zweite  versetz- 
ten die  Gelehrten  nicht  weit  vom  Dniepr.  Die  Identität  des  ersten  Theils 
dieser  zwei  Benennungen  lässt  es  unzweifelhaft  erscheinen,  dass  darin 
irgend  ein  Appellativum  steckt.  Das  dürfte  wahrscheinlich  —  äpa  (Was- 
ser) sein,  a  lautete  ä  (dumpf) ;  vgl.  altind.  üp  Wasser,  avest.  ö/s,  äpem 
Wasser,  altrusss.  ape  Fluss.  Der  zweite  Bestandtheil  der  ersten  Benen- 
nung —  m  oder  ani  (vgl.  die  Benennung  der  Stadt  Nioaoov  Ptolem., 
auf  einem  unbestimmten  Fluss  nahe  beim  Dniepr,  wo  -oaaov  wahrschein- 
lich ebenso  ein  Appellativum  ist,  wie  in  einer  anderen  Benennung  der 
Stadt  ^OcpwvöGcc  Ptol.).  Der  zweite  Bestandtheil  der  zweiten  Benennung 
—  Akäri,  mit  dem  dumpfen  ä,  ist  wahrscheinlich  identisch  mit  der  sar- 
matischen  Benennung  eines  unbestimmten  Flusses  beim  Dniepr  ^yaqog 
Ptol.  oder  bei  Bug  Agalingus  Tab.  Peuteng. 

Aus  dem  Vorausgehenden  ist  ersichtlich,  dass  wir  in  der  Sprache 
der  Skythen  ein  dumpfes  ä  ansetzen  dürfen.  Wahrscheinlich  haben  die 
alten  Griechen  dieses  a  wiedergegeben  durch  ihr  a,o,v,  dann  und  wann 
auch  ausgelassen.  Auf  keinen  Fall  sollen  die  Namen  der  Skythen 
^yioXÖTOi  und  2yivd-ai,  die  uns  Herodot  überliefert  hat,  von  der  alt- 
persischen Benennung  derselben  Sakä,  die  sich  auf  den  Inschriften  des 
Darius  Hystaspes  befindet  und  uns  von  Herodot  überliefert  ist  (VII  64 : 
.5'axat),  auseinander  gehalten  werden.  Offenbar  konnte  jenes  dumpfe  ä 
sehr  kurz  sein,  wenn  es  in  unbetonter  Silbe  stand. 

Zwei  sarmatische  Flussbenennungen  zeigen  in  ihrem  ersten  Theil 
unzweifelhaft  das  Appellativum  dana  (Fluss).    Die  Form  Danas  fr-  gibt 


Einige  Hypothesen  über  die  Sprache  der  Skythen  und  Sarmaten.    24S 

nicht  genau  die  sarmatischen  Laute  wieder.  Die  slavische  Form  *JI,t>- 
H'icTp'B,  wo  i  aus  ai,  gestattet  die  Korrektur  dätia-isfr-.  Vom  ersten 
Bestandtheil  war  soeben  die  Rede,  der  zweite  —  ist  ein  Eigenname, 
derselbe,  wie  skythisch  "/ffr^oc;  (Donau),  russ.  (von  den  Sarmaten)  Istra 
(ein  Fluss  im  Gouvern.  Moskau),  vgl.  altind.  is-ira  kräftig,  frisch,  gr. 
iSQÖg.  Die  Schreibung z/avaTT^tg  wird  angesichts  des  altruss.^i.iiinp'L, 
^i,H']&npi,  durch  die  sarmatische  Form  dana-ipr  wiedergegeben;  mit 
dem  zweiten  Theil  vgl.  russ.  Ibr  (Hripi,  ein  Fluss  im  Gouv.  Volynien). 
Dieselbe  Flussbenennung,  nur  mit  einem  Suffix  versehen  —  ist  russ. 
Neprjadva  (HenpaABa,  im  mittleren  Russland),  aus  *^i.n'5np.i^Li. 

Der  erste  Theil  des  sarm.  Javovßwg^  Danumiis  —  ist  derselbe 
wie  in  Danaster ^  //ävajtqLg.  Der  zweite  —  ein  Eigenname  —  allem 
Anscheine  nach  —  cwi.  Der  Kosmograph  von  Ravenna,  aufzählend  die 
ins  Schwarze  Meer  mündenden  Flüsse,  setzt  an  erste  Stelle  Avia^  wobei 
er  ohne  Zweifel  an  die  Donau  dachte.  Der  volle  sarmatische  Name  der 
Donau  dürfte  gelautet  haben:  Dätiävi,  sowie  die  skythische  Benennung 
des  Don  Täva'ig,  nur  mit  dem  alten  d. 

Die  sarmatische  Benennung  des  südlichen  Bug,  die  Jordanes  als 
Vagus  (statt  Bagus)  bezeichnet,  wird  wahrscheinlich  Baga  (mit  dumpfem 
a)  gewesen  sein.  Ptolemaeus  gibt  diese  Benennung,  mit  Anwendung 
auf  andere  Flüsse,  durch  die  Formen  Bvxog,  Böy.og  wieder.  Die  alt- 
russ.  Denkmäler  schreiben  Bug  (Byrx)  und  Bog  (Bort),  letzteres  aus 
*6xr'i.;  Konstantin  Porphyrogen.  gibt  Boyov.  Die  Slaven  dürften  die 
Benennung  des  Flusses  von  den  Sarmaten  zweimal  bekommen  haben : 
bei  der  ersten  Entlehnung  gaben  sie  Baga  durch  *6t>v%  wieder;  bei 
der  zweiten,  da  u  schon  monophthongisch  war,  —  durch  uyrt.  Vgl. 
avest.  hagha  deus,  slav.  6ori>.  Selbstverständlich  ist  der  Gleichklang 
des  westlichen  Bug  mit  der  Benennung  des  südlichen  Bug  nur  zufällig ; 
jener  nordwestliche  Name  ist  wahrscheinlich  verwandt  mit  dem  litaui- 
schen haugus^  der  furchtbare. 

Die  angeführten  Beispiele  gestatten  die  Annahme,  dass  die  sar- 
matische Sprache  ebenso  ein  dumpfes  a  hatte,  wie  die 
skythische,  und  dass  die  Slaven,  als  sie  das  Gebiet  der  Sarmaten 
zuerst  im  mittleren,  nachher  im  südlichen  Russland  einnahmen  und  von 
den  Sarmaten  viele  Flussbenennungen  überkamen,  das  sarmatische  a  sehr 
häufig  durch  ihr  ^  wiedergaben. 

Bei  einiger  Kühnheit  der  Hypothesen  können  verschiedene  skythi- 
sche und  sarmatische  Flussbenennungen  durch  die  Zusammenstellung 

16* 


244  A.  Sobolevskij, 

mit  Appellativen  der  altindischen  und  avestischen  Sprache  erklärt  wer- 
den i).  Sie  enthalten  zum  grössten  Theil  Substantiva  mit  der  Bedeutung 
Fluss,  Wasser  u.  s.w.;  in  Verbindung  mit  Adjektiv  oder  das  Adjektiv 
allein.  Angesichts  der  natürlichen  Beschränkung  der  Zahl  der  nach 
der  Bedeutung  stimmenden  Appellativa  müssen  sie  an  verschiedenen 
Orten  sich  wiederholen.  Daher  erklärt  sich  die  Nichtübereinstimmung 
der  alten  Autoren  bezüglich  der  Ortsbezeichnung  des  einen  oder  anderen 
Flusses  Südrusslands;  daher  die  nicht  selten  begegnende  Identität  oder 
nahe  Verwandtschaft  in  der  Benennung  verschiedener  Flüsse  des  heu- 
tigen mittleren  Russlands:  Tbsna  (avts  *Dbsna?),  daher  lI,Ha.  Desna, 
Dis7ia\  Cy.ia;  Pi.ct,  Pi.ma  (daher  Orsa,  Iria  u. s.  w.);  Cho-rol,  Cho- 
moi\  Cho-p'br^  u.  s.  w. 


1)  Ausser  den  aufgezählten  Benennungen  kann  das  skythische  Tvqag 
(vgl.  russ.TopT.  =  ♦Ti.p'i.,  als  Nebenfluas  des  Donec)  mit  Hilfe  des  altind.  tara 
überwindend,  tära  rettend,  gedeutet  werden. 

A.  Sobolevskij. 


Cech  (qexi»)  und  Cacli  (naxt). 


Neben  der  üblichen  ethnographischen  Benennung  uexx  [dec/i) 
kennen  die  altrussischen  Texte  auch  die  Form  ^axt  [dach).  Der  Lau- 
rentius-Text  der  Nestor'schen  Chronik  vom  J.  137  7  hat  als  Acc.  pl. 
^axH  (Ausg.  1872,  S.  25);  auch  der  Troicker-Text  derselben  Chronik 
aus  dem  XIV.  Jahrh.  gibt  dieselbe  Form  yaxii  ib.  Der  akademische 
Text  der  Suzdaljer  Chronik  aus  dem  XV.  JahrLi.  kennt  den  Nom.  plur. 
qaxoBB  (ib.  S.  476).  Die  Novgoroder  erste  Chronik,  nach  dem  Text  des 
XV.  Jahrb.,  nennt  den  Todesort  Svjatopolk's  Meacn  qaxH  n  jkxii  (S.  84). 
Gleichartige  Formen  mit  a  findet  man  in  anderen  Texten  verschiedener 
russischer  Chroniken  aus  dem  XV. — XVII.  Jahrh.,  unter  anderem  in 
dem  illustrirten  Texte  der  compilirten  Chronik  der  Moskauer  Garen  aus 
dem  Anfang  des  XVII.  Jahrb.  Ebenso  spricht  man  in  der  Urkunden- 
sammlung »KpHMCKia  A^-ia«  der  Moskauer  diplomatischen  Kanzlei  unter 
dem  J.  1492:  o  ^laefeT),  MacKofi  (sc.  Kopcjit),  ei.  yropcKHMt  öhjcä  (der 


Cech  und  Cach.  245 

böhmische  König  kämpfte  mit  dem  ungariachen,  vgl.  Ulanickij,  Maxe- 
pifljiBi  AJiH  iwanMiiLixT.  OTiiouieiiiil  Pocciii,  IIo.ibmH  u.  s.  w.  M.  1887, 
S.  121).  Die  stidwestrussische  Uebersetzung  des  polnischen  Wislicer 
Statuts  kennt  qacKy  piiqt  (cechische  Sprache).  Unter  den  Literatur- 
denkmälern werde  'ihxh  erwähnt  im  rassischen  Lucidarius  nach  dem 
Text  des  XVII.  Jahrh.  (ed.  Tichonravov  in  seinen  JÜTonncH  S.  51).  Die 
heutige  russische  Sprache  wahrt  noch  den  alten  Spruch:  Meac^y  yaxii 
H  Jinxii  (Archang.  Gouv.)  in  der  Bedeutung:  so  so,  nicht  so  und  nicht  so, 
womit  in  gewissem  Grade  der  lausitzserbische  Spruch  übereinstimmt : 
to  su  moje  cechi  a  lechi  in  der  Bedeutung:  das  ist  mein  Alles  (Wisla 
IX.  S.  148). 

Unter  den  stidslavischen  Texten  fand  ich  nur  in  einem  serbischen 
Apokryph  des  XV.  Jahrh.  den  Nom.  pl.  yaxoBe  (neben  ^lext,  uemKaa, 
vgl.  Tichonravov,  IlaM.  OTpey.  .iiit.  II.  441).  Die  böhmischen  Texte 
können  meines  Wissens  keine  Variante  dach  aufweisen,  allein  ihr  einsti- 
ges Vorhandensein  dürfte  sich  aus  den  bei  Gebauer  in  seinem  altböhm. 
Wörterbuch  angeführten  Ortsbenennungen  Cachoo  und  Cachovici  er- 
geben. 

Uns  will  keine  von  den  bisherigen  etymologischen  Ableitungen  des 
Wortes  ^lext  [cech)  einleuchten.  Uns  scheint  am  nächsten  zu  liegen  die 
Annahme,  dass  das  Wort  gleichartig  gebildet  wurde  mit  dem  *jiäx'l 
(neben  dem  adjecti vischen  .lA/ttCKt)  und  dem  russischen  nciixi.  (zu 
no.iicLe),  d.  h.  das  Suffix  s  [ch)  anzunehmen.  Das  mhochd.  kehse  con- 
cubina  und  altnord.  hefser  Sklave  (Kluge)  gestatten  die  Annahme  einer 
Form  kip&o  also  ^laxi.  aus  ^keps'b]  und  die  Zusammenstellung  derselben 
mit  dem  russ.  TienaxH,  ^anaxn  (fangen,  aufgreifen),  russ.  ^lani,,  altböhm. 
6ap^  dep  (Zapfen),  russ.  ^eraira,  Mentira,  pol.  czapiga,  czepiga  (der  höl- 
zerne Theil  des  Pfluges),  bulgar.  'ient,  yenKa  (Zweig),  Tienaxt  (knorrig) 
u.  s.  w. 

A.  SobolevskiJ. 


246 


Ein  Schreiben  des  Patriarchen  Gennadios  Scholarios 
an  den  Fürsten  Georg  von  Serbien. 


Die  kgl.  Bibliothek  zu  Dresden  besitzt  aus  dem  Nachlass  Gühling's 
eine  junge  Papierbandschrift  A  187,  die  mancherlei  merkwürdiges  ent- 
hält. Ich  habe  anderwärts  i)  gezeigt,  dass  sie  im  J.  1600  wahrscheinlich 
auf  einer  kretischen  Besitzung  des  Sinaiklosters  geschrieben  wurde.  Der 
Sammler  hat  aber  offenbar  irgendwelche  Interessen  an  der  Kirche  Ser- 
biens gehabt.  Nicht  nur,  dass  er  p.  404  des  I.  Theils  in  der  Mystagogie 
des  Symeon  von  Thessalonich  de  sacramentis  c.  94  (MSG.  155,  284  A) 
vor  den  Worten  öib  xai  Iz  ds^uop  ein  Rubrum  bietet,  das  in  dem  ge- 
druckten Text  fehlt :  Ol  de  ^sQßoi  Tcoiovat  to  kvavriov  y.al  äyvoiovai 
—  offenbar  auf  die  Lage  des  Gottesmutterstücks  auf  der  rechten  Seite 
des  Diskos  zu  beziehen  — ,  er  hat  p.  512 — 516  eine  Correspondenz 
zwischen  dem  Fürsten  Georg  I.  Brankovic  von  Serbien  (1427 — 1456) 
und  dem  ökumenischen  Patriarchen  Gennadios  II.  Scholarios  (1453 — 
1459)  aufgenommen.  Da  diese  fast  noch  unbeachtet  zu  sein  scheint  2), 
gebe  ich  sie  im  folgenden  wieder. 

Dabei  bemerke  ich  im  voraus,  dass  die  Zählung  der  einzelnen  Ant- 
worten von  mir  herrührt:  auf  Grund  dieser  einen  Handschrift,  deren 
Sammler  die  verschiedensten  Quellen  bunt  durcheinanderwürfelt,  wird 
sich  nicht  mit  Sicherheit  der  Umfang  der  Correspondenz  abgrenzen 
lassen.  Es  könnte  sein,  dass  ihr  nur  das  erste,  sicher  interessanteste 
Stück  §  1 — 3  angehört.  Auf  Grund  der  von  dem  Erotapokriseisschema 
der  sonstigen  Quellen  unserer  Handschrift  abweichenden  Form,  die 
Frage  nicht  als  Frage,  sondern  als  Ueberschrift  einzuführen,  glaube  ich 
aber,  dass  §  1 — 15  zusammengehören.     Die  beiden  letzten  §§  16.  17 


»)  Byzantinische  Zeitschrift  1905. 

2)  Durch  eine  gütige  Mittheilung  des  Herrn  Herausgebers  erfuhr  ich, 
dass  Archimandrit  Ruvarac  eine  serbische  Uebersetzung  besitzt.  (Diese  be- 
kam der  serb.  Historiker  durch  die  Vermittelung  des  gewesenen  serb.  Ge- 
sandten in  Konstantinopel,  Herrn  Stojan  Novakoviö,  von  einem  serb.  Geist- 
lichen, der  den  Text  in  einer  Handschrift  auf  Patmos  fand,  abschrieb  und 
übersetzte.     V.  J.) 


Ein  Schreiben  d.Patr.  Gennadios  Scholarios  a.  d.  Fürsten  Georg  v.  Serb.    247 

habe  ich  nur  aagefügt,  um  nichts  auszulassen ;  sie  gehören  wohl  nicht 
mehr  dazu. 

p.  512  ZrjTrjf^iara  /.al  egiorrjaeig  tov  evoeßeCTCcrov  öeotcötov 
^SQßeiag  kvq  recoqyiov  TtQog  rov  itavayaoraznv  /.al  oi%ov- 
(.levLAOv  JtaxQiäqx^v  /.vq  FsvadLov  tov  ^%oX6.qlov:  — 
drtonQtasig  rov  TtaTQKXQxov. 
5  (1)  ^HqwTrjaag  tzeqI  Tf]g  s^rjyrjaeiog  tov  &€0(pvlä/tov  aQX^~ 
ETCLO-KÖTtov  BovlyaQtag.  -/.al  avrr]  loreQX^'^l  Ttaqcc  Tfjg 
k-AyilrjoLag.  ax^dov  yccQ  ovöhv  MyeL  Xölov  avrov,  älla 
Ttavra  eIölv  äXXcjv  ayiiov  y,al  (.idliatcc  rov  XQvoooröfiov. 
■/.al   7]v  aocphg   y.al  öqd-udo^og   aqxLEQE'Og.    ei  de  evQloy,eraL 

10  ev  tolg  ßißXioig  rolg  ^eQßiyiolg  tl  oiteq  6o'/.ei  oti 
ovy.  eoTiv  vyieg,  aTtb  rfjg  dyvoiag  eoxl  tov  i.ietayXtot- 
tiOavtog  t)  (.lerayqäipavrog. 

(2)  xh  de  ßißliov  xov  Bavd-OTtovXoii  eoxeqxd^rj  Ttaqa  xfjg 
ey,ytXr]aiag.     f.irj7toxe    öe    i^iexeylMxxio-d^rj    eig    xh    ^eqßi'/.ov 

15  ov  '/alöjg^  lav  6oY.fi  '^^  "^^^^  ^^  ytalüg  ytal  ÖQ'S'CÖg 
XeyeLP.  ev  yaq  xfj  rptovfj  fji.uüv  bXov  eoxl  xh  ßißltov 
ÖQd-odo^ov. 

(3)  xa   de   dLrtXoKax)]xovf^teva    ev   (.lövaig   xalg  7tQnr]yiao[ievaf,g 
p.  513   Xeyovxai,      \      xh     de     dyiaG(.ia     xiov     aytiov     ^eofpavLÜv 

20        Xa(.ißccv6xai  Ttqh  xov  dvxidojqov. 

(4)  (eqcüx.)  TIeqI  xfjg  Ttavayiag  xfjg  /.leydXrjg  ite/^ijtxrjg. 
(dTtözQ.)  'H  dvacfOQcc  xfjg  navayiag  rj  ev  xfj  /.leydXj]  7tef.i7rxr] 
vipovi-ievr]  yivexai  /axd  xyjv  avvfjd-eiav  xCov  dXXiov 
fifieqüv    TiXfjv    ev    x(p    ßf]i.iaxL,    ov-/.    ev    xfj    xqajxetrj    xfjg 

25  xqocpfjg.  dio  '/al  (pvXdxxexat  '/al  f.iexaXa(.ißdvexai 
oxe  XQ^^^  ^Qo  xov  dvxidi'oqov. 

(5)  {eqibx.)    JJeql  xov  ^lovda. 

[drcÖT/q.)      '0    ^lovdag      ejtetr]Oe      (.lexa     xfjv      Ttqodoalav 
oXiyov,     i'wg     ov     exeXeod-Tq,     o    Xeyexai    ev     t(p     ßißXUit 
30        xü)v  Ttqd^eoiv. 

(6)  {eqö)x.)    TIeql  ^vGiaaxr^qiov  ^ioXvvd-evxog. 

[dTtö-zq.)      Th    ^vaiaaxriqiov     ;cw^ic;     xiov    avfißdvxiov    dt 
OTtola         GviiTTxiofxaxa        yivexai        Ttqwxov        dyiaa/j-ög, 


1 — 4  roth.  2  und  3  ^  D.  5  d^BotpiXccxrov  D. 

21  4*'.  22  V^'. 


248  E.  von  Dobschütz, 

elza  ^voia.  kav  ymI  T;tooaqäy.ovTa  r^^(.uqai  /.al 
TtXeiovg  TtaQild^iooiv,  äve/XTiodiaTwg  nal  ädia/.QLTtog 
XeiTovQyelTai. 

(7)  (Ipwr.)  Ilegl  hgiiog  /.ai  /.ogul/.ov  TtLvovrog  vdwq  ev  vvtitL 
5        {a7t6y.Q.)      Tb    lav    jt/tj    vdcoq    b    lbqevq    kv    vv'/.ri,     ccTib 

TtolltJv  ahiwv  eoriv  ti  f-uv  oiiv  ölipav  Ix  tcoAv- 
(paylag  auI  f.i€^rjg  eOTtsQLvfjg  eo^ev ,  ov  dvvaxca 
^OiäGaf  b  de  Xal/.bg  si  TtQo  «^  ojqüv  ttIj]  xb  vdioq. 
Tilrjv  kS,  äod-Bveiag^  dvvarat  'Aa(.ißdveiv  tbv  evkoyrj- 
IX)  (.livov  aqrov  rjroi  rb  avrldwQov  .  7r/.rjv  b  Sctve- 
XÖfxsvog  ayiaofxov  öt  ev'/Mßeiav  rcXeov  vj(pe'K(.lxaL 
rov     äyLaLof-ierov,     lav     /.al     rb     rv^bv     IfiTtöÖLOiia     fj. 

(8)  {egtoT.)  JleQi  IsQewg  orav  fxrj  e'kdj}  (xerh  tüv  a).lo)v  tegeiov 
röjv  TTjV  7tQoaA.of.ii6r]v  Ttoir^aävroiv,  si  övvarai  AsitovQyr^aai ; 

15  (ßTTO/t^.)  'O  voTEqr]aag  hqevg  (xerh  rrjv  TtQoay.oi-iidrjV 
ov  dvvarcii  ?^£iT0VQyfjaai ,  et  /.ai  Tti/^g  /.a/cDg 
Ttoiovvxeg  /.al  avaidCog  y.al  f^üxQi  if^g  TtQOJTrjg  eloööov 
jiQOOTid-Evtat  Y.ul  avToi. 

(9)  [kgöiT.)    TltQL  Tov  aravQOV. 

20  (aTtö'/g.)  Tb  axavQL/.bv  '^vlov  ol  keyovreg  avalr](pd-^vai, 
eig  %bv  ovqavöv,  ovv.  oXdaoLV^  xi  Xeyovaiv. 

(10)  [eqür.)    Hbql  aq^LEitta/ÖTiov  '/a\  Ttarqiäqxov. 

{aTtöy.q.)    Jvvaxai   b    avd-evrr]g   tov   tötiov   /.al  rj  avvodog 

ziüv   iTVia/ÖTttüv  Ttoif^oai   aqy^unio-/.07tov   /.al   Ttaxqtäqyr^v^ 

25        -/.al     (J.rj    GvvLaxa^iivov    xov    xötiov,     Iv    w    rjv   jiqöxeqov 

j]       y.ad^eöqa       avxov.        b      [.irjxqoTtoXlxrjg       NavTiäy.xov 

p. 514  y.ä^rixai  Iv  allrj  Tiö'keL  \  Ölöxl  xb  Nav/tw/xav 
yiaxiViy.öv  ioxiv  /.al  ov  öi%ovxai  avxöv ,  /.al  o^wg 
övo^ätexaL        NavTiäv.xov.         b        '^Pcoalag        dvo(xä'!^exuL 

30  /al  eaxi  Kvißov  /al  Tiäorjg  'Pioaiag  /.al  b/j-tog 
■/ädiqxai  iv  x(^  Mooyoßuo^  ölöxl  xb  Kvißov  eaxi 
.AaxLVL'/bv  (y.al)  ov  ;fw^£t  avxbv  ovxa  öqd-ööo^ov. 
'/al     inl     aXktüv    tvoDmv      oxe     ly.oaxelxo    h    Ktovoxav- 


1  TjfiiQus  D.  5  anoxQ.a..  R.  13.  15  egan.  anöxQ.  a.  R. 

19  Jpa'x.  a.  R.  22.  23  eQu^c.  anoxg.  a.  R.  27  tov  vavn.  D. 

30  xvifxov  D^,  corr.  ßov  Ji-.      näarj  q(aaiag  D.  31  xvißov  so  D. 

32  xtti  von  mir  zugefügt. 


Ein  Schreiben  d.  Patr. Gennadios  Scholarios  a.d. Fürsten  Georg  v.  Serb.    249 

TivovTtoXtg  v/tb  ^latLviov  ert]  s^T^y-ovra  rgia,  lyivovto 
TtatQLÜQxcd  KiovOTavrivovTtöXetog  /.ara  diadnp]v  /.al 
ovriog  wvof.iaCovTO  '/.al  ofxiog  iyAd-iqvxo  iv  rf]  Niviaia' 
1/.EI  yaQ  TÖTE  fjp  To  ßaaikeiov .  Tckrjv  öttov  IgtIv 
5  6  ToiovTog  aQyiie7iiO'/.07tog  ^  TcaTQiccQxrjg,  ov  dvvaTai 
elvai  k'KBi  InLo'KOTiog  aXXog  yvrjOLog^  aÜJ  b  evQLO'/.ö}XEVog 
]]  f.iEraTid-EtaL  Elg  aXÄi]v  E'/.y.kr]aiav,  *)  eI  /.irj  {.likkoi 
yEVEOd^ai  TQiaE7cia/.07rog,   iöid^Ei  diu  Tb  -/.oivbv  av(X(peqov. 

(11)  [eq(!ot.)  Ei  dvvarai  sTclayiOTtog  rj  jtarQL&Qxrig  xixyqlg  6ia.v.6vov 
10        XEiTovQyfjaai; 

[a7t6'/.Q.)  Jläg  iTcioAOTtog  dvvarai  ^vaiäoat  fxövog  Aal 
X^Qig  öiaxövov  eI  exec  ^vaiaarrjQiov  Xöiov  Iv  tm  /.EkkUij 
avTOV    y.al    idUog    ^rjÖEvbg    älkov    TtaqövTog    eI    f-irj    tov 

VTtrjQETOVVTOg       aVTCp.        (paVEQWg       Ös       EV       TJ]       (.U]TQ0JT6kEL 

lö  avTov  t]  /mI  iv  Tip  iöicf)  d^vaiaaTr]Qiq}  7tokkG)v  oQiovTiov 
ov  övvaTai  x^Q^^S  dur/.övov  kvbg  xb  skaTTov. 

(12)  {eqcot.)    üeqI   tov   aTro'AEiQavTog   iavTbv   x^Q'^S  d-Ekiif-iaTog 
Trjg  ov'Qvyov. 

{a7tö-/.Q.)     '0    a7to/.Eiqo}v    kavrbv     ÖEÖEf-iivog    yafxio    X'^Q^'S 

20  d^Eki](.i.uxog  Trjg  avCvyov  cc(.iaqTävEL.  Tb  6e  /igöaioTtov  Tb 
ajtoYMQEV  l^ExäCEi  0  ETtiOKOTCog  /.al  eI  (,iEV  ■/.axa  nElo\ia 
■/ML  (pikovEmiav  ä7t£/.dQr],  Ttäkiv  awÜTtTEi  avTb  fXETct 
Ttjg  ovZvyov  '  ei  öe  /.arä  &eIop  oy.07t6v  ^  ov-/.  cctio- 
ßakkEi  TO.  (.lovaxt'/ä. 

25  (13)  (|(»(ür.)    nEql  (.uav^EVTog  ayisvovg. 

{ärtö-AQ.)       Tb     (.iiavd^EV     ay.Evog     ei     (xev     Tif-iiöv     eotiv, 
ayiaQETUL,       ei     öe      EVTEkkg,       äxQEWvvai.       ofj.iog      xal 
T(x  ßQÖJGLfia  äxQEiovvTai  av  fxiavS-üaiv. 
(14)  [eqwt.)     UeqI     tov     E(.iEoavTog     eI     dvvaTat     f-iETakußsiv. 

30  [aTCÖTiQ.)  "^0  EfiEoag  arjUEQOv  övvaTai  avQiov  (.lETakaßElv. 
eI  Öe  '/aTETTEiyEi ,  '/.al  tji  avTfj  fjfisQcc,  eccv  Tiqbg  d^ävaTOV 
vnäqxu  V  ccod^EVEia  /.al  ov-/  Ecpd^aas  Tiqb  tovtov 
f^iExakaßElv .       El      Öe      ToiavTi]v      äa^evELav     exel     Ttg  \ 

p.  515   log     TO     EfiElv     (XTtav     TO      /cqoaka(.ißavöfXEVOV,      ovÖEfiia 


5  ncczQtccQ}(rjs:  danach  aus  Z.  9  flf.  einige  Worte,  aber  durchgestrichen. 
17.  19  IpüjT.  ccnöxQ.  a.  R.  23  t^?  correxi,  tov  D.  25  tQojz.  a.  R. 

29.  30  iQ(üT.  anöxQ.  a.  R.  33  ix^iv\  1.  'ix^i  Tis-  34  1.  ^ote? 


250  E.  von  Dobschiitz, 

aövva(.dav      rov      av^QWTtov      avaTtkTqqoi      to     vaTeQrif.ia 
T^g     (.leTalrupscog^     ei     Tr]V     i-ierävoLav    -Kai     zrjv     l^oj-io- 
löyriOLV     ede§aro      rov      av^QcoTtov.       et     Se     Ix     (.ie^r]g 
o        b     Ifietog     Aal    ova     £§     aa^eveiag     /.ai     ovöe     S-ävarog 
xaTETteiyei    ?)    yial    ev    vr^oriixoig    fjfi€Qaig    ctqywv    fjfxigag 
iLvag  Jial  {.uravoCüv ^   elra  /.oivioveirio    /.axa  rrjv  didc/.Qiaiv 
tov  ixei^ovog. 
(15)  [eqiüt.)    Ei  xQTj  ta  ^rjQiößQcoTa  iad^iea&ai] 
10        {änö'A.q.)      Tä     d^r^QLÖßqiora     ?}     d^rjQiOfpövevTa      ov/.     sioi 
^vr]ai{j,aia,    ovöe    ta    vno    Ttaidtov   xTeivöfxeva.     yvvaiyibg 
dk  cpovevovGr^g  ov  dal  iod-iead^ai. 


(16)  [eqüix.)    IleQi  rov  tqItov  ovquvov. 

(ccTtoyiQ.]  (Oy  TQlrog  ovQavbg,€igdv  fjQTtäyrjo  fxax(XQiogIIavlogj 

15  soTii'  b  XQiTog  XQÖTtog  Tfjg  ^tioQiag  rov  d-eov.  ÜQWTrj  yccq 
d-eojQia  lazivfjccTrb  tCov  eiy.6vo)v  rov  d-sov  rjyovvTÜv  7tou]f.iaTcov 
avTov,  y.aS^wg  b  IlavXog  avxbg  Xtyei^  bxi  ra  aÖQara 
rov  d-eov  ocTtb  ATiaecog  -/.daf-iov  öia  röJv  7tou]i.idt(ov  voov(.ieva 
Y.cc&oQärai     naq      r^^ilv.       JEVtiqa     larl    voeqo.    ffvaiy.rj^ 

20  btav  b  vovg  x^QtCfj  kavrbv  anb  rfjg  -d-ewQiag  rov  y.6ouov 
y,ai  rü)v  rov  -/.oai-iov  ymI  rüv  TtqoGTcad-üv  rov  aw/u-arog 
'Aal  oXog  ivaaxoXfjraL  rfj  (.iskirj]  rCov  ^siiov  y.al  aiöiiüv 
y.ara  rag  VTrorvTicoasig  rfjg  jciarecog  y.al  rüv  v6f.iiov  rov 
^eov.      Aal      roxi,      (pwxi^Exat      Ix      rov     d-eiov     (fO)r6g 

25  Aal  xiveg  TiqoßXiTtovoiv  xa  f,isXXovxa  log  ol  :n:QO(pfjxai. 
TqLxrj  egxIv  voeqcc  vtveq  (pvaiv,  öxav  b  vovg  y.axa  ^ilrjfxa 
^Eov  vxpoi^fi  Ttqbg  artOAaXvipiv  Ttqayfxäxtov  ^eioxeqojv 
Aal  ovqavLiov  [xai]  aTTEq  r]  (.lEXXovoa  ccTtOAaXvipEt  rj^iqu  xolg 
a^loig,    Aal    tdj)   avxa  ova   ev  nlaxEi   alX^  kv  yvcboEi  'Aal 

30        AaxaXrjipEi. 

JäX?M    xb    äXtjS-EOXEQÖv    EGxtv    hxL    xQixog    ovqavög 
EGxiv,    ov   Aal   jtaqäÖELGOv   XEyEt,    b    E^wxEQiAbg    ovqavbg 


9  &riQi6ßo(oxos  LXXGen.  44, 10,  danach  Chrys.  de  Providentia  12,  Greg. 
Nyss.  c  fornic.  =  von  wilden  Thieren  aufgefressen ;  hier,  durch  S^^ioqio- 
vBvxa  erklärt,  nur  =  von  einem  Thier  getödtet.  13.  14  J^cot.  tmoxq.  a.  R. 
14  o  rubr.  omissum.  15  i7,  19  J,  26  T,  31  A  roth.  28  xai 

scheint  getilgt  und  ist  zu  tilgen.  30  xaTa^slxpei,  corr.  m.  1. 


Ein  Schreiben  dPatr.GennadioB  Scholarios  a.d.  J'iirsten  Georg  v.  Serb.    251 

■/.ai  reXsvTaiog.  tqeIq  yccQ  doiv  ol  ovqavoL'  '0  %fi7tvQog 
riyovv  b  «/w*'  xovg  ccotiQag,  '0  devTsgog  b  /.gvoräXlivog 
'Iriyovv  tu  aTsgetof^ia,  Tgirog  rj  ۤ(0  ocpalQa  oitov 
dvegxovrai  ai  ifjuxcd  tCov  ayiiov  /.al  acp  ov  /.aTekev- 
h  oovTcci  tv  rfj  öevTSQa  TiaQovoLa.  eig  zb  avakaßelv 
rcc  ocbfiara  ccvaöxiqoöf^iEva  töte  Yva  tEKei(x)d^G)Giv 
vvv  yccQ   ei  y.al  ct7Colavovot  Tfjg  ovQavüv  f.ia/.aQt6Ti]Tog,  \ 

p.  516  dlV  uTSÄelg  eiai  dia  to  llXeLneiV  avTCJv  tcc  awf^iaTa. 
b    yccQ    Ixvd^QioTtog    ovxi    ^vx^]    l^iövov    eazip,-  älkcc    ipvx^ 

10  (.lExa  Gi'o(.iaTog,  ovöe  i^iäTi]v  b  ^sog  Trjv  Xoyr/.rjV 
ipvyjjv  avvedrjaEV  (.ietcc  aibf.iaTog  'ivcc  y^coQLGd-Eloa  ci/ta^ 
firj^ETi  Evtod-fi,  äXlä  öei  avTrjv  kvwd^fivcti  tovtm  tvote 
yEVO(.iEV<i}  d(pi^ccqto) .  e/.eI  tolvvv  eig  top  tqLtov  '/.al  te- 
kEvralov   ovqavbv   'Aal   vorjTbv  TiaqäÖELOov.,    kv  m   eiaiv  ol 

15  äyyeXoi  y.al  fj  ipvx^  zov  Ilavkov  fj  kiyovoa'  ^ETtid^v^ü) 
dvaXvoui  y.al  oiiv  Xqigtm  Elvai'  y.al  tCov  aXkcDv  ayuov 
TU  7tvEV{.iaTa,  EAEl  fjQTtdyr]  -rj  ipvx^  tov  Ilavkov 
JiTtOQEl    (5t,    äqa    fXETo.    Giü(.iarog  r)   %w(»tg    tov    Gijjf.iaTog, 

OVX     ^l^t    VTtOTtTEVEL    (.irjTCOTE    y.ttl    TO     Gw/^ia     aVTOV    TjQTtdyr] 

20  (.lETct  Tfjg  ^pvx^fjg  eig  tov  ovqavöv  lyivoiGyE  yaq  oti  tovto 
dövvaTov  fjv  TÖTE,  ETtELÖrj  Göjfia  (pd^oqäg  elyßv  etl.  otuv 
de  aff&aQTOV  yEvrjTat  y.al  kka^pqbv  y.al  kafiTcqbv  olov  ^v 
TO  TOV  Xqlgtov  (.lETcc  TTjv  dvaGTaGtv ,  TÖTE  dvaßrjGETai 
yal   avxb    /.ietcc    zrjg    ipvxfjg   ^ig   tbv   ovqdvLOV  rcagdÖEiGov 

25  og  EGTLV  0  TÖTiog  TÜv  f.iayaqLa)v.  dkka  dTCoqsl,  äqdyE  rj 
ipvx^}  ExtoQiG^rj  TOV  Gio(.iaTog  Jtqbg  yaiqbv  yal  dcp^xEV 
auTo  vEyqbv  eiog  ov  Tidkiv  VTteGTqeipe  -/.azä  ^avfxa  t] 
E(.iEVEV  ivTbg  TOV  GCüf.iaTog,  fjqTtdyrj  de  '/.al  Eig  tov  ovqavbv 
y.al   fjv  bi-iov   Iv  Tcp    Giojj.aTi    (pvoiyiog   yal   ev  tio   ovqavCg 

3  0        y.aT      IviqyELttv,     'iva     drcoyakvcpd^fi     tcc     fxvGTrjqia     twv 
ovqavCbv   Eig   wcpEkEiav    Tfjg   oiyovfiEvr]g,   ojtEq  egtI  (.iel^ov 
d-av(.ia  TOV  TtqoTEqov. 
(17)  [eqioT.)     TL  Gt]f,iaivEc  vdqöov  JciGTiKt]  7tokvTi^ov\ 

[aTiöy.)  Tb  Ttakaibv  EÖioys Miovofjg  tx  TEGodqoJV  elÖüv  yevEG^at, 
Tb    f-ivqov   Tb   keyöfÄEVOv  TCokvTifiov,    o  i]kei,(pe  Tovg   hqEig 


1,  2  O,  3  T  roth.  17   "rjqnttyei  D,  corr.  m.  1.  \%  M  roth. 

33.  34  i^wT.  unoxg.  a.  R.         33  Titel  roth.     n'iazixT]  so  hier.        35  EiXr}g)B  D. 


252  E.  von  Dobschiitz, 

anh  /.erpalfjg  ecog  Ttodüv,  tteqI  ov  keyei  b  Tiqocpiqrr.g  Javiö ' 
'wgi-ivQor  S7tl  yf.ecpaXfig  rb  -/Mtaßalvov  srrl  Ttcbyojpa'  xal  rot  e^f^g. 
Ttai  ItiI  TovToig  eoTTjOsv  eTiiarrjfiovag  oMiovofjgj  rovtovg  fxövovg 
(Qydtso&aL  avrb  xa/,  rovto  sQf^Uivevet  rb  7tiOTiy.r]g  Tio'kvTiixov 
5  xb  £^  ercLOTTK^irig  örjlordtt  yev6f.i£vov.  ta  de  Eidr]  elalv 
ravza-  avS-ovg  af^ivQvr]g,  Kivdfitoi.iog  £VfU(5»yg,  'iQetog 
y.aXdixov  evibdovg  /.al  eXatov. 


2  nöyLoi'fi  D.       4  niaT'ixrjs  so  hier  D.       5  iTuniaTTjfirjs  D.     6i]XXovÖti  D. 

Die  beiden  ersten  Fragen  bieten  das  meiste  Interesse  als  Beitrag 
zur  Geschichte  der  serbischen  Literatur. 

Leider  wissen  wir  nicht  genau,  welche  Commentare  Theophylakts 
gemeint  sind,  und  welches  ßißXiov  rov  Buv^orcovXov.  Man  denkt  bei 
letzterem  naturlich  zuerst  an  den  vielseitig  thätigen  Kirchenhistoriker 
Nikephoros  Kallistos  Xanthopoulos ;  es  gibt  aber  auch  andere  Träger 
dieses  Namens  i),  besonders  könnte  das  Handbuch  der  Asketik  von  den 
beiden  Brüdern  Kallistos  und  Ignatios  Xanthopoulos  hier  noch  in  Be- 
tracht kommen.  Ebensowenig  wissen  wir,  was  die  Bedenken  der  Serben 
gegen  diese  Schriften  erregt  hat. 

Bedeutsam  ist  in  der  Antwort  zunächst  der  Ausdruck  kirchlicher 
Approbation,  für  den  aus  der  orthodoxen  Kirche  viel  weniger  Belege 
bekannt  sind,  als  aus  der  abendländischen  2). 

Theologisch  interessant  ist  sodann  die  im  ersten  Falle  beigefügte 
Motivirung:  1)  Theophylakt  bietet  fast  nichts  eigenes,  fast  nur  Väter- 
exegese. Es  ist  das  gleiche  Princip,  das  wir  mit  der  grössten  Deutlich- 
keit bei  den  Exegeten  der  karolingischen  Periode  ausgesprochen  finden. 
2)  Der  Mann  selbst  war  ein  orthodoxer  Kirchenfürst. 

Charakteristisch  für  den  Stolz  der  Griechen,  mit  dem  sie  auf  die 
barbarischen  Nationen  herabsahen,  ist  endlich  die  Art,  wie  der  Patriarch 
von  den  serbischen Uebersetzungen  spricht:  der Unkenntniss  derüeber- 
setzer  traut  er  alle  Fehler  und  häretischen  Entstellungen  zu. 

Kenner  der  serbischen  Literatur  werden  uns  sagen  können,  wie  es 
um  diese  Uebersetzungen  bestellt  ist. 


1)  S.  meinen  Artikel  Nicephorus  Call.  Xanth.  in  Hanck's  Real-Encyklo- 
pädie  3  XIV  20  f. 

2)  Ueber  den  Gebrauch  von  aTsgyety  acquiescere  im  Sinne  von  appro- 
bare  zur  Zeit  des  Florentiner  Konzils  s.  Suicer,  Thesaurus  s.  v. 


Ein  Schreiben  d.  Patr.  Gennadios  Scholarios  a.  d.  Fürsten  Georg  v.  Serb.    253 

Zu  der  Frage  über  Theopbylakts  Commentare  gehört  auch  die  5. 
über  Judas'  Ende  und  vielleicht  die  9.  über  das  heil.  Kreuzholz. 

Mit  der  räthselhaften  Person  des  Verräthers  hat  sich  die  fromme 
Phantasie  immer  gerne  beschäftigt.  Die  Frage,  ob  auch  er  noch  hätte 
Busse  thun  und  das  Heil  erlangen  können,  findet  vielfache  Beantwortung, 
und  meist  in  bejahendem  Sinne  i).  Kedrenos  weiss,  dass  die  Apostel  ihn 
zur  Busse  ermahnten  2).  Sein  Selbstmord  wird  auf  eine  besondere  Ein- 
wirkung des  Teufels  zurückgeführt  3).  Andererseits  haben  einige  Exe- 
geten,  als  erster  wohl  Origenes^),  der  Reihenfolge  bei  Matthäus  folgend, 
angenommen,  Judas  habe  sich  noch  vor  Jesu  Tod  entleibt,  um  dem 
Herrn  im  Hades  zuvorzukommen  und  dort  seine  Verzeihung  zu  erlangen. 
Diese  Auffassung  wird  von  Theophylakt  in  seinem  Commentar  zu 
Matth.275,  nachdem  er  selbst  den  Selbstmord  als  dcaf.iovLCodeg  und  aus 
Furcht  vor  der  Schande  ^)  erklärt  hat,  als  die  etlicher  Exegeten  wenig- 
stens angeführt  6).    So  mag  sich  die  Frage  erklären. 


1)  Leo  I.  de  passione  domini  s.I  5  MSL  54,  316;  Asterios  von  Amasciaet? 
(iBTÜpoiau  bei  Phot.  bibl.  c.  271;  Eus.  Alex.  s.  XVHI  =  Ps.  Chrys  in  resurr. 
MSG  61,  736  =  Sacra  parall.  frgm.  495  Holl;  Christus  patiens  v.  220  ff.  p.  41 
Brambs. 

2)  p.  345  le  ed.  Bonn,  erwähnt  auch  in  ep.  17  des  Michael  Glykas.  (s.  u.). 

3)  Origenes  in  Joh.  tom.  XXXII  24,  317  (p.469  Preuschen);  Ps.  Ignatius 
ad  Phil.  IV  p.  2I818  Zahn  (vor  Jesu  Tod!j ;  Ephraem  Syr.  evang.  conc.  exp. 
C.20  p.240  Moesinger;  Petrus  Comestor  hist.  scol. evang.  162  MSG  198. 1624 f. 
nimmt  an,  dass  der  Teufel  ihn  erst  wieder  verlassen,  und  so  der  dolor  die 
Ueberhand  gewonnen  habe,  worauf  der  Teufel  wieder  bei  ihm  eingekehrt  sei. 

*)  Origenes  in  Matth.  comm.  ser.  117  (V  24  Lomm.):  cxistimavit  enim  (Ju- 
das) praevenire  in  inorte  moriturum  magistrum  et  oceurrere  ei  cum  anima 
jiuda,  ut  conßtens  et  deprecans  misericordiam  mereretur.  Die  koptisch  erhal- 
tenen Akten  des  Paulus  und  Andreas  wissen  aber,  dass  Judas  dieser  Plan 
misslang:  als  Christus  die  Hölle  entleerte,  wurde  er  allein  zurückgelassen, 
nicht  wegen  des  Verrathes  —  für  den  hatte  er  Verzeihung  erlangt  — ,  sondern 
weil  er  nachher  noch  dem  Teufel  als  seinem  Herrn  gehuldigt  hatte  (Lipsius, 
Apocr.  Apostelgesch.  I  616;.  Aehnliches  muss  auch  Abba  Ammonius  gelehrt 
haben:  bei  Christi  Ankunft  seien  wie  den  anderen  so  auch  Judas  die  Ketten 
abgefallen,  aber  nur  die  Gläubigen  habe  Christus  mit  sich  aus  dem  Hades 
hinweggeführt  (s.  ep.  17  des  Michael  Glykas). 

5)  Dies  nach  Chrysostomus  in  Matth.  hom.  XV  5  MSG  57,  230. 

ß)  Tivig  da  Xkyovaiv  ort  b'IovSa;  cpiXdoyvoog  wi'  vneXäfj.ßuyey  ort  ccvtös 
TB  XEQ&r]aEi  XU  ttoyvQccc  noo(iovg  Xqiazov  y.al  o  Xoiazhg  ovx  unoxxfcyihi^aBTai, 
üAA«  (fiu(pvyt]  Tovg'IovStciovs  ^s  no'kXäy.ig  tfiicpvyB'  xöxB  di  idiav  avxoy  xaxa- 
xoid^iyic.   xal  rjdrj  xaza&ixfcad-tyxa  dno&avelv,  fXBtBfJ.B}.T]&r]  as  xov  nQayfxaxos 


254  E.  von  Dobschütz, 

Die  Antwort  des  Patriarchen  ist  oflfenbar  bestimmt  durch  die  land- 
läufige Harmonisirung  der  Berichte  bei  Matthäus  (27  3_jo)  und  in  der 
Apostelgeschichte  (lie— 2o)j  wozu  dann  noch,  durch  ApoUinaris  von  Lao- 
dicea  in  die  exegetische  Tradition  eingeführt,  die  Papiaserzählung  tritt  i). 
Die  ersten  beiden  Berichte  lassen  sich  zeitlich  noch  eng  zusammenrücken : 
rupto  laqueo  putatur  post  cecidisse  et  crepuisse  —  sagt  Petrus  Comestor 
und  fügt  ausdrücklieh  hinzu:  nach  den  einen  am  gleichen  Tag,  nach  den 
andern  erst  nach  der  Auferstehung  2).  Ein  lateinischer  Exeget,  Hilarius 
oder  Faustinus  oder  wer  sonst  der  Verfasser  der  Quaestiones  ist,  gesteht 
ausdrücklich,  den  Tag  nicht  bestimmen  zu  können  ^l.  Im  Morgenland  aber 
wirkt  bewusstoderunbewusst  immer  noch  die  3.Ueberlieferung  mit  hinzu 
und  nöthigt  einen  längeren  Zeitraum  zu  statniren  ^].  Durch  diese  auch  von 
Theophylakt  gebotene  Harmonistik  '^)  ist  auch  Gennadius  bestimmt,  wenn 
er  sich  auch  nur  auf  die  Apostelgeschichte  beruft.  Im  Gegensatz  dazu 
steht  der  17.  Brief  des  Michael  Glykas  an  Nektarios,  die  ausführlichste 


nnnßuvxog  naq  'öneo  vns'Ad/ußai'E.  (ho  xrd  unrjy^aro,  \va  TtQoXaßtj  tov  "Irjanvu 
tv  TCO  "Jidri  xal  IxETBvffag  acoTT^Qias^  TEvirjTcci.  Vgl.  Catena  Corderii  (Toulouse 
1646)  zu  Mt.  27.5  mit  dem  Lemma  Xqvaoaxonov.  Als  Meinung  von  rwis  ab- 
gelehnt auch  bei  Michael  Glykas  ep.  17. 

1)  Catena  Oxon.  ad  Act.  apost.  ed.  Gramer  p.  12  f.  Vgl.  Patr.  apost.  opp. 
ed.  von  Gebhardt,  Harnack,  Zahn  I  2,  93  f.  ApoUinaris  verbindet  ausdrück- 
lich Mt.  und  AG.  durch  Ineßico  y.cu9cciQeO-Eis  ttqo  xov  hnonviyi]ri'.i  und  fügt 
dann  als  Erläuterung  zu  AG.  die  Papiasstelle  ein.  —  Ganz  vereinzelt  steht 
die  aus  Mt.  18  e,  geschöpfte  Behauptung  des  Aphraates,  Hom.  XVII  4,  S.  217 
Bert,  Judas  habe  sich  einen  Mühlstein  um  den  Hals  gethan  und  sich  ins  Meer 
gestürzt  —  wie  nahe  die  Verbindung  lag,  zeigt  Adamantius  Dial.  I  16  p.  34 
V.  d.  Sande  Bakhuyzen. 

2)  Petrus  Comestor  bist.  scol.  evang.  c.  162  MSL  198,  1625  (vgl.  act.  9 
ebd.  1649). 

3)  Pseudo-Augustin  quaest.  de  Novo  et  Vet.  Test.  qu.  94,  MSL  35,  2288 
(vgl.  über  den  Verf.  Bardenhewer  Patrol.410):  weil  man  am  Sabbath  kein 
Geld  tragen  darf! 

*)  So  verbindet  schon  Ephraem  Syr.  evang.  conc.  expos.  c.  20  p.  240 
Moesinger  das  laqueo  se  suspendit  Mt.  und  cecidit  et  crepuit  medius  AG.  durch 
die  Annahme,  dass  der  Strick  riss ;  fügt  aber  hinzu  alii  dicunt,  Judam  portani 
o.lausisse  et  interius  obserasse  et  donec  putresceret  et  totiis  venter  eins  esset  dif- 
fusus  nemo  portam  domus  aperuit  ut  interiora  videret.  Christus  patiens  V.  1429  f. 
1693  f.  verbindet  Mt.  und  AG. 

5)  a.  a.  0.:  nX)^v  yc^waxE  oxi  iS^rjxe  fiki'  xov  xqä)(t]Xoy  avxov  e<V  xijy  t<yx^~ 
rrjv  ano  SivSqov  xivos  xqEfxt«Jc<s  iavxof,  xov  (ff  Stuö^ov  xXi&ifXog  tnü^rjaE  .... 
(paal  yao  bxc  i'oato  v&E^ixfi  TTEQininxtaxEy  .  .  .  (=  Papias). 


Ein  Schreiben  d. Patr.  Gennadioa  Scholarios  a.  d.  Fürsten  Georg  v.  Serb.    255 

Erörterung  im3erer  Frage  aus  der  alten  Zeit,  die  in  dem  Nachweis 
gipfelt,  dass  Judas  iv  avrfj  rf]  dyxöpj]  ro  rov  ßiov  rilog  Ids^ato  i). 

Schwieriger  ist  die  9.  Frage:  Der  Gedanke  einer  Entrückung  des 
Kreuzes  in  den  Himmel  muthet  zunächst  an  wie  eine  Reminiscenz  an 
das  Petrus-Evangelium,  wo  dem  aus  dem  Grabe  auferstehenden  und  gen 
Himmel  fahrenden  Christus  ein  Kreuz  folgt,  von  dem  aus  eine  Stimme 
erschallt  2).  Direkter  Einfluss  des  Petrus-Evangeliums  ist  so  gut  wie 
ausgeschlossen.  Vielmehr  wird  die  gleiche  Gedankenverbindung  mit- 
wirken :  als  das  Zeichen  des  Menschensohnes  bei  Christi  Parusie  (Mt. 
243q)  dachte  man  sich  das  Kreuz  3).  Vom  Himmel  her  sollte  es  Christus 
voranleuchten.  Also  musste  es  zum  Himmel  entrückt  worden  sein. 
Diesen  Schluss  zieht  ganz  direkt  Chrysostomus  in  seiner  2.  Rede  auf  das 
Kreuz  und  den  Schacher  c.  4*).  Die  Idee  entsprach  der  Tendenz,  die 
Himmelfahrt  Christi  auszudehnen  auf  die  ihm  Nächststehenden  —  daher 
auch  für  Maria  eine  Himmelfahrt  angenommen  wurde  ^).  Sie  entsprach 
der  exaltirten  Kreuzesverehrung  ^).    Vielleicht  hängt  sie  auch  antithe- 

1)  MSG  158,  904:  zunächst  wird  Papias  scharf  abgelehnt;  dann  AG.  so 
mit  Mt.  harmonisirt,  dass  der  Strick  vielleicht  nachtraglich  gerissen  und 
der  todte  Judas  herabgestürzt  sei,  so  dass  die  Eingeweide  verschüttet  wur- 
den. Den  Acker  habe  nicht  er,  sondern  der  Hohe  Rath  gekauft,  und  nicht 
um  Judas  zu  begraben.  Als  Autoritäten  werden  noch  genannt  Chrys.  in  Matth. 
hom.  85,  Nilus  und  Ammonius.  Dass  diese  Briefsammlung  Glykas  und  nicht 
Zonaras  gehört,  s.  Krumbacher  SB  München  1894,  391  ff.,  LG -^  383.  Woher 
dasCitat  Joh.Zonarae  ep.46  bei  J.Monnier  la  descente  aux  enfers  186  stammt, 
weiss  ich  nicht. 

2)  Ev.  Petr.39  xcci  aiavooi'  (ohne  Artikel)  &xo^ov&ovyTa  avxol?  (dem  von 
zwei  Engeln  begleiteten  Christus) ;  42  xal  vtckxotj  tjxovsto  ano  rov  aravoov. 

3)  [Elias]-Apocalypse  p.  161  Steindorff,  Daniel-Apocalypse  bei  E.  Klo- 
stermann Analecta  120  no;  andere  Stellen  bei  Bousset,  Antichrist  154  ff. 

■*)  MSG  49,  413:  ßovXei  /nad-elu  tkü^  xcd  ßuaiXEucg  avfxßoXov  h  axc'.v^6s\ 
xcel  TiüJs  OEixyhu  zb  nQCiyficK  iaxiu ,  ovx  ucprjxev  uvxoy  Eiuai  inl  X7]s  yrjg,  aXV 
ayianccaey  uvxov  xal  elg  rov  ovQuvov  uvriyaye.  nöO-ey  SfjXoi' xovxo  \ 
fiEx^  (cvxov  uiXXei  t^'/^a&ui  iv  xfj  öevxEQa  nccoovaU^  —  folgt  Mt.  24o6— 30.  Schon 
lange  vor  Chrysostomus  hatte  die  Sibylle  das  Kreuz  für  den  Himmel  in  An- 
spruch genommen  (Orac.  Sib.  VI  26 — 28):  w  ^vXov  iL  fxc.xcQiaxoy,  ecp'  tu 
^£op  ISsxayva&rj,  ov^  tgsi  ae  X^^^i  f'^^-'  ovqavov  nlxou  taoipei,  r^vixcc  ccaxgä- 
xp£i{s)  xo  ffo»',  d-EÖg,  tfinvQoy  buua.  Buch  VI  ist  nach  Geffken  Texte  und  Unter- 
suchungen NF  VIII  J,  31  f.  ein  Christus-Lied  aus  häretischen  Kreisen  und 
wohl  älter  als  das  III.  Jahrb.  Hier  wäre  also  eine  Nachwirkung  des  Petrus- 
Evangeliums  möglich,  die  bei  Chrysostomus  nicht  in  Betracht  kommt. 

5)  S.  Lucius,  Anfänge  des  Heiligenkults  1904,  441  ff.,  512  ff. 

6)  Neben  dem  Kreuzeszeichen  kommen  hier  die  uralten,  ursprünglich 


256  E.  von  Dobschütz, 

tisch  mit  katharisch-bogomilischer  Abneigung  gegen  den  Kreuzeskult 


zusammen 


Die  kurz  und  schroff  abfertigende  Antwort  des  Patriarchen  ist  eben 
in  der  Verehrung  der  Kreuzesreliquien  begründet.  Wie  sollte  das  Kreuz 
zum  Himmel  entrückt  sein,  von  dem  man  allenthalben  grosse  und  kleine 
Partikeln  besass  —  soviele,  sagt  Erasmus,  dass  man  ein  ganzes  Last- 
Schiff  davon  bauen  könnte  2).  Nicht  entrückt,  sondern  vergraben  war 
es  gewesen,  bis  die  allerfrömmste  Kaiserin  Helena  es  wunderbar  wieder 
auffand  3),  eine  Thatsache,  deren  Gedächtniss  die  Kirche  alljährlich  am 
14.  Sept.  festlich  begingt). 

Gennadius  würde  wohl  sehr  erschrocken  sein,  wenn  er  erfahren 
hätte,  dass  er  mit  seinem  hochfahrenden  ovv.  otöaot  ri  XeyovOi  keinen 
geringeren  als  seinen  berühmtesten  Vorgänger  auf  dem  Stuhle  des  heil. 
Andreas  abfertigte.  Obendrein  war  damals  schon  ein  anderer  Ausweg 
gefunden,  die  Kreuzauffindungslegende  mit  dem  Gedanken  der  Kreuzes- 
entrückung  zu  vereinigen :  nach  der  Weissagung  des  Methodius  sollte 
der  letzte  christliche  Kaiser  von  Byzanz  —  und  den  hatte  Gennadius 
erlebt!  —  seine  Krone  auf  das  Kreuz  niederlegen,  die  dann  zusammen 
gen  Himmel  entrückt  werden  würden,  um  Christus  bei  seiner  Wieder- 
kunft zu  dienen  ^). 


gnostischen  Gedanken  von  Kreuzeserscheinungen  in  Betracht:  das  Licht- 
kreuz der  Johannesakten  98  fp.  199  Bonnet);  ein  Kreuz  leuchtet  voraus  bei 
der  Umweihung  eines  Tempels  zur  christlichen  Kirche  durch  die  Heiligen 
Florus  und  Laurus,  Synaxar.  CPolitanum  z.  18.  Aug.  p.  907  Delehaye.  Ein 
Kreuz  hebt  den  Sarg  des  Apostels  Matthäus  aus  dem  Meer  (mart.  Matth.  26 
p.  255  Bonnet),  was  sich  fast  wie  eine  Illustration  zu  Ign.  ad  Eph.  9i  liest.  — 
Alles  dies  hat  nichts  mit  dem  Kreuzholz  zu  thun. 

1)  S.  Zöckler,  Art  Neu-Manichäer  in  Hauck's  Real-Encycl.  3  XIII  761. 

2)  S.  Eb.  Nestle,  de  sancta  cruce  1889,  126. 

3)  S.  Lucius  a.a.O.  165  ff.,  505  ff. 

*)  S.  Nilles,  Kalendarium  manuale  I^  274 f.,  Synaxarium  ecclesiae  CPo- 
litanae  ed.  Delehaye  p.  43.  Die  abendländische  Kirche  trennt  die  beiden  Er- 
innerungen :  crucis  inventio  3.  Mai,  crucis  exaltatio  (=  Rückbringung  des 
durch  die  Perser  geraubten  Kreuzes  durch  Heraklios)  14.  Sept. 

5)  Ps.  Methodius  in  den  Monumenta  ss.  patrum  orthodoxographa  Basel 
1569  p.  98:  x«t  inai'  (pnvrj  b  vlog  x^f  f(7i(o?.eic(^,  aynßtjtrsTcci  b  ßnailevs  xwu 
^Pco/^ctibjy,  Evd-a  knccyr}  xb  SvXovrov  axavQov  iy  roXyod^ei  xal  xov  ixovaiov  inlq 
rjfidiv  vnsßXTj  d^ccvaxov  b  Ttvqiog  tj/^wv  'Ii^aovg  X^iaxög,  xal  aQsl  o  ßaai'kehs  xbjy 
"Pojf^atcay  xb  axi/n/ua  avxov  xccl  kntß^rjaei  avxo  tni  xov  axavQou  (ed.  axqaxbv) 
xal  txnexäaag  xag  '/elqas  avxov  eis  xbv  ovQavov  naQadwaei  xrjv  ßaaiXeiai'  xü>v 


Ein  Schreiben  d.  Patr.  Gennadios  Scholarios  a.  d.  Fürsten  Georg  v.  Serb.    257 

Die  rein  liturgischen  Fragen  3.  4.  6.  13;  7.  8.  14  überlasse  ich 
andern  zur  Erklärung  ^).  Sie  haben  immerbin  einiges  kulturgeschicht- 
liche Interesse  zur  Charakteristik  der  sittlichen  Zustände  in  Volk  und 
Priesterschaft:  Völlerei  war  offenbar  sehr  verbreitet.  Aehnliches  In- 
teresse haben  Frage  12  über  das  Mönchwerden  eines  Ehemanns  ohne 
Einwilligung  der  Frau,  und  15  über  den  Genuss  nicht  geschlachteten 
Fleisches:  in  beiden  Antworten  zeigt  sich  eine  grosse  Geringschätzung 
der  Frau. 

Hervorheben  möchte  ich  nur  noch  die  kirchenrechtlich  interessante 
Frage  10:  die  Möglichkeit,  einen  Metropoliten  oder  Patriarchen  zu 
weihen  für  einen  Bischofssitz,  den  er  nicht  einnehmen  kann.  Es  ist  ein 
orientalisches  Seitenstück  zu  der  abendländischen  Praxis,  Bischöfe  in 
partibus  infidelium  zu  weihen.  Die  orthodoxe  Kirche  zeigt  auch  hier 
ihre  konservative  Stimmung,  indem  sie  nur  ungern  den  Grundsatz  preis- 
gibt, dass  der  Bischof  zu  seinem  Ort  gehört.  Die  3  Beispiele  zeigen  in 
lehrreicher  Weise  den  Einfluss  der  Lateinerzeit  auf  die  griechische 
Kirche  2).  Beachtung  verdient  der  Gedanke  freiwilligen  Verzichtes  des 
niederen  Stelleninhabers  dicc  rb  y.oivbv  Gvucptoov.  Charakteristisch  für 
die  byzantinische  Auffassung  ist  die  dem  avd-evTr^g  rov  tottov,  dem 
weltlichen  Herrn,  eingeräumte  Initiative.  Dass  nicht  nur  von  Erz- 
bischöfen, sondern  auch  von  Patriarchen  die  Rede  ist,  wird  seine  sehr 
akute  Bedeutung  gehabt  haben:  Pec,  der  Sitz  des  1346  gegründeten 
und  1375  vom  ökumenischen  Stuhl  anerkannten  serbischen  Patriarchats 4)^ 
war  eben  an  die  Türken  verloren  gegangen.  1459 — 1557  war  der  ser- 
bische Patriarchat  dann  mit  dem  älteren  bulgarischen  von  Ochrida  ver- 
einigt. E.  von  Dohschiitz. 


Xmaiicivöjv  joid-eö}  xal  naioi.  y.ui  uvaXr,(pd^GtTui  o  axuv^ogiv  tu  ovqayw  ufia 
TW  arijuaccTi  jov  ßccac'/.iws'  Siöxi  b  axavoös,  if  lo  exoefiaad-rj  o  xvqios  7^u(üy'lT]- 
aov;  Xoiarhs  Siic  rt/U  Aoivr^v  twu  itnüvTwv  aüirr^qUiv.  (cixos  fxi'/.).ei  cpuipead^cci 
iv  xft  7iuqovai(c  c.vxov  tiunqoaS-Eu  avxov  eis  i'/.ty/ov  xüu  aniaTiay  'loväc.iüiu. 
Lat.  ibd.  112  und  aus  Bern.  A  9.  ed.  üsinger,  Forschungen  zur  deutschen  Ge- 
schichte X  621  ff.;  Sackur,  Sibyllinische  Texte  und  Forschungen  1898,  93; 
Bousset,  Antichrist  156  f. 

1)  Zu  Frage  7  sachlich  vgl.  Anast.  Sin.  quaest.  100  MSG  89,  752. 

~)  üeber  die  Latinität  von  Kiew  hat  Loofs  in  Theo).  Stud.  und  Kritiken 
1898,  165  ff.  gehandelt;  vgl.  auch  desselben  Symbolik  I  120  ff. 

3)  Die  bei  Krumbacher  Gesch.  der  byz.  Litt.-  1095  genannte  Spezial- 
litteratur  ist  mir  leider  unzugänglich. 


Archiv  für  slavische  Philologie.  XXVII. 


258 


Eine  altbosnisclie  slayiscli-griechische  Inschrift. 


Im  Dezember  vorigen  Jahres  soll  in  Hodbina,  einem  hercegovini- 
scben  Dürfe,  10Y2l^°^  ^on  Mostar  entfernt,  beim  Setzen  von  Weinstöcken 
in  einer  ca.  50 — 60cm  tiefen,  sandigen  Schiebt  an  einer  an  30°  ge- 
böschten  Lehne  eine  ganze  beschriebene  Bleitafel  ausgegraben  worden 
sein,  die  leider  von  den  Bauern  zerrissen  wurde,  so  dass  nur  fünf  kleine 
Stücke  davon  gerettet  werden  konnten.  Die  Angabe  aber,  dass  eine 
ganze  Bleitafel  gefunden  worden  sei,  ist  vielleicht  nur  in  dem  später 
zu  erwähnenden  Sinne  richtig,  denn  aus  den  erhaltenen  Stücken,  bezw. 
aus  der  auf  denselben  enthaltenen  Inschrift  muss  man  sagen,  dass  we- 
nigstens diese  fünf  Stücke  nicht  zu  einer  Bleitafel,  sondern  zu  einem 
etwas  über  5  cm  breiten  Blei  streifen  gehörten.  Glücklicherweise  ge- 
hören die  drei  kleineren  Stücke  zusammen  und  bilden  ein  zusammen- 
hängendes grösseres  Fragment  von  ca.  7  cm  Höhe,  während  es  we- 
nigstens möglich  ist,  dass  auch  die  zwei  übrigen  Stücke,  in  der 
Gesammthöhe  von  ca.  91/2 cm,  einander  ergänzen.  Nichts  sicheres 
lässt  sich  dagegen  über  das  gegenseitige  Verhältniss  der  beiden 
auf  diese  Weise  zusammengestellten  Fragmente  sagen;  da  aber  auf 
dem  einen  der  Text  ganz  sicher  zuerst  ein  griechischer,  dann  ein 
slavischer  ist,  während  das  aus  den  drei  kleineren  Stücken  gebildete 
Fragment  nur  einen  slavischen  Text  enthält,  so  ist  es  leicht  möglich, 
dass  das  kleinere  Fragment  die  —  leider  nicht  unmittelbare  —  Fort- 
setzung des  grösseren  bildet.  Wir  wollen  also  das  aus  den  zwei  grösse- 
ren Stücken  gebildete  Fragment  mit  I,  das  andere,  aus  den  drei  kleine- 
ren Stücken  bestehende,  mit  II  bezeichnen,  wobei  wir  uns  in  Bezug  auf 
die  ursprüngliche  Form  der  vollständigen  Inschrift  denken  können,  dass 
sie  entweder  einen  längeren  ununterbrochenen  Streifen  bildete  oder 
aus  zwei  in  der  Mitte  zusammengefalteten  Hälften  bestand,  somit  wirk- 
lich eine  Tafel  bildete.  Letzteres  ist  schon  deswegen  wahrscheinlicher, 
weil  der  eine  Rand  auf  beiden  Fragmenten  ziemlich  stark  beschädigt 
ist,  während  der  andere  gut  erhalten  ist,  so  dass  der  beschädigte  den 
äusseren,  der  gut  erhaltene  dagegen  den  inneren  Rand  einer  Doppel- 
tafel bilden  konnte;  jedenfalls  gehören  dann  beide  Fragmente  zu  der- 


Eine  altbosnische  slavisch-griechische  Inschrift.  259 

selben,  nämlicli  zur  rechten  Hälfte,  da  auf  beiden  der  rechte  Rand  be- 
schädigt ist. 

Als  ich  nun  vor  einiger  Zeit  diese  Fragmente  durch  freundliche 
Vermittelung  des  Herrn  Dr.  Münsterberg,  vom  hiesigen  kunsthistori- 
schen Museum,  zur  Entzifferung  bekam,  bereiteten  sie  mir  anfangs  eine 
nicht  geringe  Ueberraschung :  ich  sah  sogleich  ein,  dass  slavische 
Schriftzeichen  mir  vorlagen,  und  doch  konnte  ich  nichts  Vernünftiges 
herablesen,  obschon  die  Schriftzeichen  sehr  deutlich  eingeritzt  waren: 
ich  hatte  nämlich  zufälligerweise  zunächst  Fragment  I  in  die  Hand  ge- 
nommen, das  zunächst  einen  griechischen  Text  darbietet,  welcher  aber 
gewiss  von  einem  Slaven  geschrieben  worden  war.  Beide  Fragmente 
rühren  nämlich  ganz  bestimmt  von  einer  und  derselben  Hand  her 
und  sind  durchwegs  in  der  slavischen  Cyrillschrift  geschrieben,  und 
zwar  in  der  Cyrillschrift  desjenigen  Duktus,  der  sich  allmählich  in 
Bosnien  ausgebildet  hatte  und  zu  dessen  charakteristischen  Merkmalen 
das  quadratische  D  (für  B),  sowie  das  Zeichen  i»  (für  c-^}  gehört.  Dass 
aber  auch  der  griechische  Text  ebenfalls  von  einem  Slaven  (und  nicht 
etwa  umgekehrt  der  slavische  von  einem  Griechen!)  geschrieben  worden 
sei,  ersieht  man  daraus,  dass  auch  im  griechischen  Text  die  beiden  rein 
slavischen  Zeichen  k  für  den  silben-  und  wortschliessenden  Halbvokal, 
sowie  Ml  für  die  Silbe /m  vorkommen. 

Was  enthalten  die  beiden  Fragmente?  Wir  wollen  zunächst  Frag- 
ment II  durchnehmen,  weil  hier  die  Erklärung  sicherer  ist.  Zunächst 
gebe  ich  dasjenige  wieder,  was  gelesen  werden  kann,  wobei  zu  bemer- 
ken ist,  dass  die  Zeilen  6 — 9  so  geschrieben  sind,  dass  die  6.  und  8.  die 
linke  Hälfte  des  Streifens,  die  7.  und  9.  dagegen,  etwas  tiefer  als  die 
6.,  bezw.  8.  stehend,  die  rechte  Hälfte  einnehmen;  von  der  ersten  Zeile 
sind  nur  die  unteren  Striche  einiger  Buchstaben  erhalten,  welche  sich 
schwer  ergänzen  lassen ;  am  ehesten  dürfte  im  Anfange  ein  CTa  (vielleicht 
Abkürzung  für  CßfTa)  gestanden  sein.  Die  weniger  sicheren  Buch- 
staben stehen  in  runden  Klammern,  während  mit  eckigen  Klammern 
die  Stellen  bezeichnet  sind,  wo  die  Tafel  abgebrochen  ist,  so  dass  dann 
mancher  Buchstabe  nur  zum  Theil  erhalten  und  deswegen  auch  nicht 
immer  sicher  zu  ergänzen  ist.  Bemerkt  sei  endlich,  dass  das  erste 
Stück  dieses  Fragmentes  die  5  ersten  Zeilen  enthält,  doch  geht  die 
Bruchlinie  durch  die  beiden  letzten  Buchstaben  der  5.  Zeile,  so  dass 
deren  unterer  Theil  schon  auf  dem  zweiten  Stücke  sich  befindet,  wel- 
ches den  weiteren  Text  bis  Zeile  10  inclusive  umfasst,  aber  wiederum 

17* 


260  M;.  Resetar, 

so,  dass  die  Bruchlinie  durch  diese  letzte  Zeile  geht  und  den  unteren 
Theil  derselben  auf  dem  dritten  Stück  lässt. 

Zeile  1  [ ]  Zeile  8  WTank 

2  CHÖTklUI^HpHCTf )  9  HA    PHKaMH 

3  MH    A    «Da1^JAHCT(..)  10  [K]e    Wn^OA«    CQ^    36 

4  MapkKOMb    HMaTH  [....]  11  ma8   ^aHEMaUJk   w 

5  k   AiJKOIlilk   h[w ]  12  [..]acT    HHHa    /KHTS[..] 

6  (h)uT  13  r hhIhS  naiuir' i 


7  h3E  1)    C0«TH[€..] 

Also  in  Transskription:   Zeile  i [8cKpk]-2cn8THy  (d.  i. 

uskrs?iutjifn  iüT  uskrs?m/jem)  ^iiHCT[o&H]-^M  h  •^-  (KAHii(MiCT[\i) 

4  MapkKOMk    H     MaTH((M)-5k,     A^KOMk,    HW[ßaHCM]-6k     H      T'HI- 

CBfTHe[Yk]8  wTank^  tt   j^-  ßUKAU»^'^  K(   wnyoAf   CßS  3«-^^MA8 

J\,A  HEIHaiUk  W-^2[k^\J,^cT    HH    Ha    JKHTÖ    [HH]13[Ha]  hhhS   Hall»  .  ., 

und  in  deutscher  Uebersetzung :  (etwa:  ich  beschwöre  dich)  «bei  der 
Auferstehung  Christi  und  bei  den  4  Evangelisten  Markus,  Matthäus, 
Lukas,  Johannes  und  bei  den  318  heiligen  Vätern  und  den  4  Flüssen, 
welche  die  ganze  Welt  umströmen,  dass  du  keine  Macht  haben  sollst 
weder  über  das  Getreide, «  —  die  Lesung,  daher  auch  die  Deu- 
tung der  letzten  Zeile,  bezw.  die  Ergänzung  des  naiuif  ist  unsicher. 

Fragment  I  besteht  —  wie  schon  erwähnt  —  aus  zwei  Stücken, 
deren  Bruchlinie  ziemlich  gut  übereinstimmt,  da  aber  keine  durch  die 
Bruchlinie  geth eilten  Buchstaben  die  beiden  Stücke  sicher  vereinigen,  so 
mag  es  dahingestellt  bleiben,  ob  sie  wirklich  zusammengehören.  Das 
erste  Stück  umfasst  die  ersten  7  Linien,  das  zweite  die  übrigen;  im 
ersten  ist  die  erste  Zeile  nur  theilweise  erhalten  und  auch  die  fünfte  ist 
durch  einen  Riss  stark  beschädigt,  immerhin  aber  noch  ziemlich  lesbar ; 
doch  das  erste  Stück  ist  jedenfalls  besser  erhalten  als  das  zweite,  wo 
manches  schwer  zu  lesen  ist.    Ich  lese  also  auf  Fragment  I  Folgendes : 


1)  Dieses  ungewöhnliche  Zeichen  für  cyrill.  1  kommt  merkwürdigerweise 
auch  im  glagolitischen  Alphabet  vor,  das  die  bosnisch-bogomilische  Hand- 
schrift Radosav's  enthält  (vgl.  Archiv  XXV,  21.  30);  auch  eine  bukovinische 
Handschrift  aus  dem  XVI.  Jahrb.  mit  einigen  Zusätzen  in  glagolitischer 
Schrift  bietet  in  den  letzteren  ebenfalls  ein  ähnliches  Doppelkreuz  für  cyrill.  I 
(o.  c.  33). 


Eine  altbosnische  slavisch-griechische  Inschrift.  261 

Z.   1    TS[....  \-    [ ]  Z,  8    TpHHOCk    Mn'aTHCK(T..) 

2  WHii  HMrapdpk  THp[ ]        9  w[t?]okS  Kt  naHT( ) 

3  WpbrHHEKh    TOp(.Ck)[..]  10  rHWHk    aiUlHHIv    DC»Ck\-p(H?) 

4  K6Hk    A"W    npOKODH^K»)  U  [T]iW    HkCHMk     CYHHH(Kk?) 

5  M(HHk    fJKSpHHk    neT(....)  12  (aOfTJH    GOAi>(TK ) 

G    TÖapHK»    KCHlUHk    [A^K)  13  7,<\npH(l\U\Ti{ji, ) 

7    CJMEraAOMapk  14    Mk^KHOHMk    KOHfre?) 

15  TKH    HEBO    H    I^EMAS    (p .  .) 

16  [....  npHfHHT..  Da....] 

In  diesem  Fragment  sind  also  wenigstens  zwei  verschiedene  Theile 
zu  statuiren;  der  zweite  Theil  ist  slavisch  (serbokroatisch)  und  umfasst 
die  Zeilen  13 — 16,  vielleicht  auch  Zeile  12,  denn  das  deutlich  lesbare 
hdcaS  könnte  sowohl  ,und  den  Willen',  als  auch  ,und  dem  Ochsen' 
sein;  sicher  slavisch  ist  der  weitere  Text,  obschon  es  nicht  leicht  ist, 
den  richtigen  Zusammenhang  zu  finden:  in  Zeile  13  haben  wir  ein  deut- 
liches H  sanpHSiUTa  (oder  sanpHtiutia)  ,und  befiehlt,  bezw.  ver- 
bietet', in  Zeile  14  ist  vollkommen  sicher  '<i;HBHtUik  koh,  so  dass  das 
vorausgehende  Mk  etwa  zu  BOrOMk  zu  ergänzen  w<äre,  also  ,bei  Gott 
dem  lebendigen,  welcher..',  in  Zeile  15  ist  endlich  sehr  deutlich  HfKO 
H  3EMA^  ,den  Himmel  und  die  Erde',  weswegen  man  das  vorausgehende 
>KH  in  ^,pk->KH  ergänzen  möchte,  doch  die  letzten  Buchstaben  von 
Zeile  13  lassen  sich  nicht  so  lesen.  Obschon  nun  die  Deutung  dieser 
Zeilen  nichts  weniger  als  sicher  ist,  kann  man  doch  mit  voller  Bestimmt- 
heit behaupten,  dass  der  Text  des  Fragmentes  I  von  Zeile  13,  vielleicht 
12  angefangen  slavisch  ist. 

Noch  schwieriger  ist  aber  die  Deutung  des  ersten  Theiles  dieses 
Fragmentes,  obschon  es  sicher  zu  sein  scheint,  dass  der  Text  hier  durch- 
wegs griechisch  ist.  So  sind  sicher  griechisch  die  Zeilen  8 — 10,  welche 
den  Anfang  des  zweiten  Stückes  dieses  Fragmentes  bilden:  -d^Qf^vog 
(.iSTCi  zr^g  S-EOTÖ'/,ov  '/.ai  TtavTiov  ayicov  ai-iriv,  was  nach  neugriechi- 
scher Aussprache  und  in  slavischer  Cyrillschrift  (also  ohne  d-,  dafüi 
aber  mit  dem  wortschliessenden  h)  eben  ergibt:  TpHHOCk  UiTA  THCk 
TfOTOKÖ  KE  naHT[WHk  aJPHWHk  aMHHk.  Dagegen  ist  der  übrige 
Text  in  diesem  nichtslavischen  Theil  schwer  zu  erklären.  Ich  habe  mich 
diesbezüglich  an  Krumbacher  gewendet,  der  die  Liebenswürdigkeit 
hatte,  eine  Erklärung  für  die  Worte  DOCkYp[H  r]tw  nHCkHkC^HH  in 


262  M.  Eesetar, 

Zeile  10 — 12  mitzutheilen ;  er  liest  sie  folgeudermasseu  :  Ttiog  yor^  S-£(p 
■TCOLGEiv  ia/vp,  so  dass  Zeile  8 — 12  den  Sinn  geben  würden:  >' Klage. 
Mit  der  Muttergottes  und  allen  Heiligen.  Amen.  "Wie  man  durch  Gott 
Stärke  machen  muss  .  .  .  .«  Krumbacher  selbst  findet  allerdings  die 
Erklärung  des  zweiten  Satzes  sehr  unsicher,  weil  man  dabei  annehmen 
müsste,  dass  für  Ttiög  DOCk  anstatt  fiOCk  und  dann,  weil  iu  ttoigbiv 
und  löyvv  je  einmal  K  für  h  stehen  sollte.  Zur  Bekräftigung  der  Er- 
klärung Krumbacher's  kann  ich  aber  anführen,  dass  auch  in  Frag- 
ment II  höchst  wahrscheinlich  einmal  k  für  H  vorkommt ,  nämlich  in 
dem  CHSTkM  der  zweiten  Zeile,  das  ich  zu  ScKpkCHÖTHn  ergänze,  wie 
denn  überhaupt  der  Schreiber  kein  aufmerksamer  gewesen  zu  sein 
scheint,  denn  er  hat  sicher  den  Fehler  \'HpHCT..  für  YpHCT...,  dann 
eßalsfAHCTH  für  EBaHh'hEAHCTH  und  vielleicht  noch  manchen,  beson- 
ders im  griechischen  Theil  begangen,  dem  eben  die  Schwierigkeit  bei 
der  Erklärung  der  Inschrift  zuzuschreiben  ist.  Was  aber  in  den  Zeilen 
1 — 7  stecken  mag,  darüber  ist  auch  Krumbacher  im  unklaren,  der 
allerdings  nicht  das  Original,  sondern  bloss  eine  nicht  sehr  gute  Photo- 
graphie und  meine  Abschrift  in  den  Händen  hatte ;  letztere  war  aber 
insofern  ein  gutes  Hilfsmittel,  als  gerade  in  diesem  Theile  die  Inschrift 
sehr  deutlich  ist,  somit  ein  Zweifel  über  das  Geschriebene  fast  ausge- 
schlossen ist.  Nur  eines  scheint  sicher  zu  sein,  dass  wir  es  auch  in  die- 
sem Theile  mit  einem  griechischen  Text  zu  thun  haben ;  so  könnten  wir 
haben:  in  Z.  3  ein  dqyriv,  in  Z.  4  ein  TTQoy.OTtiov  (wiederum  mit  n  für 
tt!),  in  Z.  6  ein  tov  Jlqiov^  dann  vielleicht  dö^u  und  in  Z.  7  irgend 
eine  Form  von  i.isyaXof.i(XQTVQ  (der  heil.  Prokopios  war  eben  ein  f.ie- 
ya?^OfidQrvQ\).  Uebrigens  ist  auch  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlos- 
sen, dass  wir  es  mit  einer  zusammenhangloseu  Folge  griechischer  Worte 
zu  thun  haben,  welche  —  vielleicht  zum  Theil  unrichtig  wiedergegeben 
—  nur  dazu  dienen  sollten,  die  Zauberkraft  der  Beschwörung  zu  er- 
höhen, was  bekanntlich  sehr  oft  geschieht  ^). 

Wenn  auch  also  die  Inschrift,  besonders  in  ihrem  griechischen 


1)  So  kommen  in  einem  Gebete  aus  einem  serbischen  Eitual  vom  J.  1423 
vor  dem  Segen  die  Worte  xiiHeHEumci».  MäHTnct  vor  (belTichonravov.  IlaMHi- 
HUKu  OTpe^eHH.  pyccK.  .lUTepar.  II,  357);  vgl.  auch  die  lange  Reihe  willkürlich 
gebildeter  Worte,  theilweise  mit  griechischem  Habitus,  in  einem  Gebete 
gegen  rasende  Hunde  und  Wölfe  (Starine  X,  278):  captcapt,  *apB*apB,  sHea, 
BUÄiH,  cajiarapbi,  CMrj;a,  rocurÄC*!.,  Meptrapu,  *api>,  raiepu,  ra.iBMese.m,  MHa- 

MecaJU,  ÄHKL. 


Eine  altbosnische  slavisch-griechische  Inschrift.  263 

Theil,  schwer  zu  erklären  ist,  kann  mau  doch  mit  ziemlicher  Sicherheit 
sagen,  dass  uns  eine  Beschwörungsformel  vorliegt;  der  Zweck  derselben 
ist  bei  dem  Zustande,  in  welchem  Fragment  11  sich  befindet,  bezw.  bei 
der  schweren  Deutung  von  Fragment  I  nicht  leicht  festzustellen :  nach 
dem  slavischen  Theil,  wo  der  Passus  vorkommt,  dass  »du  keine  Macht 
weder  über  das  Getreide  haben  sollst  noch  ...»  zu  urtheilen,  könnte 
man  vermuthen,  dass  die  Beschwörung  vielleicht  gegen  denjenigen  ge- 
richtet war,  der  gesetzwidrig  den  Besitz  des  betreffenden  Feldes  sich 
aneignen  würde,  oder  gegen  den  bösen  Geist,  der  den  Feldfrüchteu 
schaden  könnte ;  dagegen  wäre  die  Inschrift,  wenn  die  Deutung  Krum- 
bacher's  richtig  ist,  eher  als  ein  allerdings  sehr  unbequemes  Amulet  zu 
betrachten,  das  am  Leibe  getragen  werden  sollte,  um  dem  Besitzer  Kraft 
zu  verleihen.  Die  Schwierigkeit  in  der  Deutung  des  eigentlichen 
Zweckes  dieser  Inschrift  wird  dadurch  erhöht,  dass  wir  im  Slavischen 
keine  passenden  Parallelstücke  haben,  nach  welchen  eben  die  Inschrift 
ergänzt  und  so  auch  deren  Zweck  richtig  gedeutet  werden  könnte ;  we- 
nigstens konnte  ich  keine  ähnliche  Zauberformel  in  der  mir  bekannten 
Literatur  finden :  inhaltlich  steht  dem  Fragment  II  noch  am  nächsten 
ein  Gebet  in  Starine  X  (S.  277),  um  die  Feldfrüchte  vor  jeder  »teuf- 
lischen Macht«  zu  schützen. 

Wenn  uns  auch  der  direkte  Zweck  dieser  Inschrift  nicht  genau  be- 
kannt ist,  so  können  wir  um  so  sicherer  sagen,  wo  sie  entstanden  ist: 
ganz  sicher  in  Bosnien  (im  weiteren,  bezw.  älteren  Sinne  des  Wortes, 
also  die  Hercegovina,  wo  sie  gefunden  wurde,  mit  inbegriffen),  denn  der 
Duktus  der  Cyrillschrift  ist  entschieden  bosnisch  zu  nennen  und  erinnert 
stark  an  die  Cyrillschrift  der  altbosnischen  steinernen  Grabinschriften : 
übrigens  genügt  schon  das  Vorkommen  des  ti,  um  dies  zu  beweisen.  Für 
den  bosnischen  Ursprung  spricht  auch  der  weitere  Umstand,  dass  für  ur- 
slav.  ^  zweimal  ein  je  {3anpHei|ja  Fragm.  I,Z.  13,  cc6THe\'k  Fragm.II, 
Z.  7)  und  einmal  ein  i  vorkommt  (pHK<.\MH  Fragm.  II,  Z.  9),  da  die 
Mischung  dieser  beiden  Aussprachen  eben  in  Bosnien  am  häufigsten 
vorkommt.  Wir  können  auch  sagen,  aus  welcher  Zeit  ungefähr  die  In- 
schrift stammt:  nach  der  Schrift  zu  urtheilen,  dürfte  sie  ins  XV.  Jahrh. 
gehören.  Fast  gar  nichts  lässt  sich  dagegen  über  denjenigen  sagen,  der 
die  Inschrift  auf  der  Bleitafel  eingeritzt  hat;  jedenfalls  muss  er  aber 
ein  »Gebildeter«  gewesen  sein,  d.  i.  einer,  der  der  Kunst  des  Schreibens 
und  Lesens  mächtig  war,  weil  die  Schrift  von  einer  sicheren  Hand 
zeugt,  die  ohne  Zögern  die  Messerspitze  führte,  somit  auch  einen  indivi- 


264  M.  Eesetar,  Eine  altbosnische  slav.-griech.  Inschrift. 

duellen  Charakter  verräth ;  ich  glaube  daher  nicht,  dass  etwa  ein  Hand- 
werker nach  einer  ihm  gegebenen  Vorlage  die  Tafel  beschrieben  habe. 
Wenn  aber  die  Inschrift  ins  XV.  Jahrb.  gehört,  so  möchten  wir  gerne 
wissen,  ob  sie  von  einem  orthodoxen  Christen  oder  von  einem  Bogumilen 
herrührt.  Leider  lässt  sie  uns  auch  in  Bezug  auf  diesen  Punkt  im 
Stiche,  doch  möchte  ich  eher  sagen,  dass  der  Schreiber  kein  Bogumile 
war;  schon  der  Umstand,  dass  der  Text  auch  griechisch  ist,  scheint  da- 
für zu  sprechen,  denn  die  Bogumilen  waren  keine  »Gelehrten«,  welche 
mit  dem  Griechischen  hätten  paradiren  wollen,  es  sei  denn,  dass  mau 
—  wie  gesagt  —  gerade  die  unverstandene  Sprache  zur  Erhöhung  der 
Kraft  der  Zauberformel  verwendet  habe ;  aber  auch  die  Anrufung  der 
»318  heiligen  Väter«  (es  sind  die  Theilnehmer  an  der  ersten  allgemeinen 
Kirchenversammlung  von  Nikäa  vom  J.  325  gemeint)  würde  in  einer 
bogumilischen  Beschwörungsformel  kaum  vorkommen,  da  die  Bogumilen 
die  Autorität  der  organisirten  Kirche  nicht  anerkannten;  und  wenn  da- 
neben auch  ,die  vier  die  ganze  Erde  umkreisenden  Ströme'  ^]  angerufen 
werden,  so  ist  das  ein  Satz  der  mittelalterlichen  Geographie,  der  auf 
die  biblische  Erzählung  (Genesis  II,  10 — 14}  zurückgeht  und  nicht 
etwa  mit  irgend  einem  spezifisch  slavischen  Glauben  oder  Aberglauben, 
als  deren  treueste  Hüter  und  emsige  Vertreter  die  Bogumilen  gelten,  in 
Verbindung  steht.  Trotzdem  also  die  vorliegende  Inschrift  nur  zum 
Theil  gedeutet  werden  kann,  hat  sie  einen  nicht  geringen  Werth,  weil 
sie  —  so  viel  ich  weiss  —  die  erste  zweisprachige  Inschrift  dieser  Art 
ist,  und  dann  auch  deswegen,  weil  relativ  so  umfangreiche  Inschriften 
auf  Metall  bis  jetzt  auf  südslavischem  Boden  nicht  gefunden  wurden. 
Dass  das  Material  speziell  Blei  ist,  hat  wohl  keine  weitere  Bedeutung, 
denn  bei  dem  relativ  jungen  Alter  der  Inschrift  ist  wohl  kaum  daran  zu 
denken,  dass  bei  der  Wahl  des  Materials  die  altchristliche  Abneigung 
gegen  dieses  Metall  hätte  massgebend  sein  sollen. 


1)  Bei  Tichonravov,  op.  cit.  II,  357,  werden  iu  einem  Gebete  die  vier 
Ströme  bei  Namen  genannt:  eucoHi.,.  rewut,  Turpt,  e^paix. 

Wien,  I.März  IS 05.  M.  Resetar. 


265 


Polnische  Glossen  aus  dem  Anfang  des  XV.  Jahrh. 


Im  Przemysler  Stadtarchiv  wird  unter  Nr.  248  ein  Papiercodex 
aufbewahrt,  welcher,  der  Schrift  nach  zu  urtheilen,  nicht  später  als  zu 
Anfang  des  XV.  Jahrh.  zu  Stande  kam.  Er  enthält  lauter  juristische 
Materien,  worunter  auf  Bl.  162^ — 163^  auch  ein  kleines  juristisches 
Vademecum,  das  von  dem  Verfasser  desselben,  höchst  wahrscheinlich 
einem  städtischen  Schreiber  polnischer  Nationalität,  mit  der  Ueber- 
schrift:  «Vocabula  juris  provincialis  et  feodalis«  versehen  wurde.  Nun 
lässt  sich  zwar  nicht  behaupten,  dass  dieser  Arbeit  ein  bemerkens- 
wertheres  sachliches  Interesse  zukäme,  aber  in  sprachlicher  Beziehung 
ist  sie  insofern  von  Belang,  als  sich  in  ihr  auch  einzelne  polnische 
Glossen  finden,  die  verdienen,  bekannt  zu  werden.  Ich  gebe  sie,  um 
den  Sinn  und  die  Bedeutung  derselben  um  so  wirksamer  hervortreten 
zu  lassen,  genau  in  dem  Zusammenhange  wieder,  in  welchem  sie  in  der 
Handschrift  selbst  erscheinen.    Es  sind  die  folgenden : 

Bannum  regium  poicxjatli  krolewfky  (=  poiät  krölevski). 

ludicium  formatum  gayony  fiand  (=  gaj'ony  sod). 

Interdictum  regium  zapowyedz  kroleiofka  (=  zapovedz  kro- 
levska). 

Talentum,  i.  e.  marca,  alias  grzywna  (=  gryvna). 

Vasallus,  i.  e.  seruus,  alias  poßel  [■=  posei). 

Vsurpat,  alias  pofianda  (=  pozoda). 

e 

Tutor  et  mundiburdius  i)  dicitur  mwffer,  zachoczcza  (=  zachocca) 
uel  opyekadlnyk  (=  opekadlnik). 

Pi'olocutor,  procurator  moiocza  (=  movca). 
Pugil  rzecznyk  (=^  rec/iik)  2). 
Interlocutorium  poradzenye  (=  poradzene). 
Noxa,  alias  przezgrzefche  (=  prezgrese). 


ij  Hängt  nach  Brinckmeier  (Glossarium  diplom.)  mit  deutschem  »Mund- 
wart« zusammen. 

-j  Sonst  verstand  man  unter  »pugil«  (vgl.  Du  Gange,  Brinckmeier  u.  a.) 
denjenigen,  der  für  Andere  mit  Brachialgewalt  eintrat. 


266  Kaluzniackl, 

Verandus  ^)  zachodzcza  (==  zacJiodzca)  mqX  ßlupcza  (==  slupca). 

Pena  vy7ia  '.==  vina). 

Emenda  ^JOCM^  [=  pokup). 

Solidus  duo  significat:  primo  est  firmus;  alio  modo  dicitur  dena- 
rius,  continens  in  se  XII  parvos  schel^g  (=  selgg). 

Recompensa  glowa  {=  glova)^  zaplatha  (=  zapiata)  uel  satis- 
dacio.  —  *Recompensa  XVIII  talenta  facit  et  quodlibet  talentum  XXX 
solidos*. 

Turpiloquium  tiarzeczenye  czczy  (=  narecene  cci). 

Alloqucio  dothyknyenye  czczy  {=  dotyknene  cci). 

QiO-aüicivi?,  ffwada  [-=  zvada). 

Municipale  jus  powyfcJione  prawo  (=  2>ovyso7ie  pravo). 

Arbitrium,  voluntas,  consensus,  wulgariter  wffala  {=ufaia),  ivola 
(=  vola). 

Conventus,  i.  e.  concilium  gromada  myefka  (=  gromada  meska). 

Tres  sclauonicas  marcas  sloicyenfkye  grzywny  (=  sloienske 
gryvny)^  que  faciunt  XXXVI  solidos.  Solidus  hie  valet  XII  alenses 
comunis  pecunie  szelapg  (=  selog). 

Decreta,  alias  wstawy  (=  ustavy). 

Comunitas  gmyn  myefczky  (=  gmi7i  mescki). 

Emendare  pokupycz  (=  pokupic) . 

Agare  konacz  prawem  {=  konac  pravem) . 

Fforo  infronito  na  loyxoolanem  targu  {=  na  mjvolanem  targu).  — 
*Fforo  infronito,  i.  e.  edicto  publico  inter  quatuor  angulos  ciuitatis, 
scilicet  illo  arbitrio,  quod  ipsa  comunitas  cum  senioribus  statuit  de  con- 
sensu  sue  comunitatis*. 

Seutencia,  i.  e.  diffinitiva  oi'tel. 

Talentum  rubel  et  facit  XX  grosses  argenti  puri  in  sua  suma  in 
hoc  loco. 

Fferiatus  dies  dicitur  domiuicus  dies;  celebris  dies  naroczytlii 
dzen  (=  narocyty  dien]. 

Legale  impedimentum  Jprawyedlyice  przegahanye  (=  spraied- 
live  pregahane\. 

Struprum  odleganyo  dzewftwa  (=  odlegane  dzevstva). 


1)  Man  würde  hier  eher  »varantus«  in  der  Bedeutung  von  Gwarant  er- 
warten. Uebrigens  hängen  beide  Formen  mit  dem  mittellateinischen  weren- 
dare  (=  wehren,  vertheidigen)  zusammen. 


Polnische  Glossen  aus  dem  Anfang  des  XV.  Jahrh.  267 

Obsidia  zafchadzenya  (=  zasadzena). 

Irruencia  domiciliorum  xoderzeMjc  na  dorn  (=  uderene  na  dorn), 
gtcalth  f=  gcalt). 

Ffeodatus,  i.e.  hereditarius;  inde  feodum,  i.e.  domus fchyedlyfko 
[=  sedlisko). 

Contubernium  Jcupczy  ßclad  (=  kupcy  skiad),  uel  gromoda 
!=  gromäda).  ' 

Resignacio  zvfdange  (=  vzdane). 

Investitura  xoyxoyedzenye  (=  vyvedzene). 

Qiierimonia  zaloha  (=  zaJoba). 

Arma  bellica  -woyena  fbroya  (=  voj'ena  zhroj'a). 

Scutum  bellicum  tvoyenne  fczyt  alho  tarcza  (=  vojenne  scyt  albo 
tarca). 

Manifestum  factum  lycze  (=  lice)  uel  yaicny  wczynyk  [=^  javny 
ucynyk). 

Colloquium  xoyecze  (=  iece)^  uel  poradzenye  (==  poradzene). 

ActOY  poivod  (=  povöd)  aut  gyjczecz  {=jiscec). 

Succumbit  przepadl  icyna  (=  prepadi  vine). 

Ffoedus  Wohle  panftioo  (=  volne  panstvo)  uel  icolne  dobre 
!=  volne  dobre). 

Depactacio  rugowanye  (=  rugovane). 

Publica  fiscata  yawna  zaftawa  {=^Javna  zastava)',  ffiscacio  2;«- 
stawa  (==  zastava]  aut  zaklad  (=  zaklad). 

Parafarnalia  oczczyfthy  pofiag  [=  occysty  posag). 

Arestatus  wztrzymany  (=  vstrymany). 

Simulacio  przymylenye  (==  prymilehe). 

Vargelth  (=  vargelt)  emenda  idem  sunt. 

Lozu7iga  i.  e.  contribucio. 

Neptimus  uel  vanus  i)  przeßkofcli  [=  preskos.,  beziehungsweise 
preskos ) . 

Homincus  (sie!)  paralyfien  zabythi  [^=  piaTalizen  zabity). 

Satisdacio,  i.  e.  defensio,  wulgariter  gica7'  (=  gvar),  zaflubyenye 
(=  zaslubene)  pro  aliquo. 

Omagium,  i.  e.  obsequium  regibns  halderzfthwo   (=  Jialderstvo). 

Ueberblickt  man  nun  die  vorstehend  abgedruckten  polnischen  Aus- 


1)  Dürfte  für  mittellateinisches  vanius  in  der  Bedeutung  von  vagus 
(=  Landstreicher,  Vagabund)  stehen. 


268  Kaluzniacki. 

drücke,  so  wird  man  einräumen  müssen,  dass  mehrere  derselben  hier 
überhaupt  zum  ersten  Male  erscheinen.  Es  sind  dies :  dzevsttw,  hal- 
derstvo^  lozunga^  odlegane,  poradzene,  pregabane,  preskos,  bezw, 
preskoS^  prezgrese^  slupca,  vece  und  vzdane.  Aber  auch  Ausdrücke, 
wie:  dotyknene^  glova^Jiscec^  lice^  movca^  nar ebene  (sei.  cci\  posel. 
povät,  pozodatie,  povysone  pravo,  prymilene,  ruhel^  rugovane^  sedli- 
sko,  tideretle,  ufala^  volne  panstvo,  vstrymanij^  vyvedzerie^  zakiad^ 
zasadzene^  zasluhene  und  zastava^  dürfen,  sofern  sie  in  unserer  Vor- 
lage andere  als  die  ihnen  sonst  zukommenden  Bedeutungen  bieten,  sehr 
wohl  noch  als  eine  nicht  unerwünschte  Bereicherung  des  altpolnischen 
Wörterbuchs,  zumal  nach  der  juristischen  Seite  hin,  angesehen  werden. 
Der  Rest  bietet  zu  besonderen  Bemerkungen  keinen  Anlass. 

In  orthographischer  Beziehung  stellen  die  in  Rede  stehenden  pol- 
nischen Ausdrücke  den  Uebergang  von  der  alten  zu  der  neueren,  im 
XV.  Jahrh.  üblichen  Schreibung  dar.  Demgemäss  wird  darin  o  einmal 
noch  durch  ^,  sonst  aber  durch  an  und  ap ;  A-,  im  Worte  pocup,  einmal 
noch  durch  c,  sonst  aber  durch  k\  j  in  der  Regel  durch  3/,  vor  einem  / 
jedoch  durch  ^;  w  im  Anlaute  regelmässig  durch  iv,  im  Inlaute  durch 
u\  V  m  der  Regel  durch  w,  seltener  durch  v  wiedergegeben  u.  s.  w.  In 
einigen  dieser  Schreibungen  tritt  übrigens  ausnahmsweise  auch  das  laut- 
gesetzliche Moment  in  die  Erscheinung.  So  wird  ä  im  Worte  gromoda 
in  Gemässheit  der  wirklichen  Aussprache  durch  0 ;  h  vor  c  im  Worte 
ßlu/;cza  durch  p  und  dz  im  Worte  zachof.3;cza  durch  c;  m  im  Worte 
paralyßew  (instr.  sg.  m.  g.)  durch  71  vertreten.  In  Anbetracht  des  Um- 
standes,  dass  Szczerbic,  Skarga,  Wujek  u.  a.  regelmässig  opiekalnik 
schreiben  i) ,  überrascht  ferner  auch  die  Schreibung  opyeka6?/nik  da- 
durch, dass  sie  noch  die  Lautgruppe  dl  bietet.  Dies  beweist  uns  also, 
dass  die  lautgesetzliche  Berechtigung  dieser  Lautgruppe  im  Polnischen 
zu  der  Zeit,  als  die  »Vocabula«  entstanden,  ungleich  intensiver  empfun- 
den wurde  als  später.  Schliesslich  auch  Schreibungen,  wie  :  wczynyk, 
na  wywolanem  targu  und  woyenne  fczyth  sind  insoferne  von  Bedeutung, 
als  der  Wechsel  zwischen  e  und  y  eine  Spracheigenthümlichkeit  dar- 
stellt, der  man  in  Ostgalizien  auch  heute  noch  bei  sehr  vielen  Personen 
begegnen  kann. 

1)  Belege  bei  Linde  unter  dem  Stichworte :  opieka. 

Kaluzniacki. 


269 


Die  Zeitreclmune;  und  die  Monatsnamen  der  Hnznlen. 


Wenngleich  die  auf  die  Huzulen  bezügliche  Literatur  seit  meiner 
letzten  Notiz  darüber  ^)  durch  so  ausführliche  Schilderungen,  wie  die- 
jenigen von  B.  Kozariscuk2)j  R.  F.  Kaindl^)  und  VI.  Suchevyc*)  eine 
namhafte  Förderung  erfuhr,  kann  man  in  unmittelbarem  Verkehre  mit 
ihnen  manches  Detail  kennen  lernen,  wodurch  das  von  diesen  Sammlern 
Mitgetheilte  hier  und  da  berichtigt,  eventuell  ergänzt  werden  kann.  Ein 
Detail  dieser  letzteren  Art  ist  nun  beispielsweise  auch  das  nachfolgend 
zur  Sprache  gebrachte.  Es  betrifft  die  Zeitrechnung  und  die  Monats- 
namen der  Huzulen  und  bedarf,  um  klargestellt  zu  werden,  nur  einiger 
weniger  Bemerkungen. 


1)  Archiv  f.  slav.  Phil.  XI,  S.  625—626,  Anm. 

2)  Ich  habe  hier  selbstverständlich  in  erster  Linie  die  hübsche  Skizze 
im  'Sinne,  die  dieser  Schriftsteller  in  der  «HayKa«  pro  1889  und  1891  unter 
dem  Titel:  »Hs'i  öyKOB.  KapnaxcKuxi,  ropt«  veröffentlichte.  Allein  auch  die 
übrigen  Mittheilungen  Kozariscuk's,  die  er  in  den  weiteren  Jahrgängen  der 
«HayKa«  und  zum  Theile  auch  in  den  »EyKOB.  BiaoMOCTU«  (1895 — 1S99)  zum 
Abdruck  brachte,  sind  nicht  ohne  Interesse.  Sie  wären  noch  verdienstlicher, 
wenn  Kozariscuk  sich  hätte  angelegen  sein  lassen,  auch  den  dialektischen 
Eigenthümlichkeiten  seiner  Materialien  die  gebührende  Eechnung  zu  tragen. 

3)  Ein  vollständiges  Verzeichniss  der  hierher  gehörigen  Arbeiten  Kaiudl's 
sammt  Würdigung  derselben  ist  in  den  «SanucKu«  der  Sevcenko-Gesellschaft 
in  Lemberg,  Bd.  XI,  XXI  und  XLI,  sowie  im  «Lud«  IV,  S.  95  ff.  zu  finden. 

*)  Ich  verweise  speciell  auf  seine  mit  recht  vielem  Fleisse  und  zwei- 
felloser Sachkenntniss  geschriebene  »ryuy.itmuua«,  von  der  zur  Zeit  der 
Einreichung  dieses  Artikels  bereits  der  ganze  erste  und  das  erste  Volumen 
des  zweiten  Theils  erschienen  waren.  Ausfuhrliche  Besprechung  des  Werkes 
in  der  Zeitschrift  f.  österr.  Volksk.  VIII,  S.  201  ff.  Den  hier  enthaltenen, 
durchwegs  sehr  zutreffenden  Bemerkungen  Franko's  möcht'  ich  meinerseits 
nur  noch  hinzufügen,  dass  es  von  Such,  kaum  richtig  war,  der  Ansicht 
Pol's,  wonach  uns  in  den  Huzulen  »mit  voller  Kraft  der  noch  unverwischte 
slav.  Typus  entgegentrete«,  so  ohne  weiteres  zuzustimmen.  Es  ist  offenbar, 
dass  ihm  die  einschlägige  Partie  in  der  Abhandlung  Miklosich's:  »Ueber  die 
Wanderungen  der  Rumunen  in  den  dalmat.  Alpen  und  den  Karpathen«  (Denk- 
schriften der  Wiener  A.  d.W.,  Bd.  XXX)  ganz  fremd  geblieben  war. 


270  Kaluzniacki, 

Wie  von  den  übrigen,  in  ihrer  Mehrheit  leider  noch  immer  schrift- 
unkundigen Angehörigen  des  kleinrussischen  Volksstammes,  so  wird  die 
Zeit  in  der  kalendermässigen  Bedeutung  dieses  Wortes  ^j  auch  von  den 
Huzulen  in  der  Regel  nach  den  unbeweglichen  Kirchenfesten,  die  sie  in 
Folge  alljährlich  sich  erneuernder  üebung  sehr  genau,  selbst  hinsicht- 
lich der  Zahl  der  zwischen  den  einzelnen  Festen  liegenden  Wochen  und 
Tage  kennen,  berechnet.  Es  war,  oder  es  geschah  dies  —  sagen  sie  — 
zwei,  drei  Wochen  vor,  beziehungsweise  nach  den  Weihnachten.  — 
Am  Tage  des  heil.  Nikolaus,  des  winterlichen  (6.  December  a.  St.),  wer- 
den es  genau  vier  Jahre  sein,  als  die  grosse  Feuersbrunst  unser  Dorf 
vernichtete.  —  Weihnachten  waren,  das  wisst  ihr,  heute  zwei  Wochen. 
Also  haben  wir  bis  zu  den  drei  Hierarchen  (30.  Jänner  a.  St.)  noch 
ganze  drei  Wochen  und  bis  Christi  Darstellung  (2.  Februar  a.  St.)  noch 
drei  Wochen  und  drei  Tage.  —  Gott  sei  Lob,  dass  wir  bei  Onuphri 
(12.  Juni  a.  St.)  sind.  In  fünf  Wochen  und  drei  Tagen  ist  Elias,  und 
da  dürfen  wir  bereits  die  neuen  Erdäpfel  essen.  —  Es  gibt  drei  Paare 
von  Feiertagen,  die  um  fünf  Wochen  und  drei  Tage,  und  weitere  drei 
Paare,  die  um  zwei  Wochen  weniger  zwei  Tage  von  einander  difieriren. 
Die  ersten  drei  Paare  sind:  Weihnacht  und  Christi  Darstellung;  Onu- 
phrius  und  Elias;  Peter  und  Christi  Verklärung.  Die  anderen  drei 
Paare:  Onuphrius  und  der  Kräuteriwan  (d.  i.  Johannis  Geburt  ;  Demeter 
und  Michael;  Michael  und  Maria  Opferung  oder  Einführung.  —  Wir 
Rusnaken  unterscheiden  Frühjahrs-,  Sommer-,  Herbst-  und  Winter- 
feiertage. Frühjahrsfeiertage  sind,  die  zwischen  dem  warmen  Olexa 
(17.  März  a.  St.)  und  dem  Kräuteriwan  (24.  Juni  a.  St.);  Sommerfeier- 
tage, die  zwischen  dem  Kräuteriwan  und  der  Erhöhung  des  heil.  Kreuzes 
(14.  September  a.  St.);  Herbstfeiertage,  die  zwischen  der  Erhöhung  des 
heil.  Kreuzes  und  Maria  Opferung  oder  Einführung  (21.  Nov.  a.  St.); 
Winterfeiertage,  die  zwischen  Maria  Opferung  und  dem  warmen  Olexa 
liegen.  —  Ach,  hätten  wir  nur  einmal  Maria  Schutz  (1.  October  a.  St.! 
hinter  uns,  dann  hätten  auch  unsere  schwersten  Arbeiten  ein  Ende  u.s.  w. 

Neben  dieser,  dem  Kirchenkalender  angepassten,  gibt  es  aber  bei 
den  Huzulen  auch  noch  eine  andere,   sich  mehr  an  den  bürgerlichen 


1)  Ich  mache  hier  absichtlich  diesen  Vorbehalt,  weil  es  bei  den  Huzulen 
auch  zahlreiche  Ueberreste  der  primitiven,  durch  kalendarische  Rücksichten 
noch  nicht  beeinflussten  Zeitrechnung  gibt.  Nachdem  jedoch  diese  Ueber- 
reste zu  besondern  Bemerkungen  keinen  Aulass  bieten,  so  wurden  sie  hier 
nicht  weiter  berücksichtisrt. 


Die  Zeitrechnung  und  die  Monatsnamen  der  Huzulen.  271 

Kalender  anschliessende  und,  was  das  Auffallendste  ist,  den  übrigen 
Kleinrussen  in  gleichem  Umfange  nicht  geläufige  Art,  die  Zeit  zu  fixiren. 
Denn,  während  die  Kenntniss  des  bürgerlichen  Kalenders  sich  bei  dem 
Gros  der  Kleinrnssen  meist  darauf  beschränkt,  dass  sie  wissen,  dass  das 
Jahr  aus  vier  Quartalen,  beziehungsweise  aus  zwölf  Monaten  besteht, 
geht  aus  den  Auskünften,  die  ich  in  Sadeu,  Mareniceni,  Seletin,  Wy- 
zenka  und  anderen,  von  mir  persönlich  aufgesuchten  huzulischen  Ort- 
schaften der  Bukowina  auf  meine  bezüglichen  Anfragen  grhalten  habe, 
hervor,  dass  die  Huzulen  auch  die  Anzahl  der  auf  jeden  Monat  ent- 
fallenden Tage  anzugeben  im  Stande  sind.  Allerdings  sind  diese  ihre 
Angaben  mit  den  kalendermässigen,  präciser:  mit  den  gegenwärtig  als 
kalendermässig  geltenden  Zahlen  insofern  nicht  im  Einklänge,  als  sie 
sich  die  ersten  11  Monate  gleichmässig  aus  je  30,  den  letzten  aus  33, 
hiermit  das  Jahr  aus  zusammen  363  Tagen  bestehend  i)  denken.  Als 
der  erste  Monat  im  Jahre  gilt  ihnen  der  April  2),  als  der  letzte  und 
längste  der  März. 

Beachtenswerth  sind  übrigens  in  gewisser  Hinsicht  auch  die  Mo- 
natsnamen der  Huzulen.  So  heisst  bei  ihnen  der  April,  mit  dem  sie, 
wie  soeben  erwähnt  wurde,  das  Jahr  beginnen,  herezenj^  der  Mai  tra- 
venj\  der  Juni  Ixnylenj  oder  zeh)ij\  der  Juli  hydzenj^  der  August  hi- 


1)  Wieso  die  Huzulen  zu  vorstehenden  Zahlen  gelangt  sind,  ist  freilich 
eine  Frage,  die  nicht  so  einfach  beantwortet  werden  kann.  Am  nächsten  läge 
wohl  anzunehmen,  dass  sie  sich  dieselben  auf  Grund  des  geltenden  Kalenders 
selbst  zurechtlegten.  Da  es  ihnen  schwer  fallen  mochte,  sich  zu  merken, 
welchen  Monaten  30,  welchen  31  und  welchem  2S,  beziehungsweise  29  Tage 
zukommen,  so  gingen  sie  dieser  Schwierigkeit  eventuell  in  der  Weise  aus  dem 
Wege,  dass  sie  lauter  30-tägige  Monate  gelten  Hessen  und  den  Ueberschuss 
dem  letzten  Monat  zuwiesen.  Wenn  aber  erwogen  wird,  dass  auch  der  alte 
babylonische  und  ebenso  der  alte  iranische  Kalender  nur  lauter  30-tägige 
Monate  kannten  und  die  Ausgleichung  mit  der  wirkliehen  Dauer  des  Sonnen- 
jahres annähernd  durch  Schaltvorrichtungen  bewirkten,  so  Hesse  sich  sehr 
wohl  auch  der  Fall  denken,  dass  die  Huzulen  hierin  irgend  einer  älteren 
Ueberlieferung  folgten,  die  sich  im  Südosten  Europas,  woher  sie  gekommen 
zu  sein  scheinen,  auch  dann  noch  gehalten  haben  konnte,  als  christliche 
Staaten  und  Kirchen  bereits  den  durch  Julius  Cäsar  mit  Beihilfe  des  alexan- 
drinischen  Gelehrten  Sosigenes  reformirten  römischen  Kalender  annahmen. 

-)  Auch  Dienstboten-  und  andere  Verträge  werden  von  den  Huzulen 
nicht,  wie  sonst  bei  den  Kleinrussen,  von  Weihnacht  zu  Weihnacht,  sondern 
von  April  zu  April  oder  genauer:  von  dem  einen  Georgstage  zu  dem  anderen 
abgeschlossen. 


272  Kaluzniacki, 

ienj^  aber  auch  Jiopenj\  der  September  zoidenj ^  der  October  pado- 
iyst,  der  November  hrudenj\  der  December  prosynec,  der  Jäuner  si- 
cenj  pervyj\  der  Februar  sicenj  druhyj,  aber  auch  lutyj\  der  März 
marot  ^).  Was  nun  au  diesen  Monatsnamen  zunächst  auffällt,  ist,  dass 
sie  mit  Ausnahme  desjenigen  für  den  Monat  März,  der  römische  Pro- 
venienz bekundet,  durchaus  slavischen  Ursprungs  sind.  Ferner  ver- 
dient bemerkt  zu  werden,  dass  einige  derselben  andere,  und  zwar  theils 
spätere,  theils  frühere  Zeitabschnitte  2j  bezeichnen  als  bei  den  übrigen 
Kleinrussen.  Zu  den  Monatsnamen  der  ersteren  Art  gehören :  herezenj 
und  t7'avenj\  zu  denen  der  anderen  Art :  zotdenj\  padolyst  und  hru- 
de7ij.  Mehrere  dieser  Monatsnamen,  so  namentlich:  hnyhnj\  bilenj 
und  kopenj\  nehmen  unsere  Aufmerksamkeit  auch  dadurch  in  An- 
spruch, dass  sie  den  übrigen  Slaven,  die  Kleinrussen  mit  inbegriffen  3). 
nicht  bekannt  sind:  wenigstens  wissen  die  bis  jetzt  erschienenen  Ver- 
zeichnisse slavischer  Monatsnamen,  unter  denen  die  einschlägige  Schrift 
Miklosich's  (Denkschriften  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften, 
Bd.  XVII)  obenan  steht,  nichts  davon.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  der 
erste  dieser  Namen  mit  Thema  gnüu  in  der  Bedeutung  faul,  fäulniss- 
erregend, der  andere  mit  Thema  b&lü  in  der  Bedeutung  weiss,  weiss- 
lich,  der  dritte  mit  Thema  kopa  in  der  Bedeutung  Schock,  hier  speciell 
Schock  Garben,  zusammenhängt.  Mnylenj  würde  sonach  obiger  Ab- 
leitung zufolge  den  Monat  bedeuten,  der  wegen  der  um  diese  Zeit  herr- 
schenden feuchten  Wärme  die  Fäulniss  begünstigt;  hiienj  den  Monat, 
der  in  Folge  des  sich  damals  vollziehenden  Reifeprocesses  den  Saaten 


1)  Kaindl,  Die  Huzulen,  S.  98  schreibt  statt  dessen  minder  richtig:  tra- 
loyn,  zelyii,  bedzyn^hopyn^  zouty,  padohst,  hmdyn,prosenyc,  siczyi'tperivyj,  siczyii 
druhyj,  berezyn.  Die  Nameu :  hnytenj,  hiienj  und  lutyj  sind  ihm  überhaupt 
unbekannt  geblieben. 

2)  Es  wäre  aber  gefehlt,  wollte  man  hieraus  den  Schluss  ziehen,  dass 
diese  Verschiebung  erst  von  den  Huzulen  etwa  zu  dem  Zwecke  vorgenommen 
wurde,  um  die  Monatsnamen  in  üebereinstimmung  mit  den  in  ihren  gegen- 
wärtigen Wohnsitzen  henacheuden  klimatischen  Verhältnissen  zu  bringen. 
Wie  zahlreiche  kirchenslav.  Denkmäler  bekunden,  waren  die  in  Eede  stehen- 
den Monatsnamen  in  der  ihnen  gegenwärtig  bei  den  Huzulen  zukommenden 
Bedeutung  seinerzeit  auch  den  Südslaven  und  insbesondere  den  Bulgaren 
geläufig.  Die  Huzulen  sind  also  auch  hierin  nur  irgend  einer  älteren  Ueber- 
lieferung  gefolgt. 

3j  Speciell  den  Kleinrussen  ist  auch  der  Name  prosynec  nicht  geläufig. 


Die  Sonnwendlieder  der  westgalizischen  Kleinrussen.  273 

ein  weisslicbe3  Aussehen  verleiht;  /i;oy>e;{;"  hingegen  den  Monat,  der.die 
Felder  mit  schockweise  geschichteten  Garbenhaufen  bedeckt. 

In  sprachwissenschaftlicher  Beziehung  wäre  hervorzuheben,  dass 
alle  huzulischen  Monatsnamen  mit  Ausnahme  derer  für  October  und 
December  und  des  entlehnten  marot  mittelst  des  Suffixes  enj  (=  mij-b] 
gebildet  sind.  Kaluzniacki. 


Die  SomiAveiidlieder  der  westgalizisclieE  Kleinrnssen. 


Es  dürfte  einigermassen  auffallen,  dass  ich  die  Sonnwendlieder 
der  westgalizischen  Kleinrussen  aus  der  Gesammtheit  derartiger  Lieder 
heraushebe  und  selbe  als  eine  besondere  Gruppe  behandle.  Selbstredend 
habe  ich  meine  guten  Gründe  hierfür.  Schon  der  Umstand,  dass  die 
westgalizischen  Kleinrussen  ihre  Sonnwendlieder  nach  einer  eigen- 
artigen, den  ostwärts  wohnenden  Volksgenossen  nicht  geläufigen  Melodie 
singen  und  auch  den  Gegenstand  dieser  Lieder  mit  einem  fremden,  dem 
Sprachschatze  ihrer  polnischen  und  slovakischen  Nachbarn  entlehnten 
Ausdrucke,  nämlich  mit  dem  der  »sobotka«  bezeichnen,  lässt  dieselben 
als  eine  folkloristische  Extravagante  erscheinen,  die  verdient  besonders 
gewürdigt  zu  werden.  Ungleich  wichtiger  als  dieser  scheint  mir  aber 
der  Umstand  zu  sein,  dass  die  Sonnwendlieder  der  westgalizischen  Klein- 
russen auch  einen  wesentlich  anderen  Inhalt  haben  als  jene  der  ostwärts 
wohnenden  Volksgenossen.  Denn  während  in  den  Liedern  der  letzteren 
Kategorie  ^)  das  eigentliche  Merkmal  des  Festes  der  Sommersonnen- 


1)  Sie  sind  in  besonders  grosser  Zahl  in  den  »TpyAii  3THorpa<i>.-CTaTucT. 
3KcnejuHiu  st  aanajHo-pycc.  Kpaii«  III,  199 — 223  u.  483 — 486  abgedruckt. 
Einiges  hierher  gehöriges  Material  ist  übrigens  auch  bei  Zegota  Pauli  »Piesni 
ludu  rus.  w  Galicyi«  I,  30 — 31,  dann  bei  Kucyj  (ich  verweise  insbesondere 
auf  die  Nummern  239  u.  240)  und  bei  A.  Pavlovskij  I,  30  zu  finden.  Neuerer 
Zeit  sind  dazu  noch  die  Beiträge  hinzugekommen,  welche  die  Damen  J.  Mo- 
szynska  und  Z.  Rokossowska,  sowie  Pater  Brykczynski  im  »Zbior  wiadoraosci 
do  antropologii  krajowejaV,  Abtheilung  f.  Ethnologie  S.  2G — 38,  XI,  177 — 184 
und  XII,  95 — 96  verüfFentlicht  hatten.  Die  zuletzt  erwähnten  Beiträge  bieten 
jedoch  vergleichsweise  mit  dem  in  den  »TpysM«  Enthaltenen  nur  wenig  Be- 
merkenswerthes. 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXYII.  lg 


274  Katuzniacki, 

wende,  d.  i.  das  Feuer,  fast  ganz  zurücktritt  i) ,  nimmt  es  in  den  ein- 
schlägigen Liedern  der  westgalizischen  Kleinrussrn  den  ersten  Platz 
ein,  es  ist  wie  des  Festes,  so  der  Lieder  Mittelpunkt. 

Leider  sind  von  den  uns  hier  interessirenden  Liedern  nur  einige 
wenige  2),  und  auch  diese  in  zumeist  ganz  verstümmelter  Gestalt  3)  pnbli- 
cirt  worden.  Um  daher  sowohl  die  erwähnten  Lücken  auszufüllen,  als 
eventuell  auch  weitere,  bis  jetzt  ungedruckt  gebliebene  Nummern  zu 
eruiren,  habe  ich  es  für  der  Mühe  werth  gehalten,  während  der  Sommer- 
ferien, die  ich  seit  einer  Anzahl  von  Jahren  grösstentheils  in  dem  in 
Frage  kommenden  Gebiete  zubringe,  mein  Augenmerk  auch  diesem 
letzteren  Gegenstande  zuzuwenden.  Was  war  nun  das  Ergebniss  meiner 
Bemühungen  ?  Es  zeigte  sich,  dass  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  der 
von  mir  aufgesuchten  Ortschaften  sich  in  der  That  nur  einige  wenige 
Lieder  dieser  Art,  und  zwar  in  Redactionen  erhalten  haben,  die  nichts 
weniger  als  correct  sind.  Bald  fehlt  der  Anfang,  bald  wieder  das  Ende 
des  Liedes,  oder  es  werden  Bestandtheile  verschiedener  Lieder  ge- 
dankenlos durcheinander  geworfen.  Glücklicherweise  gibt  es  aber  auch 
Ortschaften,  wo  wir  etwas  besser  daran  sind.  Dahin  gehören  insbeson- 
dere die  beiden,  im  Bezirk  Lisko  gelegenen  Nachbardörfer:  Rajskie 
und  Telesnica  Sanna  mit  Namen.  Es  lassen  sich  hier  effectiv  noch  neun 
verschiedene  Nummern  in  Redactionen  feststellen,  die  man  als  einwands- 
freie  bezeichnen  kann. 

Mit  Rücksicht  auf  ihren  Inhalt  dürften  von  diesen  neun  Liedern 
die  nachfolgend  sub  11  und  V  abgedruckten  wohl  die  bedeutungsvollsten 
sein.  Im  Liede  II  gelangt  speciell  die  wunderthätige,  Menschen  wie 
Thieren  gleich  zuträgliche  Kraft  der  durch  den  Flammenschein  der 
Sonnwendfeuer  versinnbildlichten  Sommersonne  zum  Ausdruck,  wäh- 
rend im  Liede  V  der  directe  Hinweis  auf  den  Umstand  vorliegt,   dass 


1)  Auf  einundfünfzig,  in  den  »Tpyati  3THorpa*.-cTaTucT.  sKcn.  b-b  aanajHo- 
pycc.  Kpaii«  a.a.O.  abgedruckte  Nummern  können  z.B.  höchstens  drei  (d.i. die 
Nummern :  2,  38  und  7i>)  als  solche  bezeichnet  werden,  bezüglich  derer  dies 
nicht  zuträfe. 

2)  Mir  sind  diesbezüglich  nur  die  vier  oder,  da  das  mit  Nr.  4  bezeichnete 
nicht  hierher  gehört,  nur  die  drei  Lieder  bekannt,  welche  Jakob  Golovackij 
in  seinen  «HapoaHi.iH  ntcHH  rajiuu.  u  yropcKoft  Pycu«  II,  529 — 530  abdruckte. 

3;  Um  sich  hiervon  zu  überzeugen,  genügt  es,  die  von  Golovackij  a.  a.O. 
unter  1,  2  u.  3  abgedruckten  mit  den  Liedern  zu  vergleichen,  die  ich  unter 
IV,  VIII  und  V  vorführe. 


Die  Sonnwendlieder  der  westgalizischen  Kleinrussen.  275 

der  Sommer  zu  der  Zeit,  da  die  Sonnwendfeuer  brennen,  bereits  seinen 
Höhepunkt  erreicht  hat  und  bald,  nur  zu  bald  dem  rauhen  Winter  mit 
dessen  unzertrennlichem  Begleiter,  dem  »kahlen«  Froste,  werde  weichen 
müssen.  Aber  auch  das  Lied  VU  ist  noch  insoferne  von  Bedeutung,  als 
daraus  hervorgeht,  dass  selbst  in  der  Gegend,  wo  man  in  der  gewöhn- 
lichen Rede  nicht  mehr  kupalo,  sondern  (vgl.  Archiv  XVI,  S.  60 S  ff.) 
kopaio  spricht,  sich  ausnahmsweise  noch  der  alte  Name  und  in  alter 
Beziehung  erhalten  hat.  "Was  dagegen  das  unter  Nr.  IV  vorgeführte 
Lied  anbetrifft,  so  glaube  ich  nicht,  dass  demselben  eine  mythologische 
Bedeutung  innewohne.  Die  schwarze,  beziehungsweise  die  blinde  Katze, 
deren  hier  Erwähnung  geschieht,  scheint  ihren  Grund  vielmehr  in  dem 
Umstände  zu  haben,  dass  es  factisch  schwer  war,  zu  dem  Worte  »so- 
botka«  einen  besser  passenden  Reim  zu  finden  als  »kotka«.  Hatte  man 
aber  einmal  diesen  Reim  statuirt,  so  ergab  sich  der  scherzhafte  Inhalt 
des  betreffenden  Liedes,  wonach  die  Burschen  in  ihrem  Ungestüm  eine 
ungesalzene  und  ungesottene  schwarze,  beziehungsweise  blinde  Katze, 
die  Mädchen  hingegen,  die  etwas  später  eintreffen,  eine  wohlzuberei- 
tete weisse  Ente  verzehrten,  gewissermassen  von  selbst. 

Da  die  westgalizischen  Kleinrussen,  wie  oben  erwähnt  wurde,  so- 
wohl das  Fest  als  solches,  als  auch  die  aus  diesem  Anlasse  angezünde- 
ten Feuer  mit  einem  aus  dem  Sprachschatze  ihrer  slovakischen  und 
polnischen  Nachbarn  entlehnten  Ausdrucke  bezeichnen,  so  lag  es  nahe 
anzunehmen,  dass  auch  zwischen  den  beiderseitigen  Liedern  irgend 
welche  Uebereinstimmungen  bestehen.  Auf  Grund  einer  eigens  in  dieser 
Richtung  durchgeführten  Vergleichung  darf  ich  jedoch  versichern,  dass 
dies  nicht  der  Fall  ist.  Wenigstens  habe  ich  unter  den  bis  jetzt  bekannt 
gewordenen  polnischen  und  slovakisch-böhmischen  Sonnwendliedern 
nicht  eines  angetroffen,  das  sich  mit  einem  der  hier  abgedruckten  klein- 
russischen inhaltlich  decken  würde.  Und  ähnlich  wie  in  Bezug  auf  In- 
halt gehen  die  beiden  Gruppen  von  Sonnwendliedern  auch  in  Bezug  auf 
die  äussere  Form  auseinander.  Eine  Ausnahme  hiervon  macht  in  dieser 
Hinsicht  höchstens  das  in  der  Umgebung  von  Krakau  gesungene  poln. 
Sonnwendlied,  das  mit  den  Worten : 

Oj  sobötka,  sobotecka, 
beginnt  1)  und  mit  den  hier  abgedruckten  kleinrussischen  formal  inso- 


1)  Es  ist  zuerst  im  »Tygodnik  ilustrowany«  pro  1862,  Nr.  141,  dann  noch 
einmal  in  Kolberg's  »Lud,  jego  zwyczaje«  etc.  V,  S.  295  abgedruckt  worden. 

18* 


276 


Ka}:uzniacki, 


fern  übereinstimmt,   als  es  mit  ihnen  das  Versmass  (den  vierfüssigen 
Trochäus)  gemein  hat. 

Schliesslich  bemerke  ich  noch,  dass  die  Melodie,  nach  der  die  in 
Rede  stehenden  kleinrussischen  Sonnwendlieder  gesungen  werden,  die 
folgende  ist: 


-£ 


J^ 


Die  Lieder  selbst  haben  nachstehenden  Wortlaut; 


Oh  coöotko,  coöotoüko, 

K  na  Teöe  BOJOqH.ia  (2) 

M  CTeateiiKy  xojioyHJia 

Eh  to  bx  ropy,  to  bi>  ;i;o;iHHy, 

To  B1.  TOJioKoy,  to  El.  ii;apHHy. 

ropH-aci,  ropH,  coöoToilKO, 
TopH  HOHO,  noAHHMaii  ch,  (2) 
Ha  yci  öoKLi  poscBi^aft  cn 
Ell  TO  Bt  ropy  etc. 

Ta  io»:x  ropHTt  eoöoTOHKa, 
FopHT-L  HOHO,  najenie,  (2) 
Ha  ycfe  öoKLi  fiCKpti  cie 
Eil  TO  Bi.  ropy  etc. 

Oh  coöotko,  coöötohko, 
H  Ha  xeöe  BOjio^iHJia  (2) 
II  cTeateHKy  xojioqHJia 
Eh  to  Bt  ropy  etc. 

II. 

3anLij[ajia  coöoToiiKa, 
CxonH.ia  CH  iiejfl;;oHKa, 


CxonHiia  CH,  npnöirae, 
Ta  me  ApoBeui'L  AOK.iaAae. 

CoÖOTOHKa  HCHO  TOpHTI, 

Hejifl;i;oilKa  ntimHO  xoähtx; 
CoöüTOHKa  Aorapae, 
XoAOÖOHKa  npoKBHTae. 

m. 

Oii  Ha  ropi,  na  ropöo^Ky 

CK.iajIH  A^BKLI  COÖÖTO^Ky. 
npHHUIJIH  XJ[0ni;H,  p03BaJIHJIH, 

Coöi  pyKti  sacMajiHJiH. 
lOact  öy^eTB  Tenept  snaTH, 

RkT>  COßÖTKy  p03BaJIflTH. 

HaKT.  na  ropi,  na  ropöo^iKy 
ÜKjiajiH  xjionnH  coöoToqKy. 

npHHmjIH  A^BKLI,  HB  TLIKaJIH, 

T6.ihK0 1)  KpacHi  2j  3acniBajiH, 
A  coööTKa  3ani>Tjra.ia, 
T^tBKaMT.  AO-iK)  BimyBa.ia. 

IV. 

/I^o.iimH>iHe,  ropiuiHHHe, 
Cxo^bTe  CÄ^Ai»  HaM'B  na  co66TKy,(2) 


1)  Weiter  westwärts  hört  man:  tövko. 

2)  Von  der  Oslawa,  einem  Zuflüsse  San's,  westwärts  hört  man  häufiger : 


rapAi. 


Die  Sonnwendlieder  der  westgaliziachen  KleinruBsen. 


277 


CneyeMe  saMt  yopiiy  i)  KOTRy. 
Hhmt.  ch  A'^bkli  no3uira;in, 
Xjioni;H  KOTKy  posopsa^ii ; 
HHMt  me  Ä'iBKBi  31.  ropöa  söirjiH, 
Xjionun  KOTKy  ^lopHy^)  stijiH, 

Heeo.ieiiy  ik  HeMaineny 
II  i^eöyjiBKOBX  iieKpameHy. 
A  KOMy  ca  ne  ÄOCTajro, 
Han  cn  Bti^pe  3x  kotkli  cajio, 
Haft  CH  cxoBaxx  na  nojiHu;K)  3), 
MacTHTH  cn  KanycTHi],io^). 

ITaKt  cfl  A'iBKLi  nosö'SrajH, 
Eijiy  Ka^iKy  posopBajiii, 
II  cojeHy  H  Mameny, 
M  i^eöy.iKKOB'K  saKpameiiy. 


CaiepTb  c^  MoposoMi.  TaHi],OBaJia, 
Ta  3a  Jiope  Aecb  nornajia. 
Ilom.ira  CMepTt  codi  y  Ji']&cti, 
Iloöin.  5)  3a  HeBt  Moposi.  jihchh, 
II  CH^iaTx  xam-L  bi.  TeMiioft  Hopi, 
3a  BO^aMH  y  KOMopi. 
CMepxe,  CMepxe,  He  BepxaH  ca, 
Tii,  Mopose,  ne  3^HBjrHH  ea ; 
ÜHAbxe  CH  xaMi,  ne  Bepxaftxe, 
Hacx  noacHXKY  ne  söaBjrailxe; 
Haft  HaM-L  coHrte  Aajtuie  rpie, 
jKhxo,  apei^'L  CKopo  spie. 


VI. 

Oh  noracjia  coöoceHKa, 
SanjiaKajia  MapncenKa. 

Ta  ne  racHH,  coööceäKO, 
Ta  ne  n.3a^iH,  MapncenKO. 

3anHjrajia  coöoceHKa, 
SacniBajia  MapncenKa. 

lOacx  ne  njiaye,  ne  pti^ae, 
Eo  HBaca  oönniviae. 

VII. 

Ha  Kyna.ia,  xa  na  üna 
KynaJia  ca  rpe^ina  nanna, 
Kynajra  ca,  xa  Bxanjrajia, 
Ha  6pau,efiKa  ch  BOJiajia : 
Bbihah,  bbihah,  Möii  6pau,eHKy, 
Ho^aä,  no^aS  mh  pyyenKy, 
Ho^an  eAHy,  no^aä  o6i, 
Ta  npnropHH  Mene  'ai>  co6i. 
He  A^Mx  eAHy,  ne  AaMx.  o6i, 
He  npHropny  xe6e  'ai»  coöi. 
Bbihah,  bbihah,  moh  xau;eHKy, 
HoAan,  noAaii  mh  pyiieäKy  etc. 
He  AaMt  eAHy,  ne  AaMt  oöi, 
He  npnropny  xeöe  'a'b  co6i. 
Bbihah,  bbihah,  MaxepeHKO, 
noAan,  noAaä  mh  py^eäKy  etc. 
He  AaMx.  eAHy,  ne  AaMx  o6i, 
He  npnropHy  xeöe  'a'b  codi. 
Bbihah,  bbihah,  moh  MHAeHBKBin, 


1)  Daneben  besteht  die  Variante :  cjiinj. 

-]  Vgl.  die  nächst  vorangehende  Anm.. 

3;  Weiter  westwärts :  no.rauy. 

*)  Ebendaselbst:  KanycTuuy. 

5)  Hier  und  da  hört  man  auch :  nöruay. 


278     Kaluzniacki,  Die  Sonnwendlieder  der  westgalizischen  Kleinrussen. 


IIoAaä,  no;i,a5  mh  pyqeHLKti, 
no^aä  e^Hy,  no^aS  o6i, 
Ta  npHTopHH  Mene  'ai>  codi. 
^aM^B  TH  eAHy,  AaM-L  th  o6i 
II  npHropny  xeöe  ai-  co6i&. 

VIII. 

Ha  posToiii,  Ha  noroi^i 
^Ba  rojiyÖH  BO^y  nnjH, 
BoAy  HHJiH,  3a>ryTHJ[H 
Taä  B3KJIH  CH,  no-iex^jH. 
TIojieT§jiH  Bi>  AyöpoBOHKy, 
Ha  sejieHy  KajiHHOHKy, 
H  CTajiH  TaMx  posBaacaTu, 

HKt  ÖLI  TOTO  AOKOHaTlI  1 ' , 

nJ,o6i>  OcTanoB'B  IlBacefiKO 

Ta  Bateiray  ch  3x  MapnceäKOB-L. 

TyTKaJIB  Ä3B0HH  3aA3B0HHJIH, 

H  rojiyÖH  TaKt  BcyAHJiH: 
By^eMx  ^At  HjepKBH  npn-iiTaTH, 
MaTKy  66aty  yMOJiETH, 


HaH  OcTanoBi)  IlBaceäKO 

Ta  BateHHTi.  ca  ai.  MapaceHKOBt. 

IX. 

Bepxi.  EecKLiAa  sejieHoro 
Ilace  Hh'ihk'b  kohä  cboto 
Ilace,  nace,  nonacye, 
Ha  KOHH'iKa  nocBHCTye : 
Eh  KOHHiK-y  qopHorpHBBiH, 

^OM'B  TLI  CMyTHLlil,   He  IirpHBHH  ? 
IJ,H  TH  ^KOAHTX  SÖpYH  TaH, 

IJ,H  maöjiHiiKa  cTajreBaa? 
Hh  mh  ^koaktt  söpya  Taa, 
Hh  maö.iHqKa  cTajieBaH, 
IIho  mh  yK0AHT%,  mo  He  SHaemt, 
nj^o  KaTpycK)  3acMyyaeuit, 
A  KaTpycH  Teöe  jhgöht-l, 
UI,Hpe  ^AT>  cepi];io  npnrojiyönT'L, 
Jhhil  ÖLI  TBi  KaTpycK)  jnoöny, 
HJ^npe  'a^  cepipo  npnroxyÖHy. 


*■)  Statt  dieser  zwei  Verse  begegnet  man  hier  und  da  auch  der  Variante : 

H  ciajin  CH  roBopHTH, 
KoMy-öt  Toro  nopyiHTH. 

Kaiuhiiacki. 


Kritischer  Anzeiger. 


Erstes  Decetmium  vnssenschaftUcher  Thätigkeit  der  Sevcenko-Ge- 
sellschaft  der  Wissenschaften  in  Lemberg.  *) 

Die  Sevcenko-Gesellschaft  d.  Wissenschaften  in  Lemberg  hat  vor  Jahres- 
frist das  erste  Deeennium  ihrer  wissenschaftlichen  Thätigkeit  abgeschlossen. 
Gegründet  im  J.  1873  von  ukrainischen  Patrioten  aus  Russland  zur  Pflege 
der  ukrainischen  Literatur,  wurde  sie  im  J.  1892  in  eine  wissenschaftliche 
Gesellschaft  umgestaltet  und  machte  sich  energisch  an  die  Erforschung  der 
Fragen,  welche  vorzüglich  mit  der  Vergangenheit  und  der  Gegenwart  der 
Kleinrussen  im  weitesten  Sinne,  also  auch  die  österreichisch -ungarischen 
Ruthenen  umfassend)  verknüpft  sind.  Durch  eine  Reihe  weiterer  Umgestal- 
tungen sich  dem  Organisationstypus  der  Akademien  nähernd,  wurde  sie  in 
letzter  Zeit  de  facto  eine  kleinrussische  Akademie,  wenn  auch  ohne  Titel,  und 
als  die  gegenwärtig  einzige  höhere  wissenschaftliche  Nationalanstalt  ver- 
einigte sie  in  sich  die  wissenschaftliche  Arbeit  in  kleinrussischer  Sprache 
und  erlangte  eine  ungemein  wichtige  Bedeutung  in  dem  Kulturleben  des 
kleinrussischen  Volkes.  Obwohl  nun  über  ihre  wissenschaftliche  Thätigkeit, 
wie  auch  über  einzelne  Publikationen  im  »Archiv«  wiederholt  die  Rede  war,  so 
dürfte  doch  eine  systematische  üebersicht  aller  bisherigen  Arbeiten,  welche 
sich  auf  kleinrussisches  Land  und  Volk  beziehen ,  für  alle  Slavisten  will- 
kommen sein. 

Die  wissenschaftlichen  Publikationen  der  Sevcenko-Gesellschaft  be- 
stehen aus  folgenden  Serien : 

»Mittheilungen  der  Sevcenko-Gesellschaft  d.  W.«  (3aniicKH 
HayKOBoro  ToBapiiciBa  iMenu  IUeBqeHKa),  eine  wissenschaftliche  Zeitschrift, 
hauptsächlich  der  Geschichte,  Literaturgeschichte,  Ethnographie  und  Sprache 
des  kleinrussischen  Volkes  gewidmet.  Sie  erscheinen  alle  zwei  Monate  in 
Heften,  jedes  mehr  oder  weniger  im  Umfange  von  200  Druckseiten;  bis  zum 
Schlüsse  des  J.  1904  sind  62  Hefte  erschienen.  Hier  werden  Abhandlungen 
und  kleinere  Materialien  mit  erklärenden  Anmerkungen  publicirt  (kleinere 
Notizen  und  Materialien  in  der  Abth.  Miscellanea).  Ausführlich  und  syste- 
matisch wird  die  Rubrik  Bibliographie  geführt  (in  den  Abth.  Wissenschaft- 

*)  Aus  Anlass  dieser  bibliogr.  Üebersicht  drücken  wir  den  Wunsch  aus, 
auch  über  andere  slav.  Gesellschaften,  die  der  Pflege  einheimischer  philolog.- 
historischer  Disciplinen  oder  der  Ethnographie  gewidmet  sind,  ähnliche  Re- 
ferate zu  bringen,  wenn  man  sie  uns,  so  wie  es  hier  der  Fall  war,  in  deutscher 
Bearbeitung  zusendet.  Es  ist  kaum  nöthig  hervorzuheben,  dass  bei  derartigen 
bibliogr.  Uebersichten  die  kritische  Würdigung  der  Einzelleistungen  nicht 
immer  zur  Geltung  kommen  kann.  V.  J. 


280  Kritischer  Anzeiger. 

liehe  Chronik  und  Bibliographie,  welche  zusammen  Vs — V2  des  Heftes  ein- 
nehmen); hier  wird  jahraus  jahrein  der  Inhalt  kleinrussischer,  russischer, 
polnischer,  magyarischer  und  sonstiger  Zeitschriften  angegeben,  welche 
irgendwelche  Artikel  oder  Materialien  über  kleinrussische  Länder  bringen 
(in  den  letzten  Jahrg.  gegen  70  Zeitschriften) ;  alle  irgendwie  wichtigeren 
diesbezüglichen  Artikel  und  Publikationen  finden  hier  eine  kritische  Würdi- 
gung oder  wenigstens  eine  Inhaltsangabe,  so  dass  diese  62  Hefte  der  »3a- 
nucKjj«  zusammengenommen  eine  recht  solide  bibliographie  raisonnöe  für  das 
Studium  Kleinrusslands  darstellen,  über  3500  Titel  diverser  Artikel  und 
Publikationen.  Besonders  sorgfältig,  wie  in  keiner  anderen  ausländischen 
Publikation,  wird  die  wissenschaftliche  Literatur  Eusslands  registrirt  und 
besprochen.  Von  Zeit  zu  Zeit  finden  auch  systematische  Uebersichten  der 
Literatur  einzelner  Fragen  Platz,  welche  nicht  unmittelbar  mit  Südrussland 
verknüpft  sind;  so  wurden  in  den  Jahren  1897 — 99  Uebersichten  der  Literatur 
zur  allgemeinen  Weltgeschichte,  für  die  J.  1900 — 2  Uebersichten  der  west- 
europäischen Literatur  über  Anthropologie,  Archäologie,  Ethnologie  und 
Folklore  gebracht. 

»SaniioKii«  sind  das  Organ  der  historischen  und  philologischen  Sectionen 
der  Gesellschaft.  Ausserdem  gibt  jede  von  ihnen  jährlich  einen  Band  ihres 
»36ipHUK«  heraus  im  Umfange  von  15 — 30  Druckbogen;  sie  sind  für  umfäng- 
lichere Arbeiten  oder  systematische  Sammlungen  kleinerer  Aufsätze  bestimmt. 
Im  »Zbirnyk«  der  historischen  Section  wurde  meine  Geschichte  der  Ukraine 
(Bde.  I — IV  und  VI — VII  des  »Zb.«)  publicirt,  in  jenem  der  philologischen 
Section  wurden  Sammlungen  der  folkloristischen  Arbeiten  Dragomanov's  und 
Dykariv's,  eine  zweibändige  Biographie  Sevcenko's  von  AI.  Konyskij  u.  A. 
gedruckt.  Bisher  sind  7  Bände  des  historischen  und  6  des  philologischen 
»Zbirnyk«  erschienen. 

Die  historische  Section  gibt  ausserdem  noch  die  »Ruth,  historische 
Bibliothek«  (PyctKa  icTopuina  6i6.!iiOTeKa)  und  die  philologische  die  »Lite- 
ratur-Bibliothek« (yKpaiucLKo-pycBKa  6i6.iiOTeKa)  heraus.  Die  erste  begann 
schon  in  den  80-er  Jahren  zu  erscheinen,  unabhängig  von  der  Sevcenko- 
Gesellschaft  d.  W.  und  wurde  nur  später  durch  die  Ges.  übernommen  zu- 
sammen mit  einem  kleinen  Subsidium,  welches  der  galizische  Landtag  dieser 
Publikation  spendete.  Hier  wurden  meistentheils  Uebersetzungen  hervor- 
ragender Monographien  zur  Geschichte  Südrusslands  gedruckt  (von  Kosto- 
marov,  Antonovyc,  Vladimirskij-Budanov  u.  A.) ;  bisher  sind  24  Bde.  er- 
schienen. Vom  künftigen  Jahre  angefangen  soll  diese  Publikation  Materialien 
und  systematische  Sammlungen  werthvoller  Artikel  bringen,  welche  in  sel- 
tenen galizisch-  und  uugariäch-ruthenischen  Druckschriften  zerstreut  sind. 
Die  »Literatur-Bibliothek«  wurde  unlängst  gegründet  für  wissenschaftliche 
Ausgaben  kleinrussischer  Klassiker;  bisher  sind  drei  Bände  erschienen, 
welche  die  Werke  des  bukowinischen  Dichters  und  Novellisten  J.  Fedkovyc 
enthalten. 

Archäographischen  Publikationen  sind  zwei  Serien  gewidmet: 
»Quellen  zur  Geschichte  der  Ukraine«  (/Kepejia  so  icxopui  TKpaiHii-PycH) 
bringen  urkundliches   Material  und   »Denkmäler    der    ukr.    Sprache    und 


Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Sevcenko-Gesellschaft.  281 

Literatur  «(IIaMflTKuyKpai"nci.KoiMOBU  i  jiTeparypu)  —  literarische  Denkmäler. 
Jährlich  erscheint  ein  Band,  abwechselnd  bald  aus  der  einen,  bald  aus  der 
zweiten  Serie.  Von  der  historischen  Serie  sind  bisher  G  (I— V  und  VIIj,  von 
der  literarischen  4  Bände  erschienen;  von  den  darin  enthaltenen  Materialien 
und  sie  begleitenden  Elnfiihrungs-Studien  wird  weiter  bei  entsprechenden 
Themen  die  Rede  sein. 

Ethnographische  Materialien  erscheinen  auch  in  zwei  Serien: 
Ethnographische  Sammlung  (Eruor'pa'i-iiiiHir  36ipiiHK),  hauptsächlich  den  Pro- 
ducten  der  Volkstradition  (des  Folklore)  gewidmet  und  Texte  in  möglichst 
genauer  philologischer  Wiedergabe  bringend.  Von  dieser  Serie  erscheinen 
jährlich  zwei  Bände;  bisher  sind  16  Bände  erschienen,  welche  eine  ganz  be- 
deutende Masse  volksthümlicher  Ueberlieferungen  enthalten.  Die  zweite 
Serie:  »Materialien  zur  ukrainischen  Ethnologie«  (Marepuji.iH  ao  yKpaiHCBKo- 
pycBKoi  eiHo.iBor'ii,  bisher  7  Bde.,  erscheint  ein  Band  jährlich)  bringen  haupt- 
sächlich Beiträge  zur  descriptiven  Ethnographie  sowie  zur  Archäologie 
(Paläoethnologie). 

Die  Juridische  Zeitschrift  (^aconuct  üpaBHuia),  Organ  der  juridi- 
schen Commission,  wurde  nach  zehnjährigem  Erscheinen  (18S9  — 1900,  zehn 
Bände)  im  J.  1900  in  eine  »Juridisch -ökonomische  Zeitschrift«  umgeformt 
im  J.  1904  ist  der  Doppelband  VI — VII  davon  erschienen.  Wie  ihre  Vor- 
gängerin wendet  auch  diese  »Juridisch-ökonomische  Zeitschrift«  die  meiste 
Aufmerksamkeit  dem  obligaten  österreichischen  Rechte  zu,  weniger  Raum 
den  theoretischen  Fragen  des  Rechtes  und  theilweise  der  Sociologie  er- 
theilend ;  ziemlich  viel  Platz  wird  der  Bibliographie  ertheilt.  Die  den  klein- 
russischen Themen  gewidmeten  Artikel  werden  weiter  unten  erwähnt.  Als 
eine  Ergänzung  der  »Zeitschrift«  dient  die  »Juridische  Bibliothek«,  wo  um- 
fangreichere Universitätscurse  aus  dem  Gebiete  des  obligaten  Rechtes  ver- 
öflfentlicht  werden  (bisher  sind  drei  Hefte  erschienen). 

Arbeiten  aus  dem  Gebiete  der  mathematischen  und  naturwissenschaft- 
lichen Disciplinen  wurden  anfangs  in  den  »Mittheilungen«  veröffentlicht, 
welche  als  allgemeines  Organ  der  Gesellschaft  galten;  in  den  ersten  Bänden 
der  »Mittheilungen«  (bis  zum  XIV.)  gibt  es  ziemlich  viel  mathematische, 
naturwissenschaftliche  und  medicinische  Artikel.  Seit  dem  J.  1897  werden 
dieselben  in  der  Sammelschrift  derSection  für  mathematische,  natur- 
wissenschaftliche und  medicinische  Disciplinen  gedruckt;  im  J.  19u4  wird  der 
zehnte  Band  erscheinen.  In  den  J.  1898 — 1902  wurde  der  medicinische  Theil 
separat  als  »Medicinische  Sammelschrift«  (JIiKapci,KHii  36ipHUK)  her- 
ausgegeben (erschienen  sind  6  Hefte; ;  ausser  Abhandlungen  und  Beobach- 
tungen wurde  hier  auch  der  Bibliographie  und  Terminologie  viel  Platz  ge- 
geben. Gegenwärtig  ist  sie  mit  der  gemeinsamen  Sammelschrift  der  Section 
vereinigt. 

Ich  muss  auch  die  literar-wissenschaftlichen  Publikationen  der  Gesell- 
schaft erwähnen.    Bis  zum  J.  1898  gab  sie  die  Zeitschrift  »Zorja«  heraus 
1880 — 1897,  18  Jahrgänge);  sie  erschien  zweimal  monatlich,  wurde  für  die 
»Familienlektüre«  bestimmt,  seit  1891  illustrirt  (unter  den  Illustrationen  sehr 
viele  ethnographische  und  historisch  interessante  Abbildungen).    Im  J.  1898 


282  Kritischer  Anzeiger. 

trat  an  ihre  Stelle  der  »Literarisch -wissenschaftliche  Bote«  (üiTepaiypHo- 
HayKOBUH  bIcthhk),  eine  Monatsschrift  vom  Typus  der  westeuropäischen  Re- 
vue, erscheint  in  Heften,  jedes  im  Umfange  von  10 — 12  Druckbogen.  Der 
Inhalt  zerfällt  in  Belletristik,  den  wissenschaftlich-literarischen  Theil  und  die 
Chronik.  Die  Gründung  dieser  Revue  fiel  mit  einer  starken  Belebung  des 
kleinrussischen  literarischen  Schaffens  in  Galizien  und  Russland  zusammen 
und  blieb  auch  ihrerseits  nicht  ohne  merklichen  Einfluss  auf  dasselbe  sowie 
auf  die  Erhöhung  des  allgemeinen  Niveau's  des  literarischen  Geschmackes 
und  der  kulturellen  Bedürfnisse  der  Gesellschaft.  Der  L.-w.B.  gibt  ein  ziem- 
lich vollständiges  und  lebhaftes  Bild  der  literarischen  Bewegung  dieser  Jahre. 
In  seiner  literarisch-wissenschaftlichen  Abtheilung  sowie  in  seiner  Chronik 
wurden  eine  Menge  Artikel  und  Notizen  nicht  nur  literar-kritischen,  sondern 
auch  allgemeineren  wissenschaftlichen  Inhalts  veröffentlicht.  Wer  sich  mit 
dem  Inhalt  dieser  Zeitschrift  näher  befassen  möchte,  den  verweise  ich  auf  das 
unlängst  erschienene  Inhaltsverzeichniss  des  L.-w.  Boten  für  die  ersten  fünf 
Jahre  (20  Bände)  seines  Erscheinens. 

Ein  Bild  der  Wirksamkeit  der  Gesellschaft,  der  in  ihren  gelehrten 
Sitzungen  vorgetragenen  Arbeiten  und  ihrer  wissenschaftlichen  Publikationen, 
geben  periodische  Berichte  (Chronik],  welche  in  kleinrussischer  und  deutscher 
Sprache  seit  dem  J.  1900  viermal  jährlieh  erscheinen;  früher  wurden  solche 
Berichte  in  den  »3anucKn«  veröffentlicht.  Jedes  Jahr  gibt  das  erste  Heft  dieser 
Chronik  einen  Jahresbericht  der  Gesellschaft;  Nachrichten  über  den  Stand 
der  Bibliothek  und  anderer  wissenschaftlicher  Hilfsmittel,  eine  Liste  der  In- 
stitutionen, welche  mit  der  Gesellschaft  ihre  Publikationen  austauschen  u.s.w. 

Nach  diesen  allgemeinen  Bemerkungen  komme  ich  zur  systematischen 
Uebersicht  der  nach  Gruppen  geordneten  Materialien  und  Forschungen  auf 
dem  Gebiete  der  Vergangenheit  und  der  Gegenwart  Südrusslands,  welche  in 
den  Publikationen  der  Gesellschaft  enthalten  sind. 

Mit  der  Archäologie  beginnend  will  ich  zuerst  einige  Artikel  des 
Theodor  Volkov  über  den  bekannten  Fundort  in  Kijev  hervorheben:  »Vor- 
historische Funde  in  der  Cyrillus-Gasse  in  Kijev«  (Ethnol.  Mater.  I) — bisher 
nach  meiner  Meinung  die  beste  Arbeit,  welche  über  diese  Funde  veröffent- 
licht wurde  —  und  »Der  Madeleine-Sdl  in  der  Ukraine«  (Zap.  46),  eine 
Arbeit,  speciell  den  ornamentirten  Stosszähnen  des  Mammuts  gewidmet, 
welche  Herr  Volkov  der  Madeleine-Epoche  zuschreibt.  Im  VI.  Bde.  der  Ethn. 
Mater,  erschien  der  Anfang  seiner  grösseren  Abhandlung  über  die  »Vor- 
mykenische  Kultur«,  jene  räthselhafte  Kultur,  welche  besonders  durch  die 
unlängst  gemachten  Funde  des  Herrn  Chvojka  solches  Aufsehen  erregt  hat 
und  bisher  in  Hinsicht  ihres  Ursprungs  und  ihres  Verhältnisses  zu  ähnlichen 
westlichen  Funden  nicht  aufgeklärt  wurde.  In  Verbindung  damit  stehen  »Die 
Funde  in  den  Tumuli  zwischen  Veremje  und  Stretivka  und  bei  Trypille«, 
welche  von  demselben  Volkov  in  einer  vorläufigen  Notiz  (Eth.  Mat.  III)  be- 
schrieben wurden. 

Die  frühmetallische  Kultur  berühren:  meine  Notiz  über  bronzene 
Schwerter  aus  dem  Bez.  Turka  (Ostgalizien,  in  den  Karpathen)  —  einen  der 
wenigen  erforschten  Funde  der  mesodanubischen  Broncekultur  in  Galizien 


\ 


Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Sevcenko-Gesellschaft.  283 

(Zap.  33)  und  mein  Artikel  über  das  Gräberfeld  beim  Dorfe  Cecliy,  Bez. 
Brody  in  Galizion  (Zap.  31 — 32),  einem  überaus  reichen  Bestattungsgräber- 
felde aus  der  Uebcrgangszeit  von  der  Stein-  zur  Eisenkultur,  welches  leider 
durch  die  Grabungen  der  unwissenden  Leute,  denen  ihre  Führung  anvertraut 
wurde,  total  verdorben  worden  ist.  Die  Aufschichtung  verschiedener  Kul- 
turen und  die  Ueberreste  der  Fiirstenperiode  beschreibt  mein  Artikel  über 
Zvenyhorod,  eine  der  ältesten  fürstlichen  Residenzen  Galiziens  (Zap.  ibid.); 
hier  wird  auch  die  Streitfrage  über  die  Lage  Zwenyhorods  behandelt.  Einem 
interessanten  Funde  der  Erzeugnisse  altrussischer  Juwelierkunst  im  D.  Molo- 
tiv  zusammen  mit  den  Münzen  des  XIV.  Jahrh.  ist  mein  anderer  Artikel  ge- 
widmet (Zap.  25).  In  der  Notiz  über  »die  Ohrringe  des  Kijever  Typus  bei 
gegenwärtigen  Kaukasiern«  (Zap.  37)  weise  ich  darauf  hin,  dass  Ohrringe 
dieses  Typus,  Ajour- Arbeit,  mit  drei  geflochtenen  Perlen  noch  jetzt  durch 
eingeborene  Juweliere  in  der  Gegend  von  Vladikavkas  verfertigt  werden. 

Einige  Notizen  habe  ich  auch  den  altrussischen  und  byzantinischen 
Bleisiegeln  gewidmet,  welche  in  Ostgalizien  gefunden  werden  (Zap.  33).  Die 
altrussische  Kunst  behandeln:  meine  Artikel  über  die  Arbeiten  des  Ak.  Kon- 
dakov  (Zap.  40),  über  die  Miniaturen  des  Trierer  Psalters  (Zap.  49)  und  der 
Marie  Hrusevska  über  die  einstige  Ausbreitung  der  ruthenischen  Kunst  in 
polnischen  Ländern  —  sehr  interessante  Nachrichten  über  die  in  polnischen 
Ländern  verlorenen  und  erhaltenen,  von  klein-  und  Weissrussischen  Meistern 
des  XIL — XV.  Jahrh.  geschaffenen  Kunstdenkmäler  (Zap.  51). 

Ausserdem  wurde  ein  allgemeiner  Umriss  der  archäologischen  Denk- 
mäler auf  dem  südrussischen  Territorium ,  der  Kultur  nach  archäologischen 
üeberresten  sowie  auch  der  altrussischen  Kunst  in  meiner  »Geschichte  der 
Ukraine«  gegeben,  wovon  gleich  unten.  Werthvolle  Hinweise  und  Correc- 
turen  finden  sich  in  einigen  Recensionen  über  archäologische  Arbeiten,  so 
z.  B.  in  Jastrebov's  Recension  über  die  »Tumuli  der  Smila«  des  Gr.  Bo- 
brinskij  (Zap.  7),  V.  Domanskij's  Besprechung  der  archäologischen  Karten 
der  Gouvern.  Volynien  und  Podolien  (Zap.  50)  usw.  Eine  Uebersicht  der 
westeuropäischen  Literatur  über  die  Archäologie  vom  J.  1900  bis  heute  gibt 
Z.  Kuziela  (Zap.  59). 

Von  meiner  Geschichte  der  Ukraine')  sind  bis  jetzt  vier  Bände 
erschienen,  welche  die  Zeit  bis  zum  Ende  des  XVL  Jahrh.  umfassen;  die  fol- 
genden Jahrhunderte  denke  ich  in  weiteren  vier  Bänden  darzustellen.  Der 
erste  Band  beginnt  mit  der  Geschichte  des  Territoriums  —  der  Uebersicht 
archäologischer  Menschenspuren  auf  dem  Territorium  von  den  Karpathen  bis 
zum  Kaukasus  —  von  der  paläolithischen  bis  zur  historischen,  graeco-sarma- 

1)  »IcTopHH  yKpaiHii-Pycii«  Bd.  I,  1898  (bis  zum  Beginn  des  XL  Jahrh.), 
IV  4- 496  S.  (Sammlung  der  bist,  philosoph.  Section,  Bd.  I);  Bd.  II,  1899  (das 
XL— XIII.  Jahrh.),  403  S.  (Samml.  Bd.  II);  Bd.  III,  1900  (bis  zum  J.  1340), 
700  S.  (Samml.  Bd.  III  und  IV);  Bd.  IV,  1903  (das  XIV.— XVI.  Jahrh.,  poli- 
tische Verhältnisse),  532  S.  (Samml.  Bd.  VI  und  VII).  Die  ersten  Bände  sind 
schon  vergriffen  und  erscheinen  in  neuer  Ausgabe  (Bd.  1, 1904.  VIII-f-62S  S.). 
Im  Druck  befindet  sich  eine  deutsche  Ausgabe,  welche  von  der  Firma 
B.  G.  Teubner  in  Leipzig  besorgt  v/ird. 


284  Kritischer  Anzeiger. 

tisclien  Kultur.  Durch  die  Analyse  der  Frage  über  die  Urheimath  der  indo- 
europäischen und  speciell  slavischen  Stämme  werden  die  Ausgangspunkte 
der  späteren  slavischen  Colonisation  (inwieweit  dies  bei  den  jetzt  bekannten 
Thatsachen  möglich  ist)  festgestellt  und  hernach  die  nichtslavische  Coloni- 
sation des  südrussischen  Territoriums  überblickt:  die  griechische  Coloni- 
sation der  Nordufer  des  Schwarzen  Meeres,  die  iranische  Steppenbevölkerung 
(Skythen,  Sarmaten,  Alanen),  die  thrakische,  zu  welcher  am  ehesten  die 
ältesten  Bewohner  der  Karpathen  zu  zählen  sind,  die  germanische  (Bastarnen. 
Gothen)  und  schliesslich  die  asiatische,  turkofinnische  Migration  (Hunnen, 
Bulgaren,  Chazaren,  Avaren,  Magyaren,  Pecenegen).  Das  zweite  Capitel  ent- 
hält eine  Skizze  der  slavischen  Besiedelung  des  südrussischen  Territoriums 
—  Geschichte  der  Colonisation  und  eine  Uebersicht  der  Sitzplätze  einzelner 
Stämme  auf  diesem  Territorium;  ziemlich  viel  Platz  wurde  der  Feststellung 
der  westlichen  und  südwestlichen  Grenze  der  kleinrussischen  Colonisation 
gewidmet,  wo  es  so  viel  strittiges  und  unsicheres  gibt;  eine  Uebersicht  der 
Verluste,  welche  die  kleinrussische  Colonisation  unter  dem  Andrang  der  Horde 
der  Pecenegen  erlitten  hat,  beschliesst  dieses  Kapitel.  Das  dritte  Kapitel  ist 
der  Darstellung  der  Kultur-  und  Lebensverhältnisse  südrussischer  Stämme 
im  Zeitpunkte  ihrer  Festsetzung  und  Staatenbildung  gewidmet,  auf  Grund 
linguistischer,  archäologischer  und  historischer  Daten:  Wirtschaft  und  In- 
dustrie, Lebensweise,  Handel,  der  physische  und  psychische  Menschentypus, 
die  religiöse  Weltanschauung,  Begräbniss-  und  Hochzeits- Bräuche,  das 
Familienleben  und  die  sociale  Organisation.  Im  vierten  Kapitel  wird  die 
Bildungsgeschichte  des  Russischen  (Kijever)  Staates  dargestellt  —  die 
Schwächen  unserer  annalistischen  Tradition  werden  nachgewiesen  und  hernach 
die  Nachrichten  über  den  Beginn  der  Staatsorganisation  unabhängig  von  der 
Theorie  des  varägischen  Ursprungs  der  »Rus«  zusammengestellt:  die  ältesten 
Nachrichten  über  »Rus«  sowie  Zeugnisse  über  den  Bildungsprocess  des  Kije- 
ver Staatswesens,  woran  sich  eine  Uebersicht  seiner  Geschichte  im  X.  Jahrh. 
(Oleg,  Igor,  Olga,  Svjatoslav)  knüpft.  Hierher  gehören  auch  zwei  Excurse  am 
Ende  des  Bandes:  über  die  Aelteste  Chronik  sowie  über  die  normannische 
Theorie  in  der  historischen  Literatur  (Geschichte  und  Kritik  des  Normannis- 
mus). Das  letzte  Kapitel  ist  dem  Ausbau  des  Kijever  Staatsgebäudes  unter 
Vladimir  gewidmet.  In  der  zweiten  Ausgabe  wurde  der  erste  Band  bedeutend 
erweitert;  manche  Kapitel  wurden  ganz  neu  geschrieben,  z.  B.  die  archäo- 
logische Uebersicht  des  Territoriums,  wo  sehr  viel  neues  Material  hinzukam ; 
neue  Kapitel  wurden  hinzugefügt  über  die  Familienverhältnisse  und  die  An- 
fänge des  politischen  Lebens  bei  den  südrussischen  Stämmen  ;  die  Literatur- 
nachweise wurden  erweitert  und  vervollständigt. 

Der  zweite  Band  besteht  aus  zwei  Theilen.  Der  erste  (Kap.  I — III)  gibt 
die  Geschichte  des  Kijever  Staates,  seiner  Auflösung  und  seines  Verfalls  bis 
zur  Hälfte  des  XIII.  Jahrh. ;  der  zweite  besteht  aus  Skizzen,  welche  einzelnen 
kleinrussischen  Gebieten  gewidmet  sind:  dem  Kijever  (im  Anhang  dazu  eine 
kleine  Skizze  des  Gebietes  von  Turov  und  Pinsk),  dem  Gernihover  und  Pere- 
jaslaver  Territorium,  ihrer  Geschichte,  ihrem  kulturellen  und  socialen  Leben 
(Kap.  IV  und  V).    Das  letzte  Kapitel  ist  den  Steppen  am  Schwarzen  Meer 


Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Sevcenko-Gesellschaft.  285 

gewidmet,  schildert  die  Ueberreste  der  kleinrussischen  Colonisation  in  den 
Steppen  und  die  dortige  türkische  Colonisation  (die  Pecenegen,  Torken,  Po- 
lovzen,  ihre  Colonien  in  der  Ukraine,  die  Ankunft  der  Mongolen  =  Tatarenj. 

Der  dritte  Band  beginnt  mit  einer  Skizze  der  galizisch-volynischen 
Territorien;  ein  besonderer  Abschnitt,  welcher  das  Interesse  völliger  Neu- 
heit hat,  befasst  sich  mit  Ungarisch -Ruthenien;  hier  sind  Nachrichten  der 
ungarischen  Urkunden  des  XK. — XIII.  Jahrh.  über  ungarische,  mit  Ruthenen 
besiedelte  Provinzen  gesammelt.  Das  folgende  Kapitel  gibt  die  Geschichte 
des  galizisch-volynischen  Staates  des  XII. — XIV.  Jahrhunderts  (bis  zum 
J.  1340\  das  dritte  schildert  die  Schicksale  der  Länder  am  Dniepr  unter  der 
Herrschaft  der  Tataren,  welche  den  völligen  Verfall  des  Staatslebens  und  der 
Kultur  hier  herbeiführte.  Die  zweite  Hälfte  des  Bandes  (circa  320  Seiten) 
enthält  einen  Umriss  der  politischen  und  socialen  Einrichtungen,  der  ökono- 
mischen Verhältnisse,  der  Lebensweise  und  Kultur  der  kleinrussischen  Län- 
der in  der  Periode  ihres  selbstständigen  Staatslebens  (X. — XIV.  Jahrh.) :  das 
Staatensystem  und  die  Verhältnisse  der  Fürsten  zueinander,  die  politische 
Organisation  der  Territorien,  der  Fürst  und  das  Vece  (Volksversammlung), 
die  Administration  und  die  Gerichtsbarkeit,  die  Kirche  und  die  Kirchenver- 
waltung, die  sociale  Einrichtung  —  die  Klassen,  ökonomische  Verhältnisse, 
das  Recht  als  kulturelle  Erscheinung,  das  Privatleben  —  Familienverhält- 
nisse, die  damaligen  Laster  in  der  Darstellung  der  kirchlichen  Literatur  und 
der  Einflnss  des  Christenthums,  das  kirchliche  Leben,  die  Kunst,  Auf- 
klärung, Gelehrsamkeit  und  die  literarische  Production. 

Der  vierte  Band  ist  den  äusseren  politischen  Ereignissen  des  XIV.  bis 
XVI.  Jahrh.  gev/idmet,  welche  auf  die  Schicksale  der  kleinrussischen  Länder 
von  Einfluss  waren  und  schliesslich  zur  Vereinigung  dieser  Länder  unter  pol- 
nischer Herrschaft  führten.  Das  erste  Kapitel  stellt  die  Geschichte  derOccu- 
pation  kleinrussischer  Länder  durch  das  Grossfürstenthum  Littauen  und  das 
Königreich  Polen  im  XIV.  Jahrh.,  sowie  ihren  Kampf  um  die  galizisch-voly- 
nischen Länder  dar.  Das  zweite  wird  durch  den  ungarisch-polnischen  Streit 
um  Galizien  eröffnet  und  geht  hierauf  auf  die  Ereignisse  des  XIV.  und  An- 
fang des  XV.  Jahrh.  über,  welche  auf  die  Beziehungen  Rutheniens,  Littauens 
und  Polens  einen  mächtigen  Einfluss  hatten  und  ihre  Geschichte  in  den  folgen- 
den Jahrhunderten  bestimmten:  die  Union  vom  J.  1385,  den  Vertrag  über  die 
Incorporation  der  zum  Grossfürstenthum  gobörigen  Länder  unmittelbar  an 
Polen;  die  Opposition  gegen  diese  Incorporation  im  Grossfürstenthum  Lit- 
tauen unter  Führung  des  Vitovt ;  die  Aufhebung  jener  fast  selbstständigen 
Fürstenthümer,  aus  welchen  die  kleinrussischen  Territorien  des  Grossf  ürsten- 
thums  Littauen  bestanden  und  ihre  Umwandlung  in  einfache  Provinzen.  Das 
dritte  Kapitel  schildert  den  Kampf  klein-  und  weissrussischer  Fürsten  und  Bo- 
jaren mit  der  ihnen  feindlichen  Politik  der  littauisch-polnischen  Regierung, 
die  Conflicte  des  autonomistischen  Programms  der  littauischen  Aristokratie 
mit  der  centralistischen  Politik  Polens.  Ein  besonderer  Abschnitt  spricht 
von  den  Schicksalen  der  Länder  am  Schwarzen  Meere,  von  der  Bildung  der 
Horde  vonKrym,  ihren  Beziehungen  zum  polnisch -littauischen  Staate  und 
tatarischen  Verwüstungen,  welche  mit  dem  Anfange  des  XV.  Jahrh.  be- 


286  Kritischer  Anzeiger. 

ginnen.  Das  letzte  Kapitel  schildert  den  Vollzug  der  Union  und  die  Ver- 
einigung der  übrigen  südrussischen  Territorien  mit  Polen.  Im  pendant  zu 
dieser  Uebersicht  der  äusseren  Verhältnisse  wird  der  V.  Band  die  sociale  und 
kulturelle  Evolution  der  kleinrussischen  Länder  während  der  littauisch-polni- 
schen  Periode  zur  Darstellung  bringen.  Dieser  Band  ist  schon  im  Manuskript 
fast  fertig  und  wird  wahrscheinlich  in  diesem  Jahre  (190.5)  erscheinen. 

Von  speciellen  Beiträgen  zur  alten  Periode  der  Geschichte  süd- 
russischer Länder  und  des  Slaventhums  hebe  ich  folgende  hervor  :  Panacovnyj 
über  griechische  Colonien  am  Kubangestade  (Zap.  2),  meine  Arbeit  über  die 
Anten  (ibid.  21) ;  M.  Korduba  über  das  Reich  Samo's  (ibid.  13)  und  Z.  Kuziela 
Uebersicht  der  neueren  Literatur  betreffend  die  älteste  Geschichte  des 
Slaventhums  und  Revision  der  darin  hervortretenden  Fragen  (ibid.  52,  53;. 
Hier  seien  noch  Dykarivs  Arbeiten  zur  vergleichenden  Mythologie  erwähnt: 
«Mythologische  Fragmente«,  »Fragmente  aus  der  griechisch-slavischen  My- 
thologie« *)  U.A.  Zur  Geschichte  des  alten  Kijever  Staates:  Gr.  Velycko 
über  politische  und  kulturelle  Beziehungen  der  Rus  zu  Byzanz  —  eine  tüch- 
tige Kompilation  (Zap.  6);  M.  Korduba  über  sociale  Klassen  und  politische 
Parteien  im  Fürstenthum  Halle  bis  zur  Hälfte  des  XIII.  Jahrh.  —  einige  in- 
teressante Bemerkungen,  welche  die  Fehler  und  Trugschlüsse  in  anderen 
Fällen  wettmachen  (ibid.  31,;  meine  Arbeiten  über  das  halicer  Bojarenthum 
des  XII. — XIII.  Jahrh.  (der  Bildungsprocess  einer  geschlossenen  Bojaren- 
klasse und  Ursachen  ihrer  Macht  —  ibid.  30;  sowie  über  eine  gegen  das  fürst- 
lich-gefolgschaftliche Regime  gerichtete  Bewegung  in  den  Stadtgemeinden 
des  XIII.  Jahrh.  (ibid.  1);  B.  Barvinskyj  über  die  Pressburger  Zusammenkunft 
Daniels  mit  dem  König  Bela  (Zap.  52;,  meine  kritische  Prüfung  der  Urkunden 
des  Fürsten  Leo,  welche  von  früheren  Forschern  als  authentisch  angesehen 
wurden  (ibid.  45). 

Den  Versuch  einer  historischen  Chrestomathie,  enthaltend  die  wichtigeren 
Abschnitte  aus  den  Quellen  zur  kleinrussischen  Geschichte  des  IX. — X.  und 
der  ersten  Hälfte  des  XI.  Jahrh.,  mit  einleitenden  Anmerkungen  und  Erklä- 
rungen gab  ich  im  J.  1895  separat  heraus  u.d.T.  »Ausschnitte  aus  den  Quellen 
zur  Geschichte  der  Ukraine«  (schliesst  mit  Skylitzes-Kedrenos  und  den 
Sagen).  Besondere  Abschnitte  der  Quellenkunde  behandeln  folgende  Ar- 
beiten: Nik.  Suchevyc  über  die  Verträge  der  Rus  mit  den  Griechen  (Juridische 
Ztschr.2);  K.Levyckyj's  Ausgabe  der  »Ruskaja  Pravda«  (nach  Karamsinschem 
Kodex)  mit  einer  kleinen  Einleitung  (ibid.  5);  meine  Forschung  über  die  Chro- 
nologie der  halyc-volynischen  Chronik  —  enthält  eine  allgemeine  Analyse. 
Richtigstellung  der  Daten  einzelner  Vorkommnisse  und  einen  chronologischen 
Index  zur  Chronik,  auf  Grund  dieser  Analyse  zusammengestellt  (Zap.  41). 


1)  Beide  mit  anderen  analogen  Arbeiten  Dykarivs,  auf  Kosten  der  Ver- 
ehrer des  Verstorbenen  herausgegeben  im  V.  Bde.  der  Sammlung  der  philo- 
logischen Section ,  welcher  ausschliesslich  dem  literarischen  Nachlasse  des 
talentvollen  Autodidakten-Philologen  gewidmet  ist,  dessen  Arbeiten  werth- 
volle  ethnographische  Beobachtungen  enthalten,  aber  vom  methodologischen 
Standpunkte  Manches  zu  wünschen  übrig  lassen. 


Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Sevcenko-Gesellschaft.  287 

Derselben  Chronik  sind  auch  einige  kleinere  Notizen  gewidmet  (ibid.  8, 
47,  52). 

Zur  Geschichte  der  späteren  Jahrhunderte  (der  littauisch-polnischen 
Periode)  haben  wir  folgende  Arbeiten:  P.  Ivanov  über  die  letzten  Romano- 
vicen  und  den  Boleslav  Trojdenovic  (Zap.  2);  Em.  Terleckyj  über  galizische 
Geschehnisse  nach  dem  Tode  Boleslavs  (ibid.  12);  für  die  Zeit  des  Vladislav 
Opolskij  publicirte  ich  einige  noch  unedirte  Urkunden  (ibid.  51);  für  das 
XV.  Jahrh.  meine  Notiz  über  den  Charakter  der  Herrschaft  der  Kijever 
Fürsten  des  XV.  Jahrh.  (zwei  unedirte  Urkunden  des  Grossfürsten  Kasimir, 
welche  die  Möglichkeit  einer  Einmischung  des  Grossfürsten  in  die  innere 
Administration  des  Kijever  Fürsten  involviren  (Zap.  31)  und  eine  grössere 
Arbeit  des  Rudnyckyj  über  türkisch-tatarische  Kriegszüge  nach  Galizien  im 
XV.  Jahrh.  und  die  Organisation  der  Verteidigung  (ibid.  31 — 32).  Für  die 
Geschichte  der  socialen  Verhältnisse  —  der  ökonomischen  und  juridischen 
Formen  jener  Zeit  wurden  von  mir  edirt:  einige  Kijever  Dokumente  des  XV. 
und  XVI.  Jahrh.  (Zap.  11),  eine  Eeihe  ältester  Inventarien  aus  dem  Ende  des 
XV.  und  dem  Beginn  des  XVI.  Jahrh.  der  podolischen  Schlösser  (Zap.  9)  der 
Starostei  von  Lemberg  (ibid.  12),  Peremysl  (ibid.  19)  und  Eatno  (ibid.  26), 
sowie  zwei  bäuerliche  Verkaufskontrakte  aus  dem  Anfang  des  XVI.  Jahrh. 
aus  der  westlichen  Marke  des  galiz.  Ruthenenlandes  (Zap.  50;.  Für  die  Hälfte 
des  XVI.  Jahrh.  bieten  die  Lustrationen  der  kleinrussischen,  zum  polnischen 
Königreiche  gehörenden  Domänen  eine  ungemein  wichtige  Quelle.  In  der 
Publikation  »Quellen  zur  Geschichte  der  Ukraine«  (Fontes  historiae  ukraino- 
russicae)  in  vier  Bänden  edirte  ich  vollständig  die  Lustration  der  1564—1565 
und  1569 — 1570  Jahre,  nur  einige  von  der  Kijever  Archäographischen  Kom- 
mission (Prof.  Vladimirskij-Budanov  und  mir)  bereits  edirten  Abschnitte 
bei  Seite  lassend.  Sie  umfassen  Galizien  und  die  Territorien  von  Podolien, 
Cholm  und  Ratno  und  bieten  äusserst  wichtige  Nachrichten  über  ökonomische, 
juridische  und  nationale  Verhältnisse  dieser  Länder.  Als  Einleitungen  zu 
diesen  Bänden  gab  ich  Abhandlungen  über  die  ökonomischen  Verhältnisse 
des  Bauernstandes  in  den  königlichen  Domänen  Galiziens  im  XVI.  Jahrh.  her- 
aus auf  Grund  jener  Lustrationen,  sowie  zahlreicher  Inventarien,  welche  von 
mir  kopirt  und  für  die  Edition  in  derselben  Publikation  der  Gesellschaft  vor- 
bereitet wurden. 

Ich  erwähne  noch  meine  Bemerkung  über  die  im  Archiv  der  polnischen 
Finanzverwaltung  gegenwärtig  der  Warschauer  Finanzdirection)  enthaltenen 
Materialien,  sowie  ausführliche  Recensionen  über  die  Beschreibungen  der 
kleinrussischen  Territorien  von  AI.  Jablonowski  (von  mir  und  St.Tomasivskyj, 
Zap.  17  und  51j  und  einige  kleinere  Beiträge  (ibid.  13,  28,  43  u.  A.). 

Kulturelle,  religiöse  und  Privatverhältnisse  jener  Zeit  behandeln  die  Ar- 
beiten: A.  Lotockyj  über  westrussische  Domkapitel  (Zap.  9),  meine  und  des 
Dr.  Prochaska  über  die  Lage  der  orthodoxen  Kirche  in  Polen  (ibid.  27  und  30), 
eine  ausführliche,  noch  nicht  geschlossene  Abhandlung  des  AI.  Susko  über 
Benedikt  Herbest,  einen  der  Vorläufer  der  Kirchenunion  des  XVI.  Jahrh.  mit 
einer  allgemeinen  Schilderung  des  Zustandes  der  katholischen  und  orthodoxen 
Kirche  im  XVI.  Jahrh.  anstatt  einer  Einleitung  (Zap.  53,  55,  61),  sowie  seine 


288  Kritischer  Anzeiger. 

AbhandluDg  über  die  Einführung  der  Jesuiten  in  Polen  (ibid.  57  und  5S  ;  Ma- 
terialien und  Anmerkungen  über  das  Geschlecht  der  Bybelskyj,  gesammelt 
vomLemberger  katbol.  Erzbischof  Prochnizki,  einem  Nachkommen  der  poloni- 
sirten  und  katholisch  gewordenen  galizischen  Bojarenfamilie  (von  mir  für  den 
Druck  vorbereitet),  sowie  Notizen  über  die  Conversion  der  Orthodoxen  zum 
Katholicismus  aus  dem  Samborer  Matrikel  vom  Ende  des  XVI.  Jahrh.  iviele 
orthodoxe  Kriegsgefangene  aus  dem  moskovitischen  Kriege  (Zap.  48  und  8) 
und  die  von  A.  Susko  herausgegebenen  Akten  der  Warschauer  S5'node  aus 
dem  J.  1561  (Zap.  59).  Ueber  die  ökonomische  und  juridische  Lage  der  ortho- 
doxen Dorfgeistlichkeit  meine  Arbeit  gegründet  auf  Dokumenten  des  Sam- 
borer Gebietes,  mit  Beifügung  der  Dokumente  selbst  aus  der  ersten  Hälfte 
des  XVI.  Jahrh.  (Zap.  34),  und  spätere  ähnliche  Materialien  mitgetheilt  von 
Mich.  Zubryckyj  (Zap.  25  und  34,  Sammlung  der  histor.  Section  Bd.  5). 

Vieles  geben  die  Publikationen  der  Gesellschaft  für  die  Geschichte  des 
Kosakenthums.  Der  Aufklärung  der  Frage  über  den  Anfang  und  die  ur- 
sprüngliche Organisation  des  Kosakenthums  ist  mein  Artikel  gewidmet:  Be- 
merkungen zur  Geschichte  des  Kosakenthums  Zap.  22) ;  dieselbe  Frage  be- 
rühren meine  zwei  späteren  kleinen  Artikel:  über  die  Kosaken  vom  J.  1470, 
welche  im  Codex  der  genuesischen  Kolonien  erwähnt  werden  (Zap.  56j  und  über 
denHetmanBohdanko  Rozynskyj  (ibid.  16),  sowie  E.  Barvinskyj's  über  einen 
Streifzug  der  Kosaken  nach  Ocakov  im  J.  1545  (unedirte  Dokumente,  ibid.  18;. 
Ferner  von  demselben  E.  Barvinskyj  über  die  Beziehungen  Kaiser  Ru- 
dolphs II.  und  des  Papstes  Klemens  VIII.  mit  Kosaken  1593 — 1594  (ibid.  10), 
meine  Materialien  zur  Geschichte  der  Bewegung  der  1590er  Jahre  (ibid.  31 
32)  und  ein  analoges,  von  B.  Domanyckyj  edirtes  Dokument  (ibid.  40).  Mit 
dem  Bande  60  beginnt  eine  noch  unvollendete  ausführliche  Studie  von  dem- 
selben B.  Domanyckyj  zu  erscheinen:  Das  Kosakenthum  an  der  Grenzscheide 
des  XVI.  und  XVII.  Jahrh.,  wo  alles  bisher  verötfentlichte  Material  zu  diesem 
Gegenstande  gesammelt  ist.  Die  Geschichte  des  Kosakenthums  von  dem 
Aufstande  des  J.  1625,  bis  zum  Aufstande  1630  inklusive,  behandelt  St.  Rud- 
nyökyj  in  zwei  ausführlichen  Abhandlungen,  welche  sich  durch  die  Menge 
des  gesammelten  Materials  und  die  Exaktheit  der  Methode  sehr  vortheilhaft 
auszeichnen  (Zap.  17  und  31);  wenn  auch  von  einem  Studenten  geschrieben 
würden  sie  einem  auch  mehr  erfahrenen  Gelehrten  Ehre  machen  (zusammen  mit 
der  weiter  unten  zu  erwähnenden  Abhandlung  des  Tomasivskyj  waren  dies 
die  besten  Arbeiten,  welche  aus  meinem  historischen  Seminar  hervorgegangen 
sind).  Obwohl  sich  der  Verfasser  nur  auf  edirtes  Material  beschränkte, 
führte  er  doch  eine  Reihe  neuer  Thatsachen  und  Details  der  Geschehnisse 
ein  und  gab  vielen  eine  neue  Beleuchtung.  Dem  Antheil  der  Kosaken  an 
dem  moskowitischen  Kriege  1633—1634  ist  die  Arbeit  des  Oleg  Celevyc  ge- 
widmet welche  auch  einige  inedirte  Materialen  enthält  (Zap.  28). 

Vieles  wurde  gethan  für  die  Geschichte  der  Epoche  des  Chmelnyckyj. 
Zum  250  jährigen  Andenken  an  diese  grossartigste  ukrainische  Volksbewegung 
(im  J.1898)  wurde  ein  Doppelband  der  Zapysky  (23— 24)  ausschliesslich  seiner 
Geschichte  gewidmet.  Hier  erschienen:  meine  Studie  über  diese  Bewegung, 
dann  eine  ausführliche  und  sehr  solide,  auf  Grund  ganz  neuen,  vom  Verfasser 


Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Sevcenko-Gesellschaft.  289 

selbst  gesammelten  Materials  geschriebene  Arbeit  des  St.Tomasivskyj  über  die 
Volksbewegungen  in  Galizien  im  J.  1648  (in  früheren  historischen  Arbeiten 
wurden  diese  Bewegungen  sehr  wenig  erforscht; ;  eine  interessante  Arbeit  des 
Iv.  Franko  über  zeitgenössische  polnische  Gedichte  von  Chmelnyckyj  und  den 
Vorfällen  der  Jahre  1648—49;  St.  Rudnyckyj's  Analyse  der  Nachrichten  über 
Chmelnyckyj  und  seine  Epoche  in  der  neuedirten  Chronik  des  Temberski, 
und  einige  kleinere  Notizen  und  Recensionen.  Aus  Anlass  des  250  jährigen 
Andenkens  an  die  Vereinigung  der  Ukraine  mit  Russland  wurde  ein  kleiner 
Artikel  von  mir  im  Lit.  wiss.  Boten  (19üO,  1)  veröffentlicht.  Materialen  aus 
galizischen  Archiven  zur  Epoche  des  Chmelnyckyj,  gesammelt  von  Tomasiv- 
skyj  und  theilweise  (für  das  J.  1648)  von  ihm  ausgenützt  in  der  erwähnten 
Arbeit,  sind  von  ihm  in  den  J.  1889 — 1901  in  zwei  Bänden  herausgegeben- 
■worden  in  der  Serie  »Quellen  zur  Geschichte  der  Ukraine«,  Bd.  IV  und  V;  als 
einleitende  Studien  wurden  von  ihm  diesen  Bänden  zwei  Abhandlungen  bei- 
gegeben :  über  die  Wirksamkeit  der  galizischen  Komitien  während  der  Epoche 
Chmelnyckyj's,  und  über  die  Veränderungen,  welche  diese  Bewegung  in  der 
Kolonisation  des  nordöstlichen  Galiziens  (des  Lemberger  Territoriums)  verur- 
sachte. Hier  muss  auch  noch  seine  Arbeit  über  die  Rolle  des  Lemberger 
Bürgerthums  in  der  Epoche  Chmelnyckyj's  und  die  Lebensverhältnisse  dieses 
Bürgerthums  erwähnt  werden  (Zap.  15). 

Die  Epoche  Chmelnyckyj's  berührt  auch  die  interessante  Arbeit  des 
Em.  Terleckyj  über  die  Oceupation  der  Nachbarterritorien  Weissrusslands 
durch  Kosaken  und  über  die  Ursachen  ihres  bekannten  Conflicts  mit  der 
Moskauer  Regierung  (Zap.  14;.  Die  Vorgänge  unmittelbar  nach  dem  Tode 
Chmelnyckyj's  schildert  D.  Korenec  in  der  Abhandlung:  »Verhandlungen 
Ivan  Vyhovskyjs  mit  Polen  1657 — 58«  (Zap.  38);  Vyhovskyj's  Fall  und  die 
weiteren  Vorgänge  beleuchtet  Herasymcuk  in  der  Abhandlung  »Ivan  Vyhov- 
skyj  und  Georg  Chmelnyckyj«  (Zap.  59  und  60).  Der  Politik  des  letzten  Mit- 
streiters und  Trägers  der  Ideen  Chmelnyckyj's  ist  ein  Artikel  des  Oleg 
Celevyc  »Verhandlungen  Dorosenko's  mit  der  polnischen  Regierung«  (Zap.  25) 
gewidmet,  eine  auf  zwar  publicirten,  aber  bisher  in  der  Historiographie  der 
Ukraine  nicht  ausgenützten  Materialien  gegründete  Arbeit.  L.  C.  gibt  eine 
allgemeine  Uebersicht  der  durch  das  J.  1654  geschaffenen  Verhältnisse  —  der 
Gegensätze  in  den  Bestrebungen  der  ukrainischen  Gesellschaft  zur  Politik 
der  Moskauer  Regierung  feine  nicht  ganz  komplette,  aber  nützliche  Zu- 
sammenstellung des  Materials,  Zap.  29 — 30J.  Frau  H.Radakova  schildert  auf 
Grund  publicirter  und  inedirter  Quellen  eine  der  schwersten  Naturalleistungen, 
welche  die  russische  Regierung  den  Kosaken  auferlegt  hatte  —  das  Graben 
des  Ladoga-Kanals  (Zap.  12).  Ivan  Dzydzora  gibt  auf  Grund  neuerer  Publi- 
kationen eine  Uebersicht  des  Verhaltens  der  russischen  Regierung  zur  Ukraine 
in  den  J.  1726 — 1737  (Zap.  61);  er  stellt  auch  Beiträge  zu  den  inneren  Verhält- 
nissen der  Ost-Ukraine  zusammen,  welche  im  III.  Band  der  »Beschreibung 
Kleinrusslands"  von  Lazarevskij  verstreut  sind  (Bd.  58). 

Zur  Geschichte  der  galizischen  »Oprysken«  (Räuber)  wurden  herausge- 
geben (richtiger  wieder  herausgegeben)  die  Artikel  des  Jul.  Celevyc  im  XX. 
Bande  der  »Historischen  Bibliothek«,  sowie  spätere  Lieder  und  Erzählungen 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXVII.  19 


290  Kritischer  Anzeiger. 

über  Miron  Stola  und  andere  Oprysken  (Ethnogr.  Sammlung  Bd.  V).  Zur  Ge- 
schichte der  »Kolijivscyna«  (Gemetzel  in  ümanj  im  J.  1768,  begann  im  J.  1904 
die  Publikation  neuer  Materialien :  Memoiren  und  Briefe  der  Basilianer  zur  Ge- 
schichte dieses  Gemetzels,  gesammelt  von  A.  Kryzanovskyj  und  von  mir  be- 
arbeitet (Zap.  57],  Beiträge  über  die  Antheilnahme  der  Kijever  Mönche  an 
Hajdamakenbewegungen,  von  S.  H.  (Bd.  59),  und  ein  anonymes  polnisches 
Gedicht,  mit  kritischen  Bemerkungen  über  die  zeitgenössische  polnische  Me- 
moirenliteratur sowie  deren  neuere  Bearbeitungen  (Bd.  62).  In  früheren  Bän- 
den erschien  eine  Notiz  des  verst.  AI.  Markevyc  über  einige  unberührte  Nach- 
richten von  den  Häuptlingen  der  Kolijivscyna  (Bd.  45),  sowie  ein  interessantes 
Pamphlet,  mitgeteilt  von  E.  Makaruska  (Bd.  G). 

Den  kulturellen  und  religiösen  Verhältnissen  Galiziens  im  XVIII.  und 
der  ersten  Hälfte  des  XIX.  Jahrh.  ist  der  ganze  V.  Band  des  SolpHUK  der 
histor.  Sektion  gewidmet.  Ich  erwähne  nur  die  wichtigeren  Artikel  und  Ma- 
terialien dieser  interessanten  Sammlung:  Materialien  zur  Charakteristik  der 
Lebensweise  galizischer  Dorfgeistlichkeit  im  XVIII.  Jahrh.,  gesammelt  von 
M.  Zubryckyj;  über  den  Kampf  der  Geistlichkeit  mit  Volksaberglauben,  Ma- 
terialien mit  dem  Vorwort  des  Iv.  Franko;  Materialien  zur  Geschichte  der 
Volksschulen  zu  Ende  des  XVIII.  und  aus  der  ersten  Hälfte  des  XIX.  Jahrh., 
gesammelt  von  G.  Kmit,  Iv.  Levyckyj  und  Iv.  Franko;  Skizze  der  Entwicke- 
lung  des  Schulwesens  in  Galizien  von  Iv.  Levyckyj;  über  die  erste  ruthe- 
nische  Gesellschaft  zum  Zweck  der  Volksaufklärung  (in  Peremysl  1816 — 1818) 
von  Iv.  Franko,  sowie  seine  Mittheilung  über  einige  unedirte  ruth.  Lehrbücher 
aus  dem  Anfang  des  XIX.  Jahrh.  Ausser  dieser  Sammlung  erwähne  ich:  Ex- 
cerpte  aus  den  Gestionsprotokollen  der  ruth.  Pfarreien  aus  dem  Ende  des 
XVIII.  Jahrh.,  mitgetheilt  von  Iv.  Franko  (in  kultureller  oder  socialer  Hinsicht 
interessante  Anordnungen  der  Behörden,  Zap.  27],  die  galizisch-ruthenische 
Bibliographie  1772 — 1800  von  Iv.  Levyckyj  (Zap.  52);  ein  Memorial  der  Dissi- 
denten, präsentirt  dem  polnischen  Landtage  vom  J.  1791,  mitgetheilt  von  M. 
Haluscynskyj  (Zap.  51);  schliesslich  eine  Arbeit  des  AI.  Lotockyj  über  die 
Lage  der  säkularen  Geistlichkeit  in  Kleinrussland  im  XVIII.  Jahrh.  im  Ver- 
gleich mit  Russland  (Zap.  21). 

Oekonomischen  und  socialen  Verhältnissen  des  Abschlusses  des  XVIII. 
und  des  XIX.  Jahrh.  sind  folgende  Arbeiten  gewidmet :  Iv.  Franko  über  die 
Wirthschaft  des  Hrymalover  Güterkomplexes,  an  der  Ortsgrenze  Galiziens 
f  Jurid.-ökonom.  Zeitschrift  Bd.  L  ;  Mich.  Zubryckyj  über  die  frühesten  Eekru- 
tirungen  nach  Volkserzählungen  und  Dokumenten  (Zap.,  Bd.  42),  derselbe  über 
die  Hungerjahre  1846 — 1849  (Bd.  21),  sowie  seine  kleineren  Notizen  im  Bd.  50 
und  58;  L.  Jendyk's  Sammlung  von  Volkstraditionen  über  das  Frohnwesen 
(Ethnogr.  Sammlung  Bd.  5)  und  ein  interessanter  Artikel  des  Iv.  Franko  über 
die  Bauernverhältnisse  in  der  Bukowina  und  den  bekannten  Deputirteu 
Lukjan  Kobylyca  (Zap. 49).  Derselbe  Verfasser  lieferte  auf  Grund  polnischer 
Memoiren  ein  lebensvolles  Bild  der  polnischen  Gesellschaft  in  den  ukraini- 
schen Gouvernements  während  der  ersten  Hälfte  des  XIX-  Jahrh.  ;Zap.  45) 
und  widmete  einen  speciellen  Artikel  einem  Eepräsentanten  der  polnischen 
Bauernthümelei,  Anton  Szaszkiewicz  (Bd.  57). 


Bericht  über  die  Thätigkcit  der  Sevceuko-Gesellschaft.  291 

Zur  Geschichte  des  denkwürdigen  Wendepunktes  im  galizischen  Leben 
im  J.  1S4S  gibt  es  einige  kleinere,  aber  interessante  Beiträge  i;.  Ein  Bild 
galizischen  Lebens  von  diesem  Wendepunkte  anfangend  zeichnet  (nicht  immer 
vollständig,  aber  interessant)  der  ausführliche  Artikel  des  verst.  Eust.  Ter- 
leckyj,  aus  seinen  Papieren  herausgegeben^).  Es  wird  durch  Portraits  einiger 
Repräsentanten  der  damaligen  Literatur  und  Politik  vervollständigt,  welche 
von  Iv.  Franko  lebhaft  skizzirt  wurden  (Iv.  Naumovic,  Ant.  Petrusevic,  Iv. 
Husalevic  — Lit.wiss. Bote  1899  Heft  10—11,  1901  Heft3  und  1903  Heft 8— 11). 
Wichtiges  Material  zur  Kulturgeschichte  der  galizischen  Ruthenen  aus  der 
Mitte  des  XIX.  Jahrb.  geben  zwei  Briefsammlungen,  welche  Cyr.  Studynskyj 
publicirt  hat,  nämlich  die  von  Uionys  Zubryckyj  (Zap.  43)  und  sehr  reich- 
haltige von  Jakob  Holovackyj,  deren  erster  Theil  als  VIIL  Bd.  des  philol. 
Zbirnyk  erschienen  ist.  Für  die  Geschichte  der  70  er  Jahre  gibt  viel  interes- 
santes die  Biographie  des  Eust.  Terleckyj ,  geschrieben  von  Iv.  Franko 
(Zap.  50  .  Kleinere  Notizen  und  Materialien  zur  Geschichte  der  letzten  Jahr- 
zehnte des  XIX.  Jahrh.  will  ich  nicht  aufzählen;  Interessirte  können  dieselben 
in  den  Inhaltsangaben  finden.  Ich  erwähne  nur  den  Artikel  des  Iv.  Franko 
über  die  kulturelle  und  litterariscbe  Bewegung  Galiziens  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten (Lit.  wiss.  Bote  1901,  Heft  7 — 9),  sowie  meine  Artikel  über  das  kul- 
turelle und  sociale  Leben  Galiziens  (ibid.  1899,  Heft  2,  5  und  11),  und  eine 
Anzahl  Nekrologe  der  verstorbenen  Repräsentanten  der  kleinrussischen 
Wissenschaft.  Eine  allgemeine  Skizze  der  nationalen  kleinrussischen  Wieder- 
geburt im  XIX.  Jahrh.  gab  ich  in  dem  öffentlichen  Vortrag,  gedruckt  u.  d.  T. 
»An  der  Schwelle  des  Jahrhunderts«  (Lit.  wiss.  Bote  19ul,  Heft  2). 

Mich  zur  Literaturgeschichte  wendend,  will  ich  mit  der  Reihe 
solcher  Arbeiten  beginnen,  wo  die  Produkte  des  südrussischen  Schriftthums 
als  Bindeglieder  in  der  internationalen  Geschichte  weitverbreiteter  Themen 
der  Weltliteratur  erscheinen.  Hierher  gehören  einige  Arbeiten  des  Iv.  Franko  : 
eine  ausführliche  literarische  Geschichte  des  Romans  von  Barlaam  und  loa- 
saph  (Zap.,  Bd.  8,  10, 18  und  20),  eine  mit  eben  solchem  grossen  Apparat  ge- 
schriebene Geschichte  der  Legende  vom  Klemens  Romanus:  der  Verf.  beginnt 
mit  den  altchristlichen  Bestaudtheilen,  um  mit  der  Geschichte  dieser  Le- 
gende in  Altrussland  zu  schliessen;  die  Arbeit  ist  nicht  zum  Abschluss 
gebracht  Zap.  Bd.  47,  48,  56,  59  und  60) ;  eine  Reihe  Arbeiten  über  die  Apo- 
kryphenliteratur:  das  Evangelium  Pseudo-Matthäi  über  die  Geburt  und  Klnd- 


1)  »Der  1.  und  2.  November  1848  in  Lemberg",  offizieller  Bericht,  mitge- 
theilt  von  Jul.  Levickyj  ;Bd.  25);  G.  Kmit  »Das  J.  1848  und  das  Lemberger 
geistl.  Seminar«  Bd.  40);  ders.  »Ein  Seminarist  als  Agitator  (Bd.  41);  ders. 
»Aus  den  Verhältnissen  eines  galiz.  Dorfes  in  der  Mitte  des  XIX.  Jahrh. 
Bd.  44),  s.  ausserdem  Bd.  52.  57  u.  s.  w. 

~)  Das  galizisch-ruthenische  Schriftthum  in  den  J.  1848 — 1856  (Lit.  wiss. 
Bote  1903,  Hefte  6 — 12  und  separat  u.  d.  T. :  »Das  galizisch-ruthenische 
Schriftthum  in  den  J.  1848 — 1865  auf  Grund  damaliger  social-politischer  Be- 
strebungen der  galizisch-ruthenischen  Intelligenz«.  Es  ist  eine  Fortsetzung 
der  Arbeit  desselben  Verfassers  »Die  literarischen  Bestrebungen  galizischer 
Ruthenen«,  deren  erster  Theil  1892—93  in  aCme  i  Ciobo  erschienen  war. 

19* 


292  Kritischer  Anzeiger. 

heit  der  Maria  (Bd.  35),  über  alttestamentliche  Apokryphen,  apokryphe  Evan- 
gelien und  Apostelgeschichten,  —  die  drei  letzten  Arbeiten  bilden  Einleitun- 
gen zu  den  drei  bisher  erschienenen  Bänden  eines  grossangelegten  Corpus  der 
Apokryphen  in  kleinrussischen  Redaktionen  gesammelt  von  demselben  Ver- 
fasser ij.  Als  ein  Beitrag  zur  altkirchenslavischen  Literatur  muss  auch  der 
bisher  noch  nicht  abgeschlossene  Artikel  VI.  Kocovskyj's  über  das  Wirken 
Cyrills  und  Methods  genannt  werden  (Lit.  wiss.  Bote,  1904,  Heft  1  u.  2*. 

Eine  allgemeine  Uebersicht  der  zeitgenössischen  Studien  über  die  alte 
kleinrussische  Literatur  gibt  ein  Referat  des  AI.  Kolessa  (Zap.  34".  Eine  all- 
gemeine Skizze  der  alten  kleinrussischen  Literatur  findet  sich  in  meiner  Ge- 
schichte der  Ukraine  (Bd.  III);  ebenda  (Bd.I)  ist  auch  ein  specieller  Exkurs 
der  ältesten  Chronik  gewidmet.  Es  folgen  die  Artikel  des  Bas.  Scurat  über 
die  Bittschrift  des  Daniel  Zatocnik  (Zap.  9),  meine  Notiz  über  das  Wunder 
des  heil.  Klemens,  welches  vom  Akad.  Sobolevskij  herausgegeben  wurde 
(Zap.  49),  Iv.  Franko  über  die  »Sage  von  der  Auferstehung  des  Lazarus», 
in  welcher  der  Verf.  ein  altrussisches  Gedicht  über  ein  apokryphes  Thema 
nachgewiesen  hat  (Bd.  35),  sowie  desselben  Verf.  Arbeit  über  die  wun- 
derbare Verwandlung  des  Wassers  in  Meth  im  Chersonesus  (Bd.  44  und  eine 
Variante  Bd.  52).  Für  das  XV.—  XVI.  Jahrh.  —  mein  Artikel  über  die  Lob- 
rede auf  Vitovt,  welche  in  die  älteste  ruthenisch- litauische  Chronik  der 
kurzen  Redaktion  einbezogen  wurde,  sowie  über  die  Zusammensetzung  der 
Chronik  selbst  (Bd.  6)  und  die  Erklärung  aus  Anlass  der  Hypothese,  dass  das 
erste  Litauische  Statut  gedruckt  wurde  (sie  gründet  sich  auf  einer  irrthüm- 
lichen  Lesart)  (ibid.).  Für  die  polemische  Literatur  des  XVI.— XVII.  Jahrh. 
eine  umfassende  Sammlung  polemischer  Schriften  theils  aus  alten  Drucken, 
theils  aus  Handschriften  herausgegeben  von  Cyr.  Studynskyj  (Denkmäler 
Bd.  V)  —  enthält  Traktate  von  Herbest,  Zebrowski,  St.  Zizanyi,  Klerikus  von 
Ostrog  und  Meletius  Smotryckyj,  mit  einer  Einleitung  vom  Herausgeber); 
Iv.  Franko's  Notiz  über  ein  damals  gedrucktes  Sendschreiben  des  Ivan  Vysen- 
skyj  (Bd.  35,  1),  Cyr.  Studynskyj  über  Hyp.  Potij's  Autorschaft  des  Antirrhesis 
(Bd.  35)  und  AI.  Susko's  Bemerkungen  über  den  Text  der  »Palinodia«  Kopy- 
stenskyj's  und  ihre  Umarbeitungen  (Bd.  54).  Für  die  poetische  Litteratur  des 
XVII.  Jahrh.  M.  Favlyk  —  über  Gawwatowicz,  den  Verfasser  kleinrussischer 
Intermedien  vom  J.  1619  Bd.  35).  F.  Zyteckyj  über  die  »Ostroher  Tragödie«, 
ein  versificirtes  Poem,  verf.  um  das  J.  1630  (Bd.  51),  Iv.  Franko  über  anonyme 
Verse  eingestreut  in  die  »Dioptra«  vom  J.  1612  (Bd.  22)  und  derselbe  über  ein 
versificirtes  Pamphlet  des  Lemberger  Bischofs  Sumljanskyj  (Bd.  39,,  sowie 
die  Reihe  keinerer  Notizen  von  C.  Studynskyj  über  die  versificirten  Panegy- 
rika  des  XVII.  Jahrh.  (Bde.  8,  12,  50). 

1)  Denkmäler  der  ukrainisch-ruthenischen  Sprache  und  Litteratur.  Bde. 
I — IV  (1896 — 1902).  Die  Untertitel  dieser  Bände  lauten:  »Apokryphen  und 
Legenden  aus  ukrainischen  Handschriften  gesammelt  von  Dr.  Ivan  Franko«. 
Bd.  I,  Alttestamentliche  Apokryphen ;  Bd.  II,  Neutestamentliche  Apokryphen: 
A.  Apokryphische  Evangelien,  Bd.  III,  Neutestamentliche  Apokryphen:  B. 
Apokryphe  Apostelgeschichten;  Bd.  IV  (in  Vorbereitung)  wird  apokryphe 
Apokalypsen  enthalten. 


Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Sev6enko-Ge8ell3chaft.  293 

Zur  Geschichte  des  westruthenischen  (galizischen  und  ungarischen) 
Schriftthums  des  XVII— XVIII.  Jahrh.  gab  Iv.  Franko  eine  allgemeine  Skizze, 
begleitet  von  der  Inhaltsangabe  einer  ganzen  Reihe  (25;  handschriftlicher 
Codices  miscellanei,  welche  Denkmäler  des  damaligen  Schriftthums  enthalten 
u.  d.  T.  »Das  karpatho-ruthenische  Schriftthum  des  XVII.— XVIII.  Jahrh.« 
(Zap.  Bd.  37,  38)  —  ähnliche  Beschreibungen  der  Sammelbände  und  einzelner 
galizischer  Handschriften  sind  in  den  Zapysky  auch  sonst  mehrere  erschienen 
(Bd.  10,  19,  37  u.  a.).  In  einem  besonderen  Artikel  befasst  sich  derselbe  Verf. 
mit  den  Spuren  der  Legende  vom  Presbyter  Johannes  und  der  Entdeckung 
Tibets  in  einem  karpatho-ruthenischen  Texte  (Bd.  41).  Einige  Legenden  aus 
einer  im  Dorfe  Chitar  befindlichen  Handschrift  aus  dem  Anfang  des  XVIIL 
Jahrh.  publicirte  V.  Hnatiuk  (Bd.  16).  Derselbe  gab  auch  in  zwei  Bänden  ein 
Legendenkorpus  aus  der  mündlichen  Tradition  des  galizischen  Volkes  heraus 
(Ethnogr.  Sammlung  Bd.  XII— XIII;.  Ziemlich  viel  wurde  auch  für  die  Er- 
forschung der  alten  Verse  und  geistlichen  Gedichte  gethan:  mehr  oder 
weniger  bedeutende  Sammlungen  auf  Grund  alter  Handschriften  und  der 
neuzeitlichen  mündlichen  Tradition  wurden  von  VI.  Hnatiuk,  Iv.  Franko  und 
mir  publicirti). 

Zur  Geschichte  der  neuen  (wiedergeborenen)  kleinrussischen  Literatur 
übergehend  muss  ich  vor  allem  die  vom  verst.  Em.  Ohonovskyj  verfasste  Ge- 
schichte dieser  Literatur  erwähnen,  welche  ursprünglich  in  der  »Zorja«  publi- 
cirt  und  dann  auf  Kosten  der  Gesellschaft  separat  in  sechs  Bänden  (1887  bis 
1894;  herausgegeben  wurde 2  .  Der  erste  Band,  welcher  die  Jahrh.  XI— XVIII 
umfasst,  kompilativ  und  sehr  oberflächlich  ausgearbeitet  wurde,  wurde 
Gegenstand  scharfer  Kritik  und  verschaffte  dem  ganzen  Werke  eine  ziem- 
lich abträgliche  Reputation.  In  Folge  dessen  wurde  seine  Literatur- 
geschichte des  XIX.  Jahrh.,  welche  die  piece  de  resistance  des  ganzen  Wer- 
kes bildet,  nicht  nach  Werth  gewürdigt.  Es  ist  richtig,  der  Verstorbene  war 
kein  Literarhistoriker  von  Beruf,  ihm  fehlen  leitende  Gesichtspunkte,  er  zieht 
es  vor  fremde  Erscheinungen  zu  reproduciren  statt  eigene  Urtheile  zu  fällen 
und  hat  sein  Buch  in  zwei  Dritteln  mit  Inhaltsangaben  der  Literaturwerke 
angefüllt;  trotzdem  aber  hat  sein  Werk  als  eine  Materialien-  und  Thatsachen- 
Sammlung  einen  bedeutenden  Wert  und  bleibt  immer  noch  das  wichtigste 
Handbuch  für  die  Kunde  der  ukrainischen  Literatur  des  XIX.  Jahrb.,  welches 
durch  nichts  Besseres  ersetzt  worden  ist.  Eine  allgemeine  Skizze  der  Wieder- 
geburt Galiziens  bis  zum  J.  1870  gab  der  verst.  Eust.  Terleckyj  in  oben  er- 
wähnten Artikeln.  Eine  kurze  Skizze  der  Literaturbewegung  des  Jahrhunderts 


1)  M.  Hrusevskyj,  Ein  Liederbuch  aus  dem  Anfang  des  XVIII.  Jahrh. 
(Zap.,  Bd.  15  und  17);  VI.  Hnatiuk,  Ungarisch -ruthenische  geistliche  Ge- 
dichte Zap.,  Bd.  46,  47,  49  eine  grosse  Kollektion);  derselbe,  Sammlung  der 
von  den  Leiermännern  vorgetragenen  Gedichte  (Ethnogr.  Samml.  Bd.  11,  und 
kleinere  Publikationen  in  Bd.  14,  21,  58  u.  a. 

-)  Bd.I,  Jahrh. XI. — XVIIL;  zweiter  Theil  in  zwei  Bänden  ~  die  Poesie 
des  XIX.  Jahrh.;  dritter  Theil  in  zwei  Bänden  —  die  Belletristik  des  XIX. 
Jahrh.;  der  vierte  Theil  —  Geschichte  der  Erforschung  Südrusslands,  un- 
vollendet, umfasst  die  Ethnographie. 


294  Kritischer  Anzeiger. 

gab  AI.  Kolessa  im  Artikel :  »Das  Jahrhundert  der  erneuten  ukrainisch-ruthe- 
nischen  Literatur«  (Lit.  wiss.  Bote  1898,  Heft  11).  Unlängst  wurde  aus  den 
Papieren  Dragomanovs  seine  Skizze  der  ukrainischen  Literatur  des  »Entre- 
aktes« 1866 — 1878  herausgegeben  (ibid.  1902,  Heft  1—2).  Eine  allgemeine 
Uebersicht  der  literarischen  Bewegung  der  letzten  Dezennien  gab  Iv.  Franko 
u.  d.  T.:  »Aus  den  letzten  Dezennien«  (Lit.  wiss.  Bote  1901). 

Gehen  wir  zu  speciellen  Arbeiten  über.  Das  100  jährige  Jubiläum  der  tra- 
vestirten  Aeneis  von  Kotljarevskyj  im  J.  1898  rief  eine  kleine  Kotljarevskyj- 
Literatur  hervor.  Ausser  der  oben  erwähnten  Skizze  Kolessa's  erschienen  im 
Druck  die  damals  während  der  »Akademie«  zu  Ehren  Kotljarevskyj's  gehal- 
tenen Vorträge  von  Prof.  St.  Smalj-Stoökyj  und  der  meinige  (Lit.  wiss.  Bote 
1898,  Heft  11),  weiter  meine  Notiz  über  die  Ausgaben  der  Aeneis  'ibid.;,  Iv. 
Franko's  »Kotljarevskyj  in  Galizien«  (Zap.,  Bd.  26)  und  »Der  galizische  Soldat 
derZauberer«(ibid.  27).  Sehr  viele  Arbeiten  wurden  demSevcenko,  dem  Patron 
der  Gesellschaft  gewidmet.  Den  ersten  Platz  in  dieser  Sevcenko-Literatur 
nimmt  die  grosse  Biographie  des  Dichters  vom  verst.  AI.  Konyskyj  ein.  welche 
theilweise  in  denZapysky  vom  ersten  Bande  angefangen  pnblicirt,  und  in  über- 
arbeiteter Form  in  zwei  Bänden  herausgegeben  wurde  u.d.T.  »Taras  Sevcenko- 
Hrusivskyj,  ('hronik  seines  Lebens«  (Sbirnyk  der  philologischen  Sektion  Bd. I 
u.  IV,  1898  u.  1901;  gleichzeitig  erschien  diese  Arbeit  auch  russisch  in  Odessa 
mit  einigen  Kürzungen).  Dies  ist  die  am  meisten  detaillirte  Uebersicht  der 
Thatsachen  des  äusseren  Lebens  des  grossen  ukrainischen  Dichters,  doch  mit 
vollständiger  Ausschliessung  der  Entwicklung  seiner  schöpferischen  Thätig- 
keit  und  überhaupt  seines  geistigen  Lebens.  Den  Streitfragen  über  die  Chro- 
nologie einzelner  Schöpfungen  Sevcenko's  widmete  derselbe  Verfasser  zwei 
besondere  Artikel  (Bd.  8  und  9),  und  ausserdem  einige  Notizen  den  Text- 
fragen (Bd.  33  und  39).  Den  letzteren  sind  ausserdem  die  Arbeiten  des  Jul. 
Romancuk  und  M.  Kr-skyj  gewidmet  (Bd.  34  und  56).  Dem  literarischen  Stu- 
dium einzelner  Werke  Sevcenkos  sind  gewidmet  die  Arbeiten  des  Iv.  Franko 
über  »Die  Dienstmagd«  (Zap.,  Bd.  6)  und  »An  die  Polen«  (Lit.  wiss.  Bote  1904, 
Heft  4),  und  des  Iv.  Kopac  über  den  »Traum«  (Zorja  1895)  und  des  AI.  Kolessa 
über  den  Einfluss  der  Werke  des  Mickiewicz  auf  Sevcenko  (Zap.  3).  Viele 
kleinere  Materialien  und  Notizen  über  Sevcenko  sind  in  der  Zorja.  im  Lit. 
wiss.  Boten  und  den  Zapysky  verstreut.  Unter  der  Redaktion  des  Em.  Oho- 
novskyj  wurde  von  der  Gesellschaft  eine  volle  Ausgabe  sämmtlicher  Werke 
Sevcenko's  begonnen;  diese  Ausgabe  umfasst  bisher  vier  Bände,  ist  noch  nicht 
abgeschlossen  i). 

Der  zweite  kleinrussische  Schriftsteller,  für  dessen  Erforschung  von 
der  Gesellschaft  viel  gethan  wurde,  ist  J.  Fed'kovyc,  der  bedeutendste  unter 
den  älteren  Schrifstellern  der  österreichischen  Ukraine.  In  den  Publikationen 
der  Gesellschaft  erschienen :  seine  Biographie,  geschrieben  von  AI.  Kolessa, 
welche  in  den  Spalten  der  Zorja,  wo  sie  zuerst  erschien,  eine  lebhafte  Po- 
lemik hervorrief  (Zorja  1893  und  1894),  ferner  Erinnerungen  an  Fed'kovyc,  ge- 


1)  Eine  bessere  Textrecension  gab  die  neueste  kompakte  Ausgabe  des 
Jul.  Romancuk. 


Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Sevcenko-Gesellschaft.  295 

sammelt  von  Roman  Zaklynskyj  (Lit.  wiss.  Bote  1902,  Heft  1 — 2)  und  eine 
Reihe  kleinerer  Beiträge.  Im  J.  1901  schritt  die  Gesellschaft  zur  Herausgabe 
einer  vollständigen,  wissenschaftlich  ausgeführten  Sammlung  seiner  Werke; 
bisher  erschienen  drei  Bände,  welche  seine  Gedichte,  Erzählungen  und  von 
ihm  übersetzte  Dramen  enthalten;  zwei  weitere  Bände  sollen  originelle  dra- 
matische Schöpfungen,  die  Korrespondenz  und  sonstigen  schriftlichen  Nach- 
lass,  sowie  eine  Biographie  des  Dichters  umfassen.  Mehrere  Arbeiten  wurden 
dem  Kulis  gewidmet:  seine  Biographie,  geschrieben  von  J.  Makovej  (Lit.  wiss. 
Bote  1900  und  separat),  eine  kritische  Arbeit  von  Iv.  Stesenko  (Zap.  44),  sowie 
ein  Artikel  von  V.  Scurat  über  Kulis's  letzten  Aufenthalt  in  Lemberg  (Zorja 
1897).  Mit  ihm  befasst  sich  auch  hauptsächlich  eine  ausführliche  kritische 
Arbeit  des  St.  Tomasivskyj  «Marusia  Bohuslavka  in  der  ukrainischen  Litera- 
tur« (Lit.  wiss.  Bote  1901,  Heft  III— IV).  M.  Tersakovec  gab  einiges  inter- 
essante Material  aus  den  Papieren  des  Markijan  Saskevyc  heraus  (Zap.,  Bd.  58 
—  kleinere  Ergänzungen  und  Berichtigungen  dazu  Bd.  61);  Iv.  Stesenko  schrieb 
einen  Artikel  über  AI.  Storozenko  (Zap.,  Bd.  43),  und  eine  ausführliche  kri- 
tische Uebersicht  der  Jubiläumsliteratur  über  Gogol'  (Bd.  57  und  5S).  Ausser- 
dem findet  man  hier  eine  Reihe  kleiner  Mittheilungen  über  Rudanskyj,  dessen 
sämmtliche  Werke  ebenfalls  von  der  Gesellschaft  herausgegeben  werden  (bis- 
her 7  Bände)  u.  a.  m. 

Eine  Reihe  literarischer  Charakteristiken  der  modernen  ukrainischen 
Schriftsteller  brachten  die  bisher  erschienenen  27  Bände  des  Lit.  wiss. Boten: 
über  Alexandra  Kulisva  (Hanna  Barvinok)  von  Boris  Hrincenko,  über  M. 
Staryckyj  und  Lesia  Ukrainka  von  Iv.  Franko,  über  Karpenko-Karyj  von 
G.  Kmit,  über  Kobylanska,  Cajkivskyj,  Hrabovskyj,  Bordulak,  Kovaliv  von 
J.  Makovej,  über  Kobrynska  und  Semaniuk  von  mir  u.  dgl.  m.  Eine  Statistik 
der  literarischen  Produktion  der  Ukraine  für  das  J.  1903  gab  Iv.  Kreveckyj 
(Lit.  wiss.  Bote  1904,  Heft  2).  Ueberhaupt  stellt  die  wissenschaftlich-litera- 
rische Abtheilung  des  Lit.  wiss.  Boten  für  das  Studium  der  modernen  ukrai- 
nischen Literatur  ein  förmliches  Archiv  dar,  ebenso  wie  die  letzten  Jahrgänge 
der  Zorja,  wo  eine  Menge  literargeschichtlicher,  biographischer  und  biblio- 
graphischer Notizen  zusammengetragen  sind. 

Für  das  Studium  der  kleinrussischen  Sprache  und  ihrer  Dialekte  er- 
wähne ich  Folgendes :  die  von  AI.  Kolessa  herausgegebenen  Pergamentblätter 
aus  dem  XII.  —  XIII.  Jahrh.  aus  der  Bibliothek  des  Basilianer  Laura- 
klosters, mit  paläographischen  und  sprachgeschichtlichen  Bemerkungen  (Zap. 
Bd.  54) ;  die  Abhandlung  des  Cyr.  Studynskyj  über  die  Lemberger  griechisch- 
ruthenische  Grammatik  Adelphotes  vom  J.  1591  (Zap.,  Bd.  7);  J.  Makovej's 
über  die  ersten  Schritte  des  wissenschaftlichen  Studiums  der  kleinrussischen 
Sprache  in  Galizien  im  XIX.  Jahrh.  (Zap.,  Bd.  51  und  54).  VI.  Ochrymovyc 
veröffentlichte  den  ersten  Theil  seiner  ausführlichen  und  sehr  interessanten 
Arbeit  über  die  Betonung  in  der  kleinrussischen  Sprache  (Zap.,  Bd.  33). 

Sehr  viel  geben  die  Publikationen  der  Gesellschaft  zur  Dialektologie 
der  westlichen,  der  Karpathen-Territorien;  ausführliche  Arbeiten  desIv.Ver- 
chratskyj  über  ungarisch-ruthenische  Dialekte  (Zap.,  Bd.  27  und  40,  44,  45), 
über  den  Dialekt  der  Lemken  (Sbirnyk  der  philol.  Sektion,  Bd.  V),  der  Nie- 


296  Kritischer  Anzeiger. 

derungbewohner  oder  Dolynianen  (bei  Peremysl  und  Jaroslav),  sowie  der 
Mischruthenen  (oaMiuiaHui)  im  Bogen  des  Vislok  (Zap.,  Bd.  3.5  und  36)  —  ent- 
halten ausser  einer  Uebersicht  phonologischer,  morphologischer  und  zum 
Theil  syntaktischer  Besonderheiten  auch  Text-Sammlungen  und  Lexica  der 
Idiotismen.  Hierzu  gesellen  sich  die  Arbeiten  VI.  Hnatiuk's  über  die  ungarisch- 
ruthenischen Dialekte,  speciell  über  die  slovakisch-ruthenische Dialektgrenze: 
»Die  ßuthenen  derEperjeser  Diöcese  und  ihre  Dialekte«  (Zap.,  Bd.  35  und  36,, 
kritische  Bemerkungen  zu  derselben  Frage  (Bd.  38),  welche  auch  separat  u.  d.  T. 
»Ungaro-ruthenica,  1900«  erschien,  und  »Slovaken  oder  Euthenen?«  (Bd.  42\ 
Eine  reiche  Textsammluug  dazu  wurde  im  IX.  Bde.  des  Ethnographischen  Zbir- 
nyk  veröffentlicht.  Ich  erwähne  noch  desselben  Verfassers  Notiz  über  einige 
Besonderheiten  des  Bojken-Dialektes  (Bd.  48).  Schliesslich  haben  auch  die 
übrigen  Sammlungen  der  Volksüberlieferungen  von  Hnatiuk,  Jos.Rozdolskyj 
u.  a.  einen  bedeutenden  Werth  für  dialektologische  Studien,  da  sie  mit  voll- 
kommener Bewahrung  dialektologischer  Merkmale  aufgezeichnet  worden 
sind. 

Zum  Studium  der  Volkstradition  übergehend  muss  ich  vor  Allem  die 
(posthume)  Sammlung  der  Arbeiten  Dragomanov's  zur  Literatur  und  Volks- 
kunde erwähnen,  welche  von  der  philologischen  Sektion  in  Angriff  genommen 
worden  ist  (Zbirnyk  der  philolog.  Sektion,  Bd.  11  und  III).  Die  beiden  bisher 
erschienenen  Bände  enthalten  (in  Uebersetzung)  die  in  Russland  gedruckten 
Studien;  in  den  folgenden  Bänden  sollen  die  in  verschiedenen  anderen  Spra- 
chen veröffentlichten  Arbeiten  erscheinen.  Hieran  reihen  sich  folgende  Ar- 
beiten: Iv.  Franko  »Der  Kosak  Plachta,  ein  ukrainisches  Volkslied,  gedruckt 
in  einer  polnischen  Broschüre  vom  J.  1625«  (Zap.,  Bd.  47)  mit  interessanten 
Bemerkungen  zur  Geschichte  des  ukrainischen  Volksliedes  überhaupt;  V. 
Hnatiuk  über  die  moderne  Volksliederschöpfung,  mit  einer  reichhaltigen 
Sammlung  solcher  «neuer«  Volkslieder  (Zap.,  Bd.  50  und  52);  derselbe,  Volks- 
lieder über  den  Räuber  Janosik,  sowie  Erzählungen  von  ihm  (Bd.  31);  M.  Dy- 
kariv  über  die  Weide  in  der  Symbolik  der  Volkslieder  (Zbirnyk  der 
philolog.  Sektion,  Bd.  V);  AI.  Kolessa  über  die  Elemente  der  ukrainischen 
Volkspoesie  in  den  Werken  des  polnischen  Dichters  Bogdan  Zaleski  (Zap., 
Bd.  1);  Forschungen  von  Hnatiuk  (Ethnogr.  Zbir.  2)  und  Cyr.  Studynskyj 
(Zorja  1S94)  über  galizische  Leiermänner,  ihr  Repertoire  und  ihr  Argot.  Sehr 
viele  Erzeugnisse  der  Volkstradition,  besonders  der  galizischen  und  ungarisch- 
ruthenischen  wurden  gesammelt  und  musterhaft,  mit  voller  Beibehaltung  der 
ursprünglichen  Form  und  Sprache,  sowie  mit  Literatur-  und  Parallelen-Nach- 
weisen herausgegeben.  Auf  dem  ersten  Plan  steht  eine  Reihe  systematischer 
Sammlungen,  deren  Herausgabe  die  Gesellschaft  in  neuester  Zeit  unternommen 
hat,  mit  kleinen,  oft  zufällig  zusammengewürfelten  Kollektionen,  wie  sie 
gewöhnlich  in  verschiedenen  ethnographischen  Sammelbänden  figuriren,  sich 
nicht  begnügend.  So  gab  V.  Hnatiuk  in  zwei  Bänden  eine  reiche  Legenden- 
sammlung (440  NN.),  in  Galizien  aufgezeichnet  (Ethnogr.  Zbirnyk.,  Bd.  XII— 
XIII),  einen  Band  Volksanekdoten  (4700  NN.),  ebenfalls  in  Galizien  gesammelt 
(ibid.  Bd.  VI),  einen  Band  Volkserzählnngen  zur  Dämonologie  (ibid.  Bd.  XV), 
und  begann  eine  reiche  Sammlung  der  kurzen  Lieder  sog.  Kolomyjki  (erster 


Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Sevcenko-Gesellschaft.  297 

Theil  Bd.  XVII).  Iv.  Franko  begann  eine  grossartige  Sammlung  galizisch- 
rutheniseher  Sprichwörter  und  Redensarten  —  die  zwei  bisher  erschienenen 
Bände  enthalten  nahezu  lu. 000  NN.  (sie  sind  nach  Stichwörtern  geordnet), 
deren  Stichwörter  die  Buchstaben  A  bis  D  umfassen,  mit  erklärenden  Be- 
merkungen und  Parallelen  zu  jeder  Nro.  (Ethnogr,  Zbirnyk,  Bd.  X  und  XVI). 
Jos.  Eowolskyj  gab  zwei  grosse  Sammlungen  galizischer  Volksmärchen  und 
Schwanke  (ibid.,  Bd.  VII  u.  VIII)  heraus.  Von  kleineren  Sammlungen  hat  eben 
solchen  einheitlichen  Charakter  Dykariv's  Kollektion  der  Volkserzählungen 
über  Zarenkrönung  (ibid.,  Bd.  V),  eine  Kollektion  von  Volksanekdoten,  ge- 
sammelt von  Symcenko  (ibid.),  eine  kleine  Sammlung  obscöuer  Hochzeitslieder 
von  Maxymovyc  (Ethnol.  Mater.  I)  u.  s.  w. 

Eine  zweite  Serie  bilden  grössere  Sammlungen  folkloristischen  Materials 
aus  einer  bestimmten  Ortschaft:  V.  Hnatiuk's  Aufzeichnungen  aus  ungari- 
schem Euthenenland  in  drei  Bänden:  die  beiden  ersten  enthalten  Legenden, 
Schwanke,  Märchen,  Sagen  und  Anekdoten,  gesammelt  hauptsächlich  im  öst- 
lichen Theile  des  ungar.  Euthenenlands  (Ethnogr.  Zbirnyk,  Bd.  III  und  IV), 
der  dritte  Band,  im  westlichen  ungar.  Euthenenland  aufgezeichnet,  gibt  das 
Material  nach  Dörfern  geordnet,  vornehmlich  als  dialektelogisches  Material, 
und  dazu  die  in  Backa  ruthenischen  Kolonien  im  Komitate  Bacs-Bodrog  — 
ibid.,  Bd.  IX) ;  Iv,  Kolessa's  grosse  Sammlung  der  Volkslieder  aufgezeichnet 
in  einem  einzigen  Dorfe  Chodovyci,  Bez.  Stryj,  mit  Melodien,  welche  von 
demselben  Sammler  aufgezeichnet  wurden  'Ethnogr.  Samml.,  Bd.  IX).  VI. 
Lessevic's  reichhaltige  Sammlung  der  Volkserzählungen  aus  dem  Munde  eines 
einzelnen  Mannes,  Kosaken  Cmychalo,  aus  dem  Gouv.  Poltava  aufgezeichnet 
(ib.  Bd.  XIV).  Von  kleineren  Kollektionen  haben  solchen  Charakter:  Dyka- 
riv's Volksmärchen  und  Anekdoten  aus  dem  Kubangebiete  (ibid.  II),  Prof. 
Kaindls  folkloristische  Beiträge  aus  der  Bukowina  (ibid.  V),  Volksräthsel  im 
Dorfe  Polove,  gesammelt  von  J.  Mykolajevyc  (ibid.)  u.  s.  w. 

Nicht  wenig  wurde  auch  für  das  Studium  des  Volkslebens  geleistet. 
Das  Volksleben  und  die  Volkskultur  ganzer  ethnographischer  Gruppen  schil- 
dern zwei  grössere  Arbeiten:  von  VI.  Suchevyc  über  die  Huzulen,  diesem  in- 
teressantesten und  originellsten  unter  den  ukrainischen  und  vielleicht  über- 
haupt unter  den  slavischen  Stämmen  —  bisher  sind  vier  Hefte  erschienen 
(Ethnologische  Materialien,  Bd.  2,  4,  5  und  '),  welche  ein  äusserst  mannig- 
faltiges, in  jahrelangen  Beobachtungen  gesammeltes,  wenn  auch  nicht  ganz 
wissenschaftlich  bearbeitetes  Material  bieten  —  eine  schöne,  mit  vielen 
Illustrationen  versehene  Publikation.  Die  zweite  Arbeit  von  V.  Hnatiuk 
über  die  Euthenen  in  der  Backa  (ruthenische  Kolonien  an  der  Donau  im 
Komitate  Bacs-Bodrog);  ihnen  widmete  er  eine  ausführliche  Arbeit  u.  d.  T. 
Euthenische  Kolonien  in  der  Backa  (Zap.,  Bd.  22),  eine  reichhaltige  Sammlung 
der  Liedertexte  (Ethnogr.  Samml.,  Bd.  IX),  und  behandelt  die  Frage  über  ihre 
Nationalität  auch  in  seinen  oben  erwähnten  Artikeln  über  die  Dialektologie ; 
überdies  veröffentlichte  er  eine  kleine  Chronik  von  Kerestur,  der  wichtigsten 
unter  diesen  Kolonien  (Zap.,  Bd.  53).  Leben  und  Bräuche  der  ungarischen 
Euthenen  schildert  in  einer  kleinen  Arbeit  Georg  Zatkovic,  einer  der  lokalen 
(leider  so  wenigen)  ruthenischen  Forscher  aus  Ungarn  (Ethnogr.  Zbirnyk, 


298  Kritischer  Anzeiger. 

Bd.  II).  Schliesslich  publicirte  St.  Tomasivskyj  eine  interessante  Forschung 
zur  Statistik  des  ungar.  Ruthenenlandes  (Zap.,  Bd.  56). 

Arbeiten  über  specielle  Fragen:  VI.  Ochrymovyc  über  die  Reste  der 
kommunistischen  Ordnung  unter  den  Gebirgsbojken  (der  Titel  entspricht 
vielleicht  nicht  ganz  dem  Inhalt,  doch  die  Thatsachen  der  Gebirgswirth- 
schaft  selbst  sind  sehr  interessant  —  Zap.,  Bd.  31);  Iv.  Cerkaskj'j  über  die 
Beerbung  nach  ukrainischem  Gewohnheitsrecht  (Jurid.  Ztschr.,  Bd.  9);  Iv. 
Franko  und  Phil.  Kolessa  Volksglaube  im  galizischen  Pidhirje  (Bez.  Kolo- 
myja,  Stryj  und  Drohobyc  —  Ethnogr.  Zbirnyk  V) ;  M.  Dykariv's  Beiträge  zur 
Mythologie,  zur  Volksbotanik,  Volksglaube  über  den  heil.  Nikolaus,  alle  in 
der  posthumen  Sammlung  seiner  Arbeiten.  In  seinem  ungemein  reichen  hand- 
schriftlichen Nachlass  hat  sich  u.  a.  auch  ein  Volkskalender  aus  dem  Gouv. 
Voronez,  gefunden,  welcher  im  Bd.  VI  der  Ethnologischen  Materialien  publi- 
cirt  wurde.  Früher  hat  derselbe  Verf.  seine  Beschreibung  der  Weihnachts- 
feier aus  dem  Kubangebiete  herausgegeben  (Ethnogr.  Zbirnyk  Bd.  I .  Einen 
kleineren  Volkskaleuder  aus  dem  westlichen  Bojkengebirge  in  Galizien  gab 
Mich.  Zubryökyj  heraus  (ibid.,  Bd.  III,.  Die  Hochzeitsbräuche  aus  dem 
Gouv.  Cernihov  wurden  sehr  ausführlich  und  sorgsam  beschrieben  von 
P.  Litvinova-Bartos  (ibid.),  sowie  von  Ch.  Hrys  aus  dem  Gouv.  Poltava  (ibid., 
Bd.  I).  Eine  Sammlung  huzulischer  Zaubersprüche  nach  verschiedenen  Auf- 
zeichnungen gab  Iv.  Franko  (Ethnogr.  Zbirnyk  V).;  Kinderspiele,  Kinder- 
reime und  Beobachtungen  über  das  Leben  der  Kinder  lieferte  M.  Derlyca  (ibid) ; 
über  Zusammenkünfte  der  Dorfjugend  gabDykariv  ein  Programm  mit  dem  aus- 
führlichen Kommentar  (Ethnol.  Mater.  III)  heraus,  lieber  musikalische  Volks- 
instrumeute  schrieb  der  unter  dem  Pseudonym  Bojan  sich  verbergende  Ver- 
fasser Zorja  1894),  Ueber  bemalte  Ostereier  aus  nordöstlichem  Galizien,  ihre 
Zubereitung  und  Ornamentation  liegt  eine  Arbeit  des  M.  Korduba  mit  einem 
schönen  Musteratlas  vor  (Ethnol.  Mater.,  Bd.  I).  Für  die  materielle  Kultur:  V. 
Hnatiuk  über  Volksspeisen  und  Volksküche  in  Galizien  (Ethnol.  Mater..  Bd.  I), 
und  die  sehr  werthvoUe  chemisch-physiologische  Analyse  der  ruthenischen 
Volksspeisen  von  dem  bekannten  Physiologen  Prof.  Iv.  Horbacevskyj  (Zbirnyk 
der  naturwiss.  Sektion,  Bd.  V).  Ueber  die  Einrichtung  des  Bauernhofes  handelt 
eine  Arbeit  von  M.  Mohyicenko  (Beobachtungen  aus  dem  Gouv.  Cernihov)  in 
Ethnol.  Mater.,  Bd.  I ;  über  die  Schafzucht  bei  den  Bojken  eine  Arbeit  des 
M.  Zubryckyj  (ibid.  VI) ;  über  die  Fischerei  der  Ukrainer  in  der  Dobrudza 
eine  Arbeit  des  J.  Volkov  (ibid.,  Bd.  I).  Zum  Studium  der  Volksindustrieen 
brachten  die  Bände  I,  III  und  VI  derselben  Materialien  folgende  Beiträge : 
M.  Mohyicenko  über  Töpferei  in  Olesnja,  Gouv.  Cernikov,  M.  Eusov  über  die 
Töpferei  in  Oposnja,  Gouv.  Poltava,  V.  Hnatiuk  über  die  Weberei  und  Kürsch- 
nerei in  Galizien,  A.  Veretelnyk  und  M.  Rusov  über  verschiedene  Arten  der 
Holzindustrie,  P.  Litvinova,  A.  Veretelnyk.  M.  Syskevyc  über  die  Oelpressen 
in  Galizien  und  der  Ukraine,  Frau  O.Radakova  über  die  Bauernjuwelierkunst 
im  Gouv.  Charkov. 

Ich  zählte  hier  nur  dasjenige  auf,  was  mir  bei  der  modernen  Richtung 
der  historisch-philologischen  und  ethnographischen  Studien  am  werthvoUsten 
und  interessantesten  schien.  Die  Interessirten  können  nach  diesen  Hinweisen 


Iljinskij,  Ein  Fall  der  gramm.  Analogie,  angez.  von  Resetar.        299 

mit  Hilfe  der  jedem  Jahrgange  der  Zapysky  beigefügten  Indices,  sowie  der 
auch  deutsch  publicirten  Chronik  der  Gesellschaft  auch  selbst  das  ihnen 
Nötige  finden.  Wollte  ich  alles  Neue  hervorheben,  was  diese  Arbeiten  und 
Publikationen  für  das  Studium  Südrusslands  und  des  kleinrussischen  Volkes 
bieten,  so  müsste  ich  natürlich  den  Rahmen  dieser  schematischen  Uebersicht 
weit  überschreiten.  Auch  so,  wie  die  Sache  gegenwärtig  steht,  in  Betreff 
einiger  Fragen,  z.  B.  bei  einigen  Abtheilungen  der  Geschichte  Altrusslands 
und  speciell  bei  der  Geschichte  Galiziens  in  ihrem  ganzen  Umfange,  bei  der 
Geschichte  des  Kosakenthums  bis  zur  Epoche  Chraelnyökyj's  einschliesslich, 
bei  der  Geschichte  der  neuen  iikrainischen  Literatur,  bei  der  ukrainischen 
Dialektologie,  dem  ukrainischen  Folklore  überhaupt  kann  kein  Forscher  ohne 
genaue  Bekanntschaft  mit  dem  von  der  Sevcenko- Gesellschaft  dazu  Ge- 
leisteten und  Publicirten  auch  nur  einen  Schritt  vorwärts  kommen. 

M.  Hrusevsktp. 


HjitHHCKiH,  r.A.,  Oahhi.  eüyiaH  rpaMMaTH^iecKoä  anajorm  wh  cepö- 
cKOMi.  H3BiKi  (aus  dem  Cögphhk'b  zu  Ehren  Lamanskij's). 

Es  handelt  sich  um  die  Erklärung  der  räthselhaften  serbokroatischen 
Endung  -ä  im  Gen.  pl.  der  nominalen  Deklination.  Da  ohne  weiteres  zuzu- 
geben ist,  dass  alle  bisherigen  Versuche  nicht  befriedigen  können,  stellt  I. 
eine  neue  Hypothese  auf,  wobei  er  —  was  von  seiner  Seite  sehr  angenehm 
überrascht  —  in  diesem  -ü  kein  Pronomen  sieht ;  vielmehr  nimmt  er  an,  dass 
dasselbe  aus  der  ursprünglichen  Endung  -bjb  der  «-Stämme  sich  entwickelt 
habe  und  dann  auf  alle  Substantive  übertragen  worden  sei;  -yt  hätte  im 
Serbokroatischen  -bi,  -bj,  dann  mit  Vokalisation  des  Halbvokals  -aj,  endlich 
nach  Schwund  des  wortschliessenden  -J  (und  gleichzeitiger  Ersatzdehnung 
des  vorausgehenden  -a-)  ein  -ä  ergeben.  Nach  der  Annahme  I.'s  hätte  also 
eine  und  dieselbe  Endung  -bß  im  Serbokroatischen  bei  den  i-Stämmen  ein  -t 
igösü,  ndci),  bei  den  übrigen  Stämmen  dagegen  ein  -ä  [köüä,  zenä)  ergeben,  in- 
dem dort  der  erste  Halbvokal  verstummte  und  die  auslautende  Silbe  Jb  zu  i 
wurde,  hier  dagegen  das  erste  &  zum  vollen  a  sich  entwickelte  und  das  y 
schwand.  Diese  Divergenz  in  der  Entwickelung  einer  und  derselben  Endung 
sucht  I.  dadurch  zu  erklären,  dass  bei  den  t-Stämmen  die  letzte  Silbe,  d.i.  der 
letzte  Halbvokal  den  Ton  trug,  während  in  den  übrigen  Kategorien  «der  Ton 
jedenfalls  auf  das  erste  &  fallen  musste,  wodurch  dessen  Vokalisation  erklärt 
wird«  'S.  6);  wenn  aber  bei  denselben  Stämmen  das  auslautende/  schwand, 
so  erklärt  sich  das  durch  »den  relativ  späten  und  zufälligen  Charakter 
seines  Ursprunges,  der  ihm  keine  Möglichkeit  zuliess,  sich  zu  befestigen« 
(S.  7).  Die  Sache  ist  aber  damit  nicht  erledigt,  denn  zunächst  steht  es  speziell 
für  das  Serbokroatische  fest,  dass  die  2'-Stämme  schon  in  der  ältesten  Zeit 
aus  der  slavischen  Endung  -bß  ihr  gegenwärtiges  -t  entwickelt  hatten;  in 
historischer  Zeit  konnten  also  die  übrigen  Stämme  von  den  t-Stämmen  als 
Endung  des  Gen.  pl.  nur  ein  -l  annehmen.    Sollte  man  aber  nur  für  das 


300  Kritischer  Anzeiger. 

Serbokroatische  an  eine  noch  ältere  konsequente  Annahme  der  En- 
dung der  «-Stämme  von  Seiten  der  übrigen  Substantiven  denken,  so  muss 
entschieden  betont  werden,  dass  es  methodologisch  nicht  geht,  für  die  ein- 
heitliche Endung  -hjb  bei  den  übrigen  Stämmen  Betonung  des  vorletzten  &, 
bei  den  i-Stämmen  selbst  dagegen  Betonung  des  letztens  anzunehmen:  hätten 
die  übrigen  Stämme  die  Endung  der  «-Stämme  angenommen,  so  hätten  sie 
ganz  bestimmt  auch  die  dieser  Endung  anhaftende  Betonung  angenommen 
(vgl.  z.  B.  prstä,  noicdtä,  aber  prstt,  nöJctt  nach  gdsü,  nöct)  und  dann  müsste 
eben  auch  bei  den  übrigen  Stämmen  das  urslav.  -bjb  zum  -l  werden.  Es  ist 
ferner  sehr  fraglich,  ob  wir  für  das  Serbokroatische  als  Mittelstufe  zwischen 
dem  urslav.  -hß  und  dem  serbokroat.  -i  der  «-Stämme  ein  -hi  voraussetzen 
dürfen,  wie  dies  II.  thut;  höchst  wahrscheinlich  geht  nämlich  das  -i  auf  die 
Nebenform  -iß  zurück  (mit  der  bekannten  Verlängerung  des  6  vor^),  so  dass 
die  von  II.  vorausgesetzte,  in  der  Geschichte  der  serbokroat.  Sprache  gar 
nicht  vorkommende  Form  -hi,  bezw.  -hj,  kaum  als  Ausgangspunkt  für  das  -ü 
genommen  werden  kann.  Dies  dürfen  wir  um  so  weniger  thun,  als  die  An- 
nahme einer  vorhistorischen  Endung  -y  (woraus  -«)  bei  den  o-  und  a-Stämmen 
direkt  der  schon  genügend  hervorgehobenen  Thatsache  widerspricht,  dass 
diese  Stämme  einen  Halbvokal  an  vorletzter  Stelle  erhalten,  bzw.  in  einer 
auslautenden  Konsonantengruppe  sekundärer  Weise  entwickeln:  otäcä,  7nä- 
cäkä,  bzw.  vjetärä,  sestdrä ;  wenn  man  aber  dem  entgegen  sagen  wollte,  dass 
—  was  gewiss  richtig  ist  —  das  auslautende  -ä  erst  hinzutrat,  nachdem  der 
urslav.  auslautende  Halbvokal  verstummt  war,  daher  auch  der  Halbvokal  an 
vorletzter  Stelle  sich  erhalten,  bzw.  neu  entwickelt  hatte,  so  ist  darauf  hin- 
zuweisen, dass  0-  und  a-Stämme,  wenn  sie  wirklich  die  Endung  der 
«■-Stämme  annehmen,  auch  in  Bezug  auf  die  Behandlung  des  Halbvokals 
an  vorletzter  Stelle  nach  den  letzteren  Stämmen  sich  richten  (vgl.  nokdta, 
inäjäkä,  mazdkä,  crkävä,  bresäkä  u.  s.  w.,  aber  nökü,  majki,  mäzgt,  crkv'i, 
hreskvi  u.  s.  w.).  Das  -«  hat  somit  mit  der  Endung  -hß  der  «-Stämme  wohl 
nichts  zu  thun ;  woher  es  aber  kam,  das  ist  allerdings  schwer  zu  sagen. 

*  M.  Resetar. 


Heinrich  v.  Ulaszyn,  Dr.  phil.,  lieber  die  Entpalatalisirung-  der  ur- 
slav. e-Laute  im  Polnischen.   Leipzig  1905,  92  SS. 

Die  Abhandlung  ist  ein  Theil  einer  grösseren  Arbeit,  wie  der  Verf.  im 
Eingange  des  Vorwortes  schreibt,  um  auf  den  Umstand  hinzuweisen,  dass 
der  für  das  Ganze  gewählte  Titel  für  diesen  veröffentlichten  Theil  vielleicht 
zu  weit  ist,  da  ja  in  der  That  nicht  alle  Fälle  der  »Entpalatalisirung«,  z.B.  im 
Anlaut  und  in  den  Zusammensetzungen  hier  behandelt  sind.  Aber  auch  dieser 
Ausschnitt  zeugt  von  der  grossen  Gründlichkeit,  mit  welcher  der  Verf.,  der 
früher  schon  auf  dem  Gebiete  der  historischen  Studien  gearbeitet  hat,  jetzt 
in  der  slavischen  Sprachwissenschaft  die  unternommenen  wissenschaftlichen 
Aufgaben  erfasst  und  behandelt,  man  sieht  den  Einfluss  seiner  Lehrer  und 


V.  ülaszyn,  Entpalatalisirung,  angez.  von  Nehring.  301 

Führer,  Baudouin's  de  t'ourtenay,  früher  in  Krakau,  der  ihn  in  die  slavische 
Philologie  eingeführt  hat,  Jagiö's  in  Wien  und  zuletzt  Leskien's  in  Leipzig, 
wo  er  die  letzten  zwei  Jahre  verblieb.  Die  Aufgabe,  die  Dr.  v.  Ulaszyn  hier 
sich  gestellt  hat,  betrifft  die  Erscheinung  im  Polnischen,  dass  die  Vokale  e 
und  e,  beide  weich,  vor  den  harten  Konsonanten  d  t,  z  s,  l  n  r  zu  io  bezw. 
ia  umgelautet  werden:  wiosna  las,  vor  weichen  Lauten  oder  weichen  Nach- 
silben, und  vor;?-  und  A-Lauten  dem  Umlaute  ausweichen  und  in  ihrer  Qua- 
lität verbleiben.  Dieser  Lautvorgang,  der  in  der  angegebenen  Umgrenzung 
dem  Polnischen  seit  Beginn  seines  Sonderlebens  eigenthümlich  ist,  war  seit 
jeher  unter  dem  Namen  Umlaut  allgemein  bekannt  und  wiederholt  beleuchtet, 
hier  aber  ist  er  mit  einer  wohl  unnöthig  gewählten  neuen  Benennung  zum 
ersten  Male  von  Grund  aus  physiologisch  und  historisch  geprüft  und  sowohl 
in  seiner  lautgesetzlichen  Folgerichtigkeit  als  auch  in  seinen  Schwankungen 
und  Abweichungen,  die  auch  erklärt  werden,  eingehend  behandelt.  Aus  die- 
sem Grunde  ist  die  Arbeit  des  Dr.  v.  Uiaszyn  als  eine  treffliche  Einzelunter- 
suchung, —  und  an  solchen  fehlt  es  in  der  polnischen  Grammatik  — ,  mit 
Anerkennung  zu  begrüssen,  und  es  ist  zu  wünschen,  dass  der  Verf.  auch  an- 
dere Eigenthümlichkeiten  des  Polnischen  mit  derselben  Sorgfalt  behandele, 
oder  dass  andere  zu  ähnlichen  Untersuchungen  angeregt  werden. 

Im  Einzelnen  scheint  mir  in  der  besprochenen  Abhandlung  manches  der 
Vervollständigung  oder  Richtigstellung  bedürftig  zu  sein.  Zunächst  wäre 
der  Hinweis  auf  die  Assimilation  im  Bulgarischen  in  zelezo  und  zelezen,  vera 
und  veren  u.  ä.,  und  auf  den  Umlaut  des  e  in  e  im  Eussischen  unter  gewissen 
Bedingungen:  veselyj,  bereza  am  Platze  gewesen,  —  aber  freilich,  aus  dieser 
nur  theilweisen  Gemeinsamkeit  waren  für  das  Polnische  keine  Schlüsse  zu 
ziehen;  vielleicht  sind  nachhaltigere  Anklänge  im  Lausitzischen  anzutreffen: 
piscec  und  piscai,  fensi  und  rany,  aber  auch  diese  Anähnlichung  ist  mit  dem 
polnischen  Umlaute  nicht  gleichartig,  und  der  Verf.  beschränkte  sich  mit  Recht 
auf  das  Polnische.  Bei  dieser  Beschränkung  vermisse  ich  bei  der  Prüfung 
des  Lautvorganges,  dass  die  p-  und  A-Laute  den  Umlaut  aufhalten,  den  Hin- 
weis darauf,  dass  diese  Konsonanten  im  Polnischen  auch  sonst  mit  weichen 
zusammengehen,  die  Gaumenlaute  mehr,  die  Lippenkonsonanten  weniger: 
wielki  nagi  st.  wielky  nagy,  wielkiego  nagiego;  gumien  trumien  pewien, 
okien  bagien;  wieku  duchu  wie  koniu  u.  s.  w.  ich  darf  mich  begnügen,  auf 
diese  Neigung  des  Polnischen  hinzuweisen,  —  aber  nicht  des  Polnischen 
allein,  hier  möchte  man  auf  grossrussische  Dialekte  hinweisen,  welche  nach 
Potebnja  (Zürn,  minist,  nar.  prosv.  1874,  HI  116)  »zur  unorganischen  Erwei- 
chung der  Gutturalen  und  Labialen  inkliniren«,  worauf  auch,  sowie  auf 
gleichartige  polnische  Erscheinungen  Jagic  im  Archiv  I,  347  f.  hinweist;  es 
ist  demnach  in  der  Natur  der  polnischen  Lippen-  und  Gaumenlaute  begrün- 
det, dass  sie  den  Umlaut  aufhalten. 

Was  die  einzelnen  Erklärungen  anbetrifft,  so  muss  ohne  Bedenken  zu- 
gegeben werden,  dass  das  Fehlen  des  Umlautes  bei  dem  Worte  kobieta 
richtig  in  dem  Umstände  gefunden  wurde,  dass  dieses  Wort  spät  in  der 
Sprache  erscheint,  denn  erst  im  XVI.  Jahrb.  bei  M.  Bielski  in  Sejm  nietciesci 
im  verächtlichen  Sinne  anzutreffen  ist,  dasselbe  kann  aber  auch  von  anderen 


302  Kritischer  Anzeiger. 

Wörtern,  z.  Th.  von  demselben  Typus  gesagt  werden:  zaleta  podnieta,  das 
letzte  folgte  auch  dem  etymologisch  homogenen,  häufig  auftretenden  Worte 
niecid,  und  wich  dem  Umlaute  aus;  tasak  mag  viel  älter  sein,  die  Wurzelsilbe 
cies-  wird  aber  durch  eigenartigen  Ablaut  {e:a]  sich  zu  tas  und  nicht  zunächst 
erst  zu  cias-  und  dann  durch  Verlust  der  Jotation  zu  tas  gewandelt  haben. 
Die  Wahrnehmung,  dass  der  Vokal  e,  wenn  er  den  Halbvokal  6  reflektirt,  an 
dem  Umlaute  nicht  theilnimmt  (pies  nicht  pios,  giezlo-gzlo)  ist  im  allgemeinen 
richtig,  aber  es  konnten  solche  Abweichungen  wie  dzionek  wioska  u.  a.  er- 
wähnt werden :  dzionek  Deminutivum  zu  dzien  folgte  der  Analogie  von 
pierscionek,  promionek  u.  a.,  von  Subst.  auf  -en  gebildet,  welche  der  Verf 
S.  66  bespricht,  wioska  scheint  eine  unmittelbare  Bildung  zu  sein,  ist  aber 
vielleicht  aus  dem  regelrecht  gebildeten,  vorauszusetzenden  *wieska  ent- 
standen, ein  Adjectivum  *wieski  (wiejski  ist  doch  wohl  nach  der  Analogie 
von  miejski  aus  miestski  geformt)  mag  auch  zur  Bildung  von  wioska  beige- 
tragen haben,  vielleicht  existirte  auch  ein  Deminutivum  przycioska  zu  przy- 
cies;  an  eine  Analogie  von  piosnka,  wie  man  meinen  könnte,  ist  nicht  zu 
denken,  weil  in  früherer  Zeit,  in  welcher  wioska  entstand,  das  Deminutivum 
zu  piesn  piasnka  war.  Mit  wioska  hängt  zusammen  wiochna  und  schliesslich 
auch  wiosnianka,  wofür  ein  polnischer  Dichter  des  XVII.  Jahrh.  willaneczka 
aus  dem  Italienischen  als  ländliches  Gedicht  gebraucht.  In  chrzest  wurde 
der  e- Vokal  wegen  der  Flexionsformen  chrztu  chrzcie  und  wegen  chrzcic  als 
ein  beweglicher  empfunden,  aber  chrzesny  (mit  Verlust  von  t)  scheint  die 
Sphäre  überschritten  zu  haben  und  erzeugte  die  Nebenform  chrzasny.  An 
dieser  Stelle  möchte  ich  die  Bemerkung  einfügen,  dass  in  den  lautlichen  Er- 
scheinungen des  Polnischen  manches  an  Willkür  streift,  dass  das  Polnische 
von  einer  gewissen  Launenhaftigkeit  nicht  freizusprechen  ist ;  —  man  kann 
es  auch  Hang  zur  Mannigfaltigkeit  nennen  —  man  vergleiche  z.  B.  lesny  und 
wezesuy  niewczesny  doczesny,  Adjectiva  zu  las  und  czas,  dort  s  hier  s,  die 
Wörter  mögen  früher  doczesny  n.  s.w.  gelautet  haben.  In  der  Erklärung  nun 
der  Adjectiva  mit  dem  Suffix  -tny  und  -tnik,  auch  -Bszy  möchte  ich  lieber 
bei  dem  früher  geltenden  Satze  stehen  bleiben,  dass  bei  diesen  Bildungen  f 
z  s  und  k  g  ch  durch  das  einst  wirksame  6  regelrecht  erweicht  oder  palatali- 
sirt  wurden:  dzielny,  przasny,  wieczny  u.  s.  w.,  dass  aber  d  <  und  r,  auch  n 
ehedem  den  Konsonanten  unmittelbar  erweichten,  die  Erweichung  aber  all- 
mählich einbüssten,  so  dass  kwiet'ny,  wier'ny  u.  s.  w.  zu  kwietny,  wierny  etc. 
geworden  sind;  wietrzny  entwickelte  die  weitere  Wandlung  des  r'  in  ?-r,  weil 
es  an  opatrzny,  wnetrzny,  in  denen  die  Lautfolge  -trzn-  nothwendig  war, 
gleichsam  ein  Vorbild  und  einen  Halt  fand.  Dass  sich  der  Verf  auf  die  Wör- 
ter mit  dem  Suffix  (dem  »Formans«)  -tni'y)  beschränkt  hat,  ist  vielleicht  nicht 
richtig,  denn  auch  die  Suffixe  -Bski  und  -tstwo  verdienten  Berücksichtigung: 
rodzenstwo  (aus  plur.  rodzeni),  mieszczanski  (aus  mieszczanin)  u.  s.  w. 

Noch  eine  Bemerkung.  Die  zwei  besprochenen  Umlautsprozesse  (e  :  io, 
e  :  ia)  gehen  parallel  neben  einander,  ohne  in  einander  zu  greifen,  d.  h.  e  geht 
nicht  in  ia,  e  nicht  in  io  über,  ein  Zeichen,  dass  beide  e  einst  verschieden 
gelautet  haben  müssen.  Daher  sindUebergänge  in  die  andere  Sphäre  äusserst 
selten:  piosnka  für  das  ältere  piasnka,  vom  Verf  besprochen,  wspomionac, 


Trstenjak,  Slovenen  im  Somogy.  Koro.,  angez.  von  Jagic.  303 

pieczara,  kolaska,  welches  doch  wohl  den  Stamm  koles  hat,  und  obiotowac, 
welches  einmal  im  Ps.  flor.  vorkommt.  Nehring. 


Slovenci  v  somodski  zupaniji  na  Ogrskem.    Napisal  Anton  Trste- 
njak. V  Ljubljani  1905.  S«.  115. 

Nicht  um  alle  Bewohner  slovenischen  Volksstammes,  die  in  Südwest- 
ungarn wohnen,  handelt  es  sich  iu  diesem  kleinen  Büchlein,  das  als  Sonder- 
abdruck aus  dem  »Slovenski  Narod«  vor  kurzem  erschienen  ist,  sondern  nur 
um  die  versprengten  Reste  in  dem  Somogyer  Komitate.  Der  Verfasser  er- 
zählt theils  aus  Autopsie  (Reiseeindrücke),  theils  nach  gedruckten  Werken. 
Das  erste  Kapitel  ist  einem  Dorf  Tarany  (1 1/2  Stunden  Weges  von  Nagy  Atäd 
entfernt)  gewidmet,  dessen  rein  slovenische  Bevölkerung  nach  der  letzten 
Volkszählung  1597  Seelen  haben  soll.  Die  Einwohner  sprechen  fast  alle  auch 
magyarisch,  namentlich  die  schulpflichtige  Jugend  singt  nur  patriotische 
magyarische,  in  der  Schule  erlernte  Lieder.  Auch  die  Kirche  ist  durchwegs 
magyarisch,  mit  dem  Pfarrer  an  der  Spitze.  Der  Verfasser  vergass  zu  fragen, 
ob  die  Leute  auch  magyarisch  beichten  müssen.  Einst,  vor  mehr  als  fünfzig 
Jahren,  pflegten  die  kroatischen  Franciskaner  des  Warasdiner  Klosters 
hauptsächlich  in  der  Fasten-  und  Beichtezeit,  den  ungarischen  Pfarrern  jen- 
seits der  Mur  Aushilfe  zu  leisten.  Ob  noch  jetzt  diese  vernünftige  Toleranz 
geübt  wird,  weiss  ich  nicht.  Im  nächsten  Kapitel  wird  nur  ganz  flüchtig  von 
den  kroatischen  Dürfern  des  Somogyer  Komitates  berichtet.  Wichtiger  ist 
der  Inhalt  der  weiteren  drei  Kapitel,  der  von  der  einstigen  Verbreitung  des 
Protestantismus  bei  den  ungarischen,  jetzt  zumeist  magyarisirten  Slovenen 
handelt  und  namentlich  auch  über  den  bekannten  ugroslovenischen  Schrift- 
steller Stefan  Kuzmic  einige  Daten  gibt.  Zum  Schluss  werden  die  Erfolge 
der  energisch,  um  keinen  härteren  Ausdruck  anzuwenden,  betriebenen  Ma- 
gyarisation  in  diesen  von  vielen  Kroaten  und  Slovenen  bewohnten  Gegenden 
besprochen.  Dieses  Thema  beherrscht  überhaupt  das  ganze  Büchlein,  wogegen 
ethnographische  Schilderung  stark  zurücktritt,  die  Charakteristik  der  Sprache 
fehlt  leider  gänzlich.  Das  letzte  muss  man  sehr  bedauern.  Wir  wissen  über  die 
dialektologischen  Eigenthümlichkeiten  dieser  Slaven  so  wenig  !  Beachtens- 
werth  ist  nur  die  auf  S.  23  rhitgetheilte  Notiz,  dass  die  Bewohner  von  Tarany 
früher  tüdi  (also  ü  für  u)  sprachen,  jetzt  aber  rein  u  [tudi]  aussprechen.  Ist 
das  die  Beeinflussung  seitens  der  nicht  weit  abliegenden  Kroaten  ?       V.  J. 


Kleine   Mittheilungen. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  slavischen  Philologie. 

Briefe  Vuk  St.  Karagid  an  Ign.  AI.  Brliö  und  Andr.  T.  Brliö.   Mitgetheilt  von 
Prof.  ö.  Surmin  in  Zagreb. 

Herr  Dr.  V.  Brli6,  Advocat  in  Brod  a/S.  erlaubte  mir  gütigst,  diese 
Briefe  mitzutheilen,  und  ich  hoffe,  es  wird  sich  manches  in  diesem  brieflichen 
Verkehr  für  die  Entwicklung  der  slavischen  Philologie  finden. 

I. 

y  Eeqy  6/18  okt.  825. 
iby6e3Hii  u  MHoronoiuxoBaHH  npnjaxe.ijy! 

OjasHo  6h  BaM  oaroBopiio  Ha  hhcmo  Bame  oa  23.  pyJHa,  a.iu  caM  cne  o^ie- 
KHBao  Urtheil,  Kao  raio  cie  mh  nuca-ra,  Äa  hy  ra  ao  ocaM  aana  äoöhtu.  Ebo 
caji  CHHoh  npuMuo  u  »era.  3a  ose  saM  BejiuKa  *a.!ia !  Bp.10  cre  Äoöpo  yiUHH.ra, 
lUTO  Mu  Urtheil  y  opuruaajiy  Hnjecie  ca«  no  nomxu  nocjiajiu.  Ca  CeöacTiija- 
HOBüheM  rJteÄajxe  (F.  CKajiHua  u  sn)  KaKO  sac  Eor  y^u:  aKO  ne  anejrupa  oh, 
r.3eaajie  He  öiicxe  atx  ßapen  rJiaBHe  HOBiie  (x.  j.  57  ayKaxa)  HniqynaJii,  a  Haj- 
noc-iHJe  II  500  f.  W.W.  ysiviuie  (Eo.te  je  u  nixa,  ner'  Huraxa  —  Oa  sjia  ayacHHKa 
H  Koay  6e3  MJtuKa).  CaMO,  ano  ycHpaBUxe  Vergleich,  neMojxe  aa  Bac  npeBaj)H, 
aa  ra  HanoBO  genaxe,  Hero  oaMa  totobo  aa  ussaau  u  aa  n-iaxu.  Bp^io  he  aoCpo 
6hxh,  aKO  öyaexe  MorjiH  yjarMuxu  10  150  f.  oa  $epHha;  onaa  6hcmo  ra  Mor.JH 
663  uixexe  y  ancy  paHHXH,  aKO  He  njaxu.  SnaM  aa  F.  CKa.3HHa  caa  pacxe.  Oh 
je  jora  npoteioc  Kasao,  aa  he  CeöacxHJaHOBHhy  o6yhu  ryaaH  raoKaiKu,  a  Kanyx 
aa  he  My  npoaaxu. 

Kanre  Koa  ce.  Ane  ja  caM  y3eo  oaaia,  KaKO  caM  npmino  hhcmo,  ajiu 
HCMa  Ocjegana,  aa  BaM  jii  noraibeM.  CBaKii  apyru  aan  nnxaM  Koa  npECHora 
nnjexjra  3a  OcjeiaHe,  na  ao  caa  Heaia  HUKora.  Jy^e  mu  Kasanie,  aa  he  obo 
aana  HCKaKa  1^3T^)CKa  KOJia  no.Ta3HiH  y  Ocujck;  saio  caM  mojiuo  T.  TupKv,  aa 
niixa  one,  Koju  la  kqjiz.  onpeMajy,  h,  KaKo  mh  je  oh  Ka3ao,  mucjihm  sa  unjejio, 
aa  he  ce  Bame  KH>Hre  ose  He^e-f.e  onpaBHxa  xaMO.  H3  obc  Heay.i>e  oa  Kftuacäpa 
Koa  CB.  Ane  BHanhexe,  aa  caM  ja  22  Kp.  njiaxHO  mio  cy  KH>Hre  saMoiane,  a  ne- 
KOJHKe  cy  BaM  Kaare  u  Maibe  aaJin,  jcp  Kaacy  aa  cie  bu  p^Bo  pa^iyHajiu. 
Mjioro  caM  ce  Mopao  HHaxmu  c  H>HMa:  Hujecy  hejin  aa  BaM  ocxase  30  na  100, 


Kleine  Mittheilungen.  305 

roBopehu  aa  cy  saM  npuje  caMo  20  ocxaB.LaJii ;  saxo  cy  roBopH.iH,  aa  bem  na- 
lucM,  aKO  ue  hy  laKO  npuMiixu;  a  Kaa  caM  jum  ja  Kaaao,  aa  ucMa  BpeivieHa  aa 
nHcaibe,  OHaa  cy  ipaaui^iu  no  npoxoKyjiaMa,  u  jeasa  iiaijy,  aa  cy  bem  no  30 
0CTaB.i>a;iii !    3a  Te  HCKO^uKe  Kifaure,   iuto  cy  EaM  Maae  aa^H,   bh  mohcctc  ipa- 

5KHTH,    aKO   MHCJHTe,    aa  Cy   BaM    HCnpaBO    y^HHIUH. 

$aja  BaM  ua  npeaÖpojniiuHivia!  Hero  ce  qyaHM,  uito  mu  AaaM  $u;iiraoBHh 
iiHuiTa  HG  oaroBopu !  ^a  cc  ne  6yae  pacpauo,  luio  caM  My  Bpjio  cbojckh  nucao? 
To  6ii  MU  Bpjo  acao  6uäo. 

Konurap  joni  Huje  ynpaBO  iiauuHuo  oiiii  cjoBa,  nero  mh  je  caMO  noKasHBao 
KaKO  MUCvin  oa  npujiuKe;  iteroBo  6h  h>  6h;io  OBaKo  tj^  (n  u  j),  a  ^  Ij  (1  h  j);  i 
ou  MHCJH  aa  ce  ysMC  ynpaso  c^raBCHCKO,  a  h  h  ^  cpncKa,  a  lu  6h  ce  Mopa^o 
KaKO  Ha^HHHTU,  jep  Kaate,  aa  cjiaBeHCKO  ne  Ba^a,  a  ac  on  mhcjih  OBaKO  x. 
npoiuaBiue  je  roauHc  Hsnuiao  Lehrbuch  der  Windischen  Sprache,  von 
Peter  Dainko.  Grätz  bey  Johann  Andr.  Kienreich  1824;  a  oBe  je  roanne 
usHin.ia  MeTCbKOBa  (Metelko)  KpaacKa  rpaMaxHKa  y  ibyö.Laiiii  (Laibach). 
Te  o6je  Ba.-ba  aa  HapyiHxc  (jep  ju  osi^e  HCMa,  a  ja  6u  BaM  ju  nociao);  h  y 
jbHMa  uMa  HOBH  c^EOBa.  ÜHOMaaiie  mu  Kasa  Konuxap,  aa  je  ueKaKaB  EurJiea 
Bpjo  CKopo  Ha^uHuo  ij^  sa  HHaujauiie.  Dainko  UMa  ij^  u  ciaBCHCKO  i,  ajiH  je 
Mjecio  m  yseo  8 !  lo  ue  Ba.i>a.     EyaHie  sapaBU ! 

ByK. 

IL 

y  Ee^y  6/18  HojeMBp.  825. 
Ä>j6e3iiu  u  BHCOKonouuxajeMU   npujaxe.i>y! 

CuHoh  caM  npuMHO  Banie  ii>y6e3H0  nucMO  oa  8.  Cxy(a)eHa  (ujh  Cxyaifca?)  u  y 
ibeMy  40  f.  CM.  laKO  HCMaJTe  6pHre  HHKaKe.  Tlauac  hy  nhu  y  rpaa  k  cb.  Ahh 
sa  KftHre,  h  rjeaahy  aa  saM  u  no  npBOJ  npu.aHniu  onpaBUM  y  Ochjck  ua 
Tupuepa.  /Kao  mu  je  mxo  cy  BaM  le  npsauiibe  uenpaBO  y  Epoa  nociaxe;  ja 
caM  Toöoace  muciuo,  aa  ju  xaKO  aoöujexe  kojh  aau  npuje,  u  Kojy  Kpajuapy 
je<s>iHHHJe.  KaKO  6u  6ujo,  aa  mu  apyru  nyx  numexe,  aa  saM  KH.nre  OB^e 
aaM  BesaxH  (na  6u  ouaa  u  apMuuuja,  mhcium,  6uja  Mana)?  —  SaöaBHUKe 
caM  nocjiao  y  Ilenixy  JocH*y  MuJOByKy,  ue  suaM  jejiu  JH  BaMa  onpaBHO.  Ja 
hy  H  c  OBHM  niKOJCKUM  KH.nraMa  nociaxu  BaM  20  3a6aBHHKa  (oa  kojh  asa,  mo- 
.1HM,  noaajie  AaaMy  $HJHnoBuhy,  koju  mh  je  nucao,  u  nosapaBuxe  ra  .työesHo) ; 
na  aKO  6u  aoin.au  u  ohu  u3  IleniTe,  a  bu  rjieaajxe  aa  mu  jh  pacnpoaaxe  no 
2  f.  W.W.  (a  HU3ce  He).  HMa  h  KajieHaap  y  H>HMa.  üpoaahe  ce  u  no  2  f. 
CBH,  jep  caM  uauixaMnao  caMO  1000  enseMn^iapa,  a  iniaM  oko  700  npenyMe- 
paHxa !  —  Ebo  BaM  nia.T,eM  jeano  o6jaB.T>eHuje  o  »npoaojiaceHiio«  acuBOxa,  ue 
aa  ce  noxnumexe,  uero  caMO  aa  ra  Buauxe,  a  Kitury  ly  bu  MOHceie  6o.'be  lu- 
laxH  ua  acMaiKOM  jesuKy. 

Ca  OBUM  uiKOJCKHM  KiburaMa  noc^ahy  saM  ueKO-iuKO  or.ieaa  cb.  nucMa 
Ha  CpncKOM  jesuKy,  xe  r.ieaajxe  ne  6h  .lu  ju  icaKOMe  Capaj.iuju  npoaaJiu 
(6apeM  no  10  npajnapa  CM.),  aa  hoch  onaMO  sa  ^euy  —  a  u  sa  .i.yae. 

luxe  ce  xHie  CeöaciujaHOBuha  rjieaajxe  BU  xaMO  c  F.  ÜKajuuoM  Kano  sac 
Eor  yqu,  a  OB^e  hy  ce  ja  cxapaxu. 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXYII.  20 


306  Kleine  Mittheilungen. 

Elenchus  vocabulorum  Slavicorum  magyarici  usus  ja  caM  aoöno,  h  Bpjio 
je  Äo6pa  KBHra  (y  cbom  poay)  nero  je  ^einio  npehepaHo,  h.  n.  deak, 
Erdel,  paputs  &c.  — Ulxa  qHHHie  bh  c  rpaMaxHKOM ?  Ohe  jih  cKopo  6hth 
roTOEa?    Ja  6h  Bpjio  ace^iiio  ja  ce  OBl?e  mxaMna. 

IIo3/ipaBHTe  Mu  .iyöesHO  TT.  IIonoBuha,  Paaii^eBHha  nony,  KyMa  Mhj^' 
(h  CBHMa  juM  *a.?ia  aa  noajpaBy) ;  nosüpaBHie  mh  laKo^ep  ii  T.  Dr.  E.iac.ia  h 
CoHeHÖepra,  a  CaHaaKyca  KcMaarepa  u  ocia^e  CBe  nosnaanKe,  a  ocoöhto  Bame 
CBe  aoMahe.    KoiuiTapa  hy  BaM  aanac  nosapaBara. 

EyÄHie  sjpaBH  a  Bece.iH!    C  hcthbhm  BHCOKonoiHTaanjeM  ociajeM 
Bam  npajaie.'b 

ByK  Cie*.  Kapaaah. 

36H.i.a!  nosapaBaie  Ma  a  Aija-Cxjenaaa  CMa.BaHaha,  a  aa  T.  CKajiaay, 
10  ce  Bch  3aa.  — 


III. 

y  Beiy  9.  acK.  (no  Phmck.)  825. 

ibyßesHH  a  BacoKono^HxajeMH  npajaie.-by! 

MacJiBM  aa  exe  aaBHo  npaMHja  moj  oaroBop  na  iihcmo  Bame  oa  8ra  ciy- 
aena.  Kitare  caii  Bau  oaMa  Kynao,  a.ia  ao  OHOMaane  najecaM  Morao  yaecaxa 
npajHKe  aa  a  noni.iCM.  Caa  cy  oxBni.!ie  y  OcajcK  na  Tapaepa,  a  oh  Ba.ta  aa 
Beh  3Ha,  mia  he  aa.te  c  H>aMa  lanaxa.  Hs  obc  aeay.te,  ajH  Koaxe,  Baaaheie, 
Äa  caM  ja  1  f.  22  fr.  CM.  Mopao  aonjiaxHxa  3a  Kaare:  oaa  Kaacy,  aa  bh  Hajecie 
Äo6po  pagyaaJiH  (caa  Ba  paqyaaxe  aa  hobo);  a  aa  naKOBaibe  n;iaiBO  caM  36  xr.  C.M.; 
a  apMaaaje  2  f.  24  xr.  —  Veltls  Sprachlehre  acMa  ebko  y  Beiy  (aaxa  kg 
apyra,  ocbm  oaa  Koa  cb.  Ahhc,  Ciiaje  HMaia),  a  Koa  cb.  Ahhc  ce  mxaMna,  Kao 
raxo  cy  H  aa  kohxh  xoj  sanacaJiH.  —  Ca  obbm  KaaraMa  nocjao  caM  20  3a6aB- 
HHKa  a  20  orjieaa  cb.  nacMa  aa  CpncKOM  jesany;  3a6aBBHKe,  mcibm  noKopao, 
c  npHJioaceHaM  OB^e  hbcmom  noma.baxe  y  BaBKOBue  T.  npo*ecopy  Bece.aoM 
(caMO  H  saBBJie  Majio,  aa  ce  ae  acKBape);  a  orjieae  rjteaajie  aa  aaMeiaeTe 
KaKBM  CapajjHJaMa,  Kao  mio  caM  BaM  aacao.  Kaa  6a  exe  Morja  KaKBora  Ca- 
paj.!iBJy  aaroBopaxa,  aa  y3Me  Kojy  100  xaje  orjeaa,  MaKap  My  aajia  a  je*iB- 
Haje,  caMo  aena  a  aoca,  aa  ce  qaxajy  no  Bocaa  h  no  EpaeroBaaa.  Bh  exe 
Bame  SaöaBaaKe  Beh  mbcjibm  npaMB^ia,  jep  mb  Ma.iOByK  name,  aa  BaM  a  je 
nocjiao.  —  Illxa  qaaHxe  ca  Ce6aciBJaaoBaheM?  UosapaBBie  mh  r.  CKajHay,  a 
Bame  aoMamae,  a  a  ociajie  npajaxe.be  a  nosaaaHKe.  üoaapaB.-ba  Bac  .i>y6e3HO 
r.  Koanxap.  ^OK.ie  exe  aorn^a  y  aamoj  rpaMaxana?  Kaa  hexe  6axH  totobb"? 
HaBajBxe  mio  6pace.     C  bcxbebm  BBCOKono^aiaaBJeM 

jecaM  Bam  c-iyra 

ByK. 

Herrn  Ignatz  AI.  Berlich  in  Brood 

per  Ofen — Essegg.  in  Slavonien. 


Kleine  Mittheilungen.  307 

IV. 

y  Beqy  12/24  Jauyapa  826. 

ibyÖeaHU   u   MHoronouixoBaHu   npujaTCby! 

HajaM  ce  na.  exe  npHMH.3ii  Moje  nucMO  oä  9.  ÄeKCMBpuja  h  y  üeMy  Konry 
OÄ  mK0.3CKU  Kaura,  KOJe  exe  Mopaju  xaKoljep  oaaBHO  npHMHXH.  Ja  ca.M  npuMUO 
Baiue  HHCMO  OÄ  29.  CryÄCHa  (aa  Jiu  je  oöuiHHJe  cxysiba?  Nora.:  ciyaaifc, 
PycKH:   ciyÄCH))  h  y  fteiiy  20  f.  W.W.     Ebo  ca;[  uixo  caM  ja  sa  Bac  nJtaxuo: 

ÄonaaxHO  3a  npBe  KH>iire  —        22  Kp. 
apMuuuje         —         —  1  f.     33  — 

Äonjaxuo  3a  Äpyre  KibHre     1  —  22  — 
apMHUHJe  —        —        2  —  24  — 

lUTO  cy  aaBHJeHe        —  —  —  36  — 


6  f.    17  xr.  CM. 


TaKo  npexjeqe  Baiuu  HOBaiia  Koa  MeHC  1  f.  43  xr.  CM.  Joui  hy  k  obom 
ja  aojaxH  57  xr.,  xe  hy  saM  KynHiH  Taj'tuJHe  njecMe,  u  no  npBHM  Ocjeqa- 
HUMa  noc.iaxu.  IIIxo  exe  Haui.in  MJecio  17  20  saoaBHHKa,  lo  Ba.La  na.  caM  ja 
2  nocjiao  3a  A^aMa  $u.iHnoBiiha,  a  jeaau  Baiia  sa  cKyn-taibe  (aecexaK) ;  nero  sac 
MOJHM,  rjieÄajie  AaaMa  aa  HaMHpuxe,  jep  My  u  ja  caj  HeMaM  npcKO  Kora  apy- 
ror  Qocjaxu. 

JLo  roauHe,  aKO  Bor  aa  3ÄpaB.i>e,  rjieaahy,  aa  6yae  saöaBHHK  nyaujn  3a- 
6aBe.  ^uiuje  Be.tKOBO  CByaa  iHiajy  Hajpaauje,  ajiH  ^ckojh  (ocoöuto  KaJiy- 
l^epa)  Ha  Ka.ieHaap  Buiy  ao  3.3a  Bora,  mxo  caii  ^eKoje  CBCije  noMcxao  CpncKU, 
H.  np.  BoKiih,  CnacoBaaH  h.  t.  a. 

C.iaBOHCKHM  Ka./ieHaapuMa,  mxo  mh  3  oöpuyexe  nocjaxu,  pajyjeM  ce.  Oßbe 
HBKO  npHJe  Kasa,  aa  je  y  Byaujiy  3a  OBy  roanny  H3iimao  HeKaKaB  CjaBOHCKH 
3a6aBHHK  noa  hmchom  Eßpona!  He  sHaM  je  jh  io  HCXHHa?  TaKO^ep  caM 
qyo,  aa  ce  u  HSKaKa  CjiaBOHCKa  rpaMaxHKa  y  ByaHMy  inxaMna;  ho  hh  xo 
He  3HaM  saacia.  3a  Bauiy  rpaMaxHKy  joui  HHJecaM  Morao  pacnaxaxH,  nomxo  he 
oa  npu.3UKe  xaöaK  aohn  3a  500  KOMaja;  ajin  hy  jaMaino  rjieaaxu  aa  pacnuxa>r 
KOJiHKo  je  Moryhe  ( jep  söor  ohu  KojeKaKU  cjoBa,  Koja  he  ce  MopaxH  naHOBO  cjehn, 
He  MO/Ke  ce  ynpaBO  Hasuaiuxn).  HaBa.Juie  bu  caMO,  xe  CBpuiHxe  rpaMaxHKy,  a 
ociajio  he  cbc  öhih  jiacHo.  Ja  ca.M  qyo,  aa  ce  Ka^uhese  njecMC  y  ^yöpoBHiiKy 
HaHOBo  uiiaMnajy,  a.iH  aa  cy  OB^e  y  HCHsypu,  HHJecaM  Morao  aosHaiH  (npnje 
he  6hxh  y  3aapy);  a  3a  OcMaHuay  ^yo  caM,  aa  he  je  TpjecTancKu  yiaxe-t, 
Je*xa  üonoBHh  (poaoM  U3  CpujeMCKU  KapjiOBaua),  HamuMa  ciobume  aa  aaae 
niiaMnaxH. 

Ulxa  yquHHCxe  ca  CeöacxujaHOBuheM?  Ja  jeaHaKO  Koa  anejramije  pacnu- 
xyjeM,  naK  jom  neMa  Humxa,  a  u  bu  mucihm  aa  6h  mu  imca-iu,  aa  je  mxo 
nocjiaHO.  Ba.i>a  aa  cy  My  onex  npoayacu.iu  poK  3a  anejaijujy.  r.!ieaajxe  bu 
caMO  aa  Bac  xy  ne  npeBa2)u,  a  osaMO  Kaa  ao^e,  Moja  he  6nxu  6pura.  TjieaaJTe, 
He  maJHxe  ce,  aa  ce  xu  $epuheBH  hobhh  saapace.  üosapaBHxe  mu  .työesHO  T.  Cna- 
jiHHy,  H  r.ieaaJTe,  xe  paauxe  KaKO  Bac  Bor  yiu. 

no3apaBnxe  mh  npBO  CBe  Barne  aoMaiUH.e,  na  onaa  CBe  npujaie.bc  u  n03Ha- 

20* 


308  Kleine  Mittheilungen. 

HHKe !     Bac  nosapaB.ia  .iyöesHO  F.  Konmap.     Ako  ce  i)e   cacTaHeie  c  AaaMOM, 
no3ApaBHTe  ra  .ty6e3HO  oä 

Bauiera  noKopHor  cjyre  u 

npiijaTe.Tja  Byna. 
n.n.  Eto  BaM  lua.-LCM  jejHO  oßjaB.'beHHJe  o  Hochzeitlieder  der  Serben, 
Koje  he  ce,  mhcjium,  o  iiayheM  üeniTaHCKOM  Bamapy  jiohH  äoöhtu  (noKypja- 
^HJiH  MB  ynpaBO !).  Ba.i>a  na,  hcMO  CKopo  u  lIIa*<i>apiiKOBy  HcTopujy  jesuKa  ir 
JlmepaType  CBujy  CiaBeHCKn  Hapo;ia  äoöuth;  HajiaM  ce,  aa  he  to  öhxu  suaTHa 
KH>Hra. 

V. 

y  Ee^y  29.  Janyap  (no  Hain.)  826. 
.l>y6e3HU  npujaTe.-by ! 

Hauia  cy  ce  nucMa  onei  MHMOiinua.  IIo  nucMy  BameMy  oä  26.  CjeiH.a 
iua.i>eM  BaM  Statuten  von  allgemeiner  Versorgungs-Anstalt  &c.,  sa  Koje  caM 
naaTHO  24  xr.  CM.  —  Weltgeschichte  von  Schneller,  ano  noje*THHo  ysecuM 
Koa  KaKBa  aiiiuKBapa,  Kynnhy  Baw ;  .Iuuäob  ETHMOJioriiKOH  xeiuKO  he  ce  äoöhtu 
OB^e.  —  KoÄ  ^(iBanoBuha  6iio  caM  ABanyx  (jom  noaaBHo),  aum  ce  ayro  HHJecMO 
MorjiH  pasroBapaiH,  jep  caai  ra  o6a  nyia  Hamao  y  hpkbh  ^e  qnxa  pHmhaHHMa 
II  pHinhaHHiiaMa  MCiHXBe  u  pasaaje  6.3arocjiOBe.  Omhii  hy  My  joni  jeaan  nyx, 
u  onex  hy  ra  nosapaBuiu  oa  sac. 

Ja  MHC-iHM  aa  je  oh  jom  (u  Mopahe  ocxaxii)  npaBii  lüoKaii.  —  Ha  npe- 
^aiuftera  niiCMa  Mora  Bul)eheie,  na,  mc  hh  MaJio  HHJecxe  yBpHJeaiiJu  c  jiniii.'be- 
H>eM  BaniHM  ii  onhancKUM  o  iiojoj  Jl&uunu;  ajiu  onex  ja  ne  ap5KHM,  aa  je  y 
cy^eay  o  KauraMa  vox  populi  vox  Dei.  Ty  rocnoaapii  sapaBH  pasyii  ti 
HCTHHa,  KOJH,  «aHac  HJiii  cjyipa,  Mopajy  noÖHJeÄiixii.  HMa  KH>nra,  KOJe 
je  Hapoa  y  no^exKy  y  SBajes^e  KOBao,  a  nocjiHJe  cy  cbh  npn3Hajrii,  aa  je 
HiiuiTa;  a  iiMa  ii,  Ha  Koje  je  Hapoa  iis  no^eiKa  BUKao,  a  nocjiuje  cy  u  npnsHa.iu 
sa  HajaparoujeHHJe  cxBapu.  Ja  nnuiyhu  HHKaa  He  mucjium  Ha  aanaiUHje  iHxa- 
ie.i>e  OA  npocxoxe,  nero  Ha  KpuxiiKy  ii  na  hoxomcxbo.  —  IIo  npBOJ 
npHJiHmi  nocjiahy  saM  FpaMony  rpaMaxuKy,  a  u  Ta.a*UHe  njecMe  (aKO  h  Mor- 
6yaeM  äoöhxh).  3a  CKa-aiiqiiHe  ciBapa  Hapy^HO  caM  jeanoMe  koä  anejianuje,  u 
^HHHhy  ÄparoBO-tHO,  nixo  je  ro^  Moryhe.  FjieaaJTe  h  bu  laMO  ca  CeöaciiijaHO- 
BiiheM  KaKO  Bac  Eor  yqu.  —  IIosapaBnxe  cbc. 

ByK  Cxe*.  Kap. 

Im  Briefumschlag: 
njecMe  Ha  ILeMa'jKo:\i  jesiiKy  u  FpxiMOBy  rpaMaxuKy  nocJiahy  BaM  ca 
SaöaBHHHHMa,  jep  cy  Baiue  niKo^iCKe  KH>ure  cnpeM-iene.  IIjecMe  npeBda  Khii 
Cxa(xc)paxa  von  Jacob,  also  Talvj  snaqu  Teresia  a  h  i  h  xo  Ba.ta  aa  cy  ne- 
KaKa  ftCHa  UMcna,  vj  je  jaMaqno  von  Jacob.  Ona  ce  poiiiJia  y  Pycitjii,  u 
xaKO  nopea  PycKora  .lacno  je  Mor.ia  CpncKU  HayiuiH.  36ii.La !  ina**apuK, 
npo*ecop  y  HoBocaacKOJ  ruMHasHJii,  H3Äao  je  oöjaB.teHHJe  o  aeroBOJ  Ilcxopiiju 
-iHiepaxype  CBujy  c.iiaBeHCKii  Hapje^HJa.  Iliijena  äo  ÄeKCMBpHJa  1  f. 
30  xr.  CM.  a  nocjuje  he  6iixu  2  f.  30  xr.  ja  6u  BaM  jejHO  DöjaB-iennje  nocjiao. 


Kleine  Mittheilungen.  309 

a.m  MU  je  /Kao  ja  n-iaruxc  14  Kp.  BUiue.     IIo3Äi>aBUTe  iT.y6c3HO  Baiue  ÄOMahe  h 
CBe  npHJaTe.T.e.     Konuiap  Bac  nosapaB^a  jbyöesHO.  — 

Herrn  Ignatz  AI.  Berlich  in  Brood 

per  Ofen — Essegg.  in  Slavonien. 

VI. 

y  Eeqy  12/24  *e6pyapa  826. 

IIpeÄparu  npHJaTe.Ly! 

^aaac  15  jana,  KaKo  caM  saM  nociao  Statuten  von  allgemeiner  Ver- 
sorgungs-Anstalt, H  HaaaM  ce,  «a  cie  jh  hphmhjih;  caMo  ne  snaM,  je.;iii  iuto 
noMorao  Kreutzband,  jep  ^yjcM,  «a  ce  0Bi)e  cjiaöo  Ha  to  naau  (a  y  TepMaHujir 

je    Bp.JO    OÖUIHO). 

Jyqe  caM  npuMuo  oä  CeöacTHJaHOBiiha  obo  hhcmo  Ha  KOJe  My  ja  HHuiTa 
HHJecaM  oüroBopao,  huth  hy  My  niia  OÄroBapaTU,  Hero  nucMO  obo  ma.LeM  BaMa 
u  r.  CK&JiuuTi,  Äa  sHaxe,  luia  mhmu  Ce6acTHJaH0BHh.  KaacuTe  T.  CKajiHUH,  Hena 
My  Kaace  (aKO  je  nyacHO) ,  aa  ce  oa  Mene  oaroBopy  ne  Haaa.  Ja  hc  hy  aa  snaM 
3a  Kpa'^yHOBHha ;  Hero  bh  (F.  CKajtHua  h  bii)  HaBa.iiuTe,  HSKa  npoiiec  aae  cbo- 
JHM  nyiCM,  aa  6u  ce  uito  npuje  CBpinuo.  Ako  6u  CeöacxHJaHOBHh  (nao  mio 
cie  MH  BH  Her^e  npuje  nuca^u)  noMOJiuo  uapeM  500  f.  W.  W.,  CKajiuua  UMa 
B.iaci  Ha^UHuiu  Vergleich;  a  ano  CeöaciHJaHOBHha  Mpsu  xo  noMeayxH  CKaAuuu, 
a  BH  rjieaaJTe,  xe  oxBopHxe  laj  nocao  npeno  KaKBora  CeöacxujaHOBuheBa  npHJa- 
xe.La;  caMO  r.!ieaajxe  ao6po,  aa  Bac  CeöacxujaHOBuh  ne  npcBapu,  nero  aa  nojo>KH 
roiOBO  (ja  MUCJHM  aa  6h  xo  öhjio  Hajöe/be  u  sa  Mene  h  3a  CeöacTHJaHOBuha) ; 
aKO  -lu  CcoacTHJaHOBHh  hc  6yae  heo  Hainnum  xaKOBora  Vergleicha,  a  bh  sa- 
Ba.iuxe,  aa  ce  cspum  no  cyay  h  no  npaBUUH,  na  hcMO  ra  aaxBopuxH  (nya 
je  oxHui^ao  jyne,  hck  uae  h  J'^kc],  a  ja  sa  uuje.io  muc;ihm,  aa  he  u  y  KpuMU- 
Ha.T  aohH. 

Ja  ce  ocjiaibaM  na  Bac  u  na  T.  CKa.iuuy,  aa  hexe  bu  xo  cBpmuxu,  KaKo 
ce  6yae  Haj6o.i>e  MorJio.  Hs  nacMa  OBora  BHan  ce,  aa  je  CeÖacxHJaHOBHh  yme- 
npx.LHO,  na  6h  heo  c  hobom  npajesapoM  aa  ce  noMorne.  Caa  Ba.i>a  HaBajHxn. 
Moace  6hih,  aa  ce  oh  6ojh  anejtauHJe  (a  HMa  u  npaBO  mio  je  ce  6ojh).  —  3a 
nociOBe  r.  CKa^mne  Koa  anejiaHHJe  roBopuo  caM  c  jeanuM,  Kao  niio  caM  BaM  u 
npnje  nncao,  a.iu  joui  HujecaM  Humia  Morao  pasaöpaxu,  ocoohio  söor  pl)aBa 
EpeMCHa,  Koje  mu,  HMa  10  aana,  ne  aa  y  rpaa  oxnhu;  nero  öyanxe  ■j^jepeHH,  h 
BH  H  OH,  aa  hy  c  naJBehoM  paaocxH  rjieaaxH,  miorol)  6yae  Moryhe  oa  Moje 
cxpane.  —  Ha  Koa  ''IcBanoBuha  3a  one  KftHre  jom  HHJecaM  6ho.  —  IIo3apaB.-ba- 
jyhu  .T>y6e3HO,  KaKO  sac  h  Bauie  aoMamae,  xaKO  h  T.  ÖKajiuHy,  ociajeM  c 
uciHHHM  noiuxanujeM  Baui  noKopHH  cjiyra  ByK.  — 

VII. 

y  Eeiy  13/25  AnpHJtuja  826. 

üpeaparu  u  MHoronomxoBaHU  npHJaie.i.y! 

IIpuMUo   caM  Bauie  .i,y6e3HO  hhcmo  oa  6.  OBor  MJecena   (xpaEfta),   laKo^ep 
c' 
H  OHO  Taapa  CKa.iHHe  oa   8.  Mapxa.     Ja  caM  joui   npuje   oBora  nncMa  Bauiera 


310  Kleine  Mittheilungen. 

OB^e  6no  Ä03Hao,  «a  je  CeöacTHJaHOBHh  peKypirpao  Ha  ane^iauHJy,  a  mhcjum  aa 
je  oaaBae  seh  OTiiniJio  Ha  TaMoniKH  MarHCTpai,  aa  ce  jaBii,  no  oöH^ajy,  KaKO 
Ta  CTBap  CTOJH.  CeöacTHJaHOBHh  Mopa  jaram  u  pacxesaxu  kojihko  je  Moryhe, 
ajtH  he  CBeiay  tomc  ÄohH  Kpaj ;  caMo  F.  CKajHuy  mojihm,  «a  My  ce  ne  Äocaaa, 
na  fla  naM  ce  nocjiHJe  cbcth  h  noacMHJCBa  CeöacxujaHOBHh;  nero  HeKa  ce  apacH, 
u  HaBajiHTe,  kojihko  je  Moryhe  «a  6h  ce  Jurotulirung — Tagsatzung  jpacao, 
caMO  Äa  ce  je^iaH  nyi  Ha  anejranujy  onpaBH.  r.iejajxe  n  bu,  mo.thm  Bac,  le 
noMaacHie  T.  CKa^HUu  y  ^oiy  öy^e  nyacHO  u  Moryhe. 

Bpjo  MH  je  5Kao  Illxainipajöepa  KpaHHa,  aJH  ce  onex  paayjeM  mxo  je  ly 
r.  EpKHh  Äouiao.  KaÄ  ce  ibeuy  caMO  Äonaja  aioj  npaBonnc,  sa  jesHK  heMO 
JiacHo:  MH  hcMO  aera  yBJepHxn,  «a  je  y  BHAaKOBHheBUM  (Kao  ii  y  ocxajiHJe, 
KOJH  onaKO  nHiuy)  KanraMa  HHKaKaB  jcshk;  a  h  mh  heivio  npu3Haxu  aeiviy, 
aa  je  H  y  ^eKOJHM  luoKaqKHM  KiburaMa  jesHK  Harp^eH  ao  sja  Bora. 
MojHM  Bac,  nosapaBHie  mh  .työeano  F.  BpKuha;  Ba.-ba  aa  je  npHMuo  oaasHO  Moj 
oaroBop  Ha  nncMO  aeroBO  oa  10.  *c6pyapuja. 

C  '"leBanoBHheM  caM  ce  ao6po  nosnao,  h  Bp;ro  mc  paao  npuMa;  MO»ce  6hxu 
aa  hy  ra  h  cjyipa  pano  nooauxu.  nocbeaan  nyi  Kaa  caM  6ho  Koa  aera,  aao 
MH  je  4  Ka^reaaapa  nauiera  AaaMa  $ujunoBuha,  oa  kojh  caM  jeaan  aao  ^Ly- 
öHöpaxnhy  (KonHiapy),  apyrn  PyMHJy,  xpehu  noaiao  ^oöpoBCKOMC,  a  leiBpin 
yciaBHO  3a  ceöe.  Ako  ^e  suauxe  AaaMa,  noaapaßuxe  mh  ra  .lyöesHO,  h  *ajia 
My  Ha  KaJieHaapHMa  I  Moace  6uxh,  aa  iiy  u  ja  ueuixo  nanucaTH  o  aeroBoj  pe- 
uensHJH  0  nioKuiy,  na  hy  My  nociam,  (aKO  6yae  heo)  HCKa  mcxhc  y  Ka.ienaap 
3a  roaHHy  1827. 

Ba-ta  aa  Bch  uMaie  ina**apuKOBy  Hciopujy  CjiaBencKora  je3HKa  h  .ime- 
paiype?  KaKO  BaM  ce  aonaaa?  Ja  My  ocoöuxo  ÖJiaroaapHM,  mxo  h  CjaBonne 
H  JajMaiHHne  h  PsahaHe  (nauie,  a  ho  KcKaBue)  ysHMa  (no  npasau)  Me^y 
Cp6e,  Kao  h  BouiHiaKe  u  IIpHoropue. 

nixa  ^HHUxe  BU  c  BamoM  FpaMaiuKOM  ?  Kaa  MucjiHie,  aa  he  ce  no^eiH 
mraMnaiu?  ileae  HaBajiHie  aa  6yae  uixo  öpace,  jep  6h  h  ja  paa  aa  nnmeM  sa 
Cp6e  joui  jeany  (nosehy)  FpaMaxHKy,  na  saxo  acejiHM,  aa  sama  Hajnpnje  u3H^e, 
aa  yBMCM  Bani  CuHiaKcuc,  aa  ce  ysa^iya  ne  MyquM  oko  aera  (?). 

Ja  hy  (aKO  Bor  aa  3apaB.-be)  Hajaa.i>e  ao  aeceiaK  aaaa  nohH  oaaBae  y 
IXemxy,  3äio  auo  mh  mxo  ycnuuiexe,  usBOJuie  nucMO  onpasuxH  Hä  Mu^iOByKa 
(mit  Briefen  des  Herrn  Jos.  Milovuk  in  Pesth);  lo  ucxo,  mojium,  KaacHxe  u 
F.  BpKHhy.  Ako  mh  noiu.i.eie  Kano  nucaMue  na  F.  Ha^a,  6uhe  mh  Bp.xo  mh.io, 
jep  hy  caa  jaMaiHo  rjieaaxu,  aa  ce  c  ann  nosnaM. 

üosapaBUxe  mh  .'by6e3HO  F.  GKajiuny.  3a  no.aaHiHha  npouec  pasyMHJo 
caM,  aa  je  (e)xtrairat,  ajiH  ne  3HaM,  Kaa  he  ce  pe*epHpäTH,  jep  cy  anejaHHOHC- 
Räthe  roiOBo  cbh  6ojrecHu,  a  Ko3eji  je  (Kao  mxo  exe,  mhcjihm,  qyjiu)  nocxao 
Hofrath.  ^hhu  mh  ce  aa  ce  OB^e  ciaöo  rjeaa  Ha  Apelations-Beschwerde  u 
Ha  Apelations-Einrede,  Hero  na  npohec  (Acta  &c.),  na  onaa  Ha  cyaujuH 
Urtheil  u  na  Beweggründe.  Saxo  bh  aKO  ycnnniexe  Einrede,  r.ieaajxe  aa 
6yae  mxo  je  Moryhe  Kpahc;  jep  Kaa  ce  Kojemia  naxpna,  Kao  mxo  oöu^ho 
qHHH  CeöacxujaHOBuh,  onaaj  ce  c.ia6o  h  ^uia.  — 

F.  KonHiap  h  anpcKxop  Joa.1  no3apaB.i>ajy  sac  .i)y6e3H0.  Oa  mchc,  mojhm, 
nosapaBHie  Barne  aoMamae,  anpCKTopa  Bjiacja,  F.  IIonoBHha  ca  CBHMa  aoMahuM, 


Kleine  Mittheilungen.  311 

Hauiera  nony,   aoKxopa  CoHCHÖepra,   T.  PaÄii^cBiiha,  A5H-CMH.i>aHHha  h  ocia^e 
cse  nosHaHDKe  h  npHJaxe.ie. 

Bam 

noKopHH  Myra  h  npHJaxe.T, 

ByK  Cie*.  KapauHh. 


VIII. 

y  ByaHMy  19/31  Mauja  826, 

jty6e3HH   II   MHoronoiuTOBaHn  npHJaTe.i>y! 

^aHac  caM  npiiMHO  oj  T.  CKajiHue  nucMo  same  oa  26.  OBor  MJecena.    Bpjo 
BaM  ÖJiaroÄapHM  na  nucMy  Ha  T.  Ha^a.     Obo  Äana  otuKh   hy  aa  ra  noTpaacHM. 

—  ÜByaa  je  OHOMaüHe  npoiuao  laMO  naiu  aoöpn  Fpra  HcBanoBHh.  Ako  saM  xy 
ao^e,  MOJUM,  Äa  Me  ibOMy  u  yciMeHO  npenopyiHxe.  y  Eeiy  mc  cbojckh  no- 
lacxHO  y  CBOMe  HaaiacxHi^y.  —  ^Ccjihm  aa  Baia  ÄHapHJa  6yae  2chb  h  aapaB  h 
cpehaH  a  geciHi;  h  aa  cboj'hm  poaHie.i.UMa  6yae  Ha  paaocx  h  na  SHKy,  Kao  h 
BH  Bamuiia  mxo  exe.  —  F.ieaajxe  FpaMaiHKy  aa  CBpniHie  mio  öpace.  Moace 
6hih  aa  6h  cie  ETHMo.-ioruKOH  bh  sacaa  uovjia  h  HaociaBHiH?  — 

0  CeöaciujaHOBHhy  npunoBHJeaao  T.  CKa.iuHa   cujia..     FjeaaJTe   h  y    Ha- 
npeaaK,  iio.ium  Bac,  u  HaBaJiuxe,  mxo  je  Moryhe,  aa  6h  ce  jeaaH  nyi  CBpmnjo. 

—  F.ieaajxe,  mojhm  Bac,  aa  mh  no  obom  oöjaB.LCHHJy  Hat)exe  Kora  npeaöpoj- 
HHKa.  —  nosapaBHxe  mh  jtyÖesHO  F.  EpKiiha,  a  h  AaaMa,  aKO  ra  ^e  Bnanie ; 
xaKO  H  ocxajie  npHJaie.te  h  nosHaHHKc,  a  ocoÖhto  Bame  aoMamae.  —  3a  qyao 
MH  je,  KaKO  ina**apHKOBe  Hcxopuje  HHJecie  joni  npHMu.in!  Ba.i>a  aa  he  BaM 
je  caa  nooziaiu.  —  Bam  npujaxe.t  u  no^Hiaici, 

ByK  Cie*.  KapauHh. 


IX. 

y  ByaHMy  26.  aBr.  (no  namaMy)  1826. 
Ilpeaparu  n   MHoronomxoBaHH   npnjaxe.by! 

Exo  BaM  ma.BeM  4  o6jaB.T>eHHJa  o  momc  3a6aBHHKy  3a  roa.  1827.  Uo 
jeano,  M0.IHM,  noma.T>Hie  y  ITo/Kery  n  y  FpaaumKy  (a.iH  KaKUM  nosnaEHnuMa, 
KOJH  he  ce  noxpyaHiH  aa  6u  HamjH  Kora  npeHyMepama;.  HaaaM  ce,  aa  hexe 
MH  BH  xy  CKynnxu  npeuyMepaHia  6apeM  kojuko  u  JiaHH.  0  nayheMy  UemiaH- 
CKOM  Bamapy  npenopyquie  KaKOMe  sameM  EpoJjaHHHy,  neKa  ce  npnjaEH  Mujo- 
ByKy  3a  KH>Hre.  IIo3apaB.i)ajyhH  KaKo  Bac  u  Bame  aoMamae  laKo  h  F.  CKajiHuy 
H  ociajie  iipHJaxe.i.e  h  no3HaHHKe,  ociajeM 

Bam  noKopHH  cjyra 

ByK  Cxe*.  Kapaijah. 

Hern  Ignatz  AI.  Berlich  in  Brood 

per  Efsegg. 


312  Kleine  Mittheilungen. 

X.  

y  Beqy  15/27  okt.  826. 
ilayöesHU  H  MHoronoiuTOBaHH   npnjaTe.i>y! 

Ebo  aie  caa  onei  y  Beqy.  Ca«  ano  Baai  Tpeöa  mKOJiCKH  Kaiira,  sah  iuto 
apyro,  H3Eo;iHTe  mh  nncam.  He  cyMH>aM,  aa  cie  npuMu^iH  Moje  nucMO  ms  Ey- 
auivia  c  oöjaB.tenujaMa  o  3a6aBHUKy  aa  roÄHHy  1827.  Ako  ctg  mh  CKynujiH 
IUTO  npcHyMepaHxa,  ii3B0.aHTe  ii  hobuc  h  iiMeHa  nocaam  OB^e  MeHu,  jep  ce 
OB^e  KH>Hra  iniaMna. 

Iliicao  caM  BaM  H3  EyÄUMa,  aa  ce  y  ^yöpoBHHKy  lUTanna  roHayjHheB 
OcMaH,  Kojera  npsa  KH>Hra  (6uhe  CBera  ipu  KüHre)  qyjcM  aa  je  Bch 
muuiJia,;  y  EyAnny  ce  nan  luiaMna  hctu  OciviaH  h  c  nauiHM  ciOBiiMa  (HBjaji' 
ra  TpjeciaHCKH  yqHTe.t,  Je*Ta  üonoBHh);  ayöpoBa^KOMe  je  «Hjena  4  f.  a  Ey- 
ÄHMCKOMe  3  f.  C.  M. 

JejiH  BaMa  nosHaia  PsaxcKa  (e)noneja  noÄ  umchom  Capene,  Kojy  je  nacao 
HnK0.aa  (?)  3  p  H  H>  H  ? 

Ona  je  npajc  200  roauna  luxaMnaHa  y  BeHeiiHJH,  h  jesaH  eK3eMn.iap  Hwa 
HCKH  MujaTOßuh  H3  3arpe6a,  Kojii  je  caa  oa  PujcKe  ($iijyMe)  y  Hotrjbj  Ha 
ÄHJeTii.     H  lIIa**apiiK  cnoMHH>e  Majio  ly  CupcHy. 

HaBajiHTe  Bh  c  FpaMaiiiKOM  saraoM  iuto  öpace. 

Obo  aaua  rjieaähy  aa  paaöepcM  Koa  ane^ai^uje,  niTa  ce  paau  c  nauiuM 
npouecoM. 

IIosapaBiiTe  MU  .-byöesHO  r.  CKa.iuuy,  h  ocTajie  nosHauHKe  u  npHJaTe.te. 
Bac  .iiyöeäHo  uosapaB.ta  T.  KonuTap;  a  ja  ocoöuro  nosapaB.tajyhz  u  sac  n  sauiy 
Focny  c  ucthhum  BucoKonoiuTauujeM  jecaM      Baui       noKopHU  ciyra 

ByK  Ctc*.  Kapauuh. 

NB.  IIucMa  MU  y  nanpeaaK  HaxnHcyjie :  auf  der  Landstraße  N^o  291  im 
Hofe  rückwärts  im  1.  Stock. 

XI. 

MHoronouiTOBauu   Focnoauue! 
IIpuMHO  caM  KaiaHiuheBO  cbgto  hucmo  y  6  Kibura,   KOJe  ctc  mh  nocjia.3u 
y  uapyi,  u  BCJiuKa  BaM  xsajia  3a  to.    Kaa  mh  BHuie  ue  ycTpeÖa,  Bpamhy  BaM 
ra  ca  3axBa.Momhy,  a  aoTjie  ucKa  BaM  obo  HenoAUKO  pujequ  6yay  CBJeaoqaHCTBO, 
aa  cy  noMGHyTe  KibHre  y  Meue, 

y  Eeiy  2/14  aeKCMspa  846.  ByK  Cie*.  Kapayuh. 

BucoKoyqeHOM  rocnoaHHy 

Ah ap uj u  EpüHhy    y  IlasMaHOBHHU. 

XII. 

y  Beqy  4/16  JyjiHJa  1860. 
MuoronouiTOBaHU  rocnoauue   u   npHJaTe.i)y! 

Eto  BaM  uia.icM  66  Mojujex  HOBUjex  KftUJKima:  60  sa  Baute  npeuyMe- 
pauTe,  a  6  oÖhihh  aeceiaK.     XBa.;ia  BaM  ua  .i>y6aBH  h  ua  ipyay. 

Ja  ce  MUCJHM  OBaje  öaBHTU  joui  aBHJe  ueaje.te  aaua.    Kaa  öucie   mh  sa 


Kleine  Mittheilungen.  313 

xo  BpHJCMc  Mor.TU  HOCJiaTU  aMO  (y  Moj  cxapu  KBapTup  Landstrasse  N°  517.) 
uoBue  3a  le  Kiburc,  yiiiHu^iu  öHcxe  mh  bcjhky  .työaB;  aKO  ;iu  to  ucöyae  mo- 
ryhc,  a  Bu  ux  noma.mTe  y  ScMyH  Bacu.iujy  BacuJHJCBiihy  (Basilius  Wasilije- 
vits  in  Semliu). 

yiunuju  ÖHCTC  Mu  .i.yöaB  KaA  öuctc  mu  jaBUJiu  mio  oä  Eociie,  ocoöiito 
iiiia  ce  qyjo  sa  one  EomibaKc  iuto  cy  npo.beioc  113  CpöHJe  npeöjcrju  npeno 
/IpHHe  y  BocHy:  aa  PHCiy  Jcjuha  qyjo  ce  Äa  cy  ra  Typuii  >KiiBa  yBaTn;iii, 
a.iu  lUTu  ÄU  jo  ÖHito  ozn  Phctc  JoBH^Hha  kojh  je  oko  J^yp^cBa  Äue  ca  ueKO 
7 — 8  apyra  npeöjerao  npcKO  ^piine  UH2te  JIoaeHime?  Ako  ce  obo  niicMO  c 
KH>iiraMa  He  sasomm,  mojihm  Bac  Äa  öucie  mu  OÄroBopii;iu  na  ifa  aMO,  aKO  äü 
ce  aaÄOiiHH,  a  Bu  mu  numre  y  Euorpaa.     Baui      ÄOJaKouiiLU  npujaie.L 

ByK  Cie*.  Kapayuh. 


Spolari — Spolarich. 

Ich  erinnere  mich  aus  meiner  Jugend  des  Familiennamens  Spolaric  in 
«Sveti  Ivan  na  Zelini«,  Damals  lebte  ein  Arzt  dieses  Namens  dort,  von  dem 
man  allerlei  lustige  Geschichten  erzählte,  z.  B.  wie  er  am  Pulsschlag  eines 
Patienten  erkannte,  dass  er  nur  —  betrunken  sei.  Er  hatte  aber  den  Puls 
seiner  eigenen  Hand  betastet.  Nach  vielen  Jahren,  es  war  in  Petersburg,  im 
gastlichen  Hause  des  Fürsten  Vjazemskij,  während  einer  üblichen  Freitags- 
versammlung, kam  mir  das  Buch  »CurriculumPhilosophiae  Peripatheticae  etc. 
Autore  R.  P.  Melchiore  Cornaeo«  (Herlipoli  Anno  1657)  in  die  Hände,  auf 
dessen  innerem  Umschlag  ich  eine  Notiz  fand,  die  mir  den  oben  erwähnten 
Spolaric  in  Erinnerung  brachte.    Ich  theile  sie  hier  mit: 

Ego  Franciscus  Spolari  natus  sum  anno  1639  mense  novembri  tribus  cir- 
citer  diebus  ante  festum  S.  Martini  episc.  et  confessoris. 

Quando  igitur  fui  annorum  11,  tunc  incepi  studere  apud  S^ura  Joannem 
in  Zelina  meaque  ibidem  studia  inchoavi  in  anno  dmni  1650  in  initio  mensis 
Agsti.  Deinde  in  anno  dni  1652  recte  ante  festum  S.  Georgii  veni  Varaadi- 
num,  ibi  factus  sum  maior  parvista  sub  Rndo  Magistro  Magiaradi. 

Man  ersieht  ans  dieser  unscheinbaren  Notiz,  dass  der  spätere  Familien- 
name Spolaric  einmal  (um  die  Mitte  des  XVII.  Jahrh.)  noch  die  fremde  Form 
Spolari  führte.  Nachher  war  die  Slavisirung  durchgeführt,  das  sieht  man  aus 
einer  späteren  Eintragung  in  demselben  Buch.  Ein  Besitzer  desselben  näm- 
lich, vielleicht  ans  dem  XVIII.  Jahrh.,  trug  seinen  Namen  so  ein: 

Fratris  Michaelis  Spolarich  Ordinis  Sancti  Pauli  primi  Eremitae  Pro- 
fessoris. 

Was  für  eine  Schule  in  Sveti  Ivan  im  J.  1650  vorhanden  war,  lässt  sich 
schwer  sagen,  jedenfalls  nur  irgend  eine  Elementarschule.  Denn  der  Unter- 
richt dauerte,  wie  man  sieht,  nur  zwei  Jahre.  Gleich  darauf  kam  der  junge 
Mann  nach  Warasdin,  olfenbar  in  die  dortige  lateinische  Schule,  vielleicht 
bei  den  Paulanern.   Sein  Lehrer  seheint  ein  Ungar  gewesen  zu  sein.     V.  J. 


314  Kleine  Mittheilungen. 

Zier  Etymologie  von  »pre^ustvou. 

Schon  Kopitar  hat  über  dieses,  wie  es  scheint,  nur  dem  Slovenischen 
eigenthümliche  Wort  nachgedacht,  woher  es  wohl  kommen  mag.  In  seinem 
Schreiben  an  Dobrowsky  vom  7.  IV.  1809  heisst  es  nämlich:  »Woher  wohl 
unser  preshustvati,  ehebrechen?  Die  neueren  Bibelübersetzer  haben  es  von 
shesti  (sextus)  abgeleitet  und  schreiben  preshestvati:  aber  das  wäre  ein  ku- 
rioses 6tes  Geboth  auf  dem  Berge  Sinai:  6tens  du  sollst  nicht  übersechsten: 
Trüber  schreibt  preshushtvati,  preshushnik,  preshustnik«.  (Siehe  Briefwechsel 
zwischen  Dobrowsky  und  Kopitar,  S.  56).  —  Ich  glaube  nicht,  dass  die  Ab- 
leitung von  shesti  die  Schreibweise  preshestvati  veranlasst  hätte,  bin  vielmehr 
der  Ansicht,  dass  die  angeführte  Schreibweise  nur  die  spätere,  jedoch  von 
shesti  (sextus)  durchaus  nicht  beeinflusste  Aussprache  wiedergibt,  —  wenn 
es  auch  vielleicht  richtig  sein  mag,  dass  die  Ableitung  von  shesti  (6tus)  allen- 
falls bei  der  Katechese  der  Kinder,  wo  man  sich  in  die  eigentliche  Erklärung 
dieses  Gebotes  begreiflicher  Weise  nicht  recht  einlassen  kann,  also  etwa  in 
usum  delphini  ganz  willkommen  gewesen  sein  dürfte.  Der  Grund  aber,  dass 
das  ursprüngliche  preshi^stvo  mit  der  Zeit  zu  preshestvo  wurde,  ist  annehm- 
barer Weise  in  der  eminent  starken  Betonung  der  Vorsilbe  und  die  dadurch 
hervorgerufene  Enttonung  der  Stammsilbe  zu  suchen.  In  Folge  der  Tonver- 
Bchiebung  ist  der  volle  Vocal  der  Stammsilbe  zum  Halbvocal  eingeschrumpft, 
während  das  einfache  shustvo,  das  Trüber  noch  ganz  wohl  kennt,  wenn  es  sich 
erhalten  hätte,  wohl  kaum  zu  shestvo  hätte  werden  können. 

Dobrowsky  wusste  auf  die  obige  Frage  Kopitars  momentan  —  wie  es 
scheint  —  keiue  Antwort;  aber  auch  die,  die  er  ihm  diesbezüglich  nach 
21  Monaten  zukommen  Hess,  konnte  diesen  bei  der  (fast  möchte  ich  sagen) 
cynisch-burlesken  Auffassung  des  Wortes  wohl  kaum  befriedigen.  Dobrowsky 
schrieb  nämlich  am  2.  I.  1811  an  Kopitar:  »Ihr  preshustvati  ist  wohl  von 
ssaustati,  alt  ssustati,  wetzen  reiben  —  also  ein  niedriger  metaphorischer 
Ausdruck  für  subo,  subare.  Die  figürlichen  Ausdrücke  sind  gewöhnlich  nicht 
am  leichtesten  zu  erklären«.  (Briefwechsel,  S.  63).  —  Einen  lediglich  auf  das 
Slovenische  sich  beschränkenden  Ausdruck  aus  einem  xar  iSo^v*'  cechischen 
»soustati«  abzuleiten,  das  erregt  schon  an  sich  einiges  Bedenken  abgesehen 
von  der  gar  zu  derb- sinnlichen  Auffassung,  die  da  zu  Grunde  gelegt  wird. 
Kopitar  konnte  sich  mit  dieser  Naturwüchsigkeit  in  der  erwähnten  Etymologie 
Dobrowsky's  sicherlich  nicht  abfinden,  doch  er  schwieg  und  Hess  es  auf  sich 
beruhen. 

Nun  kommt  Miklosich  in  der  vergleichenden  Grammatik  (II,  178)  mit 
seiner  Ableitung  von  ched  (resp.  sid),  die  Form  presestvo  zu  Grunde  legend 
und  fasst  das  Wort  als  transgressio.  Zu  dieser  Etymologie  mag  ihn  wohl, 
was  die  formale  Seite  betrifft,  das  altslovenische  LUkCTBHI€  noQeia  und 
lUkCTKOKaTH  odevBiy  verleitet  haben,  in  semasiologischer  Hinsicht  aber 
dürfte  die  bekannte  geläufige,  aber  deswegen  noch  nicht  richtige  Deutung 
des  lateinischen  adulter  (quod  ad  alteram  se  confert)  für  ihn  entscheidend  ge- 
wesen sein,  vielleicht  auch  das  russische  pacnyxcTBO  (Liederlichkeit,  Unzucht). 
Es  soll  noch  hervorgehoben  werden,  dass  sich  Miklosich  die  Ableitung  nicht 


Kleine  Mittheilungen.  315 

mit  dem  Suffix  -Bstvo  vollzogen  denkt,  sondern  mit  -tvo,  wobei  er  die  noth- 
wendige  Dissimilation  des  Dentals  d  vor  t  zu  s  annimmt.  Diese  Erklärung  von 
presestvo  wiederholt  Miklosich  auch  noch  in  seinem  etymologischen  Wörter- 
buche auf  S.  80,  obschon  sich  mittlerweile  P.  Skrabec  auf  den  bescheidenen 
Umschlagblättern  seines  »Cvetje  z  vertov  sv.  Franciska«  (111,4;  ganz  ent- 
schieden dagegen  hatte  vernehmen  lassen.  Die  Ausführungen  des  P.  Skrabec 
verdienen,  insofern  sie  die  Ableitung  von  der  Wurzel  sid  zurückweisen  und 
das  w  in  der  Stammsilbe  von  preswstvo  mit  Berufung  auf  Trüber,  Dalmatin 
und  Gutsmann  in  Schutz  nehmen,  die  vollste  Anerkennung,  denn  die  Ab- 
schwächung  des  presustvo  zu  presestvo  ist  leicht  erklärbar,  der  Wandel  von 
presestvo  zu  presustvo  wäre  es  jedoch  nicht.  Die  ausschliessliche  Verthei- 
digung  von  presustvo  dem  presustvo  gegenüber  und  die  Annahme  einer  Wurzel 
sus  kann  jedoch  nicht  auf  gleiche  Anerkennung  Anspruch  erheben.  Wenn 
ferner  Skrabec  sagt,  er  wisse  nicht,  woher  Miklosich  die  Form  »sustvo«  habe, 
denn  ihm  sei  nur  das  Wort  »zustvo«  (Wucher  vom  mhd.  gesouch  =  usura,  Zins 
od.  Nutzen  von  geliehenem  Gelde)  bekannt,  welches  nach  seiner  Vermuthung 
des  Reimes  wegen  mit  »presustvo«  verbunden  in  Trubers  metrischer  Aus- 
legung des  Dekalogs  sich  finde:  so  ist  dieser  seiner  Aeusserung  folgende  Er- 
wägung entgegenzuhalten.  Es  ist  zwar  richtig,  dass  in  Trubers  »Ta  celi  cate- 
hismus  eni  pfalmi«  &c.  sowohl  in  der  Ausgabe  von  1584,  als  auch  in  der  von 
1595  in  der  "ten  Strophe  der  brevis  ac  dilucida  decalogi  explanatio  zu  lesen 
steht:  «Prefhufhtva  sAuf  htva  varuj  fe  |  sa  tiga  volo  Svejt  vus  Potupil  fe  |  lubi 
Sakon,  Vduftvu  inu  Divizhtvu«  &c.,  —  allein  dieses  »shufhtvo«  ist  wohl  nicht 
zustvo  (Wucher),  sondern  sustvo  (Unzucht).  Trabers  ausführliche  Erklärung 
der  zehn  Gebote  ist  nämlich  so  eingerichtet,  dass  nach  der  Einleitungsstrophe 
in  jeder  einzelnen  der  darauf  folgenden  Strophen  ein  Gebot  vorgeführt  wird, 
und  demnach  behandelt  die  Tte  Strophe  ausschliesslich  nur  das  6te  Gebot,  der 
Wucher  aber  verstösst  nicht  gegen  das  6te,  sondern  gegen  das  7 te  Gebot, 
welches  bei  Trüber  in  der  8ten  Strophe  erörtert  wird,  wo  es  heisst:  »Nekradi, 
shuhaj,  nenorri,  |  dobitak  tiga  della  vus  ti  sgory,  |  tuj  Kruh  dobivaj  vfem 
Ludem  pres  f  hkode,  |  Od  shegna  delanja  tvojga,  |  vbosim  resdeli  ga«.  (Ver- 
gleiche die  entsprechende  Fassung  bei  Luther:  »Du  solt  nicht  stelen  Gelt  noch 
gut  I  nicht  wuchern  jemandts  Schweiss  vnnd  Blut«  &c.).  Es  ist  zwar  sehr 
naheliegend,  neben  zuhati  (fenerari)  auch  ein  zustvo  (feneratio)  anzunehmen, 
doch  in  der  angeführten  Zusammenstellung  mit  presustvo  ist  es  nicht  richtig, 
»sAufhtvoaals  feneratio  aufzufassen,  sondern  wir  müssen  dem  Trüber  hierin 
einen  orthographischen  Fehler,  d.  h.  eine  Verwechslung  des  tönenden  und  des 
tonlosen  palatalen  Zischlautes  imputieren  und  shufhtvo  als  sustvo,  nicht  als 
zustvo  lesen.  Solche  Verwechslungen  kommen  bei  der  bekannten  Mangel- 
haftigkeit der  Truberschen  Orthographie  häufig  vor,  ja  sie  sind  beinahe  Regel. 
Krell  war  zwar  bemüht,  eine  strengere  Unterscheidung  von /und  s,  von/A 
und  sh  einzuhalten,  doch  Trubers  orthographischer  Wahnkurs  behauptete  sich 
noch.  Das  parallele  Auftreten  von  sustvo  (Hurerei)  neben  seinem  Compositum 
presustvo  (Ehebruch)  kann  aber  noch  durch  andere  Belegstellen  bei  Trüber 
nachgewiesen  werden,  in  denen  die  angeführte  Bedeutung  von  sustvo  durch 
die  entsprechende  Übersetzung  klar  hervortritt.  Im  Jahre  1562  erschien  neben 


316  Kleine  MittheiluDgen. 

Truber's  »Articuli  oli  deili  te  prave  ftare  vere  kerszhanfke«  auch  die  von 
Stephan  Consul  und  Anton  ab  Alexandro  besorgte  kroatische  Übersetzung 
des  genannten  Werkes  und  zwar  in  zwei  Auflagen ,  in  glagolitischer  und  cy- 
rillischer Schrift.  Diese  Übersetzung  bietet  an  mehreren  Stellen  für  Truber's 
»Curbarya  inu  Preshuftuu«  die  Version  «blud  i  preljubodejstvo«,  und  ganz 
die  gleiche  Version  geben  die  Übersetzer  an  einer  Stelle  für  Truber's  »Shu- 
shtuu  inu  Preshushtuu«,  woraus  ganz  klar  der  Schluss  resultirt,  dass  »sustvo« 
gleichbedeutend  ist  mit  »kurbarija«,  resp.  mit  »blud«  (ka;^^!^).  Die  be- 
treffende Stelle  ist  im  Schlussabsatze  des  Artikels  »Od  zakona  ili  zenitve  po- 
pov«  auf  der  ersten  Seite  des  SO.  Blattes  zu  lesen  und  lautet:  »Obtu  to  Gofpo- 
fzhino  viffoku  opominaio,  de  tako  Nezhiftoft,  Shushtuu,  Preshushtuu  ne  dopufte 
poiti  naprei,  Temuzh  de  Smezhom,  fto  Jezho  inu  pregauenem  shtrafaio  inu 
fubper  ftoye«,  und  in  der  kroatischen  Uebersetzung':  »Zato  gospodu  telesnu 
modno  opominaju  da  takovoj  necistosti,  bludu,  preljuhodejstcu  nedadu  naprid 
poiti  ni  rasti ,  neg  da  s  mecem,  z  vuzu  s  tamnicami  i  prognanjami  kastigaju  i 
suproti  stojen.  —  In  Trubers  Catechismus  vom  Jahre  1567  auf  S.  17  lautet  das 
6te  Gebot:  >'Ne  Preshußuai  inu  ne  Shußuaiu  mit  der  deutschen  Uebersetzung: 
»^icht  Ehebreche  vnd  nicht  Unkeusche».  (Archiv  XXIV,  S.  165)  und  im  »Cate- 
hismus  3  dueima  islagama«  vom  Jahre  1575  auf  S.  26  wieder:  »Ta  shefta,  Ti 
ne  imash  Preshuhtuati  inu  shushtuati«.  Noch  eine  Belegstelle  findet  sich  auf 
S.  470  des  letztgenannten  Catehismus  mit  folgendem  Wortlaut:  »Inu  poteh- 
mal  ta  hudizh  ie  vfi  Boshy  praui  Ordningi  inu  poftaui  fourash,  fufeb  timu 
Sakonu,  Vdushtuu  inu  Diuizhtuu,  fatu  on  te  ftauuue  zhel'tu  na  nezhiftoft, 

vshushtuu  inu  PreJ'ushtuu  obrazhuie  inu  naklane«  &c. 

Aus  den  hier  angeführten  Stellen  Truber's  geht  klar  und  deutlich  hervor, 
dass  presustvo  als  Steigerung  von  sustvo  aufgefasst  werden  muss,  und  dass 
das  pre-  des  Compositums  nicht  bloss  die  fast  rein  locale  Auffassung  von  trans- 
gressio  (Uebertretung  im  Sinne  der  Phrase  »über  das  Büglein  treten«,  sloven. 
crez  ojnice  atopati  =  dem  Ehegemahl  untreu  werden)  markiren  soll,  sondern 
dass  es  ein  Uebertreffen  des  einfachen  sustvo,  also  ein  eminentes  sustvo 
ausdrückt.  Wir  haben  es  mit  der  gleichen  Function  des  Präfixes  pre-  zu  thun, 
wie  etwa  in  den  aus  dem  Volksliede  bekannten  Compositis  »joj  prejoj «  (wehe 
überwehe),  »cud'  precud'«  (wunder  überwunder),  wie  in  der  Zusammenstellung 
»lek  in  prelek«  (medicamentum  efficacissimum,  bei  Micaglia230  lik  priki),  wie 
in  »prelep«  (wunderschön),  »precista  devica«  (die  reinste  Jungfrau)  u.  s.  w.  — 
Es  verhält  sich  also  presustvo  zu  sustvo  gerade  so,  wie  AWKO^'traHHie 
noQyela  zu  np'kAK»K0;i,'6iaHHI€  /hoixeUc  Eine  analoge  Steigerung  dieses 
Begriffes  lässt  sich  auch  im  Deutschen  nachweisen.  Ich  erinnere  nur  an  die  bei 
Schmeller  I,  11 5S  sub  voce  Huer  angeführten  Citate:  »Fornicatio  huer,  adul- 
terium  uherhuer,  incestus  sipphuer,  stuprum  magdehuer«  —  und  weiter:  »der 
adulter  wird  der  uberhuor,  die  adultera  die  uberhuor'm  genannt«.  Ich  erinnere 
ferner  an  Matthiae  Coleri  decisiones  Germaniae  in  lucem  editae  a  Jacobo 
Schultes  Elbingensi,  Lipsiae  1603,  wo  wir  auf  S.  529  den  Satz  finden:  »Das 
heisst  man  Oberhurerei/,  wann  sich  ein  ehelicher  Mann  zu  einer  Ehefrawen 
legt«.  Desgleichen  will  ich  noch  Fiied.  Jul.  Rottmann,  Rituale  nupturientium 
S.  395  citiren :  »Wenn  ein  Ehemann  mit  eines  andern  Eheweibe  sich  fleisch- 


Kleine  Mittheilungen.  317 

lieh  vermischet  und  Unzucht  treibet,  ist  die  größeste  schlimmste  und  böseste 
Art  des  Ehebruches,  dahero  es  auch  insgemein  ein  doppelter  Ehebruch  oder 
nach  dem  Sachsen-Rechte  Ober -Hurerei/  genennet  wird«.  —  Dieses  Steige- 
rungsverhältniss  hat  übrigens  auch  schon  Miklosich  in  der  vergleichenden 
Grammatik  II,  59  hervorgehoben,  wo  er  sagt:  »Ijuby  verhält  sich  zu  preljuby 
wie  ahd.  huorä  zu  überhuorä«;  sonderbar,  dass  er  dabei  trotzdem  die  Ana- 
logie mit  sustvo  und  presustvo  nicht  wahrgenommen,  denn  sonst  müsste  er 
gleichzeitig  ja  auch  die  Unhaltbarkeit  seiner  Etymologie  eingesehen  haben. 

Nachdem  nun  aus  den  bisherigen  Darlegungen  das  Steigerungscompo- 
situm  presustvo  klar  geworden  ist,  erübrigt  uns  nur  noch  das  einfache  sustvo 
richtig  zu  etyraologisiren.  In  Anbetracht  dessen,  dass  sich  das  Wort  pre- 
sustvo auf  das  Slovenische  zu  beschränken  scheint  und  in  anderen  slavischen 
Sprachen  nicht  vertreten  ist,  wird  man  versucht,  an  Entlehnung  aus  einer 
fremden  Sprache  zu  denken.  Diese  Vermuthung  hat  schon  P.  Skrabec  in 
seinem  Cvetje  (X,  1)  ausgesprochen;  er  gibt  jedoch  selbst  zu,  dass  sich  seine 
dort  gemachte  Annahme  nicht  beweisen  lässt.  Auch  ich  habe  anfänglich 
unter  dem  Eindrucke  der  Form  shuf  htvo  (als  iustvo  gelesen)  an  fremden  Ur- 
sprung gedacht.  Und  da  ist  denn  das  Wort  Sucht  (krankhafte  Begierde, 
leidenschaftlicher  Trieb)  mit  seinen  Compositis  Buhlsucht,  Mannssucht, 
Weibersucht,  Eifersucht,  Löffelsucht,  Vogelsucht  gar  so  verführerisch.  Der 
deutsche  Uebersetzer  des  Trostspiegels  von  Petrarca  (De  remediis  utriusque 
fortunae)  gebraucht  in  derUebersetzung  des  Kapitels  ,De  gratis  amoribus'  au 
zahlreichen  Stellen  regelmässig  den  Ausdruck  Sucht;  er  übersetzt  amor, 
delectabilis  morbus  mit  «Liebe,  sanfte  Sucht«  und  delectatio  mor- 
bum  alit,  sanus  enim  fieri  respuit,  quem  delectat  aegrotare 
mit  folgender  Wendung:  »der  Lust  aber  zu  der  Sucht  ist  der  Sucht  Mästung« 
und  weiter:  »Liebe  ist  gar  ein  schendtliche  Sucht  —  die  Sucht  hat  kein  Ver- 
nunfft  —  solche  Sucht  kann  niemand  heilen  dann  die  Zeit  —  etliche  setzen 
unter  dieser  Sucht  ein  Artznei  die  Ersättigung  des  Wohllusts«  &c.  —  Und 
bei  sustvo  mit  s  im  Anlaut  drängte  sich  mit  Hinsicht  auf  Truber's  »susterna« 
für  Zisterne  der  Gedanke  an  Zucht  (in  Unzucht,  Nothzucht  &c.)  vor.  Allein 
da  gab  es  wieder  allerlei  Bedenken  und  Schwierigkeiten,  die  sich  nicht  ein- 
fach beseitigen  Hessen.  Das  einfache  Fremdwort  »zuht«  oder  »suht«  kann 
nicht  belegt  werden,  und  doch  wäre  es  eigentlich  für  die  weitere  Zusammen- 
setzung mit  dem  Suffix  -tstvo  unerlässlich.  £s  muss  aber  hier  das  Suffix  -hstvo 
(nicht  -tvo!)  angenommen  tverden,  wie  uns  die  Ausdrücke  ljubodejstvo(ljubodin- 
stvoHabd.),  lotrstvo,  kurbarstvo,  hotimstvo  (concubinatus),  hotinstvo  (pellica- 
tus),  priljubodivstvo  (=  puteni  grieh  s  tujom  zenom,  Divkovid),  ferner  vdov- 
stvo  (viduitasj,  devistvo  (virginitas)  u.  s.  w.  beweisen.  —  Ferner  Hesse  sich 
aus  einem  angenommenen  Fremdwort  »suht«  bei  der  Erweiterung  mit  -hstvo 
nur  die  Form  sustvo  erklären,  nicht  aber  auch  sustvo,  welches,  wenn  auch 
jene  Form  häufiger  vorkommen  mag,  dennoch  so  gut  belegt  ist,  dass  man  es 
nicht  übersehen  darf.  (Vgl.  Truber's  Ta  celi  novi  teftament  v.  J.  1582  S.  17  : 
»kateri  fe  lozhi  od  fuie  shene  [famuzh  fa  volo  Curbarie]  ta  fturi,  de  ie  ona 
ena  preshus/ifniza,  inu  kateri  eno  odlozheno  porozhi,  ta  ifti  preshu/i^uje«.) 
Wir  sind  also  auch  aus  phonetischen  Gründen  gezwungen,  uns  nach  einem 


318  Kleine  Mittheilungen. 

andern  Stamm  umzusehen,  aus  dem  sich  mittelst  des  Suffixes  -tstvo  die  Form 
sustvo  (mit  s]  ableiten  Hesse,  —  die  Form  sustvo  wollen  wir  erst  dann  zu  er- 
klären versuchen.  Den  Nominalstamm,  aus  dem  mit  der  Ableitung'ssilbe  BStvo 
unser  »sustvo«  gewonnen  werden  kann,  finden  wir  aber  in  UJOyT^K,  nugator, 
Lapp,Cver!iebfer]  Narr.  Aus  sut  wird  sustvo  mitAusfoll  des  t  vor  s  ebenso  ge- 
wonnen, wie  aus  gospod  gospostvo,  aus  bogat  bogastvo.  Vgl.  das  neusloven. 
«bistvo«  (die  Wesenheit)  mit  dem  asi.  KTüTkCTKO  fr7T«o^<5- substantia)  und 
das  serb.  npoKjecTBo  (Fluch)  neben  npoK.iexcTBo.  Nach  den  Ausführungen  im 
Archiv  XXIV,  226  bezeichnen  die  mit  dem  Suffix  -Bstvo  gebildeten  Substan- 
tiva  einen  Zustand,  also  ist  sustvo  der  Zustand  eines  löffelnden  Buhlnarren  oder 
einer  mannstoUen  Th'örin  und  buhlsüchtigen  Närriti.  Um  die  semasiologische 
Verwandtschaft  der  Begriffe  Buhle  und  Narr  [Thor,  Läpp]  darzuthun,  will 
ich  einige  Bibelstellen  und  sonstige  Citate  anführen.  Im  IX.  Kapitel  des 
Ecclesiasticus  lesen  wir:  »Ne  fedi  per  eniga  drusiga  sheni  inu  fe  shno  ne 
obiemli  inu  ne  goftui  fe  shnio,  de  fe  tuoie  ferze  k  nei  ne  naklony  inu  tuio 
pamet  neijrenori .  .  .  .  leipe  shene  fo  mnogiteriga  obnorile«  fschüne  Weiber 
haben  manchen  bethürt),  «vinu  inu  shene  prenorio  te  modre«  (Wein  und  Wei- 
ber bethören  die  Weisen).  Auf  alte  Weibernarren  und  verliebte  Närrinnen  ist 
das  Sprichwort  gemünzt:  »Kdor  mlad  ne  nori,  pa  star  znori«  (Wer  in  der  Ju- 
gend nicht  thvrt,  wird  oft  mit  greisem  Haupt  ein  Thor\  Damit  zu  vergleichen 
der  Ausspruch  im  Jesus  Sirah  [XXV.  Kap.' :  »Tri  rizhy  is  ferza  fourashim 
inu  mi  ie  flu  shal  na  nih  diaine:  Kadar  ie  ta  vbogi  Offerten,  ta  bogati  rad 
lashe,  inu  kadar  ie  en  ftar  Norez  preshushnik«.  —  Ich  erinnere  an  Ausdrücke, 
wie:  »toll  verliebt,  liebetoll,  liebebethürt,  mit  Mädchen  thören  und  tändeln, 
närrelen  =  tändelnd  lieben,  Sinnentand  und  Liebesgetändel,  Lüffelei  =  Ka- 
ressieren,  Löffeler  =  Mädchenjäger,  löffeln  =  sich  tändelnd  und  läppisch 
(wie  ein  Läpp  oder  Laffe)  benehmen,  Närrin  =  Geliebte,  Bube  (opp.  Ehe- 
mann) ist  ein  eitler  Geck  und  wankelmüthiger  Windheutier  (Garcio  vel  bofo, 
bub,  est  vir  inutilis,  qui  sequitur  vayiitates)«  u. s.w.  Erwähnenswerth  ist  auch 
der  wortspielende  lateinische  Ausspruch:  »omnis  amans  est  ametis  [in  quo, 
respectu  obiecti  amati,  non  ratio  sed  appetitus  sensitivus  et  affectus  in  amo- 
rem  proni,  captivä  ratione,  inordinate  dominantur]«  und  die  Epitheta  des 
Amor:  »stu/tus,  pravus,  insanus«.  »Wan  lieb  macht  läppen,  des  tregt  meniger 
ein  jiarrenAappen".  —  Den  schönsten  Beleg  für  die  aufgestellte  Etymologie  fin- 
den wir  aber  in  einem  bei  Miklosich  im  Lexicon  palaeoslov.  S.  1138  sub  voce 
lUOYTKAHK'k  angeführten,  dem  russisch-slovenischen  Homiliarium  Izma- 
ragd  entnommenen  Citate,  worin  die  nugae  amatoriae  berührt  werden ;  es 
lautet:  HH  HrpaHTf  HrpOW,  AWKHMH,  UJ  K»T  A  H  BO  W  CTv  MWJKHMH 
H^fHaMH,  HH  CT».  K0\'Mail1H,  HH  CK  /ÄTpCKMH,  HH  CHOyaMH  HH  HAA- 

UJHTf  CK  HHMH. Eine  Stelle  im  Buche  Genesis  (XXVI,  8}  erzählt,  dass 

Abimeleh  das  wahre  Verhältniss  des  Isaak  zu  Rebekka,  die  dieser  für  seine 
Schwester  ausgegeben  hatte,  an  dem  Scherzen  und  Schäkern  der  beiden  er- 
kannte, als  er  ihnen  durch's  Fenster  zuschaute  (loci  amatorii).  —  Error  ist 
der  Liebeswahn  als  Gegensatz  des  concessus  amor,  und  personificirt  als  !'Vr/; 
(Verblendung,  Verstandesverwirrung,  Urheberin  aller  thörichten  Handlungen) 
erscheint  er  bei  Ovid  (Am.  I,  1,  35)  mit  Blanditiae  und  Furor  vereint  im  Ge- 


Kleine  Mittheilungen.  319 

folge  des  Amor.  Dieser  »error«  ist  unser  »blud«  (ka;I\^V,'K)  und  »blazn« 
(BAdSHTi)  Wahnwitz,  insania,  und  bei  Micaglia:  »mahnitost  od  gljubavi 
(patja  d'amore)  rabies  amoris«  =  ludost,  ludovanje,  mamenost.  In  diese 
Sphäre  gehören  auch  einige  Personennamen,  die  häufig  als  Zunamen  begeg- 
nen, z.  B.  Blaznik,  Blodnik,  Grobnik,  Praznik,  Susnik  (Susnik),  Suc  u.  s.  w. 
Grobnik  von  rp;!^^!^^!!!  (stultus,  ineptus);  Praznik  von  npaBA^^HTi  (otio- 
sus),  eigentlich  der  Müssiggänger  und  dann  fornicator,  moechus,  denn  der 
Miissiggang  ist  aller  Laster  Anfang,  des  Teufels  Ruhebank,  heckt  tausend 
Rasereien  aus,  er  ist  nach  Logau  auch  ein  Agent  der  Venus;  —  Susnik  scheint 
aus  Susnik  (sustvtnik)  durch  eine  Art  Metathesis  der  Sibilation  entstanden 
zu  sein,  so  wie  die  bei  P.  Marcus  in  seinem  «Tu  malu  besedishe«  verzeich- 
neten Formen:  i)resushtne,  a,  u,  ehebrecherisch,  presushtnek  Ehebrecher 
und  presushtujem  (presushtuvam)  ehebrechen;  Suc  ist  aus  suttc,  wie  Muc 
aus  mutBC,  Buc  aus  buttc,  Trenc  aus  Trenttc  u.  s.  w.  —  Die  bei  Pletersnik 
(II,  639)  aufgenommenen  Formen  »sljuta«  (tändelnde  Person)  und  »sljutav« 
(tändelnd'  sind  auch  wahrscheinlich  aus  »sutlja«  und  »sutljav«  entstanden. 

Nachdem  uns  die  Entstehung  von  «sustvo«  aus  «sut«  (Narr)  begreiflich 
geworden,  wollen  wir  aus  dem  Compositum  »preäustvo«  die  weiteren  Ablei- 
tungen zu  entwickeln  versuchen,  die  nominalen  (presusttn  ehebrecherisch, 
presustnik  adulter  und  presustnica  adultera)  und  die  verbale  presustvovati 
(moechari).  Aus  presustvo  wird  mit  dem  Suffix  tui.  das  Adjectiv  presustvtn 
gewonnen,  welches  sich  zu  presusttn  verkürzt,  analog  wie  rojsten  (Geburts-) 
aus  rojstven  oder  velicasten  (majestätisch]  neben  velicastven  —  und  auf  die- 
ses Adjectiv  gründen  sich  weiter  die  erwähnten  zwei  Substantiva  presustnik 
und  presustnica  (*presustvi.nik,  *presustvi.nica).  Andererseits  ergibt  pre- 
sustvo (Erznarrheit)  mit  dem  Suffix  -ova  den  Infinitivstamm  presustvova- ; 
doch  das  presustvovati  (bis  terque  stultum  esse,  ein  Erznarr  sein)  wird  natür- 
licherweise bald  zu  presustovati  und  weiter  zu  presustvati.  Dass  dieses 
unter  der  Wirkung  des  auf  dem  Präfix  ruhenden  Tones,  wie  oben  eingangs 
erwähnt  wurde,  sich  leicht  zu  presustvati  gestalten  konnte,  ist  auch  nicht 
schwer  zu  begreifen.  Ja  der  Vokal  der  Stammsilbe  zum  Halbvokal  abge- 
schwächt ist  später  sogar  ganz  geschwunden,  die  beiden  Zischlaute  vereinig- 
ten sich,  und  das  Wort  erschien  um  eine  Silbe  reducirt.  So  lesen  wir  in  Joh. 
Nep.  Edling's  »Isvlezhik  tiga  velikiga  Catehisma«  aus  dem  Jahre  1779  auf 
Seite  67  zweimal  die  Form  »prifhtvo«,  d.  i.  prestvo  für  presT.stvo  —  (:  »V  na- 
zhiftoft  all  prifhtvu  sapejle  nefpodobnoft  v'  gvantnofte  ali  gvantanju«  [Zur 
Unkeuschheit  verleitet  Frechheit  in  der  Kleidung]:].  Auf  Seite  54  des  gegen 
Ende  des  XVIII.  Jahrh.  in  Graz  s.  a.  in  mehreren  Auflagen  erschienenen  »Ta 
veliki  Katechismus  s  prashanjam  inu  s  odgovoram«  (per  Johannefi  Kaiferi 
Bukuvefarji]  lautet  das  6tp  Gebot:  »Ti  nimafh  preßvati  ali  Nezhiftofti  fto- 
riti«  (sie!).  —  Diese  Kürzung  des  presustvo  zu  prestvo  hat  ihre  Parallele  in 
der  Kürzung  der  Form  »odresitvo«  bei  Trüber  und  Dalmatin,  welche  bei 
Joannes  Baptista  a  Santa  Cruce  im  Sacrum  promptuarium  als  »odrestvo« 
erscheint.  —  Was  schliesslich  die  Form  sustvo  neben  sustvo  anbelangt,  so  ist 
zweifaches  möglich,  entweder  hat  der  Zischlaut  der  ersten  Silbe  assimilirend 
auf  die  zweite  Silbe  eingewirkt,  analog  der  rückwirkenden  Angleichung  in 


320  Kleine  Mittheilungen. 

cvicek  neben  evicek,  zvizgati  neben  zvizgati  &c.  oder  es  ist,  wie  dem  sustvo 
sut,  so  dem  sustvo  suc  oder  suttc  zu  Grunde  zu  legen.  Vgl.  vdovstvo  (Wit- 
wenstand) von  vdova,  aber  vdovstvo  (*vdovcBStvo)  (bei  Trüber  Cateh.  470 
»vdushtuu«)  und  vdovistvo  von  vdovec  oder  vdovica.  — 

Das  eine  glaube  ich  bis  zur  Evidenz  nachgewiesen  zu  haben,  dass  das 
Etymon  dieser  ganzen  Wortsippe  in  lilOYT'K  (Narr)  zu  suchen  sei. 

Laib  ach,  im  September  1904.  L.  Fintar. 


Nachtrag  zum  Aufsatz  »Eine  altrussische  Schrift«  (S.  168 — 172). 

Da  Prof.  V.  Gardthausen  in  seiner  oben  gedruckten  Abhandlung  »Eine 
altrussische  Schrift«  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Kerbhölzer  und  auf  die 
darauf  eingeritzten  Zeichen  gelenkt  hat,  wird  es  nicht  ohne  Interesse  sein, 
die  Literatur  darüber  anzuführen  und  auf  die  Werke  hinzuweisen,  die  mit 
den  Abbildungen  versehen  sind. 

Vor  allem  kommt  hier  in  Betracht  die  von  AI.  Petrow  in  der  polnischen 
ethnographischen  Zeitschrift  »Wisla«  angestellte  Umfrage  über  die  Bilder- 
schrift, deren  Resultate  in  jedem  Bande,  vom  2.  au  bis  zum  15.  in  der  Ab- 
theilung »Poszukiwania«  veröffentlicht  worden  sind.  Hier  ist  auch  nicht  nur 
die  betreffende  polnische  Literatur,  sondern  auch  die  anderer  Slaven  heran- 
gezogen (z.  B.  L.  Krzywicki  in  »Biblioteka  Warszawska«,  1892.  X.  S.  91,  97 ; 
über  die  Bulgaren  VIL  S.  172  u.  s.  w.). 

Besonders  aber  wichtig  sind  die  folgenden  Stellen,  wo  ganze,  interes- 
sante Abbildungen  gegeben  werden:  Ignacy  Matuszewski:  V.  S.  918 — 921; 
A.  P.  und  Dowojna  Sylwestrowicz :  VL  S.  672—675;  ferner  V.  431 ;  XL  351 ; 
XIII.  680.  Zahlreiche  Proben  der  Bilderschrift  sind  auch  bei  L.  Malinowski 
»Obraz  pisma  obrazowego«  (Materyaly  antrop.-arch.  i  etnogr.,  XI.  S.  351)  zu 
finden.  Ueber  die  serbischen  Kerbhölzer  erwähnt  M.  J.  Milidevic  in  »^eeot 
Cp6a  ce.T>aKa«  (Äpyro  npepal)eiio  h  nonyiteHo  usÄaite.  y  Eeorpasy  1894.  S.  334;. 
Die  ruthenischen  sind  bei  Kaindl:  »Huzulen«.  Wien  1894.  S.  64,  und  bei  Su- 
chevyc:  rynyjiBmiiua.  IL  lacxt  (Maiepiajiu  äo  yKpaiHCi.KO-pyci.Koi  exHO.iBorii. 
T.  IV).  1901.  S.  209,  behandelt  und  abgebildet.  Ueber  die  russischen  im  eth- 
nographischen Sinne  kann  ich  nichts  näheres  angeben. 

Endlich  sei  noch  erwähnt,  dass  die  sogenannte  Kinder-Bilderschrift,  die 
von  Säsinek  (in  »Dejiny  drievnych  narodov  na  üzemi  terajsieho  Uherska«. 
V  Skalici  1867.  S.  239—240)  mit  der  glagolitischen  Schrift  in  Zusammenhang 
gebracht  wird,  mit  der  aufg-^worfenen  Frage  nichts  gemeinsames  hat.  Uebri- 
gens  vergl.  darüber  Fr.  Bartos:  Nase  deti.  V  Brne  1880.  S.  168,  Ö.  Zibrt  in 
»Cesky  Lid«  1898.  VII.  S.  246—248  (Obrazove  pismo-detska  hra)  und  Ö.  Lid 
1900.  IX.  S.  56—57;  Ed.  Domluvil:  Die  Kerbstöcke  der  Schafhirten  in  der 
mährischen  Walachei  (Festschrift  aus  Anlass  des  10jährigen  Bestehens  des 
Vereins  f.  österr.  Volkskunde,  hrg.v.M.Haberlandt.  1904.  S.206— 210-i-3Taf.). 

Z.  Kuziela, 


Die  Vokale  t,  h  in  den  Codices  Zographensis 
nnd  Marianns. 


Die  folgende  Untersuchung  ist  eine  Fortsetzung  meiner  Ab- 
handlung »Noch  einmal  1%,,  h»,  Archiv XXVII, S.  1 — 40,  verfolgt  aber 
ein  etwas  w^eiteres  Ziel.  Wenn  ich  nach  den  grundlegenden  Abhand- 
lungen von  Jagic  (Arch.  I,  II),  auf  die  ich  mich  gegebenen  Falles 
beziehen  werde,  noch  einmal  den  Cod.  Zogr.  in  Bezug  auf  ii,  k  be- 
handle, so  geschieht  es,  weil  mir  einige  Punkte  noch  weiterer 
Aufklärung  und  schärferer  Bestimmung  bedürftig  erscheinen.  Die 
Grammatik  des  Altkirchenslavischen  muss  nothwendig  auf  die 
Frage  kommen,  ob  die  Eigenthümlichkeiten  der  sUdslavischen 
Ueberlieferung  der  Sprache,  wie  sie  unseren  Handschriften  vor- 
liegen, Niederschläge  von  Lokaldialekten  der  Schreiber  und  von 
weiter  entwickelten  Sprachzuständen  sind,  oder  ob  einige  dieser 
Eigenheiten  bereits  in  älterer  Zeit  vorhanden  wareo,  also  auch  in 
den  handschriftlichen  Quellen  der  uns  erhaltenen  Texte.  Es  ist 
klar,  dass  man  am  ehesten  zu  einer  Entscheidung  dieser  Frage 
kommen  kann,  wenn  man  einen  inhaltlich  gleichen  Text  in  ver- 
schiedener handschriftlicher  Gestalt  hat.  Das  ist  der  Fall  bei  dem 
Evangelium  in  den  zwei  Tetraevangelien,  Zographensis  und  Ma- 
rianus, und  in  den  beiden  Lektionarien,  Assemanianus  und  Savina 
kniga.  Zuletzt  würde  es  darauf  herauslaufen,  ob  es  möglich  ist, 
ein  Bild  von  der  sprachlichen  Beschaffenheit  des  ältesten  Evan- 
gelientextes der  Zeit  Konstantins  zu  gewinnen. 

Zweifellos  ist  der  Cod.  Zographensis,  wenn  auch  nicht  in  allen 
Punkten,  die  hier  in  Betracht  kommen  können,  doch  in  Bezug  auf 
die  lautliche  Seite  der  Sprache  die  alterthümlichste  dieser  Quellen, 
die  Betrachtung  muss  daher  von  dieser  Seite  ausgehen.  Zeigen 
sich,  rein  theoretisch  gesprochen,  bei  Handschriften,  die  nicht  eine 
aus  der  andern  geflossen  sind,  gleichartige  Züge  lautlicher  Ent- 
wicklung, so  ist  der  Schluss  gerechtfertigt,  dass  bereits  eine  ältere 
Quelle,  aus  der  beide  stammen,  solche  gehabt  hat. 

Archiv  für  slayische  Philologie.  XXVII.  21 


322  A.  Leskien, 

Die  folgende  Untersuchung  ist  bestimmt,  einen  Beitrag  zur 
Lösung  dieser  Frage  zu  liefern,  soweit  es  die  das  Tv  und  h,  betreffen- 
den Vorgänge  angebt.  Dabei  beschränke  ich  mich  für  den  Cod. 
Zogr.  auf  den  sogenannten  Umlaut  des  i».  und  k,  weil  die  sonstigen 
Schicksale  dieser  Vokale,  Ab-  und  Ausfall  oder  Wandlung  zu  o,  f, 
weniger  in  Betracht  kommen  und  von  Jagic  genau  behandelt  sind. 
Bei  der  Betrachtung  des  Umlauts  gehe  ich  zunächst  von  der  wohl 
allgemein  angenommenen  Ansicht  aus,  dass  es  sich  dabei  um  einen 
rein  vokalischen  Vorgang  handelt,  d.  h.  der  Vokal  i».  in  k,  k  in  Tv 
übergegangen  ist.  Auf  eine  andere  mögliche  Betrachtungsweise 
komme  ich  am  Schluss. 

I.  Codex  Zographensis. 

A.  Wandlung  des  k  in  t»,  vor  folgender  Silbe  mit  nich, 
palatalem  (hartem)  Vokal.  Es  muss  von  vornherein  auffallent 
dass  der  Vorgang  sehr  beschränkt  ist;  es  werden  von  dem  Umlaut 
betroffen:  1.  eine  gewisse  Wortgruppe  lautlich  gleichartiger  Form, 
die  Infinitivstämme  K-kpaTH,  ^i.'kpdTH,  3Tv;i,aTH,  n'kpaTH,  ct'k- 
AATH  (für  ursprüngliches  KkparH  u.  s.  w.);  2.  die  Adjektiva  auf 
-kHTi.,  deren  altes  k  vor  folgender  harter  Silbe  bald  erhalten  ist, 
bald  als  t^  erscheint;  ihre  ganze  Masse  bildet  ja  eigentlich  nur 
einen  einzigen  gleichartigen  Fall;  3)  eine  Anzahl  häufiger  wieder- 
kehrender, einzelner  Wörter  zeigen  statt  k  entweder  ganz  oder  fast 
regelmässig!».:  KT^^OBa  K'k;i,OBHU,a  (Smal,  im  Ind.  lect.  vor  Lu- 
kas, Bl.  129,  steht  Bk^OBHi^A);  M'kS^k.a  mit  seinen  anderen  hier- 
hergehörenden Formen  (14  mal,  Mk3A'»  4  mal,  s.  Arch.  1,40);  TTvMa 
regelmässig  (etwa  12  mal,  TkMa  steht  J  12.  35  im  Text,  aber  die 
Lesung  ist  unsicher);  TiviUTa  (3  mal),  CB'tT'kAO  cB'kT'Ka;?»  regel- 
mässig (5  mal) ;  npaBT^A^  regelmässig  (14  mal,  cnpaBk4,ai*iuTn 
L  16.  15  ist  unsicher).  Dazu  kommen  einige  ganz  vereinzelte  Bei- 
spiele: KHCkpa  M  13.  45,  b-kcä^^-R  b'kc;ra<5V  M  1.  45,  L  9.  6 
(Bkck  und  seine  Ableitungen  haben  sonst  immer  k),  ;i,'kHO\'  J.  4. 43 
gen.  dual,  zu  A^^nk,  das  sonst  immer  k  hat  (A'*"'^V  M  26.  2),  ko- 
T'kAor.n»,  Ma7.  4,  ockaa  L  13.  15,  pacn'k.H;RTT».  Ma  15. 15  (sonst 
immer  nkH-).  Dabei  habe  ich  ausgeschlossen  cTivrHa,  weil  mög- 
licherweise dies  neben  CTkrHa  vorhanden  war,  a'^^*^'*?  '"'eil  hier 
Tk  als  alt  anzusehen  ist,  und  Bp'k.T'kn'k  (3  mal  so),  obwohl  man 
nach  dem  russ.  BkpTkniv  BepTtn-k.  das  k  ansetzen  möchte,  weil 


Die  Vokale  -h,  b  in  den  Codicea  Zographensis  und  Marianus.         323 

man  bei  dem  etymologiscli  dunkeln  Worte  zweifeln  kann,  ob  nicht 
eine  Form  auf  -TiRTv  vorhanden  war  (vgl.  das  in  anderen  Quellen 
vorkommende  ßpivTcmv).  Vielleicht  muss  man  auch  Riv^oßa  aus- 
scheiden, weil  es  nicht  sicher  ist,  ob  nicht  das  i%.  schon  aus  älterer 
Zeit  stammt.  Vorläufig  sind  auch  die  Zusammensetzungen  mit 
-km;>r  (h3km;i^,  BT^aKM;^  u.  s.  w.)  unberücksichtigt  geblieben,  die 
später  zu  behandeln  sind,  weil  sie  aus  den  sonst  bei  t».,  k  zu  beob- 
achtenden Vorgängen  ganz  herausfallen. 

Gegenüber  den  ausserordentlich  häufigen  Fällen,  wo  einer 
k-Silbe  eine  andere  mit  hartem  Vokal  folgt,  ist  der  Bestand  der 
Fälle  des  Umlautes  von  k  zu  'k  ein  recht  geringer.  Warum  bleibt 
ausnahmslos  das  k  in  mkto,  -;Kk,i,o  u.  ä.,  in  B'SpkH'K  und  überall 
bei  diesen  Adjektiven,  wenn  -kwi».  die  beiden  letzten  Silben  bildet, 
in  -kCK'k  und  -kCTBO.  Es  muss  also  für  die  Wirkung  des  Umlauts 
gewisse  Schranken  geben,  und  es  sind  in  der  That  solche  und  zwar 
ganz  feste  vorhanden. 

1.  Tv,  obwohl  ein  harter  Vokal,  wirkt  nicht  auf  ein  k 
der  vorhergehenden  Silbe,  einerlei  ob  t»,  im  Wortauslaut  oder  in 
einer  inneren  Silbe  steht,  daher  immer  B'KpkH'k,  ncnaAkHi^,  hcth- 
NkHiv,  npaßk^i.kH'k,  iiik;i,'k  ujk;i,'kuja  u.  s.  w.,  mka'k,  npocTkp'k, 

GHCkp'k,  HikSAT»,,  HaMkNlv  HaHkH'klUf,  npORkH'kmf ,  OVMkp'klUk, 
OCkA-k,    CB'kTkA'k,     /k.kH'k    (g.  pl.  zu  AI^HI^lj    Ol^kTTv,     Orkp^kLUH, 

BkSHkS'k,  ^i.'STkCK'k,  THTkATi,  die  Casusformcn  der  i-Stämme 
wie  Tpk]("k,  AKJ^kMTv  u.  s.  w.  Davou  gibt  es  im  ganzen  Denkmal 
keine  Ausnahme.  Wenn  man  annimmt,  dass  zu  der  Zeit,  als  der 
Umlaut  von  k  zu  t^  vor  folgender  harter  Silbe  eintrat,  die  schwachen 
Vokale  noch  gesprochen  wurden,  muss  man  zu  der  Frage  kommen : 
warum  wirkt  gerade  Tv  nicht  wie  andere  harte  Vokale?  Man  pflegt 
Ti,  k  als  irrationale  Laute  zu  bezeichnen;  ich  möchte  den  Ausdruck, 
bei  dem  man  sich  nichts  rechtes  vorstellen  kann,  lieber  vermeiden 
und  sie  Ueberkürzen  nennen,  denn  sie  hatten,  wie  die  gesammte 
Entwicklung  der  slavischen  Sprachen  zeigt,  den  normalen  Kürzen 
gegenüber  ein  Mindermass  von  Ausdehnung.  Es  könnte  demnach 
der  Satz  aufgestellt  werden :  die  Ueberkürze  'k  wirkt  wegen  ihres 
geringen  Gewichts  in  der  Aussprache  nicht  auf  ein  k  der  voran- 
gehenden Silbe.  Es  würde  aber  dabei  zu  erwägen  sein,  dass,  wenn 
man  in  luk^x'kiuf,  BlvpkH-k  u.  s.  w.  die  beiden  k-'k-Silben  als 
gleich  kurz  ansetzt,  es  nicht  recht  verständlich  ist,  warum  ein  über- 

21* 


324  A.  Leskien, 

kurzes  'k  nicht  auf  ein  ebensolches  h  wirken  kann.  Ich  bin  daher 
der  Ansicht,  dass  noch  ein  anderer  Umstand  in  Betracht  kommt: 
die  hier  in  Rede  stehenden,  durch  t».  der  folgenden  Silbe  nicht  affi- 
cirbaren  i^-Silben  tragen  entweder  den  Hochton  des  Wortes  oder 
einen  Nebenton;  Hochton  oder  Nebenton  haben  aber  dem  h,  eine 
der  normalen  Kürze  gleiche  oder  annähernd  gleiche  Ausdehnung 
gegeben ;  auf  ein  solches  k  wirkt  dann  folgendes  1%.  nicht,  so  wenig 
wie  etwa  auf  ein  vorangehendes  h  oder  (.  Wo  aber  vor  folgender 
harter  Silbe  t».  statt  h,  erscheint  (ß'Sp'kHa  u.  dergl.),  enthält  diese 
Silbe  stets  einen  vollen  harten  Vokal  und  das  i^  ist  in  diesem  Falle 
ganz  tonlos.  Auf  diesen  Umstand  gehe  ich  indess  hier  nicht  weiter 
ein,  da  er  nur  durch  eine  Gesammtbetrachtung  der  slavischen 
Sprachen  begründet  werden  kann.  An  dieser  Stelle  genügt  es,  die 
Thatsache  festzustellen,  dass  kein  t».  auf  ein  k  der  vorangehenden 
Silbe  verändernd  einwirkt.  Man  kann  übrigens,  was  mit  dem 
gesagten  zusammenhängt,  alle  oben  angeführten  Fälle  auf  eine 
Formel  bringen,  es  sind  sämmtlich  solche,  in  denen  bei  der  Weiter- 
entwicklung der  Sprache  das  h  nicht  ausfallen  kann  und  dann 
auch  in  vollen  Vokal,   c,  übergeht:   EUpcH-k,    me^'k   uuf^-kuif, 

Tßi^^    AlO^fM'k    U.  S.  W. 

2.  Nach  den  palatalen  Consonanten  ik  h  m  lur  jka  ^ 
H  A  stehendes  k  bleibt  unberührt  vom  Einfluss  harter 
Vokale  der  folgenden  Silbe,  z.  B.  das  sehr  häufige  HkTO,  vgl. 
sonst  pasAHHkHTviMH,  Mkco,  HkT;i^T'k,  B'tMkH;?»!:»^  (In  allen  laut- 
lich gleichartigen  Formen  sehr  häufig),  KpdMkH'kll/Ä,  HdHkH;?iT'k, 
HCA'^^'^MI^'^?  -H^k^O,  TAIKkKO,  B-kSMOJKkHO,  CA^^HikK;^,  npH- 
AfJKkHO,  KpamkHO,  npHUJkAA,  C'kllJkA'kl,  HfMOllJTkHa,TT»-llJTkHO, 

HC»iuTkH;*ibii,  pojKAkCTBC  (Über  -kCTßO  im  allgemeinen  s.  u.), 
cu,kTa,  orHkH;^,  EOAkiua,  KO^nakHaaro  u.  s.  f.  Es  kann  also 
k  nicht  entpalatalisirt  werden,  wenn  es  durch  einen  vorangehenden 
palatalen  Consonanten  gestützt  ist. 

3.  Vor  palatalen  Consonanten,  h  m  lut  u,  s,  h  a  fin- 
det kein  Wandel  des  k  in  ii  statt.  Die  Sache  liegt  hier 
einfach :  da  jene  Consonanten  noch  =  S'  s'  st'  c  u.  s.  w.  sind, 
lautet  die  folgende  mit  ihnen  beginnende  Silbe  weich  an ,  ihr  an 
sich  harter  Vokal  ist  daher  unwirksam.  Ich  führe  daher  auch  nur 
einige  Beispiele  zur  Veranschaulichung  an:  das -km-  der  präteri- 
talen  Participien  und  das  gleichlautende  Comparativsuffix  bleibt 


Die  Vokale  i,  t  in  den  Codices  Zographensis  und  Marianus.        325 

stets  unverändert;  bei  diesen  Formkategorien  kommt  natürlich  zu- 
gleich in  Betracht,  dass  dem  k  immer  auch  ein  palataler  Consonant 
vorangeht;  sonst  vgl.  KOHkna,  OBbi|;t^  oßhu,a  u.  s.  w.,  0ßkHax"k, 
KOHKMaTH,  miiIiit;?;,  noAbsa;  vor  jka  kommt  kein  Beispiel  von 
h  vor.  Ausnahme  macht  nur  das  dreimal  vorkommende  T'kiuTa 
T'KiiJT;*i  M  8.  14,  Ma  1.  30,  L  4.  38  (TkiuTH  Index  lect.  Luc.  hat 
folgende  weiche  Silbe). 

Also  palatale  Consonanten  wirken  genau  so,  wie  palatale  Vo- 
kale der  folgenden  Silbe,  sie  erhalten  das  ihnen  vorangehende  k. 
Die  Sache  liegt  ja  überhaupt  so,  daß  die  Wirkung  nicht  unmittel- 
bar vom  Vokal  der  folgenden  Silbe  ausgeht,  sondern  von  dem  durch 
ihn  beeinflussten  vorangehenden  Consonanten,  z.  B.  B'fep'kHa  kann 
entstehen,  weil  das  h  hart  bleibt,  B'kpkHH  bleibt,  weil  das  h  durch 
H  erweicht  ist  vdrhhi^  wie  KOHkU,a  KOHknaTH  bleibt,  weil  =  komca, 
ko7ib6ati.  Damit  soll  natürlich  nicht  gesagt  sein,  dass  die  Palatali- 
sirung  durch  folgende  weiche  Vokale  denselben  Grad  der  Stärke 
besass  wie  die  der  altererbten  palatalen  Consonanten,  ein  vSrhhi 
ist  verschieden  geblieben  von  etwa  koni  kohh.  Ich  bezeichne  daher 
die  durch  palatale  Vokale  erfolgte  Erweichung  durch  \ 

4.  Unverändert  bleibt  k  im  Suffix -kCKT».;  einzige  Aus- 
nahme «AHH'kCKaiuiH  L  23.  38  gegen  fast  50  Fälle  mit  k  vor  fol- 
gender harter  Silbe.  Das  eine  -'kck-  kann  daher  nur  als  eine  zu- 
fällige Verschreibung  angesehen  werden,  jedenfalls  lässt  sich  aus 
der  Sachlage  nicht  schliessen,  dass  der  Schreiber  oder  seine  Vorlage 
ein  -TkCK-  gekannt  hat. 

5.  Das  k  von  -kCTßo  bleibt  unverändert  mit  Ausnahme 
eines  Falles,  ^•feB'kCTBa  L  2.  36;  das  gesammte  Vorkommen  er- 
laubt aber  keinen  ganz  sicheren  Schluss:  npoposkCTBö  -HkCTBO- 

BaTH,    pO/K/\,kCTBC,     MHCJKkCTBO,     BAa^XTÜMkCTBO,     BfSOMkCTBO, 

c'kB'feA'^TeAkCTBO  -AkCTBOBaTH  müsseu  nach  2.  ihr  k  behalten; 
i^'tcapkCTBO,  das  häufiger  vorkommt,  ist  nie  ausgeschrieben,  sein 
p  war  ebenfalls  palatal.    So  bleiben  nur  wenig  Beispiele :  Bora- 

TkCTBO    -CTBa,     A;RKaBkCTBC>,      RklvHkCTBO,     BAaCTkTBOBaTH, 

zusammen  6  Fälle;  es  lässt  sich  darnach  nicht  bestimmen,  ob  js.'k- 
BT^cTEa  ein  zufälliger  Fehler  ist  oder  ob  in  den  6  Beispielen  mit 
k  eine  ältere  Vorlage  befolgt  ist,  dem  Schreiber  aber  eigentlich  Tv 
gemäss  war. 

Auch  wenn  man  den  letztgenannten  Fall  ausser  Betracht  lässt, 


326  A.  Leskien, 

so  zeigen  doch  1 — 4,  wie  stark  der  Umlaut  des  k  in  'k  einge- 
schränkt ist.  Will  man  nun  andererseits  prüfen,  in  welchem  Um- 
fange dieser  Umlaut  nach  Abzug  der  Fälle,  wo  er  gesetzmässig 
nicht  eintreten  kann  oder  thatsächlich  fehlt ,  wirklich  eingetreten 
ist,  so  bieten  sich  dazu  die  zahlreichen  Formen  der  Adjektiva  auf 
-kHT»,  dar.  Ich  zähle  124  Beispiele,  wo  -^h-  vor  folgender  Silbe 
mit  vollem  hartem  Vokal  zu  -'kh-  geworden  ist  (vgl.  z.  B.  das  häu- 
fige K'fec'KHa  u.  s.  w.,  K'feC'KHOBaTH,  immer  mitii),  und  zwar  kann 
das  T».  zwischen  allen  möglichen  Consonantenverbindungen  stehen. 
Dagegen  stehen  34  Fälle ,  wo  in  gleicher  Stellung  -kh-  verharrt, 
davon  14  auf  ein  und  dasselbe  Wort  fallend,  no/i,OKkHC>  noA^EkHa^ 
alles  andere  sind  vereinzelte  Beispiele  (s.  Arch.  II,  261).  Wie  vor- 
eilig es  wäre,  aus  dem  häufigen  no^OKkHO  no;i,c»KkHa,  neben  denen 
nur  einmal  nc>;i,OK'KHO  L  13.  20  vorkommt,  zu  schliessen,  die  Ver- 
bindung K-H  hindere  den  Umlaut,  erkennt  man  sofort  an  norplv- 
c'kHOif  M  6.  21,  JCA-KB-kHadro  M  16.  2. 

B.  Wandlung  von  ^k  zu  k  vor  folgender  Silbe  mit 
palatalem  Vokal.  Es  ist  zweckmässig,  aus  den  in  Betracht  kom- 
menden Fällen  die  Formen  ßk  ßk.3  der  beiden  Präpositionen  B'k 
ß'KB  als  besondere  Gruppe  zu  bebandeln  und  im  Anschluss  an  sie 
die  andern  Präpositionen.  Ich  beginne  daher  mit  den  andern  Vor- 
kommnissen. 

1.  Auffällig  ist,  dass  der  Umlaut  regelmässig  nur  bei 
einigen  wenigen  Wörtern  auftritt:  Kk;i,'kTH  (15 mal,  nur  so), 
BkH'R  (10 mal,  nur  so),  A^^ß^  A'^^t»''^'*  (13  mal,  nur  so),  3kAH  SkA'k 
(5 mal,  STvAli  neben  3kA'k  J  18,  23).  Sonst  kommen  nur  verein- 
zelte Fälle  vor:  BpoTki^H  M  5.  5,  npoMkMc  M  28.  15,  nkXHi^k  und 
nkT1v^ik^a  L  2.  24,  12.  24,  OBkA«  Ma  13.  21,  L  17.  21,  23,  an 
allen  drei  Stellen  in  der  Parallele  ckA^  —  oßkA«,  wo  also  sehr 
leicht  das  ckA^  ein  OßkAC  statt  Oß'kAf  uach  sich  gezogen  haben 
kann.  Stellt  man  dies  wenige  zusammen  mit  dem  sonstigen  Vor- 
kommen des  gleichen  Lautverhältnisses  (Silbe  mit  t».  vor  folgender 
Silbe  mit  weichem  Vokal),  so  steht  man  eigentlich  vor  einem  Räthsel: 
ausnahmslos  steht  i».  in  den  Formen  und  Ableitungen  von  K'kHHra 
(93  mal),  in  den  Casus  der  «/-Stämme  auf  --kek  --kb«  --kbh  (45  mal), 
in  den  Formen  von  at^iüT'h  (24  mal),  in  B'kS'knHTH  (23  mal),  K'kAf 
(18 mal),  im  Präsens  ckakr  (19  mal),  in  den  Formen  und  Ableitun- 
gen von  KikHASk  (17 mal),  im  Präsens  ckoh-  mit  oYC'kn«  oyc^knc- 


Die  Vokale  -h,  h  in  den  Codices  Zographensis  und  Marianus.         327 
HHf    (15 mal),    KiknHTH    (13 mal),    a'kikk   iVWA^i  iVKHiH   (l3mal), 

CKTKHHK'U  mit  C'kT'k  CkT-kYT».  (13  mal),  npHT'kMA  -HH  -MflA 
(Umal),  T'KUJTk    -UIT/Ä    OT'KUITfTHT'K  (6mal),  T'kKHfT'K  -HfUJH 

-HH  (5 mal),  Formen  von  at^^A»^  A'^^A"T"  (4 mal),  Participia 
saB'kBEH'k,  H3-  oY-urkKeHT».  (5  mal),  »bj^^'kuh  (3  mal).  Dazu 
kommt  eine  Anzahl  vereinzelter  Beispiele:  /xaKT^Tk  (2mal),  x^- 
mTHu,a  (1),  n-kc-kut  (1),  ckiuitax-;!^  (2),  ckcki^a  (1),  onpHcH'kii,H  (2), 

O^CKUlf    HCTsLlllfTT»,  (2),    CkHlv  (1),    KfT'kCH  (2),    p'kHTj.UJTHT'k  (1), 

KTkJKkAO  (1),   die  Instrumentale  CAO\f\"kMk,  C'kH'kMk,  r/xackMk 

(zusammen  4  Beispiele).  Das  macht  in  runder  Zahl  340  Fälle; 
eigentlich  muss  man  noch  dazu  rechnen  die  35  Beispiele  von  npH- 
TTvMa  -MaYT».  -MaMH,  da  auch  hier  dem  t».  eine  mit  m  palatal  an- 
lautende Silbe  folgt,  ebenso  p'kn'kiiJT;iiT'k,  A'kJK;R  A'k/K;siiuTe; 
endlich  bleibt  in  der  grossen  Zahl  der  präteritalen  Participien  auf 
-•KUJ-  das  T».  unverändert  (HiiikAt^iuf  Ma  9.  30,  noc'kAaßkmafrc» 
J  13.  20  können  dem  gegenüber  nur  als  Fehler  angesehen  wer- 
den; an  den  Stellen  Ma  6.  44,  8.  3  hat  die  Ausgabe  'kA''^i"M'Y''^) 
'RA't^^u^'^j  die  Lesung  ist  hier  unsicher).  Wenn  man  annehmen  soll, 
der  Schreiber  des  Codex  oder  der  seiner  Vorlage  habe  in  seiner 
Sprache  den  Umlaut  von  ix  zu  k  allgemein  oder  in  grosser  Aus- 
dehnung gehabt,  so  würde  daraus  folgern,  dass  er  hunderte  von 
Malen  eine  ältere  Quelle,  die  noch  überall  t».  hatte,  getreulich  ab- 
schrieb, aber  gerade  nur  bei  KkA'tTH,  A'*^'^  A"»^^'^'^^:  KkH'fe, 
3kAlv  3kAH  uud  ciu  paar  seltenen  einzelnen  Beispielen  in  die  Art 
seiner  Aussprache  verfiel ,  ein  schwer  denkbarer  Fall.  Soll  man 
andererseits  annehmen,  er  habe  den  Umlaut  zu  k  nur  in  bestimm- 
ten Fällen,  nicht  allgemein  vor  folgender  weicher  Silbe  gekannt, 
also  nur  in  den  oben  genannten  Wörtern,  so  ist  die  Frage  nicht  zu 
umgehen ,  warum  denn  unter  den  gleichen  Lautverhältnissen  in 
allen  andern  Wörtern  nicht  ?  Es  muss  zunächst  untersucht 
werden,  ob  die  Lautbewegung  vor  gewissen  Schranken  Halt  ge- 
macht hat. 

a)  Sicher  lässt  sich  sagen,  dass  ein  k  der  folgenden  Silbe 
nicht  auf   ^k   der    vorangehenden    wirkt,    daher  a^'^^^A'») 

AAK'kTk,     CkCklUa,     T'kUJTk,     T'kUJTkHO,     AT»,JKK,     C'kTkHHK'k, 

KT».}KkAO,  acc.  wie  i;pTs.KT».Kk,  instr.  wie  CAOXfY'kiuik.  Es  sind 
das  die  Fälle ,  wo  in  der  späteren  Entwicklung  t».  nicht  ausfallen 
kann  und  unter  Umständen  in  vollen  Vokal,  o,  übergeht.    Der  Vor- 


328  A.  Leskien, 

gang  deckt  sich  also  genau  mit  dem  oben  S.  323  besprochenen  bei 
dem  Lautverhältniss  k-Silbe  +  'K-Silbe. 

b)  Bei  einer  Anzahl  von  Fällen,  wo  in  der  zweiten  Silbe  ein 
voller  Palatalvokal  folgt,  kann  man  annehmen,  dass  die  Stellung 
zwischen  Consonanten,  die  das  t».  weggedacht,  eine  schwere 
Gruppe  bilden  würden,  dem  Tv  eine  grössere  Fülle  und  damit 
Widerstandsfähigkeit  gegen  den  Umlaut  verliehen  hat :  die  Formen 
von  A^^iA^TH ,  die  obliquen  Casus  von  ai^h;ai»^  und  at^^A^t"? 
AT^ujTHi^a,  HSA'KUJ«,  T'KiKAf  (Mar.  tojka«),  t-kiuta,  ottvIut«- 

THTH,    pTkR'KlUTHTf,  0\f CTi.llJf,    H'feC'kl^'fe,    OHp'SCH'KUH,  T'kKHeT'K 
TI^KHH,    ATiJKH. 

Wenn  man  nun  auch  diese  beiden  Gruppen  von  Fällen  als 
normale  Erhaltung  des  t^  abrechnet,  bleibt  immer  noch  eine  ge- 
waltige Zahl,  der  gegenüber  man  vor  der  Frage  steht :  warum  nie 
etwa  KkHHTd,  npHTkMa,  BkHHTH,  vih.,\i,  chAm.  u.  s.  f.;  wie  unter- 
scheiden sich  K'kA'^'rHj  ß'KH'K  von  b'khhth,  dass  jene  immer  als 
KkA'KTH,  KhH'k  erscheinen,  dies  niemals  als  b^rmth  ?  Dazu  kommt 
noch  ein  besonderer  Umstand:  der  Codex  hat  nicht  blos  die  Wand- 
lung von  altem  'k  in  k  vor  folgender  weicher  Silbe,  sondern  lässt 
auch  altes  h  vor  solcher  Silbe  in  'k  übergehen,  ja  diese  Fälle  sind 
in  ihrer  Gesammtzahl  sogar  zahlreicher  als  jene,  in  runder  Zahl 
50  Beispiele  der  Wandlung  von  t».  und  h  (wie  ^kK'fe  u.  s.w.,  s.  S.  326), 
60  der  Wandlung  von  k  in  ^k.  Dabei  will  ich  die  mehr  oder  minder 
vereinzelten  Beispiele,  wie  das  dreimalige  K'kS'kp'kß'k  u.  a,,  ganz 
ausser  Betracht  lassen,  weil  man  da  vor  zufälligen  Verschreibuugen 
nicht  sicher  sein  kann.  Aber  siebenmal  liest  man  TT^Mt:  gegen 
viermal  TkMli.  Man  kann  das,  wie  Jagic  es  Arch.  I.  45  thut,  er- 
klären durch  die  Analogie  von  Ti^Ma,  allein  man  gewinnt  dabei 
wenig,  denn  man  fragt  sich  sofort,  wie  hier  das  durch  den  Umlaut 
von  k  zu  T».  neu  entstandene  T'kima  so  stark  wirken  kann,  dagegen 
das  36  mal  vorkommende  j^^'KKA  (Arch.  1. 19)  nicht  dazu  geführt  hat, 
ein  AT^B'Sj  dessen  t».  ein  altes  ist,  zu  erhalten.  Noch  sonderbarer 
ist  das  Verhalten  der  "on  der  Wurzel  -kW-  abgeleiteten  Formen: 
diese  behalten  gemäss  der  oben  (S.  323)  gefundenen  Regel  ihr  k, 
wenn  dem  im  ein  i».  folgt,  daher  K'kSkU'k,  HSkM'k,  c'kHkM'k,  OKkin»,, 
B'kSkM'kiiiH  (ausgenommen  nurc'kH'kM'kMal5. 1  [LI 5.1,  Arch.  1.49 
ist  Druckfehler],  civH'kiui'kUJEM'k  L12. 1);  in  B'k3'kM;RT'k  h31i.m;i; 
c'kH'KM'ki  folgt  eine  harte  Silbe  mit  vollem  Vokal,  daher  ist  die  als 


Die  Vokale  t,  b  in  den  Codices  Zographensis  und  Marianus.        329 

normal  angesehene  Wandlung  eingetreten.  Aber  dem  gegenüber 
beisst  es  bei  folgender  Silbe  mit  vollem  weichem  Vokal  30  mal 
CTvH'KMHUJTe  (mir  einmal  ckhkmhuitio  J  1.  49);  die  Formen  des 
Präsens  -km;r  (mit  k'K3-  H3-)  haben  vor  weicher  Silbe  20  mal  TvI 
B'KS'kM'Ktc,  HS'kMfT'K,  H3'kMn  u.  8.  w.,  nur  5 mal  das  zu  erwar- 
tende K:    B'KSkMH    ßk3kJlltT'K    Kk3kM'kTf,   dazu  einmal  OTkMeTTi. 

(s.  Arch.  I,  48).  Dass  hier  etwa  die  Analogie  der  beiden  Präsens- 
personen, die  harte  Silbe  nach  der  k-Silbe  haben,  -'km;*^  -TvM;rt'k 
oder  das  Particip  -'kM;siiiJT-  gewirkt  hätte,  wäre  doch  nur  eine 
willkürliche  Annahme,  und  wie  sollten  diese  Formen  auf  CKHk- 
M  H  uiTf  noch  Einfluss  gehabt  haben  ?  Das  ausnahmslos  selbst  und  in 
seinen  Ableitungen  mit  Tv  geschriebene  ckpEKpo  lasse  ich  bei  Seite, 
weil  möglicherweise  hier  das  t».  älter  ist  als  die  uns  beschäftigen- 
den Vorgänge.  Dass  in  dem  T'kM'k,  ckH'kMHiuTe  eine  beträcht- 
liche Schwierigkeit  für  die  Umlautstheorie  vorliegt,  wird  man  kaum 
bezweifeln.  Ich  komme  unten  nach  Besprechung  der  Präpositionen 
darauf  noch  zurück. 

2.  Der  Wechsel  von  ß^k  und  ßk,  ß'k3-  und  Bk3-.  Vor 
folgender  Silbe  mit  weichem  Vokal  wird  so  ungleichmässig  bald 
ßTv  bald  ßk,  bald  ß'k3-  bald  Kk3-  geschrieben,  dass  die  Masse  der 
Beispiele,  in  ihrer  Gesammtheit  betrachtet,  nur  den  Eindruck  eines 
völligen  Wirrwarrs  macht.  Es  wäre  unnütz,  die  Fälle  der  einen 
oder  andern  Schreibung  bei  den  gleichen  Wörtern  oder  Verbindun- 
gen aufzuzählen  und  neben  einander  zu  stellen,  denn  es  ist  aus  den 
Zahlenverhältnissen  nichts  zu  entnehmen.     Ob  einige  Male  mehr 

ß'kHHTH  oder  ßkHHTH,    BTvS/ÄTH    odcr  Bk3/ATH,    BT».    CA-tAT»^  odcr 

Bk  C/\ -6/1,1».  u.  dgl.  vorkommt,  kann  bei  der  Möglichkeit,  dass  der 
Schreiber  in  jedem  Falle  auch  anders  schreiben  konnte  —  in  neben 
einander  stehenden  Beispielen  im  selben  Satze  kommen  beide  Schrei- 
bungen vor  —  gar  nicht  in  Betracht  kommen. 

I.  Das  Verhalten  des  bt».  Es  kommt  auch  hier  darauf  an 
zu  bestimmen,  ob  es  Schranken  für  das  Eintreten  von  ßk  für  bt». 
gibt.    Einige  lassen  sich  sicher  erkennen: 

a)  BTi.  vor  anlautendem  h  i€  hÄ  ra  (-k)  wird  nie  ßk,  daher 
nur  z.  B.  bt».  hm/ä,  ß-k  (3tß0,  ß-k  lAS-kiK-k,  ß-k  -Km;^.  Die  Sache 
ist  bekannt,  man  kann  sie,  wenn  man  anlautendes  h  als  n  fasst, 
so  ausdrücken :  vor  folgendem  i  [j]  bleibt  ß-k  unverändert.  Die 
Erklärung,  das  Verbleiben  beruhe  auf  einer  Art  Dehnung  des  -k  vor 


330  A.  Leskien, 

i  zu  einem  y-artigen  Vokal  ist  richtig,  vgl,  die  Schreibungen  ßiü- 
hh;^  e'ki-hcthh;s^. 

b)  Vor  einem  h  der  folgenden  Silbe,  das  in  der  späte- 
ren Entwicklung  ausfällt,  bleibt  KT»,  ohne  Ausnahme  er- 
balten; es  ist  die  oben  (S.  323)  bei  der  Wandlung  des  k  besprochene 
Erscheinung  in  ihrer  Anwendung  auf  t^.  Es  heisst  daher  ß'ksii- 
P'Rth  (22 mal;  ich  führe  es  hier  mit  auf,  obwohl  ß'ks-  darin  ent- 
halten ist,  weil  es  nur  auf  die  Lautverbindung  ßi»-  ankommt),  ß^K 
TkMli  (TikMli)  ßi^  T'kM;!;  (8 mal),  E'k  Hk  BTs.  Hk^KC  (29 mal),  ßi». 
MkH-k  (luiHt:,  m'h'K;  11  mal),  ß'kMkHer'k  (2mal),  ßT^NkSH  (Imal), 
vor  den  obliquen  Casus  von  ai^">^:  ^^  A^^hh,  bt».  a»^m*>  ^'^  A^- 
ütX'^  (17 mal),  vor  den  obliquen  Casus  von  ßkck,  z.  B.  bt».  ßkcsi 
B'k  BkCfH  u.  s.  w.  wie  vor  ßkC'SK'k  (15 mal),  b^k  HkTO. 

Dagegen  schwanken  die  Formen  B'k  und  ßk  vor  solchem  k, 
das  nicht  ausfallen  kann  und  in  der  weiteren  Entwicklung  zu  ( 
wird,  in  derselben  Weise  wie  vor  folgenden  Silben  mit  altem  vollem 
palatalem  Vokal:  B'kmk^i.'k  mit  seinen  Formen  (10 mal)  und  ßk- 
ujk;^''^  (2mal),  B'k  TkiuikHHi^H  -u,;s^  (lOmal)  und  ßk  t.  (3 mal),  B'k 
BkCk  (7  mal)  und  ßk  b.  (2mal),  B'k  ^kHk  (5 mal)  und  ßk  ji,.  (5 mal). 
Das  ßk  ck  ß'KK'k  (einmal  vorkommend)  ist  keine  Ausnahme, 
denn  sicher  fiel  das  k  von  Ck  in  solchen  Verbindungen  nicht  ab. 
Die  Umlautsregel  für  B'k  ist  demnach  so  zu  fassen:  B'k  wird 
zu  ßk  nur  dann,  wenn  in  der  folgenden  Silbe  ein  voller 
palataler  Vokal  steht,  dazu  zu  rechneu  k,  das  gleich 
späterem  e  ist. 

Scheidet  man  die  beiden  oben  behandelten  Fälle  als  regel- 
rechte Erhaltung  des  btv  aus,  so  ist  die  übrige  Menge  einfach  ein 
Chaos:  vor  jedem  beliebigen  palatalen  Vokal  der  folgenden  Silbe 
steht  bald  B'kn-  bald  ßkH-,  vor  jedem  beliebigen  Consonanteu  und 
folgendem  palatalen  Vokal  bald  B'k  bald  ßk;  es  ist  mir  wenigstens 
nicht  gelungen,  hier  irgend  eine  Regel  zu  finden.  Zugegeben  nun, 
es  sei  in  allen  Fällen  ßk  vor  folgender  weicher  Silbe  in  der  Sprache 
des  Schreibers  das  normale  und  die  so  vorkommenden  B'k  nur  ge- 
treue Befolgung  einer  älteren  Vorlage,  so  muss  sich  daran  notwen- 
dig die  Frage  knüpfen,  warum  gehen  die  ck,  B'k,  OT'k  u.  s.  w.  vor 
folgender  weicher  Silbe  nicht  in  ck  u.  s.  f.  über.  Man  sagt  wohl, 
solche  Fälle  kommen  auch  vor  (vgl.  Arch.  IL  249 fg.):  ck  kommt 
einmal  vor  in  ckß-fe/i.'kTfÄkCTBOYH  J  18-  23,  in  ck  nißict  MS.  11 


Die  Vokale  x,  b  in  den  Codices  Zographensis  und  Marianus.        331 

ist  die  Lesung  unsicher,  für  Ch  HfKfce  Ma.  11.  30  bat  die  Ausgabe 
ch,  ckKAsaKTkiuk  M  27.  2  ist  zweifelhaft,  CKYO,\,/ÄiiJTk  Mal.  10 
und  das  zweifelhafte  ckKOHKnaü^Ti».  L.  21.  34  haben  die  Präpo- 
sition vor  harter  Silbe  und  sind  offenbare  Verschreibungen ;  —  Kk 
TfK'K  M  14.  28,  Kk  HtMO^  M  13.  36  ist  unsicher,  vor  harter  Silbe 
Kk  oYMfHHKOM'K  L  12. 1  (Lcsung  unsicher);  —  OTk  ß'c'kYT».  L  21. 17j 
OTk  HHyk  M  14.52  (zweifelhaft),  OTkß'kujTaiU/Sv  Ma  8.  4,  OTk- 
ß'feujTa  M  15.  23,  24  (Lesung  unsicher),  OTkK'kmTaß'k.  L  11.  17 
(ebenso),  vor  harter  Silbe  OTk  k;^^\'S  Ma.  6.  2;  —  naehrmals  steht 
np'K;i,k:  np-k^ki^i.eT'k  L  1.  17,  np1i/i,kiA^uiTa  L  18.  39,  np'k- 
AikC'kA^*"'^'^  L  20,  46,  npk^k  AHi^fMk  Ma  1.  2,  L2.  31,  npt^k 
HHMk  L  1.  17,  75;  5.  18,  npU^k  hhmh  M  9.  2,  dazu  dreimal  vor 
harter  Silbe:  np'k^kCTOtAiUTHiM'k  L  19,24,  np'S/k.knoAardKRT'k 
Ma  8.  6,  np'k^k^C'A'ÄiUTa  Ma  11.  9,  aber  dass  diese  Fälle  zu 
einem  Wandel  von  t».  in  k  gehören,  ist  äusserst  zweifelhaft,  denn 
es  wird  neben  dem  Adverb  np-fc^H  eine  Form  npU^k  existirt  ha- 
ben, vgl.  das  häufige  Vorkommen  von  np'fe/i,H  vor  Verben  der  Be- 
wegung; —  OBk  steht  in  OKkfMAMvTi».  M  7.  16,  OKkbÄTT».  J  1,  15, 
vor  harter  Silbe  in  0Kk\-0JK;i,aaiuf  Ma  6.  6,  OKkCTOHWk  L  21.  20, 
es  ist  aber  OKk  eine  alte  Form  neben  ck'k.  Man  kann  unmöglich 
nach  diesem  Befunde  den  beiden  Fällen  von  Kk,  ck  und  den  beiden 
OTk  gegenüber  der  Masse  von  ct\  kt^  ottv  irgend  eine  andere  Be- 
deutung zuschreiben,  als  dass  sie  zufällige  Versehen  sind. 

IL  Das  Verhalten  des  bt^b-  vor  folgender  Silbe  mit 
weichem  Vokal.  Auch  hier  gehen  die  Schreibungen  k'ks-  und 
ßk3-  bei  den  gleichen  Wörtern  und  vor  gleichen  Lauten  oder  Laut- 
verbindungen, die  Gesammtheit  der  Fälle  betrachtet,  völlig  durch- 
einander: ß'kSAWBHTH  und  ßk3-/\.,  BT^SHTH  Und  ßk3-,  ßTv3/ATH 
und    Bk3ATH,    ß'K3B«CTH    Und    ßk3ß.,    B'KSB'SCTHTH    Und    Bk3ß. 

u.  s.  f.  Es  wird  zunächst  zu  untersuchen  sein,  ob  irgend  ein  fester 
Punkt  zu  finden  ist.  Mir  ftillt  auf,  dass  vor  den  Präsensformen  von 
-hUüx  ganz  selten  ßk3-  steht:  ßkSkmeTT».  (3  mal),  ßkSkiuiEM'K 
(1  mal),  fikSkUi-kTf  (Imal),  die  sonstigen  ca.  20  Fälle  mit  B'K3- 
(s.  Arch.  I,  4S).  Man  trifft  hier  dieselbe  Regel  wie  oben  S.  323: 
ein  schwaches  k  nach  der  'K-Silbe  wirkt  nicht  auf  i^ ;  und  man  darf 
annehmen,  dass  die  wenigen  Beispiele  des  ßk3-  dem  Schreiber 
entschlüpft  sind,  weil  er  sonst  so  häufig  Bk3-  vor  folgenden  Silben 
mit  vollem  palatalem  Vokal  schreibt. 


332  A.  Leskien, 

Vergleicht  man  die  bei  den  Präpositionen  beobachteten  That- 
sachen  mit  den  Erscheinungen  bei  den  andern  Wörtern,  so  stellt 
sich  heraus :  die  Präposition  ktv  geht  nicht  vor  folgender  weicher 
Silbe  in  Kk  über,  dasselbe  ist  der  Fall  bei  allen  andern  K'k-Silben: 
KTvHHra  K^KH/ftsii  K'KA«  (s-  S.  330).  Dieselbe  Gleichmässigkeit 
herrscht  im  Verbleiben  der  Präposition  c'k  und  den  sonstigen  ck- 
Silben  vor  folgender  Silbe  mit  palatalem  Vokal,  es  heisst  ohne  Aus- 
nahme CKRH- (Präsensstamm  zu  cknaxH),  ckai*  ckAfTik,  c'kM'tTH 
u.  s.  f.  (s.  S.  327),  obwohl  an  sich  c  vor  jedem  beliebigen  palatalen 
Vokal  stehen  kann  und  sehr  oft  steht,  vgl.  Ck,  cfAO,  chaj,  cKth, 
CA^/^.  Wollte  man  die  Fälle  kt^-  und  ck-  in  Parallele  stellen  und 
sagen,  k  könne  überhaupt  in  der  Sprache  vor  Palatalen  nicht  stehen, 
es  sei  stets  hart  und  bewahre  daher  auch  folgendes  t».  vor  dem 
Umlaut  zu  k ;  da  ck  ebenfalls  bleibt,  müsse  man  annehmen,  auch 
s  sei  nicht  erweichbar  und  wo  es,  wie  in  cHAa  u.s.w.  vor  palatalen 
Vokalen  steht,  sei  es  doch  an  sich  hart  gesprochen  worden,  —  so 
käme  man  dabei  mit  andern  Vorkommnissen  in  Widerspruch :  man 
müsste  nämlich  demnach  auch  annehmen,  z.  B.  in  sUd^  habe  das 
palatalisirte  /  nicht  auf  s  palatalisirend  gewirkt;  wie  soll  man 
dann  aber  Kk  CA'k^'k  u.a.  erklären?  Andrerseits  ist  auch  nicht 
abzusehen,  warum  bei  der  Ansetzung  einer  umlautenden  Wirkung 
z.  B.  des  H  auf  ein  Tv  einer  vorangehenden  Silbe  nicht  ein  KkHHra 
=  Hhniga  hätte  entstehen  können,  denn  ein  Ä-,  wenn  auch  in  älterer 
Zeit  nicht  vorhandeo,  konnte  sich  ja  im  gegebenen  Falle  sekundär 
entwickeln,  wie  z.  B.  in  Fremdwörtern,  Kccapk  u.  dgl. 

n.   Codex  Marianus. 

Diese  Quelle  zeigt  in  Bezug  auf  die  ümlautsverhältnisse  auf 
den  ersten  Blick  nur  völlige  Regellosigkeit,  'k  für  k  tritt  vor  folgen- 
den weichen  Silben  wie  vor  harten  ein,  z.  B.  K'Sc'kH'RfMk  wie 
B'KcTvHa,  KpaH'KHHH  wic  KpaM'KHOf,  ßkcK  wic  K'kC'K,  ^\s.ww  wic 
A'KHH  U.S.W.  Das  braucht  hier  nicht  weiter  ausgeführt  zu  werden, 
da  sich  jeder  nach  d3m  erschöpfenden  Index,  den  Jagic  seiner 
Ausgabe  beigefügt  hat  und  nach  den  Angaben  in  den  ITpH-ioatemK 
dazu  (S.  427  fg.)  sofort  davon  überzeugen  kann.  Die  Frage  ist  für 
mich  hier,  ob  sich  hinter  dem  Gewirr  noch  Züge  entdecken  lassen, 
die  sich  mit  denen  des  Zographensis  decken ;  und  das  ist  in  der 
That  der  Fall. 


Die  Vokale  t.,  b  in  den  Codices  Zographensis  und  Marianus.        333 

A.  Umlaut  von  k  zu  Tv  vor  folgender  harter  Silbe: 
dabei  muss  bei  der  Beschaffenheit  des  Codex  z.  Th.  die  Erscheinung 
des  Wechsels  von  t».  und  k  vor  folgenden  weichen  Silben  hinein- 
gezogen werden. 

1)  Auf  K  wirkt  ein  'b,  der  folgenden  Silbe,  das  im 
späteren  Verlauf  dem  Ab-  oder  Ausfall  unterworfen  ist, 
nicht  ein,  sondern  entweder  bleibt  k,  der  seltnere  Fall,  oder  es 
ist  bereits,  der  gewöhnliche  Fall,  zu  (  geworden.  Das  k  ist  bewahrt 
in  bÄMkHTv,  RHCkp'K  (3  mal),  ;i,kH'k  g.  pl.  (daneben  a^ht^)?  uii^A^^ 
lUkA'kUJa  U.S.W.  (15  mal,  regelmässig  ujjat»^  uiij\,'KiuA),  HdMkH'KlUE 
(daneben  -HfH'kiuf),  nponkH'kiuc  (2  mal),  HfK-kpkHk  (L-hts.),  cawa- 
pkCK'k.  Die  ausserordentlich  zahlreichen  Fälle,  in  denen  altes  k  in 
solcher  Stellung  zu  (  geworden  ist,  zeigen  eben,  dass  hier  überall 
in  älterer  Zeit  k  geblieben,  nicht  t».  entstanden  war.  Wenn  nun 
abweichend  von  dieser  Regel  in  dem  Codex  stehen:  KOT-kai». 
(1  mal),  A;RKaß'KHTi.  (1  mal),  HfK'Sp'kHk  (1  mal,  vielleicht  blosse 
Verschreibung  für  Hgß'KpkH'k)  neben  öfterem  K-kpfHi».,  ockat». 
(Imal),  oi^TiTT».  (1  mal),  uitvAT^  (in  npum'kA'K,  lU'kA'^,  uj'kAT^iU'», 
lU'kA'Kmf,  also  viermal),  chat^ht».  (1  mal,  neben  cHAfH-k),  c-kin-fe- 
lU'kH'k  (1  mal),  cHAoyaM'kCK'k  (1  mal),  T^'p'kCK'k  (1  mal),  HiTKp'k- 
AkHEBivH'k  (1  mal),  so  sind  das  weiter  nichts  als  Fehler,  d.  h,  bei 
seiner  nicht  mehr  sicheren  Empfiudung  für  die  richtige  Stellung 
von  Ti  und  k  schrieb  der  Schreiber  in  einigen  Fällen  t^  statt  des 
richtigen  k  oder  seines  normalen  e.  Gesprochene  Formen  sind  ko- 
TTiA'k  ui'kAT*  für  ihn,  oder  wenn  er  sie  schon  übernommen  hat,  für 
den  Schreiber  seiner  Vorlage  sicher  nicht  gewesen,  denn  man  mag 
sich  noch  so  complicirte  Lautverhältnisse  eines  altbulgarischen 
Dialekts  zurechtlegen,  undenkbar  ist  es,  dass  in  einer  und  derselben 
Mundart  lautlich  gleichstehende  Wörter,  z.  B.  CK'tTkA'k  und  ko- 
TkA'k  einmal  CK'tTfA'k,  d.  i.  altes -TkAi».,  einmal  kottvAT».  ge- 
sprochen seien.  In  diesem  Punkte  deckt  sich  also  der  Marianus  mit 
dem  Zographensis  (s.  o.  S.  323). 

2)  Die  Regel  (s.  o.  S.  324),  dass  auf  k  nach  palatalen  Conso- 
nanten  ein  harter  Vokal  der  folgenden  Silbe  nicht  wirkt,  zeigt  sich 
deutlich  bei  der  Stellung  nach  a  :  64  mal  steht  c'KB'kA'^'''^^^**c'rß<5j 
-cTßOBATH  gegen  2  mal  --kctb-,  vgl.  dazu  3anAkßaiiJ/?k  nakBarH 
nAkBaa\';^,  KovnAkHaaro,  auch  orHkH;^»*  kann  hierhergezogen 
werden;  abweichend  nur  stMATvCKaaro  (1  mal).   Auf  diesen  Punkt 


334  A.  Leskien, 

kann  mau  noch  weiter  eingehen :  bei  dem  Suffix  -km-  des  Compa 
rativs  und  des  Part.  prät.  akt.  scheint  der  Codex  ganz  durcheinan- 
der -1S.U1-  und  -Kiu-  zu  schreiben,  z.  B.  A^cajKA'^ii^'^}  KpkUJTkiue, 

CKpaiUTkUlH,    TpOY^A»^UJf,   AO^MbUlf  und   Kp'KUJT'KUJf,    B'Knpo- 

iii'hiUHY'K,  poJKA'kLUff,  AoyMTviuHH  u.  s.  f.  Aber  eine  bestimmte 
Grenze  ist  doch  vorhanden:  nach  a  (dazu  zu  rechnen  auch  die  La- 
bialen, wenn  das  /'nach  der  bekannten  Regel  nicht  eingetreten  isf , 
H,  p'  bleibt  k  in  68  Fällen:  KOAkma  u.  s.  w.  12  mal,   ropkma  4, 

AHBklllE   CA   1,    HSBaBAkLUEMk    J,    HCnA'kHklUE   1,    MkHkUJH\"k   Mk- 

HkUJkMH  2,  ocraBkiue  ocTaBAkuie  u.  s.  w.  10,  noKaoHkiii«  no- 
KACtHkmaM'k.  2,  npHCT;^nkiija  u.  s.  w.  18,  pas^'kakiue  1,  ckTBO- 
pkiue  u.  a.  12,  OYtSBkUJf  1,  -kBAkma  1,  ;k,ptBkHHH\"K  2  (das  Er- 
weichungszeichen, das  im  Codex  nicht  geschrieben  wird,  habe  ich 
der  Deutlichkeit  wegen  eingesetzt);  t».  ist  ganz  vereinzelt:  ocTa- 
BAikUja,  AptB'kHHHMT».  (2  mal).  Man  sieht  jedenfalls,  dass  nach 
a"  h  p"  das  k  festgehalten  wird  vor  folgender  Silbe  mit  hartem  wie 
mit  weichem  Vokal ;  in  diesem  Punkte  herrscht  also  Uebereinstim- 
mung  mit  dem  Zographensis,  d.  h.  der  Schreiber  des  Marianus  hat 
die  alten  Formen  getreu  bewahrt,  auch  wo  er  das  k,  wie  etwa  in 
BOAkUja  rop'kma,  nicht  mehr  sprach.  Auf  die  andern  palatalen 
Consonanten,  mit  denen  es  eine  besondere  Bewandniss  hat,  komme 
ich  unten. 

3)  Anzuknüpfen  ist  zunächst  die  Frage,  wie  es  sich  verhält 
mit  der  Bewahrung  des  k  vor  folgenden  palatalen  Consonanten 
(s.  0.  S.  324).  Gegenüber  der  sonstigen  Gleichgiltigkeit  gegen  'k 
und  k  vor  folgenden  weichen  Silben,  z.B.  HacA'k.A.'kHHK'k,  npaßi».- 
A'fe  u.  s.  w.,  zeigt  sich  vor  h  a  p  mit  grosser  Regelmässigkeit  das 
alte  k:  BAHH;kH/ivi>fv  (2),  BkH-RmTkHff  (2),  B'kH;i;TpkHfe  (3),  ji,o- 

lUiamTkHHH  -H/SVf/Ä  (2),  ^•»^MKkH'fearO  (1),  KpOlUI'tlUTkHIil^liR  (3), 
lUlkHHH    U.S.W.    (12),     nC»CA'R;V,kHHH    (26),     nptAI^Hff    U.S.W.    (4), 

np-KMkHiT^rT^  (1),  nkp'S  pacnkp'R  c;f»nkp'K  (7),  ckB/ftakH-k  (2), 
TkAt  (3),    o^TpkHHH  (3),   72  Fälle;  denen  gegenüber  mit  'k : 

APfB'kHHHM'k  (2),  M'kHHH  U.S.W.  (3),  OC'kA"H  (1),  Oyxp'k.HHH  (1). 
B'k-(Bk-)H'KmTkH£«  -HHHMk  (2),   B'kllU'kHliarC»  U.S.W.  (11),   HHJK'k- 

H'Karo  -HH\"k  (2),  also  22  Beispiele  (unberücksichtigt  ist  geblieben 
HCKpTvHHH,  weil  hier  die  Schreibung  der  p^k-,  pk-Silben  hinein- 
spielt), davon  aber  15  mit  iut  lu  jk  vor  k.  Das  führt  nun  zu  der  oben 
ausgelassenen  Betrachtung  der  Wirkung  der  palatalen  Consonanten 


Die  Vokale  i.,  b  in  den  Codices  Zographensis  und  Marianus.        335 

ausser  a  h  p :  m  jk  uit  tkjs,  u,  (s)  auf  folgendes  k.  Dies  kann  nach 
hnen  erhalten  bleiben  und  wird  in  Befolgung  älterer  Tradition  und 
älterer  Vorlage  geschrieben  vor  weichen  w^ie  vor  harten  Silben,  z.  B. 
epaH^KA'Ki,  K'kMKH'KiH,  rpHiuKHHK'K,  onKTa  u. S.W.,  cbcnsowohl 
aber  auch  KKH-kujTTvHff,  rpUiu'KHHK'K,  A'^-kh^'khh,  houjt'khIvH 
U.S. f.  Mau  kann  also  zunächst  daraus  gar  nichts  schliessen.  Nimmt 
man  aber  eine  bestimmte,  häufig  wiederkehrende  gleichartige  Wort- 
kategorie, so  löst  sich  die  Sache.  Ich  muss  dabei  etwas  weiter  aus- 
holen. Scheidet  man  aus  der  Menge  der  Adjektive  auf -khtv 
zunächst  einmal  diejenigen  aus,  wo  dem  -knix  ein  h  jk  iut  :K,i, 
vorangeht,  so  zeigt  sich  bei  den  übrigen,  dass  in  nur  12  Fällen  vor 
folgender  harter  Silbe   k  bleibt:   BOAkHJ  (1),  roY^i^no  (2),   ;\,o- 

BOAKHO    (1),     A*>'^<^K"^"<^f   (l)j     3aK0HkH0M0\f   (1),     HCTHHKHOf   (1), 

npanp;(^yi,kH;i>i7^  (1),  ck^P'^"^"^  (^)>  c;R/i,kH'KiH  (1),  tkmkho  (2); 
dagegen  steht  in  170  Beispielen  t^,  z.  B.  ka;rat^m*^>  ka'Ra'^h^V' 
KP'kMtHTvHOY,  H3B'kcT'kHC>,  AosikHaaro,  norp'tB'kHOY  U.S. f.  Die 
Beispiele  aufzuzählen  unterlasse  ich;  bei  der  angegebenen  Zahl 
kann  ich  mich  um  einige  Einheiten  verzählt  haben,  darauf  kommt 
es  nicht  an,  von  dem  Gesammtbestande  kann  sich  jeder  durch  den 
Index  überzeugen.  Wo  nun -kh- ausserhalb  der  obigen  12  Beispiele 
erhalten  ist,  steht  es  jedesmal  vor  folgender  weicher  Silbe;  die 
Zahl  der  Fälle  ist  sehr  gross,  gezählt  habe  ich  176,  wobei  natürlich 
die  K  vor  oder  nach  a  h  nicht  mehr  mit  gerechnet  sind.  Zur  Charak- 
teristik führe  ich  einige  Beispiele  an:  B'tpkH«  B'KpkHH,  B'kp'kH'ki ; 
A;^KaBkHH,  AA^KAB'kHo;  noA^BkHH  no^OB'kHO  -Ha  (16  mal  nur  so); 

CAAEkH-S,     CAAB'kHTJ     -H'klH)("K;      KaMCHkH'kEMk,     KaMtH'KH'klY'K  i 

paBkHti  -HH,  paB'kH'ki  -Ha  -HO.  Nimmt  man  endlich  dazu  die  Fälle, 
in  denen  vor  folgender  weicher  Silbe  -TiH-  erscheint,  so  beweist 
den  gegebenen  Zahlen  gegenüber  ihr  geringer  Bestand,  dass  es 
sich  nur  um  eineAbirrung  handelt;  es  sind:  B'tvC'kH'keMk  (1),  B'ks- 
raaB'KHHi^H  (1  ,  AO\fX'<>ßT^n'^"  (1),   nah iuit^hhkt».  (2),   HacA-K^Tv- 

HMKlk    (3),    HaCTaB-kHHMf    (4),     npaßC^'kHHK'k  (3),    npHCTaBTiHHKT». 

(2),  cB-kTHA-kHHK'k  (2),  cMOKOBiiHHU,a  (5;  -kHHU,a  steht  10  mal), 

C'kpEBp'kHHK'k  (1),     CkT-kHHKI».  (3),     TfM'kHHU.H    -U,A   (2;    -kHHl^a 

15  mal),  zusammen  30  Fälle.  Alles  das  zeigt,  dass  der  Codex  aus 
einer  Quelle  geflossen  ist,  die  in  diesem  Punkte  genau  so  beschaffen 
war  wie  der  Zographensis  oder  dessen  Quelle.  Ganz  anders  aber 
wird  das  Bild,  sobald  man  das  nach  m  :k  u.  s.  w.  stehende  -kHi». 


336  A.  Leskien, 

betrachtet,  hier  ist  auch  vor  folgender  weicher  Silbe  -'kh-  in  ausser- 
ordentlicher Ueberzahl  eingetreten.  Ich  stelle  alle  Fälle  zusam- 
men, wobei  die  als  Stichwort  gegebene  Form  zugleich  die  sonstigen 
Formen  des  Wortes,  wo  -'KH-  vor  weicher  Silbe  steht,  mit  bezeich- 
nen soll:  KpaM-kHHH  (1),  KTvHtUJT'KHfe  (3),  B'WUJ'KHtarO  (12), 
K'&M'kH'bEMb  (1),  rOpWIJJ'KHt  (1),  rp-KlUlvH-Kf Mb  (3),  rpUUi'KHHK'k 
(26),  A'^''»^^'^""'^'*»^  (5)>  K'kHHHiTvHHK'K  (41),  HHJK'KH'KarO  (2),  HO- 
H;'KHKI^a  (1),  HOUIT'KH'SH  (1),  H;i^»;/^'kHHL^H  (1),  npHCTpamiiHH 
(2),     R'tHAIK'KHHK'K    (1),     Cß'KUJT'KHHK'k    (4),     Tp'K:K'KHHK'k    (2). 

T'kic;riijt'khhk'k  (1),  I/AS'kim'khhi^h  (1),  das  sind  109  Fälle;  da- 
gegen ist  -KH-  erhalten:   ßT»,3MC»KkH0  (1),  ropo\fuJi^HO  -Hoy  (2), 

rp'feUJKHHK'K  (1),  A'^T»^^!*""  (U,  A'^'*»^^'»^""'^'^  (3),  HCTOMKHHK'K 
(2),  K'kHHH;h.HHK'K  (15),  H^A^^'^HHK'k  (2),  OBElUTkHHl^H  (1),  npH- 
AtTKhH'kt  (1),  n'bH/fVH^kHHKOM'k  (1),  Tp'kJKkHHK'K  (2),  T'KIC;SiUJTIi- 

HHKTs.  (1),  Y'kiiijtkhhi;h  (2),  jjÄS'kiMkHHKT».  (2),  zusammcu  37  Bei- 
spiele. Vergleicht  man  einen  bestimmten  einzelnen  Fall,  wie  ein- 
maliges rp'femkHHK'K  gegen  26 mal  rp'tiu'kHHKT».  und  stellt  dazu 
das  Zahlenverhältniss  der  -hH-  zu  -'kh-  ausser  der  Stellung  nach 
M  u.  s.  w.,  so  leuchtet  ein,  dass  für  den  Schreiber  des  Codex  oder 
den  seiner  Vorlage  nach  diesen  Consonanten  1%.  das  normale  war. 

Das  lässt  sich  noch  durch  zwei  andere  Vorkommnisse  stützen : 
1)  während  -hiu-  des  Comparativs  und  Particips  nach  a  h  p  sein 
h  behält  (s.  0.  S.  334),  geht  es  nach  m  jk  u.  s.  w.  in  i»,  über,  vgl. 
B'kSBpaiuT'kiu«  (5),     BksrH'tujT'klueM'K  (1),     B'ksaon^'kiiJf  (1), 

BTkSaOJK'kUJK»  (1),  BTvnpOllJ'kUJHHY'K  U.  a.  (8),  Kp'kUJT'kllJe  (1), 
aOVHT».UJH  (2),  HOLU'kUJ£  (1),  CTp'fellJTs>llJa  (2),  IIOl'lllT'kllJH  (1), 
POJKA''^^^  (=  P'^^Am    1)j    pOJKAT^^lAlf    -UiW  (2),    CTi.KpOYLU'KUUH  (1), 

OYK'feH^AT^^iAJ""'^''»^  (1)?  YOJKA''»^^'^  (0>  29  Beispiele;  dagegen  ist 
-km-  erhalten:  A^^canc^i^uJ«  (1),  KpkiuTkme  (2),  aoyHkiJUf  (1),  3a- 

CA;^>KAkLU<ftlift    -lUHH^Tk  (2),    OBpaUJTkllJH  (1),    npHBAHJKkUJIC»  (1), 

npHKAWHkiuK»  (2),  TpoY^Ai^iu«  (1),  also  in  11  Fällen.  —  2.  Mit 
der  beobachteten  Erscheinung  deckt  sich  das  Verhalten  von  ur- 
sprünglich auslautendem  k  nach  m  n;  u.s.w.,  auch  hier  der  Gegen- 
satz von  A  H  p  und  den  andern  alten  Palatalen:  in  über  120  Bei- 
spielen steht  nach  den  a  h  p"  das  k,  vgl.  B-kSBaa-k,  BT».3Aic>EA"k, 
AtiAaTfA'k,  HcnA'kHk  (part.),  npHCT;i^nk  (= -nA'^k,  19 mal),  c'kB'S- 
AliTfAk,  c'kTBopk,  orHk  u.  s.  f.,  dagegen  t».  nur  in  B'KRA'k  (1), 
KopaB'k  (4;  15mal  KOpack)  KopacA'K  (1),  cphti  (2;  ISmal  orHk), 


Die  Vokale  i.,  b  in  den  Codices  Zographensis  und  Marianus.        337 

nacTTüpT».  (2  ,  np-twAOM-K  (pait.,  1),  pasAt^^-K  (part,  1],  n-kcapTv 
(22mal,  1 2 mal  -pk),  dessen  Häufigkeit  sich  einfach  durch  das  Hart- 
werden des  p  erklärt,  die  bewahrten  -pu  sind  Erhaltung  der  Schrei- 
bung einer  älteren  Vorlage,  wie  das  p  in  ulicaplv  ivlvcap^».  Sobald 
man  aber  wortanslautendes  k  nach  m,  uj,  ;k,  ujt,  ik/i,,  u,,  s  be- 
trachtet, beginnt  das  Schwanken  mit  grossem  Uebergewicht  von  i% 
(270  "K,  94  k):  ein  -i^k  kommt  überhaupt  nicht  vor,  Hauj'k  ßauiii 
stehen  immer  so,  zusammen  gegen  40 mal,  vgl.  noch  ß'ksrAaui'K, 
OKpauJT'K  (12mal,  OKpauiTk  3mal),  ß'kcaiKATv,  n-tHAS'k  (8mal, 
vgl.  zur  Härte  des  s  a.  pl.  ii'kH/AS'Ki],  K'KHAS'K  (8mal,  KT^HASk 
einmal)  u.  s.  w.  Es  sind  also  diese  Consonanten  für  den  Schreiber 
oder  einen  seiner  Vorlage  hart,  daher  das  is..  Wenn  öfter  noch 
k  nach  ihnen  steht,  z.  B.  M;*;H;k  (17  mal),  M;iiJK'K  (IGmal),  so  hat 
hier  noch  die  älteste  Quelle,  die  diese  Verhärtung  nicht  kannte, 
nachgewirkt.  Die  beschriebene  Wirkung  des  m  u.  s.  f.  bildet  einen 
starken  Gegensatz  gegen  den  Zographensis,  der  sie  gar  nicht  hat. 
Es  ist  vielleicht  nicht  nutzlos,  da  einmal  vom  Wortauslaut 
die  Rede  war,  diesen  überhaupt  etwas  näher  zu  betrachten.  Bei 
den  alten  k-Stämmen  und  den  auf  k  auslautenden  Adverbien  hält 
der  Codex  in  beträchtlich  über  600  Fällen  das  k  fest;  sie  aufzu- 
zählen, hätte  keinen  Wert,  ich  gebe  nur  einige  charakteristische 
Beispiele:  42mal  KkCk  (Dorf)  und  Rkck  (omnis),  4mal  ßkci».;  80 mal 
^kHk  (^fHk),  1  mal  ;k,eH'k,;  23mal  Kat.ifHk,  ImalKaMCH'k:  ITmal 
uaTfpknurso;  14mal  na'kTk,  4mal  na'kT'k;  25mal  n^Tk  nur 
so;  17mal  n;^Tk,  4mal  n;^^^;  20mal  ce^Ok  nur  so;  13mal  3a- 
noß'S^k,  Imal-A'k;  17mal  ßaacTk,  Imal  EAacTi^;  lOSmal  ck, 
15  mal  Ck.  Von  t».  am  Ende  der  betreffenden  Formen  habe  ich 
137  Fälle  gezählt,  darunter  39 mal  rocno;i,'k,  erklärlich  durch  die 
Flexion  rocno;4,a  u.  s.  w.  (28  mal  steht  rocnoAk).  Die  palatalen  s 
u.  s.  f.  lassen  in  diesem  Falle  meist  auch  k  nach  sich  bestehen, 
doch  nicht  ganz:  HOUiTk  11  mal,  HOiur-k  5 mal,  p'tHk  2mal,  Imal 
p'kMTk.  ^lan  kann  also  sicher  sagen,  dass  eine  Tradition  verbun- 
den mit  dem  Bewusstsein,  dass  diese  Wörter  einer  bestimmten 
grammatischen  Kategorie  angehören,  hier  wie  auch  in  andern  alt- 
kircbenslavischen  Quellen  das  k  im  Auslaut  der  e'-Stämme  festge- 
halten hat  auch  da,  wo  offenbar  der  Schreiber,  wie  hier  der  des 
Marianus,  ebenso  gut  hätte  t».  setzen  können  und  es  in  einer  immer- 
hin beträchtlichen  Anzahl  von  Fällen  auch  tbut. 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXVH.  22 


338  A.  Leskien, 

3.  Die  AuseinaudersetzuDg  unter  2.  habe  ich  angeknüpft  an 
den  Umlaut  bei  den  Adjektiven  auf -kH^K,  um  an  einem  Falle,  der 
in  so  zahlreichen  Beispielen  vertreten  ist,  zeigen  zu  können,  wie 
es  mit  dem  Umlaut  von  k  zu  'K  vor  harter  Silbe  steht.  Es  müssen 
noch  die  Fälle  ausser  jenen  Adjektiven  betrachtet  werden.  Wäh- 
rend im  Zographensis  -kck-  vor  harten  Silben  unverändert  bleibt, 
ist  das  hier  nicht  der  Fall;  die  Beispiele,  in  denen  'k  steht,  über- 
treifen  die  mit  k  fast  um  das  Dreifache  (45:  17)^  beispielsweise 
raA<»pHHT»^CK;K,  «AHH'kCKa,  AarHH'KCK'Ki,  pHiiiini,cKaMH.  Im  Gegen- 
satz dazu  bleibt  -kCK-  vor  folgender  weicher  Silbe  in  der  Ueberzahl 
der  Fälle  unverändert :  roMopkcij^lvH  (1),  fAeoHkcii,1i  (4),  /\K>,\kcu,Hii 
(4),  MopkCT'K  (3),  CHAoraMkci^'t  (1),  C(5a«"^'i»cU'S  (2),  TaBopkt:- 
Akcu,tyk  (1),  MactßliHkcii,1vrjk  (l);  t».  nur  in  «AfOH'kcn'k  (1),  hhs- 
poycaaHU'KCLili  (1),  Hop^aH'kCL^Ii  (2),  fifHHcaprr-kci^t  (1).  Aehn- 
lich  verhält  es  sich  mit  -kCTßC»,  die  Schreibung  schwankt,  indess 
steht  auch  hier  von  harten  Silben  36  mal  -'kCTKC,  vgl.  z.  B.  ^i^li- 
K'KCTKa,  .\;*\Kaß'kCTßO,  HacA't^V'k.cTBOYKR,  Hfßlip'kCTßO,  nur 
9mal  k,  z.B.  nn-knkCTßO,  HfßljpkCTßc;  bemerkenswerth  ist  aber, 
dass  -kCTßH«  fast  regelmässig  k  behält:  KoraTkCTßH«  (2),  ahyoh- 

MkCTßllC    (1),     HEß-kpkCTßHC    (2),     OTk(f)MkCTBHf  (6),     WOZU    UOCh 

kommt  ii,1icapkCTßHf,  das  so  nie  ausgeschrieben  ist,  dagegen  öfter 
als  n'ScapfCTBHe  d.i.  -kCTBHf;  die  Schreibungen  ßaa^'KiH'kCTBHf, 
OT'kM'KCTBHe  siud  uach  der  Regel  o.  S.  336  normal. 

Bei  den  Formen  der  Wörter  auf  -kii,k,  ki^f,  ki;a  herrscht  das 
grösste  Schwaaken  zwischen  'k  und  k  vor  hartem  wie  vor  weichem 
Vokal  nach  i^,  wenn  auch  die  Zahl  der  "k  (81)  die  der  k  (57)  über- 
wiegt. Als  Beispiele  seien  angeführt:  rpa;\,ku,A  und  rpa;k,'ki;/A ; 
M'kiiLns.i;a  M'kiLUi<i.u,ci;^;  oßki;/Ä  (4 mal)  c»B'k^/A  (18 mal);  OTku,a 
-^l<^  -u^iy^k,  -n,H  (zusammen  7  mal),  OT'kii,a  -i^n.ik  -u,k>  -uov;  -u,u 
(29 mal);  ca'knkna  und  CA'kll'K^a;  cp-k^ku.f  cp'k^i.ki^HY'k  und 
cpTs.^k,!*!^«  cp'k,\'Ku,n\"K.  Ich  möchtc  dies  Schwanken  nicht  auf 
blosse  Gleichgültigkeit  gegen  'k  und  k,  das  in  solchen  Silben  vom 
Schreiber  nicht  mehr  gesprochen  wurde,  zurückführen,  sondern 
annehmen,  dass  die  Erscheinung  des  'k  zusammenhängt  mit  der 
Entpalatalisirung  des  n,  wodurch  die  so  anlautende  Silbe  hart 
wurde.  Dafür  spricht  einmal  das  oben  erwähnte  beständige  -i^'k 
im  Auslaut  für  altes  -ij,k  und  die  so  häutigen  Fälle  von  OT'Ki;a, 
Oß'kH/Ä. 


Die  Vokale  -h,  i.  in  den  Codices  Zographensis  und  Marianus.         339 

4.  Zuletzt  sind  uoch  die  einzelnen  Wörter  wie  TKMa  u.  s.  w. 
und  die  mit  seltenen  Suffixen  wie  -k,\^^  zn  betrachten.  Dabei  muss 
man  sicli  auf  häufiger  vorkommende,  gleichartige  Falle  beschrän- 
ken, denn  bei  der  Beschaffenheit  des  Codex  kann  man  bei  mehr 
vereinzelten  Beispielen  niemals  ausmachen,  ob  eine  zufällige  Ab- 
weichung oder  Befolgung  einer  Regel  vorliegt.  Die  Infinitivstämme 
von  B'i^paTH,  AT^P'^TH,  nKpaTM,  cT'k/\aTH,  STvA^^TH  stchcn  regel- 
mässig so,  in  runder  Zahl  zusammen  60  Beispiele,  dagegen  i%  nur 
in  c'kKKpauiA,  CKKkpaAh.,  CKKkpa,  also  dreimal,  wohl  keine 
Alterthümlichkeit,  sondern  eine  Abirrung  des  Schreibers;  iun»..3A*^ 
in  den  hierherzuziehenden  Formen  13 mal,  MkSA^»  3mal;  K'kAOßa 
B'kA<^i^Hi|,a  14  mal  immer  so  (doch  s.  die  Bemerkung  o.  S.  323); 
TT^Ma  in  den  Formen  vor  harter  Silbe  12 mal,  und  wie  im  Zogra- 
phensis erscheint  auch  ttvMIv  7  mal  gegen  einmaliges  tkm'K  ; 
npaß'KA^  vor  harter  Silbe  11  mal,  dagegen  vor  weicher  npaßkA^ 
onpaßk^HTH  7 mal  (neben  je  einmal  npaß'k/k.'R  onpaßT^AHU^H); 
cßliTTvAC»  7  mal  nur  so. 

Die  Vergleichung  der  Gesammtbeschaffenheit  der  Handschrif- 
ten ergibt,  dass,  da  Zograph.  und  Marianns  nicht  einer  aus  dem 
andern  stammen,  beide  auf  eine  Quelle  zurückgehen,  die:  1.  eine 
umlautende  Wirkung  von  'k  auf  k  der  vorangehenden  Silbe  nicht 
hatte,  sondern  nur  die  vollen  weichen  Vokale  (darunter  k  =  späterem 
()  so  wirken  Hess;  2.  die  den  Umlaut  hatte  a)  in  den  Adjektiven 
auf -kHi».;  b)  in  bestimmten  einzelnen  Wörtern ,  sicher  in  TT^Ma, 
B'K.VCßa,  ykSA*»,  npaß'k.V'»)  den  Infinitiven  E'kpaTH,  ;k,'kpaTH, 
R'kpaTH,  CTTvAaTH,  .s'kA'^THj  ^^  cß'RT'kAo;  ob  noch  weiter,  ist 
aus  der  Vergleichung  des  Marianus  nicht  sicher  zu  entnehmen; 
3.  der  Marianus  hat  einige  Erscheinungen,  die  im  Zographensis 
nicht  vorkommen  oder  zweifelhaft  sind:  a)  die  Ausdehnung  des 
Umlautes  auf  -kCK-  (fehlt  Zogr.)  und  -kCTßO  (Zogr.  zweifelhaft); 
b)  Marianus  hat  die  alte  Regel,  dass  vor  und  nach  palatalen  Con- 
sonanten  k  unverändert  bleibt,  nur  noch  bei  a  h"  p",  lässt  dagegen 
abweichend  von  Zogr.  nach  m.  jk  u.  s.  w.  k  in  Tv  übergehen. 

B.  Umlaut  von  T\  zu  k  vor  folgender  weicher  Silbe. 
I.  Die  Fälle  ausser  den  Präpositionen  bt».  bt%3-.  Die  Ueber- 
einstimmuugen  mit  dem  Zographensis  bestehen  in  folgendem : 

a)  negativ,  in  dem  Unterbleiben  der  Wandlung  der  'k  zu  k 
nach  gewissen  Consonanteu  und  in  gewissen  Wortkategorien ,  und 

22* 


340  A.  Leskien, 

zwar:  1.  Die  Präpositionen  ktv  und  ck  bleiben  unverändert;  es 
kommen  zwar  einige  Kk  vor,  Kk  iht».h'6  M  1.  28,  Kk  Hfiuio^  M  13.2. 
26.  7,  L  5.  33,  8.  4,  ebenso  einige  Ck,  ckHEiui-k  M.  26,  59,  ck  muh 
L  10.  37,  ckHMHLUTa  M  6.  2,  aber  diese  bedeuten  gegenüber  der 
ungeheuren  Masse  von  Ck  K'k  eben  so  wenig  wie  die  paar  Fälle, 
in  denen  auch  andere  auf  Tv  auslautende  Präpositionen  k  zeigen: 
^\A,^,h.  Hk  L  10.  37,  H3k  whocth  L  18.  21,  np'R;i,k  MiHtWK  L  9.  52. 
np-S^k  HHMH  J  12.  37,  np-k.vk  H^A^uJTfH  L  18.  39  (über  np'k^.k 
vgl.  oben  S.  331).  —  2.  Nach  k  und  c  unterbleibt  überhaupt  die 
Wandlung,  daher  regelmässig  K-kHHra,  K'kHAS'k,  K'k^e,  c'kAi* 
u.  s.  w.,  CTkRH-,  c'kM'kTH,  ckT'lv.  Auch  hier  finden  sich  einige  k 
neben  der  Masse  der  'k:  KkHii/KkHHi^H  M  23.  27,  KkHHr'ki  J  10.35, 
19.  37,  KkCHHT'k  KkCH/ÄUiToy  M  24.  48,  25.  5,  L  12.  45  (aber 
K'kCH'kauiE  Ll,21),  KkH<fvSM  Ma3.  22,  KkHASOv;  L  12.  58,  KkH/fisiv 
J  12.  42,  Kk^e  J  20.  13,  nockAJTk  J  14,  26,  ckH-k  M  27.  19,  die 
Verschreiöung  ckC'kU.H  L  23.  29.  Ein  Verzeichniss  der  Fälle  mit 
erhaltenem  'k  zu  geben,  wäre  unnütze  Papierverschwendung,  jeder 
kann  sich  durch  den  Text  oder  den  Index  vergewissern,  wie  regel- 
mässig in  den  betreffenden  Wörtern  'k  geschrieben  wird.  Die 
wenigen  Beispiele  von  k  stehen  auf  demselben  Boden  wie  z.  B.  das 
öfter  wiederkehrende  luikHor'k,  sie  sind  Abirrungen  des  Schreibers 
oder  Ausfluss  einer  Stumpfheit  gegen  die  richtige  Stellung  von 
Tik,  k.  —  3.  In  A'kJKk  und  seinen  Formen  bleibt  'k;  AkH;k  nur 
J  8.  44.  —  4.  Im  Participium  auf  -t^uj-  bleibt  'k;  davon  einige 
kaum  nennenswerthe  Ausnahmen:  LUEAkiiiE  M  13.  28,  L  17.  14, 
1i.A,kLUTv  M  15.  32,  nponkHkuif  M  27.  35.  —  5.  ß'k.s'knHTH  wie 
B'kRHTH  bleiben  so,  und  es  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  der  Codex 
auf  eine  Vorlage  zurückgeht,  die  hier  'k  hatte:  von  K'kS'knuTH 
kommen  24,  von  R'knnTH  12  Fälle  mit  1%.  vor,  mit  k  nur  KknHlvY;^ 
Ma  11.  9,  L  13.  21,  B'kSknMUJ/Ä  Ma  15.  12,  BkSknn  M  27.  46.  — 
6.  ^i.'kmTM  mit  seinen  Formen  hat  nur  'k,  obwohl  öfter  vor- 
kommend. 

Man  kann  natürlich  noch  eine  Anzahl  Fälle  aufzählen,  in 
denen  t».  ohne  Wechsel  mit  k  steht,  wie  KfT'kC'k  M  9.  16,  ,^1^- 
JK^HTTs.  M  5.45,  HSA'kiuf  Ma  15.  37,  L  23.46,  K'kHfA'k  L24.42  u.a., 
es  hat  aber  keinen  Werth,  da  man  hier  vor  dem  Zufall  nicht  ge- 
sichert ist. 

b)  Nach  der  positiven  Seite  stimmen  Zographensis  und  Ma- 


Die  Vokale  t,  i.  in  den  Codices  Zograpliensis  und  Marianus.        341 

rianiis  Uberein  in  der  Wandlung  von  'k  zu  k  in  folgenden  Fällen 
ausserhalb  der  Präpositionen  K'k  kt^s): 

;i,kRlv  ^v'^^'l^Ma  an  denselben  Stellen  in  Zogr.  wie  Mar.  M  10. 
29,  L  3.  11,  17.  35,  J  2.  6  (im  Text  Zogr.  A'»^R''i"*»:  die  Lesung  ist 
unsicher),  0.  7,  9;  an  den  andern  Stellen,  wo  die  beiden  Formen  im 
Mar.  mit  k  stehen,  M  5.41,  6.  24,  9.20;  14.  17,19;  18.8,9;  21.28, 
24.  41,  Ma  5.  25,  16.  12,  schreibt  der  Zogi*.  das  Zahlzeichen  oder 
AB-  A'ß-  oder  der  Passus  fehlt  ihm;  J  1 1.  9  steht  eine  andere  "Wen- 
dung mit  ;k,'KKi\.  Dagegen  ist  auch  im  Mar.  x^^<^  die  stehende 
Schreibung,  vgl.  den  Index,  wo  nur  einmal  ^KKa  vorgezeichnet  ist. 

3KAlv  M  17. 15  (fehlt  im  Z.),  L  3.  19  (Z.  ebenso),  skah  L  11. 13 
Z.  ebenso). 

BkHt  M  26.  69,  Ma  1.  45,  3.  31,  32;  11.  4,  L  1.10,  8,  20  (an 
diesen  Stellen  Z.  ebenso;  KkH-k  J  20.  11  fehlt  im  Z.);  ßkHHf7i.A0V 
M  23.  27,  28  (fehlt  im  Z.];  KkHUiUTkHfe  L  11.  39  (Z.  ebenso). 

Formen  von  Kk^-feTH  mit  k  in  Z.  und  M.:  M  25.  13,  26.  38, 
40,  41,  Ma  13.  34,  35,  37;  14.  34,  38,  L  2.  S,  12,  37,  39;  21,  36. 

Beispiele  dieser  Wörter  mit  i».  bei  folgender  Silbe  mit  wei- 
chem Vokal:  S'KAH  M  12,  34,  a-kA-k  M  15.  22,  L  7,  7,  wo  Zogr.  k 
hat;  s-kA-k  M  21.  41  fehlt  dem  Z.  —  at^kU  AT^ß^iMa  M  18,  8 
fehlt  Z.),  M  6,  9,  Ma  5.  13,  6.  37,  12.  42,  L  14.  31,  16.  13,  J  21.8, 
an  diesen  Stellen  Zogr.  k;  A'»^ß'*^  L  21.  2  (Z,  im  Text  ebenso,  doch 
ist  das  'k  unsicher);  an  den  übrigen  Stellen  M  5.  12,  Ma  6,  38,  41; 
9.  45  hat  Zogr.  Zahlzeichen  oder  ^ß-. 

B'kH'kiiJT'kHef  Ma  4.  11  (fehlt  Zogr.),  K'kHtujTkHce  L  11.  40 

Z.   BkH-). 

Was  sonst  vorhanden  ist,  sind  einzelne  Beispiele:  nkTHUH 
M  10.  29  (Z.  HTHUH),  MkllJM^;F.  M  23.  24  (Stelle  fehlt  im  Z.),  npc- 
MkHC  M  28.  15  (Z.  ebenso),  ov'MkBfnaina  Ma  7.  2  (Z.  'k),  TkiuTk 
Ma  12.  3  (Zogr.  -k),  saKkßfHa  L  12.  6  (Z.  -k),  obka«  L  17,  21  (Z. 
ebenso),  HrkAHU-t  L  IS.  25  (Z.  t».),  p'kn-kuiTHT«  p-kiiiiiuT/iiT'k 
J  6.  43,  7.  32  (Z.  beidemal  'k),  AWKkBk  AioKkBe  AK>BkBH  J  5.  42, 
13.  35,  15.9,10, 13  (Z.  nur'k).  Die  ganz  vereinzelten  Fälle  können 
nicht  in  Rechnung  gezogen  werden:  das  Wort  ii'kTHU.a  wird  ausser 
der  angeführten  Stelle  und  ii-kTHU'k  L  12.  7  (Z,  nkTHU,k)  abge- 
kürzt iiTHi;-  geschrieben,  neben  ov'MkBtHaMa  steht  zweimal  ov'M'k- 
BfHaMa,  neben  TkUJTk  dreimal  T'kiuTk  ('k  kann  hier  nach  der 
Ptegel  S.  323  überhaupt  nicht  umgelautet  werden),  neben  OBk^f 


342  A.  Leskien, 

zweimal  OK'k^e,  neben  htkahhIv  zweimal  ht'kahh'S;  auch  die 
Gleichheit  des  Zogr.  und  Mar.  in  npoMkHf  kann  ein  Zufall  sein. 
Dass  man  endlich  nicht  weitgehende  Schlüsse  aus  dem  -kß-  der 
y-Stämme  ziehen  kann,  zeigt  einmal  AWKkßk  (neben  awe'KBTv 
L  11.  42),  wo  'k  sich  vor  -Bk  überhaupt  nicht  verändern  konnte 
(vgl.  CKfKpoßk  L  12.  53),  daneben  HeiiAo;i,'kßH  L.  1.  36,  23.  29. 

Aus  den  obigen  Zusammenstellungen  wird  klar,  dass  beide 
Codices  hervorgegangen  sind  aus  einer  Quelle,  die  Umlaut  t».  zu  k 
hatten  in  Ai^ß'*^  ^kß'feya,  3k/\H  SkAt,  ßkHlv,  Ek;k,1vTH.  Der 
Zographensis  ist  in  dem  k  hier  überhaupt  konsequent,  der  Marianus 
nur  bei  ßkN-K  und  Kk,\1vTM  ,  die  beiden  andern  Wörter  schwanken 
stark.  Das  kann  auf  einem  Schwanken  der  gemeinsamen  Quelle 
beruhen,  das  im  Zographensis  ausgeglichen  wurde,  kann  natürlich 
auch  auf  üngenauigkeit  des  Marianus  beruhen;  das  ist  nicht  auszu- 
machen, sicher  nur,  daß  in  der  älteren  Vorlage  ,\hE,'k  u.  s.  w.  be- 
standen haben.  Tm  ganzen  ist  die  Uebereinstimmung  der  beiden 
Handschriften  in  dem  Umlaut  'k — k  nach  der  negativen  wie  posi- 
tiven Seite  so,  dass  mir  kein  Zweifel  bleibt,  es  gehöre  die  Erschei- 
nung in  ältere  Zeit.  Um  so  verkehrter  wäre  es,  aus  ihr  ohne 
weiteres  Schlüsse  auf  den  Lokaldialekt  eines  Schreibers  zu  machen. 

II.  Das  Verhalten  der  Präpositionen  ß'k  kt^s-  vor  fol- 
gender weicher  Silbe.  Hier  schwankt  der  Codex  wie  der 
Zogr.  zwischen  ßi».  und  ßk,  ß'ks-  und  ßks-,  aber  nicht  in  gleicher 
Weise,  er  hat  an  vielen  Stellen  ein  k,  wo  Zogr.  t».  hat.  Dennoch 
bekommt  man  bei  genauer  Vergleichung  den  Eindruck,  dass  beide 
Handschriften  aus  einer  Quelle  stammen,  die  ungefähr  an  denselben 
Stellen  'k  oder  k  gehabt  hat.  Den  Vergleich  durch  den  ganzen  Text 
durchzuführen,  würde  hier  zu  viel  Raum  einnehmen,  ich  gebe  daher 
nur  einige  längere  Stelleu.    ]\[an  vergleiche  z.  B.  Joh  c.  8 — 12: 

übereinstimmend  ß'k,  R'kh  haben  Zogr.  und  Mar.  an  folgenden 
Stellen:  ß'k  np'ki\K>KOA'liaHH  8.  4,  ß'k  T'kyK  8.  12,  ß'k  rp-kcKY'k 
(bis)  8.  24,  9.  34,  ß-k  HHpt  8.  26,  9,  5,  ß'k  Hsro  (Z.  ß'k  Hk)  8.  30, 
ß'k  ßtK'k  8.  35.  51.  52;  10.  28,  1 1.  26,  ß'k  MHp-k  9.  39,  10.  36,  ß'k 
npHTopt  10.23,  ß'k  urkHlv  10.  28,  ßk  ,i,»^mh  U.  9,  ß'k  ,\w»(  11.9, 
ß'k  BHTaHHiÄ  11.  17,  ß'k  lU/Sv  11.  25.  26,  B'kSkUi'kTe  11.  39,  ß'k 
H'K  (=  Hk)  11.  48,  B'k3'ky;^T'k  11.  48;  —  für  ßk  ßkck  UHpk 
11.  27  hat  Zogr.  ß'k  ünp'k; 

übereinstimmend  ßk,   ßk3-:    ßk  ntuh  8.44,   Bk3/AC<A  8.59, 


Die  Vokale  £,  l  in  den  Codices  Zographensis  und  Marianus.         343 
10.31,  11.41.  Rh  Hii\"k  0.16,  RK3eM/\niiH  19.24.  KkHH,\<T'k(bis) 

10.  9,    KkCKp'kllJfHHf    11.   25,     ßk  CfKk    11.   38,     Kk3Ke,V,t    11.   41,    Kk 

i\(rc<  II.  45,  Kk3ii,\,;si  11.  55; 

Marianus  hat  'k,  Zogr.  k:  R'K3»iiiTiTi  8.  21  (Lesung  k  in  Z. 
unsicher],  irkSHtcere  8.  28,  R'k  H«rc»  9.  3(3,  10.  42. 

Marianus  hat  k,  Zogr.  t».:  Kk  npUAiCKOA'li'JHHH  8.3,  Kk  rp'kck 
8.  21,   Kk  Hk  8.  31,  KkM'kiiiTaar'k  8.  37.  Kk3kMrr'K  10.  18,  ßkc- 

KpIvlUfHH«   11.  24,    Kk   KfCk   11.   30,    KkCKpkCHfT'k    11.  24, 

Im  Marianus  ist  ein  Ueberschuss  von  k  vorhanden,  trotzdem 
stimmt  er  in  der  Erhaltung-  des  'k  bis  auf  4  (3)  Stellen  mit  dem 
Zographensis  zusammen. 

Selbstverständlich  ergeben  sich  aus  andern  Stellen  andere 
Verhältnisse,  vgl.  die  beiden  ersten  Kapitel  Lukas : 

übereinstimmend  im  i^  beide  Codices  an  folgenden  Stellen: 

KT»,  ^hH\i  1.5,  KTx  MHHOr  1.  8,  ß'klUf^V'kmW  1.  9,  K'KUJf.V'^  1.28, 
KT».  ;K{Ha\"K   1.28,  K'k.U.'kCapHT'k  1.33,  K'k  K-kK'kl    1.  33,  K'k  KkCfH 

1.  65,  K'K  Hf3aan/i;  2.  13,  Kk  ,v,i^nf\'''*^  -•  '^^5 

übereinstimmend  im  k:  Kk  H/äike  1.  25,  Kk  cfß'k  1.  29,  Kk 
Hp-kK-k  1.  31,  2.  21,  RkHH;i,e  1.  40,    Kk3Hrpa  1.  41,  44,    Kk3KfAH- 

MHA-K    1.  58,     Kk3AßHJK£    1.    6),     Kk    HH\"k>Ke    1.   78,     ßk3H;\6  2.  4, 

Kk  HHY'K  2.  9,  KkK'kcTf  2.  27; 

Marianus  'k,  Zogr.  k:  K'k  Kp-kr.i/A  1.  20,  kt».  lUfCT'ki  1.  26,  K'k 
Hp'kK'k  1.  41,  K'k.  JKeHay-k.  1.  42,  K'kSHtce  1.  52,  K'k.3H'kC/Ä  2.  22 
(Z.  k  zweifelhaft),  K'k  \huw  2.  25,  K'kSHCKaiiRUJTa  2.  45; 

Marianus  k,  Zogr.  'k:  Kk  ,i,kHJ\"h.  1.  7,  18,  Kk  ;i,kHH  1.  25, 
Kk  T'kM'k  1.  79,  Kk  Ahmt  2.  1,  Kk  TkY'K  2.  49. 

Die  Fälle  des  Plus  von  k  im  Marianus  sind  bis  auf  Kk  T'k\'k 
solche,  in  denen  der  Zographensis  überhaupt  kein  Kk  haben  kann 
(S.  323),  und  ich  komme  hier  auf  die  Frage,  ob  sich  aus  dem  Ma- 
rianus noch  beobachten  lässt,  dass  die  Regel,  nach  der  vor  stumm 
werdendem  k  der  folgenden  Silbe  kein  Wechsel  von  'k  zu  h  vor- 
kommt, auch  hier  gegolten  habe.    Fälle  wie  Kk  BkCH,  Kk  Hk  (Hk), 

Kk  ;i,kHf\"k,    Kk  T'kUl-k.    Kk3kp'kK'k.    Kk   KkC'kK'k,    Kk   ükH'k    siud 

häutig  genug  neben  Kk  ,vt^HH,  ^'^  m*,  Kk  r.i'kH'k,  K'k  T'kU'k,  K'k 
K'KC'kKO  u.  a.  Ich  zähle  sie  hier  nicht  auf,  weil  ich  meine,  es  lässt 
sich  erweisen,  dass  die  Kk  Kk3-  an  solchen  Stellen  nicht  auf  einem 
lautlichen  Vorgang  beruhen ,  sondern  einfach  in  der  Unsicherheit 
des  Schreibers  gegenüber  'k  und  k  begründet  sind,  hier  begünstigt 


344  A.  Leskien, 

durch  die  Gewohnheit,  das  ßh  bks-  in  vielen  andern  Fällen  vor 
folgendem  weichem  Vokal  zu  schreiben.  Wäre  nämlich  ein  bk 
/k,kHH  u.  s.  w.  einmal  wirklich  vb  chni  oder  vh  dni  gesprochen  wor- 
den, so  hätte  es  bei  weiterer  Entwicklung  te-dni  ergeben  müssen; 
irgend  eine  Spur  einer  solchen  Weiterbildung  mUsste  vorhanden 
sein,  es  ist  aber  nie  der  Fall,  vielmehr  steht  in  allen  gleichartigen 
Fällen,  wo  die  Quelle  dem  späteren  Lautbestande  nachgibt,  bo  bos-, 
d.  h.  es  ist  bt».  b'ks-  von  alter  Zeit  her  erhalten  geblieben,  t^  nicht 
zu  K  geworden,  z.  B.  bo  BKcei  M  6.  29,  L  12.  7,  bo  Bkcnjik  J  13.  1, 
BO  Bkc1i\"K  L  9.  48,    BO  BkC/Ä  L  9.  13,   ßo  Bkc;s\  M  1.  28,  L  2.  3, 

6.  12,  BO  A>^"H  24.  37,  L  6.  12,  bo  Hk  Ma  7.  15,  L  8.  30,  J  2.  11, 

7,  31  (u.  s.  w.  s.  Jagic  S.  428),  BOSkMH  M  9.  7,  boch1vKT».uik»  (wo 
zu  denken  ist  BOCk-kETviuio)  M  13.  6.  Wenn  die  Präposition  vor 
k-Silben  steht,  deren  k  in  der  späteren  Entwicklung  nicht  ausfällt 
(zu  E  wird),  kann  wie  im  Zogr.  Bk  stehen,  z.  B.  Bk  A*^"*^  (A^mi*)? 
Bk  TkMkHHij|,H  (TfMH-).  Ich  kommc  daher  zu  dem  Resultat,  dass 
sowohl  dem  Zogr.  wie  dem  Mar.  eine  Quelle  zu  Grundes  liegt,  die 
eine  Wandlung  von  Tj.  zu  k  vor  einer  Silbe  mit  schwachem  k  nicht 
hatte. 

Im  Zographensis  fanden  wir  (s.  o.  S.  328)  einige  Fälle,  wo  'K 
statt  k  auch  vor  folgender  weicher  Silbe  steht.  Diesen  Punkt  am 
Marianus  ins  einzelne  hinein  zu  verfolgen,  würde  zu  nichts  führen, 
denn  die  Handschrift  ist  hier  zu  unregelmässig;  man  kann  sagen, 
dass  in  jedem  Falle,  wo  k  in  offener  Silbe  steht  und  ausfallen  kann, 
vor  jeder  beliebigen  Silbe  auch  ^  vorkommt,  z.  B.  Bivce,  B'kck, 
B-kckyk,  B'kcer.va,  Ai^"^  Ai^"")  AT^"*\*t^?  AT^h^^i*-  A*^"T^A*'*^*' 
ocKAH,  S'kpHiiJH,  npHS'kpli,  co.^Ti.pliaT'K  U.S.W.  Es  ist  ja 
offenbar,  dass  dies  nicht  ursprünglich  so  war,  sondern  beruht  auf 
der  Stummheit  des  alten  k,  auf  einer  Aussprache  ßce,  ^Hf,  3p1iTH 
u.  s.  w.,  so  gut  wie  die  gelegentlichen  k  für  'k  vor  folgender  harter 
Silbe,  z.  B.  LikHor'k,  BkH;i^Tpk,  BkK'Kicfe  u.  dgl.  Daraufgehe  ich 
nicht  weiter  ein ,  nur  auf  einen  Punkt  möchte  ich  zur  Beurteilung 
des  Verhältnisses  von  Zogr.  und  Mar.  noch  aufmerksam  machen. 
Es  zeigte  sich  (s.  o.  S.  328),  dass  in  der  W.  -kM-  der  Zographensis 
auch  vor  folgender  weicher  Silbe  fast  regelmässig  k  hat;  hier  ist 
entschieden  der  Mar.  altertümlicher,  es  kommen  vor  mit  k:  bt^b- 
(Bk3-)kMfT'k  9mal,   B-kSkiuieiHTv  Imal,    B'K3-(Bk3-jkM'kTf   7mal. 

B'k3-(B03~,  Bk3)kMH  9mal,     HSkOfTT».  1  mal,     H3kMH3mal,    OTk- 


Die  Vokale  i.,  t  iu  den  Codices  Zographensis  und  Marianus.         345 

UfT'K  linal.  also  31  Beispiele;  dagegen  mit  i*:  K'K3-(Kk3-]'KMfTTv 
3 mal,  K'kS'KMfUJH  Imal.  ii'K3-(KK3-)kLiH  Imal,  H3'kMn"K  Imal, 
H3'KMH  Imal,  also  7  Fälle.  Noch  auffälliger  ist  das  Verhältuiss 
bei  CKHkMHiUTe:  Zogr.  einmal  so,  ckh'kmhuit«  30mal,  dagegen 
Mar.  c'KH-(coH-)kMHiiiTf  3Umal,  c'KH-(cOH-)'kyHiiiTf  6 mal.  Es  ist 
klar,  dass  hier  im  Zogr.  eine  Manier  vorliegt,  die  nicht  in  der  älte- 
ren Vorlage  bestanden  haben  kann.  Mau  kann  noch  im  Mar.  die 
Beobachtung  machen,  dass  wenn  -kui-  vor  einer  harten  Silbe  steht, 
regelmässig  t».  steht:  K'k3'KMAi  Imal,  B'K3-(ßk3-)'kiui;*iT'k  4 mal 
(einmal  daneben  K'k3u;RT'K),  h3t%m;^  2mal,  c'KH'kMaaY;i^  Imal 
^'on  CTs>HkMaTH,  kein  Fehler  für  ckHHinaTH,  sondern  -kuaTH  ist 
in  der  Zusammensetzung  der  regelrechte  Infinitiv  zu  i€Ma;^^);  nur 
einmal  k  in  B'kHkiiiaTH  M  16,  11. 

Zu  erwähnen  ist  endlich  noch,  dass  im  Zogr.,  wie  wir  sahen, 
E'K  erhalten  bleibt  vor  folgenden  i€,  k»,  iwv,  ra  (-R),  m^,  h.  Marianus 
hat  eine  Anzahl  Fälle,  wo  auch  hier  Kk  steht:  ßk  'Kupfx  M  15.  14, 
L  6.  39,  Bk  f,A,""^  M  20.  6,  Ma  16.  2,  L  17.  12,  J  20.  19,  Bk  Uc- 
a'SY'k  L  2.  7,  Bk  nK>,\,fiiR  L  2.  4,  sonst  steht  b'k,  und  der  Codex 
widerlegt  selbst,  dass  hier  Bk  lautliche  Bedeutung  habe,  durch 
seine  Schreibung  btü,  vgl.  das  öfter  begegnende  B'ki  HCTHH;ii(-H'fe), 
B'ki  HHA\  u.  a.  (s.  Jagic  S.  426). 

Bei  der  ganzen  bisherigen  Ausführung  bin  ich,  wie  oben  er- 
wähnt, von  der  allgemein  angenommenen  Voraussetzung  ausge- 
gangen, dass  es  sich  um  wirklichen  Umlaut  von  k  zu  t^,  von  'k  zu 
k  handle,  d.  h.  also,  dass  ein  in  alter  Zeit  gesprochenes  k  in  den 
betreffenden  Fällen  als  'k,  ein  altes  t^  als  k  wirklich  gesprochen 
sei.  Aber  mir  ist  es  nicht  zweifellos,  ob  die  Annahme  wirklich  zu- 
trifft. Ich  möchte  die  These  aufstellen,  dass  die  ganze  sogenannte 
Umlautserscheinung  auf  einem  Sprachzustand  beruht,  wo  die 
schwachen  Vokale  an  den  Stellen,  in  denen  sie  als  umgelautet  in 
der  Schrift  erscheinen,  überhaupt  nicht  mehr  gesprochen  wurden, 
stumm  waren,  dass  vielmehr  was  uns  als  Umlaut  in  der  Schrift  er- 
scheint, Ausdruck  für  gewisse  Consonantenveränderungen  ist,  und 
gehe  dabei  zunächst  von  folgender  Erwägung  aus.  Die  alte  Form 
des  Infinitivstammes  nkca-  (nkcaTH,  präs.  nHiij;si)  steht  lautlich 
altem  Sk^aTH  (präs.  3hHvV,^)  völlig  gleich ;  hier  heisst  es  nun  im 
Zographensis  beständig  3'k,V'^T")  dagegen  nie*n'KcaTH,  der  Codex 
kennt  nur  nca-  und  n'ca  (Arch.  I.  41  werden  ca.  50  Fälle  aufge- 


346  A.  Leskien, 

zählt).  Jagic,  dem  das  natürlich  aufgefallen  ist,  meint:  «offenbar  be- 
günstigte die  Consonantengruppe  nc  die  Auslassung  des  dazwischen 
stehenden  Vokals «.  Die  Annahme  ist  misslich ,  n  c  ist  eine  sonst  in  der 
Sprache  nicht  vorkommende  Lautgruppe,  dagegen  bekommt  einer, 
der  aus  3k^\,aTn  das  k  weglässt  und  zdati  erhält,  eine  geläufige Con- 
sonantenverbindung  (Mk3A**,  sb'Ss;»,**?  ''ß'^^A'i^),  trotzdem  schreibt 
der  Schreiber  immer  3T\,i,aTH,  wie  auch  regelmässig  E'kpaTH  ck- 
iU\TH,  wo  ein  KpaTH  ca^th  gar  kein  Hinderniss  fänden.  Ferner, 
neben  nca-  n'ca-  kommt  5  mal  cna-  c'na  vor;  will  man  diese  Fälle 
nicht  als  Fehler  ansehen,  so  zeigen  sie,  dass  gerade  die  Lautgruppe 
nc  unbequem  war  und  deswegen  umgestellt  wurde  zu  dem  geläufi- 
gen cn.  Verlegt  man  den  «Umlaut«  von  S'^A'*'''"  in  eine  Zeit,  wo 
der  schwache  Vokal  zwischen  3-^  noch  gesprochen  wurde,  so  hätte 
nothwendig  auch  ein  *n'KcaTH  entstehen  müssen;  ich  sehe  wenig- 
stens nicht  ab,  wie  sich  dies  Wort  hätte  dem  Umlaut  entziehen 
können;  das  zweimalige  nkCCiuiTk  M  15.26,  Ma7.27  kann  dagegen 
nicht  geltend  gemacht  werden,  weil  es  zu  vereinzelte  Beispiele 
sind  (M  7.  6  steht  ncoin'k).  Mau  kann  aber  einwenden:  ein  *inv- 
caTH  wird  existirt  haben,  nur  kommt  es  für  uns  nicht  zum  Vor- 
schein, weil  überall  schon  nca-  n'ca  geschrieben  wird;  es  lässt  sich 
dabei  nicht  ausmachen,  ob  k  oder  'k  ausgefallen  ist.  Wie  man  sich 
nun  auch  dazu  stellen  mag,  es  bleibt  immer  auffällig,  dass  Jemand, 
der  S'K.A.aTH  u.  s.  w.  regelmässig  schreibt,  aus  einem  nkcaTH  oder 
nikCaTH  den  schwachen  Vokal  ebenso  regelmässig  weglässt.  Viel- 
leicht liegt  die  Sache  so,  dass  ein  geschriebenes  K'kpaTH,  3'kA'^I'" 
neben  gesprochenem  braii  zdati  u.  8.  w.  das  Sprachgefühl  nicht 
störten,  weil  in  vielen  andern  Wörtern  an  zahlreichen  Stellen  'k,  w 
geschrieben,  aber  nicht  gesprochen  wurden,  dagegen  wohl  ein  nb- 
caTH  oder  '"n'kcaTH,  weil  der  Schreiber  überhaupt  als  gesprochen 
nur  nncaTH  kannte  (vgl.  das  regelmässige  nnca-  des  Mar.,  der  nur 
vereinzelt  nca-  hat)  und  an  einem  nkcaTH  oder  etwaigem  m».caTn 
Anstoss  nahm  als  in  keiner  Beziehung  zu  seinem  nncaTH  stehend: 
er  merzte  es  daher  aus  und  schrieb  überall  das  von  ihm  so  gelesene 
ncaTH  (vgl.  meine  Bemerkung  zur  Sav.  kn.  Arch.  XXVIL  14).  Es 
wird  dabei,  wie  man  sieht,  von  mir  eine  gewisse  grammatische 
Regulirung  angenommen,  und  ich  meine,  ohne  die  Annahme  einer 
solchen  kommt  man  unsrer  Ueberlieferung  gegenüber  allerdings 
nicht  aus.    Mir  scheint  es  auch,  gegen  die  Ansicht,  die  ich  noch  in 


Die  Vokale  -h,  l  in  den  Codices  Zographensis  und  Miuianus.         347 

meiuem  Handbucbe  ausgesprochen  habe,  wahrscheinlich,  dass  die 
bekannten  Schreibungen  wie  f.iKp'IvTH  für  Mp'k'rii,  K'KAaTH  für 
KAaTH,  K'KpaTH  (Supf.,  ZU  Kopi*)  für  KpaTH,  keine  lautliche  Be- 
deutung haben,  sondern  zu  einer  Zeit  entstanden  sind,  wo  man 
brafi  zu  Kfp;*^  ,  zreti  für  3kp'kTH  sprach,  aber  traditionell  likpaTH 
K'KpaTH,  SLplvTH  u.s.w.  schricb,  und  darnach  in  die  Schrift  auch 
Mkp'IvTH,  K'KaaTH  einführte.  Ausserdem  ist  es  mir  unzweifelhaft, 
dass  wir  es  häufig  mit  orthographischen  Manieren  zu  thun  haben. 
Im  Zographensis  wird  das  alte  m-KHori».  nach  der  Aufzählung  Arch. 
1.25  gegen  90 mal  r.iHor'k  geschrieben,  ca.  20mal  LrkHon».,  der 
Schreiber  sprach  sicher  mnog-  und  ist  auf  dem  Wege,  das  'k  in  der 
Schrift  ganz  aufzugeben;  ähnliche  Verhältnisse  zeigen  sich  bei 
MHOHf;  M'KHOKR,  MHlc  MkH'U  (Arch.  I.  26j  Und  andern  ähnlichen 
Fällen,  vgl.  dazu  die  Neiguüg  in  den  obliquen  Formen  von  BkCk 
und  in  ßkckK-k  das  k  nicht  zu- schreiben  (ßCH,  BCkKO  u.s.w.,  Arch. 
I.  31).  Ich  kann  nun  nicht  glauben,  dass  Jemand,  der  lihop'k  für 
iH'KHcr'k  sprach,  noch  ckaaTH  und  nicht  caaTH,  noch  iHk- 
HliTH  und  nicht  LiHliTH  gesprochen  habe,  weil  ich  mir  keine  ge- 
sprochene Sprache  denken  kann,  in  der  ein  und  dasselbe  Lautver- 
hältniss  ganz  willkürlich,  bald  so  bald  anders,  behandelt  wird. 
Trotzdem  wird  beständig  CKaaTH  und  mit  einer  Ausnahme  konse- 
(juent  MkHivTH  geschrieben  (Arch.  I,  27,  38).  Das  Verhältniss  von 
UHorTv  und  r.ikH'kTH  u.  a.  d.  A.  ist  demnach  für  den  Schreiber  der 
Handschrift,  möglicher  Weise  schon  für  einen  seiner  Vorgänger, 
nur  der  Ausdruck  einer  orthographischen  Wahl,  einer  Manier. 

Nimmt  man  nun  an,  dass  die  schwachen  Vokale  an  den  Stellen, 
wo  sie  später  ausfallen  —  im  allgemeinen  da,  wo  eine  Silbe  mit 
vollem  Vokal  folgt  —  schon  nicht  mehr  gesprochen  wurden,  und 
verlegt  in  diese  Zeit  die  Erscheinung,  die  uns  in  der  Schrift  als 
»Umlaut«  entgegentritt,  so  muss  man  sich  den  Unterschied,  an 
einem  beliebigen  Beispiel  demonstrirt,  also  z.  B.  von  B'bp'kHa  und 
K'kpkHH  folgendermassen  vorstellen.  Zur  Zeit,  als  die  schwachen 
Vokale  noch  gesprochen  wurden,  hiess  es  virhna  und  verhul 
mit  '  will  ich  die  schwache  Erweichung  des  Consonanten  durch 
folgenden  palatalen  Vokal  bezeichnen);  als  das  k  geschwunden 
war,  blieb  verhna  verhi^  in  dem  letzten  erhält  das  palatalisirte  ?i  das 
vorangehende  )•  in  seiner  palatalen  Färbung,  in  ceYna  dagegen 
wurde  }■  durch  das  folgende  harte  n  entpalatalisirt,   es  entsteht 


348  A.  Leskien, 

vSrna.  Jemand  aber,  der  in  seiner  gesprochenen  Sprache  veryia 
hatte,  kann  wohl  in  Nachahmung  seiner  Vorlage  B'tpkHa  schreiben 
und  wird  das,  wenn  er  getreu  abschreibt,  sehr  oft  thun,  aber  nicht, 
wenn  er  seiner  Sprechweise  folgt,  dann  wird  er  Bl;p'kHt\  setzen, 
für  veriii  aber  B'SpbHH  behalten.  Mit  andern  Worten,  für  ihn  sind 
Tv  und  K  nur  noch  Zeichen  der  Härte  oder  "Weichheit  des  voran- 
gehenden Consonanten.  Es  begreift  sich  darnach  auch  ohne  wei- 
teres, warum  nur  ß'h.  A^^n^  aber  nicht  ßk  A"*"*;  dagegen  wohl  ßh. 
A^Hk  (neben  ßi^  \h.y\h.  aus  älterer  Vorlage)  geschrieben  wird.  Ver- 
legt man  den  »Umlaut '  in  eine  Zeit,  wo  das  b  in  ßi^  ;k,kHf.  ßi».  x^y\h^ 
noch  gesprochen  wurde,  so  kann  die  umlautende  Wirkung  auf  t^ 
doch  nur  ausgehen  von  der  gesprochenen  Silbe  A"*--  "nd  man  muss 
sich  fragen,  was  ist  denn  der  Unterschied  zwischen  ,\\^-  in  X^^^ 
und  in  ai*hk,  dass  es  einmal  wirkt,  das  andre  mal  aber  nicht.  Ich 
kann  mir  keinen  denken.  Ein  Unterschied  kommt  erst  heraus, 
wenn  man  einen  späteren  Lautzustand  einsetzt:  vo-dne  (weiterent- 
wickelt daraus  vo-dne]  und  v-dui  (weiter  v-den)^  der  eine  ist  = 

?5?.-(r/we,  der  andere  =  ^^ew,  d.  h.  in  der  Schrift  ßT».  J^y^wi  und  ßw 
AbHK  (A«Hk),  und  so  in  gleichartigen  Fällen:  X^v.&  =  dva^  ,\^^'^ 

=  dve,  s'KAO  =  c/o,  3kAli  =  zie  u. s.  w.  Wenn  nun  beständig  in 
KTkHHra,  c'KA'kcTH.  CKHHT'k  U.S.W,  uud  Überall  da.  wo  dem  alten 
•K  ein  K  oder  c  vorangeht,  kein  k  erscheint,  obwohl  nach  der  obigen 
Annahme  hniga^  slesü.,  spit  gesprochen  wurde,  kann  das  danach 
nicht  anders  verstanden  werden,  als  dass  k  und  c  auch  in  Conso- 
nantengruppen,  deren  zweiter  Bestandtheil  palatal  war,  hart  blie- 
ben. Das  ist  nicht  nothwendig  ein  Widerspruch  gegen  ßk  caIv^Tv 
u.  ä.,  denn  hier  stand  die  Lautgruppe  c  -|-  Consonant  von  jeher  zu- 
sammen, während  bei  dem  Ausfall  von  'k  nach  k,  c  solche  Gruppen 
sekundär  entstanden  sind,  und  die  Gruppenpalatalisirung  später 
nicht  mehr  einzutreten  braucht.  Thatsächlich  tritt  im  Zographensis 
k  statt  altem  'k  als  eine  einigermassen  durchgehende  Erscheinung 
ja  nur  auf  nach  b.  v  (ok;i,'feTH.  ßkH-K,  ßk,  ßks),  nach  z  (3kAH 
SkA'K),  nach  d  [,\h.^ls.  ,i.kßtMa),  d.h.  die  Gruppen  h,  v,  s,  c?-|-Cön- 
souanten  waren  erweichbar.  Allerdings  wird  solche  Erweichung 
weiter  gegangen  sein  (s.  die  andern  Beispiele  o.  S.  326),  aber  aus 
unsrer  Ueberlieferung  ist  nicht  völlig  sicher  auszumachen,  wie 
weit,  denn  mit  vereinzelten  oder  seltenen  Beispielen  kann  man 
nichts  erweisen. 


I 


Die  Vokale  t.,  h  in  den  Codices  Zographensis  und  Marianus.        349 

Auf  der  gegebenen  Grundlage  lässt  sich  auch  verstehen,  wa- 
rum TTvMlv  und  R'Ka'kM'kTf  cTkH'KMHLUTf  scheiubar  gegen  die 
angenommene  Umlautsregel  geschrieben  werden  kann;  es  wurde 
gesprochen  ima  tmd^  nzfuefe.  Sonmiste,  d.  h.  in  den  Grujtpen  tm  zm 
nm  wurden  z,  /",  w  von  der  Erweichung  nicht  ergriffen,  daher  nach 
ihnen  0  geschrieben. 

Ich  möchte  ausdrücklich  noch  einmal  hervorheben,  dass  ich 
damit  nur  eine  These  zur  weiteren  Prüfung  vorlege.  Sie  ist  mir 
erwachsen  aus  der  Betrachtung  aller  bei  t^  und  k  in  Betracht  kom- 
menden Entwicklungen ,  die  mir  immer  von  neuem  den  Eindruck 
hinterlässt,  dass  man  sich  die  Alterthümlichkeit  unsrer  südslavi- 
schen  Quellen  des  Altkirchenslavischen  in  Bezug  auf  die  Erhaltung 
von  gesprochenem  'k,  k  zu  gross  vorstellt.  Man  kann  demgegen- 
über natürlich  einwenden,  dass  in  den  allermeisten  Fällen,  nament- 
lich im  Zographensis,  'h.  und  k  wirklich  geschrieben  werden,  die 
Weglassung  hier  verhältnissmässig  selten  ist.  Aber  hier  wirkt 
eben  die  überkommene  ältere  Form  der  Schriftsprache  in  der  Or- 
thographie nach,  die  überall  sehr  konservativ  ist.  Mein  College 
Sievers  drückte  mir  das  einmal  so  aus :  wie  lange  muss  eine  Ver- 
änderung der  Sprache  schon  bestanden  haben,  ehe  sie  auch  nur 
ein  oder  einige  Male  in  dem  Geschriebenen  zum  Vorschein  kommt. 

A.  Leskien. 


350 


Die  neuesten  Forschungen  über  den  slayischen 
Klemeus. 


Der  slavische  Klemens  (K.in- 
MeHTt  cjiOBiHCKiil)  und  seine  lite- 
rarische Thätigkeit  fesseln  in 
einemfort  die  Aufmerksamkeit  der 
Forscher  der  altkirchenslavischen 
Literatur,  was  auch  begreiflich 
ist.  Denn  während  man  von  den 
übrigen  Schülern  der  beiden  Sla- 
venapostel  sehr  wenig,  kaum  mehr 
als  ihre  Namen  weiss,  besitzen 
wir  über  Klemens  zwei  Biogra- 
])hien  in  griech.  Sprache,  eine 
ausführlichere  und  eine  kürzere. 
Aus  der  ausführlicheren  schöpft 
man  eingehende  Charakteristik 
seiner  literarischen  und  kulturel- 
len Thätigkeit  und  die  Daten  der- 
selben werden  durch  die  zahl- 
reichen noch  in  verschiedenen 
Abschriften  erhaltenen  literar. 
Produkte  Klemens'  sehr  gut  bestätigt.  Das  Studium  der  auf  Grund  der 
handschriftlichen  Beglaubigung  unzweifelhaft  von  Klemens  geschriebe- 
nen Werke  gibt  die  Möglichkeit  einer  genauen  Bestimmung  ihrer  cha- 
rakteristischen Züge  in  der  Darstellung,  in  dem  Aufbau  und  der  Aus- 
führung. Auf  Grund  der  so  gewonnenen  Resultate  ist  man  dann  im 
Stande,  weitere  Nachforschungen  über  andere  Werke  Klemens'  anzu- 
stellen, um  eine  möglichst  vollständige  Uebersicht  aller  literar.  Produkte 
dieses  ersten  bei  den  Slaven  selbständigen  Verkünders  des  Wortes 
Gottes  zu  gewinuen.  Diese  Vorarbeiten  sind  noch  nicht  zu  Ende  ge- 
führt. Noch  vor  kurzem  wurden  mit  dem  Namen  Klemeus  neue  Texte 
gefunden:  eine  Lobrede  auf  40  Märtyrer,  von  uns  nach  einer  Chilen- 


Die  neuesten  Forschungen  über  den  slavisclien  Klenieus.  351 

darer  Handschrift  in  den  akad.  IlsnicTia  (III.  S.  1086 — 1109)  abge- 
druckt; eine  Rede  auf  den  Palmsonntag,  von  L.  Stojanovic  in  einer 
Belgrader  Handschrift  vom  J.  132S  entdeckt,  sie  wird  in  dem  akademi- 
schen Petersburger)  CöopimKii  erscheinen;  eine  Rede  von  der  heil. 
Dreifaltigkeit,  sie  wurde  von  N.  L.  Tunicki  in  IIsBicxifl  B.  IX,  3.  S.  215 
bis  232  herausgegeben.  Während  bei  diesen  Texten  die  Autorschaft 
Klemens'  durch  die  Nennung  seines  Namens  in  den  betreflfenden  Hand- 
schriften gesichert  ist,  sprechen  bei  vielen  anonymen  Reden  oder  Be- 
lehrungen die  inneren  und  äusseren  Merkmale  mit  grosser  Wahrschein- 
lichkeit für  Klemens  als  den  Verfasser  derselben.  Zu  solchen  gehören: 
eine  Lobrede  auf  den  Propheten  Elias,  herausgegeben  von  uns  in  den 
akad.  IlaBicxifl  VI,  3.  236 — 280,  eine  Lobrede  auf  den  heil.  Irenäus, 
herausgegeben  von  Sobolevskij  in  denselben  Il3B.  VIII,  4.  03  —  66,  eine 
andere  aufdieKreuzerhebung,  von  ihm  herausgegeben  inn3B.IX.2.4 — 9, 
und  auf  Christi  Begegnung  im  Tempel,  ib.  10 — 13,  und  mit  weniger  Be- 
stimmtheit eine  Lobrede  auf  das  Kreuz,  nach  zwei  Handschriften  IIsb. 
VIII,  4.  66 — 71  abgedruckt.  Endlich  schreibt  L.  Stojanovic  auf  Grund 
einer  Handschrift  der  Belgrader  Nationalbibliothek  aus  dem  XVI. — 
XVII.  Jahrh.  (Nr.  479)  noch  folgende  Belehrungen  Klemens  zu:  auf 
Maria  Empfänguiss,  auf  Christi  Geburt,  auf  Christi  Taufe,  auf  Christi 
Begegnung  im  Tempel,  auf  das  Gedächtniss  des  Apostels  Markus,  auf 
die  Apostel  Petrus  und  Paulus,  auf  Christi  Verklärung,  auf  Maria  Him- 
melfahrt, auf  den  Sonntag  des  Cavniprivium,  auf  den  Sonntag  der  Butter- 
woche, dann  die  Rede  von  dem  geistigen  Vortheil,  die  Belehrung  vom 
Zöllner  und  Pharisäus,  von  dem  Verlorenen  Sohn,  vom  Fasten  —  im 
Ganzen  vierzehn  Reden,  darunter  12  neue.  Dieses  ganze  Material  wird 
in  dem  Petersburger  akadem.  CöopiiHKi.  erscheinen.  Und  auch  damit 
sind  noch  nicht  endgültige  Resultate  erzielt.  Zwei  neue  Reden  haben 
wir  gefunden:  1)  Lobrede  auf  den  heil. Kosmas  und  Damian,  2)  Lobrede 
auf  den  Apostel  Paulus. 

Diese  bisher  genannten  Bemühungen  betreffen  die  Bereicherung 
des  Materials  selbst,  die  Auffindung  der  Werke  Klemens'.  Einen  an- 
deren Charakter  trägt  die  vor  kurzem  erschienene  Forschung  Prof.  W. 
Vondräk's,  die  unter  dem  Titel  Studie  z  oboru  cirkevneslovansk^ho 
pisemnictvl  (V  Praze  1903)  in  den  Schriften  der  Prager  Akademie  der 
Wissenschaften  herausgegeben  worden  ist.  Hier  handelt  es  sich  um  eine 
andere  Art  der  Konstatirung,  welche  Werke  Klemens  zuzuschreiben 
sind;  ohne  neue  Texte  beigebracht  zu  haben,  versucht  Prof.  Vondräk 


352  P-  A.  Lavrov, 

betreffs  einer  ganzen  Reihe  früher  bekannter  kirchenslavischer  Literatur- 
produkte den  Beweis  zu  führen,  dass  sie  Klemens  zum  Verfasser  haben. 
Darunter  sind  solche  Texte  enthalten,  die  Prof.  Vondräk  zuerst  Klemens 
zuschreibt,  und  zwar  1)  Ordo  Confessionis  im  Euchologium  Sinaiticum. 
2)  einige  Texte  des  Glagolita  Clozianus.  Für  einige  andere  Texte  war 
schon  früher  von  anderen  Forschern  die  Vermuthung  ausgesprochen, 
dass  sie  Klemens  zum  Verfasser  haben.  Dazu  gehören  die  sogenannten 
pannonischen  Legenden,  dann  einige  Reden,  wie  auf  die  Geburt  Christi 
und  Taufe  Christi  (Klemens  zugeschrieben  von  A.  N.  Popov  und  mir). 
Prof.  Vondräk  bespricht  endlich  in  seiner  Schrift  auch  noch  solche 
Denkmäler,  wie  die  Freisinger  Fragmente  und  die  Legenda  italica. 

Bekanntlich  hatte  schon  Vostokov  auf  die  nahe  Verwandtschaft 
des  Zweiten  Freisinger  Fragmentes  mit  einer  Homilie  auf  einen  Apostel 
oder  Märtyrer,  die  man  in  einer  Moskauer  Handschrift  der  geistlichen 
Akademie,  und  zwar  in  einem  Kodex  saec  XII,  ohne  Nennung  des  Ver- 
fassers, aber  zwischen  zwei  den  Namen  Klemens  tragenden  Texten  vor- 
fand, hingewiesen.  Es  kann  kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  dass  auch 
dieser  mittlere  Text  (die  Homilie)  von  Klemens  herrührt.  Allein  über 
das  Verhältniss  der  Homilie  zum  Freisinger  Text  sind  entweder  gar 
keine,  oder  ganz  verschiedenartig  lautende  Ansichten  ausgesprochen 
worden,  was  den  Verfasser  vei'anlasste,  diese  Frage  einer  nochmaligen 
Prüfung  zu  unterziehen  (S.  5 — 18).  Die  eingehende  Analyse  der  Texte 
führte  ihn  zu  dem  Resultate,  dass  das  zweite  Stück  der  Freisinger 
Fragmente  vor  der  Homilie  Klemens'  da  war,  der  aus  demselben  ein- 
zelne Gedanken  entlehnte.  Der  Gedankengang  sei  in  dem  Freisinger 
Text  konsequenter  durchgeführt  als  in  der  Homilie,  in  welcher  Stelleu 
vorkommen,  die  man  nur  unter  der  Voraussetzung  der  Abhängigkeit  der 
Homilie  von  dem  Freisinger  Texte  erklären  könne,  selbst  die  Beeinflus- 
sung im  Stile  und  in  einzelnen  Wendungen  sei  nachweisbar.  Ausserdem 
bemerkt  Prof.  Vondräk,  das  Freisinger  Stück  stehe  in  Zusammenhang 
mit  der  Beichte,  schliesse  daher  mit  der  Aufforderung  zur  Beichte. 
Wenn  man  nun  dasselbe  auch  in  der  Homilie  Klemens',  die  auf  den 
Namen  eines  Heiligen  lautet,  vorfindet,  so  sei  es  klar,  dass  der  Prediger 
die  einzelnen  Stellen  aus  den  Beichtgebeten,  wie  ein  solches  das  zweite 
Stück  der  Freisinger  Fragmente  darstellt,  entlehnt  haben  muss.  Man 
könnte  demgegenüber  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht  der  unverkennbare 
Zusammenhang  davon  herrühre,  dass  Klemens  das  Gebet,  als  es  noch 
unabhäno-ig  von  dem  ganzen  slavischen  Officium  war,  benutzte.     Prof. 


Die  neuesten  Forschungen  über  den  slavischen  Klemens.  353 

Vondräk  antwortet  darauf  verneinend.  Die  allgemeinen  Ausdrücke 
weisen  auf  die  Abhängigkeit  der  slavischen  Texte  voneinander  hin,  eine 
direkte  lateinische  Quelle  für  Klemens'  Belehrung  anzusetzen  sei  aus- 
geschlossen. 

Im  nächsten  Kapitel  weist  Vondräk  durch  Parallelen  nach,  dass 
die  Belehrung  auf  die  Commemoratio  apostoli  wirklich  von  Klemens 
herrühre  (S.  19 — 22).  Gleich  darauf  folgt  die  Analyse  des  Ordo  Con- 
fessionis  im  Euchologium  sinaiticum,  durch  welche  Prof.  Vondräk  den 
Beweis  liefern  will,  dass  auch  dieser  ganze  Ordo  Confessionis  Klemens 
zum  Verfasser  hatte  (S.  23 — 44).  Auf  die  Arbeit  Almazov's  über  dieses 
Denkmal  sich  stützend  und  theilweise  seine  Schlussfolgerungen  berich- 
tigend, kommt  Prof.  Vondräk  zu  dem  Resultat,  dass  dieser  Ordo  Con- 
fessionis zum  Theil  selbständig  nach  verschiedenen  Quellen  der  östlichen 
und  westlichen  Kirche  bearbeitete  Stücke  —  das  erste  und  vorletzte  — 
zum  Theil  Gebete,  die  wörtlich  aus  der  griechischen  Beichtordnung  des 
Johannes  des  Fasters  entnommen  sind,  enthält.  Ein  Gebet  ist  aus  dem 
althochdeutschen  Original  übersetzt,  wodurch  auch  die  Behauptung 
Prof.  Almazov's,  der  den  griech.  Ursprung  desselben  in  Abrede  stellte, 
bestätigt  wurde.  Die  Autorschaft  Klemens'  betreffs  der  ganzen  Beicht- 
ordnung sucht  Prof.  Vondräk  durch  die  Aehnlichkeit  der  Gedanken  des 
Ordo  Confessionis  mit  anderen  "Werken  Klemens',  durch  die  Aehnlich- 
keit des  Stils  und  durch  die  Uebereinstimmung  in  den  Lesarten  der  aus 
der  heil.  Schrift  entlehnten  Citate  zwischen  dem  Ordo  Confessionis  und 
den  Reden  Klemens'  nachzuweisen.  Dabei  beschränkt  sich  in  manchen 
Fällen  die  Verwandtschaft  auf  einzelne  Ausdrücke,  wie  z.  B.  npHM'k- 
CHTH  C/Ä,    npHnd,i,aTH,    KfcSMfHH,    Hf Hp'KcTaHkHO,    noAKHn»., 

nOABHrH;RTH  C/A,  0\fK/\OHHTH  C/Ä,  KTvSAPI^Jt^JTH  CA,  npHMA- 
CTHTH   C/Ä,  BOAEI^  Hf   ßOAJlTSx,    CAOKCMk  ^k.'KAOMIi   H   nOIUl'KIlUAeHH- 

fMK.  Alles  das  sind  Wörter  und  Ausdrücke,  die  man  in  jedem  beliebigen 
kirchenslav.  Texte  antreffen  kann.  Nach  unserem  Dafürhalten  muss 
daher  die  Frage  über  Klemens  als  den  Verfasser  dieses  Ordo  Confessio- 
nis, soweit  die  von  Prof.  Vondräk  angeführten  Argumente  in  die  Wag- 
schale fallen,  nur  als  eine  Vermuthung  angesehen  werden. 

Wir  übergehen  das  nächste  Kapitel  S.  45 — 66),  in  welchem  über 
den  Entstehnngsort  der  Freisinger  Fragmente  gehandelt  wird,  und  kom- 
men auf  die  Frage  über  die  pannonischen  Legenden  (Vita  Cyrilli  und 
Vita  Methodii).  Prof.  Vondräk  hält  beide  Legenden  für  das  Werk  eines 
Autors  und  als  solchen  lässt  er  Klemens  gelten.    Bekanntlich  war  diese 

Archiv  für  slavische  Philologie.  XXVII.  .  23 


354  P.  A.  Lavrov, 

Ansicht  schon  früher  von  anderen  vertreten  und  doch  erfreut  sie  sich 
noch  immer  nicht  der  allgemeinen  Anerkennung  ^j .  Prof.  Vondrak  be- 
mühte sich,  das  ganze  Material  zusammenzustellen,  in  welchem  An- 
klänge dieser  Legenden  an  die  unzweifelhaften  Werke  Klemens'  ent- 
halten sind,  woraus  er  dann  die  Autorschaft  Klemens'  folgert.  Wir 
persönlich  stimmen  der  Ansicht  Vondräk's  bei,  auch  uns  kommt  die 
Autorschaft  Klemens'  betreffs  der  beiden  Legenden  wahrscheinlich  vor, 
doch  für  uns  hat  in  dieser  Frage  die  handschriftlich  beglaubigte  Autor- 
schaft Klemens'  betreffs  der  Lobrede  auf  Kyrill  ausschlaggebende  Be- 
deutung, Aus  der  ausführlichen  griech.  Vita  Ciementis  weiss  man,  in 
wie  nahen  Beziehungen  Klemens  zu  Method  stand.  Beides  zusammen- 
genommen gibt  uns  Grund  zu  der  Annahme,  dass  die  Biographien  der 
beiden  Apostel  von  ihm  geschrieben  wurden. 

Hier  möchten  wir  aber  der  Frage  über  den  Inhalt  und  Bestand  der 
beiden  Legenden,  namentlich  der  Vita  Cyriili,  etwas  näher  treten.  In 
letzter  Zeit  hat  V.  I.  Lamanskij  der  letztgenannten  Legende  eine  lange 
Reihe  kritischer  Bemerkungen  in  seiner  noch  nicht  vollendeten  aus- 
führlichen Studie  »CjiaBflHCKoe  aciixie  cb.  KHpiiJija  KaKX  pejiiiriosHO- 
9nHqecKoe  nponsBeAeHie  h  KaKt  HCTopH^iecKiH  hcto^hhki«  (im  Journal 
d.  Min.  d.  Aufkl.  B.  346, 190.3  ff.)  gewidmet.  Lamanskij  bezweifelt,  dass 
die  Legende  in  unveränderter  Gestalt  so  auf  uns  gekommen  sei,  wie  sie 
im  IX.  Jahrh.  geschrieben  wurde.  Er  erinnert  daran,  dass  sich  die  Le- 
gende erst  in  späten  Abschriften  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrh. 
erhalten  hat.  »Wer  wagt  es  zu  behaupten,  dass  in  der  der  Abfassung 
nächstfolgenden  Zeit,  im  X.  und  XI.  Jahrh.,  die  Legende  nicht  modifi- 
cirt,  berichtigt,  ergänzt  werden  konnte  und  dass  der  heute  bekannte 
Text  genau  das  Original  des  IX.  Jahrh.  wiedergibt  und  nicht  jene  be- 
richtigte, ergänzte,  folglich  mehr  oder  weniger  im  Laufe  der  XL — XV. 
Jahrh.  umgearbeitete  Fassung  des  Denkmals,  das  ja  bekanntlich  in  Bul- 
garien, Serbien,  Kroatien  und  Russland  vielfach  abgeschrieben  und  ver- 
breitet wurde«.  Bei  einer  solchen  Auffassung  des  Denkmals  entsteht 
die  Frage,  was  der  ursprünglichen  Redaktion  angehört  hatte  und  was 
später  dazukam.  Es  ist  zwar  richtig,  dass  wir  bis  heute  keinen  älteren 
Text  dieser  Vita  kennen,  als  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrb., 
allein  wir  sind  doch  nicht  ganz  entblösst  von  Hilfsmitteln,  um  ihren 
vermuthlichen  Umfang:   auch  für  das  IX. — XI.  Jahrh.  zu  bestimmen. 


Vergl.  nach  dieser  Abhandlung  »Meine  Zusätze«.  V.  J. 


Die  neuesten  Forschungen  über  den  slavischen  Klemens. 


355 


Ein  solches  Mittel  besteht  in  Folgendem.  Wir  besitzen  bekanntlich  die 
Vita  Methodii  nebst  einer  Lobrede  auf  die  beiden  Glaubenslebrer  schon 
in  einer  Handschrift  aus  dem  Ende  des  XII.  Jahrh.  Ihr  Original  dürfen 
wir,  ohne  fehlzugehen,  wenigstens  um  die  Mitte  des  XI.  Jahrh.  setzen. 
Ist  das  der  Fall,  dann  sind  wir  in  der  Lage,  für  verschiedene  Stellen 
der  Cyrilli-Legende  den  Beweis  zu  führen,  dass  sie  schon  damals  ebenso 
lauteten,  wie  wir  sie  jetzt  haben.  Die  Einleitung  dieser  Vita  stimmt  in 
einer  Reihe  von  Ausdrücken  mit  der  Einleitung  der  besagten  Lobrede 
überein.  Das  zweite  Kapitel,  das  über  die  Abkunft  der  beiden  Brüder 
handelt,  erinnert  ebenfalls  im  hohen  Grade  an  die  Lobrede.  Leo  hat  in 
der  Lobrede  wie  in  der  Vita  sieben  Kinder,  er  wird  mit  Job  verglichen. 
Vergl.  noch  solche  Wendungen,  wie:  HC  Toro  KOpEHE  ß'KCHiacTa 
H3AP'ÄA•»^^'S  A'kTCtpacAH  in  der  Lobrede  und:  h  A'^^pa  KopfHf 
;i,c»Kpa  /VKTopacAh,  in  der  Vita.  Die  Phrase  der  Lobrede  np'KiuiOY- 
APCtCTh.  CfK'K  raKO  H  cfCTpoy  CTßopkUja  lässt  in  der  Vita  die  Er- 
zählung vom  Traume  voraussetzen.  Aus  verschiedenen  Worten  der 
Lobrede  kann  man  erschliessen,  dass  die  Vita  in  der  That  von  der  Dis- 
putation bei  den  Sarazenen  und  Chazaren  erzählte.  Der  Anfang  der 
Erzählung,  wo  in  der  Lobrede  der  Vergleich  mit  David  erwähnt  wird, 
ist  dem  6.  Kapitel  der  Vita  entnommen.  Vergl.  die  beiden  Stellen  in 
folorender  Parallele: 


Lobr.  (Bodjanskij,^TeH.  1 865,  IL  6) : 
BT».  CpaUHH-SYT»,  }K(    H    K03A- 

pIv^Tv  raBAi%iija  CA  HEnoB't/k.kHa 
H-K    raKOJKf    A^^ßHAT«^    HHonae- 

MEHkHHKOV,'      HHlvr^a      HHS'KAO- 
M^HB-K      r'Kp'k^'KlHK'      I€r0      RO- 

TpliBH,    npooBpasoBaBTv    Tpo- 

\i\i,K>    TpklUH    KaMeHH    H   CBOHMk 

tMoy  MEHkMk  ri\aBO\'  orckK'k- 


Vita  Cyrilli  ed.  Mikl.  17: 

CBCTkiE    TpoHi;«    cao\fra    h 

OyMEHHKk   •   •    •   raKO    AP^^V'"'^''*^ 

/i,aBHA4    HOBa    tdBHTk    Ha    Fo- 

M\t3J{,A      Ck     rpkMH      KaMtHkMH 

H  noB'S/K/i.kUja. 


Die  Ausdrücke  der  Lobrede  cbohmh   hmtv  KHHraMH   h   aS'U- 

K'kMk  fallen  mit  den  Hinweisen  der  Vita  auf  die  Reden  Mohammed's 
(Kap.  VI — XI)  zusammen.  Die  Wirkung  der  Predigt  Konstantin's  wird 
in  der  Lobrede  sehr  ähnlich  den  Worten  des  X.  Kapitels  der  Vita  aus- 
gedrückt : 


23* 


356 


P.  A.  Lavrov, 


Lobr.  ib. : 

H       H;HAOßkCKC\fK»       SAOßOy 
AOY\'OBH'KIHMk       LlfMkMk       OT- 

c'KK'kiua      noTpUKHCTa      /äko 
RA'fcBeA'K    H    nonaAHcra    A<>V" 

YOBHOK»    KAarO^.aTHK'. 


Vita  Cyr.  ib.  23  : 

OySpHTk  CAOBfCkHOYKt  CH- 
AO\f  OTk  KO^KHie  KAarOA'tTH 
»KO  H  HAaMEHk  ropEi(jk  Ha 
npoTHBkHkiie. 


Man  vergleiche  noch  diese  Parallele 

Lobr.  ib. : 
a  CAOBO   rccnO;i,kHf    BikcK- 


lacTa    MKC»    H    nkmfHHi^M»    bt». 

Ckp;i,HkH'bMk  CEA'k  H  BkC<ft 
HaCAa;i,MCTa  UtA^^TOMH-KIHMH 
CAOBEClvI. 


Vita  Cyr.  ib. : 
AOCkiTH      HacAa;K;L,k      Bk- 

CK^k     Hkl      ME^kBkHklMH      CAC- 
BECkl    CBETkiyk    KHHTk. 


Die  Zahl  der  getauften  Chazaren  ist  in  beiden  Texten  dieselbe.  In 
der  Vita  dankt  Chagan  dem  Kaiser  dafür,  dass  Cyrill  CKasa  jCpHCTH- 

raHCKOr    B'fepOY    CAOBOMk    H    BCljJkMH,    CBfTOy   TpC»HU|,0\,'    H    OyB't- 

A'fe\'C»Mk  raKo  TO  i€CTk  HCTaid  BUpa  nnd  in  der  Lobrede  heisst 
es:  o^KABacra  bt».  i€;i,HHOMk  coynJkCTB'k  paBkHkCTB'kiuik  cHia- 
HMIja  OTku,A  H  c'kJHa  H  cBATarc  ;k,oy\*a,  TaKO  la  oyaoBHCTa 

raKO    H    p'kiE'kl    CAOBfCkHOW    Mp'KJKfK». 

So  entnehmen  wir  aus  den  Worten  der  Lobrede,  dass  ihr  dieselbe 
Vita  Cyrilli  zu  Grunde  lag ,  die  auch  wir  noch  heute  besitzen.  In  ihr 
stand  auch  die  Erwähnung  von  der  üebersetzung  der  Disputation  Kon- 
stantin's  bei  den  Chazaren  aus  dem  Griechischen  durch  Method,  denn 
die  Ausdrücke  nonaAHCTa  ;i,ov'XC»bhc>k>  KAaro;i,aTHK»  sind  daraus 
entnommen. 

Die  Erzählung  von  der  Mission  der  Brüder  zu  den  Slaven  steht 
gleichfalls  in  der  Fassung  der  Lobrede  sehr  nahe  der  Vita  Cyrilli.  Die 
Worte  BkCk  L^kpK'KBkH'KiH  saKOHTi.  Rp'tAOHikiua  entsprechen  dem 
in  Kap.  XV  Gesagten :  BkCKOp'K  JK«  ßkCk  u^pkKOBHkiH  MHHk  np-fe- 
AOH;k;  die  Worte  Tpkias'KiHkHHKOiil'k  S'KAOKOY  HMSTkACiKkiua  be- 
ziehen sich  auf  Kap.  XVI;  MpaKa  rp-KyoEkHa  orrHaB'Kiija  iipo- 
CB'feTHCTa  BoyKiiBaMH  dürften  eine  Anspielung  enthalten  auf  die 
heidnischen  Aberglauben,  von  denen  im  XV.  Kap.  der  Vita  die  Rede 
ist;  die  Worte  HaoyMkma  c>\'MeHHK'ki  i^kpKBkHOLiov;  MUHoy  hc- 
niiAHk  beziehen  sich  auf  den  Anfang  desselben  XV.  Kap.,  nur  steht 


Die  neuesten  Forschungen  über  den  slavischen  Klemens.  357 

hier  statt  des  Ausdruckes  saKOHii.  der  in  der  Vita  angewendete  mmhiv. 
Die  weitere  Erzählung  von  der  Reise  nach  Rom  und  dem  Empfang  durch 
den  ihnen  entgegengekommenen  Papst  berührt  sich  mit  den  Worten : 
H^f  CBfTHTk  cyMEHNKk  CBOHY«^  in  Kap.  XV,  mit  dem  VI.  Kap.  der 
Vita  Methodii  und  dem  Anfang  des  XVU.  Kap.  der  Vita  Cyrilli.  Endlich 
zeigt  auch  die  Erzählung  von  dem  Tode  Cyrill's  in  der  Lobrede,  dass  das 
letzte  Kapitel  der  Vita  entsprechend  dem  heutigen  Texte  lautete.  Wenn 
man  noch  die  von  Klemens  verfasste  Lobrede  auf  Cyrill  heranzieht,  ge- 
winnt man  noch  weitere  Parallelen.  Und  zwar  den  Hinweis  auf  die  Er- 
zählung von  dem  Streit  CyriH's  mit  den  Ikonoklasten  und  ihrem  Anführer, 
dem  Patriarchen  Jannes,  den  Hinweis  auf  die  Predigt  Cyrill's  bei  dem 
Volke  Phul  (es  ist  OovlXa  oder  al  OovXlot  in  der  Krim  gemeint),  wovon 
die  Vita  spricht.  Die  Erzählung  von  dem  Aufenthalt  Konstantin's  in 
Cherson  wird  durch  den  Brief  des  Anastasius  bestätigt,  ebenso  durch  die 
slav.  Uebersetzung  der  griech.  Legende  von  der  Auffindung  der  Reliquien 
des  heil.  Klemens.  Die  Nachricht  von  der  Erlernung  der  hebräischen 
Sprache  findet  in  gewisser  Hinsicht  ihre  Bestätigung  durch  die  italische 
Legende,  die  von  der  Erlernung  der  chazarischen  Sprache  spricht. 
Wahrscheinlich  sind  beide  Sprachen  gemeint,  die  von  den  Unterthanen 
Chagans,  den  Mohammedanern  und  den  Hebräern  gesprochen  wurden. 
Das  Interesse  Konstantin's  für  die  hebräische  Sprache  kommt  auch  sonst  in 
der  Vita  zum  Ausdruck.  Neben  der  Entzifi'erung  einer  Inschrift  sei  auf  die 
Gespräche  mit  einem  Hebräer  über  Christus  in  Rom  hingewiesen,  woraus 
sich  die  nothwendige  Voraussetzung  der  Kenntniss  der  hebräischen 
Sprache  für  Cyrill  ergibt.  Zuletzt  ist  auch  nach  der  üblichen  Deutung 
der  slavischen  Alphabete,  mag  nun  das  glagolitische  oder  cyrillische  von 
Konstantin  herrühren,  ein  Zusammenhang  mit  der  hebräischen  oder 
samaritanischen  Schrift  nicht  abzuweisen.  Die  Erzählung  von  einem 
grammatischen  Leitfaden  der  hebräischen  Sprache  wird  zwar  von  V.  I. 
Lamanskij  in  Abrede  gestellt  und  natürlich  auch  der  für  die  hebräische 
Sprache  nicht  anwendbare  Hinweis  auf  octo  partes  orationis.  Allein 
diese  Einzelheiten  werden  auch  von  Lamanskij  so  aufgefasst,  dass  sie 
auf  der  Wiedergabe  des  durch  Vermittelung  Method's  Gehörten  und 
zwar  in  einer  erst  in  dritter  Reihe  folgenden  Darstellung  des  Verfassers 
beruhen.  In  der  That  kann  man  in  diesem  Falle  eher  an  eine  Ueber- 
treibung  oder  ein  Missverständniss  schon  seitens  des  Verfassers  der  Vita 
denken,  als  alles  das  erst  einer  späteren  Umarbeitung  zuschreiben.  Zu 
solchen  Stellen  gehört  auch  die  Erzählung  von  den  auf  den  christlichen 


358  P-  A.  Lavrov, 

Häusern  gezeichneten  Figuren  der  Dämonen  nach  der  Vita  statt  der  an 
die  Häuser  angelehnten  Holzfiguren  des  Teufels  nach  den  arabischen 
Quellen.  Hier  steckt  allerdings  eine  üngenauigkeit,  aber  anderseits 
auch  ein  Beweis  dafür,  dass  der  Verfasser  auch  diese  ihm  vielleicht  von 
den  Reisebegleitern  Konstantin's  zu  den  Chazaren  mitgetheilte  Erzäh- 
lung nicht  ganz  übergehen  wollte.  Ist  das  der  Fall,  dann  mögen  auch  die 
Gespräche  Konstantin's  mit  den  Sarazenen  auf  gleicher  Quelle  beruhen, 
wodurch  sich  auch  ihr  Charakter  erklärt.  Man  hat  es  nicht  nöthig,  sie 
als  urkundliche  Aufzeichnung  aufzufassen,  wovon  in  der  Vita  keine  Rede 
ist,  aber  auch  die  Behauptung,  dass  sie  Auszüge  aus  polemischen,  gegen 
die  Mohammedaner  gerichteten  Schriften  des  XH. — XIH.  Jahrh.  enthal- 
ten, müsste  erst  bewiesen  werden.  Ebenso  wird  es  kaum  einem  Zweifel 
unterliegen,  dass  der  Autor  der  Vita  bei  der  Wiedergabe  der  Disputa- 
tionen Konstantin's  bei  den  Chazaren  eine  von  Method  übersetzte  Nie- 
derschrift Konstantin's  vor  Augen  hatte.  V.  I.  Lamanskij  findet  eine 
solche  Arbeit  seitens  Method's  unwahrscheinlich,  zumal  er  als  Erzbischof 
keine  Zeit  dazu  gehabt  hätte.  Allein  wenn  Method  bei  dieser  Gelegen- 
heit als  Erzbischof  bezeichnet  wird,  so  ist  damit  noch  nicht  gemeint, 
dass  er  erst  in  der  letzten  Periode  seines  Lebens,  da  er  Erzbischof  war, 
diese  Uebersetzung  zu  Stande  gebracht.  Die  Zweckmässigkeit  aber  einer 
solchen  Uebersetzung  ergibt  sich  schon  aus  der  Erwähnung  (in  den 
Antworten  des  Papstes  auf  die  Fragen  der  Bulgaren)  von  gottlosen 
Büchern,  die  die  Bulgaren  von  den  Sarazenen  bekommen  haben  sollen. 
Der  Ausdruck  np'kAOH^HTH  wird  in  der  Vita  von  der  Uebersetzung  der 
gottesdienstlichen  Bücher  in  Kap.  XV,  in  der  Vita  Methodii  Kap.  XV 
ebenso  betrefifs  des  Apostolus,  Evangeliums  und  Psalters  u.  s.  w.  ange- 
wendet, dagegen  steht  K£C't;)i,OY  nHcaTH  fßaHrfAKCKOY  nur  dort,  wo 
es  sich  um  die  erste  Anwendung  der  neu  erfundenen  Schrift  handelte. 
Es  bleiben  somit  ohne  jede  weitere  Bestätigung  durch  auderwärtige 
Quellen  nur  die  Behauptungen  der  Legende  von  den  samaritanischen 
Buchstaben,  von  dem  Psalter  und  dem  Evangelium  mit  russischen  Buch- 
staben und  von  dem  Lidividuum,  das  dieser  Sprache  kundig  war.  Uu- 
beglaubigt  sind  ausserdem  einige  Einzelheiten  aus  der  Jugendzeit  Kon- 
stantin's, solche  Stellen  wie  das  Kapitel  und  die  Erzählung  von  der 
Entzifferung  des  Bechers  Kap.  XHL  V.  I.  Lamanskij  hat  gegen  die 
übliche  Deutung  der  russischen  Schrift  und  Sprache  als  gotische  sehr 
gewichtige  Gründe  vorgebracht,  die  beachtet  werden  müssen,  allein  die 
Annahme  späterer  Einschaltungen  in  die  Vita  Cyrilli  hat  schon  wegen 


Die  neuesten  Forschungen  über  den  slavischen  Klemens.         359 

der  Gleichartigkeit  der  Darstellung  in  allen  Texten  der  Legende  wenig 
Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Die  von  V.  I.  Lamanskij  in  den  Bestand- 
theilen  der  chazarischen  Disputationen  hervorgehobenen  Ungleichheiten 
können  leicht  erklärt  werden.  Die  Ausdrücke  HW^m  und  /KH,\,okhh'K 
mit  ihren  Ableitungen  werden  auch  sonst  promiscue  angewendet:  in 
Kap.  IX.  X.  XI  steht  HK»^\fH,  aber  auch  Kap.  X  JKH^OKHH'k  und 
Kap. XI  npHraTEAEF.ik  -.KH;i,OBCKKiMk,  iKHAOBCKiü  MOAHTBKi.  Aber 
auch  im  Inhalt  der  Erzählung  ist  nichts  ungleichartiges  wahrzunehmen. 
Sie  besteht  aus  mehreren  Theilen :  aus  dem  Gespräch  Konstantin's  mit 
dem  ihm  entgegengeschickten  Mann,  aus  den  Tischgesprächen  bei  Cha- 
gan,  aus  dem  Disput  mit  den  wortgewaltigen  Hebräern,  in  welchen 
von  den  Citaten  der  heil.  Schrift  häufig  Gebrauch  gemacht  wird,  aus  der 
Rede  in  Parabeln,  wobei  neben  den  Hebräern  auch  die  Mohammedaner 
als  Zuhörer  auftreten,  die  nicht  so  sehr  auf  schriftkundige  Männer  wie 
auf  das  einfache  Volk  berechnet  war.  Abgesehen  von  dem  Disput  mit 
schriftkundigen  Männern,  wo  selbstverständlich  die  volle  Aufmerksam- 
keit auf  den  Büchern  konzentrirt  ist,  alles  Uebrige  trägt  den  Charakter 
der  Gemeinverständlichkeit,  die  allerdings  in  erster  Linie  dem  Verfasser 
der  Vita  zuzuschreiben  ist ;  wie  es  sich  damit  in  der  Darstellung  Kon- 
stantin's verhalten  haben  mag,  das  ist  freilich  eine  andere  Frage.  Auf 
jeden  Fall  trägt  die  Redaktion  dieses  Theiles  der  Vita  alle  Anzeichen 
der  Ursprünglichkeit  an  sich.  Wir  hatten  schon  bei  der  Uebersetzung 
der  Vita  ins  Russische  (im  zweiten  Heft  der  von  Prof.  Vinogradov  heraus- 
gegebenen Vorlesungen  über  die  Geschichte  des  Mittelalters)  Gelegenheit 
darauf  hinzuweisen,  dass  die  Erzählung  von  verschiedenen  Arten  der 
weltlichen  Herrschaft  die  damaligen  Menschen  sehr  interessirte,  und  bei 
Johannes  Exarchus  bulgaricus  liest  man  in  dem  Theil,  der  als  originelle 
Arbeit  gilt,  die  bekannte  Erzählung,  die  an  die  Auseinandersetzung 
Konstantin's  in  seinen  Gesprächen  mit  dem  Chagan  der  Chazaren  erin- 
nert. Wenn  dieser  Parallelismus  zeigt,  dass  solche  Gespräche  im  IX. 
und  X.  Jahrh.  geführt  werden  konnten,  so  ist  es  gar  nicht  nothwendig, 
zu  der  Vermuthung  zu  greifen,  dass  in  der  Vita  »alles  das  aus  einer 
späteren  slav.  Uebersetzung  irgend  eines  noch  unbekannten  griechischen 
Traktates  über  die  Disputationen  mit  den  Sarazenen  und  Hebräern  ent- 
lehnt sei«  und  dass  »in  der  ursprünglichen  Redaktion  der  Vita  Constan- 
tini,  wenn  sie  zu  Ende  des  IX.  oder  zu  Anfang  des  X.  Jahrh.  geschrie- 
ben wurde,  solche  Auszüge  nicht  enthalten  waren«  i). 

1)  Ich  verweise  auf  noch  eine  Quelle,  die  als  Nachweis,  dass  sich  die 


360  P-  A-  Lavrov, 

Nach  unserer  Ueberzeugung  kann  man  also  die  Vita  Constantini  in 
der  Gestalt,  wie  wir  sie  kennen,  als  ein  Denkmal  des  IX.  Jahrh.  gelten 
lassen,  unter  Ablehnung  der  Annahme  von  späteren  Interpolationen  ^); 


Vita  Constantini  in  treuer  Ueberlieferung  erhalten  hat,  dienen  kann.  Das 
sind  die  Lektionen  in  den  Glagolit.  Breviarien,  von  denen  die  Monographie 
Brcic's  (Dvie  sluzbe  rimskoga  obreda  za  svetkovinu  svetih  Öirila  i  Metuda, 
U  Zagrebu  1870)  handelt.  Man  vergl.  dazu  noch  meine  Bemerkungen  in  dem 
»Fünften  bibliographischen  Beitrag«  (Anzeiger  der  philos.-histor.  Classe  vom 
18.  Oktober  1899,  Nr.  20),  wo  ich  für  den  sprachlichen  Ausdruck  der  Vita  in 
ihrer  ältesten  Fassung  einige  nicht  unbedeutende  Beispiele  lieferte,  wodurch 
der  Text  der  Vita  Cyrilli  demjenigen  der  Vita  Methodii  näher  gebracht  wird. 

V.J. 
1)  In  der  Abhandlung  »TojKOBaa  IlajicH  h  JßxonHCB«  brachte  A.A.Schach- 
matov  jene  Stellen  der  Palaea  zur  Sprache,  die  in  ihr  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  aus  der  Vita  Cyrilli  entlehnt  sind.  Er  meint,  dass  die  Disputationen 
der  kommentirten  Palaea  aus  den  von  Konstantin,  dem  Slavenapostel,  mit 
den  Hebräern  und  Sarazenen  gehaltenen  Disputationen  hervorgegangen 
seien.  Auf  die  bekannte  Stelle  von  der  Uebersetzung  der  Disputationen  Kon- 
stantin's  durch  seinen  Bruder  sich  berufend,  folgert  er  daraus,  dass  Method 
nicht  das,  was  in  der  Vita  Cyrilli  steht,  sondern  etwas  anderes  übersetzt  habe. 
Wir  haben  in  einem  am  4.  Okt.  1894  in  der  Archäolog.  Gesellschaft  zu  Moskau 
gehaltenen  Vortrag  bezüglich  einer  Chilendarer  Redaktion  der  kommentirten 
Palaea  (vgl.  die  Protokolle  zu  TpyÄii  ciaB.  komm.  I,  S.35)  auf  zwei  Stellen  hin- 
gewiesen, die  mit  der  Vita  Cyrilli  zusammenfallen  (es  sind  dieselben,  auf  die 
sich  Akad.  Schachmatov  bezieht)  und  gleichfalls  die  Entlehnung  derselben 
für  die  Palaea  aus  der  Vita  Cyrilli  vorausgesetzt.  Allein  in  Ermangelung  an- 
derer Berührungen  konnten  wir  an  die  Disputationen  Konstantin's  als  Quelle 
der  kommentirten  Palaea  nicht  denken.  In  der  Vita  steht  ja  deutlich  aus- 
gesprochen, dass  die  Disputationen  Konstantin's  sein  Bruder  Method  über- 
setzt habe.  Wenn  also  die  Palaea  die  Uebersetzung  Method's  erhalten  hätte, 
80  würden  wir  in  ihr  mehrere  Parallelen  zu  dem  in  der  Vita  Cyrilli  vorliegen- 
den Auszug  aus  jenem  Werke  vorfinden  müssen.  Weiter  verweist  A.  Schach- 
matov auf  die  Parallelen  in  dem  Kommentar  zu  den  Propheten  (nach  einem 
KijewerText  des  Golddachigen  Michaelklosters)  und  meint,  dass  dieser  Kom- 
mentar einen  Theil  des  ursprünglichen  Palaeatextes  bildete.  Allein  auch 
dann  würden  wir  volle  Uebereinstimmung  mit  dem  in  der  Vita  Cyrilli  be- 
findlichen Text  erwarten.  Diese  beschränkt  sich  jedoch  nur  auf  einzelne 
Stellen.  Wir  dürfen  weitere  Aufklärung  von  neuem  Material  erwarten,  fürs 
erste  kann  ein  gewisser  Zusammenhang  zwischen  dem  in  der  Vita  Cyrilli  ent- 
haltenen Text  der  Disputationen  Konstantin's  und  der  Palaea  sowie  dem 
Prophetenkommentar  zugegeben  werden.  Diese  Thatsache,  da  sie  nicht  so 
gedeutet  werden  kann,  dass  die  Vita  aus  der  Palaea  geschöpft  hätte,  spricht 
schon  wieder  gegen  die  Annahme  einer  späteren  Einschaltung  dieser  Episode 
in  die  Legende. 


Die  neuesten  Forschungen  über  den  slavischen  Klemens.  361 

sie  kann  also  mit  anderen  Texten  aus  jener  Zeit,  wozu  die  verschiedenen 
Werke  Klemens'  gehören,  verglichen  und  geprüft  werden.  Doch  wollen 
wir  auf  die  von  Vondräk  vorgenommenen  Vergleiche  nicht  näher  ein- 
gehen, es  sei  unsererseits  nur  auf  die  in  beiden  Legenden  wahrgenom- 
mene Liebe  zu  Antithesen  hingewiesen.  So  lesen  wir  in  der  Vita  Cyrilli 
Kap.  IV  EW  MaAtyk  CACßtcf^i^   bcankk  o^mii,  Kap.  V  oysptBK 

$HAOCO$a  K"Ha  T'KAOMk,  A  H«  ß'^A'^  CTapa  0\'Ma  Rk  HfMK, 
Kap.  XVI  TpkHK  H  CAA^I^KK  RAOA^,  ib.  V  Ht  AK>AkCKaro  OBKiHara 
Api^^KH  c(    HK   BC»/KHH\'K   sanoBtA""  3pH ,    Vita  Meth.  Kap.  III 

npÜAOHIH    SfMKH'Kira     TkM'Kl    BOAK>    HA    HtBECkH'kira    MIÜCAH,     ib. 

Kap.  II  CAOBfCkHTviia  a'^^tjakk»  np'tcn'feB'K  a  A'^TfAkHivira  cao- 

K'kMk,    ib.    CAOBO    CHAKHOie  H  KpOTT»,KOl€,    CHAh.HO    HA    npOTHBk- 

HTjjra  a  KpoTTi.KOie  Ha  npHi€MAK>4iAra  kasahhic,  ib.  Kap.  IV  chh 

/K«    MOAHTBOKJ    A    4>HA0C0$'k    CAOBtCKl. 

Wir  kommen  zur  Frage  über  die  Abkunft  Klemens'.  Prof.  Vondräk 
äussert  sich  dahin  (S.  92),  dass  er  wahrscheinlich  aus  Macedonien  oder 
jedenfalls  aus  einer  Gegend,  wo  man  die  Sprache  der  cyrillo-methodia- 
nischen  Uebersetzung  der  heil.  Schrift  sprach,  stammte.  Er  sei  kein 
pannonischer  Slovene  gewesen,  sonst  würde  man  bei  ihm  Spuren  der 
Sprache  der  Freisinger  Fragmente  wiederfinden,  er  war  auch  kein 
Mährer,  da  auch  keine  Spuren  der  westsl.  Sprache  in  seinen  Werken 
durchschimmern.  Er  sei  fortwährend  unter  dem  Einfluss  der  üeber- 
lieferungen  der  griech.  Kirche  gewesen.  Mit  den  angeblichen  Spuren 
des  Bogomilismus,  welche  Voronov  in  der  pannon.  Legende  von  Kon- 
stantin zu  finden  glaubte,  erklärt  sich  Prof.  Vondräk  nicht  einverstanden 
(S.  93).  Während  wir  die  südslavische  Abstammung  Klemens'  sehr 
wahrscheinlich  finden,  scheint  uns  die  Annahme,  dass  die  Legenden  im 
Süden,  in  Macedonien  geschrieben  wurden,  weniger  wahrscheinlich  zu 
sein.  Wäre  das  der  Fall,  so  würde  man  wenigstens  irgend  welche  An- 
spielung an  das  Land,  in  welchem  der  Verfasser  schrieb,  erwarten. 
Und  doch  ist  in  keiner  der  beiden  Legenden  auch  nur  der  Name  ge- 
nannt, weder  Bulgarien  noch  Macedonien.  Wir  sprechen  gar  nicht  da- 
von, dass  nach  unserer  Auffassung  die  beiden  Legenden  nicht  zur  selben 
Zeit  abgefasst  wurden,  da  die  Annahme,  dass  die  Vita  Constantini  älter 
sei,  aus  der  Natur  der  Dinge  sich  von  selbst  ergibt.  Doch  nur  sehr  nahe 
Beziehungen  zu  den  beiden  Glaubenslehrern  konnten  den  Verfasser  der 
Legenden  in  die  Möglichkeit  versetzen,  so  viele  Einzelheiten  aus  ihrem 
Leben  und  ihrer  Wirksamkeit  mitzutheilen.     Auch  die  Vita  Methodii 


362  P-  A.  Lavrov, 

wird  durch  die  Kürze  des  Umfanges,  durch  ihre  nahen  Beziehungen  zur 
Vita  Cyrilli,  wobei  die  Bekanntschaft  mit  dem  Inhalt  dieser  Vita  voraus- 
gesetzt wird,  in  eine  solche  zeitliche  Nähe  zu  jener  gerückt,  dass  man 
ihre  Abfassung  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  noch  in  die  Zeit  des 
Aufenthaltes  der  Schüler  der  ersten  Glaubenslehrer  in  Mähren  ver- 
setzen darf.  Nicht  lange  blieben  sie  zwar  in  Mähren,  doch  immerhin 
war  für  die  Abfassung  dieser  Legende  Zeit  genug  vorhanden.  Die  Auf- 
werfung der  Frage,  wann  die  beiden  Legenden  im  Vergleich  zu  anderen 
Werken  Klemens'  entstanden  sein  können,  und  die  Behauptung,  dass 
Klemens  erst  nach  der  Erlangung  einer  gewissen  Fertigkeit  durch  die 
Abfassung  kleinerer  Werke  sich  auf  diese  grösseren  Leistungen  einlassen 
konnte,  sollten  nach  unserem  Dafürhalten  besser  unerörtert  bleiben 
(S.  94 — 95).  Denn  erstens  gibt  es  unter  den  kleinen  Schriften  Klemens' 
auch  solche,  die  Prof.  Vondräk  selbst  nach  Mähren  und  Pannonien  ver- 
setzt. Dann  aber  kann  die  Thätigkeit  Klemens'  doch  nicht  auf  die  Ab- 
fassung selbständiger  Belehrungen  eingeschränkt  werden.  Mit  gi'osser 
Wahrscheinlichkeit  kann  man  vielmehr  auch  seine  Betheiligung  an  der 
Uebersetzung  der  heil.  Schrift  und  der  liturgischen  Werke  in  der  Eigen- 
schaft eines  Mitarbeiters  der  ersten  Glaubenslehrer  voraussetzen.  Bei 
dieser  Gelegenheit  konnte  er  auch  die  nothwendige  Gleichförmigkeit  in 
dem  sprachlichen  Ausdrucke  sich  aneignen.  Dagegen  möchten  wir  den 
grössten  Theil  seiner  Reden  der  späteren  Zeitperiode,  da  er  in  Macedo- 
nien  als  Bischof  an  der  Spitze  einer  zahl-  und  umfangreichen  Heerde 
stand,  zuweisen.  Einige  Dissonanzen  zwischen  den  beiden  Legenden 
möchte  Prof.  Vondräk  durch  die  schon  in  eine  gewisse  Ferne  gerückten 
Ereignisse,  von  denen  die  Rede  ist,  erklären.  Unsere  Annahme  der 
zeitlichen  Verschiedenheit  betreffs  der  Abfassung  der  beiden  Legenden 
lässt  ebenfalls  die  Nichtübereinstimmungen  erklärlich  erscheinen  selbst 
bei  der  Voraussetzung  eines  und  desselben  Autors  der  beiden  Legenden. 
Dennoch  sei  uns  gestattet,  bezüglich  der  beiden  Legenden  noch 
einige  Bemerkungen  zu  machen.  Ein  Umstand  fällt  auf,  der  bisher  un- 
seres Wissens  wenig  beachtet  wurde.  Die  Vita  Methodii  zeigt  ungeachtet 
ihrer  Kürze  eine  ganze  Reihe  von  dunklen  Stellen.  Z.B.  im  IV. Kapitel 
ist  zunächst  von  Chazaren  und  von  Konstantin  die  Rede,  die  Worte 
»OHTv  JKf  pfK'K  raKO  rOTOßl».  fCMK  3a  KpkCTHmHCKOV'K»  K'kpOY 
oyiuip'kTH«  sollten  sich  auf  Konstantin  beziehen,  in  der  That,  in  der 
Vita  Cyrilli  Kap.  VI,  wo  von  der  Mission  zu  den  Sarazenen  die  Rede 
ist,  werden  die  gleichen  Worte  so  gelesen:  ck  pa^oCTHio  H^'^y  3a 


Die  neuesten  Forschungen  über  den  slavischeu  Klemens.         363 

YPHCTHraHkCKOYK»  KlipOX,"  MKTO  BO  MH  l€CTk  CAaiK^KUJf  Ha  CtlLIK 
CB'tTiv     HK     3a     CRfTO^K»     TpOHU^O^    JKHßO^    KKJTH    H     0\'Ilip1vTH. 

Nun  heisst  es  aber  in  der  Vita  Methodii  als  unmittelbare  Fortsetzung 
der  oben  angeführten  Worte :  He  ocAOXfiU'*  CA  mk^'k  caoy/KH  raKO 
paK'K  MkHKLUOY  KpaTO^,  diese  Worte  können  nur  auf  Method  be- 
zogen werden,  was  aber  grammatisch  so  ausgedrückt  ist,  als  würde  noch 
immer  von  Konstantin  die  Rede  sein.  Also  eine  auffallende  Satzver- 
bindung. Auch  in  den  Anfangsworten  des  IV.  Kapitels  muss  die  Prä- 
position no  vor  $HAOCO$a  ausgelassen  werden  oder  aber  ein  ganzer 
Satz,  etwa  4,«*  "A^Ti*,  vor  ß^k  KOSapivi  eingeschaltet  werden.  Am 
Schluss  desselben  Kapitels,  wo  von  dem  Kloster  Polychronos  die  Rede 
ist,  enthalten  viel  dunkles  die  Worte:  i€MO\f'Kf  «ctk  c'kM'Kpa  K  h  ;v, 
cncy^Oße  saara  a  c»tku,k  obha«  o  kt».  iweuw  lecTk.  Zum  Schluss 
des  fünften  Kapitels:  h  Tpkimiv  A'KTOM'k  HUik^i^Tviiityk  ß03ßpa- 
THCTa  CA  H3  Mopaß'ki,  OYHfHHKTvi  Hao^Mkiua,  lässt  der  Text  alles 
zu  wünschen  übrig.  Wohin  kehrten  die  beiden  Glaubenslehrer  zurück  ? 
Wahrscheinlich  muss  irgend  eine  Lücke  angenommen  werden.  Das 
VI.  Kapitel  beginnt  mit  der  Nennung  des  Papstes  Nikolaus,  alles  weitere 
bezieht  sich  jedoch  auf  den  Papst  Hadrian. 

Merkwürdig,  in  der  Lobrede,  die  unmittelbar  nach  der  Vita  folgt, 
steht  richtig  der  Name  Hadrian's.  Auch  in  der  Vita  Cyrilli  ist  diese 
Stelle  besser  redigirt,  dort  steht  im  ersten  Falle  nicht  der  in  der  Vita 
Methodii  genannte  Papst  und  weiter  wird  richtig  Hadrian  genannt.  Es 
gibt  noch  geringfügigere  üngenauigkeiten.  So  schreiben  gleich  zu  An- 
fang der  Einleitung  alle  Texte  lupkTB^K  i€CTk,  das  von  den  Heraus- 
gebern in  MOij';i,pkCTßO\feTk  ca  berichtigt  wird.  In  Kapitel VIII  steht 
minder  richtig  aH^pHaH'K  «nHCKcym».  h  paß'K  eo:khh,  während  es 
in  der  Lobrede  richtiger  heisst:  aH^k.pnaH'k  niHCKom».  paß'K  ßkcRMT». 
paßOM'K  BOJKHierJlTi.  In  Kap.  IX  setzt  Miklosich  den  ausgelassenen 
Namen  Svjatopolk  nach  den  Worten  iCTep'K  ;i,po\j'r'k  voraus.  Zuletzt 
sei  noch  die  unlängst  von  Sachmatov  so  tiberzeugend  berichtigte  Stelle 
erwähnt:  ;i,a  ßO\,';i,«Tk  OT-kAcyMeHi»,  h«  T'kkmo  ß'kcoY^a  Hii  h 
U,pkKßr,  d.  h.  das  Wörtchen  HTv  des  Textes  muss  in  H£  korrigirt  wer- 
den. Uebrigens  diese  letzte  Stelle  ist  wohl  nur  als  nachträgliche,  wahr- 
scheinlich durch  den  verdunkelten  Ausdruck  ßT^coy^ija  hervorgerufene, 
Textverderbniss  unserer  Abschrift  anzusehen.  Woher  diese  vielen  ün- 
genauigkeiten in  der  Vita  Methodii  an  den  sonst  ihrem  Inhalt  nach  ein- 
fachen Stellen,  während  in  der  Vita  Cyrilli,  ungeachtet  ihres  längeren 


364  P-  ^-  Lavrov, 

Umfangs,  solche  Fälle  nicht  vorkommen?  Einige  dunkle  Stellen  kom- 
men hier  nur  in  der  Disputation  mit  den  Chazaren  vor,  die  bekanntlich 
einen  Auszug  der  Uebersetzung  aus  dem  Griechischen  bildet.  Die 
dunklen  Stellen  können  ebenso  in  der  ungenauen  Uebersetzung  wie  in 
dem  ungenauen  Auszug  ihren  Grund  haben.  Sonst  sticht  die  Vita  Cy- 
rilli,  obwohl  sie  nur  in  späten  Abschriften  enthalten  ist,  durch  ihre  Ge- 
nauigkeit gegenüber  der  Vita  Methodii  ab.  Soll  man  die  Schäden  der 
letzteren  nicht  vielleicht  in  den  traurigen  Verhältnissen,  in  welchen  sich 
die  Schreiber  des  Methodius  nach  dem  Tode  des  Lehrers  befanden, 
suchen  ?  Der  Verfasser  der  Vita  Methodii  schrieb  dieses  Werk  unter 
beständiger  Voraussetzung  der  Bekanntschaft  mit  dem  Inhalt  der  Vita 
Cyrilli.  Er  vermied  die  Ausführlichkeit  dort,  wo  schon  in  der  Vita  Cy- 
rilli  von  der  Sache  die  Rede  war,  doch  wo  zu  dem  in  der  Vita  Cyrilli 
Gesagten  etwas  noch  hinzuzufügen  war,  verursachte  das  Schwierigkeiten 
und  Störungen  im  Verlaufe  der  Erzählung,  wie  z.  B.  in  Kap.  IV  oder  in 
Kap.  VI.  Merkwürdig  jedoch,  nachher  als  die  Lobrede  abgefasst 
wurde,  hat  der  Verfasser  die  Unebenheiten  der  Vita  ausgeglichen, 
namentlich  die  dunklen  Stellen  derselben  wurden  einfach  ausgeschaltet. 
Wir  hätten  freilich  einer  Erklärung  derselben  den  Vorzug  gegeben. 
Und  doch  möchte  ich  in  Uebereinstimmung  mit  Prof.  Vondrak  und  an- 
deren Forschern  gleicher  Ansicht  an  einem  Verfasser  für  beide  Legen- 
den festhalten.  Denn  beide  Legenden  beruhen  auf  der  Voraussetzung 
griechischer  Quelle  der  ganzen  Gelehrsamkeit  des  Verfassers.  Man 
vergl.  solche  Graecismen  wie:  afpi».  K.  XVI,  aMHHk  K.  XI.  XVI.  III. 
M.  VIII,  aHarwocTT».  M.VI,  apH«.M£THKHra  K.  IV,  apx'HicriHCKon'k 
M.  II,  acHKpHTT4,  K.  VI,  acTpoHOMHra  K.  VI,  ßapBapTv  K.  XVI, 
BHBAOTHKap'k  K.  IV.  XVII,  FfWUlTßHa  K.  VI,  rpaMOTHKHia  K. 
VIII,  AMi^ß^^'^T»"  K-  XV.  M.  I,  AH'<i>^<>"'^  M.  XIII,  jyHaAtKCHKA  K. 
IV,  A'^MOH'k  K.  VI,  i€BaHreAHi€  K.  XVIII.  M.  VIII.  XV,  mwcKon-k 
K.  XVIL  M.  VIII,  «RHCTCAHra  K.  XIV.  M.  XII,  »epfCk  K.  XVI.  M.  I. 
XVU,  HroifMfHTi  K.  X.  M.  IV.  V,  haoa-k  K.  X.  M.  I,  HieptH  K.XV. 

M.  I,    HKOHa   K.  XVin,    H H AH KTTv  M.  XVIII,    HOnaTOpkCKT».   M.  XII. 

HHOcrack  K.  VI,  oynocrack  M.  I,  KaHOHii  M.  VIII.  IX,  KarcaH- 

KHra  M.  VIII,    KAHpHK-K  M.  XVII,    KAHpOCk  K.  VUL  M.  XV,    KOp£Hk- 

«^iWMTv  K.  XVI,  AHToyprHia  K.  XVII,  aoro^tT'K  K.  III,  OHAOTk 
M.  I,  MOHacTkipk  K.  IV.  M.  IV,  mohhcto  K.  U,  MoycHKHra  K.  IV, 
HOMOKaHOH'K  M.  XV,  OATApk  K.  IV.  M.  VI,  naTpHapY'K  K.  IV. 
M.  IV,    narpHKHH  K.  V,    noTHpk  K.  XIII,    ncaAcm-k  K.  X.  XVI, 


Die  neuesten  Forschungen  über  den  slavischen  Klemens.  365 

ncaATHpk    K.  XIII.  M.  XV,    pHTOpHKura    K.  IV,    ckhhh»    K.  X, 

CTpaTHTT».    K.  II.  III,     COrMKOATk    M.  I,     TaAaHT'k    K.  III,     THTAa 

K.  XV,  <I)aTHM  K.  XVII,  «-fO/ion^  K.  III.  M.  I,  «IhiaocccI)!^,  ^h- 
AOCO^Hra  K.  IV,  'O'rMiaM'h.  K.X.  Die  Monatsnamen  werden  in  griech. 
Form  gebraucht :  MapoTv  M.  XV,  OKTARpk  ib.,  ^'^^P^V'^P'"  K-^V. 
Die  Völkernamen  begegnen  in  doppelter  Form:   rpKKOM'k  K.  XVIII, 

1131».  rpkKT».  M.  V.  VI,  rpKMkCKKI  M.  XVII,  EAAHHkCK'K  K.  IV,  fA- 
AHHkCKkl  K.  XVI;  pHIHAUHf  K.  XVII.  XVIII,  pHMCKTvIH  UMICA^'K 
K.  XVII,    pHMkCKkl    M.  VIII,    AaTHHT».    M.  VI,     AaTHHkCKT».    K.  XV, 

AATHNkCKTü  K.  XVI  (ancli  im  Evangelium  findet  man  fAHHT».  Marc. 

rpkHkCKkl  ib.,  pHMA'kHHH'k,    pHMkCK'kund  AATHUkCKkl),  arap/AHH 

und  cpau,HHH  K.  VI,  jKH^.OBHH'k  und  iEßtUH'K  (ebenso  im  Evangelium). 
Die  Deutschen  werden  HlvlHkU,H  M.  V  und  H'bMkMkCK'k  M.  X  genannt. 
So  auch  in  der  griech.  Vita  Clementis:  Ne(.iLT^oi.  Vergl.  übrigens  in 
engerer  Bedeutung  für  das  Schwabenland:  CBacki.  Die  Slaven  führen 
beständig  den  Namen  CAOß'feHHH'k,  CAOK'tHkCK'k  K.  XVI.  M.  U.V. VI, 
der  Name  BA'krapHH'k,  KAT^rapcKT»,  fehlt  gänzlich,  wodurch  sich  die 
pannonischen  Legenden  von  der  griech.  Vita  Clementis  wesentlich 
unterscheiden.  Daraus  könnte  man  auf  den  macedonischen  Ursprung 
Klemens'  schliessen,  da  damals  noch  der  Ausdruck  Bulgare,  Bulgarisch 
auf  Macedonien  keine  Anwendung  fand.  Darum  wird  auch  Klemens  in 
alten  Texten  seiner  Werke  mit  dem  Epitheton  CAOß'RHkCK'k  näher 
charakterisirt. 

Bei  der  Prüfung  der  sprachlichen  Seite  der  beiden  Legenden  suchte 
man  aus  der  Wiederkehr  derselben  Ausdrücke  in  beiden  Legenden  den 
Schluss  auf  die  Provenienz  derselben  von  einem  Verfasser  zu  ziehen. 
Prof.  Vondräk  findet  für  die  Mehrzahl  der  Fälle  diese  Beweisführung 
nicht  ausreichend  (S.  68 — 71).  Wir  könnten  diese  Ansicht  nicht  theilen. 
Uns  scheint  die  lexikalische  Identität  ebenso  bedeutsam  zu  sein  wie  die 
Vergleichung  der  Citate  aus  der  heil.  Schrift  oder  die  stilistische  Gleich- 
heit.    Darum  möchten  wir  einige  Beispiele  anführen:    KfCt^OKaTH 

K.  Vn.  M.  XVI,  EEljJHHkE  K.  XV  :  ßEl^IHHkH-k  M.  III,  KO\j'KKkl  M.  VI. 

K.  XIV.  XV,  BAa^kiKa  K.  VI  (vom  Herrscher  der  Saracenen),  K.  VI 
(vom  byzant.  Kaiser),  M.  V  (in  Anwendung  an  den  Kaiser).  XVI  (vom 
ugrischen  König),  rAaroAkUHKi».  K.  XVI,  rAaroAATH  sehr  häufig, 
z.  B.  K.  X.  XI.  M.  IX,  HS'krAaroAATH  MOAHTßoy  K.  III,  oiTAaro- 

AATH  CAOKKkl  K.  XIII,    A*>CTOHHO  M.  XVII.  K.  VIII.  IX,  ;k,OCTOtaTH 

K.  X.  XIV.  XL  M.  XVI,  AOcn-RTH  M.  VIIL  K.  XI,  HikAATH  mit  der 


366  P-  A.  Lavrov, 

Präposition  Ha  K.  I.  M.  VIII,  HSBkiBaTH  K.  XVI,  hsgkith  M.  IX.X, 
AaKOMkCTBO  M.  IX.  K.  X,   MA'Kßa  M.  III.  XV.  K.  VII.  XIII,    mho- 

rOlUlA'KKliH'k  K.  I,  lUlHOrOp'kHHB'K  K.  MHOrOp'kHkH'K  M.  XVII, 
MpKSOCTk   K.  XI,    MpbS'KK'K   M.  I,    HaAOJKHTH    C/Ä    Ha    lUlOAMTBOy 

M.  V.  K.  XIV  (weitere  Beispiele  fehlen  bei  Miklosich  und  Sreznevskij), 

HapHU,aTH   HMA  FHl  M.  I  :  HapEljJH   CfK-t  HM/Ä    K.  XVIII,    HapEKLUE 

naM/ftTk  CTPO  KAHiuifHTa  ib.  X\T:I,  HEnkipfBaTH  M.  XVI.  K.  VI. 
0CT;RnAfHHie  M.  XI  :  ocT;s;nHTH  K.  VIII,  nane^Kk  M.  XII.  II.  K. 
XVI.  XVII.  XVIII,  in  beiden  Legenden  auch  anocTOAHK'k  (sonst  in 
dem  kirchensl.  Lexikon  nicht  belegt),  noraHT».  M.  XI,  norankCK'k  M. 
XI.  K.  XL  XVIII,  noraHkCTBO  M.  I  K.  XIV,  nonaAH  M.  I.  K.  XV, 
non-K  M.  VL  K.  XVI,  nonoBkCTKO  M.  VI.  K.  IV,  nocnty-k  M.  XV, 
nocnlvUJkHHKTi.  M.I,  cknocn'kiuHHK'K  K.XIV,  npHcntTH  K.XIV; 
noMHTH  0  PH  M.  XVII.  K.  XVIII,  npHidTCAk  K.  XI  :  npHßTH  M.  X, 
npoBOAHTH  M.  XIII  :  npcKOH;A«HHi€  cktbophth  K.  XVIII,  np-fc- 
AtA'k  M.  IX.  K.  X,  npUAOJKHTH  K.  XVIII.  M.  XV,  riptcraBHTH  ca 
K.  XVm.  M.  I,  novfCTkiHH  M.  L  K.  VI,  paskiTH  ca  M.  XII.  K.  IX. 
XI.  XII,  ptHk  in  der  Bedeutung  res  K.  VIII.  XIV,  canii  K.  IV,  cao- 

BtCkHla,  :  -CHAA  K.  X,  CTs.lUI'KICA'k  M.  I,  CkBpkUUaTH  M.  III,  CTv- 
BpkUJHTH  M.  I  :  CkBpTvlUHTfAk  K.  VI,  C'kHkM'k  M.  I.  K.  XIII, 
CkHkMHHK'k  M.  I,  -C'kCTABHTH  KfCS^OV  M.  V  :  -CHAkI  K.  XVIII, 
-HOYA"TH    K.  IV.  M.  IV,    OY^^'THTH    M.  I.  K.  VIII,    MMMT».    M.  IL  III. 

VIII.  K.  IX.  X,  OKpas'k  Ha  cjb'K  raBAraTH  M.  IL  K.  IV.  V,  wvth  ca 
n;RTH  K.  IX.  M.  V,  no  LiaAOY  M.  IL  K.  I,  B'kCKop'k  M.  XL  K.  XIV. 
VIII,  (CmlvTaTH  K.  I :  —  C/Ä  M.  X.  VIII,  AOKsaTH  K.  XVIII  :  aok- 

SaHHie  ib.,  IVKAOKkISaTH  M.  XVI,  nOKOH  npHMlTH  M.  XVI. 
K.  XVIII,  K.  XII  noTpOYA'^T'"  ^'^  io  <5ei'  Bedeutung  »gehen«. 

Wie  in  allen  übrigen  Produkten  der  ältesten  kirchenslavischen 
Literatur,  so  kann  man  auch  in  den  beiden  Legenden  einige  Worte 
hervorheben,  die  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  auf  den  Eintlass  der 
westslavischen  Dialekte  zurückzuführen  sind.  In  der  Vita  Cyrilli  findet 
man  K.  I  }¥iAjK,AA  ha  noHaaHic,  vergl.  HoyoTH  Ha  KOJKfCTBO  ib.  XI, 
oder  K.X  B'kHpccHTf  na  CT'kSA  rocno^^HA  B'Sshw^ä  [höhm.fazfe 
se  na  stezky  stare^  gr.  eQsvvrjaaTe  TQißovg  xvQiov  cdioviovg).  Wir 
haben  in  »KjiHMeHT'L  cüOBincKiS«  auf  die  böhm.  Beispiele  wie  zediti  se 
na  penize  hingewiesen.  Vergl.  K.  IV  ovcKOf  Mopt,  böhm.  uzke  more^ 
K.  VI  pa^T^  HA'^V  —  radjdu^  K.  VII  CBATkiH  ^,iy\h,  —  svaty  den^ 
K.  VII  ro^HHa  in  der  Bedeutung  Zeit:  /lodina;  K.  IX  Bkce  xpo«  BT». 


Die  neuesten  Forschungen  über  den  slavischen  Klemens.  367 

MfCTk  HMlieTk,  vergl.  höhm.  j'mieti  koho  ve  dsti  (Gebauer  Staro^. 
slov.),  der  Unterschied  ist  nur  im  Casus,  ib.  hkcthk'K  :  dstivy^  ib.  X 
HfCTH  ^xlvieMTk  :  d^Je  se  dest  (Gebauer),  mit  A^^^P"^  A'^'^T"  vergl. 
böhm.  dohrodejc^^  -ec,  dohrodäjnik^  dohrodejstm.,  dohrodienie  u.  a.  (bei 
Gebauer),  K.  X  oyToprii  ca  :  böhm.  utrMi  se,  K.X  npHyRcHTH  C/ä  : 
höhm.  primisiti  se  k  6emu  (Kott);  K.  VI  pa3MlvUiafTe  h  (sc.  e,\HH'K 
KOrii)  Ha  TpH  :  böhm.  rozmUati]  npHKAaAOM'K  vergl.  höhm. priki ad 
(Kott)  und  äloY.priklad  (bei  Miklosich),  K.  VIII  onAfTe  ca  o  HfMk 
(sc.  rpa;i,'fe)  :  böhm.  oplesti  se  okolo  deho,  bim  (Kott),  K.  IX  i4JC,v,pKiH 
rocno^H  :  böhm.  stedry  Kristus  bei  Hus  (Kott);  K.  XII  caaTHHa  :  böhm. 
slatitia,  t\i\\\Q'MCTK<:'  :höhm.lakomstvi.  Sehr  häufig  begegnet  ^OCTOraTH 
in  der  Bedeutung:  gebühren,  vergl.  böhm.  bei  Gebauer  s.v.  dostati;  K.XI 
AOcnlCTH  :  böhm.  dospejeme,  K.  XII  OYT'kya  :  böhm.  uUcha\  ib.  Ke- 
HCpraTH  :  böhm.  vedere\  ib.  CfKHpa  :  böhm.  sekyra,  K.VIII  ckIvTHAH 
Ha^lk  HHMk  A^^^"^  M  HOiiJb  i  böhm.  svitili  nad  nim  den  i  noc.  Solche 
Worte;  wie  nancHCk,  anocTOAHK'k,  paKa  K. XVIII  kann  man  ans  Mo- 
ravien  ableiten.  —  In  der  Vita  Methodii:  imn^iua  aus  missa  XI,  K;i^n{- 
Tpa  XI,  CKOBOA«»  iui;¥;jKK  XVII  :  höhm.  svohodny  pän,  khah;he  nicht 
bei  Gebauer,  aber  in  der  Wenzelslegende  kommt  dieselbe  Form  vor,  die 
Varianten  zeigen,  dass  auch  in  der  Vita  Cyrilli  diese  Form  bekannt  war 
Font.  r.  B.  I.  1.  5;  c'KHi^M'b  :  böhm.  s7iSm,  vergl.  Vita  Cyrilli  ct^hk- 
MHHKT»,;  paMHTH  IV  :  böhm.  raHti\  kawmcaP'^^^i^U,'*  VIII:  bei  Ge- 
bauer y6';2i  drzis  klide  kralovstvie  neheskeho\  p'tHh,  als  res  V,  ebenso 
in  der  Vita  Cyrill;  B'Kc;^ai»>  ib.,  gefunden  bisher  nur  in  den  Kijever 
und  Wiener  Blättern;  Kpaak,  KpaasKTv;  H3HHU,a  IX  vergl.  böhm. 
znice;  A'I^'^th  sprechen  :  böhm.  diti\  pasKfCTM  XI  :  in  derselben 
Bedeutung  böhmisch;  okawkhth,  o^aiokhth  XIII.  XVI,  vergl. böhm. 
ohlibiti,  ulihiti  se. 

In  beiden  Legenden  begegnen  einige  Eigenthümlichkeiten,  die  wir 
aus  der  Evaugelientibersetzung  kennen,  wie  z.B.  die  Adjektivanwendung 
in  solchen  Fällen:  n;RTH  ca  acta  MopaßkCKaro,  yasap^CKaro, 
BT».  cfAOYHKCT-tyk  ppa^'S,  AK«AH  MopaßkCKki,  vergl.  im  Apostolus 
m;i^/Kh  a^^HHmcTHH,  \'a3apkCKara  p-Knk:  die  Angelegenheit  der 
Chazaren.  Namentlich  kehren  viele  Ausdrücke  aus  Apostolus  in  den 
Legenden  wieder,  z.  B.  Kf3  pOA^,  K63Apc»A'^MT^j  GfUJHHkie,  Kfi|iH- 
HOßaTH,  KfipHHOY,  R-feAHTH  vergl.  Apost.  ed.  Kaiuzniacki  265, 
KAaAklMkCTBO-ßAaAWHkCTKHie,      B'K3ABH3aTH,      B'k3M'STaTH 

-njMaAk  Vita  Cyrilli,  -npaX"K  apost.,  rAaroAkHHKTv  in  Vita  Cyrilli  aus 


368  P-  A.  Lavrov, 

Apostolus,  vergl.  auch  o^rAarc^AaTH  u. s.w.;  roB'kHH'k,  ;i,OKpo;k,'KH, 
AOKpOAliraHHie,  HSK'RljJfHHie,  HCKOYdkHTi  vita  Cyr.  und  HCKOy- 
uibH'K   apost.,   HCT'k,    a'Khhth    C/ä    in  der  Bedeutung  zögern:   H( 

AtHH    CA     nOTpOY^HTH    CA    A*>    HHX"K   K.   XII,     HaAOJKHTH    CA, 

oehh;rth  ca;  viele  Ableitungen  von  cbkijjk,  cf.  OKKUJHHa  K.,  no- 
Kopik  und  noKopcHHie,  noneipH  ca  K.,  non'K,  nonoBkCTBO,  nc- 
cn'EuikHRK'k,  noTaraTH  ca  K.,  npaßHAO  M.,  npHrKOS^HTH 
vergl.  OTTirBOS^HTH  K.,  npHM'KiiJaTH  CA,  H'KCHk  in  der  Bedeu- 
tung Psalm  M. ,  pasM'KcHTH  vergl.  paam-kiuaTH  K.,  pii.nTHB'h, 
P'knTaHHie  vergl.  op'knTHTH  M.,  CACtBcckHik  K.,  cBpkujaTH  ca, 

CBphUJHTfAh,  C'KMhJCAKH'K,  CKHOCn'felllliHHK'K ,  OYHptAHT"; 
mtJS.ß'KK.,  nt:ilJk  HTM,  HHEO,  nO^MHHa,  CTO^AT*,  cTksra,  o^TpoEa, 
HKCTHB'K,  U.  V.  a. 

Nach  den  Legenden  unterzieht  Prof.  Vondräk  einer  Betrachtung 
die  mit  ihnen  im  engen  Zusammenhang  stehenden  Panegyriken  auf  Cyrill 
und  Method  (S.  96 — 111).  Hier  muss  man  den  Panegyrikus  auf  Cyrill 
und  Method  zusammen  von  dem  Panegyrikus  auf  Cyrill  allein  unter- 
scheiden. Wer  die  beiden  Legenden  Klemens  als  Verfasser  zuschreibt, 
der  wird  auch  die  Lobrede  auf  Cyrill  und  Method  ohne  Anstand  dem- 
selben Verfasser  zuschreiben,  denn  diese  ist  gänzlich  vom  Inhalt  jener 
abhängig  und  der  Form  nach  nähert  sie  sich  stark  der  Vita  Cyrilli.  Die 
Lobrede  auf  Cyrill  allein  wird  schon  auf  dem  Titel  Klemens  zugeschrie- 
ben. Diese  Autorschaft  ist  nach  unserer  Auffassung  schon  desswegen 
kaum  möglich  in  Zweifel  zu  ziehen,  weil  es  in  der  That  recht  sonderbar 
wäre,  wenn  Klemens,  ein  Schüler  der  ersten  Glaubenslehrer  und  her- 
vorragender Prediger,  als  Verfasser  verschiedener  Lobreden  bekannt, 
versäumt  hätte  auf  seine  Lehrer  Lobreden  zu  schreiben ,  deren  Ver- 
dienste um  die  Verbreitung  des  Christenthums  bei  den  Slaven  er  wohl 
kannte,  eben  so  wie  die  von  ihnen  herrilhrende  Begründung  der  slavi- 
schen  Liturgie  und  des  slavischen  Schriftthums.  Die  feierliche  Com- 
memoratio  der  ersten  slavischen  Glaubenslehrer  innerhalb  der  slavischen 
Kirche  wird  schon  in  den  ältesten  Quellen  erwähnt.  Nur  bezüglich  der 
Reihenfolge  möchten  wir  einer  andern  Meinung  Ausdruck  geben,  als  sie 
Prof.  Vondräk  vertritt.  Nach  unserem  Dafürhalten  war  zuerst  der 
Panegyrikus  auf  Cyrill  verfasst  und  dann  erst,  nach  dem  Tode  Method's, 
die  Lobrede  auf  die  beiden  Glaubenslehrer.  Bei  der  entgegengesetzten 
Annahme  müsste  man  zugeben,  dass  Cyrill  ungeachtet  des  Bestehens 
des  slavischen  Gottesdienstes,  gelegentlich  seiner  Erinnerungsfeier  lange 


Die  neuesten  Forschungen  über  den  slavischen  Klemens.  369 

Zeit  ohne  jede  kirchliche  Glorifikation  gelassen  wurde.  In  dem  Officium 
auf  Cyrill  und  Method  wenden  sich  an  den  erstem  folgende  Worte : 

MOpaKKCKaa     CTpaHO     BfAHH     SaCTO^IVK     H     CT'KAR'K     HM'kra     Klk 

Koro\(',  TOKOK»  npocu'kin«Ha  HaoyHH  ca  B'KcnlißaTH  ktv  ckoh 
raSKiK'i^  Oi^K  H.  Wir  hatten  schon  einmal  Gelegenheit  zu  bemerken, 
dass  die  Lobrede  auf  Cyrill  Spuren  der  Umarbeitung  zeigt.  In  der  älte- 
ren Redaktion  kamen  die  subjektiven  Gefühle  des  Verfassers  in  stärke- 
rem Grade  zum  Vorschein.  Von  den  Slaven  spricht  er  in  den  Aus- 
drücken MOfMoy  <^3iüK0Y  u.  s.w.,  das  von  der  Predigt  Cyrill's  erzielte 
Gut  ist  auch  sein  persönliches  Gut,  daher  solche  Ausdrücke  wie:  MOHMa 
o^cTHawa,  luioeMO^  '^h'A'^V?  MOHMa  OHHMa,  cp'K;i,kMH;i;/8v  iuih 
CA'knoT;!^  u.  s.  w.  In  der  späteren  Redaktion  ist  das  Wort  moh  ent- 
weder ausgelassen  oder  durch  Haiuk  ersetzt,  nur  einmal  blieb  MOCM^ 
/ftSKiKS.  In  dieser  Lobrede  ist  auch  die  Wendung  bezüglich  Roms,  als 
der  Stadt,  in  welcher  Cyrill  seine  letzten  Tage  zubrachte,  und  der  Kirche, 
in  welcher  seine  Gebeine  ruhten,  beachtenswerth:  Baa^K^;  fipliMbCTk- 

HAiA  TBO;?.    U,PKBK,    BT»,  HfHJKf  AfJKHT'K  MH0rC»pa30l|'MHklH   BOPO- 

raaroAHBKi  tbch  wpraHk;  Baan;eH'K  rpa^xT^  tt».  npHCMiüH  rp«- 
THaro  c'KBp'kQiHTeAlv  BOHxHfO  CMOTpfHHK>.  Damit  kann  man  ver- 
gleichen die  Stelle  des  Officiums:  no^^i|i;^;i^  ta  Blipo;*i  h  w  pai^'K 

CTO;>^HJHYTv     TBOerO     Ttaa     nOM'KHH      Raa/K£H£     CBO/A     i>H(HHKkl. 

Hier  wird  die  Thätigkeit  der  Glaubenslehrer  stärker  mit  der  apostoli- 
schen verbunden,  wie  die  Ausdrücke  zeigen:   naBA/A  OCTaHKki   Ha- 

HAkHlvaUJE,    TCW   Bp'kyOBHOlO   CBtTHAO^'  OCTAHkK'k    HCHAkH'klifV. 

Zuletzt  mag  erwähnt  sein,  dass  die  Einzelheiten  über  die  Bekämpfung  der 
Ikonoklasteu  seitens  Cyriirs,  über  die  Predigten  bei  den  Heiden  Kryms 
verständlicher  sind  bei  der  Annahme  einer  frühen  Abfassung  der  Lob- 
rede, denn  diese  Episoden  aus  dem  Leben  Cyrill's,  die  in  die  erste  Pe- 
riode seiner  Wirksamkeit  fallen,  treten  später  ganz  in  den  Hintergrund. 
Alle  diese  Eigenthümlichkeiten  der  Lobrede  auf  Cyrill  sprechen  nach 
meiner  Ansicht  dafür,  dass  sie  früher  zu  Stande  kam  als  die  Lobrede 
auf  die  beiden  Glaubenslebrer. 

Wir  kommen  jetzt  zu  dem  Kapitel  über  die  Beziehungen  der  pan- 
nonischen  Cyrill-Legende  zur  sogenannten  italischen  Legende  oder 
TranslatioClementis(S.  111  —  117).  Prof.  Vondräk  neigt  zu  der  Ansicht, 
dass  der  Verfasser  der  italischen  Legende  die  paunonische  benutzte, 
einige  neue  Daten  derselben  seien  zweifelhaften  Werthes,  an  einigen 
Stellen  weiche  er  als  Anhänger  der  römischen  Kirche  von  den  Angaben 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXVII.  24 


370  P-  A.  LavTov, 

der  pannonischen  Legende  ab.  Wir  stimmen  ihm  bei,  soweit  es  sich 
um  die  Bischofswürde  Cyrill's  handelt,  da  diese  Nachricht  ganz  ver- 
einzelt dasteht.  Doch  wird  es  uns  schwer  mit  Prof.  Vondräk  für  einen 
überflüssigen  Zusatz  der  italischen  Legende  die  Behauptung,  dass  das 
Gerücht  von  der  Thätigkeit  Cyrill's  bei  den  Chazaren  zu  Ohren  Rostis- 
lav's  kam,  zu  erklären.  Prof.  Vondräk  meint,  in  diesem  Falle  hätte  ja 
Rostislav  gleich  den  Namen  Cyrill's  nennen  sollen.  Das  ist  jedoch  nicht 
nothwendig.  Rostislav  konnte  an  ihn  gedacht  haben  ohne  ihn  zu 
nennen,  sonst  begreift  man  nicht,  wie  er  aus  Konstantinopel  einen 
Lehrer ,  der  in  slavischer  Sprache  zu  predigen  im  Stande  war,  bekom- 
men zu  können  hoffte.  Dagegen  wird  das  begreiflich,  wenn  die  Nach- 
richten von  der  durch  Cyrill  begonnenen  Evangelienübersetzung  und 
der  Erfindung  des  Alphabetes  bis  nach  Mähren  drangen.  Nach  der 
Darstellung  der  pannonischen  Legende  ist  dagegen  die  Hoffnung  Rostis- 
lav's  weniger  begreiflich.  Wenn  man  dabei  das  von  Chrabr  erwähnte 
Datum  S55  betreffs  der  Erfindung  der  Schrift  in  Betracht  zieht,  wird 
die  Darstellung  der  italischen  Legende  um  so  weniger  auffallend.  Dar- 
nach ist  es  kaum  nötig  zu  einer  solchen  Erklärung  Zuflucht  zu  nehmen, 
dass  der  Verfasser  der  italischen  Legende  vom  Standpunkte  der  römi- 
schen Kirche  den  Satz  OTT*  Back  EC»  Ha  Ect  crpaHki  ^ocpKiH 
SaKOHiv  HCYC»;i,HTT!L  ausgelassen  und  ihn  durch  die  Erwähnung  der 
Chazaren  ersetzt  habe.  In  gleicher  Weise  ist  es  nach  unserem  Dafür- 
halten nicht  nöthig  zu  behaupten,  dass  der  Verfasser  der  italischen  Le- 
gende von  der  Ankunft  der  Brüder  nach  Mähren  und  ihrer  Ankunft 
nach  Rom  unter  dem  Einfluss  der  pannonischen  Legende  gesprochen 
habe.  Warum  sollten  die  Mährer  über  die  Ankunft  der  beiden  Brüder 
mit  den  Reliquien  Klemens'  und  der  Evangelienübersetzung  sich  nicht 
freuen  können  und  nicht  ihnen  entgegen  gegangen  sein ,  um  sie  feier- 
lich zu  empfangen?  Nach  der  Entdeckung  des  Schreibens  des  Biblo- 
thekars  Anastasius  scheint  uns  wahrscheinlicher  die  Anuahme  des 
Akademikers  Jagic,  dass  beide  Quellen,  die  italische  und  pannonische 
Legende,  unabhängig  von  einander  stehen.  Darum  ist  kaum  wahrschein- 
lich die  Voraussetzung  Vondräk's,  dass  dem  Verfasser  der  italischen 
Legende  ein  Auszug  aus  der  Vita  Constantini  in  griechischer  Sprache 
vorlag,  und  dass  jener  Auszug  Klemens  zum  Verfasser  hatte. 

Was  die  Betheiligung  Klemens'  an  den  unter  dem  Namen  des  Gla- 
golita  Clozianus  bekannten  Texten  anbetrifft  (S.  117 — 124),  so  hat 
Prof.  Vondräk  schon  früher  darauf  hingewiesen ,  dass  einem  Text  des 


Die  neuesten  Forschungen  über  den  slavischen  Klemens.          371 

Glagolita  Clozianus  auf  die  griechische  Spur  zu  kommen  unmöglich  sei. 
Jetzt  sucht  er  den  Beweis  zu  führen,  dass  dieser  Text  (eine  »Rede«) 
Klemens  zum  Verfasser  habe.  Die  Textvergleiche  sind  auch  im  ge- 
gebenen Fall  wenig  überzeugend,  dagegen  kann  man  die  Bekämpfung 
der  heidnischen  Sitten  vielleicht  besser  so  erklären,  dass  man  sagt,  diese 
Rede  sei  sehr  früh  nach  der  Bekehrung  der  Slaven  zum  Christenthum 
zu  Stande  gekommen  und  ihr  Verfasser  sei  ein  Slave  gewesen,  ohne 
gerade  die  Autorschaft  auf  Klemens  zu  beschränken.  Auch  die  Ueber- 
setzung  einer  Rede  des  h.  Epiphanius  wird  von  Prof.  Vondräk  Klemens 
zugeschrieben.  Ohne  die  Möglichkeit  gerade  in  Abrede  zu  stellen, 
möchten  wir  nur  folgendes  bemerken  :  Klemens  kannte  in  der  That  diese 
Rede,  doch  ob  im  griech.  Original  oder  in  der  slav.  Uebersetznng,  das 
ist  eine  andere  Frage.  Eine  im  Cod.  Suprasl.  enthaltene  Stelle 
scheint  er  in  der  Lobrede  auf  Cyrill  nachgeahmt  zu  haben.  Vergl. 
BAdH;;^  PA^IJ^'K  TKOH  W  HWCh4>6,    BAaJK;^  OHH  TBOH,  BAa»;;f;  AH^f 

TBOf,  E/\a>K;*i  pawfe  tboh,  baa^k;^  rAaB;R  tbois^^  Supr.  ed.  Sever. 
457 — 45S  und  BAaJK;i%  tboh  o^cthIv,  0  BAan^EHki  wne  KypHAf. 
BAAH^;^  AHU,e  TBOf,  OHH,  3liHHi^H,  pA^i^-fc  u.  s.  w.  üeberzeugt  von 
der  Beteiligung  Klemens'  an  dem  Euchologium  Sinaiticum  und  Glagolita 
Clozianus,  zwei  glagolitischen  Denkmälern,  erblickt  Prof.  Vondräk 
(S.  124 — 126)  darin  den  Beweis  dafür,  dass  Klemens  das  glagolitische 
Alphabet  gebraucht  hatte.  Für  uns,  die  wir  auf  die  beiden  Denkmäler 
anders  blicken,  entfällt  diese  Schlussfolgerung.  Kräftiger  wäre  jeden- 
falls der  Beweis,  wenn  sich  wenigstens  ein  Text  Klemens'  in  der  glagol. 
Handschrift  nachweisen  Hesse,  was  bekanntlich  nicht  der  Fall  ist. 

In  einem  Kapitel  (S.  126—142)  stellt  Prof.  Vondräk  die  Charak- 
teristik der  Werke  Klemens'  nach  Inhalt,  Stil  und  Sprache  zusammen. 
Im  Inhalt  hebt  er  die  fortwährende  Aufforderung  Klemens'  zu  der  Be- 
thätigung  der  Barmherzigkeit  hervor  und  erblickt  darin  den  Einfluss 
der  Beichtformeln.  Daneben  vertrete  der  Prediger  die  Ideen  des  Aske- 
tismus. In  Bezug  auf  den  Stil  wird  die  Liebe  zu  Vergleichen,  die  in 
vielen  Reden  wiederkehrt,  hervorgehoben.  Dann  werden  die  sprach- 
lichen Eigenthümlichkeiten  behandelt.  Dabei  charakterisirt  er  die 
Sprache  Klemens'  auf  Grund  solcher  Texte,  wie  das  Euchologium  Sinai- 
ticum, Glagolita  Clozianus  und  andere  nur  sehr  problematisch  dem 
Klemens  zugeschriebene  Werke.  Vorsichtiger  wäre  es  gewesen,  sich 
auf  die  bestimmt  von  Klemens  herrührenden  Texte  zu  beschränken. 
Allerdings  sind  nur  wenige  Texte  in  der  Üeberlieferung  des  XII.  Jahrb. 

24* 


372  P-  A.  Lavrov, 

mit  dem  Namen  Klemens'  erhalten,  aber  aus  dem  XIV.  Jahrh.  rühren 
viele  her  und  man  darf  nicht  sagen,  dass  darin  die  sprachlichen  Eigen- 
thümlichkeiten  gänzlich  verwischt  sind. 

Die  Beweise  dafür,  dass  die  Belehrungen  auf  Christi  Geburt  und 
Taufe  —  wovon  Vondräk  im  nächsten  Kapitel  spricht  (S.  142  — 151)  — 
zu  den  altkirchenslav.  Originalprodukten  gehören,  hat  A.  N.  Popov  er- 
bracht. Er  hob  auch  hervor,  dass  diese  Reden  das  Dogma  filioque 
mit  solcher  Vorsicht  berühren,  die  nur  zu  Beginn  der  Trennung  der 
beiden  Kirchen  möglich  war.  Prof.  Vondräk  stellt  noch  Vergleiche  mit 
der  Vita  Methodii  an  und  behauptet,  jene  Reden  seien  vor  der  Vita  Me- 
thodii  verfasst  worden.  Auch  wir  theilen  die  Ansicht,  dass  wenn  jene 
Reden  von  Klemens  geschrieben  sind,  sie  ihrem  ganzen  Charakter  nach 
nach  Mähren  zu  versetzen  wären.  Dafür  spricht  auch  eine  Reihe  von 
Ausdrücken,  die  A.  N.  Popov  mit  den  böhmischen  zusammengestellt  hat. 

Am  Schluss  des  Werkes  kommen  noch  zwei  Beilagen.  In  der 
ersten  (S.  151 — 153)  bekämpft  Vondräk  die  Ansicht  Suvorov's,  dass 
der  Ordo  confessionis  im  Euchologium  Sinaiticum  mit  den  vorhandenen 
griechischen  nichts  gemeinsames  hat.  Er  setzt  voraus,  dass  es  eine 
ältere  Redaction  der  uy.o'Lovd-ia  gab,  als  die  bei  Morinus  gedruckte, 
und  dass  ein  den  bei  Morinus  gedruckten  ähnlicher  Text  schon  zu  Ende 
des  IX,  oder  zu  Anfang  des  X.  Jahrh.  bekannt  war.  In  der  zweiten 
Beilage  (S.  153 — 166)  werden  Ordo  confessionis  und  andere  von  Von- 
dräk dem  Klemens  zugeschriebene  Texte  mit  neuen  von  Stojanovic  ent- 
deckten Texten  der  Reden  Klemens'  zusammengestellt. 

Am  Schluss  folgen  Bemerkungen  über  die  vermuthliche  chronolo- 
gische Reihenfolge  der  bekannten  Werke  des  Klemens.  Zu  den  ältesten 
möchte  Prof.  Vondräk  den  Ordo  confessionis  und  von  den  Reden  und 
Belehrungen  jene  auf  das  Gedächtniss  des  Apostels,  Ermahnung  betreffs 
der  Festtage,  und  auf  die  Auferstehung  und  Verklärung  zählen.  Bei 
seiner  Voraussetzung,  dass  die  Legenden  über  Cyrill  und  Method  und 
die  Lobreden  auf  dieselben  in  Macedonien  geschrieben  seien,  nimmt  es 
uns  nicht  Wunder,  dass  er  die  Hauptthätigkeit  Klemens'  in  dieses  Ge- 
biet versetzt. 

Aus  der  gegebenen  Uebersicht  kann  sich  Jedermann  leicht  über- 
zeugen, wie  viel  Mühe  und  Arbeit  Prof.  Vondräk  auf  die  Aufhellung 
der  literarischen  Thätigkeit  des  hervorragenden  Repräsentanten  der 
Anfangsepoche  des  kirchenslav.  Schriftthums  verwendet  hat. 

St.  Petersburg.  P.  A.  Lavrov. 


Zwei  Lobreden,  vielleicht  von  Klemens  verfasst.  373 

Zwei  Lobredeu,  yielleicht  von  Klemens  geschrieben. 

Im  Anschluss  an  die  vorausgehende  Besprechung  der  neuesten, 
dem  slavischen  Klemens  gewidmeten  Studien  mögen  hier  noch  zwei 
Texte  folgen,  die  wir  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  Klemens  zuschrei- 
ben möchten.  Wir  fanden  sie  in  der  serbischen  Cetja  Mineja  der  Mi- 
hanovic'schen  Sammlung  der  südslavischen  Akademie  in  Agram;  der 
Folioband  auf  Papier  ist  aus  dem  XVI.  Jahrb.,  er  trägt  jetzt  die 
Signatur  III.  C.  22.  Eine  nochmalige  Vergleichung  der  Abschrift  mit 
dem  Original  verdanken  wir  der  Freundlichkeit  des  Herrn  P.  A.  Za- 
bolotskij. 

Rk    TkJKf   j!k,Hw    no\*Ka   CTro    naßAa   anaa    ba'ko    kakh. 
ü{\ii  k'to  au'^V  naßixa  ßfAHKaaro  paH  ;k,YOK'HKiH  npo30- 

KfTk     HAH     CK'tTHA'HHKa    HapfTk,     H(     Cß'RHie    HCTHHkl    AO^Maie 

Kfc1vA0V>€Tk.  HciiAkH  KO  dvAUJE  ca^a  BH^ßHaro  H  l^'ß'KTa 
;i,Y<>ß  Haaro.  koi€  ko  katm  he  oßpEipeiiJH  ßk  hi€;  HCßOHk 
Hs'ßpan'Hk  ckcov'4,k  ßki  Koif,  omthk'  a  ßcaM'cKki,  ,\,a  TlvMk  h 

CTklH     ^\\h    WKklA'HO    ßkCEAH    d    Bk    Hk.     H    pliKkl    BArO;i,1vaHHia 

H3ki;i,oiiJf    HS"    Hiero,    h(    mko^kc    h3    para   Merkipiuiki   no^Tki 

TCKSipC,    Hk    H    3'bAO    B0AI6    H3AHßaKM|Ja  HO  ß'CC  ^HkJH,  H   HE  paH 

6AHHk  HanaraHMjja  CAro.i.'kaHHra,  Hk  bcK  j\,ui(  nocASmaKMjJH 
ero.  A^*  '^U^^  "^  kh  cao  rp'kB-R  hah  no\'ßaAa,  hiui'jke  KkiY<> 
;i,OHHlv  no\'BaAHAH  ero,   HBHaarc»  maka  h  3EiiikAHaaro  arraa; 

KAKO  AH  MOH;£Mk  CKa3aTH  CTpTkl  CEfO  TpkH-KAHßarO  CAOßfCE; 
KÖH  AH  e.3klKk  ^OßCAHk  l€  CtTO  HCHOB'k^l.aTH  Be3'U'kp^Hkl6 
B-K^l^  H  Kf3*  nOKOra  K^UHHie,  HAH  HE  HaCklTEljJOY  CE  STpOBOy, 
HAH  H^E^Haa  OVCTa  HAH  HArOTOK«  T  0  LI  kl  M  0 16  TlvAO,  3HM0IO  H 
3H<M€,     HAH    CD    HBlv     COyipH^k     ßpÄrk      HAH     Ak^KEL|JEI€     BpATkie 

CHA'HCt;  wcTABAK»  CETO  (Dr'HAHHra  H  Ha  coy^'k  nocTaß'Ai€HHra 

H  BE3aHHm  H  CtKAEBETAHHra  HO  ßCE  MaCkI  ,  H  ^HEß'Hklie 
CMpTkl,    H    KaMEHHI6    nOBHI€HHra,     H    H;E3'AkHHI€    pAHkl    H    OC'^O- 

'Ai(H»a   ;k,Akrara,   h   3EMAkHkii€   nanacTH,    h  luiop  cKkie    B'K^.ki. 

Kaia    TkM'HHU,a    nO    3ELrAH    Hlv    HMAAA  CTO,    HAH   MOpCKAa   BAkHA 

naKOCTH  H'b  ckTBopHaa  TonEUJin  ero;  Bli;i,ki  jke  npHHiuiaAk  ßk 


374  P-  A.  Lavrov, 

AOMb  KpkfJif.    ToyHie   BAroß'fenJfHHie   4,'liAaiU6.    ck    nosopHUJf 

C  -T^  ~  Jl,  ~  ~  ~ 

Bu    arrAOiuiiv    h    MAKCiiik,  nocpli   ktk    hakk    croie,    sa    makki 

Tp8jKai€    Cf    H    MAf,  H  Kk  KC»\"  npHBAH>Kai€  HapO^kl  CC^aAHß'tUf l€ 

ce.  TaKo  BO  16  cHra  A^^^  npHidSHHBara.  Ht  E'k  ciuiOTpciiJH, 
Hk   BcemS    pc»A*>V   mahk»  caiiik   b'S^w    AK>Tkii€  h  CTpTki    npH- 

l€MAI€,    a    HAKkl    (Ü    B%l,k     HS'BOA^-     A*»    I^TO    CfPO    BCAHKAarO    H 

B^KBHaa^o  iLio^^Ka  nsk^Verk  A^HHaa  h  npaßEA"'^'^  CTpoieHHia, 

ra/K£  nO  BCE  AHKI  TBOpaiiJE;  Ck  BO  HM'baiJJE  CKp'Bk  H  ncMaAk 
0    ßCt    L^pKCaYI»,     H    Kk    BCbMk    MATk    H    BArOI€    Cpi^«.    aijJf    K'TO 

noTkKH'Sujf,  To  naß'Ak  likS'BOA-Suif.  Bks'üoyiiJaiue  ah  a  Suw 
MHH,  naBAk  Bksrapaiue.  n-kA'Bki  pas'AkiMHkiie  kto  Mo>KfTk 
CKasaTH,   hm'h;{  B'kaiiJf  Kk  koi€   Bp'kMf   iioBai€Tk    nocaaBfipt 

iJHHTH,    H    naKkl    rapOCTHIO    BkCneTHTH,    A**    "*  paCAaBAI€HHI€ük 

norkiBHtTk    HH    naKkl    rapkiMk    np1iijimHi€Mk    CünaieTk   csk«. 

Hk  c»BC»i€Mc»\-  roA»^  B-tA»»^'",  TaKO  HcnpäßAtaujf  mamckob  nA'kr.ic. 

'f  ■ — •  , 

n<:»E.ls.,\A\e  ßk  saKOHk  h;h  paßOMk  rHkiMk,  ßaacrfMk  h  BAaAi>- 

L^JHMk,  MO\j•^KkCKOY  nOAi>  H  /KJHCKS,  pOTfAI€L1k  H  A'^'^fMk, 
I^HKIMk     H     H^EHaTklMk,      H      ßkSpk^KtljJHM'    C£    H    KpkFJEl{JHMk,    H 

npliMo^Api^"'^'*^  H  rpSBynik,  h  nakT'HkiMk  h  a\'*^^'h>^i^>^-  3a 
ß'ce  A^^Kp'RA'JpcT'ßf  Ba  h  lulTxf.  oßki  ßk  ß-KH'i^e  h  paAO  npH- 
3kißai6,  a  AP'^'^V'^'^  Bf30\-MHkii€  HapHSf.  Oßki  npoßajKae  npa- 
ßkiMk  saKOHOOk  ^oAtMif,  '^  AP^^V*^*^  ßkSßpanjaie  3A'k  rp«- 
A8i|jei€.  OBora  nAanc  sa'K  rptAC>VMJ")  oßora  pa\,-i€  ce  o  oynpa- 
BHßkiiiHY'  c«  A'^'^P't-  oßora  TaHHkiH  BfAUKkiie  raß'Aiaie 
ß'kp'HkiHMk,  oßora  nocAAK'Araie  Hcnpkßa.  oßora  ßks'ßkiiuaie 
Ck  coBow,  oBora  HJkSAOiuik  np-RTHTk.  Oßora  awkobhk»  h 
AX^''^'»^  KpoTKkiMk  ck-kiiiaßaieT'  c«  npHHTH.  oBora  Bks'ßkiLiia- 

I6T'  ce  Ck  ßklCOKklLiy,    OßOra  CHHSHT'  C£  Ck  HHCKkllUIH,  ECK  anAk 

Ä  ...  ■?         w  ^  ~  - 

YOY»;kLlJHH      H      MkH  LUm     TBOpamC.      C£     /KE     raßAßie     rAALUE     Ka 

ßk     CEB'6    raiiia.      c'e     /KEA^^IU«      CklUip'TH     \6Tt    H3klTH     CC     MHpa 

CErO,    CE    JKE    Tp-kBUJE    nOKa30ßaLilE    6JKE    np-RBklTH    ßk    llAkTH    H 

A'Ka'MA.     he    BO    CEB'K    A'^^P'^    "    nOKOra    HCKaiUE,     Hk    CßOHMk    ME- 


Zwei  Lobreden,  vielleicht  von  Klemens  verfasst.  375 

^oMk  HjKf  fY/iHi€Mii  poA"-   ^^  ^0  16  BkCk    ^YOß'Haaro   npH- 

CTARA    H    SHEHHra    SaKOHk,     S^Vit    H(    CfKlv    TkMHM»,    HK     MHOS'bMk 

ME/i^oiuik  \e  HA  noA'sS,  Tkra  h  ciE'k  R<iyji,(Th.  ha  oycn'K.  T-kMk 

CMOTpCl|lE  naKkl  JCUaAfT'  C(  HEMOljl'Mkl  H  nfMaa'iuiH,  aKkl  J^O- 
KpOTIiapklK»      KpaCI€T  Cf      lUipTKOCTHK»    AV*^^"*^*^-      "     liklCOKk     l€ 

nakT  HkiMH  Tpo\^A»^  "  A\'*^ß"*^'^^V  i"^'^*^K>  pa\-i€  C«,  Hf^K« 
rpÖKk  RH^'kHHieyk,  Hh.  A'^-^P^  "^ko  h  cKpos't  spku^aao  i^psa 
HKHaro,  SnoBaie  aV*^"^**?   "  AP'^V^"'^*^   nakxk  0MHi|jai€.   hjco- 

M0\'    H;E    Hkl    i^HHTk,    Hk  ^\,A  HE  CEAHMaKiM'  CE   3EM7\kHklMkl   CHMkl, 

~  M 

HH  na'TH  KOAK»  TBopEi^E  ^lAJ*  norc>\,'Karai€.  ßCE  3acToynai€Tk, 

H  3a  KCE  Ka  MAHTk.  BCliMkl  KOAHTk  H  3a  BCE  HEMET'  CE,  H 
BkH'k  COyilJIHMH  3aK0Ha  H  Bk  3aK0H'K  JKHAOBkCKkl  npHCTaß'- 
HHKk.  0  HkiyJKE  H  AP*^-^*^  ^^^  ^'^^'  '!>\'^^  CAUh  (CnacTH  \ß 
CaaBkl  BEAHKkie,  HEJKE  AH  A**  ^klH  nOrklBHO\j'Tk  Bk  HEBivHkl  H 
T'M'fe.     3'kACt     BO    \-OTliaUJE    npHBECTH     l€    Kk    KOy     H     Ji,A     O^B'S- 

AETk  cBOjero  TBop  ^a.  c'e  jke  aPi^^hobehhc  b-Suje  ceb'S  ha 
cncEHHe,  coyiijTH  beahkSio  caabS.  w  BtAHKara  luikicAki  HBCHaa. 
vö  BEAHKara  TEHAOTO  AV^"'*'*-  "^^   ^0  HOApajKaiemH  ^a,  hh;e 

Bkl  3a  Hkl  KAET  Ba  H  HaUlE  HEMOljJH  Bk3Bkl/KE.  J!l,A  H  THH  Bk 
0Bpa3k  TBÖpE  t6  H3rAa,  yOTE  TkHHK»  Ji,A  EklUIE  Ckl  CHCEHH 
BklAH,  a  HE  nOrklHÖAH.  H  BCa  TA  SMEHHia  pa3'AklMHa  TBOpE, 
raKkl  JCHTpkl  Bpa  H  U.'feAHTEAk  yO^A^^'''^?  BCfeMk  npOTklBOy  GS't 
AUM'Rkl  TBOpE.  TO  16  A<>Kpa  Bpa  A'^'^'^j  laKOJKE  H  Tkl  TBO- 
PHUJH.  OBkl  UAE  H  PAilA«;  ^HEHHieililk  A'KMHUJH  mKOH^E  HOBAieTk, 
a  AP'^V'''^'^  rapkIMk  i>HEHHI6Mk  H  ^KECTOKklMk.  TaKOBaa  coyTk 
TBOra  8HEHHlä,  A^^^Pi^'i  TpoYA'*""^*  X^^-  '^^^^  "^f  Y*^4^^'*''^ 
noYBdAHTH,    To    toa'ma    CE    CÜA'^AHTk    A^^""'^    no^BaAnTH, 

eVima  TKt  pa3H0  HR  3EMAra  CD  HBCk.  KAK'  BO  Tk  YOllJETk  BkITH 
63klKk,  H>KE  TE  Bk  A-fcHOTOY  A<^""*^  nO^BAAnTk;  Tkl  BO  BCE 
AORpO  HBCH0I6  H  HAMCKOie  HMaUJH  CkBpaBk  Bk  CEBtl.  TO  H^E 
b'CE  H3pEAH'tl€  BCli.  OBaME  HE  TOTO  pa  ^BO^BUiE  H  SMAkKHEMk, 
Hk    na    TOrO     A'^'^'^     rAI€Mk.     HEBOHk    H    CE     BEAHKaa     \E.AAA     l€ 

YBaAHMOMö,    era    y^«*'^*"    "    noBlvA<»»€    a*^^P<^I3   a'^'^'*    A*^^- 


376  P.  A.  Lavrov, 

THTHeTK.  H  CITO  Hf A^^cTuiK'Hliie  UA^t  ßck  YKaAk  cAaß'H'tf  \e. 

MKI    :K6    YÖTfl^KH    YB'^'^H'T'"     A*^KP*2»HhCTHB'KMk     aBEAtL     npHAO- 

^KHMk  BEAHKaaro  naß'Aa.  h  no  ctuw  Bk  piji,w  cAOßümt,  euoyiKt 

TaKO      CkTBOpHMk,       KÖHU,'k      CAOBECH      CfMCy"        CAOJKHB'Uif       Bk 

no^Baacy  h  ctro  ^'t/xia  h  OH'tY"*-  ciuiorpH  n^e  KpaTC,  noaojKH 

aB«Ak  Tp'feBOY  Eci\%  BArOMkCTklH  TBOp'u^A,  ^a  TlvIUIk  H  CAO- 
BtTk.  Hk  M\i(  naBAK<  Tp'RKOl'  npHAOHCHUJH  Kk  CfH,  TÖ  KOA'MH 
C(    raBHTk    KÖAIUIH   H   Bkim'lilklH.    GAkMA    EO    M    HBO    SJfilAie.    KOlO 

noB'K;i,a  xp'RBb,  HfKO  e^HHa  i€.  caw  bo  cobok»  no  Bce  j^nu 
Tp'feBOY'  noAarame  Bcera,   cMpVk  npHienAie   RAkTHio  cKOieio. 

HEBOHk     Ha      B-Iv^kl      ItUlkAk      B'Same     npHO     CO\'liitl€,     H     CMp'Tk 

npHieMauiE    canoY'J'Tkih?.     Tano    bo    ch     i€ct'bo     nakT'cKoie 

SlUipr'Bkl,  raKO  HHMHWI'JK«  BkITH  O^H^UUS  HH  TKHB-KHUJS  BpABk 
3aKC»AI€H'Hkl  HA  Tp'ÜBHUJH.  H«  ;1,0B0A'H0  CkTBOpH  Hk  H  BkCk 
MHpk  AKKI  KpHAATk  Op'Ak  HA  Bijpoy  npHBO^«  Kk  B0\',  Hf 
npOCTO    HH    npas'HO    CK\-Ct;V,6,     Hk    TpkHkll€    rpIvX'OBHOie    HCTpk- 

sae,  H  CAO  BAroBtp'Hoie  ckcfeBae,  npt:Ak  Hs'roH«  a  hcthhoy 

BkBOAC,  H  MAKkl  ATPAkl  TBOp«.  Hk  rAI€lliH  np-^AkCTkllO  RO- 
rOVBH  KAHHk  aBCAa.  Hk  aS'  TH  MHOrkl  CMp'Tkl  nOKasa.  TOAHKO 
BC  H  npHI€,  6AHKC»  }Vi(  H  ^HklH  JKHB«  Bk  ;k,0Bp1v  B-Kp-fc  Ckl. 
aHJf    AH    H    \'öliJfUJH    ;i,1vAC>Mk    BH^-feTH     CkMpfk     npHI€MliJa,     TO 

BAiCAH,  oh'  bo  cd  KaHHa  Bpa  cBOiero  ciuipk  npnie,  hh  ^i^oßpa 
leMoy  hh  saa  ckTBopk.  a  ck  vC»  T'^yk  o^iuip-K,  h^'^k«  yoT-kam« 
CP   lUiHoraa    3aa  HCTpkrHOVTH.    h  nocrpa    mhto    tom  ai€hhi€ 

npHI€M'AI€.  Hk  HOI€  AH  npaB';k,HBkl  CkBpLUCHk  Bk  pOA'^  CBO- 
l€Mk,  e'AHMi*  Ck  CBOHMH  ^-kT'Mkl  CHaB'^V,!:  C(.  Hk  Ck  CTklH 
BEA'MH  BOA'uJÖ  nOTOn8  CO^MJ^»  HfB'kpkCTBOMk  Bk  MHpli  CfMk 
H  Y^Tf^M^V  nOTOHHTH  HAMCK0I6  HA-RME,  HE  ^kCKAMkl  CkCTa- 
BHBk  KOpaBAk,  Hk  eRHCTOAHIO  CAOJKk  H  MHpk  BkCk  ÖTAna- 
KMJJk  CÜ  CpliA«^"  R10\fTEl4JH  C(  BO^k  HCTpkPk  H  HS^BA-feME.  HH 
TAKk  B'KaiilE  KOpaB'Ak  Bk  M-fe  HAABaie,  Hk  ;i,0  KpaH  SEMAkHkl 
AOUlk,  BkBO^HTk  b'cE  H  /l,OCEA'k  BAPOB'fep'CTBOlUlk.  H  KOpaB\\k 
HOI€Bk     BpaHkl     H     BAkKkl      npHI€Mk,      Tkl     >KE     BpAHkl     H     BAkKkl 


Zwei  Lobreden,  vielleicht  von  Klemens  verfasst.  377 

HCnorCTH,  H  CfKf  He  OXj'KpOTHßKI.  A  cL  Hl  TaKO.  viw  RAbKKI 
npHI€Mk,    Oß'Hf    CkTKOpH    l€,    H    RpaHkl    H    Haß'KKI    lipHI€Mk,     TO- 

/io\fKki    ckTKopH  e.    H    Kcor   Koi'ivcTk   HAHCKaro   lecTßa   np-k- 

lUlIvHH  H  ^\\'Oß'HO\'ICt  KpOTOCTk  ßkBf^\f.  Hk  aßpaaMO^  C(  HO^- 
^\fTk    ß'CH,     nOHK-IK«  CAkimaKk,    H   H3ki^\f    H3k    3fM'/\ie    CKC»l€f,    H 

(C»  po^\a  cBoierö,    ocraßn  (I'hc'tkc»  h  ,\OMk,   h  ^vporrw  h  o\j'- 

/KHKkl,    H    3A  ß'ce    nOI€    nOßCA'kHHI«    RHUIE.    H    Mki    KO    Cf   0   TOMk 

Hio^Hiuik    K5IUIS.    Nk   naß'aS    k'to    boya^''''^    Ton'Hk,    lajKc    hh 

iÜMkCTBO  HH  ,\<:>UW  HH  Cpk,\OBOaklH  TkMHM»  OCTaßH ,  Hk  H 
BkCk  MHpk  H  BCe  IKHTklie  Bk  H»€,  H  HfßO  HRCHOI€  ICA  pa^H. 
Hk    eAHHkll€    TkHHIO    HCBa    AIOBBE    \'Bkl,     HH    HaCTOiei^lHId    BO    pC 

caaßa,  hh  rß(j\,^i]ina,  hh  ßks'ßkiiiieHHe,  hh  rao^ßkina  mo- 
>KfTk   Ha  (DaShh  (C  aK)BB£  X""^"^'-  "^  aß'paaiuik,  peiun,  Bk  K'k/i,o\' 

Cf  BkßpkH^E  H  CHOBf  CBOK;  paTkl  HS'ßpkJK«.  a  Ck  HH  CHOBC 
HH  E  rpa  HH  MHpk  BkCk  HE  \ß  ßOHHk  Hk  (U  COTOHHHOY  pSBO\f 
H3BE.  HE  CB'SAOMkl  HO  BCE  ^\HU  R-^J^^hl  npHI€M'ai€.  Hk  CC  EIUI8 
16    BOAUJEie    Ji,'^A(:>    H    B'kH'l^k,    e'jKE    CHk    CßOH   A<»TH    Ha    3aB0/\l€- 

^  v^  -  «?  ~  x\ 

HHI6.  Hk  H  npH  CEMk  naß/\k  BOAHH  16,  HE  BO  CHa  A^'^'"''^;  "1^ 
CaM  CE  Ha  lUIHTkl  CMpTkl  Bk^aiCTk.  IdBOH^E  H  Hp'tJKE  PAa^OMk. 
Hk  HtaBOß'AH  AH  CE  Bp'kHOCTkl  H  TpkR-kHHra  HHHHI«  HIOTk.  H 
B'TO  I€  /KECTOKk  AKkl  BpEIUlkl,  HJKE  lUlOHiE  aBkl  HaßAk  TßpV 
BkITH;  HE  BO  J^ß-k  A-t  pABOTa,  Hk  BCO\f  CBOK»  ;KH3'Hk  U,pKBE  p*a 
)fBkl.  HE  3H0l€IUIk  TOpE  A^I^HI^I^I^?  ""  CTOYA*""»^  HOljJHOK". 
Hk     MHOPkl    B'kAkI    npHI6MAI6,     ÖßOra    paHki     H     OBOPa     BaililEHHie 

nocHnai€Mk,  oßora  3Blvpki  np1vAai€Mk,  h  npno  h3'  TpH3'HHi|ja 
Hc'Aknaie.  h  3'ß'fepEiuik  raA*?'^'»^*''  <>ß''M,  H3''  rpkTanki  HEnpH- 
ras'HkiH'na  HcrpkHCE.  hh  HC»CH4>k  nncTk  pEiuH  CC  cß'ßpkn'na 
AtiAA.  Hk  a3k  coym'Hio  ce,  e,\A  h  cim-R^-k  bo^a^t'*»  naß'aa  T-kink 

YBaAHTH.  ck  BO  IUIOI|"Kk  BEAHBklH  HE  TkMHW  CEPO  OMTHCE,  Hk 
H  npH  BCEMk  paCHEA'  CE  BliUJE  Rk  MHp'k  CEMk.  HE  BO  TkHHK» 
CBliTAkl    T'kAECk,      HW    H    BCETO     HMAHHia     TaKO     HE     BpIvIKAUJE     H 

npüOBkiA'kujE,  idKOH;E   h  luiki    npkCTki    h    nE(nE)Aa.   hah  öko^ke 

MpTBkl     Kk    MPT'bOMÖ    he    lUlOJKETk    npHCTO\f  HHTH ,      TABOJBE      Ck 


378  P-  A.  Lavrov, 

B'KaUJC  T'Bpi%/l,OllilO\f  I€CTB8   K0\^0CTK  ÖTOAHAb.    HW;k,JT   d   HOBOV* 

ßCH      HAb1j,H,     A-RnO     KO     l€,      H    ECAHKk     16      CTpTOTpi»,n'u,k.      lUlO- 

'^  'c 

>K6T'     KO     H     Kh.     naß  AOy     npHACJKH      TpKn1iHH»€Mk     H    HTOTOW, 

nOHI6H{E     H     Kh    CB'feTfAkCTBÖieTb    0    H(6Mk,     Kp-RnO    lEMO^    laß'- 

Aiaie    H    HKt/l.HOlflO    nOB't,l,0\'.      HK    naB'Ak    he     11111,«    M'HOrkl     TAKO 

lUiÖMj  cf  H  TOM«  ce  npt:BHBaujf,  hk  MHoraa  aIvTa  hh  np'SnHHOio 
orp'KBaie  rHora  CC  cfBt,   hk  bk  camiaa  taa  oycra  hscto  Bknaie 

COTOHHHa,    H    Cb     MHOPKIMH    nAKOCTblUlM    HOB'kH^aie  C{,    BCaKOTO 

KaiuiEHt  M^KTonaH  bki.   he  \Jö  rpe  hh  CD  HETwpe  ^k^poyrik,  Hk  iC 

BCS  MAKU  HECKpHhJ  \-OVAfHHlä  H  0l,rK0pH3'HhJ  npHI€M'AI€.  Hk 
MVVyCHH  rAI€LUH  BEAHKk  3lvA0.  I€  Hit  TO  TAKO,  BEAHKk  16 
MWY'cTh.  Hk  Ck  H  TOrO,  M'HK»,  BEip'uJHH  Bf AHM'CTKOMk.  BEAHKA 
BO  l€MOy  CO^Tk  HHAa  A'^^'^?  "^  ^^'^  BOAIUE  Ckl  B'KH'Urk  BCkMk 
AUJf  CTklH  16,  eJK«  H3'B0AH  nOrklEHOlf'»'"  H  HS'ßplJljJH 
H3'  K'HHPk  HM£  CßO«,  AljJf  l€  HK>AfOMk  nC»rO\,'BAI€HOILlk  KkITH, 
Hk  Ck  H3BpaH'HklMH  norklKHO\,'TH .  Haß'Ak  Hf  TAKO,  Hk  A<»  BH- 
Ul(    H     Hki    CriCAH,     a     Ck    vUnaAk    CAAßkl     BECKOHks'Hkie.     Oßk     Ck 

4>apaoHOMk,  a  oßk  ck  AHt^^^*'^*^'''!'^  "*>  ^ce  a^ki  TOMAramt.  oHk 

W  le^HH-t  AlOA't,  A  Ck  3A  ßkCk  MHpk  TpO^A"^  npiHMAUJe,  HE 
nOTOMk      Hk     KpkßkllO     BkCnOAHBAie    ^E.       üpHAOHIHMk     6L|JE    ICA 

Haß'ry'Ha,  h  caiuiOHAA,  h  HHkie  nppßki.  Hk  hh,  hh  ce  js,a  he 
oyAP'^^"''''*  ^^^j   "H   ^^  ßpkYOß'Hkin/ik  np-feHAf^ii^.  era  ko  cki 

BOAklH  raßHT"  CE  Tk,  CO  AP^V*^  "^  ^^A^  HHKOI€  6h;e  npHi€. 
KTO  H;E  Ci>Tk  BpkyOß'HKIH,  pa3B'S  A^A**  "  HAHie,  KOie  Hif  l€ 
H3PEA'H0I€   ;^'^i\0    AB*?;    "^    cyfepEHHie   ah    H    AlOBkl    Kk   Koy    H3- 

AH^ara;  to  kto   Tk^'n-KH    na  naßAOBH  ji,uii  AioKki  ra;   Ck  ko 

OKOie  TO  A<5  KOH'l^a  Ckßp'lUEH'nO  ßk  CEB'K  HM'fcraUJE.  HTO  AH 
l€  MIOAHtie  HAH6,  HJKE  HKO  3aKAI0MH  BE'aP*?'^'**?  "  TAAA»^ 
npHBE,  H  Orn'k  C  HKCE  CBE.  he  MHK>  aSk  to,  Hk  I€>KE  3aBHCTk 
ßk3E      nO    K3't,     ThJ      Orn'ra       AlOT'feH,      Hk     aHJf      pa301|'M'Sl€llJH 

naßAOßS    3aßHCTk,    to    toa'ma    h    bhujh    h    KOA'uiaa   coyiiia 

5  ^  X  0  w  v\ 

HAH6,  6AM  a  7K(  H  Ck  HH'K  RppKk.  HHMECO/KE  Ck  HE  Kp-KHCALUE 
npH    AlOK'ßkl    K^KIH,     HH    ßHMkll€    ^TBApkl     CEI6     16     MHpCKOG,    Hk 


Zwei  Lobreden,  vielleicht  von  Klemens  verfaast.  379 


Ä 


HHOy  Hf  COyiliy  CAOKfCC  CkTBOpH,  aR\\a\€.  HSpCHOyK^  Kk  KAL^t 
^Oy.      Hh.    H'lOaHk    pdllH    ßtAHKKlH,    HTKE    ROAKIII   16  liC'k\'k  lippKk, 

BCAHHoy  APi^^o  iioKasa  h  Hpo^a  okah  npHO  ^\o  ciuip'THaro 
j\,m.   Hk  H  ck    n{    6AHHoro    HH   ^E.'^» ,    Hk   Efc   MHCAa   Tai^t: 

OKAklHH,  IIa  JKf  H  aWTlvHUlf  TOPO  C^HIf  MTAIC,  MO  TOM'  >Kf 
BkC\'0;V,El|J£      Ha      HBO,      H      lipHAOJKHMk      H      Kk     arrAOlUlk.      Hk     HE 

vV  ,  C 

SaapH     HHKTOJK«     ^pk3  HOKtHHIC      CfMO\".       HapHMfT     KC»     HHHHIC 

Hoana  arraa.  ^a  aL|j£  ccro  npHAOH^HMk  Kk  rop'HkiMk  CHAaMk, 

TO    Ht    HHK0>6*/KE    HK».    KOI€  >Kf    l€   T-fe^k  KOAie  A'^'^*^!  "^  "^^  ^H 

Hs'pf^MO  np"  ß'cfMk  nocASuiaTH  ca.  taKOJKf  h  a^A"*  nwAf  c« 

TATk-  CHA'HklH  Kp'kMOCTHW  TKOpfipEH  CAOBO  CTO.  C6  KO  H'fe 
CÖa'lUE  HHHEC02KE.  TO  KO  H  KA^KH'HKIH  TßOpETk  H  CTklH,  HMJK« 
HE    OCAOYlUaWT'CE    HOBEAliHHra     THm     HHKaKOJKE.      Hk    H    C(    K'feTH 

i€  naß  Aa  HspE  Tßopei|ja.  he  eo  TkMHW  CAOßo  leiuioy  cnaß  a'^> 

Hk  H  nOBEA'kHHie  H  UHMO  n0ßEA'kHH6.  H  CE  ldßAldl€  TAUJE, 
Kara      LIH      ÖKO      KOYA^Tk      RilkSa      A^      KArOß'SCTE      KE3k      KpkME. 

KAroß'tipoY  HeY'^Hie  Y'^*^-  ^fcoMoy  ce  HHOMOif  o  hü  A"ß"T''» 
nppKk;  HE  hjke  ah  rAi€Tk,  TBopEH  arpAki  cßoie  aX^j  "  CAÖrw 

CB06  OrHk  naAELjJk.  Hk  H  CE  HpH  RaßA'k  l€  BHA'^TH.  AKkl  j(^h. 
H  Or'Hk  ßkCEAI€H'HOV>0  OE'TEHE  H  ßk  ß'CEH  3EMAH  HC'Tp'tKkl 
BCO\-  CK'ßpkHOy  AY'^KMklMk  RAaMEHEMk.  KaKk  TH  l€  ßk  CEMk 
MOyH^H  OPHk  H  HAAMki,  KaK'  AH  16  MIOA'Hki  Ck  lUlS^Kk  J^A  H  ßk 
EPEH'h-K  T'feAECH  Cki,  Ck  HECHkIMH  arPAkl  pa\-|€T'  CE.  Tß<M€ 
HEMaAkl   H    O^Skl    KTO    MOJKETk  A^^H'^   HCnOß'tA^T'"   MTHkl  AHAE; 

Kaa  KO  Tkiui'HHi^a  ßk  cek1v  teke  h-R  HMaaa  cß^kTEipaa;  a**  ^^^t^ 

MOJKETk    TßOI€    CTpTkl    H    TpOV'AkI    HCHOB'tTH,    HJKE    l€CH    ^A    ßA 

noAi^>€Ak;  A<^Mac'Kk  toeok»  beahhaict'  ce  h  Ck  BclirJik  MHpoMk 

liaK'AE.  BHA'b  EO  TE  RpHEHOy  npHI6M'uJa  CB'kTO  BEAHKklHMk. 
H  p\-Mk  npHHMk  TH  KpkBk,  H  Tk  KpACOyiCT  CE  H  BEAHMai€T  CE 
TOEOIO,  HTHklH  aHAE.  Hk  H  TAp'Ck  RaHE  BCt  pa\-|€T'  CE,  AK>EE 
H  HTE  TB0I6  REAEHkl.  H  Mkl  8E03kl  T0E0K5  Y'bAAHM'  CE,  H  ßk 
CHI6  M'tCTO  CT0I6  A""^  CkßkKOynHBUJE,  BECEA^yieMk  0  TEEt 
pEKOyijJE-    Q   CiUmE    BCEPO   MHpa.    Tkl   EO  l€CH   CB'tTk    RO   HCTHHii 


380  P-  ^-  Lavrov, 

Bcero   Hapo^a,   TBOie  ko  SneHHie   no  bceh   3fMAH    hski^,?,    ha 

KC»H'u,k  KkCfAI€H'HKI6  CAOßfCa  ÖCT'Hk  TßOH.  TKI  KpklAaT'lH 
MOV^KCy  OCTAK'aIi  3fM'AK«,  H  BkSA^^X'*  "  OKAAKKI,  H  A<5  ^pf- 
THiarC»  HKCJ  BKUJk,  H  Bk  pAH  CkUJk,  H  CAkiuJABk  CAOBfCA  HY'jKf 
Hf  nCKAI€Tk  HAMk  CAklUiATH,  64,HHAHt  Bk  KdA-fe  CfMk  KAAm- 
KMjlfMk,  H  TkMHivH  CfH  /KHSH'kl  UkICAkMkl  npHAnKfiye.  Tkl 
BEAHKklH  ARAf,    JKfA'^H^^  BC^X"»^  CnCfHHra,    MKO;««    Mkl  HE  MOH^EUk 

nfi4JH  ce  0  cBOiemik    k'to    cnccHkiH.   —    0   a^^kP"^"   ömhtsaio 

HUJk.      W?»      CAAA'KWH      npABHTfAW     BCfe^k      MAKkk.      W      BEAHKklH 

0\'Mf,      H     ME;1,C*B  HAA     CAOBECA     H    CAAKAU.      U'    BkICTpiH    BkCKOp'^ 

T  ^  '  '^ 

OK  TCKkl    BCO\-    BkC(AI€HkH0l'IO.    W    CAAKklH   CAABHW,    HJKE    Bk   BCt 

i;pKBA\'k     SCBkIH.     TBCHMkl     KO    bHfHIH     l|,pKBkl     bTBpkIKAICT    Cf 

H  B-tpA  np-Rieiui'AieTk.   kto  eo  cm-KieTk  pAs'B'k  TBOiero  Sm«- 

HHia  HAH  npHAOJKHTH  MTO  HAH  vC'I^TH ;  IV  npHldS'HHBklH 
pAKf  H  ;i,OKpklH  nOKOHHHH«  THk.  Ji,Hh  TBOie  CTpTkl  H  CKOH- 
HAHH»  HAkTHArO  HAMfTk  TBOpfipf,  pA^HM^Jf  H  BfCfAfljJf  C£ 
rAJ€Mk-  pA\-H  Cl  HfHCnOBtC^VAH  HklH  HABHf.  pA\'HC6  BfAHKkl  CAC- 
B'tHf  YpTHiaHO,  H/Kf  CB0I6  H;H3'Hkl  HfEp-ferk  3A  CB<M€rO  TA  H 
3A  BCC  YpTHraHklH  J\,Hh.  CBOIO  TAABS  nOKAOHHBk  ScKKHOBCHHIÖ. 
IlA>KHk  Tk  OkMk,  HJKf  CKp03'k  TBOH  PpkTAHk  npOH;\,f.  BABHO 
TO  [UI'feCTO,  H>Ke  TBOW  KpkBk  npHI€.  M'H'S  BOV'AH  MkHk  Tk,  Bk 
M-RCTO  BCerO  BOrATkCTBA  H  HM-SHHß.  H  M'HOSW  ^pOY3kl  HpH- 
nd^  Uif,  Kk  MlvCTOr  TOM  H  M  HK»  I^-RAOBATH  M  H  HACkITHTH  C( 
yOTfipe  AWKOBkllO.  —  GklH  MOl'JKk  BpATkll6  BEAHKklH  ,  KCA- 
H  CKkl  C6  TpOV";i,HBk  CBOieMO^  BAU.'fe  \'0I,'  M  Ali,  H  CKOH  HA  CB0I6 
CB'feTfAkCT'BO,  H  Bk  pHMkCU,1vlUlk  rpA;4,1v  CIH'pTk  npHI€Mk  (U 
HjpOHA  IJ^pA.  Bk  HACk  >Kt  U,pB0l'IOL|J0y'  rO\'  HUJfMOY  ICk  \0y . 
6M8h;C      CAABA     MTk     K     ;k,pk»;ABA,      Ck      B{3HAAHHMk     OL^EMk,       H 

npcTkiMk  ,\,YOMk,  HHra  h  npHO  h  Bk  BKki   v  •  * 

Ml^A     HK>AA     A    ^H     CAO     H  0  ^  K  ^ '^  H  0     C  T  \- k     K  «3  Hl  k3;i,  H  kl  K  k. 

KpOYrOB'HkliUk     TEHHI€Mk,       OBk\'A^KAI€       TOKk       CAHMHklH 
CB'kTAOCTHIO     03ApAJ€Tk     BCtPO     MHpA.      3eMAkHkl>€     JKf     BO     H 


Zwei  Lobreden,  vielleicht  von  Klemens  verfasst.  381 

*JIOTKC»p'HKII€  K'feTKKI  llpOBCIlUJC  Ha  UliA'KOy  Hf,V,OV'/K'HKIMK, 
3AäT03ap'HlvH    KpaMfKKCHlvH    Cß'kTHAiv,     KliH'HaLnf    ^V, «^"^'^P *-'•''' "^l^*- 

r  ^  ß,  X 

MOy^VpO     KO     ,\\'CtKHO    .-JaMkH'lUH,      KATKIK»     nOKHTk    Kt.S'MhSH'kH 

CH   3apKi,    pfKoy   ;k6   iiptKAiKH'Haaro   KÖs'Moy  H   ,\aMHaHa,    h 

Btc'u.'kH'HKir.lK        K'kH'll,aiK       üßiM        MHOrOMlÖCH'k       PAaii'k      l€IO, 

e^'ACKKiMk  cAOKOiHK   iiplinowca,    raKOHie  pe  bk-    KC»A«njei€  ii,'k- 

AHTf,  MpTßKIK;  ßkCKptiUiaHTf ,  HpOKa/Kf  h'hKIIC  OHHljJaHTe, 
K'kCKl  HSVOHHTf,  TOlfHIC  RpHieCT«  TO^Hie  ^AJ\,HT(.  Hk  ßKOH^E 
Bk  KpiJS'k  HBCHliMk  3K't3HaarO  AHKa,  HHKTOJKC  H(  MOHxSTk 
HCHHCTH,  TaKO  H  Kk  3eiUl'AkH'kMk  Kk3paCT't  CtK»  MK>Ck  HH- 
KTOJKf    nOCTHTHCTk    H3kMHCTH.    CHAA    KO  ^V'^BM'*'*  A**P<*  K^H«, 

HanAkH'ujHra    u.-kA'ßHkiie    iiotokki,    »;HBOTk    Hauk    (0     HkiK» 

HCTOMH.  B'kCTa  /KE  3paK0Mk  H  OBAkll€Mk  IdKO  arTAA  B>KHra, 
AWBOKHW    H    B'SpOK»    SKpaiUf H'Ha,     /KHTHI€M'  TKi  HHCTkIMk  BklLUE 

HAHA  coyqj'cTBa  ci>i|ia.  raiKe  BkcriHTt:  h  nopo^n  np'kHTHaa 
♦eoA^^'n    "   Bk;i,a  la  Kk   HaKa3anHi€   rnie    ykiTpocTH    BcaKOH 

ÖMHTHCe.  nOHOY;i,H  JKf  a  pkBCHHie  B^KHG  HA  BCaKO  A'^'^'^ 
BArO.    H    BkCKkin-R    Bk    HklK)  ^,i\0h,    BpAMEB  HklH,    MICCki    H    3B'k3a- 

Mki    ^Kpaiuaie    n.     ß'caua    BOA'KSHk   h   cTpxk    iiockijiEHHieMk 

1610   TkK'mO  lÜB'kraiUf.    He    TkK'MO   HAOB'kM'cU.kl    Hf;k,0Y3*^')    ""^    " 

c'KOTHki    ckB0Y3ki   pa3p'kiijai04Jf ,    iiOBfA'kHHieiiilk   i€K>  (DraHia- 

\^    Ci.    T'kM'    IKf    lipeCBtTAC    l€IO    npaSHkCTBO     nOMHTaKMJJe,      Ck 

nox'BaACK»  BknHieiuik  peK^ijjr  payH  ce  kÖ3''mc»  nporoH'Hkin«  e-S- 

COMk.  pa\-H  C(  np-SCB-RTAklH  /k,aMHraHE,  pa3p1iUJHT«AK»  CTpTfMk 
BCtMk.     pa\'H    ce    3AaT03apHkl     K03'M0,     CKOpklH     nockTHTeAK» 

He;i,SH;HkiMk.  payH  ce  cß'kTOsapne  ^vaMHiane,  i'enAkiH  noMOi|i- 
HHHe  3eMAkHkiMk.  pa^H  ce  np'kcB'kTAOie  cb'Sthao  kÖ3'ijio. 
i^-kAkBHoio  3apcK>  cBkTe  ce.  pa\'H  ce  np'kcB'kTAOie  cAHu,e  ^amh- 
i<iHk,  BaAkCTBkHkiMH  AOifHaLiki  03apai€  Bkck  MHpk.  pa\'H  ce 
k63MC»  Brc>3ap'HkiH  3ai|jHTHHMe  neMaA'HkiMk.  pa\-H  ce  ;k,MAnaHt 

KrOTOM'HklH     HCTOM'HkIHe,      npHO      Kkine      BATkIKt,      A      HHKOAHHie 

HCHpknai€Mk.  pa\'H  ce  spkCTO  npHTHara,  e^HHopo^v«'»'»,  h 
e^HHO^ujHaa  h  eAHHOMkicAkHaa,  ckBpujaieMaa  ^\'OMk  cTMk, 


382  P-  A.  Lavrov, 

BkCnHTliHd    AYOB'hOIO    nHUJfW,    HanCtl€Ha    KArOÖ\'äHHI€Mk,    MW- 

cAKHaa  H  ;i,OKponAo;v,'H't  pas  ca^KtH  na  npH  hcjcoahiijhh  >kh- 
BOTHKi    ß6jk,h,    HanAkH'iiiHra    BkCK  MHpk  MKtcMKi,   HanoHß'ujaa 

Hf;i,OYM<'HKII€  KaAkCT'KCMk,  OCkHHß'lUa  EOA'Hkie  MATKIW, 
Bk3Bkl3aKM(Ja     H{M0ip'Hkll6     BATHIO,    .^aKpKIArdKMjJa    BivpHkiE     CD 

BcaKOie  HanacTki,  npocB'Si[jai<M|ja  Tkiiifikiie  Hc'utUAieHHieMk, 
CHraKM|ia  Bk  MHp'k  HKtcki,  idKO  ut3A)(C'j^(i\iHta  CAHU,H,  Bapaioipa 
Bcera    Hci;'kAi€HHi€yk   np1i/Kf   copTH.    np'KcTOKMjja   \'Bki    HHia 

Bk     CBlLTt     HfHSpfHHt:,     npOCBivTHTa     MATHIO     H     MAROK»     M06 

oiupaMfHHe,  CTpTkJ  CüroHfqjf,  BOA'bs'Hki  p-feujfiija,  rp-k^ki  CünS- 
LjjaKMjja,  ne^aAki  vüroHfiiia,  MHpa  ck^paHrawiiJa,  noB'k;i,o\' 
npocfiiJf   (D   \'a,    npaBOBlip'HOMOY    no    ks''S   caMOBAäcTHOMo^ 

HßOy  HlllfMOy,  MATBAMkl  BaLUHMH  B'KH'MaHTa  H,  CHAOK>  np'K- 
noracaKM|JE,     Bl^pOlO    BkOpOY^KaKMfJE,    BATHIO    SaijJHL^aiOljJE,    MAC- 

-  ö 

ijja  3a  Hki  BHHOXf  npcToyio  Tpi;oY,  CHrawiiJoy  Tpkiuiki  cbohct  bw 

Bk   e^HHOMk   b^kb'I^,    o^a   cHa   h   cTaro   A,X'^,   HHt-ä  h  npHO  h 

Bk    BKkl    B-KKC»   •:    • 

Von  den  beiden  hier  abgedruckten  Texten  liegt  der  Lobrede  auf 
den  Apostel  Paulus  die  erste,  diesem  Apostel  gewidmete  Homilie  des 
Joannes  Chrysostomus  zu  Grunde,  vergl.  Migne  Patrologiae  c.  c.  ser. 
gr.  L,  S.  473 — 47S.  Aus  dieser  Homilie  ist  der  Anfang,  ungefähr  die 
ersten  zehn  Zeilen  des  slavischen  Textes,  entlehnt.  Die  Fortsetzung, 
ungefähr  bis  zur  Zeile  25/6  auf  S.  375  reichend,  konnten  wir  im  grie- 
chischen Text  nicht  nachweisen,  obwohl  man  auch  hier  irgend  eine 
griechische  Vorlage  voraussetzen  darf.  Der  weitere  Verlauf  des  slavi- 
schen Textes  knüpft  wieder  an  die  besagte  Homilie  an,  nur  stellenweise 
mit  Auslassungen.  Von  der  Z.  22  auf  S.  379  weiter  geht  uns  wieder 
die  griechische  Vorlage  ab.  Ein  Nachschlagen  in  anderen  Eeden  des 
Chrysostomus,  die  sich  auf  den  Apostel  Paulus  beziehen,  im  3.  Band 
Migne's,  ergab  keine  Beziehungen  zur  Darstellung  im  vorliegenden 
slavischen  Text.  Vielleicht  liegt  gerade  darin  ein  Hinweis  auf  die 
Autorschaft  eines  Slaven.  Beachtenswerth  ist  der  Schluss  der  Lobrede. 
Darin  wendet  sich  der  Redner  an  den  Apostel  Paulus  mit  den  Worten  : 
payH  C(  BCAHKki  CAOB'tHE  ^P'*'"'^"*^)  womit  Vielleicht  die  Voll- 
kommenheit der  Rede,  welche  der  Apostel  Paulus  im  hohen  Grade  be- 


Zwei  Lobreden,  vielleicht  von  Klemens  verfasst.  383 

herrschte,  ausgedrückt  werden  sollte.  Die  Kürze  der  Darstellung,  die 
die  panegyrischen  Giussfoimeln,  die  übrigens  an  diejenigen  erinnern, 
die  wir  bei  Chrysostomus  in  der  Lobrede  auf  die  beiden  Apostel,  Petrus 
und  Paulus,  finden  —  alles  das  stimmt  zur  Annahme  des  Klemens  als 
Verfasser.  Was  die  Beziehungen  zum  griechischen  Text  anbelangt,  so 
ist  die  slavische  Redaktion  derartig,  dass  ein  freies  Verhältniss  ange- 
nommen werden  muss.  Einige  Zusätze  sind  im  slavischen  Texte  nach- 
weisbar, die  in  der  griechischen  Vorlage  fehlen,  z.  B.  naB/\a  k«ah- 
Kaaro  hat  im  griechischen  Texte  dieses  Adjektiv  nicht.  Auch  der 
Ausdruck  für  CE'bTHAHiiKa  fehlt  dort.  Manche  Phrasen  oder  Aus- 
drücke des  griechischen  Textes  w^erden  ganz  frei  wiedergegeben,  ohne 
nahen  Anschluss  an  die  griechische  Vorlage.  Z.  B.  outio  tvoIv  }.iiv 
T]vd'£i  Tfj  ^äqLxt  lautet  im  Slavischen:  hcr/Oh  ko  RlJauJ«  CA^A 
CH^BHarc  H  n'KiLTa  ;i,\-OBHarc.  Das  griechische  ey.lsias  [tov  ovqa- 
vöv]  wurde  übersetzt:  3aKAK>HH  Kf,\poiiJib,  ICrjhooev  durch  saßHCTk 
Kk3f,  VTt€Q  evog  ed-vovg:  0  le^^HHlv  aw^'k,  ro  -/.ecpälaLOv  rtuv  aya- 
&i&v:  KOaiiJfi€  A'^'^*^  n  K'^h"!;!».  Die  Kürzungen  oder  Auslassungen 
sind  nicht  immer  gelungen.  Z.  B.  im  griechischen  Original  folgt  auf 
Abraam  noch  die  Erwähnung  Isaak's:  ti  av  rig  d-avf.iaa£ie  tov  'loaä'/., 
im  slavischen  Text  (S.  377,  Z.  20):  Hk  HraKOß'aH  ah  ce  KplinocTKi 
u.  s.  w.  Die  Auswahl  der  Ausdrücke  erinnert  an  entsprechende  Anwen- 
dung in  alten  Denkmälern.  Miklosich  war  bei  der  Zusammenstellung 
des  altslovenischen  Wörterbuchs  dieser  Text  bekannt,  wenn  er  dabei 
hom.  mih.  XIII  s.  citirt,  so  mag  das  entweder  auf  einer  Verwechselung 
des  Homiliariums  mit  dem  Menaeum  beruhen,  oder  ist  der  Ausdruck 
hier  wie  dort  zu  finden.  Beim  Worte  Maß'KKa  sagt  Miklosich,  es  komme 
in  altslovenischen  Quellen  nicht  vor,  das  ist  jedoch  unrichtig,  da  wir  es 
hier  (S.  377,  Z.  2)  als  ßpaHKi  ii  MaK'KKi  lesen,  was  dem  griechischen 
Uqa/.ug  -/.cd  y.oloLovg  entspricht.  Von  einzelnen  Ausdrücken  seien  her- 
vorgehoben:   Tp-kKHUJe,   TpHSHHipf,    nAfM/Ä,   TOMHTH,  HCAkHATH, 

oyTBapk,  nc<KOHHHMc,  BpaHk,  rAa;i,MTH,  npHCTaB'HHKk,  \-o\'A<^'''^) 

AOKpOMkCTHBk,  A<2»KpC>TBapk  U.  a, 

Ist  diese  Lobrede  Klemens'  geistiges  Eigenthum,  so  kann  sie  als 
interessantes  Musterbild  angesehen  werden,  wie  der  slavische  Prediger 
die  griechische  Vorlage  benutzte,  um  sie  durch  eigene  Einschaltungen 
zu  modificiren. 

In  dem  Stile  der  zweiten  Lobrede  findet  man  noch  mehr  Anklänge 
an  die  Werke  Klemens'.    Wir  heben  hervor  Ausdrücke  wie  BaakCTBO, 


384     P-  A.  Lavrov,  Zwei  Lobreden,  vielleicht  von  Klemens  verfasst. 

KaAh.CTßkH'k  Und  BpaHJßkCKTs.,  BpdHiBHkJH.  Am  ScWuss  ist  be- 
achtenswerth  die  Erwähnung  des  Kaisers:  npaBOß-bp'HOMOY  no  KSt 
caiuiOBAacT'HOMoy  npoy  HiufMov". 

Der  griechische  Text  gestattet  einige  Berichtigungen  im  Slavi- 
schen.  Auf  S.  377,  Z.  8  ist  laJKe  wohl  in  hjk«  zu  berichtigen  =  gr.  og 
Migne  S.  475,  S.  378,  Z.  21  ist  ein  hh  überflüssig  =  gr.  äll^  %va  (.irj. 

P.  A.  Lavrov. 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke 
des  slavisclien  Klemens. 


I. 

Sind  die  beiden  pannonischen  Legenden  von  Klemens 

yerfasst  ? 

Ich  kann  nur  meiner  aufrichtigen  Freude  darüber  Ausdruck  geben, 
dass  sich  immer  neue,  frische  wissenschaftliche  Kräfte  der  Lösung  vieler 
Fragen,  die  mit  den  Begründern  der  kirchenslavischen  Liturgie  und  des 
altkirchenslavischen  Schriftthums  in  Zusammenhang  stehen,  widmen. 
Namentlich  ist  die  Vertiefung  in  die  Gedanken  und  die  sprachliche  Form 
der  Denkmäler,  ihre  philologische  Durchforschung,  eine  erfreuliche  Er- 
scheinung der  neuesten  Zeit.  Gewiss  wird  dadurch  die  Lösung  mancher 
schwebenden  Fragen,  wenn  nicht  geradezu  endgiltig  erzielt,  so  doch 
wenigstens  stark  gefördert  werden.  In  der  vorliegenden  Besprechung, 
die  der  literarischen  Produktion  des  slavischen  Klemens  gewidmet  ist, 
begegnen  sich  zwei  hervorragende  Forscher  gerade  auf  diesem  Gebiete: 
Professor  P.  A.  Lavrov  in  Petersburg  und  Professor  W.  Vondräk  in 
Wien.  Beide  stellen  sich  die  Aufgabe  über  den  Umfang  der  literarischen 
Thätigkeit  des  slavischen  Klemens,  des  hervorragendsten  Schülers  der 
ersten  Glaubenslehrer  der  Slaven,  möglichst  viel  Licht  zu  verbreiten. 
Während  Prof.  Lavrov  in  dem  unermesslich  reichen  Vorrath  der  kir- 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens.     385 

chenslavischen  handschriftlichen  Schätze  nach  neuen  Belegen  für  die 
Autorschaft  Klemens"  sich  fleissig  umsieht ,  worin  ihn  auch  andere  Ge- 
lehrte, wie  die  Akademiker  Sobolevskij  in  Petersburg  und  Stojanovid  in 
Belgrad,  durch  glückliche  Funde  unterstützen,  hat  Prof.  Vondräk  einen 
anderen  Weg  eingeschlagen,  auf  welchem  allerdings  auch  schon  von 
Lavrov  tüchtig  vorgearbeitet  wurde,  doch  nicht  in  dem  Umfang,  wie  das 
bei  Vondräk  der  Fall  ist.  Das  ist  der  Weg  der  inneren  Beweisführung 
auf  Grund  der  eingehenden  Analyse  aller  sprachlichen,  stilistischen  und 
rhetorischen  Mittel,  die  aus  einzelnen  Texten  hervorleuchten,  um  bei 
sorgfältiger  Prüfung  aller  dieser  Mittel  zur  Bestimmung  der  ganzen 
geistigen  Individualität  des  Schriftstellers  zu  gelangen.  Das  ist,  man 
muss  es  gestehen,  ein  mühevoller,  langwiei'iger  Weg,  der  weder  schnell 
noch  sicher  genug  zum  Ziele  führt.  Viel  kommt  es  dabei  auf  das  sub- 
jektive Gefühl  des  Forschers,  auf  seinen  feinen  Geschmack  an,  der  ihn 
über  das  Mass  des  Ausreichenden  zur  beruhigenden  Ueberzeugung  führen 
muss.  Wir  sehen  es  schon  bei  der  vorliegenden  Besprechung  Lavrov's, 
dass  ihm,  trotzdem  er  sich  in  vielen  wichtigen  Punkten  mit  Prof.  Von- 
dräk nahe  berührt,  doch  nicht  alle  Beweise  des  Letzteren  einleuchten 
wollen.  Manches,  was  für  Prof.  Vondräk  nach  seiner  Auffassung  und 
Argumentation  als  sicher  und  erwiesen  gilt ,  möchte  Prof.  Lavrov  nur 
als  eine  beachtenswerthe  Vermuthung  zugeben.  Zwischen  mir  und 
Prof.  Vondräk  ist  der  Abstand  noch  viel  grösser.  Er  ist  mit  meinen 
Behauptungen ,  ich  mit  seiner  Beweisführung  wenig  einverstanden. 
Wenn  ich  auch  gern  zugebe,  dass  mein  subjektives  Gefühl,  weil  es 
nicht  auf  genug  ausgedehnter  Beobachtung  beruhte  —  man  kennt  ja 
auch  jetzt  noch  Klemens  nicht  vollständig  —  nicht  immer  richtig  ge- 
wesen sein  mag,  so  kann  ich  doch  auch  jetzt  noch  bei  sorgfältiger  Prü- 
fung der  vom  Verfasser  ins  Feld  gerückten  Beweise  nicht  immer  seine 
Ueberzeugung  teilen.  Ich  bin  eben  nicht  für  die  Glaubensseligkeit,  die 
ihn  auszeichnet,  so  leicht  zu  haben.  Ich  schätze  ungemein  hoch  das 
Mittel,  das  er  anwendet,  durch  Parallelen  in  Gedanken  und  im  sprach- 
lichen Ausdruck  die  geistige  Verwandtschaft  zu  konstatiren,  doch  haben 
diese  Parallelen  in  meinen  Augen  nicht  immer  die  gleiche  Tragweite, 
wie  in  seinen.  Seine  Operation  mit  den  Nachweisen  von  Parallelstellen, 
sei  es  in  gedanklicher,  sei  es  in  sprachlicher  Beziehung,  so  sehr  ich  sie 
verdienstlich  bezeichne,  scheint  mir  doch  mehr  als  eine  einzige  Deutung 
zuzulassen.  Prof.  Vondräk  ist  nach  meiner  Ansicht,  die  ja  auch  un- 
richtig sein  kann  —  das  müssen  eben  andere  beurteilen  —  viel  zu 

Archiv  für  slarische  Philologie.   XXVII.  25 


386  V.  Jagiö, 

schnell  mit  der  Schlussfolgerung  zur  Hand,  dass  die  von  ihm  gefundene 
Gleichheit  des  Gedankens  oder  Ausdrucks  auf  die  Identität  des  Indivi- 
duums zurückzuführen  sei,  während  mir  noch  zwei  andere  Möglichkeiten 
vorschweben:  einmal  die  des  zufälligen  Zusammentreffens  zweier  ver- 
schiedener Individuen  in  einem  und  demselben  oder  ähnlichen  Gedanken 
oder  in  der  Anwendung  gleicher  Ausdrücke,  dann  aber  auch  die  der 
bewussten  Nachahmung  oder  Entlehnung  einzelner  Ausdrücke  oder 
Phrasen.  Allerdings  ist  es  nicht  so  leicht  in  jedem  einzelnen  Falle  zu 
entscheiden,  welcher  von  diesen  Möglichkeiten  man  den  Vorzug  geben 
soll.  Das  macht  auch  das  Erzielen  der  Uebereinstimmung  unter  ver- 
schiedenen Forschern  so  schwierig.  Für  meine  Skepsis  gegenüber  den 
Ergebnissen  Vondräk's  ist  neben  anderen  Erwägungen  namentlich  auch 
der  Umstand  ausschlaggebend,  dass  wir  uns  da  in  der  allerältesten 
Epoche  des  altkirchenslavischen  Schrifttums  befinden,  wo  das  Hervor- 
treten des  Individualismus  noch  sehr  schwach  zur  Geltung  kommen 
konnte,  wo  man  sich  in  ziemlich  engem  Kreis  der  Gedanken,  Bilder  und 
Ausdrücke  bewegte,  wo  sich  die  einzelnen  Individuen  auch  in  der  lite- 
rarischen Production  sehr  ähnlich  waren,  wo  man  daher  viel  stärkerer 
Beweise,  als  sie  durch  einzelne  Parallelstellen  geboten  werden,  benöthigt, 
um  mit  einiger  Sicherheit  auf  die  Identität  der  bei  der  geistigen  Arbeit 
betheiligt  gewesenen  Person  schliessen  zu  dürfen. 

Ich  befinde  mich  im  gegebenen  Falle  in  der  unangenehmen  Lage, 
dass  ich  nicht  gegenüber  einem  einzigen,  sondern  gegenüber  zwei 
Specialforschern  (Vondräk  und  Lavrov)  einen  abweichenden  Standpunkt 
einnehmen  zu  müssen  glaube  —  wenigstens  in  der  Frage  über  den 
Verfasser  der  beiden  pannonisehen  Legenden.  Während  näm- 
lich Lavrov  und  jetzt  auch  Vondräk  für  beide  Legenden  einen  Verfasser 
und  zwar  Klemens  annehmen,  sehe  ich  zunächst  von  der  Person  des  Ver- 
fassers ganz  ab  und  begnüge  mich  mit  der  Ueberzeugung,  die  ich  im  Ge- 
gensatz zu  den  beiden  verehrten  Forschern  seit  längerer  Zeit  theile,  dass 
die  Vita  Cyrilli  Jemand  andern  zum  Verfasser  hat,  als  die  vita  Methodii. 
Die  Gründe  zur  Erhärtung  dieser  Ansicht  hole  ich  freilich  nicht  aus 
der  Anwendung  der  sprachlichen  Mittel ,  die  so  stark  bei  Vondräk  und 
Lavrov  in  die  Wagschale  fallen.  Mir  genügt  es  in  dieser  Beziehung  zu 
behaupten,  dass  die  mit  grossem  Fleiss  gesammelten  Parallelstellen 
nirgends  zwingende  Beweise  der  persönlichen  Einheit  des  Verfassers 
liefern.  Der  ganze  Gedankenkreis  und  Wortvorrath  jener  ersten  Zeit 
war  nicht  sehr  gross  und  individuell  entfaltet,  er  bewegte  sich  in  sehr 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens.     387 

engen  Dimensionen,  so  dass  auch  zwei  oder  drei  verschiedene  Personen 
sich  sowohl  in  den  Gedanken  wie  in  dem  sprachlichen  Ausdruck  fort- 
während enge  berühren  mussten.  Diese  Verwandschaft  ist  eben  ein 
Kriterium  der  pannonischen  Epoche  der  literarischen  Wirksamkeit  mit 
Hülfe  des  neuen,  erst  vor  Kurzem  für  christlich-literarische  Zwecke  auf- 
gekommenen Idioms.  In  der  That  kann  ich  in  der  Mehrzahl  von  Paral- 
lelen, die  von  Prof.  Vondräk  mit  grosser  Sorgfalt  gesammelt  sind,  nichts 
finden,  was  mich  veranlassen  könnte,  daraus  nur  auf  einen  Autor  für 
beide  Legenden  zu  schliessen ,  da  ja  ähnliche  Phrasen  oder  Wieder- 
holung einzelner  Ausdrücke  doch  aus  der  Gleichartigkeit  der  allgemei- 
nen  Betrachtungen   sich   von   selbst  ergeben.     Ein   no;i,KHr'k  oder 

rpOVAT^j     CAaKOCTIi    und    A-SHOCTI*,    O^CTHTH,     HdCAa^HTH    CA 
OTTkLl-tTaTH     C/Ä,      ein     SaKHCTAHBklH      TpkKAATKIH     ;i,HraBOATk 

oder  CTapkiH  Kpar'K  ;i,HaBoa'K  oder  AkCTK  ;k,HiaBO/\ra,  B-bHkHa» 

M^HAHlIJa    oder    MO\,'Apa     M/Ä^*^?     KfCnAT^TkHKI/Ä    CHAKI,     BpIvMtHa 

H  A'Kra,  hat  eben  so  wenig  etwas  ausschliesslich  individuelles  in  sich, 
wie  die  Wendungen  bakohti  A'*'^",  3fMAh>   ochobath,   ckBpk- 

lUHTH    BkCK>    TBapk,     OMpaMHTH     O^M'k,     TfM(HH»€    CKBpKUJHTH 

oder  CkKOHkHaTH,  >K/Jv;i,aTH  noKaaHHra  oder  0JKH/i,aTH    noKaa- 

HHI€,     JK/Ä^aTH     CknaCEHHra,     OT'k    HECklTH»     KT»,     BklTHI€     npH- 

B6CTH,  Ha  coifAT»^  "T'">  i€peck  B-kSABMrHOifTH  u.  3.  w.  Warum 
alle  diese  Ausdrücke  oder  Phrasen  gerade  nur  von  einem  Individuum 
hätten  geschrieben  sein  müssen,  das  kann  ich  nicht  einsehen.  Wenn 
man  sich  das  Verzeichniss  aller  derartiger  Anklänge  bei  Vondräk  näher 
ansieht,  so  bemerkt  man  auch  das,  dass  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  nicht 
die  beiden  Legenden  untereinander,  sondern  jede  von  ihnen  abgeson- 
dert mit  irgend  einem  anderen  Texte,  der  Klemens  zugeschrieben  wird, 
in  Zusammenhang  gebracht  wird,  wobei  auch  solche  Texte  herangezogen 
werden,  von  denen  es  noch  gar  nicht  so  sicher  steht,  dass  sie  Klemens* 
geistiges  Eigenthum  sind.  Ich  will  aus  dem  ganzen  beigebrachten  Ma- 
terial nur  einen  Punkt  herausgreifen.  Prof.  Vondräk  hebt  (S.  80)  die 
häufige  Anwendung  des  Ausdrucks  npaßOB'KpkH'k  bei  Klemens  her- 
vor und  citirt  in  der  That  mehrere  Beispiele  aus  der  Vita  Methodii,  kein 
einziges  jedoch  aus  der  Vita  Cyrilli,  da  er  hier  nur  KAarOE'KpkHTsk  fand. 
Er  darf  aber  diesem  Unterschied  nach  seiner  Beweisführung  kein  zu 
grosses  Gewicht  beilegen,  er  glaubt,  dass  auch  in  der  ursprünglichen 
Redaction  der  Vita  Cyrilli  das  Compositum  npaBOB'bpkH'k  habe 
stehen  können.    Ich  nehme  die  Sache  nicht  so  leicht  und  für  die  Be- 

25* 


388  V.  Jagic, 

hauptung,  dass  die  Vita  Cyrilli  von  Anfang  an  nur  BAaroB'KpbH'k 
schrieb  (auch  in  dem  Apostolus  kommt  für  evaeßi'jg  nur  diese  Form  vor), 
kann  ich  mich  auf  den  glagolitischen  Text  bei  Bercic  (Dvie  sluzbe,  8.58) 
berufen,  der  sonst  viele  ältere  Ausdrücke,  als  sie  in  den  üblichen  Texten 
der  Vita  Cyrilli  vorkommen,  bietet,  aber  an  EAarOB'KpaH'  fest  hält. 
Für  mich  hat  also  dieser  Unterschied  zwischen  einem  mehr  dem  öst- 
lichen (BAaroBpkH'k)  und  dem  anderen  mehr  dem  westlichen  (npaßo- 
B'KpkH'k)  Sprachgebrauch  ähnelnden  Ausdruck  immerhin  eine  gewisse 
Bedeutung.  Es  gibt  auch  andere  Abweichungen  im  sprachlichen  Aus- 
druck zwischen  Vita  Cyrilli  und  Vita  Methodii,  die  von  Prof.  Vondräk 
nicht  übergangen  worden  sind  (S.  90 — 91).  Nur  findet  er  sie  nicht 
bedeutend  genug,  um  sich  dadurch  von  seiner  Annahme,  dass  Klemens 
Autor  beider  Legenden  gewesen,  abbringen  zu  lassen.  Ich  muss  aller- 
dings auch  meinerseits  hinzufügen,  dass  wenn  keine  anderen  Anzeichen 
für  die  Verschiedenheit  der  Verfasser  vorhanden  wären,  die  sprachliche 
Seite  allein  die  Annahme  eines  einzigen  Verfassers  in  meinen  Augen 
weder  abweisen  noch  befürworten  könnte.  Wenn  ich  dennoch  für 
zwei  verschiedene  Verfasser  eintreten  möchte,  so  bewegt  mich  dazu  die 
von  mir  stark  aus  den  beiden  Legenden  herausgefühlte  Verschiedenheit 
der  Stimmung  der  beiden  Legenden  ihrer  Hauptperson  gegenüber,  die 
Verschiedenheit  der  Auffassung  seiner  Aufgabe  seitens  des  Verfassers 
in  jedem  einzelnen  Falle  und  die  Verschiedenheit  der  Ausführung  dieser 
Aufgabe  in  ihren  Einzelheiten.  Der  Verfasser  der  Vita  Methodii 
war  entschieden  ein  anders  gesinnter  Mann,  als  der  Ver- 
fasser der  Vita  Cyrilli.  Auch  die  geistige  Potenz  war  bei  beiden 
Verfassern  eine  verschiedene. 

Man  hat  nicht  umsonst  bei  der  Vita  Cyrilli  an  die  Möglichkeit  der 
griechischen  Originalvorlage  gedacht.  So  sehr  wurzelt  der  Verfasser 
dieser  Legende  in  der  byzantinisch-christlichen  Weltanschauung.  Für 
ihn  ist  Konstantin  ein  gelehrter  Byzantiner,  mit  Glaubenseifer  und  be- 
sonderer Neigung  zur  Missionsthätigkeit,  die  ja  auch  Disputationsfähig- 
keit voraussetzt,  ausgestattet.  Von  erster  Jugend  an  liebt  er  Bücher,  liest 
die  Werke  des  heil.  Gregorius,  lernt  in  Konstantinopel  die  ganze  damalige 
byzantinische  Gelehrsamkeit,  doch  neigt  sein  Geist  zur  Askese.  Statt  eine 
glänzende  Karriere  im  Dienste  des  Staates  zu  machen,  wird  er  Priester 
und  als  solcher  sollte  er  Bibliothekar  bei  der  Sophienkirche  werden, 
doch  nach  kurzer  Zeit  flüchtete  er  in  ein  Kloster,  aus  welchem  man  ihn 
kaum  herausbekam  und  überredete,  die  Professur  der  Philosophie  an- 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens.     389 

zunehmen.  Hier  beginnt  gleich  seine  erste  Disputation  mit  dem  ge- 
wesenen ikonoklastischen  Patriarchen  Jannes  (Kap.  V),  es  ist  Jannes 
Synkellos  gemeint  (837  zum  Patriarchen  gewählt,  842  ins  Kloster  ge- 
steckt, Muralt  I.  426),  offenbar  fand  die  Disputation  mit  ihm  erst  nach 
seiner  Absetzung  statt.  Gleich  darauf  kommt  (Kap.  VI)  seine  Reise  und 
Disputation  bei  den  Sarazenen  an  die  Reihe.  Nach  der  Rückkehr  von 
dieser  Mission  (über  die  jetzt  Lamanskij  sehr  originelle,  aber  gewiss  un- 
annehmbare Kombinationen  ausgesprochen  hat)  lebte  er  in  der  Einsam- 
keit an  einem  ungenannten  Orte  und  nachher  beim  Bruder  Method  auf 
dem  Olymp.  Die  nächste  Aufgabe  betraf  abermals  eine  Mission  in 
Glaubenssachen,  eine  Reise  nach  Cherson  und  zu  den  Chazaren  (Kap. 
VIII — XII),  die  den  Mittelpunkt  der  ganzen  Legende  durch  ihre  fiber- 
mässige  Ausführlichkeit  bildet.  Die  Erzählung  nämlich  von  der  Reise 
zu  den  Chazaren  hat  äusserlich  grösseren  Umfang,  als  die  ganze  darauf 
(Kap.  XIV — XVII)  folgende  Schilderung  von  der  Ankunft  der  Gesandt- 
schaft Rastislav's  in  Konstantinopel,  von  der  Abreise  Konstantin's  nebst 
seinem  Bruder  Method  nach  Mähren,  von  seiner  dortigen  Wirksamkeit, 
von  seinem  Aufenthalt  bei  Kocel  in  Pannonien,  von  seiner  Disputation 
in  Venedig,  von  seiner  Ankunft  und  seinem  Ende  in  Rom.  Der  Wirk- 
samkeit Konstantin's  unter  den  Slaven  (nebst  ihrem  Abschluss  in  der 
Reise  nach  Italien,  nach  Venedig  und  Rom)  ist  also  kaum  ein  Drittel  des 
ganzen  Umfangs  der  Legende  gewidmet.  Man  kann  auch  nicht  sagen, 
dass  in  diesem,  den  Slaven  gewidmeten  Theil  ein  anderer,  wärmerer 
Ton,  als  sonst  in  der  ganzen  Legende  herrsche.  Im  Gegentheil,  jede 
nationale  Anspielung  auf  den  Namen  der  Slaven  wird  möglichst  gemie- 
den. In  dem  ganzen  XIV.  und  XV.  Kapitel  ist  nur  ein  einziges  Mal  von 
der  »slovenischen«  Schrift  die  Rede  (CAOß-tHkCKW  khhpki),  inKap.XVI 
wird  von  dem  venetianischen  Klerus  dem  Konstantin  vorgeworfen,  wa- 
rum er  den  Slovenen  (cacbühomt»,)  Schrift  verfasste;  nur  im  vorletzten 
Kap.  XVII  (als  Konstantin  nach  Rom  kam)   werden  KMHPki  CAOB'RHk- 

CKklie,     CAOB'tHkCKKlE    OysCHMKRI    Und    CAOB'bHkCKKlMk    l€3KlK0Mb. 

erwähnt.  Also  im  ganzen  kommt  der  Ausdruck  nur  fünfmal  in  der  Le- 
gende vor.  Auch  in  diesem  slavischen  Theil  der  Legende  tritt  die  be- 
sondere Neigung  Konstantin's  für  gelehrte  Disputationen  stark  hervor. 
So  erzählt  in  Kap.  XV  die  Legende  bedauerlich  wenig  von  der  sonstigen 
Thätigkeit  Konstantin's  in  Mähren,  wohl  aber  betont  sie  seinen  Wort- 
streit mit  den  Widersachern  der  slavischen  Liturgie  und  ebenso  erzählt 
sie  von  seiner  Bekämpfung  verschiedener  Aberglauben  und  der  laxen 


390  V.  Jagic, 

Auffassung  der  Heiligkeit  der  Ehe.  Das  ganze  XVI.  Kap.  ist  wieder  der 
Disputation  Konstantin's  mit  dem  latein.  Klerus  von  Venedig  gewidmet. 
Und  als  er  schon  in  Rom  war,  hören  wir  (Kap.  XVII)  abermals  von  einer 
Disputation,  die  er  mit  einem  Juden  hatte.  Gewiss  ist  dieser  Grundzug 
der  Legende  wesentlich  in  der  Disposition  des  Verfassers  derselben  be- 
gründet. Wie  ganz  anders  ist  die  Vita  Methodii  beschaffen.  In  ihr 
tritt  der  nationalslavische  Standpunkt  merkwürdig  stark  hervor.  In  der 
Vita  Constantini  wird  nur  einmal,  im  ersten  Kapitel,  Konstantin  als 
Lehrer  HJKf  npocKliTH  lesKiKK  HdUJk  bezeichnet,  wobei  man  nicht 
einmal  sicher  sagen  kann,  ob  sich  npocß'tTH  i63KiKk  Haiuk  wirklich 
auf  die  Slaven  und  nicht  vielmehr  im  allgemeinen  auf  die  Byzantiner 
bezieht.  Denn  diese  »unsere  Zunge«  wird  so  näher  charakterisirt : 
»CAaKOCTKK»  OMpaMklUE  OyiUlk  CßOH,  naM£  Hie  AKCTHIO  ;k,HraBC»i\l€IO 

HC  Y'^'*"^^*^^*  ^^  CKivTk  KO^KHH  saHOB'^AHH  Y<2»A"'''Hc(.  Diese 
Worte  sind  gewiss  keine  ganz  entsprechende  Charakteristik  für  ein 
heidnisches  Volk,  dagegen  ganz  zutreffend,  wenn  man  sie  auf  die  da- 
malige, von  den  Ikonoklasten  zerfleischte  byzantinische  Christenheit  be- 
zieht. Wie  ganz  anders  in  der  Vita  Methodii.  Da  lesen  wir  gleich  im 
II.  Kapitel  ß'K  Hama  tvkTA  i€3KiKa  paAH  Hamtro  o  Hi€Mk»;E 
cra  H«  et  hhk'ktoh;«  hhkoahjk«  nonfKA'K  —  eine  merk- 
würdige Gefühlsäusserung,  die  den  Slaven  verräth.  Wo  von  einem 
hohen  Amt  Method's  in  khi<i>kehhi€  caoß-SHkCKO  die  Rede  ist,  ver- 
weilt der  Verfasser  länger  dabei,  und  erzählt,  das  sei  geschehen,  als  ob 
der  byzant.  Kaiser  vorausgesehen  hätte,  KaßO  H  yoT'feujf  oyMHTfAia 

CAOB'kHfM'K  nOCTvAaTH  •  •  Ji,A  RTü  HpOOlfMUATi  Cid  BCKMT».  OKTÜ- 
MaieMTk    CAOß'kHkCK'kIHM'k    H    OETvIKA'k    a    HO    MAAOy.      In   Kap.  V 

spricht  Rastislav  wieder  von  den  Slaven  »a  lUliü  CACßtHM  npocTa 
Ma^ka  und  der  byzant.  Kaiser  hebt  ebenfalls  ihre  Kenntniss  der  slav. 
Sprache  ganz  im  nationalistischen  Sinne  hervor:  CfAOi'HiaHE  ßkCH 
MHCTO  CAOB'kHkCK'Ki  EfC'feA^V^'^**-  ^^^  Erfindung  der  Schrift  wird 
hier  bei  ihrem  wahren  Namen  als  CAOß'tHkCK'Ki  khhptiJ  bezeichnet. 
In  dem  angeblichen  Briefe  Hadrians  lesen  wir  wieder,  der  Papst  schicke 
denMethod  nicht  bloss  zu  Kocel,  sondern  BkctM'k  CTpaHaitn».  TUM'k 
CAOB'tHkCK'kiiiii'k  (nochmals  in  Kap.  XII:  Bkcra  CACß-fcHkCKTüia 
CTpaHTvi);  in  dem  Briefe  steht  es  sogar,  dass  der  Papst  a  priori  jeden 
verdammt,  der  die  «khht'KI  idSnüKa  Baiuero«  beschimpfen  würde.  Im 
weiteren  Verlauf  wird  selbst  die  Erstarkung  der  weltlichen  Macht  Mäh- 
rens mit  dem  Wirken  Method's  im  slavischen  Sinne  (denn  seinem  Einzug 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens.    391 

ging  die  Vertreibung  der  deutschen  Priester  voraus]  in  Zusammenhang 
gebracht  (Kap.  X).  Selbst  der  byzantinische  Kaiser  in  Konstantinopel 
war  angeblich  den  slavischen  Büchern  wohlwollend  gesinnt  (Kap.  XIII). 
So  stark  hebt  sich  das  slavische  Element  in  der  Method-Legende  von 
dem  allgemein  christlichen  Hintergrund  ab.  Man  kann  nicht  einwenden, 
dass  der  verschiedene  Charakter  der  behandelten  Persönlichkeit  diesen 
Unterschied  der  Behandlung  hervorgerufen  habe,  denn  die  Verschieden- 
heit tritt  schon  in  den  beiden  Legenden  gemeinsamen  Theilen  hervor, 
die  den  Faden  der  Erzählung  bis  zum  Tode  Konstantin's  fortführen. 
Aber  auch  sonst  ist  die  Behandlung  der  Hauptperson  in  beiden  Legen- 
den eine  ganz  verschiedene.  Hat  etwa  Methodius  nicht  auch  zu  kämpfen, 
nicht  auch  zu  disputiren  gehabt?  Wie  schildert  ihn  der  Verfasser  in 
dieser  Rolle?  Das  sieht  man  aus  den  wenigen  Worten  Kap. IX,  die  gar 
nicht  in  dem  Tone  der  Vita  Cyrilli  geschrieben  sind,  ja  man  findet  hier 
sogar  eine  gewisse  humoristische  Seite  angeschlagen,  die  ganz  gegen 
den  Charakter  des  Verfassers  der  Vita  Cyrilli  verstösst  (eiserner  Berg 
und  knöcherner  Schädel,  das  Schwitzen  Method's  wie  ein  Ofen).  Die 
ganze  Legende  Method's  ist  bekanntlich  viel  kürzer  und  präciser  gehal- 
ten, als  jene  Konstantin's.  Hängt  das  etwa  mit  dem  Mangel  an  Material 
zusammen  ?  Durchaus  nicht,  sondern  es  ist  eben  eine  ganz  anders  auf- 
gefasste  Aufgabe.  Daraus  erklärt  sich  auch  der  gewaltige  Unterschied 
zwischen  der  verhältnissmässig  kurzen  Einleitung  zur  ausführlichen  Vita 
Cyrilli  und  der  ausführlichen  Schöpfungs-  und  Entwickelungsgeschichte 
der  alttestamentlichen  Menschheit  in  der  Einleitung  zur  kurzen  Vita  Me- 
thodii,  ein  Gegensatz,  der  die  wenigen  Anklänge  hundertmal  aufwiegt. 

Dass  eine  und  dieselbe  Person  so  verschieden  ihre  Aufgabe  bei 
jeder  von  beiden  Legenden  aufgefasst  hätte,  ist  mir  durchaus  unwahr- 
scheinlich. Viel  natürlicher  liegt  wohl  die  Voraussetzung  zweier  ver- 
schiedener Autoren.  Dann  kann  man  sich  auch  die  Abweichungen  in 
der  Darstellung  derselben  Thatsachen,  die  zwischen  den  beiden  Legenden 
wahrzunehmen  sind,  leichter  erklären.  Ich  lege  kein  grosses  Gewicht 
darauf,  dass  nach  der  Vita  Cyrilli  c.  VIII  der  byz.  Kaiser  Konstantin, 
der  im  Olymp  versteckt  lebte,  erst  suchen  lassen  musste,  um  ihn  zu  den 
Chazaren  zu  schicken,  während  nach  der  Vita  Methodii  c.  IV  er  einfach 
um  ihn  schickte  —  das  kann  eventuell  auch  nur  Kürze  des  Ausdrucks 
sein.  —  Auch  die  Nichterwähnung  der  Auffindung  der  Reliquien  des 
h.  Klemens  und  der  von  Konstantin  abgefassten  und  von  Method  über- 
setzten Disputationsschrift,  die  ja  doch,  da  sie  Method  anging,  in  seiner 


392  V.  Jagiö, 

Vita  am  Platz  gewesen  wäre  —  kann  man  auf  Rechnung  der  Kürze  in 
der  Darstellung  setzen.    Allein  wie  reimt  sich  das  zusammen,  dass  in 
der  Vita  Cyrilli  c.  XIV  Rastislav  allein  beim  Namen  genannt  wird ,  in 
der  Vita  Methodii  aber  c.  V  Rastislav  und  Svjatopolk  als  solche  gelten, 
die  die  Bitte  nach  Konstantinopel  ergehen  Hessen?    Die  Einzelheiten 
der  nach  dieser  Petition  erfolgten  Vorgänge  in  Konstantinopel  stimmen 
auch  nicht  ganz  überein,  doch  diese  wollen  wir  mit  Stillschweigen  über- 
gehen.   Wichtiger  schon  ist  der  Fortgang  der  Erzählung.     Von  dem 
Aufenthalt  der  beiden  Brüder  in  Pannonien  bei  Kocel  weiss  die  Vita 
Methodii  gar  nichts.    Soll  man  auch  das  durch  die  Kürze  entschuldigen  ? 
Eben  so  erzählt  sie  von  ihrem  Aufenthalt  in  Venedig  gar  nichts.     Da- 
für aber  wird  hier  der  Wortstreit,  der  nach  der  Vita  Cyrilli  in  Venedig 
statt  fand,  nach  Rom  übertragen.     Wie  kann  dieselbe  Person  solche 
Widersprüche  aufkommen  lassen?     Auch   seit  der  Ankunft  in  Rom 
gehen  nach  der  Vita  Cyrilli  die  Ereignisse  anders  vor  sich  als  nach  der 
Vita  Methodii.    Nach  der  ersten  Legende  wird  ausdrücklich  die  Mariä- 
kirche,  Phatne  genannt,  als  diejenige  bezeichnet,  wo  zuerst  die  slav. 
Bücher  deponirt  wurden,  nach  der  Vita  Methodii  wurde  den  Büchern 
diese  Ehre  nur  in  der  Petrikirche  zu  theil.    Davon  was  Konstantin  dem 
Bruder  sagte,  als  er  von  ihm  Abschied  nahm,  namentlich  dass  er  nicht 
das  Klosterleben  im  Olymp  der  neuen  Wirksamkeit  vorziehen  sollte,  ist 
in  der  Vita  Cyrilli  keine  Rede.    Dort  nimmt  Konstantin  die  Mönchskutte 
an,  empfiehlt  im  Gebete  seine  Herde  der  Obhut  Gottes,  bittet  sie  vor 
den  Angriffen  seitens  der  TpH»€3WMHaia  lepeck  zu  schützen,  doch 
Method's  geschieht  keine  Erwähnung.    Erst  nach  dem  Tode  des  Bru- 
ders tritt  Method  handelnd  auf  und  auch  das  nicht  im  Sinne  der  Method- 
Legende.    Er  wollte  die  sterblichen  Ueberreste  nach  der  Heimath  über- 
führen, wodurch  stillschweigend  auch  sein  Wunsch,  in  die  Heimath 
zurückzukehren,   ausgesprochen  wird  —  also  das  Gegentheil  davon, 
was  Konstantin-Cyrill  nach  der  Method-Legende  von  ihm  wünschte. 

Prof.  Vondräk  glaubt,  dass  Klemens,  als  er  die  Method-Legende 
schrieb,  seine  eigene  friihere  Arbeit,  die  Cyrill-Legende,  vor  Augen 
hatte  und  in  dieselbe  dann  und  wann  hineinblickte  (S.  91).  Doch  ist 
er  bereit  auch  davon  abzustehen  und  zur  anderen  Ansicht  sich  zu  be- 
kehren, nach  welcher  Klemens  seine  Werke,  also  im  gegebenen  Falle 
die  Cyrill-Legende,  auswendig  gewusst  und  keine  Nothwendigkeit  hatte 
in  den  Text  hineinzublicken.  Mir  will  weder  die  erste  noch  die  zweite 
Kombination  einleuchten,  nicht  bloss  darum,  weil  ich  an  die  Einheit  des 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens.     393 

Verfassers  nicht  glauben  kann ,  sondern  auch  deswegen ,  weil  die  Ein- 
sichtnahme in  die  Cyrill-Legende  oder  Erinnerung  doch  wenigstens  in 
denjenigen  Bestandtheilen  der  Method-Legende,  die  die  schon  in  der 
Cyrill-Legende  zur  Sprache  gebrachten  Thatsachen  zu  wiederholen  hatten, 
eine  grössere,  vernünftigere  Uebereinstimmung  hätte  zur  Folge  haben 
müssen.  Man  vergleiche  die  Angaben  über  die  Abstammung  und  den 
jugendlichen  Lebenslauf  Konstantins  in  Vita  Cyrilli  c.  II — IV  und  die  we- 
nigen Worte  über  Method  in  Vita  Methodii  c.  II,  wo  von  seiner  Erziehung 
kein  Wort  gesagt  wird,  und  das  betreffs  der  nkpkij^H  (causidici)  Gesagte 
nicht  verständlich  ist.  Schwerlich  hätte  Klemens,  wenn  er  nach  der  Auf- 
fassung Vondräks  seiner  über  Konstantin  gemachten  Mittheilungen  auch 
nur  oberflächlich  sich  erinnert  hätte,  aus  dem  gleichen  Anlass  über 
Method  so  schreiben  können,  wohl  aber  wird  uns  diese  Verschiedenheit 
bei  der  Annahme  einer  anderen  Persönlichkeit  ganz  verständlich.  In 
der  Vita  Cyrilli  wird  zwar  nicht  ausdrücklich  gesagt,  dass  Konstantin 
den  Bruder  Method  auf  die  Missionsreise  zu  den  Chazaren  mitnahm, 
allein  aus  einer  Episode  c.  XII  wird  uns  klar,  dass  Method  sein  Reise- 
begleiter war,  und  schon  in  c.  X  wurde  gesagt,  dass  Method  die  Dis- 
putationen seines  Bruders  mit  den  Juden  in  besonderer  Bearbeitung,  in 
acht  Kapitel  eingetheilt,  übersetzt  hatte.  Von  alle  dem  will  der  Ver- 
fasser der  Vita  Methodii  nur  so  viel  wissen,  dass  Method  seinem,  das 
grosse  Wort  führenden  Bruder  »als  Sklave  diente«  und  ihm  nur  mit 
Gebeten  zur  Seite  stand.  Hätte  derselbe  Verfasser,  der  sich  unter  Kon- 
stantin's  Adresse  des  Bruders  Method  erinnerte,  nicht  auch  in  der  dem 
Method  selbst  gewidmeten  Legende  etwas  mehr  von  seiner  Betheiligung 
an  der  Reise  zu  den  Chazaren  gesagt,  wenn  beide  Legenden  dem  Kopfe 
eines  Individuums  entsprungen  wären? 

Die  vorgebrachten  Gründe  sind  für  mich  ausreichend ,  um  die  von 
beiden  vorerwähnten  Gelehrten  vertretene  Ansicht  nicht  anzunehmen. 
An  die  Einheit  des  Verfassers  betreffs  beider  Legenden  glaube  ich  zu- 
nächst noch  nicht.  Die  bisherige,  zu  Gunsten  dieser  Ansicht  vorgebrachte 
Beweisführung  konnte  mich  in  der  entgegengesetzten  Ansicht  nicht 
schwankend  machen.  Selbstverständlich  ist  damit  nicht  gesagt,  dass 
nicht  wenigstens  eine  von  den  beiden  Legenden  von  Klemens  ver- 
fasst  sein  könnte.  Ob  und  welche,  darauf  kann  ich  nicht  eingehen. 
Mir  scheint  es  nothwendig,  zunächst  die  Werke  Klemens'  genau  zu  ken- 
nen, was  zur  Zeit  noch  kaum  möglich  ist,  da  sehr  viele  Texte,  die  man 
glaubt  ihm  zuschreiben   zu  müssen,   noch   nicht   herausgegeben  sind. 


394  V.  Jagic, 

Schon  jetzt  z.  B.,  so  weit  ich  die  mit  handschriftlicher  Beglaubigung  dem 
Klemens  zugeschriebenen  Reden  und  Lobreden  kenne,  finde  ich  die  den 
beiden  Glaubenslehrern  gewidmete  Lobrede  (bei  Bodjanskij  ^.Temu 
1865  II)  durch  ihr  rhetorisches  Pathos  stark  abstechend  von  den  ge- 
wöhnlichen Leistungen  Klemens',  könnte  mich  auch  sehr  schwer  dazu 
entschliessen,  einen  solchen  Auszug  aus  den  beiden  Legenden,  wie  er 
hier  vorliegt,  Klemens  selbst  zuzuschreiben,  der  ja  doch  von  allen  den 
hier  erwähnten  und  nicht  erwähnten  Ereignissen  Zeuge  war.  Man  lobt 
ja  sonst  bei  Klemens  selbst  in  seinen  Lobreden  eine  gewisse  Schlichtheit 
der  Darstellung,  seine  Vorliebe  für  die  Einflechtung  belehrender  Citate 
aus  den  Evangelien  oder  Apostolus.  Man  vergleiche  damit  die  Ueber- 
treibungen  in  der  Charakteristik  der  Frömmigkeit  Method's  auf  S.  3 — 4 
Bod.,  oder  die  Hervorhebung  des  von  ihnen  gebrachten  Opfers  »np'fe- 

CEAkHHKa    B'KICTa    OTkMECTBa    CBOI€rC  H   npHllJkAblJ^<fV    Hd    3EMAI0 

ToyjKK>«,  oder  den  bombastischen  Vergleich  des  Bruderpaares  mit  Moses 
und  Aaron  auf  S.  5  Bod.  Hätte  Klemens  wirklich  verschmäht  die  Sprache, 
die  hier  mehrere  Male  nur  raS'KiK'K  HOß'K  heisst,  beim  Namen  zu  nen- 
nen? Hätte  ihn  das  rhetorische  Pathos  so  weit  hingerissen,  dass  er  beide 
Apostel  bei  den  Sarazenen  und  Chazaren  wirken  liess?  (S.  6  Bod.). 
Hätte  Klemens  in  seiner  Lobrede  übersehen  bei  der  Erwähnung  ihrer 
Reise  nach  Rom  der  Reliquien,  die  sie  nach  Rom  brachten,  zu  erwähnen? 
Hätte  er,  als  Verfasser  der  Vita  Cyrilli  (so  glauben  Vondräk  und  Lavrov), 
in  der  Lobrede  wirklich  von  den  Wundern,  die  am  Grabe  Cyrill's  vor 
sich  gingen,  gesprochen?  Hätte  er  es  unterlassen  zu  sagen,  dass  Papst 
Hadrian  Method  nach  Pannonien  schickte ,  während  es  in  der  Lobrede 
iraPlural  lautet:  cB/Ai|JktuE  TKt . .  yf^^o^Hia  Ha  ap\'HEnHCKC>nkTCBO. . 
RoycTHiiJa  H  Ha  CTpaHki  caOB'^HkCK'kira?  Hätte  Klemens,  der 
nach  der  Auffassung  Vondräk's  und  Lavrov's  die  Method-Legende  ver- 
fasste,  wirklich  unterlassen  der  Verfolgungen,  denen  er  in  Pannonien 
ausgesetzt  war,  Erwähnung  zu  thun?  Hätte  er  von  seiner  aus  Rom 
direkt  nach  Mähren  erfolgten  Ankunft  wirklich  in  dem  Tone  gesprochen, 
als  wäre  er  noch  nie  daselbst  gewesen  ?  (S.  8  Bod.).  Nein,  mir  geht  das 
nicht  in  den  Kopf.  Da  muss  ich  schon  sagen,  dass  die  Lobrede  auf 
Cyrill  allein,  die  Klemens  als  den  Verfasser  führt,  einen  ganz  anderen 
Ton  zeigt.  Keine  solche  Uebertreibungen ,  keine  Wunder,  direkte 
Nennung  des  caoB'KHkCKk  i€3kiKk  (drei  Mal),  einmal  selbst  MOi€MO\' 

leSklKOlf- 

Ich  überlasse  diese  Bemerkungen  dem  Urtheil  der  Mitforscher,  sie 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens.     395 

mögen  dieselben  neben  ihren  Parallelen  in  die  Wagscbale  legen  und 
prüfen,  ob  sie  soviel  Gewicht  haben,  um  zunächst  die  beiden  Legenden, 
dann  aber  auch  die  beiden  Lobreden  von  einander  zu  trennen. 

II. 

Hat  Bischof  Klemens  für  eine  seiner  Homilieu  den  Text 
des  Freisinger  Denkmals  vor  Augen  gehabt? 

Diese  Frage  ist  alt.  Sie  fällt  schon  in  die  erste  Periode  der  slavi- 
schen Philologie,  da  noch  Männer,  wie  Dobrovsky,  Kopitar,  Vostokov, 
Koppen,  Undolskij  das  grosse  Wort  führten.  Sie  wurde  von  Vostokov  in 
seiner  Ausgabe  der  Freisinger  Fragmente  auf  die  Tagesordnung  gesetzt 
(1827).  Später,  in  der  nächsten  Periode,  war  sie  von  Sreznevskij  und 
Miklosich,  dem  letzteren  zu  wiederholten  Malen,  zur  Sprache  gebracht. 
Die  jetzt  lebende  Generation  hat  ihr  ebenfalls  ihre  Aufmerksamkeit  ge- 
schenkt, ja  sogar  viel  eingehender,  als  es  früher  der  Fall  war.  Den 
Bischof  Klemens  und  seine  literarische  Wirksamkeit  ans  Licht  zu  bringen, 
dieses  Verdienst  gebührt  nach  den  gestörten  Versuchen  Undolskij 's  in 
neuerer  Zeit  Prof.  Lavrov.  Kritisch  sucht  in  die  einzelnen  Fragen  ein- 
zudringen Prof.  Vondräk.  Der  an  die  Spitze  dieser  Zeilen  gesetzten 
Frage  trat  er  nahe  schon  in  seiner  Ausgabe  der  Freisinger  Denkmäler 
(1896).  Doch  die  damals  von  ihm  gewonneneu  Resultate  erlitten  bei 
dem  erneuerten  tieferen  Studium  der  Werke  Klemens',  soweit  sie  ihm 
bekannt  und  zugänglich  waren,  eine  wesentliche  Modifikation,  die  in  der 
Schrift  »Studie  z  oboru  cirkevneslovansk^ho  pisemnictvi«  (v  Praze 
1903,  auf  S.  5 — 22)  niedergelegt  ist.  Ich  setze  die  Geschichte  der 
ganzen  Frage  als  bekannt  voraus.  Wer  sie  in  seinem  Gedächtniss  kurz 
rekapituliren  will,  findet  das  Wichtigste  bei  Vondräk  gesagt.  Wenn  ich 
mir  erlaube,  nochmals  auf  diese  Frage  zu  kommen,  veranlasst  durch  die 
vorausgehende  kritische  Besprechung  Lavrov's,  so  geschieht  es  darum, 
weil  ich,  vor  die  Wahl  zwischen  der  früheren  und  jetzigen  Ansicht  Prof. 
Vondräk's  gestellt,  offen  gestehen  muss,  dass  ich  mich  von  der  Richtig- 
keit der  für  seine  neueste  Ansicht,  nach  welcher  Klemens  für  seine  Ho- 
milie  auf  einen  Märtyrer  geradezu  den  Text  des  erhaltenen  Freisinger 
Denkmals  vor  Augen  gehabt  und  benutzt  habe,  beigebrachten  Beweise 
nicht  habe  überzeugen  können  und  noch  immer  seine  frühere  Ansicht 
vorziehe,  die  ich  jetzt  so  auffasse,  dass  bei  unverkennbarer  Zusammen- 
gehörigkeit einzelner  (nicht  vieler)  Stellen  der  Homilie  und  des  Freisinger 


396  V.  Jagic, 

Denkmals  das  sie  verknüpfende  Band  in  einer  dritten  Vorlage  zu  suchen 
sei,  die  wir  nicht  kennen.  Sie  kann,  muss  aber  nicht  in  slavischer 
Sprache  vorhanden  gewesen  sein.  Prof.  Vondräk  hat  mit  grosser  Evi- 
denz dargethan,  dass  einige  Gedanken,  die  in  der  Homilie  und  dem 
Freisinger  Denkmal  gleichmässig  wiederkehren,  aus  dem  Bereich  der 
Beichtgebete  und  Beichtformeln  geflossen  sind.  Als  solche  haben  sie 
sich  besser,  d.  h.  ursprünglicher  in  dem  Freisinger  Text  erhalten,  als  in 
der  freien  Benutzung  dieses  Materials  für  eine  Homilie  seitens  Klemens'. 
Das  Freisinger  Denkmal  liefert  uns  sozusagen  das  rohe  Material,  die 
Homilie  dagegen  stellt  die  mit  einiger  Benutzung  eines  derartigen  Ma- 
terials zu  Stande  gekommene  literarische  Leistung  dar.  So  weit  gehen, 
glaub'  ich,  unsere  Ansichten  parallel  miteinander.  Doch  während  ich 
noch  in  der  Schrift  »Zur  Entstehungsgeschichte«  (11.54)  die  Frage  über 
das  gegenseitige  Verhältniss  zwischen  der  Homilie  und  dem  Freisinger 
Text  als  »noch  nicht  endgiltig  aufgeklärt«  hinstellte,  geht  jetzt  Prof. 
Vondräk  einen  Schritt  weiter  und  sucht  den  Beweis  zu  führen,  dass 
Klemens  geradezu  das  Freisinger  Denkmal  gekannt  und  einzelne  Ge- 
danken aus  demselben  für  seine  Homilie  verwerthet  habe  (S.  9).  Gegen 
diese  Beweisführung  sind  meine  unten  folgenden  Einwendungen  und 
Bedenken  gerichtet.  Fangen  wir  mit  dem  Freisinger  Text  an.  Ueber 
den  Zusammenhang  einzelner  Theile  desselben  zueinander  äussert  sich 
Prof.  Vondräk  dahin,  dass  bis  zur  Zeile  66  das  Ganze  eine  Einheit  bildet 
(S.  9),  und  zwar  denkt  er  sich  diese  Einheit  so  vollständig  durchgeführt, 
dass  er  nicht  nur  nichts  vermisst,  sondern  sogar  alles,  was  darüber  hinaus 
anderswo  (also  im  gegebenen  Falle  in  der  Homilie  Klemens')  vorkommt, 
als  eine  nachträgliche,  nicht  zur  Sache  gehörige  Erweiterung  beurtheilt. 
Ja,  er  geht  noch  weiter  und,  die  Homilie  Klemens'  mit  dem  Massstab 
eines  Beichtgebetes  oder  einer  Beichtformel  beurtheilend,  erklärt  er  sie 
für  eine  schwache  Kompilation,  in  welcher  Klemens  seine  eigenen  Ge- 
danken mit  jenen,  die  er  dem  Freisinger  Denkmal  entnahm,  gar  nicht 
in  richtigen,  befriedigenden  Zusammenhang  zu  bringen  verstand.  In 
dieser  Verurtheilung  Klemens'  kann  ich  dem  Verfasser  dieser  kritischen 
Studie  nicht  beistimmen,  und  nach  den  Gründen  mich  umsehend,  die  ihn 
veranlassen  konnten,  diesen  extremen  Standpunkt  einzunehmen,  erkläre 
ich  mir  das  dem  Klemens  zugefügte  Unrecht  als  eine  nicht  aus  der 
Sache  selbst  sich  ergebende,  sondern  durch  die  unrichtige  Voraussetzung 
dem  Verfasser  aufgenöthigte  Schlussfolgerung.  Das  ttqCotov  tpevöog^ 
wenn  ich  mich  so  ausdrücken  darf,  liegt  in  dem  obersten  Grundsatz, 


I 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens.     397 

den  Prof.  Vondräk  aufstellt,  indem  er  die  Ziele  einer  Homilie  mit  denen 
eines  Beichtgebetes  identificirt,  Klemens  habe  gerade  den  im  Freisinger 
Denkmal  erhaltenen  slavischen  Text  vor  sich  gehabt.  Dem  gegenüber 
könnte  ich  zunächst  ganz  allgemein  fragen,  wie  soll  man  diese  Behaup- 
tung (S.  18)  mit  den  vielen  und  wesentlichen  Abweichungen  zwischen 
dem  Text  nach  der  Redaktion  des  Freisinger  Denkmals  und  nach  der 
Homilie  in  Einklang  bringen?  Selbst  an  den  wenigen  Stellen,  wo  in 
beiden  Texten  der  gleiche  Gedanke  zum  Ausdruck  kommt,  ist  die  voll- 
ständige Uebereiustimmung  so  geringfügig,  sie  fällt  gegenüber  den  Ab- 
weichungen so  schwach  ins  Gewicht,  dass  der  Glaube  an  eine  unmittel- 
bare Entlehnung  überall  eher  auf  Widerspruch  stossen  als  Billigung  finden 
wird.  Ja  selbst  Prof.  Vondräk  entschlüpfte  einmal  (auf  S.  13)  die  Be- 
merkung, dass  der  Freisinger  Text  an  einer  bestimmten  Stelle  (wo  es 
sich  um  die  Aufzählung  der  menschlichen  Sünden  handelt)  einst  viel- 
leicht ausführlicher  lautete  als  jetzt.  Offenbar  fühlte  er  gerade  an  dieser 
Stelle  (sie  ist  aber  nicht  die  einzige)  den  Abstand  zwischen  den  beiden 
Texten  und  die  Unmöglichkeit,  den  einen  unmittelbar  aus  dem  anderen 
abzuleiten,  so  stark,  dass  er  durch  seine  unerweisliche  Annahme  der 
später  im  Freisinger  Text  vorgenommenen  Auslassungen  eine  Brücke 
zum  leichteren  Uebergang  von  dem  einen  Texte  zum  anderen  schlagen 
wollte.  Wenn  jedoch  Bischof  Klemens  wirklich  ein  so  schwacher  Kom- 
pilator  war,  dass  er  nach  der  Annahme  Vondräk's  nicht  einmal  in  be- 
friedigender Weise  seine  eigenen  mit  den  aus  einem  fertig  vorgelegenen 
Denkmal  entlehnten  Gedanken  zu  verknüpfen  verstand,  so  müssen  wir 
erstaunt  fragen,  warum  er  aus  einer  ihm  vorgelegenen  Quelle  überhaupt 
so  wenig  entlehnte  und  auch  das  angeblich  Entlehnte  statt  es  in  wört- 
licher Wiedergabe  zu  lassen,  durch  verschiedene  Aenderungen  im  Aus- 
druck, durch  Auslassungen  oder  Zusätze,  fast  unkenntlich  gemacht  hat. 
Wozu  diese  doppelte  Erschwerung  der  Aufgabe  ?  Doch  gehen  wir  zu 
Einzelheiten  über. 

Prof.  Vondräk  findet  gleich  an  dem  Anfang  der  Homilie  Anstoss, 
namentlich  an  gewissen  Wendungen,  die  er  als  Beweis  der  schriftstelle- 
rischen Minderwerthigkeit  Klemens'  hinstellt.  Ich  vermag  ihm  in  dem 
Vorwurf  gegen  die  Einleitung  der  Homilie  nicht  zu  folgen.  War  es  etwa 
unstatthaft,  einige  Gedanken,  die  Klemens  vielleicht  aus  irgend  einem 
Beichtgebet  oder  einer  Beichtformel  in  Erinnerung  hatte,  bei  einer  Ho- 
milie zu  verwerthen?  Oder  sollen  wir  alle  Zusätze,  die  vielleicht  in 
einer  seinem  Gedächtniss  eingeprägten  Beichtformel  nicht  vorkamen, 


398  V.  Jagic, 

die  er  aber  zur  weiteren  Ausführung  seiner  Gedanken  oder  als  Aus- 
gangspunkt seiner  Betrachtungen  nöthig  hatte,  schon  darum  für  verfehlt 
ansehen?  Sehen  wir  uns  zuerst  den  Anfang  des  Freisinger  Textes  an. 
Dieser  beginnt  eigentlich  ohne  richtigen  Anfang,  fällt  gleich  in  medias 
res :  Hätte  Adam  nicht  gesündigt,  so  würde  ihm  ein  ewiges  Leben,  ohne 
Kummer,  ohne  Leid,  ohne  Tod  beschieden  gewesen  sein.  Da  er  aber 
durch  den  Neid  des  Teufels  aus  dem  Paradies  vertrieben  wurde,  kamen 
über  ihn  und  durch  ihn  über  das  ganze  Menschengeschlecht  Sorgen, 
Leiden  und  Tod.  Dieser  Gedanke  eignete  sich  allerdings  zur  Verwen- 
dung bei  verschiedenen  Gebeten  und  Mahnungen,  man  muss  aber  zu- 
geben, dass  er  in  dem  Freisinger  Denkmal  ohne  jede  Einleitung  ganz 
ex  abrupto  beginnt  und  was  noch  merkwürdiger  ist,  die  darauf  folgende 
Auseinandersetzung  keinen  glatten  und  befriedigenden  Zusammenhang 
mit  dem  Vorausgehenden  bildet.  Denn  wir  lesen  gleich  weiter:  Und 
wieder  wollen  wir  Brüder  dessen  eingedenk  sein,  dass  wir 
Kinder  Gottes  genannt  werden,  U.S.W.  Was  bedeutet  hier  und  wieder? 
warum  steht  erst  hier  bei  dem  und  wieder  die  Anrede  »Brüder«? 
Sieht  diese  Fortsetzung  nicht  so  aus,  als  würde  diesem  zweiten  und 
wieder  ein  früheres  »Brüder  vergessen  wir  nicht«  oder  etwas  der- 
artiges vorausgegangen  sein  ?  So  unbefriedigend  lautet  also  der  Anfang 
und  die  unmittelbare  Fortsetzung  davon  in  dem  Freisinger  Denkmal. 
Ganz  anders  steht  die  Sache  in  der  Homilie  Klemens'.  Er  beginnt  mit 
dem  Gedanken,  dass  Gott  immerdar  das  Heil  der  Menschen  wünsche, 
sie  in  das  Himmelreich  rufe,  indem  er  ihnen  befiehlt,  sich  von  jedem 
Makel  fernzuhalten,  reines  Leben  zu  führen,  um  des  Himmelreiches 
theilhaftig  zu  werden,  dessen  sie  durch  die  Uebertretung  des  Gebotes 
Gottes  verlustig  wurden.  Dieses  Gebot  war  nämlich  Adam  dem  Urahnen 
der  Menschen  im  Paradies  auferlegt,  damit  er  Enthaltsamkeit  übe. 
Hätte  er  das  Gebot  befolgt,  so  würde  er  ewig  leben  u.  s.  w.  Allein  der 
Neid  des  Teufels  verführte  ihn  zur  Unenthaltsamkeit,  wofür  jetzt  das 
Menschengeschlecht  büssen  muss.  Ich  finde  diesen  Gedankengang  klar 
und  befriedigend  ausgedrückt.  Mit  den  Anfangsworten  npHCHO  >Kd^ara 
cnacEHHid  Hamero  lässt  sich  vergleichen  der  gleiche  Anfang  der  Rede 
auf  Pfingsten  (Stoj.  VHI  1):  npHCHO  w>KH^ai€H  Kork  cnacfHHra  Ha- 
luero.  Vergl.  noch  dieselbe  Wendung,  wenn  auch  nicht  am  Anfang: 
OJKH^aie  Haiufro  cnac^Hia  (Stoj.XXIL  13)  und  ctJKH;i,aeTk  Hamtro 
cnacEHia  (Stoj.  XXI.  24).  Auch  die  Wendung  npH3'Kißai€Tb.  htj 
Klk  B'bHkHOie  HCBECHOE  i^apkCTBO  hat  ihre  Anklänge  bei  Klemens: 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens.     399 

BivM'Haro   i;apkCTRHrd   j\^a  aoctohnh    boya^i^»^   (Stoj.  VIII.  74). 

Mit  anderen  Worten  ausgedrückt  kehrt  der  Gedanke,  dass  die  Menschen 
des  Paradieses  und  paradiesischen  Lebens  durch  Adam  verlustig  wur- 
den, auch  sonst  wieder.  Man  vergl.  bei  Popov  (in  dem  Katalog  Chlu- 
dov's)  388:  paHCKO»€  jkhthh-,  h3  HtroJKf  Hcna^i»  np'k,\'k/k,k  Hauik 
a^aMk  oder  Stoj.  V.  45 — 47:  i€>K«  CTKopH  npa^'t^A'^  aA^Mh.  Bb 
paH  ji,ßtßAC  AP'lißH'^»^  K*^  CH'kAHK»  K-RyoMk  HcnaAH  HC  no- 
pOAi^-  Wer  nicht  wüsste,  dass  der  zweite  Absatz  der  Einleitung  mit 
dem  Freisinger  Denkmal  sehr  nahe  sich  berührt ,  würde  nie  in  Ver- 
suchung kommen,  zwischen  diesen  zwei  Hälften  der  Einleitung  irgend 
ein  Missverhältniss  zu  finden.  Selbst  wenn  bewiesen  werden  könnte, 
dass  Klemens  den  Gedanken  von  Adam's  Sündenfall  wirklich  gerade 
aus  dem  Freisinger  Denkmal  entlehnt  hat,  was  ich  in  Abrede  stelle 
auch  dann  müsste  man  wohl  zugeben,  dass  er  diesen  aus  einer  fremden 
Quelle  geschöpften  Gedanken  vortrefflich  für  seine  Einleitung  zu  ver- 
werthen  und  in  den  richtigen  Zusammenhang  mit  den  vorausgeschickten 
Worten  zu  bringen  verstand.  Worüber  sich  Prof.  Vondrak  wundert, 
nämlich  dass  die  Zuhörer  mit  Adam  identificirt  werden  (h3  HfrO/Kf 
HcnaAOJCOMTk  sanoß'SAk  bo^khio  npfCTO^nAkLU«),  das  sollte  doch 
wohl  keinen  Anstoss  bilden,  da  ja  Adam  als  npa^'^A'^  des  Menschen- 
geschlechtes nach  der  bekannten  Erbsünde  mit  diesem  auf  gleiche  Linie 
gestellt  wird  (S.  10).  Ich  wenigstens  finde  darin  keine  Uebertreibung, 
keine  den  Zuhörern  Klemens'  zugefügte  Beleidigung  !  Zumal  der  Red- 
ner gleich  darauf  die  Erklärung  anschliesst,  dass  diese  Uebertretung 
des  Gebotes  Gottes  seitens  des  Menschengeschlechtes  durch  Adam 
geschah. 

Nun  folgt  der  Absatz,  der  mit  dem  Freisinger  Denkmal  sich  be- 
rtihrt.  Um  die  Ansicht,  dass  Klemens  gerade  aus  dem  Freisinger  Text 
seine  Darstellung  geschöpft,  in  Bezug  auf  ihre  Wahrscheinlichkeit  zu 
prüfen,  stellen  wir  die  beiden  Stellen  nebeneinander: 


Preis.  Text: 

Ecce  bi  detd  naf  nezegrefil  be 
vueki  gemu  be  fiti  ftarofti  ne  pri- 
gemlioki,  nikolige  fe  petfali  ne 
imugi,  ni  flzna  telefe  imoki,  nu  u 
vueki  gemu  be  fiti.  Bonefe  za- 
vuiztiu    bui    nepriazninu    uvignan 


Klem.  Hom. : 
Üijje  KO  Bki  K»  (sc.  sanoBliA'» 

KOJKHK»)  C'KYpaHHA'kfsC.aAaM'K), 
TO  Ell  B-RKId  l€MOy  KTvIAO  >KH- 
THI€    BfC    ntHaAH    H    K(-CMKpTH, 

cTapocTH  Hf  npHieMawijie  hh 
CAkSkHa      A'^^**     (var.    T'RAa) 


400 


V.  Jagic, 


od  fzlauui  bofige,  po  tom  na  na- 
rod  zlovuezki  ftrazti  i  petzali 
boido  ne  i  moki  i  bz  zredu  ze- 
mirt. 


HMOYHJf.  Hl».  SdBHCTHK)  Ji,ha- 
BOAieiO  (D/\0\'MH  C/Ä  iC  CAdB'KI 
BOKHtd      HfB'K3At^P^<^HHI<l    ^-fe- 

Ara,    (D   TOA'k    Hdna^OLua    ha 

P'^A'^  MAOßtMkCKTvlH  H  nEHdAH 
H  CTpdCTH  H  CMkpTIi,  HptMH- 
HOyiOLpd    JKHTHI€    HAOßtHkCKO. 


Ein  gedanklicher  Zusammenhang  zwischen  diesen  zwei  Texten  ist 
unverkennbar.  Allein  schon  ein  schnelles,  unmittelbares  Durchlesen 
nacheinander  der  beiden  Parallelen  erzeugt  den  Eindruck  nicht  einer 
unmittelbaren  Entlehnung,  sondern  eher  einer  Anlehnung  an  irgend  eine 
dritte  Vorlage.  Im  Wortlaut  decken  sich  eigentlich  nur  zwei  Phrasen. 
Zuerst  CTdpocTH  H(  npHi€MANM{je  und  starosti  ne  prijemljoci.  Ist 
aber  diese  Phrase  in  der  Wahl  der  Ausdrücke  so  eigenthümlich,  dass 
sie  nicht  in  zwei  verschiedenen  Texten,  die  denselben  Gedanken,  nach 
irgend  einer  dritten  Vorlage,  wiederzugeben  hatten,  unabhängig  von- 
einander hätte  entstehen  können  ?  Muss  die  Phrase  Klemens'  gerade 
aus  dem  Freisinger  Denkmal  geschöpft  sein?  Was  kann  es  doch  ein- 
facheres geben,  als  das  Verbum  npHi€MAKR  mit  einem  Objekt  dazu,  im 
gegebenen  Falle  CTapocTK?  Ich  fand  zur  Probe  in  dem  Codex  su- 
prasliensis  neben  verschiedenen  anderen  bei  diesem  Verbum  noch  fol- 
gende Objekte:  CAOyjKkKÄ^  (192.210),  CATümaHHie  (206),  CpkBAHHie 
(217),  CkHTi.  (201),  TH'tß'K  (303),  Hap;f^rdHkra  (445),  A'^caJKA«""'^ 
(185),  hhujtct;?»  (251),  ocrpocTk  (383)  u.  s.  w.  Klemens  spricht  an 
einer  Stelle  von  Adam,  dass  er  HCTA'feHHie  npHi€Th.  (Stoj.  V,  25). 
Wenn  Prof.  Vondräk  den  formalen  Unterschied  zwischen  der  Phrase 
der  Homilie  (auf-to^Jt)  und  des  Freisinger  Textes  (auf -ki  =  ci)  auf 
das  Substantiv  >Khthi€  (angeblich  störend  statt  des  Infinitivs  JKHTh) 
zurückführt,  so  möchte  ich  das  nicht  so  erklären.  Ich  glaube,  dass  für 
die  Wahl  der  Participialform  auf  -ipi  die  Form  des  vorausgehenden 
Wortes,  ob  HxHTh  oder  h;hthi€,  ziemlich  belanglos  war;  denn  für  die 
absolut  stehende  Participialform  npHi€MAi<M|ie  (die  sich  nicht  auf  >KH- 
THie,  sondern  auf  Adam  bezieht)  war  ausschlaggebend  der  Dativ  leiuoy 
des  logischen  Subjektes  im  vorausgehenden  Satz.  Die  Anwendung  des 
absoluten  Particips  auf  -i|J«  in  derartigen  Fällen  ist  bekannt.  Vergl. 
Miklosich  Syntax  S.  829.  Dagegen  möchte  Vondräk  selbst  die  Freisinger 
Form  auf -ki  (=  ci)  dem  kroatischen  Einfluss  zuschreiben  (S.  59),  also 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens.    401 

mit  anderen  Worten  er  gibt  zu,  dass  die  Vorlage  Klemens'  nicht  gerade 
so  gelautet  haben  muss,  wie  wir  es  im  Text  des  Freisinger  Denkmals 
lesen.  Nun  kommt  allerdings  in  diesem  Zusammenhang  noch  eine  zweite 
Phrase  vor,  die  in  beiden  Texten  gleichlautend  ist.  Das  sind  die  Worte 
»ni  slzna  telese  imoci«  und  hh  C/\K3i%Ha  TlvAa  (vi.  A'^Aa)  HMOifqiE. 
Hier  ist  die  Zufälligkeit  der  Uebereinstimmung  nicht  so  gross,  wie  im 
vorerwähnten  Falle.  Die  Phrase  ist  nicht  so  nahe  liegend,  dass  man  nicht 
geneigt  sein  könnte,  sie  aus  einer  einzigen  slavischen  Quelle  abzuleiten. 
Das  gebe  ich  gerne  zu.  Und  doch  ist  auch  hier  die  Möglichkeit  nicht 
ausgeschlossen,  dass  für  die  beiden  uns  vorliegenden  Texte  eine  dritte 
Vorlage,  sei  es  in  der  slavischen  Sprache,  sei  es  in  fremder  Fassung, 
die  Grundlage  bildete.  Denn  wollte  man  gerade  vom  Freisinger  Text 
als  der  unmittelbaren  Vorlage  ausgehen,  so  entsteht  wieder  die  Frage, 
warum  Klemens  einen  anderen,  zwischen  den  beiden  erwähnten  stehen- 
den Participialsatz  ausgelassen  hat  und  dafür  als  Zusatz  zu  JKHTHie 
die  Bestimmungen  Kfc  HfMaAH  und  Ef-cMpkTH  geschrieben.  Und  wenn 
jene  beiden  Anklänge  an  das  Freisinger  Denkmal  wirklich  direkt  aus 
demselben  in  seiner  slavischen,  uns  vorliegenden  Form  geschöpft  wären, 
wozu  hätte  Klemens  nöthig  gehabt,  im  weiteren  Verlauf  der  Erzählung 
eine  Reihe  von  Phrasen  ganz  anders  auszudrücken,  als  er  sie  in  seiner 
Vorlage  fand?  Im  Freisinger  Text  lesen  wir:  j)poneze  zavistiju  by 
(richtiger  wäre  byst,  ist  nicht  die  Form  by  für  K'KICT'K  auch  kroatischer 
Einfliiss?)  neprijazninu  vygnauff.  In  der  Homilie  lautet  derselbe  Ge- 
danke anders:  Hl».  saßHCTHK»  A'^'^ß^^A'^io  (üaoyHH  C/ä.  Selbst  wenn 
wir  annehmen,  dass  das  Adjektiv  ^kraßOAieK»  durch  spätere  Aende- 
rung  den  Ausdruck  HenpHiaSHHHOKt  ersetzt  hat,  immerhin  bleibt  das 
Verbum  CDaoyMH  CA  ohne  Vorbild  des  Freisinger  Textes,  weil  ßu- 
PHaHT».  leicht  durch  HsrHaH'k  ersetzt  werden  konnte.  Klemens  ge- 
braucht dieses  Verbum  öfters,  z.  B.  Stoj.  XXIII.  35:  js^A  hhktojkc  lü 
HACh  HSPHaHk  ßO^A^TK  Mp'kTora.  Für  die  ganze  von  Klemens  an- 
gewendete Phrase  gibt  uns  Cod.  suprasl.  eine  ganz  gleich  lautende  Pa- 
rallele (supr.  139.  15):  apHH  ßO  H  ßT».  h'kih'Sujkhhh  h  ßi».  ß;^^'^" 

UJTHH   ß'feK'K  Ji,A  ß;ixA<T'k  OT'KA;^HfH'k  OTTi  CAaßTÜ   ßOH^H/Ä.    Wie 

diese  Stelle  es  nicht  nöthig  hatte,  aus  dem  Freisinger  Denkmal  entlehnt 
zu  werden,  so  konnte  offenbar  auch  Klemens  seine  Phrase  gebrauchen, 
ohne  direkt  aus  dem  Freisinger  Text  zu  schöpfen,  um  dann  erst  zu  än- 
dern! Weiter  lesen  wir  im  Freisinger  Denkmal:  »po  tom  na  rod  (ich 
halte  na  narod  nur  für  eine  Verschreibung)  clovecki  strasti  i  pecali 

Archiv  für  slayische  Philologie.   XXVII.  .  26 


402  V.  Jagic, 

poidoc.  Die  Phrase  lautet  bei  Klemens  schöner:  ot'K  roAt  Hana- 
;i,ciUA  Ha  po^T^  MAOB'feHbCK'KiH  RfMaAM  H  CTpacTH.  Für  diese 
Ausdrucksweise  lag  schon  im  N.T.  vor:  h  CTpax"K  Hana^E  Ha-Hk 
(Luk.  1. 12)  oder  Hana^t  ha-hk  ci'JKacK  (Act.  X.  10),  Hana^c  Ha-HK 
TkMa  (Act.  XIII.  11)  oder  im  Psalter:  h  noHOUiCHHra  Hana;i,;f;  Ha 
M«Ä  (Ps.LXVUI.  10).  Das  weiter  folgende  will  schon  gar  nicht  zueinan- 
der stimmen.  Denn  im  Freisinger  Text  steht:  »ne  i  moki  i  bz  zredu 
zemirt«,  das  man  seit  Vostokov's  Einfall  »i  nemoci  i  bez  redu  (oder  be- 
credu)  s'Lmrtt«  zu  lesen  pflegt.  Klemens  gibt  dagegen  folgenden  Wort- 
laut:   »H  CklUipkTh.  nptlUlHHOV'KMpa  JKHTHie  HAOB'kHkCKO  «  (für  Hßt- 

lUiHHOYHMjJa  findet  man  in  anderen  Texten:  np'bM'tHraK>i4JH,  offenbar 
ist  np'tMHH0\fK^4JH  zu  lesen).  Prof.  Vondräk  wird  vielleicht  sagen, 
Klemens  habe  den  Freisinger  Text  nicht  verstanden  und  durch  etwas 
aus  eigenem  hinzugedachtes  ersetzt.  Es  ist  aber  anzunehmen,  dass  seine 
Vorlage  doch  nicht  so  unverständlich  war,  wie  der  uns  erhaltene  Text 
—  Prof.  Vondräk  gibt  ja  selbst  an  einer  Stelle  für  den  Freisinger  Text 
Auslassungen  zu  — ,  folglich  bleibt  viel  wahrscheinlicher  die  Annahme, 
dass  Klemens  auch  hier  irgend  eine  dritte  Quelle  vorgeschwebt  hat,  die 
er  aus  seiner  Vertrautheit  mit  allerlei  Texten  (der  Bibel  und  anderer 
belehrenden  Werke)  kannte.  Um  auch  über  den  Wortlaut  des  Freisinger 
Textes  einiges  zu  sagen,  will  ich  bemerken,  dass  mich  die  auch  von 
Prof.  Vondräk  angenommene  Lesart  «strasti  i  pecali  i  nemoci  i  bez  redu 
stmrtbcc  nicht  befriedigt.  Ich  will  dahingestellt  sein  lassen,  ob  nach 
»strasti  i  pecali(f  (bei  Klemens  besser  nfMaaH  =  seelische  Leiden, 
H  CTpaCTH  =  körperliche  Leiden)  auch  noch  »i  nemoci«  am  Platze  ist 
(HCMOLpk  bedeutet  uoS-eveia,  im  Gegensatz  zu  CH/\a,  vergl.  Kor.i  XV. 
43:  ckieTK  C/Ä  bt».  hcmc>l|jh,  B'kCTaieTk  b'k  chaov;).  Allein  was 
soll  »bez  redu«  oder  »be-credu«  s^mrLtb  besagen?  Ich  glaube,  man 
erwartet  vielmehr,  dass  nach  allen  anderen  Leiden  «an  der  Reihe«  oder 
»in  der  Reihe«  der  Tod  erfolgen  soll.  Darum  möchte  ich  in  »bzzredu« 
eher  einen  Akkusativ  »v  credu(f  in  der  Bedeutung  -/.ad-e^i^g  vermuthen. 
Noch  etwas  über  einige  von  diesen  Phrasen.  Ob  CAkBiiHa  T'Kaa 
oder  CAKSkHa  A?^'^**  für  ^as  ursprüngliche  zu  halten  sei,  darüber  kön- 
nen die  Ansichten  auseinandergehen,  nur  so  viel  steht  fest,  dass  nur 
eine  Lesart  richtig  sein  kann.  Ich  hatte  anfänglich  der  Lesart  CAkSiiHa 
yk.'kAa  den  Vorzug  eingeräumt,  weil  in  dem  ältesten  cyrillischen  Text 
(vor  1200)  so  zu  lesen  ist.  Für  die  Wendung  mit  A'^'^*^  schwebten  mir 
solche  Beispiele  vor,  wie  Rom.  XIII.  12:  A**^'^^  TbIUltkHara   {ra  e^ya 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens.     403 

Tov  G'KÖTOvg)  oder  Gal.  V.  19:  ^tAa  nAivTkCKara  [ra  tqya  rfjg  oaq- 
y.ög).  Allein  in  einem  dem  Klemens  zugeschriebenen  Text  (Hsb.  IX.  3. 
S.  21S)  finde  ich  eine  Parallele,  die  mir  für  die  Phrase  CAkSkHa  T-kaa 
(resp.T'SAfCf)  zu  sprechen  scheint :  Cü  TOA'k  BKiCTk  t1vA0  cf  Haiuf 
CATskSHO  H  crapocTH  iiOßHHiiHO.  Es  ist  auch  hier  gerade  von  dem 
Sündenfall  des  ersten  Menschen  die  Rede.  Man  sieht,  dass  Klemens  die 
Phrase  geläufig  war,  ohne  gerade  in  einen  Text  als  Vorlage  Einblick 
thun  zu  müssen.  Für  das  Adjektiv  CAkSi^H'k  haben  wir  noch  eine  Pa- 
rallele im  Psalm  LXXIX.  6 :  HaTpoK«iiJH  hij  Y^iliKa  CAhSkHa,  vergl. 
auch  Supr.  209:  CAkSlkH'KiH  A'^P'^-  —  Die  Zusätze  in  der  Homilie 
Kfc  nfMaAH  H  Ke-CkiuipkTH  zu  dem  Substantiv  jkhthi€  —  die  in  dem 
Freisinger  Text  nicht  vorkommen  —  enthalten  richtige  Gradation  und 
erinnern  an  solche  Stellen  des  N.  T.  wie:  npHCKp'KEkHa  iCT\s.  ^oyiua 
MO-k  x»^  C'KMpi^TH  (Matth.  XXVI.  38,  Mark.  XIV.  34)  oder  Kor.2  VII. 
10:  c«ro  lUiHpa  nenaAi^  CkMpkTk  c'k;i,'SKai€Tk,  oder  im  A.T.  Sirach 
XXXVIII.  18:  OTTv  RfMaAH  KO  CkMpkTk  KTüBaiCTk  (vergl.  auch 
Jon.  IV.  9).  —  Der  Gedanke,  dass  durch  den  Neid  des  Teufels  der  Tod 
über  das  Menschengeschlecht  kam,  steht  schon  in  der  Weisheit  Salomos, 
wo  man  IL  24  liest:  saßHCTHK«  :k£  ;i,HraßOAnc»  CKMpkTk  bii.hhac 
B'k  MHpTi.  Klemens  spricht  ihn  zu  wiederholten  Malen  aus.  Il3B.  IX. 
3.  217  liest  man  vom  Teufel,  dass  er  Adam  »CTBOpH  npecTC»\'nHHKa 
3aBHCTHic»(f.  —  Endlich  will  ich  noch  auf  ein  Zeugniss  vernünftiger 
Selbständigkeit  Klemens'  seinen  wirklichen  oder  angeblichen  Vorlagen 
gegenüber  hinweisen.  Nach  seiner  Darstellung  war  Adam  im  Paradies 
die  eyKQärEia  (B'kSApkJKaHHie)  anbefohlen  worden  —  das  Freisinger 
Denkmal  erzählt  nichts  davon.  —  Bei  der  Erwähnung  der  Folgen  des 
Sündenfalls  wird  ganz  folgerichtig  als  das  Gegentheil  von  dem  voraus- 
gegangenen Gebot  die  a/.Qaoia  (HfB'K3APi^>KaHHi€)  hervorgehoben. 
Das  Wort  BT^s^pi^^KaHHie  und  das  Verbum  B'kSAP'^JKaTH  CA  be- 
gegnet bei  Klemens  recht  oft. 

So  sieht  der  angeblich  direkt  aus  dem  Freisinger  Denkmal  ent- 
lehnte Absatz  der  Homilie  aus.  Man  wird  doch  zugeben  müssen,  dass 
die  Summe  der  Abweichungen  die  wenigen  üebereinstimmungen  stark 
überwiegt. 

Nun  folgt  aber  in  der  Homilie  Klemens'  eine,  wie  ich  glaube,  gut 
angeknüpfte  Fortsetzung.  Sie  besagt,  dass  heilige  und  gerechte  Männer, 
mit  dem  Schilde  des  heiligen  Glaubens  den  Feind  bekämpfend  und 
niederringend,  zurück  in  das  Paradies,  d.  h.  Himmelreich,  einzutreten 

26* 


404  V.  Jagic, 

bestrebt  sind  und  auch  wirklich  eintreten,  ausgerüstet  mit  guten  Werken, 
die  hiesige  trügerische  Welt,  die  wie  ein  Schatten  vorübergeht,  als  etwas 
nichtswerthes  ansehend.  So  mögen  denn  auch  die  vorausgesetzten  Zu- 
hörer der  Homilie  Klemens'  thun,  entsagend  den  Gelüsten  des  Lebens, 
wie  sie  es  vor  vielen  Zeugen  bei  der  durch  die  Taufe  erfolgten  Wieder- 
geburt gelobt  hatten.  Diese  ganze  Reihe  von  Gedanken  stellte  Klemens 
aus  seiner  Vertrautheit  mit  der  heil.  Schrift  und  der  Lehre  Christi  zu- 
sammen. Irgend  welche  Schwierigkeit  bei  der  Verknüpfung  derselben 
lässt  er  uns  nicht  merken,  trotzdem  er  in  seinem  angeblichen  Vorbilde, 
dem  Freisinger  Denkmal,  keine  Stütze  mehr  dafür  hatte.  Eine  kurze 
Analyse  dieser  Gedanken  wird  uns  zeigen,  dass  er  selbst  manches  davon 
auch  anderswo  ausgesprochen  oder  in  der  heil.  Schrift  die  Ausdrucks- 
weise fertig  vorfand.  Dass  die  heiligen  und  gerechten  Männer  sich  nach 
dem  früheren  Ort,  dem  Paradies,  d.  h.  dem  Himmelreich,  zurücksehnen 
(TOro  M'RcTt>  ^KfAaKMjif  steht  in  der  Homilie),  das  entspricht  ganz 
dem  bei  Klemens  wiederholt  ausgesprochenen  Gedanken,  dass  die  Men- 
schen durch  Christus  »bk  npbBOie  M'Kcto«  zurückgebracht  wurden 
(Stoj.  n.  65,  XXIV.  62),  Der  Phrase  >  Kp-knKO  np-knoracaHa  sp-kCAa 
CBOra«  liegt  natürlich  der  Evangelientext  (Luk.  XII.  35)  zugrunde: 
k;i^^;^  Mp-SC/va  Baiua  np^bnc^racaHa.  Klemens  bedient  sich  auch  sonst 
des  Bildes,  z.B.  Stoj.III.  14:  luioyjK'cKH  nplinoracaB'iiJf  Mp-fecaa  cBcra 
BTiSAP^^^VMHieyk.  Unrichtig  ist  die  Lesart  der  Texte:  H  cpaHk 
npHHM'Kiuf  cB/äto\'K»  Blipov'.  Nicht  von  cpaHk  ist  hier  die  Rede, 
sondern  von  ifiMTik  oder  cpivHra.  Auch  dieses  Bild  war  ihm  aus  der 
heil.  Schrift  bekannt:  Ephes.  VI.  16:  npHHM'KiUE  ipHTT».  B'Kp'Ki  und 
noch  näher  Thess.^  V.  S:  OKA'KK'KiiJe  CA  Biv  Bp'KHbA  Blipiü.  Eine 
Paraphrase  davon  gebraucht  er  selbst  in  der  Lobrede  auf  40  Märtyrer 

(Il3B.  IIL    1106):    BT».    BpkHb    lUHiCTO    lVB/\kKbUJ£    Ci    B-fepOK»    H    B'k 

ijJHTa  lUl'ScTO  npkCTOlUk.  Die  späteren  Texte,  an  dem  Worte  cpaHk 
festhaltend,  entfernten  denAccusativ  CB/JVTC>yic>  Btipoi',  weil  er  störend 
war.  Zu  der  Phrase  A'^^^'W  A'^KpT^M'^'M  O^Kpauikiue  C/SV  kann  man 
aus  Klemens  selbst,  der  ja  fortwährend  auf  guten  Werken  besteht,  viele 
Parallelen  citiren,  z.  B.  Stoj.  XVn.  29:  ß-fepOK»  h  aWKOBiK»  hhctok» 
H  HEsaBHCTHOio  ^'^'^•^  ^OBpkiMH  o^Kpaiukiuf  C(,  bei  Popov  in 
MaTep.  XX.  73:  A*^KpoA'kT6/\kMH  o^KpaiUkiUE  CA,  Popov  im  Ka- 
talog Chludov's  392 :  A<^^P<^MH  ^-Raki  o^fKpamaKMpe  ce.  Das  trü- 
gerische Leben  wird  auch  sonst  bei  Klemens  »;hthi€  AkCTkHOie  ge- 
nannt, z.  B.  bei  Stojan.  XXIV.  108  :  /Khthi€  c(  akCTHOc  Rptsptme. 


i 


I 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens.    405 

Und  für  das  Verbum  h(  akcthm'K  ctKli  gibt  er  uns  eine  Parallele  Stoj. 
XXII.  103:  Hf  AüHHTf  C(  Kparif  h  h«  AkCTtTf  C(.  Der  Vergleich 
des  Lebens  mit  dem  Schatten  liegt  so  nahe,  dass  es  nicht  nothwendig 
erscheint,  an  Paralipomena  XXIX.  15  zu  erinnern:  Ai*M"i€  HaiUH  raKO 
ctHk  3fM/\H.  Für  die  Wendung  H(  E.'K;L,&HU'h.  C/ä  nox^OTKM'K  lag 
schon  im  N.T.  vor  Act.  XXVII.  15:  CkA^^ßT^UJ«  C/ä  KA-KHaMTi,  und 
Klemens  selbst  sagt  einmal:  MplißKHHM'  et  AdKOluikCTBCMk  BK/^ack 
(Stoj.  III.  205).  Die  no^'OTH  na'k.TkCK'KiWi  werden  schon  im  N.T. 
angeführt,  Klemens  gebraucht  den  Ausdruck  häufig,  so  bei  Popov 
(Chlud. Katalog) :  nakTkCKkiMyk  no^OT-KH,  Stoj.XXI.  19:  no\-OTkMH 
rp-fiYOBHkiHMH.  Bei  den  Worten:  hh;«  ko  m;hthk>  cfMO\f  K'kA'^C'^'* 
C/Ä,  TO  Bpar'K  BOJKHH  BTdBaieTk  konnte  Klemens  sich  einer  Stelle 
aus  dem  Briefe  des  Apostels  Jakob  erinnern  (IV.  4):  H/KC  BO  anie  H3- 

BOAHTk  ApOVri».  CBUTOY  CflUlOy  BTÜTH,   Bpar'K  BOJKHH   B'KlBatTk. 

Bei  der  Substantivirung  des  Abstraktums  HaroYß<»  zum  konkreten  na- 
rOYBkHHK'K  ;i,oyiiiH  cboi€H  erinnert  man  sich  unwillkürlich  der  Vor- 
liebe Klemens'  für  solche  Wendungen,  wo  konkrete  Substantive  in 
grosser  Zahl  angewendet  werden.  Vergl.  Stoj.  I.  181 — 188,  wo  es  von 
Lazarus  heisst:  rop^KkiH  nocpaM'HHKk,  CAaAi«^>^i^H  BkSAWBAfHk- 
HHKk,  npkBkiH  npooBpaskHHKk,  aHr«AOiuik  npHMfCTkHHKk,  rop'- 
KkiH  OBAHHkHHKk.    Oder  bei  Popov  (Chlud. Katal. 388):  MoyHHTeAk, 

BklCraBHTfAk,    paSAP'KlUHTtAk,    KOraTHTfAk,    npOCß'KTHTfAk, 

KptHHTfAk!  Auch  die  Wendung  Hi^  B'kcnpAHlvM'k  noH-fe  (CciA-k 
ist  bei  Klemens  sehr  beliebt,  man  vergl.  Stoj.  III.  241:  Hk  nOHt  \ß 
csAt  BkcnpeH-feT«,  HsB. IX.  3.225:  ho  noHt  (CcfAH  BOCnpAHfM'K, 
stoj.  XIII.  52:  His.  BTicnpfHeiuik  raKO  CC  C'KHA.  In  gleicher  Weise 
liefert  er  selbst  zu  dem  Satz:  He  AHiuaHHii.  ca  caiuioyothio  Hm3- 
/i.pEHCHkH'Kiid  CAaBTvi  EC»*/KH/Ä  folgende  naheliegende  Parallele  Stoj. 
IIL  239:  camoYOTHM»  AHiuaie  ce  iuihaocth  bo>khi€.  Ein  Lieblings- 
wort Klemens'  ist  das  Adjektiv  HfHSApe^fHkH'K  (im  N.T.  wendet  man 
HtHsrAaroAaHT»,  an).  Von  der  y\(H3j\,ße^(HhHAa  caaba  spricht  er 
nicht  bloss  in  dieser  Homilie,  sondern  auch  in  der  Lobrede  auf  40  Mär- 
tyrer (Il3B.  III.  1107):  B'kHku.k  HEH3p£HfHHkie  CAABki,  oderllsB.IX. 
3.  224:  CTk  caaBOK»  HEH3peMEHH0K>,  Popov  Maxep.  XX.  73:  HfH3pf- 
HtHntLH   caabU.     Es  kommen  aber   ausserdem  Hm3pfMfHHara  ßA- 

AOCTk,  TaHHa,  HfH3pfMfHHkIH  0\f7K.i\Clx,  TßimTls.,   H(H3Ji,ß(^(lHi0i 

BH;i,'kHHi€,  BpaiuHO,  HfH3peHfHHkiH  CB'KT'k  U.S.W,  vor.  Selbst  für 
das  nicht  häufige  Verbum  B'kCT/fvrH;f;TH  CA  (hti  BTiCTArHOVi|Jf  ca 


406  V.  Jagic, 

in  unserer  Homilie)  liefert  Klemens  selbst  eine  Parallele:  Stoj.  IV.  95: 
Hk  noHt:  CD  cfA'S  BkCTerH'ty^  ce  CC  3/\a.  Für  np'kAh.cTH  MHpa 
cero  sagt  er  anderswo  (Lavr.-Ünd.  13)  npjAiiCTH  /^.HraBOAhfv. 

Nach  dieser  längeren  Auseinandersetzung,  in  welcher  er  sich  ganz 
in  seinem  beliebten  Gedankenkreise  bewegte,  folgt  abermals  ein  Absatz, 
der  mit  dem  Freisinger  Denkmal  Berührungspunkte  zeigt,  ohne  sich  je- 
doch so  nahe  an  den  Wortlaut  desselben  anzulehnen,  dass  nicht  selbst 
Prof.  Vondräk  seine  Bedenken  gegen  die  unmittelbare  Entlehnung  des 
Textes  der  Homilie  aus  dem  Text  des  Freisinger  Denkmals  haben 
mtisste.  Die  Worte  OTpHU,aw  C/ä  cotohtü  h  rkcIvY'k  A'^'^'^  »^ro 
kommen  überhaupt  erst  in  einem  anderen  Fragment  des  Freisinger 
Denkmals,  und  zwar  in  anders  lautender  Form  vor,  während  das  von  Kle- 
mens angewandte  Verbum  c>TpHU,aK»  CA  schon  im  N.  T.  seine  Vorbilder 
hat:  Luc.  XIV.  33:  hjk«  he  OT'KpjHET'k  CA  Kbcero  cBOfro  hm'K- 
HHia,  U.S.W.  Es  entspricht  ganz  der  Redseligkeit  Klemens",  dass  er,  so- 
bald einmal  die  Werke  Satans  im  allgemeinen  berührt  wurden,  auf  die 
Aufzählung  derselben  näher  eingeht.  Wichtig  ist  dabei  nicht  so  sehr 
die  grössere  Anzahl  der  Ausdrücke  in  der  Homilie,  als  in  dem  Freisinger 
Text,  als  vielmehr  ihre  ganz  im  Sinne  der  griechischen  Wortbildung 
gebildete  Form,  durch  die  uns  Klemens  so  recht  anschaulich  als  ein 
griechisches  Geisteskind,  als  ein  in  dem  Rahmen  der  griechischen  rhe- 
torischen und  stilistischen  Regeln  stehender  Schriftsteller  entgegentritt. 
Für  seinen  Ausdruck  H^.CAOH^p'KTBHra  schwebte  ihm  aus  dem  N.  T. 
H^i^OAOJKp'KTBbHT».  odcr  H^CAO/KkpbU,k  vor.  Für  EparoHmaBH- 
;\'SHHra  lag  als  Vorbild  EpaTOAK>KHi€  sehr  nahe,  das  im  N.  T.  öfters 
begegnet  und  zwar  in  den  ältesten  Texten  gerade  in  dieser  Form,  die 
erst  später  dann  und  wann  durch  RpaTOAWBkCTBHie  ersetzt  wurde. 
Aus  der  gleichen  griechischen  Rüstkammer  ging  auch  rH'KBo;k,pkH;a- 
HHi€  hervor,  wozu  in  Antioch's  Pandekten  eine  Parallele  mit  der  grie- 
chischen Vorlage  }.ivi]OLy.cr/.la,  eine  zweite  in  der  Form  rH'KBO;k,p'KJKHl€ 
für  dasselbe  griechische  Originalwort  von  Amphilochius  beigebracht 
worden  ist.  Für  ;k,'KTOrov'KHi€  gibt  uns  Klemens  selbst  Stoj.  IX.  130 
einen  Beleg  in  der  Form  ;i,lJToroYKAfHHra,  und  für  cpaMOCAOBHie 
[alGXQoloyia]  liegt  eine  nahe  Parallele  in  Koloss.  III.  S  vor,  wo  neben 
TH'feB'K,  rapocTk,  3A0Ea,  ^^V'^'^"'^'^  ^^^^  cpaMOCACBHi€  begegnet. 
Bei  KAATBonp-ScTOV'nAfHHie  lag  das  Substantiv  KAATBonp'fe- 
CT;RnkHHK'k  Timoth.i  I.  10  vor;  wenn  das  letzte  Wort  für  L-tioQ/.og 
gut  war,  so  war  auch  das  erste  ganz  brauchbar  für  emoQy.ia.    Warum 


I 


I 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens.    407 

das  unrichtige  Uebersetzung  sein  soll  (Vondräk  11/12),  vermag  ich  nicht 
einzusehen.  Unter  der  Aufzählung  der  Sünden  (als  der  Werke  des 
Teufels)  findet  Vondräk  am  meisten  auffallend  (nejvice  je  näpadne)  den 
Ausdruck  n/\T».TH  OYroJK;i,eHHi€,  natürlich  darum,  weil  daneben  im 
Freisinger  Text  »pulti  ugongenige«  vorkommt.  War  es  aber  wirklich 
nothwendig,  um  diesen  Ausdruck  zu  gewinnen,  gerade  direkt  den  Frei- 
singer Text  zu  benutzen  ?  Konnte  Klemens  nicht  eben  so  gut  ha^kth 
OYro;i,Hta  aus  Rom.  XIII.  14  im  Gedächtniss  haben?  Er  spricht  (Stoj. 
XXII.  103)  von  TlJ/\ecHaa  OYrc>;i,ia,  er  kennt  daneben  auch  den  Aus- 
druck o\fro:K^eHHi€.  Nach  welcher  Logik  hätte  er  also  gerade  diesen 
Ausdiuck  aus  dem  Freisinger  Text  herholen  sollen,  während  er  es  bei 
so  vielen  anderen  nicht  gethan  ?  Klemens  liebte  in  den  Predigten  seinen 
Zuhörern  den  Spiegel  der  Sünden  vorzuhalten.  Daher  wiederholen  sich 
mehrere  von  den  hier  angehäuften  Ausdrücken  in  verschiedenen  an- 
deren Texten,  die  mit  mehr  oder  weniger  Wahrscheinlichkeit  Klemens 
zugeschrieben  werden.    Z.  B.  Lavr.-ünd.  30:  cc  HAOB'kK'k  KAfBeTOK» 

MA  CkTA/KA,  SdKHCTHK»  C'kBkpa,  AH)fBOKt  H  0BH;1,'SHH»€I11K  CTv- 
T/ÄH;a,  Stoj.  IX,  129:  AK)BO;i,'kldHHra  paSKCHHIU  TaTBKl  KASBeTW 
H  KCpfHHia  ;i,UTOrOyEAfHHta  RHiaHbCTBa  AHYOHMaHHra,  ib.  XII. 
14:    paSBCfMk   H    KAEB£TaMH    TaXBOK"    H    GAO^A'^^"'^?    ib.  VIII.   59: 

SAOBoy  iCBpbkr'me  CC  ceBt  saBHCTk  kacbetki  h  cToy'A'^'A'^'^""'^? 
ib.  XXIV.  33:  (D  KA«BeTKi  h  babhcth  h  rH'feBa,  ib.  43  fi".:  bt». 
cBap'fe- KAO\'A'^--^'i^>*^'*-- i^^^^KfT'K  ••  niaH'cTB'S,  ib.  106:  rH'kBk 
H  rapocTk.  IIsB.  IX.  3.  224:  Yi^^^^""^i^ii>^?  Ab/KaMH  KAeßeraMH 
pasBOH,  Stoj.  XXI.  15:  b-k  ak)BOA^<^hhh  h  np'feAK>BC>A'K'»HTH,  ib. 
76:  BpaiKA^,  KOTOpS,  3aBHCTk.  Dass  das  N.T.  reiches  Material 
lieferte,  zeigen  solche  Stellen  wie  die  aus  Koloss.  III.  8  schon  oben  an- 
geführte (für  rapocTk,  Y^V'^*""*^  ^^^  cpaMOCAOBHie),  oder  für  bat».- 
ujBEHHie  Act.  XIX.  19,  für  KAO^'^KACHHie  Thess.  II.  3,  für  rp'KA^'CTk 
Act.  XXV.  23. 

Klemens  sagt  weiter,  wenn  man  diesen  bösen  Werken  entsagt  und 
den  Tugenden  nachgeht  dabei  das  Citat  aus  Psalm. XXX.  14:  o^kaohh 
C/Ä  OT'K  STkAa  H  C'KTBOpH  A<>Kpo),  SO  werde  man  leicht  wieder  in 
das  Paradies  kommen  (oyA*^^''»^  naKTü  BT^HHAem».  bt»^  roy^Kf  no- 
pOA^Y)-  I^ieser  Gedanke,  nämlich  dass  gute  Werke  in  das  Paradies 
führen,  findet  sich  bei  ihm  ausgesprochen  Stoj.  IX.  120:  noKaraHHie 
i€CTK  noyTk  BkBOAfH  Bk  nopoAC>V,  ib.  135:  noHA'^Mk  no  ro^th 
rocnoAHK»  BfAfi|J«?MOY  Hki  Bk  nopoAOY.    Da  begegnet  wieder  ein 


408  V.  Jagic, 

Satz,  der  an  das  Freisinger  Fragment  erinnert  und  natürlich  von  Prof. 
Vondräk  im  Sinne  seiner  Hypothese  verwerthet  wird.  Wir  lesen  nämlich : 

hmhh;e  Ha  C/A  rH'SBa  KOJKHia  npHBAdHHM'K,  und  im  Freisinger 
Text  steht  es:  nizce  tel  del  mirze  ne  pred  bofima  ozima.  Nach  Prof. 
Vondräk  soll  diese  Stelle  das  wichtigste  Kennzeichen  der  Priorität  des 
Freisinger  Denkmals  enthalten  (S.  13).  Ich  habe  selbstverständlich 
gegen  die  Priorität  nichts  einzuwenden,  wohl  aber  gegen  die  Annahme, 
dass  Klemeus  seinen  Satz  gerade  aus  dem  Freisinger  Text  geschöpft 
haben  soll.  Klemens  sagt:  wenn  wir  nun  diesen  bösen  Werken  (die 
er  eben  sehr  ausführlich  aufgezählt  hatte)  entsagen  und  uns  gegen  sie 
mit  guten  Werken  ausrüsten,  so  kommen  wir  leicht  wieder  ins  Paradies. 
Was  ist  denn  hässlicher  als  solche  Werke  seitens  der  Menschen,  mit 
denen  sie  den  Zorn  Gottes  auf  sich  ziehen.  Darum  wollen  wir  das  un- 
serem Herrn  Gott  gegebene  Gelöbniss  erfüllen,  um  in  das  Himmelreich 
zu  gelangen,  wie  es  der  heilige  Märtyrer  N.  gethan.  Dieser  Zusammen- 
hang, bei  dem  man  die  bekannte  Neigung  Klemens'  zu  kleinen  Wieder- 
holungen nicht  übersehen  darf,  lässt  sich  ganz  gut  hören.  Prof.  Von- 
dräk scheint  vor  allem  an  dem  Komparativ  Mhp'KSH'kie  Anstoss  zu 
nehmen,  weil  zur  erwarteten  Gradation  (im  Komparativ)  kein  Positiv 
desselben  Ausdrucks  vorausgehe,  wie  das  im  Freisinger  Denkmal  der 
Fall  sei,  wo  weiter  oben  jene  Werke  Satans  mit  dem  Adjektiv  lAßh- 
S'kK'k  bezeichnet  werden.  Das  ist  allerdings  richtig,  der  Positiv  Mßh- 
S'KK'K  ist  nicht  da,  doch  er  ist  ja  durch  das  Adjektiv  st^at^  vertreten. 
Wir  lesen  ja  unmittelbar  vor  dem  Komparativ  IUI kpT»,3H 'feie  die  Bezeich- 
nung J\,A  Al\l(  WCTAHfMT».  CA  CÜ  CfAli  3A'lvl\"K  T'^^'*»^  A'^'^'^  (vergl. 
bei  Klemens  XXI.  35:  oCTdHfM'  C«  SAWHYI^  ^^X^  A'^Ab),  die  voll- 
ständig genügt,  um  den  Positiv  lupkS'kK'K  zu  ersetzen,  üebrigens  ge- 
braucht Klemens  anderswo,  ohne  an  die  Freisinger  Vorlage  zu  denken, 
gerade  von  den  Listanschlägen  des  Teufels  das  Adjektiv  MpbS'KK'K. 
Wir  lesen  Zan.  IX.  3.  218:  akti^mh  lUipkCKdMH  K03h  ca  HapHMd- 
WHJf  (vergl.  id.  ib.  229).  Ich  kann  also  auch  an  dieser  Stelle  für  die 
direkte  Entlehnung  aus  dem  Freisinger  Denkmal  bei  einem  so  allgemein 
lautenden  Satz  mich  nicht  entschliessen.  Den  Text  des  Freisinger 
Denkmals  lese  ich,  um  auch  das  noch  zu  erwähnen,  anders  als  es  Prof. 
Vondräk  auch  jetzt  noch  thut,  der  die  Transskription  so  vornimmt:  nie 
ze  tech  del  mirzneje  pred  bozima  ocima,  also  aus  mirzene  korrigirt  er 
mirzneje,  als  Komparativ  von  einem   sonst  nicht  in  dieser  Bedeutung 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens.    409 

belegten  Adjektiv  MpkSkH'K.  Das  glaube  ich  nun  nicht.  Nachdem 
derselbe  Text  mehrere  Zeilen  vorher  den  Positiv  in  der  deutlich  ge- 
schriebenen Form  »mirzcih«  gegeben,  wird  er  nicht  den  Komparativ  dazu 
von  einem  anderen,  nicht  belegten  Adjektiv  *llipk3k Hl»,  bilden.  Darum 
schlug  ich  schon  im  Archiv  XVIII.  601  vor,  mirzene  in  mirze  ne  zu 
trennen  und  mirze  als  Komparativ  zu  MpkS'KK'K,  doch  von  dem  ein- 
fachen Stamm  MpkS'K  zu  bilden,  also  UßWTKf,  ne  aber  gehört  als  Ko- 
pula für  H'R  (statt  HliCTk)  ganz  gut  dazu,  so  dass  das  Ganze  lautet : 
nie  ze  teh  del  mrze  n§  pred  bozjima  ocima.  Ich  halte  diese  Erklärung 
der  Lesart  auch  jetzt  noch  für  allein  richtig.  Es  ist  eine  merkwürdige 
üebertreibung,  wenn  auf  S.  41  sogar  der  Vermuthung  Raum  gegeben 
wird,  dass  die  Bekanntschaft  des  Klemens  mit  dem  Adjektiv  lUipkS'KK'k 
auf  der  Freisinger  Vorlage  beruhe ! 

In  der  Phrase  H^k  ,\&  CKKpkUJHiun».  OB^STOßaHMra  Hdijua  ra^e 
KTk  rc»cnc»,4,0Y  Koro\j'  HameiuiOY  muss  zunächst  die  graecisirende  Kon- 
struktion (die  Anknüpfung  einer  Apposition  mit  Hilfe  des  Artikels  hjkj 
=  gr.  6)  hervorgehoben  werden,  dann  aber  auch  die  Anspielung  an  das 
früher  bei  der  Taufe  abgegebene  Gelöbniss  —  ein  neuer  Beweis,  dass 
Klemens  sehr  gut  verstand,  den  Zusammenhang  seiner  Gedanken  auf- 
rechtzuerhalten. Den  Ausdruck  OK'STOKaHHie  liebte  Klemens.  Man 
kann  auf  viele  Parallelen  verweisen,  z.  B.  no  iVR'tTOßaHHW  Popov 
(Chlud.  Kat.)  389.  392,  iVB-kTOßaHHieMk  KkSKtmifHO  ib.  391,  apy- 
aHrtAkCK'kiM'k  OKlvTOBaHHieMT».  /k,'KiiU/Ä  Und.  24.  Zu  dem  folgen- 
den auf  Hebr.  XTII.  1 — 2  beruhenden  Citate  möchte  ich,  mit  Hinweis 
auf  Vondräk  8. 128,  als  unzweifelhaft  noth wendige  Korrektur  des  Textes 
betonen,  dass  statt  npocßkTOynJe  zu  schreiben  und  zu  lesen  sei 
npou^ßkTOYiiJe.  Das  wird  durch  verschiedene  Belegstellen  bestätigt. 
In  einer  bei  Stojanovic  unter  Nr.  XV  abgedruckten  Paraphrase  unserer 
Homilie  (v.  64 — 65)  lesen  wir  abwechselnd  i^T^ßTfijjj  und  CB'tTeni«  ce, 
ib.  IX.  60  steht  ^Oßpiü  ^-tTliAH  hmh>KE  i^ßkTki,  ib.  XIII.  54/55 
sehr  nahe  an  unsere  Homilie  anklingend :  CM'bpEHJcrwlk  np0CB'kL|jai0i|JC 
cf,  BpaTOAioBicMk  i;kBT0\fi4je  h  cTpaH'HoawKifMk,  IIsb.  EI.  1106 

steht  HHLjJEAlOBiEMk  —  CBkTivllJf  Cf  und  Und.  24   CTpaHHOAtOßHEMl». 

U.B'kT'KiH.  Im  weiteren  an  die  Erwähnung  des  Märtyrers  angeknüpften 
Verlauf  der  Erzählung  wird  statt  noraHkCTBO,  wiewohl  man  dafür  auf 
eine  Parallele  aus  Stoj.  IX.  113  verweisen  könnte,  richtiger  wohl  KO- 
raTkCTBO  zu  lesen  sein,  weil  die  Apposition  TkA'SieMO  coyipe  h 
ßp'KMEHkHO  dafür  spricht.    Vergl.  bei  Popov  (Maxep.  XX.  74):   Bp«- 


410  V.  Jagid, 

MEHHam  ßC/Ä  raKO  TA'tHHara  iOM'RTara.  Für  noABHrHOij'  C/ä  ßi», 
B'kHHa  H^HAHijja  vergl.  Stoj.  XIX.  8:  a>^i^<^>^  "P'^A'^A^^V  <*A'*'^*^V 
B^HC»\fKa  H  rocnojKA'*  ^^  B'kH'Haa  :KHAHLjja  B'KyoAHT'k.  Das 
Verbum  no^BHPHOYTH  ca  ist,  wie  schon  von  Prof.  Vondräk  hervor- 
gehoben wurde,  ein  Lieblingsausdruck  Klemens'.  Im  nächstfolgenden 
Citat  aus  dem  Evangelium  hat  Prof.  Vondräk  (S.  21)  bloss  Matth.X.  28  als 
Quelle  angeführt,  und  da  er  in  der  Homilie  einige  Abweichungen  von  die- 
sem Text  bemerkte,  wunderte  er  sich  über  einen  »bedeutsamen  Zusatz« 
TOro  oyBOHTi  C/Ä.  Doch  allen  seinen  Kombinationen  wird  die  Spitze 
abgebrochen  durch  den  Hinweis  auf  eine  andere  Stelle,  das  ist  Luk. 
XII.  45,  die  Klemens  bei  seinem  Citat  vorschwebte.  Daraus  hat  er  so- 
wohl den  »bedeutsamen  Zusatz«  m  Toro  oybc»ht£  ca  als  auch  die 
Worte  oyKOHTf  CA  HiuioyiiJaro  BAacTk,  die  bei  Matthäus  nicht  in 
dieser  Form  ausgedrückt  sind.  Selbstverständlich  entfällt  dadurch  jeder 
Anlass  (wenigstens  an  dieser  Stelle),  von  der  freien  Benutzung  der  Ci- 
tate  bei  Klemens  zu  sprechen. 

Auch  die  Schlussworte  der  Homilie  enthalten  Mahnungen,  die  auch 
sonst  bei  Klemens  häufig  wiederkehren.  Neben  B'kSAPh^^'^HHC  legt  er 
grosses  Gewicht  aufs  Fasten.  Gerade  vom  Beten,  Almosengeben  und 
Fasten  spricht  er  sehr  häufig,  z.  B.  Stoj.  VIII.  92:  nocTfH  bc  ce  H 
MHAOCTkiHK»  TBope  Kfc  Tpoy^^*  "<*  "*K*^  Bkc^o^HTti.  Oder  XXII. 
22  ff.:  BK3API^>Kai<M|Jf  T'RAfCa  BT».  CKMk  nocT't  h  b'^v'^H'*'^'») 
MOAHTBaiUlH  KT».  BOroy  npHBAH>KaK)L(JE  C(  ••  MHAOCTKIHhdMH  A^^P" 

HpcTBHia  COßp'Ksawijif.  .  .  .  Wie  das  Fasten  beschaffen  sein  soll,  da- 
von spricht  Klemens  noch  XXIV.  26  ff.,  da  kehren  die  Worte  unserer 
Homilie  m  t'kkmo  ct^k  BpaiiikHa  B'KS^kpjKaTH  ca  in  der  Form 
CD  BpauJHk  C(  K'K3j\ß'K}K,n\i(  wieder.  Auch  der  Glanz,  der  die  Sonne 
übertrifft,  ist  bei  Klemens  ein  bekanntes  Bild.  Vergl.  zu  den  Worten  der 
Homilie  nanf  CHmHHra  CAkMkHbHarc  die  Parallele  Stoj.  IX.  23:  npo- 
CB'tTH  lero  nasf  CHraHHa  CAkHkMHaro.  Für  das  Verbum  TOMcy 
cyBO  nopkBHOYHM'k  die  Parallele  Stoj.  XIV.  39:  tako  h  M'ki,  Bpa- 

T'ie  H  B^OBHl^E  nOpfBHSHTf  H  npHT^kKAHT«  KT».  L^pKBH.  Und  für 
BkCAKOy  3A0B0Y  B'KSHfHaBH/V'^  vergl.  IX.  99 — 100:    TO  KO  l€CTk 

HCT0B0I6  ncKaraHHie  h^kc  BkcaBoy  Henpaßk^oy  BkSHEHaßH- 
A'Sth, 

Meine  Auffassung  betreffs  dieser  Homilie  geht  also  dahin,  dass 
Klemens  allerdings  verschiedene  Beichtgebete  und  Beichtformeln,  die 
zu  seiner  Zeit  geläufig  waren,  theils  in  griechischer,  theils  in  lateinischer 


Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slavischen  Klemens.     411 

Sprache,  ja  vielleicht  einiges  selbst  slavisch,  soweit  die  frühere  fränki- 
sche Geistlichkeit  solche  Sachen  den  Slaven  Mährens  und  Pannoniens 
in  ihrer  Sprache  beigebracht  hatte,  gekannt  und  bei  der  Homilie,  von 
welcher  die  Rede  ist,  einigen  Stoff  aus  solchen,  ihm  im  Gedächtniss 
vorschwebenden  Vorlagen  geschöpft  und  frei  verwerthet  hat.  Man 
kann  aber  durchaus  keine  sicheren  Beweise  dafür  anführen,  dass  er  bei 
seiner  Abfassung  der  in  Frage  stehenden  Homilie  gerade  den  Text  des 
Freisinger  Denkmals  vor  Augen  gehabt  oder  bewusst  aus  ihm  geschöpft 
hat.  Die  Homilie  war  ganz  allgemein  zu  Ehren  irgend  eines  heiligen 
Märtyrers  geschrieben  (der  Zusatz  anocTOAa  könnte  auch  nachträglich 
hinzugekommen  sein).  Dafür  spricht  deutlich  die  nachfolgende  Stelle : 
nß(Ji,Aa    RATs^TK    CBOK»    Hd    CTpaCTH    H    HA  ftAWU  H  C'klUiph.Th,  nC- 

HOCkHoyic»  XiiHCTA  pa^H  CKiHa  KOJKHra.  Da  aber  der  Märtyrer 
nicht  beim  Namen  genannt  ist,  so  behandelt  ihn  der  Redner  nur  neben- 
bei, ohne  auf  seine  Lebensumstände  näher  einzugehen.  Dagegen  ist  die 
Homilie  voll  Mahnungen  an  die  Zuhörer,  durch  gute  Werke,  durch  Ver- 
achtung dieser  Welt  und  ihrer  Tücken,  durch  Enthaltsamkeit,  Fasten 
und  Bussethun  sich  das  Himmelreich  zu  verdienen.  Dieses  Thema 
wiederholt  sich  bei  Klemens  sehr  oft.  Von  welchem  immer  Heiligen 
oder  Fest  er  auch  sprechen  mag,  nie  vergisst  er  der  guten  Werke  zu 
gedenken,  mit  denen  man  das  Himmelreich  verdienen  kann.  Um  nur 
einige  Beispiele  anzuführen,  in  der  Lobrede  auf  Zacharias  lesen  wir 
gegen  Schluss:  hhoh  ;i,OGpo^1iT'6i\H  nopfßHOBaKMpf  A<*  cta- 
:KHM'k  EparoaiOKHf,  hh^jeaiobhe,  cTpaHkHonpHraTHie,  noiiif- 
HHi€,  KpOTOCTk,  K'k3;i,kpjKaHHi€  (Lavr.  Und.  3 1).  In  der  Lobrede 
auf  den  heil.Klemens  von  Rom  wird  gesagt:  noABHrHüiui  c/^  GparHie 

H   lUlTd   ßT».  A<>VX'*^^"''^"   nOABHn».  ;i,0\'LUOIf  H  T'SAO  OMHCTAllJf  CH 

nocTOMTv  H  lUiOAHTKaiuiH  (MaTep.  XX.  78).  In  der  Lobrede  auf  Jo- 
hannes den  Täufer  kehren  dieselben  Mahnungen  am  Schluss  wieder: 

O^KKICTpHIH"  C(   HA  nOKai^HHie  ^OEpKIMH   ^k.'kAKI  OYKpaUiaKMjJC  Cf, 

nocTOHiK  EkwpoYJKkiue  ce  Ha  npoTHßHarc  Bpara -MHAOCTHHieio 
H  HHCTOTOW  oyMk  CH  npctCB'KTei|J£.  In  der  Homilie  auf  Christi  Be- 
gegnung im  Tempel  wird  betreffs  der  Prophetin  Anna  hervorgehoben : 
HC  HCYOJK^aiUe  ßlvHk  H3  U,pKßE  nOCTOMk,  MOAHTßOK»   CAOyJKflJJH 

BT^  jiL,hHH  H  BT».  HOijJH  rocnoAfBH  (Stoj.  IV.  37 — 38).  Die  Predigt 
auf  Mariä-Empfängniss  schliesst  mit  den  Worten:  Tfl^'feMK  Ha  MC- 
AHTßKI  CK  CTßA\OMh.  CKOHIUlk,  OTßpkS'tMk  A^^P"  HfRfCHarO 
HpkTOra,     BA'tHHtM'    H    MOAHTBOK»    H    MHAOCTHHfK»    H     HCCTOMk 


412    V.  Jagid,  Meine  Zusätze  zum  Studium  der  Werke  des  slav.  Klemens. 

(Stoj.  X.  15 — 17).  In  der  Homilie  auf  den  Palmsonntag  steht  die  Mah- 
nung: npHKAHJKHM'  Cf  OyKC»  ^k.OBpOA'ST'feAKMH  KT».  KOroy  MHCTfUIf 
C(  nOCTOMk  H  MHACCTWHfK»-  HOCTb  BO  A<>V^*^V  "  T"KAC»  HHC- 
THTb  a  MHAOCTKIHH  Bbnfp'üJH  OyUh  Ha  H«BC»  BK3H0CHTK  (Stoj. 
in.  189).  In  der  Predigt  vom  Zöllner  und  Pharisäer  werden  die  Christen 
belehrt:  aijje  bo  h  TkMatiiiH  rp-S^Ki,  to  CM-feptHifMi^  noTp-RBHiuik 

H^h  H  BpaTOAWBifMk  OHHCTKMK  H^fk,  MCtAHTBOK»  npHBAHJKHM"  CS 

KTs.  caMOiuiOY  BAaAwi;'^  BoroY  (Stoj.  XX.  44 — 47). 

Ich  kann  nach  allem,  was  ich  gesagt,  dieser  Homilie  keine  Aus- 
nahmestellung zuschreiben,  am  allerwenigsten  sie  wegen  einiger  An- 
klänge an  das  Beichtgebetmaterial  als  eine   misslungene  Kompilation 

gerade  des  Freisinger  Textes  gelten  lassen. 

V.  Jagic. 


Noch  einmal  Klagenfurt-CeloYec, 

nebst  einigen  prinzipiellen  Bemerkungen  über  die  Ortsnamen- 
forschung in  gemischt-sprachigen  Gegenden. 


Die  Notiz  Baudouins  de  Courtenay  in  Nr.  1  des  26.  Jahrgangs 
dieser  Zeitschrift  über  die  Namen  Klagenfurt -Celovec  bedeutet  un- 
zweifelhaft einen  bedeutenden  Fortschritt  für  die  Lösung  der  Frage 
nach  ihrer  Herkunft.  Es  ist  wohl  sicher,  dass  die  slov.  Bezeichnung, 
die  im  Tolmeinischen  cvdUuc  lautet  —  die  Gailthaler  sagen  mit  Meta- 
these und  Assimilation  des  v  ans  folgende  l  zu  b  cdhlöuc  —  zu  cviliii 
gehört.  Der  Stamm  kvü-  und  sein  Synonym  kvik-  wird  im  Slavischen 
mehrfach  zur  Bildung  von  Ortsnamen  verwendet,  vgl.  tschech.  Kvilice, 
Kvice,  Kmcovice,  poln.  Kwiköiv  (Galizien)  und  Kioiltsch  (Posen).  Frei- 
lich kann  man  sich  mit  der  Ansicht  Baudouins,  der  slov.  Name  sei  eine 
Uebersetzung  von  »Klagenfurt«  und  dieses  selbst  eine  volksetymologische 
Umdeutung  des  lat.  Claudiiforum  nicht  einverstanden  erklären.  Denn 
das  lat.  Wort  ist  sicher  nichts  anderes  als  eine  gelehrte  Spielerei. 

Gegen  diese  Erklärung  des  slav.  Namens  aus  urspr.  Cvilomci  — 
richtiger  wäre  ein  Cviljavici  (oder  Cviljevici)  anzusetzen,  denn  die 


\ 


Noch  einmal  Klagenfurt-Celovec.  413 

mundartliche  Form  setzt  IJ  (palatales  /)  voraus,  da  /  vor  dunklen  Voka- 
len in  den  slov.  Mundarten  Kärntens  zu  consonantischem  u  wird  — 
wendet  sich  Prof.  Pintar  in  Nr.  4  desselben  Bandes.  Seine  Deutung  des 
Namens  aus  der  Form  stvolovec  mit  /  ist  nach  dem  oben  Gesagten  un- 
möglich ;  es  könnte  höchstens  stcolj'evec  zu  Grunde  liegen ,  dessen  ev 
sich  in  geschlossener  Silbe  vielleicht  zu  ov  hätte  entwickeln  können 
(ich  kenne  zwar  kein  Beispiel  einer  derartigen  Angleichung  in  Paroxy- 
tonis),  doch  scheint  mir  die  Erklärung  wegen  der  deutschen  Parallele 
sehr  wenig  Wahrscheinlichkeit  zu  besitzen.  Pintar  hat  wohl  die  Er- 
fahrung, dass  die  deutschen  und  slovenischen  Namen  sich  in  den  mei- 
sten Fällen  irgendwie  entsprechen,  zum  Versuch  einer  Etymologie  des 
deutschen  Namens  »Klagenfurt«  geführt.  Da  hat  er  allerdings,  wenig 
vertraut  mit  den  Laut-  und  Ausspracheverhältnissen  in  den  deutschen 
Dialekten,  einen  tüchtigen  «Schnitzer«  begangen.  Aus  einem  »G'laggen- 
word«  kann  nach  den  Lautgesetzen  des  kärntnischen  Dialekts  nie  ein 
Kldqgnfürt  (oder  Kchlognfürt)  werden,  wie  der  Ortsname  mundartlich 
lautet.  Denn  1.  nie  verwandelt  sich  anlautendes  g  in  der  Ma.  —  die 
Vorsilbe  ge-  vor  r  ausgenommen  —  in  aspirirtes  k.  Das  klander  bei 
Lexer  ist  nur  eine  ungeschickte  Wiedergabe  des  ma.  kalander^  klander 
mit  unaspirirtem  k.  Das  Beispiel  klagfeur  entstammt  den  nördlichen 
Mundarten  des  bair.-österr.  Dialektgebietes,  wo  anlautende  g  und  k  vor 
Consonanten  in  hauchloses  k  zusammengefallen  sind,  kann  also  für 
Kärnten  nicht  in  Betracht  kommen.  kJeger  für  gleger  konnte  ich  nir- 
gends finden.  2.  Nie  wird  im  Kärntnerischen  die  inlautende  Fortis  gg 
(das  ist  die  oberdeutsche  Schreibung  für  unaspirirtes  k)  zu  g.  Uebrigens 
ist  die  Form  lägge  (spr.  lokke)  nur  lesachthalerisch,  im  übrigen  Kärnten 
erscheint  das  Wort  mit  Aspirata.  3.  Nie  erscheint  ursprüngliches  w 
im  Dialekt  als  f.  4.  Würde  man  bei  einer  alten  CoUectivbildung  Um- 
laut erwarten  und  die  Endung  -en  wäre  beim  Collectiv  unverständlich. 
Schliesslich  5.  ein  ico7-d,  ivurt  =  Werd,  Werder  existiert  nicht.  Das 
niederdeutsche  »Wurd«,  »Word«,  worauf  Schmeller  gelegentlich  hin- 
weist, bedeutet  etwas  ganz  anderes  und  dürfte  wohl  kaum  mit  Werd 
(Insel)  zusammenhängen.  Die  Schreibung  »Wörth«,  durch  die  vielleicht 
der  Verfasser  zur  Gleichsetzung  veranlasst  wurde,  beruht  auf  der  ö-arti- 
gen  dialektischen  Aussprache  des  (primären)  ümlauts-e.  Wenn  -furf 
urk.  -uu7't  geschrieben  wird,  so  hat  u  die  Geltung  eines  v]  die  Lenis  / 
wird  in  mhd.  Quellen  ja  fast  regelmässig  durch  u  oder  v  wiedergegeben. 
Die  slov.  Bezeichnung  des  Wörthersees  » Vrbskoj'ezeroK  als  »  Vrdskoj.« 


414  P-  Lessiak, 

zu  deuten,  wie  dies  der  Verfasser  allerdings  mit  einem  Fragezeichen 
thut,  ist  unmöglich,  denn  Vrhsko  kommt  von  dem  Ortsnamen  Vrha  = 
Velden,  der  selbstverständlich  mit  vrha  =  Weide  identisch  ist,  wie 
schon  die  deutsche  Bezeichnung  lehrt  (Velden  mit  Dissim.  des  h  aus 
urspr.  Velben,  Velwen  zu  mhd.  velwe  Weide,  vgl.  Vrha  »Velben«  in 
Oberkrain).  Die  ältesten  Schreibungen  des  Namens  mit  Ch  und  g  (der 
erste  urk.  Beleg  ))Chlagenuiirt(i  stammt  nach  Dr.  v.  Jaksch  aus  dem 
letzten  Jahrzehnt  des  XII.  Jahrh.)  und  die  lat.  Uebersetzung  des  Viktrin- 
ger  Abtes  Johannes  (i  1345)  Querimonice  vadum  weisen  darauf  hin, 
dass  der  Name  seit  jeher  mit  anlautender  Aspirata  und  inlautender 
Lenis  gesprochen  und  mit  Klage  ma.  klilog  identisch  gefühlt  wurde. 
Die  Deutung  ))G''laggenworcl«  ist  daher  ebenso  wie  die  alte  'oGlanfurU 
schon  rein  lautgeschichtlich  eine  Unmöglichkeit  •). 

Prof.  Scheinigg  hat  in  der  Carinthia  I  (91.  Bd.)  einmal  die  Ansicht 
ausgesprochen,  dass  in  dem  ersten  Bestandtheil  von  »Klagenfurt«  ein 
Personenname,  etwa  ein  ahd.  *Klago  stecken  müsse.  Denn  nahezu 
sämmtliche  mit  fürt  komponirten,  etymologisch  deutbaren  germanischen 
Ortsnamen  enthalten  als  Bestimmungwort  entweder  eine  genetivische 
Bezeichnung  eines  Lebewesens,  sei  es  nun  ein  Personen-  oder  Thier- 
name,  vgl.  etwa  Erfurt  {Tlrpisford\  Frankfurt  [Trane onofurt\  Ochsen- 
furt (vgl.  auch  engl.  Oxford),  Schweinfurt,  Wolfsfurt,  oder  sie  sind  mit 
Adjektiven  zusammengesetzt,  z.  B.  Breiten-,  Hohen-,  Tieffurt.  (Da- 
neben erscheint  allerdings  auch  ein  Sandfort,  bezeichnender  Weise  aber 
als  echtes  Compositum,  denn  »Sand-«  vertritt  hier  ein  Adj." .  Ein  Eigen- 
schaftswort y>klagii  gibt  es  nun  im  Germ,  nicht,  ebenso  ist  ein  Manns- 
name Klago  nicht  belegt,  wohl  aber  ist  uns  ein  Femininum  Klaga  in  dem 
sehr  konservativen  Dialekte  der  Sette  Communi  in  Italien  erhalten  in 
der  Bedeutung  «gespenstisches  Trauerweib«  (vgl.  Schmeller-Bergmann, 
Cimbr.  Wörterb.  136).  Auf  dieselbe  Form  altoberdeutsch  Chlaga  ist 
das  bair.-österr.  Klag  F.  zurückzuführen ;  nach  Schöpf  (Tirol.  Idiotikon 


1)  R.  V.  Jaksch  hält  in  seinem  Aufsatz  »Vom  alten  Klagenfurt«,  Fest- 
beilage der  »Freien  Stimmen«  vom  1.  I.  1905  noch  an  dieser  Erklärung  fest 
und  weist  zur  Stütze  seiner  Ansicht  darauf  hin.  dass  die  Kärntner  nicht 
»Mohn«,  sondern  Mag'n  siDrechen.  Dagegen  ist  einzuwenden,  dass  die  Form 
Magen  nicht  aus  Molin  hervorgegangen  ist,  sondern  beide  stehen  sich  schon 
in  früheren  Sprachperioden  gegenüber,  mhd.  muhen  und  mäge.  —  Interessant 
dagegen  sind  seine  Angaben  über  die  Lage  von  »Alten-Klagenfurt«. 


Noch  einmal  Klagenfurt-Celovec.  415 

319)  bedeutet  63  einen  sehr  unheimlichen  Vogel  «der  schreit  wie  ein 
weinendes  Kind,  und  wer  ihn  hört,  stirbt  bald«,  nach  Schmeller  (Bair. 
Wb.  1, 1328)  ist  die  Klag  eine  gespenstische  Erscheinung  in  Gestalt  einer 
feurigen  Kugel,  welche  knarrend  und  schleifend  vor  dessen  Thür  hin- 
kollert, der  zum  Tode  reif  ist.  Schmeller  führt  als  Bezeichnungen  für 
den  Todtenvogel  (Eule,  Käuzchen)  auch  Klag-Weihlein,  Klag-Mueter 
an,  die  auf  eine  ältere  Auffassung  desselben  Wesens  in  Gestalt  eines 
gespenstischen,  todverkündenden  Klageweibes,  also  einer  Art  Ahnfrau, 
schliessen  lassen.  Schon  in  dem  alten  Münchner  Zaubersegen  wird  der 
Klage-Mutter  als  eines  Gespenstes  Erwähnung  gethan.  Die  Vorstellung, 
dass  Seelen  Verstorbener  —  und  als  solche  haben  wir  uns  die  «Klage« 
oder  Klage-Mutter  wohl  zu  denken  —  ihren  Aufenthalt  in  Thierleibern 
nehmen,  ist  ja  ungemein  verbreitet  (vgl.  Mogk,  Paul's  Grundriss  d.  germ. 
Philologie  III,  S.  263)  und  Uebertragungen  ähnlicher  Art  lassen  sich 
auch  sonst  nachweisen,  ich  erinnere  an  lat.  strix  [striga)  Nachtvogel, 
Hexe.  Bemerkenswerth  ist  die  Aeusserung  Mogk's  a.  a.  0.  S.  284  «die 
Norne  fällt  oft  mit  der  Todesgöttin  zusammen  und  wird  als  die  dunkle 
geschildert,  die  wie  ein  schwarzer  Vogel  durch  die  Lüfte  dahinfliegt«. 
Eine  ähnliche  Rolle  wie  die  y>Klaga>.'^  spielt  im  kärntnischen  Volks- 
glauben die  Teadin  (d.  i.  Tödin).  Man  sieht  sie  häufig  in  der  Nähe  von 
Wasserübergängen,  wie  sie,  ähnlich  der  schwedischen  i/o/XV-w,  die 
Todtenlaken  wäscht,  ihr  Anblick  verkündet  Sterben.  Lexer  K.  Wb.  65 
kennt  sie  in  der  Bedeutung  Hexe,  Pestfrau.  Verquikungen  von  Wind- 
geist (Seele)  und  Wassergeist  sind  nicht  selten.  Wir  finden  sie  in  der 
Gestalt  der  Melusine,  von  der  man  sich  (nach  E.  H.  Meyer,  Mythologie 
d.  Germanen  S.  168)  in  Böhmen  erzählt,  sie  fliege  im  Winde  mit  ihren 
Kindern  jammernd  durch  die  Luft.  Von  Frau  Holle,  die  uns  als  Wind- 
und  Todtengottheit,  als  Herrin  des  Seelenheeres  entgegentritt,  wissen 
wir,  dass  sie  sich  gerne  in  Gewässern  aufhält  oder  in  Bergen,  zumal  da, 
wo  sich  Quellen  oder  Teiche  in  der  Nähe  befinden  (vgl.  Mogk,  a.  a.  0. 
S.  279).  Auch  für  die  Thatsache,  dass  Wasserfurten  als  Aufenthaltsort 
verderblicher  Geister  betrachtet  werden,  finden  sich  Belege.  Der  Natur 
der  Sache  nach  wäre  es  eher  auffallend,  wenn  es  keine  gäbe.  Als  Bei- 
spiel citire  ich  eine  Stelle  aus  Meyer,  S.  132:  »So  scheuchte  schon  der 
alte  Inder  seine  Plagegeister  .  .  .  mit  feierlichen  Worten  zu  Wasser- 
furten und  bewipfelten  Bäumen  (f.  Dieselbe  Vorstellung  hat  ofi'enbar 
auch  zur  Bildung  der  Gestalt  der  bulgarischen  yi  Brodnicmi ,  des  Furt- 
weibes, Anlass  gegeben  (Duvernois,  Slovar'  bolgarskago  jazyka  I,  151). 


416  P-  Lessiak, 

Ich  glaube,  die  angeführten  Thatsachen  i)  genügen,  um  uns  mit  der  Mög- 
lichkeit einer  Deutung  des  Namens  Klagenfurt  als  Chlagüti-  oder 
Chlagöno-furt  d.  i.  Furt  der  »Klage«  oder  »Klagen«  (Klageweiber)  ver- 
traut zu  machen.  Und  so  wäre  demnach  auch  das  slo venische  Cvilj'avec 
als  Ort,  wo  sich  cvilje^  Klagefrauen  (vgl.  Pletersnik,  Slov.-Nemski 
Slovar  p.  91  cvilja,  Winselerini  aufhalten,  wo  gejammert  oder  geklagt 
wird,  zu  erklären.  Die  Bildung  wäre  ähnlich  der  des  oben  genannten 
tschech.  Kvidovice,  falls  dieses  wirklich  zum  Stamme  /cvik-  gehört.  Dass 
Bezeichnungen  für  mythologische  Wesen  auch  zur  Ortsnamenbildung 
verwendet  werden,  zeigen  alpenländische  Namen  wie  kämt.  Truttendorf 
(zu  ma.  trutta,  trut  Druckgeist.  Slov.  heisst  der  Ort  nach  dem  Reper- 
torium  Sepec,  wohl  zu  sopsti,  sipiti  keuchen),  Elbling  (vgl.  auch  Elber- 
feld;  Eiber  ist  PI.  zu  Alp,  Elbe),  steir.  Schrattenberg,  krain.  Sh'atov^de 
(zu  Schratt,  slov.  skrat  Kobold)  und  vielleicht  gehören  auch  die  zahl- 
reichen vom  Stamme  mor-  abgeleiteten  slov.  Ortsnamen  wie  Moravec 
u.  s.  w.  teilweise  hierher  (slov.  mora  =  Mahre). 

Die  Bemerkung  Pintars,  die  Erklärung  des  Namens  aus  *  Cvilj'avec 
sei  schon  deshalb  unwahrscheinlich,  weil  die  meisten  Ortsbezeichnungen 
auf  -ovec  von  Baum-  oder  Pflanzennamen  abgeleitet  sind,  ist  doch  nicht 
stichhaltig,  wenn  wir  slov.  Ortsnamen  wie  Jankovec,  Karlovec,  Kral- 
ovec  oder  Kraljevec^  Mihalovec^  Farovec^  Anovec,  Banovec,  Rihar- 
Jevec,  Markovec  u.  ähnl,  betrachten. 

Prof.  Pintar  hat  auch  die  heikle  Frage  von  der  Entstehung  der 
deutschen  Ortsnamen  in  slovenischer  Gegend  berührt.  Meines  Er- 
messens befindet  er  sich  durchaus  nicht  auf  der  richtigen  Fährte,  wenn 
er  annimmt,  dass  sie  in  den  herrschaftlichen  Kanzleien  von  deutschen 
Beamten  und  Verwaltern  fabricirt  worden  seien.  Es  ist  hier  zwar  nicht 
der  Ort  zu  einer  längeren  Auseinandersetzung  über  dieses  nicht  un- 
interessante Thema,  das  ich  gelegentlich  in  grösserem  Zusammenhange 
behandeln  will,  aber  ein  paar  berichtigende  Bemerkungen  möchte  ich 
mir  doch  in  aller  Kürze  erlauben.  Erstens  ist  die  Behauptung,  dass  der 
naive  Bauer  weder  Zeit  findet  noch  den  Drang  hat  Etymologien  nachzu- 
grübeln, nicht  richtig.    Ich  hatte  Gelegenheit  mehrere  deutsche  Sprach- 


1)  Zu  erwähnen  wäre  etwa  noch  Wuttke,  Der  deutsche  Volksaberglaube 
§  52  f.  Der  Nix  . .  .  seine  klagende  Stimme  lässt  sich  besonders  abends 
hören,  oft  wie  der  Hilferuf  eines  Ertrinkenden,  um  Menschen  heranzulocken. 
—  Die  Nixen  erscheinen  meist  des  Nachts  auf  dem  Gewässer,  unter  Brücken 
oder  auf  denselben. 


Noch  einmal  Klagenfurt-Celovec.  417 

inseln  in  Italien  kennen  zu  lernen,  und  da  fand  ich,  dass  die  dortigen 
Deutschen  (Bauern  und  Keuschler)  fast  für  alle  irgendwie  in  Betracht 
kommenden  Ortsnamen  der  fremdsprachlichen  Umgebung  deutsche  For- 
men besitzen;  es  sind  dies  theils  Uebersetzungen  oder  Halbübersetzungen 
(wie  etwa  Cercivento  —  Tschurtschendorf) ,  theils  lautgesetzliche  Ent- 
wicklungen aus  der  romanischen  Namensform  und  theils  völlig  selb- 
ständig gebildete  Bezeichnungen,  die  mit  der  fremden  in  keinerlei  Zu- 
sammenhang stehen  —  also  genau  dieselben  Fälle,  wie  wir  sie  im  slow. 
Sprachgebiete  finden.  Da  es  dort  nun  niemals  deutsche  Beamte  u.  dgl. 
gab,  die  deutschen  Namen  von  amtswegen  nie  anerkannt  wurden,  so 
könnte  man  die  Thatsache  nicht  begreifen,  wenn  man  nicht  ein  im  Volke 
selbst  wurzelndes  Bestreben,  sich  die  fremdsprachigen  Elemente  mund- 
gerecht oder  verständlich  zu  machen,  annähme.  Ebenso  habe  ich 
auch  von  den  Zarzern  in  Oberkrain  eine  Reihe  von  deutschen  Bezeich- 
nungen (darunter  auch  Uebersetzungen ! )  für  die  umliegenden  sloweni- 
schen Ortschaften  gehört,  die  weder  in  einem  Ortsverzeichnis  noch  auf 
der  Karte  stehen  und  kaum  je  amtliche  Geltung  hatten.  An  allen 
Sprachgrenzen  finden  wir  dieselbe  Erscheinung,  und  dass  der  slowenische 
Bauer  sich  grundsätzlich  nie  zu  einer  Uebersetzung  aufgeraff"t  haben 
soll,  klingt  doch  recht  unwahrscheinlich.  Die  Thatsache,  dass  sich  die 
meisten  deutschen  Ortsbenennungen  in  Krain,  soweit  sie  nicht  Ueber- 
tragungen  sind,  den  Lautgesetzen  der  bair.-österr.  Ma.  entsprechend  aus 
der  slow.  Form  entwickelt  haben,  vgl.  etwa  Ziri  —  Seirach,  Ribno  — 
Reifen,  Loz  —  Laas,  3Ioimk  —  Möttnig  u.s.w.,  spricht  für  ihre  volks- 
thümliche  Tradition,  die  ja  auch  begreiflich  ist,  wenn  man  die  Rolle, 
welche  früher  das  Deutsche  in  den  slow.  Ländern  spielte,  in  Betracht 
zieht:  es  gab  da  nicht  nur  zahlreiche  deutsche  Grundbesitzer  und  Ver- 
walter, sondern  auch  eine  stattliche  Anzahl  deutscher  Ansiedelungen 
und  in  den  Städten  und  Märkten  wurde,  wenigstens  zum  grossen  Theil, 
deutsch  gesprochen  1). 

1)  Inkonsequenzen  in  der  Behandlung  einzelner  Laute  bei  Ortsnamen  in 
slov.  Gegend  erklären  sich  daraus,  dass  die  Namen  nicht  alle  zur  selben 
Zeit  übernommen  wurden,  und  vor  allem  auch  aus  der  starken  Rückwirkung 
der  slov.  Namensform.  Urkunden  weisen  daher  oft  noch  ältere  Formen  auf. 
Im  Allgemeinen  lassen  sich  2  Gruppen,  eine  ältere  und  eine  jüngere,  unter- 
scheiden (vgl.  Feistritz-Wistritz).  Sogar  im  heute  deutschen  Sprachgebiet 
kommen  hie  und  da  Schwankungen  vor,  aus  denen  man  auf  frühere  oder  spä- 
tere Germanisirung  schliessen  kann,  wenngleich  die  Unterschiede  nicht  so 
gross  sind. 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXVII.  .  27 


418  P-  Lessiak, 

Man  wird  doch  in  Anbetracht  der  genannten  Formen,  für  die  sich 
eine  Unzahl  Parallelen  finden,  den  deutschen  Beamten  nicht  die  Kennt- 
niss  der  erst  in  den  letzten  Jahrzehnten  entdeckten  Lautgesetze  zu- 
muthen  wollen.  Dasselbe  —  nämlich  volksthümliche  Entstehung  und 
Ueberlieferung  —  gilt  offenbar  auch  für  die  Mehrzahl  der  üebersetzun- 
gen.  Manche  darunter  wie  Lengenfeld,  Eibenschuss,  Lutergeschiess 
(slow.  Dovje^  Ivanje  selo,  Lutersko  selo)  u.  s.  w.  sind  schon  formell  so 
beschaffen,  dass  sie  nicht  als  Ausgeburt  eines  spintisirenden  Kanzlei- 
beamten betrachtet  werden  können.  Dass  in  Krain  vielleicht  mehr 
übersetzt  wurde  als  anders  wo,  erklärt  sich  einfach  aus  der  Thatsache, 
dass  die  deutsche  Minderheit  zumeist  doppelsprachig  war,  also  die  slav. 
Namen,  deren  Etymologie  auf  der  Hand  lag,  verstand  und  übrigens  der 
Mehrzahl  nach  der  »Intelligenz»  angehörte,  bei  der  allerdings  das  Stre- 
ben nach  Nationalisirung  des  Fremden  stärker  hervortritt  als  beim 
schlichten  Landvolk.  Selbstverständlich  haben  sich  bei  der  Nieder- 
schrift der  dialektischen  Formen  zahlreiche  »Fehler«  eingeschlichen, 
indem  die  Schreiber  sich  bemühten,  nicht  schriftgemässe  Lautverbin- 
dungen in  schriftsprachliches  Gewand  zu  kleiden,  sie  bekannten  Laut- 
komplexen anzunähern.  Hierher  gehört  etwa  der  Name  Rothwein  aus 
slow.  Hadovina^  der,  wenn  eine  dialektische  Tradition  bei  den  Krainer 
Deutschen  noch  bestünde  —  von  den  Sprachinseln  abgesehen  wird  ja 
dort  gegenwärtig  Schriftdeutsch  gesprochen  —  Itqdxoein  lauten  müsste 
und  ähnl. 

Derartige  »Missgriffe«  finden  sich  aber  nicht  nur  dort,  wo  es  sich 
um  die  Wiedergabe  entlehnten  Wortmaterials  handelt,  sondern  auch  bei 
rein  deutschen  Namen  massenhaft,  da  die  mundartlichen  Formen  von 
der  schriftsprachlichen  Entsprechung  oft  stark  abweichen.  Ganz  die- 
selben Fehler  begehen  ja  auch  die  Slovenen,  wenn  sie  die  dialektischen 
Bezeichnungen  der  Schriftsprache  gemäss  zu  normalisiren  suchen.  In 
Krain,  zumal  in  Unterkrain,  werden  solche  Missverständnisse  seltener 
vorkommen,  aber  wenn  wir  für  das  oberkrainiscbe  Rothwein  im  Reper- 
torium  die  slow.  Form  Radolna  finden,  so  ist  das  u  der  dialektischen 
Aussprache  Radouna  offenbar  vom  Schreiber  unrichtig  gedeutet  worden. 
Noch  weit  krassere  Fälle  bieten  die  Schreibformen  kärntnischer  Orts- 
namen. So  verdankt  etwa  nVelikovecx  sein  Dasein  nur  dem  Einfluss 
des  deutschen  »Völkermarkt«,  gesprochen  wird  Bhhouc  (aus  Boljkovec 
oder  Bolikovec  vgl,  tschech.  Bolikovice).  Kostmije  —  wie  der  slow. 
Bauer  »Köstenberg«  etymologisch  richtig  nennt  —  wurde  unter  der  be- 


Noch  einmal  Klagenfurt-Celovec.  419 

denklichen  Voraussetzung,  dass  es  dort  heute  keine  »Kosten«  (d.  i. 
»Kastanien«)  mehr  gibt,  dass  aber  die  Gegend  dereinst  sehr  waldreich 
war,  in  Gozdanje  umgetauft,  obwohl  ein  slov.  g  im  Dialekt  nie  zu  k 
(sondern  nur  zu  /i),  ein  intervokalisches  zd  nie  zu  &t  wird.  Neuerdings 
glaubt  man,  da  die  Ableitung  von  gozd  offenbar  sprachliche  Schwierig- 
keiten bietet,  es  stecke  ein  Personenname  Gvozdan  dahinter  —  die 
deutsche  Uebersetzung  «muss«  eben  unrichtig  sein!  Wie  sonderbar 
nehmen  sich  doch  Rekonstruktionen  wie  Loga  ves  (Augsdorfj  oder  Pod 
Vetrovami  (Föderaun)  aus  dialektischem  tiahms  und  pod  bdtrüam 
aus  —  und  solcher  Beispiele  gibt  es  eine  Menge. 

Der  Verfasser  führt  auch  drei  Beispiele  »monströser«  deutscher 
Umformungen  an :  Sinja  gorica^  Schweinsbüchel,  Podsinja  ves^  Hunds- 
dorf, und  Zidanj'a  vas,  Seiden dorf.  Ich  will  gar  nicht  bestreiten,  dass 
fehlerhafte  Uebertragungen  vorgekommen  sind,  zumal  in  Fällen,  wo  der 
Slowene  die  eigentliche  Etymologie  selbst  nicht  mehr  fühlte  (vgl.  etwa 
Dobravce,  Gutenhof,  u.  ähnl.),  aber  Pintar  hat  keine  guten  Beispiele 
gewählt:  1.  Für  Si?ija  gorica  hat  das  Repertorium  —  und  dies  ist  in 
dem  Falle  doch  massgebend  —  Scheinbüchel,  das  als  etymologisirende 
Kanzleiform  aus  »Seinbüchel«,  wie  die  volksthümliche  Entsprechung 
wäre,  aufgefasst  werden,  aber  auch  auf  alter  Volksetymologie  beruhen 
kann.  Wenn  in  der  Karte  »Schweinbüchel«  steht,  so  ist  dies  auf  Rech- 
nung der  Mappeure  zu  setzen;  auf  unseren  Specialkarten  kann  man 
allerdings  jeden  Finger  breit  einen  Fehler  entdecken.  2.  Podsinja  ves 
existirt  zwar  seit  ein  paar  Jahren  auf  dem  Papier,  gesprochen  wird  aber 
Psinja  lies  und  so  muss  der  Name  auch  schon  vor  400  Jahren  gelautet 
haben,  sonst  wären  die  Deutschen  doch  nicht  auf  den  Gedanken  ge- 
kommen »Hundsdorf«  (urk.  schon  1488)  daraus  zu  machen.  Höchst- 
wahrscheinlich liegt  der  slow.  Bezeichnung  der  Personenname  Psina 
(vgl.  Kott,Cesko-Nem.  SlovnikVH,  531)  zu  Grunde,  der  auch  im  tschech. 
Psinice  stecken  mag.  Mit  dem  Ortsnamen  Na  Sinah  lässt  sie  sich 
schon  wegen  des  Suffixes  (man  würde  nach  Analogie  ähnlicher  Fälle 
Podsinska  v.  erwarten)  nicht  zusammenbringen.  Das  im  »Schlusswort 
zur  Ortsnamenforschung  in  Kärnten«,  S.  12,  angeführte  Siti/'a  gora  ist 
eine  dem  Volke  fremde  Neubildung,  der  »Singerberg«  heisst  slow,  dia- 
lektisch Zinharca  [=  Zingarica)^  von  dem  Hausnamen  Zinhar  d.  i. 
Singer.  3.  Seidendorf  braucht  keine  fehlerhafte  Uebersetzung  aus 
Zidanja  vas  zu  sein,  sondern  aus  *Z«c?aw-Dorf,  das  genau  so  eine 
Halbübersetzung  ist  wie  das  obengenannte  »Tschurtschendorf«  oder  wie 

27* 


420  P-  Lessiak, 

franz.  Thionville  (Diedenhofen),  musste  sich  im  Deutsclien  ganz  regel- 
mässig Seidendorf  ergeben;  denn  der  Uebergang  von  i  >  s,  die  Diphtlion- 
girung  des  urspr.  langen  ?',  das  Verklingen  des  Vokals  der  nach  deutscher 
Accentuation  unbetonten  zweiten  Silbe  sind  ganz  lautgesetzliche  Er- 
scheinungen (ich  verweise  da  auf  meine  Abhandlung  in  Sievers'  Beitr. 
z.  Gesch.  d.  deutschen  Sprache,  Bd.  XXVIII  1,  §§  61,  109,  111).  Wirk- 
lich fehlerhafte,  d.  h.  der  ursprünglichen  Bedeutung  des  Namens  nicht 
entsprechende  üebersetzungen  kommen  verhältnissmässig  selten  vor, 
und  wo  sie  vorkommen,  sind  sie  aus  den  bereits  genannten  Gründen  in 
der  Regel  leicht  zu  erklären.  Freilich  darf  man  nicht  mit  den  geschrie- 
benen Namensformen  allein  operiren,  die  sind  recht  unverlässlich.  Für 
Krain,  wo,  wie  gesagt,  die  mundartliche  üeberlieferung  zum  grossen 
Theil  nicht  mehr  besteht,  ist  man  hinsichtlich  der  deutschen  Namen 
allerdings  darauf  angewiesen.  Vielfach  aber  belehren  einen  ältere  ur- 
kundliche Formen  über  die  zu  Grunde  liegende  dialektische  Aussprache. 
Es  mnss  als  ein  grosses  Unglück  für  die  Ortsnamenforschung  betrachtet 
werden,  dass  nationale  Interessen  dabei  so  sehr  in  den  Vordergrund  ge- 
rückt werden  und  dass  man  nationale  Vorurteile  der  Gegenwart  auf  die 
Vergangenheit  überträgt.  Falsch  wäre  es,  die  volksthümliche  Umfor- 
mung als  Verballhornung  zu  bezeichnen.  Nach  dieser  Ansicht  wären 
auch  die  Lehnwörter,  die  der  Sprachwissenschaft  zur  Bestätigung  ge- 
wisser Lauterscheinungen  und  zur  Aufklärung  der  Lautverhältnisse 
vergangener  Sprachperioden  so  grosse  Dienste  geleistet  haben,  nichts 
anderes  als  Verballhornungen.  Ja,  jede  sprachliche  Veränderung,  die 
auf  Kosten  der  einem  Lautkomplexe  innewohnenden  Bedeutung  vor  sich 
geht,  müsste  dann  so  bezeichnet  werden.  Tiefe  Einsicht  ins  Sprach- 
leben, gründliche  Kenntniss  der  einzeldialektischen  Lautgesetze,  ein- 
gehendes Studium  der  Ortsnamenbildung  bei  den  einzelnen  Volksstäm- 
men können  allein  zum  Ziele  führen. 

Prag,  Ende  Februar  1905.  P.  Lessiak. 


In  der  letzten  Nummer  dieser  Zeitschrift  ist  inzwischen  ein  neuer 
Aufsatz  über  das  oben  behandelte  Problem  von  J.  Scheinigg  erschienen, 
der  mich  veranlasst  einige  Bemerkungen  hinzuzufügen. 

Ein  Personenname  (ahd.)  *Klago^  mit  dem  Scheinigg,  seine  Aus- 
führungen in  derCarinthia  I  wiederholend, Klagen(furt)  zusammenbringen 
will,  ist  denkbar,  aber  es  muss  nachdrücklich  betont  werden,  dass  es 
keinen  Beleg  dafür  gibt,   was  bei   dem  zahlreichen  ürkundenmaterial 


Noch  einmal  Klagenfurt-Celovec.  421 

immerhin  auffällig  ist,  und  zweifelsohne  hat  meine  Erklärung  in  Folge 
der  sachlichen  Anhaltspunkte  die  weit  grössere  Wahrscheinlichkeit 
für  sich. 

Geradezu  peinlich  berührt  mich  aber  die  Logik,  mit  der  Scheinigg 
die  Schreibform  Celovec  vertheldigt.  Er  sagt  S.  148:  »Die  schriftliche 
Fixirung  des  Namens  reicht  allerdings  nicht  weit  zurück«  (nämlich  bis 
1780),  und  ein  paar  Zeilen  weiter:  »es  ist  nicht  zulässig,  die  Erklärung 
altbezeugter  Ortsnamen  auf  moderne  Dialektformen  zu  stützen«.  Man 
tiberlege  sich  doch  einmal  die  Sache:  Der  slov.  Name  lautet  in  Mittel- 
kärnten  C9lm[9)c  oder  häufiger  Cldn{d)c  mit  Schwund  des  9.  Was  ist 
da  natürlicher,  als  dass  Gutsmann,  der  nach  Scheinigg's  Angabe  den 
Namen  zuerst  schriftlich  fixirte,  den  Vokal  der  Ruhelage  (s)  durch  e  er- 
setzte, ein  Verfahren,  das  ja  auch  in  der  slow.  Schriftsprache  üblich  ist 
(vgl.  pes,  godec  für  pds^  goddc)  ?  Gegen  die  Behauptung ,  in  Kärnten 
kenne  man  ausnahmslos  nur  die  Form  CSlövec^  muss  ich  entschieden 
protestiren.  Die  Aussprache  mit  e  gehört  in  Kärnten  nur  den  gebildeten 
Kreisen  an  und  ist  ohne  Zweifel  rein  schulmässig  (d.  h.  durch  die 
Schreibung  beeinflusst).  Echt  mundartlich  könnte  sie  nur  dort  sein,  wo 
sich  unbetontes  d  regelmässig  zu  e  wandelt,  so  etwa  in  Untersteier  (vgl. 
Grafenauer,  Archiv  27,  S.  139).  Geradezu  unbegreiflich  finde  ich,  wie 
ein  Ortsnamenforscher  der  Ansicht  sein  kann,  es  sei  misslich  moderne 
Dialektformen  zur  Erklärung  von  Ortsnamen  heranzuziehen.  Die  mund- 
artliche Aussprache  der  Ortsnamen,  mag  sie  noch  so  beschränkt  sein, 
bildet  doch  da,  wo  ältere  urkundliche  Belege  fehlen,  die  einzige  Grund- 
lage für  den  Forscher;  und  selbst  wo  solche  vorhanden  sind,  muss  die 
Dialektform  unbedingt  herangezogen  werden,  da  sie  uns  in  Folge  der 
grossen  Konsequenz  der  lautlichen  Entwicklung  in  den  Mundarten  über 
gewisse  Lautqualitäten  oft  Aufschluss  zu  geben  vermag,  während  die 
urkundlichen  Formen  uns  diesbezüglich  häufig  genug  im  Stiche  lassen. 
Im  höchsten  Masse  verkehrt  ist  es,  von  modernen  Schreibformen  auszu- 
gehen, die  ja,  wo  sie  nicht  sozusagen  buchstäblich  mit  der  volksthüm- 
lichen  Aussprache  zusammenfallen  oder  auf  alter  Ueberlieferung  be- 
ruhen, nur  als  Rekonstruktionen  im  Sinne  des  gegenwärtigen  schrift- 
sprachlichen Lautstandes  zu  betrachten  sind,  deren  Richtigkeit  aber 
keineswegs  immer  feststeht,  sondern  von  der  grösseren  oder  geringeren 
Vertrautheit  des  Schreibers  mit  dialektischen  Lautverhältnissen  abhängt. 
Wohin  die  Unterschätzung  der  Dialektform  führt,  zeigt  das  von  Schei- 
nigg —  vielleicht  in  Hinblick  auf  meine  in  der  genannten  Abhandlung 


422  P-  Lessiak, 

S.  1 18  aufgestellte  Etymologie  —  vertheidigte  Velikovec  (Völkermarkt], 
das  ich  oben  als  ein  gradezu  typisches  Beispiel  einer  falschen  Rekon- 
struktion angeführt  habe.  Scheinigg  stellt  die  Sache  gerade  auf  den 
Kopf:  Das  Volk  ist  im  Irrthum,  seine  Aussprache  —  Bhköyi[9)c^ 
Bllioii[d)c  —  beruht  bloss  auf  gelungener  Volksetymologie  und  der 
kaum  erst  der  Gegenwart  entrückte  Schreiber,  der  in  seiner  Deutungs- 
sucht das  »Monstrum«  Velikovec  schuf,  ist  unfehlbar.  Dem  Herrn  Prof. 
wird  doch  die  urkundlich  oft  belegte  Namensform  Volkin  —  Volchen  — 
Volke-marchet  bekannt  sein,  deren  erste  Hälfte  sicher  ein  slov.  Bolik-, 
Boljk-  voraussetzt.  Denn  1.  regelmässig  entspricht  in  früh  entlehnten 
Wörtern  dem  slow,  b  im  Deutschen  die  Lenis  f  (meist  v  geschrieben), 
während  der  Uebergang  von  slov.  ü,  das  die  Mehrzahl  der  kärntner 
Slovenen  noch  in  seiner  ursprünglichen  Geltung  als  Halbvokal  u 
(=  engl,  w)  bewahrt  hat,  zu  deutschem  v  {=  f)  unerhört  ist,  wenig- 
stens in  Kärnten.  In  Südsteiermark,  zumal  im  Osten,  wo  jenes  wohl 
schon  frühzeitig  zu  stimmhaftem  Reibelaute  wurde ,  wo  es  vor  stimm- 
losen Konsonanten  gegenwärtig  geradezu  als  f  erscheint,  wie  etwa  im 
Russischen,  kommt  eine  derartige  Substitution  allerdings  vor.  Das 
kärntnerische  Beispiel  Viktring  (gespr.^^n'w^),  slov.  Vetrinj\  das  etwa 
entgegengehalten  werden  könnte,  kann  ebenso  wenig  in  Betracht  kom- 
men wie  das  oben  angeführte  Pod  Veti-ovami^  Föderaun,  da  «  Vetrmj(( 
im  Volksmunde  gar  nicht  existirt.  Die  deutsche  Form  (urk.  X.  Jahrh. 
Vitrin)  setzt  ein  slov.  dial.  Bdtrinj{e)  voraus,  und  so  lautet  der  Name 
auch  im  Villacher  Bezirk  (in  Viktring  und  Umgebung  sagt  man  dafür 
KuqHr  d.  i.  Kloster).  —  2.  Der  Uebergang  von  e  [Velik-] :  o  {Volkin-)^ 
das  unter  dem  Einflüsse  des  folgenden  i  zu  ö  umgelautet  wurde,  ist 
schier  undenkbar.  Man  könnte  dagegen  einwenden ,  däss  in  deutschen 
Namen  zuweilen  ö  für  urspr.  e  eintritt,  vgl.  z.  B.  Wörth  für  altes 
Werid{e)^  Hörzendorf  für  Herzogindorf  \  dieser  Vorgang  ist  aber 
keineswegs  etwa  als  »Umlaut«  zu  bezeichnen,  wie  Scheinigg  dies  S.  150 
in  Bezug  auf  Wörth  thut,  sondern  die  Schreibung  mit  ö  beruht,  wie 
schon  erwähnt,  auf  der  mundartlichen  Aussprache,  in  der  etwa  seit  dem 
XV.  Jahrh.  e  und  ö  in  gewissen  Fällen  in  ein  geschlossenes  (ö-artiges) 
e  zusammengefallen  sind ;  vor  dem  XV.  Jahrh.  ist  eine  solche  Vertau- 
schung ausgeschlossen,  ^Bolikovec «  hat  übrigens  zahlreiche  Parallelen, 
vgl.  etwa  Bolikovice,  Bolkov  {Bolikov)  in  Böhmen,  Bolikov  in  Mähren 
(2  mal),  Bolkovci  in  Serbien.  Dazu  gehören  Bölk,  Bölkoic^  Bölken- 
dorf  in  Nord-  und  Ostdeutschland,  wo  im  Gegensatz  zum  Süden  slav.  h 


Noch  einmal  Klagenfurt-Celovec.  423 

unverändert  übernommen  wurde,  weil  die  Norddeutschen  germ.  h  als 
stimmhaftes  h  bewahrt  haben,  während  es  im  Süden  zu  p  wurde.  Daher 
war  man  hier  gezwungen  zu  einem  Ersatzlaut  zu  greifen  :  der  nächst- 
liegende war  die  —  früher  wahrscheinlich  stimmhafte  —  Lenis  f  (ge- 
schrieben v] ,  die  ja  auch  umgekehrt  im  Sloveniachen  durch  b  vertreten 
wird,  z.  B.  Fleck,  hlek^  Hafner,  hahnar  u.  s.  w.;  erst  später  tritt  dafür 
w  ein,  das  allmählich  seine  Aussprache  gewandelt  hatte,  sein  ursprüng- 
licher Lautwerth  war  nämlich  u  wie  noch  im  Englischen.  Ueber  diese 
Substitutionsverhältnisse,  die  wenigstens  zum  Theil  auch  für  das  Nord- 
slavische (speciell Tschechische)  gelten,  vgl.  Sievers' Beitr.  28,  S.  1 1 7, 1 36. 
Der  Name  Bolikovec  könnte  zu  holjka^  Ruchgras  (Pletersnik  S.  44)  ge- 
stellt werden,  ist  aber  eher  von  dem  Eigennamen,  tschech.  Bolik,  Bolek^ 
Bolko  (nach  Kott,  VI,  1033  eine  Koseform  zu  Boleslav)  abzuleiten. 
Das  deutsche  Volkin-  (genauer  Vblkin-^  denn  die  älteren  Quellen  lassen 
den  Umlaut  häufig  unbezeichnet)  kann  am  ehesten  als  Gen.  Sing, 
eines  schwachen  Maskulins  *  Volko  aufgefasst  werden,  das  genau  einem 
slav.  Boliko  entspäche.  (Deutschen  Ursprungs  kann  der  Name  schon 
deshalb  nicht  sein,  weil  ihm  unaspirirtes  k  zu  Grunde  liegt,  wie  dies 
die  ältesten  Schreibungen  mit  »/t«  —  d.  i.  unasp.  k  im  Gegensatz  zu  ch 
oder  kell  —  zeigen.)  Dass  sich  aus  "^ Bolikoiäci  dialektisch  Bl{d)köii9c 
entwickeln  konnte,  ist  selbstverständlich  (vgl.  etwa  Broide  aus  Borovlje^ 
ncp  aus  noco  u.  a.). 

ZurErklärung  von  Klagenfurt  möchte  ich  noch  bemerken,  dass  man, 
einen  Gen.  von  Klago  (ahd.  Klagin)  vorausgesetzt,  statt  des  dialekti- 
schen klilqgn-  ein  khlügn-  mit  hellem,  d.  h.  Umlauts-a  erwarten  würde, 
da  a  in  solchen  Fällen  regelmässig  sekundär  umgelautet  erscheint,  vgl. 
Ratzendorf  (zu  i^a^o),  Grafendorf  (zu  gravo),  gesprochen  rats?i-,  gräfn- 
nicht  rqtsti-,  grofn-.  »Grafenstein«  bildet  allerdings  eine  wegen  seiner 
Lage  leicht  zu  erklärende  Ausnahme.  Was  die  Form  Celovec  betrifft, 
so  ist  sie  lautgesetzlich  ebenso  unmöglich  wie  Stvolovec.  cSlo  lautet  in 
der  Ma.  ganz  regelmässig  ceuu^  demnach  sollte  man  die  Aussprache 
ceiiöiic  erwarten  [e  =  geschlossenes  e) ;  auf  Grund  der  Dialektform 
konnte  man  höchstens  *celjevec  ansetzen,  was  immerhin  Schwierigkeiten 
bietet.  Es  liegt  aber  auf  der  Hand,  dass  man  das  Auftreten  eines  v  in 
konservativeren  Dialekten  nicht  als  sekundäre  Erscheinung  betrachten 
darf.  Dass  der  Labial  vor  dem  zu  d  geschwächten  (vielfach  übrigens 
ganz  geschwundenen)  nebentonigen  i  schwinden  konnte,  ist  leicht 
begreiflich,    zumal   in   Mittelkärnten,   wo  wir  nicht  v  sondern  ti 


424  P-  Lessiak,  Noch  einmal  Klagenfurt-Celovec. 

vorauszusetzen  haben.  Richtig  ist  Scheinigg's  Bemerkung,  dass  modern 
slov.  cviliti  und  nhd.  klagen  sich  nicht  vollkommen  decken,  aber  sie 
ist  schliesslich  doch  recht  belanglos,  wenn  wir  die  übrigen  slav.  Sprachen 
in  Betracht  ziehen ,  wo  das  Wort  (das  übrigens  im  Tschechisch-polni- 
schen mit  anlautendem  ^  ei'scheint,  also  dem  Urslavischen  angehört) 
auch  die  Bedeutung  «wehklagen,  jammern«  hat  (z.  B.  tschech.  kviliti 
n^koho  jemand  beweinen).  Ebenso  wird  auch  das  deutsche  »klagen« 
noch  häufig  genug  im  Sinne  von  »jammern«  gebraucht  und  dient  in 
Dialekten  (z.  B.  in  der  Ma.  der  Sette  Communi)  geradezu  zur  Bezeich- 
nung des  Gewinseis  der  Klageweiber. 

Man  möge  mir  verzeihen,  wenn  ich  Einzelnes  zu  breit  behandelt 
habe;  aber  es  geht  nicht  an,  die  Ortsnamen  ausser  allem  Zusammenhang 
mit  den  lautgeschichtlichen  Verhältnissen  der  zuständigen  Mundarten 
zu  betrachten.  Denn  fast  kein  anderer  Bestandtheil  eines  Sprach- 
schatzes ist  so  sehr  Individuum,  erfordert  ein  so  tiefes  Eindringen  in 
das  Sprachleben  einer  örtlich  beschränkten  Sprachgemeinschaft  wie  der 
Ortsname.  Wird  dieser  Grundsatz  verkannt,  so  ist  es  schlechterdings 
ausgeschlossen,  die  Ortsnamenforschung  noch  ernst  zu  nehmen  und  sie 
als  Wissenschaft  zu  bezeichnen.  P.  L. 


Ein  GrigoroYic'sclies  Menaeum- Blatt  aus  dein 
XII.  Jahrhundert. 


Unter  den  im  Rumjancov'schen  Museum  in  Moskau  aufbewahrten 
Handschriften  der  Sammlung  V.  I.  Grigorovic's  befindet  sich  unter 
Nr.  1727)  ein  Pergamentblatt  des  Menaeums,  enthaltend  Sticheren  auf 
das  Fest  der  Mariä-Himmeifahrt  sowie  den  Schluss  der  achten  und  die 
ganze  neunte  Ode  des  auf  dasselbe  Fest  bezugnehmenden  Kanons 
(15.  Aug.).  Ungeachtet  des  ganz  unbedeutenden  Umfangs  (1  Bl.  20  X 
12,5  cm.)  zeichnet  sich  das  Fragment  durch  so  wichtige  paläographische 
und  sprachliche  Merkmale  aus,  dass  es  vollauf  verdient  herausgegeben 
und  analysirt  zu  werden.    Die  von  Sreznevskij  vor  mehr  als  35  Jahren 


Ein  Grigorovic'sches  Menaeum-Blatt  aus  dem  XII.  Jahrh.  425 

veranstaltete  Ausgabe  dieses  Fragmentes  in  dem  Werke  »^peBHie  cja- 
BKHCKie  naMHTiiHiai  locoBoro  nnctMa«  S.  213 — 214  muss  als  in  allen 
Beziehungen  unbefriedigend  bezeichnet  werden.  Zunächst  ist  bei  ihm 
der  Text  nicht  vollständig  herausgegeben.  Dann  aber  auch  trägt 
das  Mitgetheilte  alle  Anzeichen  einer  sehr  nachlässigen  Publikation 
an  sich. 

Auch  die  paläographische  Charakteristik  des  Fragmentes  ist  sehr 
ungenau.  Er  behauptet  z.  B.,  dass  in  der  Handschrift  der  Buchstabe  ß 
der  Form  D  sehr  nahe  komme,  allein  bei  näherer  Betrachtung  findet 
man  auf  der  rechten  Seite  des  Buchstabens  einen  genug  tiefen  Bug. 
Auch  die  Behauptung,  dass  in  dem  Fragment  neben  A  auch  noch  a  be- 
gegne, ist  ganz  unrichtig.  Der  einzige  Fall,  wo  man  a  so  erklären 
könnte  (1.  7),  rührt  davon  her,  dass  der  Buchstabe  durch  dicke  Auf- 
tragung der  Tinte  undeutlich  geworden  ist. 

Auch  die  Datirung  der  Handschrift  bei  Sreznevskij  (XIII.  Jahrh.) 
erregt  Bedenken,  da  weder  paläographische  noch  sprachliche  Merkmale 
des  Textes  etwas  bieten,  was  gegen  das  XII.  Jahrh.  sprechen  würde. 

Die  Handschrift  ist  mit  kleiner  Halbuncialschrift  geschrieben,  die 
eine  kleine  Senkung  nach  rechts  zeigt,  32  Zeilen  auf  jeder  Seite.  Sie 
wird  durch  die  konsequente  Anwendung  des  Vokals  k  statt  1%.  charak- 
terisirt.  Zuweilen  sieht  das  Zeichen  k  durch  einen  oben  angebrachten 
kleinen  horizontalen  Strich  sehr  nahe  der  Figur  T^.  Vergl.  Kf  CKMpkT- 
Hdrä  1  3;  MHOJK'kCTßO  1  "^  29.  Selbstverständlich  wird  auch  ki  immer 
nur  so  geschrieben,  und  zwar  findet  die  Verbindung  der  beiden  Be- 
standtheile  durch  einen  horizontalen  Strich  statt:  u.  Beachtenswerth 
ist  die  Anwendung  des  Buchstaben  a,  der  unter  gewissen  Bedingungen 
regelmässig  angewendet  wird.  —  Der  Buchstabe  ö  wird  zweimal  im  In- 
laut: JKHBOTÖ  1  23  und  TliAÖ  1^  8,  sonst  nur  im  Anlaute  gebraucht : 
i^cncHH  1  lo;  Hföciüna;Ri|JA  l  12;  ScneHHK»  1  30;  ÖEAH^aJTk  Vi. — 
Ebenso  kommt  nur  im  Anlaute  der  Buchstabe  W  vor.  —  Einen  alter- 
thümlichen  Charakter  drückt  dem  Fragment  die  Abwesenheit  der  jotir- 
ten  Vokale  auf,  mit  Ausnahme  des  Buchstaben  ra.  Die  Jotation  des  ü< 
und  (  wird  meist  durch  den  darübergesetzten  Punkt  angedeutet:  fCH 
1  2,  TBCjro  1 4,  cKHHHe  1 5,  ix^  l  6,  no;i;iiJH  1  i:,  HfSckindÄ\ip/Ä 
1  12  u.  s.  w.  Uebrigens  dieses  Zeichen  wird  auch  auf  a  und  selbst  auf 
H  und  w  gesetzt:  räno  1  1;  np-tMTarä  1  2;  ccckMpkTHarä  1  3;  Ck- 
MOTp^HHiä  1  4;  wmecKHrii  1  4-5;  ßkRHrayA  1  e;  YO^iidraHi^A  1  12; 


426  Gr.  Iljinskij, 

ivCTaKUUH  1  14,  H  1  17;  WCTH  CA  ib.  U.S.W,  —  Der  Doppelstrich  dient 
hauptsächlich  zum  Ersatz  des  schwachen  Vokals:  mjct"ho  1  26;  Hf- 
np'6cTaH"H0  l''  11;  HJH3pfMeH"H0  ib.  13-14.  Als  Interpunktions- 
zeichen gilt  der  Doppelpunkt  (:).  Zuletzt  seien  drei  nicht  uninteressante 
Schreibfehler  erwähnt:  noKOHiua  statt  noKOHijja  1  3;  HfnocTb^HA 
statt  HmocTbj;i,H/Ä   1  12  und  EkKO^nlv  A^^CTaiUA  statt  BbKOVn'6 

npk;l,bCTaUJA   1  24-25. 

Was  die  grammatische  Seite  des  Fragments  anbelangt,  sei  zuerst 
der  Gebrauch  der  schwachen  Vokale  hervorgehoben.  Die  Zahl  der 
Fälle,  wo  die  schwachen  Vokale  durch  volle  Vokale  ersetzt  werden,  ist 

T 

im  ganzen  nicht  gross,  und  zwar  4  mal  in  den  Wurzelsilben  :  lUiiiECBHra 
1  4-5,  H6CT"hc»  1  20  und  KfCK  1  ü,  17  und  3  mal  in  den  Suffixen:  ^Ht 
1  13,31  und  1^  19.  Wenn  nicht  bei  dem  geringen  Umfang  des  Fragmentes 
der  Ersatz  des  1%.  durch  0  nur  zufällig  fehlt,  so  könnte  man  nach  der 
Sprache  das  Fragment  als  ostbulgarischen  Ursprungs  bezeichnen,  worauf 
auch  der  Fundort  (irgendwo  im  Balkangebiete)  hinweisen  würde.  Die 
Wahrung  des  schwachen  Vokals  findet  namentlich  in  den  Präfixen  statt, 
zumal  bei  ck:  ckMpkTH  1  1;    ch,Mpb,Th>  1  2;  KfCkMpkTHa  1  3;  Ck- 

MOTpCHHra  1  4;  CkPAaCHO  1  26;  Ck3kIBa;i^L|JE  1^1;  bei  BTv  und  BT\3: 
BkHHräY/fV    1  e;     BkCKpCEHHEM   1  17-ls;     BkSBfAHHH    CA    1  Is;     BkC\'kl- 

ipaa^A  1 23;  BkKOYn-k  1 24;  BknHrauiE  1 26-27;  BknHEM  l""  1;  Bks- 
AkiYa;^i|j£  V  T,  BknHiiiiiJE  r  s-9;  Bkcnoeiuik  1^13;  Bknaki^m  ca 

l''  14;    BkM'Kl|JkLUH    1^  16;    BkCA'6;\k  1"^  2o;    BkSkHHEMk  T   25;  BkCt- 

aeh'Kh  1^  30 ;  in  wet^:  WKkCT0;s^4J6  V  6.  In  Suffixen  hat  sich  der 
schwache  Vokal  nur  7  mal  erhalten:  BkCkHkCKoa   1  9-10;  KpTHiaHk- 

CKkl    V  3;      EkC'kHkCKkllUlk     1^  lo;      anCCTOAkCKkl     1  lS-19;      B63Hf- 

B-KcTkHaia  1 27-2s;  TpkJKkCTB--;iiTk  1 31-32;  aHkrakCKoe  1^27-28, 
und  nur  4 mal  in  der  Wurzel:  BkC'Rii/i'K  1  2;  BkCkKk  1  s;  BkCH  1  30; 
TkA/A  1  7.  Ausgelassen  wurde  k  3 mal  bei  Präpositionen:  c  TOKOä 
1  28;  c  HHiuiH  ib.;  b  p/ftu,t:  1^  23;  16 mal  in  den  Präfixen,  und  zwar 
bei  KfSTs.:  CECkMpkTHara   1  3;    KfSHtB'KCTkHara    1  27-28;    bei  dem 

Präfixe    B'KS'k:    BkSBEAHMH   Ci   1   is;    BkCKpCfHHJM    1   17-18;    BkC^kl- 

ipaa^'Ä  1  23;  Bk3AWY^^'^4^^  ^"^ '5  BkcnotMk  P  14;  bei  h3'K  : 
HC  1  7,  11;  H3B04,Ai4JH  le;  HcnoB'k^a;RHJA;R  F  26-27;  bei  ck. 
CHTH  1  29  l""  12,  is;  crcThmk»  F  3;  bei  wb^k:  WBpaA<>B'»Hara  1  27; 
und  pa3:  pacferaHH  1  24.  Ferner  fehlt  der  schwache  Vokal  22  mal  in 
den  Suffixen:   ncrpEBiUH  1  1;   wcraBiUH  1  14;    HH»;HH\'k  1  14-15; 


Ein  Grigorovic'sches  Menaeum-Blatt  aus  dem  XII.  Jahrb.  427 

BivpHKiMK  1  16;  HfnopoHHaa  1  is;  npno;i,OKHKi\'K  1  19-20;  mktho 

1  21.;    ch.rAacHO  1  20;    lUKpa^OBaHaa  (?)  1  27;    KpacHOMO^  1  30; 

.^{MHKlMk    r   1;      Hfnp'kCTaH'HkIMH    l''  2 ;      RÜpHO    Vi]      HIO;k,H0V 

l^s;  ß(AMH  1^  y;  HmpIvCTaHHO  l'' 11;  (^,ha  r  12;   Hm.speMfHHO 

P  13-14;  np'fe;i,aEiiJH  1'  17;  ;i,aRKicKki;R  Tio;  np aaBHa»  1^23; 

TKOpi^oy  V  92-30.  Nur  7  mal  findet  man  den  schwachen  Vokal  in  den 
Wurzelsilben  ausgelassen:  ScntHH  1  10;  o\fcn£HHJ  1  22;  öcneHHio 
1  so;  MHorcMk  1  15;  3p1v\'/A  1''7;  ßctuh  1  24;  rji,(  1  5.  Einmal 
steht  k  unorganisch:  aHkrakCKO«  V  27-2S. 

Was  die  Anwendung  der  Nasalvokale  anbelangt,  so  sei  zuerst  die 
Unterscheidung  zwischen  A  und  ä  hervorgehoben.  Während  das  letzte 
Zeichen  in  den  Fällen  steht,  wo  der  Nasalvokal  noch  nicht  der  Labiali- 
sation  unterlag,  dient  a  zum  Ausdruck  des  bereits  labialisirten  Lautes, 
und  zwar  nach  in,  i]i,  H^,  JK^k,  und  u,,  und  vielleicht  nach  c  und  p.  Man 
vergleiche  einerseits  solche  Schreibungen,  wie:  hskoaalijh  1^3;  rOTO- 

BAL{J<A  CA  1^10;  rÄll|lf  1'  IG  und  26;  HÜÄÄljJH  N,!  1^  31;  BfAÄTK  CA 
1   9;     KanATK    1   13;     TÄ    1^7,9,27;     npt/KH    CA    1    14;     BABH    CA    1   il ; 

—  j  .1  c 

WCTH  CA   1   17;  BkSBEAHHH  CA  1  18 ;  pa\-H-A  1  27;    MH   CA   1  29;    CRTH 

CA  1  29;  pa\'H  CA  P  2;  roTOB'feuje  ca  Fe;  mah  ca  Tu;  Bknak- 

l|J6H  CA    1^  15;    npHBf^/ATCA    1^  27;    npHB6,l,/ÄTk  CA    V  22;    np-RCTA- 

B'ktTCA  1^25;  mÄhmth  CA  1^32;  3£MA  GM  14  —  Und  anderseits 
solche  Beispiele:  HESckina;f^i|j/ft  Ac,'  1  12;  rOTCBAiji/Ä  ACf  P9-10; 
BHJK/A  Ft\  V  ^;  X^/\  Aa^  1^19;  y<5A<*t<»hha  Ae^  1  12;  ki^a  Ac^ 
1^  21,  27;  C/si\it  1  24;  pAL^t  Ac2  V  19,  23.  Da  in  unserem  Texte  das 
Zeichen  a  nie  nach  den  palatalen  Zischlauten  begegnet,  so  muss  in  den 
Beispielen:  jkaao  li;  ctauja  I25;  ;v,uja  Ac^  r2o;  Hauj<ft  ACf  1'' 20 
nicht  das  etymologisch  verlangte  A  gesucht  werden,  sondern  jener 
Laut,  der  in  den  übrigen  Fällen  der  mittelbulgarischen  Texte  durch  ;r 
ausgedrückt  wird.  Nur  in  zwei  Fällen  scheint  A  als  Aequivalent  des 
alten  Nasallautes  A  zu  gelten,  und  zwar  in:  npt:cACtBAi|jHta  1^  24,  25 
und  TA  1  10.  Das  Beispiel  TkAA  GM  7  ist  zweifelhaft.  Beachtens- 
werth  ist  es,  dass  a  nicht  selten  statt  ^  nach  harten  Konsonanten 
steht:  MiAHTBA  Ac^  1  11;  caaB/ä  Ac^  F  13;  J,e,a  V  u;  actB/Äijje 
l^'ie;  HenocTk;i,HA  ACf  1  13;  e;k,HA  Ac'  l""  13;  no^BaA/Ä  Ac^  l^'i; 
np'tcT/ftÄ  Aci  r  17;  n(iiiRi;i,ATh.  1'  21  u.  22;  BkRHia^/Ä  1  0;  Bkc- 
X'kiLpaaY'A  1  23;  sp'KYA  1'  7;  ;i,HB'kX''^  l""  8-    Da  die  Beispiele  zu 


428  Gr.  Iljinskij, 

zahlreich  sind,  als  dass  man  in  ihnen  Schreibfehler  erblicken  dürfte,  so 
erscheint  als  das  einzige  Mittel,  diese  Formen  zu  erklären,  die  Annahme, 
dass  A  hier  den  seiner  nasalen  Resonanz  entkleideten  Laut  7f>.  aus- 
drückte. Diese  Annahme  findet  ihre  Bestätigung  in  dem  Umstände,  dass 
die  hervorgehobene  Erscheinung  —  mit  einer  einzigen  Ausnahme  in 
dem  Beispiele  3C>ß/Äi|je  1^  lo  —  nur  im  absoluten  oder  nichtabsoluten 
Auslaut  vorkommt.  Es  ist  aber  bekannt,  dass  die  Nasallaute  vor  allem 
und  zuerst  im  Auslaut  in  die  reinen  Vokale  übergehen.  Was  endlich 
den  Vokal  ?h  anbelangt,  er  wird  sowohl  an  seinen  ursprünglichen  Stellen 
aufrechterhalten  wie  auch  für  A  nach/.  Z.B.:  npH;iiTH  1  i;  npH;^Aa 
1  2;  t;R/Ke  1  0  und  1"^  25;  nc»;*iiiJH  1  7;  nc<;i\4JE  1  20,  P  26;  paoY;¥vHJf 
1  13;  TpkJKkCTB--;^Tk  1  32;  kjkh;*;  Gf  1  32;  Ck3KiBa;^i;jE  1^  i; 
WKkCTo;i;i|jf  P  1;  BkSAi^X'^'^U^'  ^"^"5  np-ScTA;^  Ac/  1^14; 
HT-Nx  Ac'  1^14;  ^aBkicKKi;^  ACf  F20;  kTkh;^  ACf  1"^  26. 

In  nachfolgenden  Fällen  wird  t  in  der  Bedeutung  von  i<i  angewen- 
det: BH^'kTeA't  1  5;  BkckKk  1  s;  BbcKMkCKam  l  0-10;  seniAt  1  n; 

BCAHH'KEMk    1  20;     rCTOB'SllJf   CA    P  5-6;    yk.HB'^YA   CA    1"^  S ;    BkCt- 

MkCKyMii  l^io;  np-kcTaßlvfTCA  1^25. 

Die  Zusammenziehung  der  Vokale  ist  durch  folgende  Beispiele  ver- 
treten: ScnEHH  1  10;  B'KpHkiMk  D^  1  le;  anocTOAkCKki  N^  uis-io; 
npnc»A<?KHki\-k    1  19-20;    BknHrä\'A    1  c;     HMark  in;    BknHrauj£ 

1  26-27;   SfMHkIMk  D3  1^  1  ;    Hf np'RCTaH"HkIIUlH  IJ^  1^  2  ;   ;i,HB'K)C/Ä  CA 

V  s;    BknH»LlJ{     ns-9;    BkCkSkCKklMk    1"^  lo;    HAHkCKkl     1"^  20. 

Die  Consonantenassimilation  findet  man  in  folgenden  Fällen :  K(Ck- 

MpkTHAß    1  3;    rj\,(    1  5;    HC  TkAA  1  7;    HC  TfK«    1  11 ;    BkCKpCfHHfü 

1  17-is;  BkCYkinjaa\'/Ä  1  23;  pacfewHH  1  24;  BkcnoeMk  1^  13;  Hcnc- 
B'b;^a;^i|j/ft;f^  r  20-27. 

i  epentheticum  fehlt  beinahe  gänzlich:  norpECiUH  1  1;  Kan^Tk 
1  13;  Sfiuii  1  14;  wcraBLUH  1  14;  np-tcTaßjHHk»  1  32;  np-Scraßf- 
HHE  1  5;  roTOBtuif  CA  1  5-6;  AUß'^X'^  CA  1^  8;  nptcTaB'RfTCA 

V  25;  3fMH  n  30 ;  ein  eluziges  mal  liest  man  stluiA'K  1  i7. 

Von  den  morphologischen  Eigenthümlichkeiten  ist  erwähnenswerth 
bloss  H4,£UJk  1 5  statt  h;i,«ujh.   Ist  das  Schreibfehler? 


BtHHE    npH;f;TH  :   räKO    H^<^AO    CkMpkTH    HCrpEBUJH  : 

BkctvMk  ckLipkTk  nptMTarä  npH;¥kAa  kh  :  h 


Ein  Grigorovic'sches  Menaeum-Blatt  aus  dem  XII.  Jahrh.  429 

•.e:  Ha  noKOHiUiV  i  np'kM,\,E  BCCKMpKTMara  : 

GkMOTpfHHiii  Tßoiro  :  CD  MHpa  Kh  Koy  :  vOiueckh 

ä  CAOBfCf  ßH;i,'kTfAlv  :  r^(  a  H^fiuii^  ckhhhc  5 

CTarii  :  ßknHräYA^  caksho  :  i^  HSKO^AipH  : 

HC  TKAÄ'*  Bk  h;h3hk  :  no;^LyH  ak»«  np**;  : 

Il'k  :  «■  :  H6;k,oo\'M'KiTK  ßcRKh,  :  — 

EfCK    MHpK    paytTK    CÄ  :   H    ßfi\4Tk    C4    ßkCkMkCKa 

ä  :  a  ScnfHH  th  ^bo  nVarä  :  ta  ko  MAßHk  po^i^  10 

liMaTk  :  Kk  po:KeHoyov  hc  tee«  :  mhtba 
HE^Ckina;f^L|j<A  :  Yct;i,aTaHi^/Ä  H«nocTk;i,H/A  ^ ; 

a  KanATk  ropki  ;i,h6  p^\^^m(  cä  :  macTHTa  ko 
ropa  :  (D  SfiHA  np-R/KH  cä  :  he  wcraBiuH  hh 
JKHHyk  :  MHoronik  niocpHfMk  :  np-feHTa«  15 

:k:  rn^e  :  ß-SpHkiMk  npHG'KH\HL|J£  :  — 

SfMA-t    KABH    CA  :  H    BfCk    J!L,\h    WCTH    CA  :  BkCKpCC 

HHtM^  TH  HcnopoHHara  BkSBEAHMH  CA  :  ano 
CTCAkCKki  AHKk  :  H  naTpHmpyk  h  MHKk  np 
no;i,OBHkiYk  :  no;i^i4JE  kh/ä  BEAHH'keMk  :  20 

•^  Gth  :  TAa  :  H  :  B  :  — 

Ha    Bf •■•   pkTHOf  '    OYCRJHHe    TH  :  KU,e    UTÜ    iKHBC» 

TS  :  w-a-H^  ÄHAki  HfBH^V"'^'*^  BkCYkinJaajC'Ä  : 
Bk  BCfMkä  MHpIvio  C/Äipe  padvräHH  :  EkKorn-R  ^h 

Anmerkungen:     1)  Sic.  2)  Sic.  3)  In  diesem  Worte  ist 

der  rechte  oberste  Theil  durch  ein  Loch  verletzt.  4)  man  kann  es 

vielleicht  auch  als  TkAA  lesen.  5)  Sic.  6)  Der  linke  Theil 

des  Buchstaben  h  hat  vom  Loch  gelitten.  7)  Nach  e  sind  Spuren 

von  c  und  der  rechte  Theil  von  M  sichtbar.  8)  Zwischen  w  und  a 

standen  einige,  durch  das  Loch  zerstörte  Buchstaben;  zwischen  den 
Buchstaben  a  und  H  stand  noch  ein  Buchstabe,  den  wir  nicht  entziffern 
konnten.  9)  Beinahe  der  ganze  Buchstabe  k  und  ein  Theil  von 

M  ist  durch  das  Loch  zerstört.  10)  Der  linke  Theil  des  Buchstaben 

M  ist  verstümmelt  durch  das  Loch. 


430  Gr.  Iljinskij, 

crauj/Äii  :  np-feHTOiuioyis  ^,^^  t'Saoy  :  f^K«  norpe  25 

B011J13...  HecT"HO  :  r/\a  ••  aßpHAki*  ckr^acHO  BbnHra 
me  :•  pa\'H  .ais:  wKpaAOßaHaia  ;i,bö  BesHtB-kcTk 
Hara  :  ri^  c  TOBCt;ii  :  c  HaMH  ^^  >Ke  läKO  CHoy  ch  h  BÖy  : 

JI  ■!? 

MH    CA    HAUh    CHTH    CA  : 

üpHA'tTe  BkCH  KpacHoiuioY  ScnfHHk»  :  np'kHT'fe^^  30 

H    BU,H    npaSHOyCMb  :  ;^HE    BO    aHI\\H    TpkJKkCTElS... 

;¥»Tii  :  np'KHTOiuio\'  np-kCTaBEHHio  :  b^;^  luii^--- 

Ha  no\-Baa/!\  SfiuiHkiiiik  :  cb3iviBa;f;qj£  BbnHEM  th  1^ 

Henp'KcTaH"HyMH  raacKi  :  payH  cä  :  Ha;i,c^c 

CnCEHHK»    HamCMOY  •  ^^^^    KpkTHtilHkCKK|20   ßC>Ji,h 
BijpHO    ÖBA/KatTk  :    ~ 

6r;i,a  np'KcTaBtHHE  :  np-kcTOMor  T'kaov'  ro  5 

TCB'kuie  ci  :  Tor^a  anaH  ivBhCTo;^HJ«2i  xi^^h.  :  ch. 
cTpayoMk  TA  3p'kX''Ä  :  u'bh  Bk3Ai^\'^^L|JE  :  T'b 
a8  MK»;i,HOY  AMß'^Y'*^  ci  :  ncTpk  cw  caksaniH  Bk 
nHtiJLUc    TH  :  w   ^bo  :  bh^K/A  t\  beamh  :  roTOBa 

4i/Ä    CÄ    Kk  (r'\-On;fHHK>  :  ^KHBOTf    BkCt^MkCKklMk  :  10 

np'kHTara  22  ^h  cä  Hfnp'KcTaH"HO  :  cho\'  ch  h  Boy 
chth  rpa;k,k  cboh  he^bh^hmo  : 
^  Ha  caaB/A  :  h  h  "nt  :  (;\,ua  CD  hh  :  raa  :  ^  • 

ripHAtTf  BkcnofMk  AK>e  :  np'RcT/Sv;^  ;i,b^  hta;*;  :  neii 


11)  Sic.       12)  Zwischen  np'tHTO  und  luioy  sieht  man  eine  Rasur. 
13)  Nach  uj  ist  ein  Buchstabe  verwischt  (a?).  14)  Von  A  ist  nur 

ein  Theil  übrig  geblieben.  15)  Von  c  sieht  man  nur  schwache  Spur. 
16)  Der  Buchstabe  a  ist  verstümmelt  durch  das  Loch;  vielleicht  sollte 
man  lesen  c  hhmh.  17)  Der  rechte  Bestandtheil  von  'S  ist  abgerissen. 
18)  Der  Buchstabe  0^"  ist  abgerissen.  19)  Die  übrigen  Buch- 

staben sind  abgerissen.  20)  Sic.  21)  Ein  Theil  von  ^  ist 

durch  das  Loch  verstümmelt.  22)  Das  linke  Ende  des  horizontalen 

Striches  von  'S  ist  durch  das  Loch  zerstört. 


Ein  Grigorovic'sches  Menaeum-Blatt  aus  dem  XII.  Jahrh.  431 

3peMfH"H0    npOH;i,£  :   KknAKL|lfH    CA    CAOKO    (ÜMf  :  30  15 

B/M{JE    H    rAAL|IE  :   I^ABEHa    TKl    BK    »^{Ha\'li  :   RA^KEHA 

i<i  Bk  rpoBlv  :  BkMliqjiiUJH  ya  :  ciuioy^E  bk  npü 

c'Fkh  pale'S  js^iii  ch  np'K^\aKiuH  :  iuioah  npli-TA^s 

ra  cncTH  XÜJ^  HauJA  :  — 

/^aBkicKu;^  n-bHiü  :  jv,n(  a\c(  nomh  :  yoy  Boy  npH  20 

BC;i,<IiT    C\    Aßhl  :  i;pi;H    ;1,B'KH   BKCAtl^li   (Jf,  i  npH 
Bt;i,ATK    Ci    Bk    BECEAHE    H    pA^OCTk  :  HBO    •••    ClvM£ 

He24  ;i^B^Ba  :  Haiuik  ••••  ra25  :  b  p/Au,'k26  c  •  •••  hh27  ^yi^ 

CBOH  np'k;i,acTk  np--- AaBHara^s :  np'kCAOB/Ä 

t       — 
HJKra29  np'kcTaB'keT  ca  :  E/'rjk«  rano  iupe  b»;h;^  :  25 

no;i^i|j£  BkSkRHfMk  rAAUJf  30  :  cncH  Hki  HcnoB'k 

;k,a;^.HJ/Ä;*i  tä  ei^a  :  ~ 

üpICHTHOMOY  TH  t'Sac»y  :  np-RMTaiä  ;i,BO  :  aHk 

PAkCKOE    MHCH^kCTBO    HA    HEBEYI^  '  H   MAMkCKkl 

po;V,k    HA    3fL1H    EA/KHTk  :   räKO    MTH    Bkl    TBO  30 

—       —  1  t 

pij,o\'  :  BkCEAEH-kii  \c>y  KOY  :  Toro  maljjh  Henp 

CTAH  3a    Hkl  :  MHIUI    TH    CA  :  TJB't    BO    CA    Ha^'^CIUI" 


23)  c  und  ein  Theil  von  B  sind  durch  das  Loch  zerstört. 
24)  Ein  Theil  des  Buchstaben  0  in  hbo,  beinahe  das  ganze  W  und  ein 
Theil  von  (  sind  zerstört  durch  das  Loch.  25)  Die  vorausgehen- 

den Buchstaben  sind  verwischt.  26)  Die  Buchstaben  a  und  u,  haben 
durch  das  Loch  gelitten.  27)  Die  fehlenden  Buchstaben  haben  durch 
das  Loch  gelitten.  2S)  Das  Fehlende  ist  verwischt.  29)  Die 

Theile  der  Buchstaben  n  und  p  haben  vom  Loch  gelitten.  30)  Ein 

Theil  von  i|i  ist  durch  das  Loch  verstümmelt. 

Gr.  Ilßnskij. 


Zusatz.  Wir  hätten  gewünscht,  dass  der  zweite  Herausgeber  des 
Blättchens  sich  auch  nach  dem  griecli.  Original  des  Textes  umgesehen 
hätte.  Für  die  Sticheren,  von  Zeile  22  angefangen,  hätte  er  selbst  in 
den  gewöhnlichen  griech.  Menaeen  den  Text   gefunden,   z.  B.  in  der 


432    Grr.  Ujinskij,  Ein  Grigorovic'sches  Menaeum-Blatt  aus  dem  XII.  Jahrb. 

venezianischen  Ausgabe  vom  J.  1884  steht  auf  S.  79  der  Text;  ttj 
dd'avdTfp  oov  yioii-irjasL  für  das  erste  Sticheron  (Ha  CECbMpkTHOE  ov'- 
cniHHi),  daraus  gewinnt  man  für  die  Lücke  der  Zeile  l'*  23  die  richtige 
Lesart  WBAai^ii  (griech.  verpelccL).  Für  das  zweite  Sticheron  npH/k.'kTe 
BiiCH  (Zeile  1*^  30)  findet  man  den  griech.  Text  auf  S.  SO:  Jevte  xr^v 
7tcr/Y.öofXLOV  y.oiuriaiv,  woraus  ersichtlich  ist,  dass  man  Z.  32:  B/Kh;i; 
lUITfpe  lesen  muss  (griech.  riig  d-EOj.ir^xoQog].  Für  das  dritte  Sticheron 
(Z.  l''  5  tr^a  np-KcTaBeHHf)  liegt  der  griech. Text  auf  S.  74  vor:  "Ore 
fj  /.lerdoTCiOig  tov  axQÜvtov  oov  OKrjvovg.  Dem  Sticheron  Z.  V  14: 
npH/i.'KTf  EbcnoJMk  entspricht  der  griech.  Text  auf  S.  73:  Jevre 
UVV uvrioio  1.18V  Xccol  ri]v  Ttavcr/iav.  Das  nächstfolgende  Sticheron 
Z.  l''  20:  y\,aßiü/k,kCKKi;¥;  H'Schh  findet  man  griechisch  auf  S.  74: 
JavlTLY.riv  v)öi]v  arji.i£Qov,  man  sieht  daraus,  dass  in  der  Z.  21  ;i,B'Kh 
zusammen  als  ein  Wort  gelesen  werden  muss,  obgleich  der  slavische  Text 
mit  dem  gedruckten  griechischen  hier  nicht  übereinstimmt,  denn  statt 
i;pi^H  /k.K'SH  steht  im  griechischen:  rcp  ßaoilel,  so  auch  im  heutigen 
slavischen  Synodaltext:  ij,pio  ^iiBKi.  In  der  Z.  22  muss  die  Lücke 
durch  (0  (ctMfHf)  ausgefüllt  werden  (Ix  aTtsQuarog),  das  weitere  je- 
doch stimmt  zum  gedruckten  griech.  Text  abermals  nicht,  es  müssen 
offenbar  andere  Lesarten  des  griech.  Textes  vorausgesetzt  werden,  da- 
rum ist  auch  die  Ausfüllung  der  Lücken  im  slavischen  Text  (ohne  andere 
Parallelen)  nicht  möglich.  Das  letzte  Sticheron  Z.  1"^  28:  np'KsTHO- 
MOY  TH  T'Saoy  kehrt  im  griech.  Text  auf  S.  73 — 74  wieder:  Ti]v 
jtüvGeTcrov  oov  ■/.oi/.irjOiv  .  .  . 

Diesen  noch  jetzt  in  gedruckten  griechischen  Ausgaben  nachweis- 
baren Sticheren  geht  jedoch  ein  Kanon  auf  die  Mutter  Gottes  voraus, 
den  ich  in  den  mir  augenblicklich  zugänglichen  Texten,  weder  im  grie- 
chischen noch  im  slavischen,  finden  kann.  Gewiss  wird  jedoch  dieser 
besondere  Kanon  in  alten  griech.  Handschriften  seine  Vorlage  haben. 
Man  müsste  sich  eben  darnach  umsehen.  Dann  würde  man  auch  den 
etwas  dunklen  Sinn  der  mit  CkMOTpeHHia  Z.  4  beginnenden  Strophe 
leichter  enträthseln.  V.  J. 


Kritischer  Anzeiger. 


Die  neueste  Uebersetziing  des  »Evgenij  Onjegin«  ins  Polnische. 

Russische  Dichter  sind  bei  uns  nicht  populär.  Die  Jugend  in  Kongress- 
Polen  lernt  sie  unter  gar  misslichen  Umständen  kennen,  nur  mit  Gewalt  in 
der  Schule,  welche  mehr  von  den  politischen  als  von  pädagogischen  Grund- 
sätzen geleitet  wird.  Es  ist  daher  auch  nicht  wunderlich,  wenn  sie  die  Werke 
dieser  Dichter  mit  einem  solchen  Widerwillen  studiert,  wie  sie  etwa  die  un- 
regelmässigen Verba  aus  dem  Griechischen  und  Lateinischen  einpaukt;  und 
hat  der  Schuldruck  nachgelassen,  so  nimmt  sie  von  den  russischen  Dichtern 
mit  Freude,  ja  oft  mit  Hass  Abschied. 

Die  übrige  polnische  Jugend  kennt  die  Hauptvertreter  der  russischen 
Poesie  nur  vom  Hörensagen,  im  besten  Falle  aus  polnischen  Uebersetzungen, 
welche  nicht  gar  zahlreich  sind  und  ihr  Wert  gewöhnlich  —  unter  aller  Kritik. 
Am  seltensten  und  am  schlechtesten  wird  Puskin  übersetzt.  Bisher  hatte 
man  nicht  einmal  eine  mittelmässige  Uebersetzung  seines  Meisterwerkes,  denn 
jene,  welche  im  Jahre  1847  erschien,  gleicht  eher  einer  Parodie,  als  einer 
Uebersetzung.  Sechsundzwanzig  Jahre  später  hat  Budzinski,  seines  Zei- 
chens Jurist,  das  erste  Kapitel  der  Dichtung  übersetzt.  Er  erfüllte  seine  Auf- 
gabe nicht  viel  besser,  als  der  erste  Uebersetzer  — Sikorski.  Ungleich 
besser  machten  ihre  Sache  in  kleineren  Fragmenten:  Plug,  Bartoszewicz 
und  Gomulicki. 

Endlich  erschien  im  J.  1902  die  zweite  vollständige  Uebersetzung  »Ev- 
genij Onjegin's«.  Uns  beschenkte  damit  ein  Petersburger  Advokat  unter  sei- 
nem Pseudonym  »Leo  Belmont«. 

Der  Uebersetzung  geht  eine  ausführliche  Einleitung  voraus,  in  welcher 
man  uns  versichert,  dass  »die  Form  des  Originals  genau  wiedergegeben  ist«. 
So  etwas  hat  bisher  noch  [Niemand  erreicht !  Zwar  hat  der  deutsche  Ueber- 
setzer, Dr.  A.  Lupus ,  die  Form  des  Originals  bewahrt,  aber  nur  ein  Kapitel 
gegeben,  hier  jedoch  haben  wir  eine  ganze  Uebersetzung. 

Aus  der  Einleitung  geht  eine  grosse  Selbstzufriedenheit  mit  der  voll- 
brachten Arbeit  hervor  und  die  Ueberzeugung,  dass  sie  so  ausgeführt  wurde, 
dass  man  in  ihr  »subtil  den  Geruch  des  Originals«  nachspüren  kann.  Wir  er- 
fahren, dass  Wi.  Spasowicz,  nachdem  er  die  zwei  ersten  Kapitel  der  Ueber- 
setzung kennen  gelernt  hatte,  den  Uebersetzer  »lebhaft  aneiferte«,  er  möge  sie 
weiterführen.  Wir  erfahren  ferner,  dass  der  Uebersetzer  sich  unter  dem  Ein- 
Archiv für  slavische  Philologie.    XXVn.  '  28 


434  Kritischer  Anzeiger. 

flusse  dieser  Anspornung  auf  die  weitere  Arbeit  warf  und  das  Ganze,  mit 
Ausnahme  einiger  Strophen,  die  er  noch  »auf  der  Schulbank«  übersetzte, 
»binnen  nicht  ganz  zwei  Monaten  beinahe  mit  schöpferischer  An- 
strengung beendete  und  zwar  mit  jenem  halb  schmerzhaften,  halb  wollüstigen 
Feuer,  welches  die  grosse  Liebe  zu  dieser  Arbeit  anfachte;  mit  jenem  grossen 
Zauber  der  wahren  Poesie,  der  auf  ihn  einwirkte;  mit  jenem  grossen  Glauben, 
dass  er  seinem  Leserkreis  etwas  Ureigenes  zu  Nutzen  bringt  und  schliesslich 
aus  grossem  Bedürfnisse  —  seiner  selbst  zu  vergessen«. 

Mit  um  so  grösserem  Interesse  kommen  wir  zur  Uebersetzung. 
Die  Dichtung  enthält  bekanntlich  zwei  ^Tinderschöne  Briefe:  Tatjanas 
und  Onjegins.   Den  Anfang  des  ersteren  finden  wir  so  übersetzt; 

» Pisze  do  pana  —  czegöi  wiecej  ? 

To  jedno  zdradza  serca  statt. 

Czy  wydrwisz  zapal  ten  dziewcz^cy? 

Czy  mnie  ukarzesz  wzgarda  pati? 

0  nie !  —  w  to  wierze  najgorecej, 

Ze  mi  litosci  podasz  znak, 

Ze  nie  zostawisz  pan  mnie  tak«  .  .  . 

Und  das  soll  heissen : 

»Ä  Baut  nnray  —  lero  ace  6o.il? 
Y/«o  ji  Mosy  eme  cKaaamh  ? 
TenepB,  k  sHaio,  bi  Baraeä  BOJii 
McHH  npeapiHiCM'B  HaKaaait. 
Ho  ehi,  K'o  Moeü  HecHacnmoit  dojm 
Xmih  KanjiTO  otcamcmu  xpauji, 
Bu  He  ocmaeume  Menn«. 

Das  ist  doch  etwas  ganz  anderes !  Im  Originale  fliessen  die  Worte  aus 
dem  Grunde  eines  bewegten  Herzens  und  finden  daher  Ausdruck  in  natür- 
lichen Wendungen,  wie  sie  im  Leben  vorkommen.  Da  gibt  es  keine  solche 
gekünstelte  Redensarten,  wie :  to  jedno  zdradza  serca  stau,  oder :  ze  mi  litosci 
podasz  znak,  ze  nie  zostawisz  pan  mnie  tak  . . .  Die  Reime  finden  sich  fast  ohne 
Mühe  zusammen,  sodass  man  sie  nicht  vermisst,  ohne  zugleich  damit  die  Sätze 
anzugreifen.  Anders  steht  die  Sache  in  der  Uebertragung.  Wenn  wir  in  dieser 
das  Reimwort ^««  weglassen,  so  gewinnt  nur  dadurch  der  Satz,  denn  er  ist 
eines  blossen  Reimwortes  entledigt.  Nicht  besser  ist  der  übrige  Teil  dieses 
Briefes  und  der  ganze  Brief  Onjegins  übertragen.  Von  beiden  sind  wir  ent- 
täuscht. Ausserdem  stossen  wir  auf  eine  Ueberraschung.  Der  Uebersetzer 
versicherte  uns,  die  Form  genau  bewahrt  zu  haben,  in  beiden  Briefen  finden 
wir  jedoch  eine  abweichende ,  frei  gewählte  Form.  Der  Brief  Tatjanas,  der 
um  einen  Vers  länger  geraten  ist,  hat  nur  37  von  80  Reimen  in  der  Reimweise 
des  Originals.  Der  Brief  Onjegins  zählt  aber  in  der  Uebersetzung  74  Verse, 
also  um  14  Verse  mehr,  als  das  Original;  von  diesen  74  Versen  stehen  nur  12 
in  der  Reimweise  des  Originals.  Also  wir  finden  in  der  Behauptung  des 
Uebersetzers  eine  Ungenauigkeit.  Hier  konstatieren  wir  noch  eine  andere 
merkwürdige  Thatsache.    Nach  der  Uebersetzung  folgen  die  Anmerkungen. 


Puskin's  Onjegin  in  poln.  Uebersetzung,  angez.  von  Nakonieczny.    435 

Zu  einigen  findet  sich  die  Kürzung  (p.  a.),  d.  h.  »Anmerkung  des  Autors«  und 
wieder  bei  anderen —  fp.  t),  d,  h.  »Anmerkung  des  Uebersetzers«.  Mit  der 
letzteren  Bezeichnung  sind  11  versehen,  doch  von  diesen  sind  durch  ein  Ver- 
sehen 7,  die  von  Puskin  herrühren,  dem  Uebersetzer  zugeschrieben.  Sehen 
wir  nun.  wie  die  Uebersetzung  sonst  hier  und  da  gerathen  ist.  Schlagen  wir 
das  Buch  beliebig  auf  und  lesen  wir  z.  B.  die  7.  Strophe  des  III.  Kapitels: 

»Tatjana  z  gniewem  plotek  slucha, 

Lecz  mysl  ta  jej  nie  puszcza  z  kleszcz  (!) 

I  minioicoli  to  giohi  ducha 

Dziwnej  radosci  budzi  dreszcz; 

I  w  serce  tvjjija  si^  potrocha  (!)... 

Czas  przyszedl  —  i  Tatjana  kocha! 

Tak  ziamo  pada  w  grünt .  .  .  a  wiew 

Wiosniany  cieplem  iywi  siew  .  . . 

Zdaicna  tpskniqcej  icyobrazni 

Potrzehnq  hyia  nowa  tresc; 

Pieszczotr  pragnie  tcziqc  i  niese. 

Zdradziecki  poryw  serce  drazni, 

I  mtoda  piers  jej  nie  chce  schnqc  (!)... 

Dusza  czekala  .  .  .  kogobadz!« 
Die  entsprechende  Strophe  des  Originals  lautet: 

»TaTLflHa  ciyuiajia  ex  aocaaoä 

TaKia  cmiemu;  ho  maÜKOMh 

Co  Heus^jicHUMOW  ompadoü 

HeeojbKO  dyMajia  o  mojm; 

H  So  cepdne  dyjna  sapoHUJiacb ; 

Ilopa  npHni.ia,  ona  Bj;io6iiJiacB. 

TaKt  BT.  3eMj[io  naamee  sepHO 

BeCHLI    OrHGMT.    OjKUHÄeRO. 

Jlaeuo  en  eooö'ßaoKenhe, 
Ceopaji  HJheoii  u  mocKoii, 
AjiKttJio  nmnu  poKoeou; 
HaßHO  ce'pdeHHoe  moMMme 
TjhCHiiÄO  eil  MÄadyjo  epydh ; 
Ü^Tua  acaaJia  .  -  .  Koro-HiiöyAt «. 

Der  auch  hier  einfache  und  klare  Stil  des  Originals  ist  in  der  Ueber- 
setzung gekünstelt  und  verdunkelt,  und  die  Reimnoth  führte  sogar  zu  gram- 
matischen Missbildungen :  kleszcz  (st.  kleszczy  oder  kteszczöw)  und  potrocha 
(st.  potrosze  oder  potrochu). 

In  den  ersten  fünf  Versen  sagt  der  Dichter,  dass  Tatjana  mit  Unwillen 
solchen  Tratsch  anhörte,  aber  insgeheim  musste  sie  doch  unwillkürlich  daran 
mit  einem  Gefühl  unsäglicher  Erleichterung  denken,  und  das  Sinnen  vergrub 
sich  in  das  Herz.  Was  macht  daraus  der  Uebersetzer?  Er  personificirt  »den 
Gedanken«  und  legt  ihm  dreierlei  Functionen  zu:  Tatjana  in  eine  Zange  zu 
fassen ,  auf  dem  Grunde  der  Seele  unwillkürlich  (gegen  wessen  Willen  ?;  ein 

28* 


436  Kritischer  Anzeiger. 

Erbeben  sonderbarer  Lust  zu  erwecken,  und  allmählich  sich  in  das  Herz  ein- 
zusaugen. 

Vergleichen  wir  die  fünf  letzten  Verse.  Das  Original  sagt  uns:  »Ihre 
verzärtelte  und  sehnsuchtsvolle  Phantasie  hungerte  nach  der  fatalen  Nah- 
rung; die  lange  Qual  des  Herzens  drückte  ihre  junge  Brust.«  Diese  zwei  ganz 
klare  Sätze  werden  in  der  Uebersetzung  zu  vier  unklaren  erweitert:  »Ihre 
sehnsüchtige  Phantasie  verlangte  schon  lange  nach  neuem  Stoffe ;  die  Zärt- 
lichkeit (Object)  wünscht  sie  (wer?  die  Phantasie?)  zu  fassen  und  zu  tragen; 
der  verrätherische  Drang  (wessen?)  reizt  das  Herz,  und  ihre  junge  Brust  will 
nicht  eintrocknen  (sie!).«  Es  ist  nicht  leicht  zwischen  diesen  Sätzen  einen 
Zusammenhang  zu  finden,  und  der  letzte  Satz  ist  geradezu  komisch. 

Aus  den  gegebenen  Beispielen  kann  man  zwei  Schlüsse  ziehen:  dass 
der  Uebersetzer  nicht  vermochte  einen  entsprechenden  Stil  zu  treffen,  und 
dasB  er  in  Reimnoth  nicht  immer  das  richtige  Wort  traf.  Man  muss  aber  be- 
kennen, dass  er  mit  grossen  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  hatte.  Die  Dichtung 
ist  in  14  zeiligen  Strophen  verfasst.  Die  Strophe  zerfällt  in  drei  Einheiten  zu 
je  4  Zeilen  und  eine  zu  2  Zeilen.  In  den  ersten  vier  Zeilen  haben  wir  über- 
greifenden Reim,  die  weiteren  4  Zeilen  reimen  fortlaufend  paarweise,  die  üb- 
rigen vier  haben  die  Reimstellung:  die  erste  mit  der  vierten  und  die  zweite 
mit  der  dritten.  Die  abschliessenden  zwei  Zeilen  bilden  für  sich  ein  Reim- 
paar. Schon  diese  complizirte  Reimtechnik  musste  dem  Uebersetzer  genug 
Schwierigkeiten  bereiten  —  wenn  er  die  Form  des  Originals  einhalten 
wollte.  Aber  er  fand  nicht  allein  diese  Schwierigkeit,  die  ausserdem  nicht 
einmal  die  grüsste  war.  Die  männlichen  Reime  überwiegen  in  der  Dichtung 
entschieden  gegenüber  den  weiblichen,  denn  es  kommen  ihrer  in  jeder  Strophe 
acht  vor.  In  der  russischen  Sprache  konnte  man  dafür,  bei  der  Beweglichkeit 
des  Accentes,  auch  mehrsilbige  Worte  gebrauchen,  während  man  im  Pol- 
nischen dafür  nur  einsilbige  Worte  verwerthen  konnte  und  solcher  hätte  man 
fast  3000  brauchen  müssen.  Diese  Nothwendigkeit  war  es  gerade,  die  dem 
Uebersetzer  die  grössten  Schwierigkeiten  im  Reimen  bereitete.  Um  sie  zu 
überwinden,  bediente  er  sich  der  mannigfaltigsten  Kunstgriffe.  Am  häufig- 
sten hat  er  die  einfachen  Sätze  des  Originals  entweder  in  gekünstelte ,  oder 
in  banale  umgewandelt.   Wo  der  Dichter  den  Lesern  seine  Heldin  vorstellt, 

heisst  es : 

»HraKt,  OHa  suajiacL  TaiLaHofi. 

Hu  Kpacomoii  cecmpu  ceoeä, 

Hu  CEiacecTLH)  ea  p3rMaHofi 

He  npuBJieKjia  6i>  ona  oiefi«. 
Der  Uebersetzer: 

»A  zatem  zwano  j^  Tatjana  .  .  . 

Nie  wiem,  iv  czem  byi  jej  wdzirku  Mucz  ?  .  .  . 

Swieiosci^  siostry  swej  rumiana 

Nie  moglaby  poci^gnac  ocz«. 
Der  erste  und  dritte  Vers  sind  wörtlich  übertragen,  weil  hier  im  Pol- 
nischen derselbe  Reim  möglich  war  [Taijanq — rumianq).   Der  dritte  Vers  be- 
dingte die  wörtliche  Uebersetzung  des  vierten,  dieser  aber,  da  er  auf  das 


Puskin's  Onjegin  in  poln.  Uebersetzung,  angez.  von  Nakonieczny.    437 

Wort  öcz  ausklang,  nüthigte  den  Reim  dem  zweiten  auf.  So  entstand  die 
ungeschickte  und  gekünstelte  Wendung:  Niewiem,  w  czem  hyi  jej  wdzi^ku 
klucz  ? 

Solcher  und  noch  ärgerer  Beispiele  gibt  es  in  der  Uebersetzung  eine 
Fülle,  z.  B.:  O  ekonomii powziqt  sqd  (S.  51)  (H  öLi-it  rjiyöoKiir  aKOHOM-tj,  Az  go 
fortuna  pcJmfia  wtyi  (S.  48)  (H  npoMOiajc/i  HaKOueitt),  Wizycie  nadac  dalszy  ciqg 
(S.  218)  (IlycTLiHHbiii  saMOKt  naEtmaxt)  u.  S.  w. 

Die  12.  Strophe  des  dritten  Kapitels  schliesst  mit  einem  Excurs  auf 
Byron.  Im  Originale : 

»jropat  EaSpouT),  npuxoxtio  y^aiHou, 

OöJieK'o    6h    yHhlJlhlÜ  pOMÜHmiUMh 

H  6e3Hadeo/CHhiü  ^^0U3M^«. 
In  der  Uebersetzung: 

»Lorda  Byroua  kaprys  zreczny  — 
I  egoizmu  ciemny  swiat 
Przyoblöki  w  romantyzmu  kwiatc 

Das  Bild,  dass  man  eine  rätselhafte  »dunkle  Welt  des  Egoismus«  in  eine 
Blume  einkleidet,  ist  sonderbar.  Es  wird  nicht  Jedem  einleuchten.  Der 
Uebersetzer  liebt  gewiss  die  Blumen  und  schmückt  daher  so  oft  damit  den 
Versschluss,  dass  man  von  seinen  Blumen  einen  hübschen  Strauss  zusammen- 
binden könnte.  Ausser  lebenden  benützt  er  auch  Kunstblumen.  Davon  haben 
wir  solche:  »der  Romantik  Blume«  (S.  110),  »der  Liebe  Blume«  (S.  112),  «der 
Seele  Blume«  ;S.  136),  »der  Täuschung  Blume«  (S.  87)  und  sogar  dreimal  »der 
Schwärmerei  Blume«  (S.  147,  205,  239). 

Die  Künstelei  und  Banalität  begegnet  sehr  oft;  seltener  sind  die  Verse 
angestückelt  mit  Zusätzen,  wie:  wstecz,  otözmasz,  snadz,  ha,  ot,  ach  u.  s.w. 
(Vgl.  S.  217;  105,  118;  78;  49;  151,  169;  69,  132,  226).  Es  sei  nur  ein  Beispiel 
angeführt:  Xie  pr^dko  krok  stqd  cofnie  wstecz.  (Im  Originale  fehlt  dieser  Vers). 
Kann  man  denn  etwas  vorwärts  zurückziehen?  Daher  ist  auch  wstecz 
vollends  überflüssig.  Und  so  sind  auch  die  anderen  angeführten  einsilbigen 
Reime,  meist  Interjectionen,  überflüssig. 

Auf  solchen  Wegen  kam  der  Uebersetzer  zur  erforderlichen  Anzahl  ein- 
silbiger Worte.  Diese  Wege  sind  aber  nur  zu  sehr  ausgetreten  von  unzähligen 
Reimschmieden;  wirkliche  Dichter  gehen  nicht  so  vor. 

Die  Worte ,  welche  der  Uebersetzer  nur  um  den  Raum  auszufüllen  an- 
wendete, dienten  ihm  zugleich  zu  einem  noch  anderen  Zwecke:  er  künstelte 
damit  an  dem  Rhythmus.  Nehmen  wir  einige  Beispiele:  Po  tamtej  stronie-ha! 
nikogo,  ktoby  pomocnq  podal  dion  (S.  163)  (He  eujuix  HUKoro,  kto  pyny  et  Tofi 
CTopoHti  no;iajn>  6h  eii);  Ow  Grandison  .  .  .  ba!  graczem  hyi .  .  .  (S.  96)  (Ceä 
rpaHaucoHt  ÖBiJfi  .  .  .  nrpoKt);  Wipc  pana,  ach!  nasz  skromny  sad  nie  zn^ci 
woniq  niezahudek" .  .  .  (S.  121).  Im  Originale  fehlt  dieser  Vers.  Augenschein- 
lich dient  die  Interjection  ha  im  ersten  Beispiele  zu  dem  Zwecke,  um  den 
zweiten  Trochäus  der  Reihe  nach  anzustückeln. 

Aehnlichen  Dienst  leisten  auch  die  Interjectionen  in  den  übrigen  Bei- 
spielen. Im  Vorworte  sagt  der  Uebersetzer,  dass  man  bei  der  Uebertragung 


438  Kritischer  Anzeiger. 

eines  dichterischen  Werkes  auf  zwei  Dinge  zu  achten  habe :  auf  die  gestal- 
tende Kraft,  das  heisst  die  Details  treu  im  Geiste  des  Originals  anzubringen, 
und  die  Ausdrücke  im  Originale  mit  synonymischen  Bildern  zu  ersetzen.  Be- 
trachten wir  die  Uebersetzung  noch  von  diesen  zwei  Gesichtspunkten. 
Nehmen  wir  z.  B.  ein  Verspaar  aus  der  35.  Strophe,  Kapitel  I: 

»Bciaexi  Kyneii'B,  iidenro  pasHOcnuKo, 

Ha  öirpacy  thhctch  hbbos^hki«. 
Der  üebersetzer  hat  das  so  wiedergegeben : 

»Wstal  kupiec,  ledicie  ziciöczy  troszka, 

Na  stacye  wlecze  si^  doroika«. 

Hier  haben  wir  also  ein  Detail,  das  nicht  im  Originale  ist,  doch  zweifeln 
wir,  ob  es  im  Geiste  des  Originals  und  überhaupt  nöthig  ist  —  ausser  wegen 
des  Reimes  dorozha.  Vor  allem  macht  dieses  Detail  einen  komischen  Ein- 
druck und  ausserdem  ruft  es  eine  Frage  hervor,  auf  die  wir  nicht  zu  antwor- 
ten wissen:  »Womit  säumt  der  Kaufmann?«  Nicht  mit  dem  Aufstehen,  weil 
er  sich  schon  erhoben  hat,  also  womit?  —  Es  gibt  noch  andere  merkwür- 
digere Details.  Greifen  wir  z.  B.  vier  Zeilen  aus  der  18.  Strophe  des  IL  Ka- 
pitels heraus : 

«TaKX  TO^HO  crapLiü  uHEajHAt 

OxoTHO  njiCHHit  cjiyx-B  npH.ieacHi>iH 

Kx  pascKasaJit  iohhxx  ycaieü, 

SaÖBixLifi  BX  suaeuHi  CBoeu«. 

In  der  Uebersetzung  werden  diese  Zeilen  so  wiedergegeben : 

»Ach!  inwalida  stary  tak, 
Kiedz  wasaczöw  mladych  spotka, 
Siyszy  ic  sicej  chacie  annat  ryk, 
0  nowe  boje  pytac  zwykl«. 

Auf  Jemanden  treffen  (begegnen)  kann  man  nur  ausserhalb  des  Hauses, 
im  Inneren  kann  man  Jemanden  nur  empfangen,  begrüssen,  aber  nicht  treffen. 
Der  alte  Invalide  also  verlässt  sein  Haus  und  begegnet  jungen  Soldaten  —  da 
hört  er  in  seinem  Hause  zugleich  Kanouengebrüll  und  fragt  diese  über  neue 
Kämpfe.  Von  woher ,  um  Gottes  Willen ,  kamen  in  sein  Haus  Kanonen  und 
wozu  brüllen  diese?  Wenn  sie  ein  Zeichen  der  Kämpfe  sein  sollen,  denen 
der  Invalide  beiwohnte,  wozu  hat  man  sie  in  das  Haus  gebracht,  und  vorher 
den  Hausherrn  hinausgeführt?  Wir  glauben  nicht ,  dass  ein  Hinzufügen  sol- 
chen Details  treu  im  Geiste  des  Originals  gehalten  ist,  dessen  Autor 
einen  so  reich  entwickeltbu  Kunstsinn  besessen  hat.  Das  Ist  wahrlich  eine 
Zumuthung,  die  man  hier  einem  grossen  Namen  in  der  Literatur  zufügt. 

Vielleicht  aber  sind  dem  Üebersetzer  synonymische  Bilder  gelungen? 
Das  wollen  wir  sehen. 

Zwei  Worten  aus  der  43.  Strophe  des  I.Kapitels  nosdnew  no;poii  entspricht 
in  der  Uebersetzung  ein  »synonymisches«  Bild:  Gdy  7ioc  rozpostrze  ciejnnq 
dion.  An  anderer  Stelle  (Kapitell,  Strophe  38;  der  Ausdruck:  m  otcusHU  eoece 
oa;./zad7bJ2Z)  ist  wiedergegeben  mit  einem  solchen  Bilde:  j/'aÄ&y  z  iyciem  zerwal 


Puskia's  Onjegin  in  poln.  Uebersetzung,  angez.  von  Nakonieczuy.    439 

slub.    Statt  der  Wendung :  JPasMiHHo  nomiop/imb  odm  (Kapitel  IV,  Strophe  S) 
haben  wir:  Ti/ch  samych  siöio  spozyicac  tvikt  (sie  !). 

Diese  Bilder  erinnern  an  sehr  ferne  Zeiten,  etwa  in  pseudoklassischer 
Zeit  hat  man  solche  gemacht.  Noch  ein  Bild !  Im  Originale  lautet  der  Anfang 
des  I.  Kapitels  der  52.  Strophe: 

»BÄpyrt  no.iygiiitx  oui.  bx  caMOMi.  a§jl 

Oti.  ynpaBUTCüfi  ÄOKjaÄ'B, 

Y;«o  d/iöji  npu  cjuepmu  ez  nocmejm, 

H.  et  HUM-s  npocTUXBCfl  6i>i.n>  6bi  paat«. 
Die  entsprechende  Stelle  der  Uebersetzung : 

»Wkrötce  mu  rzadca  przy  raporcie 

Doniösl,  ie  wuj  opuszcza  swiat, 

/  ie,  w  Letejskiin  stojqc  porcie, 

Poiegnac  si^  z  siostrzanem  rad«. 
Dieser  Onkel  hat  sich  verspätet:  im  Hafen  Lethes  stehend,  konnte  er 
nicht  mehr  von  seinem  Neffen  Abschied  nehmen ,  wenn  er  es  auch  noch  so 
lebhaft  gewünscht  hätte. 

Wir  wollen  nicht  weiter  die  Beispiele  mehren ,  denn  es  ist  uns  nur  um 
die  Charakteristik  der  Manier  des  Uebersetzers  zu  thun. 

Es  gibt  auch  bei  ihm  hübsche  Stellen,  sogar  sehr  gute,  ja  vortreffliche. 
Was  aber  —  wenn  diese  nur  sehr  wenige  Verse  zählen!  Noch  viel  schwerer 
ist  es  eine  ganze  Strophe  zu  finden,  die  vollkommen  genügen  würde,  obwohl 
es  auch  solche  gibt.  Wir  führen  nur  eine  an,  die  thatsächlich  sehr  ge- 
lungen ist. 

Im  Originale : 

»HeaBnaciiM'i  ohi.  .leaca-ix,  ii  CTpaHCHt 

Elijix  TOMHbiH  Mupt  CFO  qe.ia. 

IIo;i;i.  rpyst  ohi.  öbmi.  na  s.hiÄQi'h  paneH^; 

^BIMaCB,  USt  paHBI   KpOBB   TeK.ia. 
Tony  Hasa^'B  ojho  JirHOBeHBe 
Bx  ceii-B  cep;w£  öh.iocb  BSoxHOBeHBe, 
Bpaacaa,  Ha;ie2C3;a  u  jiioöobb, 
Hrpajia  aoisHB,  Knni.aa  KpoBB: 
TenepB,  KaRX  bi.  aoMi  onycTijroMt, 
Bce  B-B  Hejix  h  tiixo,  u  tcmho; 
3aMOJiKjio  HaBcerÄa  oho. 

BaKpUTtl    CXaEHH,    OKHa    Mi.IOMl. 

3a6i.ieHBi.    XosafiKii  h^t-b. 
A  r;3,i,  Eorx  BiciB.     npona.ix  u  ciij-B ! « 
In  der  Uebersetzung: 

»Le:^al  bez  ruchu.    Dziwnie  byia 
Spokojna  twarz  .  .  .  Smierc  starla  gniew. 
Kula  na  wylot,  piers  przebila; 
Dymi^c  sie,  z  rany  ciekla  krew  .  .  . 


440  Kritischer  Anzeiger. 

Wczesniej  o  jedno  okamgnienie, 
A  bilo  w  sercu  tem  natchnienie, 
Nadzieja,  milosc,  bolesc,  gniew, 
Igralo  iycie,  wrzala  krew. 
Teraz,  jak  w  domu  opuszczonym, 
Cisza  i  zirfrok  ...  Na  pustki  znak 
W  niin  okienice  przywarl  hak 
Ku  szybom,  kreda  pobielonym. 
üszla  zen  pani  kedys  w  swiat .  .  . 
Gdzie  jest?  —  wie  Pan  Bog  .  .  .  Przepadl  slad« .  , . 

(Kap.  VI,  Str.  32). 

In  dieser  Strophe  finden  wir  zwar  »ein  Detail«  'smierc  starta  gniew), 
welches  nicht  bei  Puskin  ist,  aber  es  ist  in  der  That  treu  dem  Originale  nach- 
gebildet und  schadet  daher  gar  nicht.  Wenn  die  ganze  Uebersetzung  dem 
Werthe  nach  dieser  Stelle  gleichkommen  würde,  so  hätten  wir  für  den  Ueber- 
setzer  nur  Worte  des  Lobes  und  Dankes.  Leider!  die  ganz  gelungenen  Stro- 
phen kann  man  auf  den  Fingern  zählen,  in  der  übrigen  Uebersetzung  suchen 
wir  vergebens  jene  Vorzüge,  die  der  Uebersetzer  selbst  dem  Originale  aner- 
kennt: weder  die  reizende  Einfalt  der  Sprache,  die  Trefflichkeit  und  Kraft 
des  Stils,  die  Leichtigkeit  des  Eeimens  und  die  unverdorbene  Reinheit  des 
Rhythmus ,  noch  die  Fertigkeit  im  Schaffen  von  Bildern  finden  wir  in  der 
Uebersetzung. 

Die  ersten  Kapitel  sind  ganz  unzulänglich,  die  letzteren  vom  fünften  an 
sind  im  grossen  und  ganzen  besser  ausgefallen.  In  ihnen  finden  wir  weniger 
willkürliche  und  ungerathene  Details  und  schiefe  Bilder,  welche  als  synonyme 
Wendungen  zum  Originale  fungiren  sollen,  die  aber  in  der  That  ein  Merkmal 
der  Schwäche  des  Uebersetzers  sind.  Je  weniger  Künsteleien  darin,  um  so 
häufiger  finden  wir  dafür  kunstvolle  Züge,  wofür  das  beste  Beispiel  die  obige 
Strophe  aus  der  Duellscene  sei.  Man  muss  bedauern ,  dass  die  Uebersetzung 
in  so  ungewöhnlich  schneller  Zeit  zustande  gebracht  wurde.  Hätte  sie  einige 
Jahre  gedauert,  so  würden  wir  vielleicht  eine  Uebersetzung  bekommen,  die 
zwar  sicher  nicht  dem  Originale  gleich  ,  aber  doch  nicht  so  weit  davon  ent- 
fernt gewesen  wäre.  Anstatt  dessen  hat  sich  der  Uebersetzer  die  Aufgabe 
erleichtert  und,  wie  er  selbst  mittheilt,  »fast  in  zwei  Monaten«  beendet.  Und 
daher  gestaltete  sich  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  diese  Uebersetzung  zu  einem 
Convex-Spiegel,  der  die  Züge  des  Originals  schlecht  wiedergibt. 

Wlodzimierz  Nakoniecz7iy. 


Neueste  Publikationen  über  Kijever  Blätter,  angez.  von  Jagic.       441 

H.  K.  rpyncKiii.  IlaMHTHHKH  h  Bonpocti  ;i;peBHeejaBflHCKOH  nncLMeH- 
HocTH.  ToMT,  I.  lOpLeBt  1904  (besteht  aus  vier  Heften,  die  drei 
ersten  unter  dem  Titel :  KieBCKie  rjiarojimiecKie  jiiictkii,  auf  60.  59. 
52  Seiten;  das  vierte  unter  dem  Titel:  IIpaatcKie  rjiarojiHqecKie 

OTptlBKH  H  MST,  HCTOpin  XOpBaXCKOH  TJiarOJEHUiLl). 

Prof.  Dr.  Vaclav  Vondrak.  0  püvodu  kijevskych  listü  a  prazskych 
zlomkü  a  o  bohemismech  v  starsich  cirkevneslovanskych  pamat- 
kach  vübec.  V  Praze  1904.  8«.  X.  114. 
Die  glagolitischen  Kijever  Blätter  fesseln  in  einemfort  die  Aufmerk- 
samkeit der  slavischen  Philologen.  Im  vorliegenden  sind  zwei  dieser  Frage 
gewidmeten  Werke  citirt.  Das  erste  rührt  von  einem  aus  der  Charkover 
Universität  hervorgegangenen,  jetzt  an  der  Dorpater  (=  Jurjever)  wirkenden 
russischen  Slavisten  her,  das  andere  von  unserem  Wiener  Kollegen,  aber  in 
Prag  in  den  Publikationen  der  böhm.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  heraus- 
gegeben. N.  K.  Grunskij  behandelt  das  Denkmal  recht  ausführlich  (in  drei 
Heften,  zusammen  auf  171  Seiten).  Seine  Darstellung  beginnt  immer  mit  sehr 
genauen  Rückblicken  auf  all'  die  bisher  lautgewordenen  Vermutungen  be- 
treffs der  Entstehung,  des  Ursprungs  und  des  Alters  des  Denkmals.  Dann  und 
wann  beschränkt  sich  sogar  seine  Aufgabe  auf  die  Aufzählung  fremder  An- 
sichten mit  Hervorhebung  derjenigen,  denen  er  beistimmt.  Bei  diesem  eklek- 
tischen Verfahren  kommt  das  Endresultat  wenig  in  Betracht.  Besondere 
Aufmerksamkeit  wurde  der  paläographischen  Seite  der  Kijever  Blätter  zu- 
theil,  der  Analyse  der  verschiedenen  supralinealen  Zeichen,  die  als  Spiritus 
und  Accente  zu  fungiren  scheinen.  Nun  bildet  aber  auch  in  der  viel  kürzer  ge- 
fassten  Studie  Vondräk's  (auf  47  Seiten)  gerade  diese  Seite  des  Denkmals  den 
Hauptanziehungspunkt  und  es  liegt  der  Wunsch  nahe,  die  beiden  Forschungen, 
die  unabhängig  nebeneinander  gehen,  einer  Vergleichung  zu  unterziehen.  Ihr 
Standpunkt  ist  stark  verschieden.  Prof.  Vondräk  geht  auch  hier  wie  bei  den 
wenigen  in  Freisinger  Denkmälern  vorfindlichen  Zeichen  von  der  althoch- 
deutschen Bezeichnung  der  Vokale  mit  Accenten  aus  (S.  7 — 9) ,  er  setzt  also 
offenbar  voraus ,  dass  die  althochdei;tsche  Graphik  auch  hier  wie  bei  den 
Freisinger  Fragmenten  vorbildlich  einwirkte.  Merkwürdigerweise  hindert 
ihn  das  dennoch  nicht,  auch  den  griechischen  Einfluss  zuzugeben,  z.  B.  betreffs 
der  Anwendung  des  Gravis  (und  wohl  anch  der  Spiritus).  Anders  Grunskij. 
Er  sucht  für  die  Zeichen,  die  er  in  den  Kijever  Bildern  findet,  zunächst  Pa- 
rallelen in  den  übrigen  slav.  Denkmälern,  er  glaubt  sie  hier  und  da  gefunden 
zu  haben,  den  Hintergrund  aber  für  alle  diese  Erscheinungen  bilden  aus- 
schliesslich die  Vorbilder  der  griechischen  Graphik  (S.  30 — 33),  von  der  alt- 
hochdeutschen Bezeichnung  (den  Notker'schen  Noten)  ist  keine  Rede.  Ich 
möchte  allerdings  dieser  letzteren  Ansicht  mich  anschliessen  und  von  den 
althochdeutschen  Einflüssen  gänzlich  absehen.  Denn  zunächst  ist  die  Setzung 
der  Zeichen  -  und  h  für  den  Spiritus  auf  dem  vokalischen  Anlaut  doch  wohl 
nur  eine  Nachahmung  der  Griechen,  sie  spricht  also  für  die  Abhängigkeit 
der  Schreiber  des  Denkmals  in  ihren  Anschauungen  von  der  Praxis  der 


442  Kritischer  Anzeiger. 

griechischen  Geltung  solcher  Zeichen.  Darum  fällt  es  mir  schwer  zu  glau- 
ben, dass  daneben  noch  die  althochdeutsche  Bezeichnung  mit  im  Spiele 
war.  Ferner  die  Anwendung  dreier  Zeichen,  des  Cirkumflexes  ^,  des  Aku- 
tus  '  und  des  Gravis  ^  —  um  von  dem  vierten  ^  zunächst  abzusehen  — , 
spricht  ebenfalls  mehr  für  die  griechische,  als  althochdeutsche  Nachahmung. 
Desgleichen  auch  die  einige  Male  begegnende  Kombination  des  Spiritus  mit 
dem  Accent:  "'  (Taf.  V^.  3. 11,  VK  8,  VIP'.  13]  und  selbst  -''^zweimal.  Doch 
viel  wichtiger  ist  die  Frage  über  die  Bedeutung  dieser  Zeichen.  In  dieser 
Beziehung  stimmen  die  beiden  obengenannten  Gelehrten  insofern  überein,  als 
sie  den  Gebrauch  der  verschiedenen  Zeichen  nicht  als  eine  äusserliche  gra- 
phische Nachahmung  der  Griechen  ohne  tieferen  inneren  Sinn  auffassen,  wie 
es  Karinskij  that,  sondern  darin  eine  bewusste  Wiedergabe  der  tonischen 
Seite  des  slavischen  Textes  erblicken,  sei  es  dass  es  sich  um  die  Aussprache 
mit  Rücksicht  auf  die  Betonung,  sei  es  bloss  um  die  Bezeichnung  der  Vokal- 
länge handelte.  Um  zu  dieser  schwierigen  Frage  Stellung  zu  nehmen,  will  ich 
bemerken,  dass  ein  gewisses  Bestreben  des  oder  der  Schreiber,  die  Zeichen 
mit  grammatischen  Kategorien  in  Zusammenhang  zu  bringen,  sich  allerdings 
nicht  in  Abrede  stellen  lässt.  So  vor  allem  die  Bezeichnung  des  auslautenden 
X  im  Genit.  plur.  der  Substantiva  mit  ^  (rpixx,  ai.iT.,  aisi,  cnji,  aHhe.ii,  anoc- 
TOJi%  MA^esuKi.  (gegenüber  dem  unbezeichneten  Nom.  oder  Accus. :  noapGyr-B, 
oy^CHHKX  HaMiCTtHiKT),  HaciiatHiKi.,  aapi.,  EXCmÄt,  npHHOCi.,  acuEOTT.,  njtHi).  Das 
ist  gewiss  bewusst  und  absichtlich  geschehen,  der  Bezeichner  stand  dabei  auf 
dem  Boden  der  slavischen  Grammatik.  Es  fragt  sich  nur,  ob  die  Bezeichnung 
des  Genitivauslautes  i.  mit  ^  wirklich  in  der  verschiedenen  Aussprache  die- 
ses auslautenden  -h  ihren  Grund  hat,  oder  vielleicht  nur  eine  graphische  Aus- 
einanderhaltung zweier  sonst  gleicher  Formen  bezweckte  ?  Die  Hinweise  auf 
die  serbische  Schreibart  in  den  Texten  des  XIV. — XV.  Jahrh.  mit  tB  und  auf 
den  modernen  Auslaut  des  Genitivs  plur.  auf  ä  —  liegen  doch  im  Verhältniss 
zu  dem  hohen  Alter  des  Denkmals  sehr  weit  ab.  Ich  würde  mich  aus  sprach- 
geschichtlichen Gründen  sehr  schwer  dazu  entschliessen,  die  Bedeutung  des 
^  in  diesem  Falle  so  aufzufassen.  Es  scheint  mir  noch  immer  näher  die  An- 
nahme, dass  man  mit  ^  nur  äusserlich  den  Genit.  plur.  vom  Nom.  Acc.  sing, 
unterscheiden  wollte.  So  könnte  man  auch  mit  ^  auf  -h  in  offenen  Schluss- 
silben, wenn  man  das  als  Betonung  auffasste,  sehr  schwer  auskommen.  Prof. 
Vondräk  spricht  in  der  That  nur  von  der  Bezeichnung  der  Vokallänge  bei  ^ 
und  ^,  doch  bei  '  gibt  er  auch  die  Accentgeltung  zu.  Betonungen,  wie  mu- 
jtocTHBti,  Biqi.H'i.t,  EtceMon.!,  npHHeceHii,  CH.n.i,  npHCHoaiBti  wird  es  kaum  je 
gegeben  haben.  Ebensowenig  wie  nma,  6ms,  MapHil,  M&geHimu,  npiapar'Ha, 
ö^raaceHHu.  Als  Quantitäts^">ezeichnung  aber  ist  mir  die  Anwendung  des  Zei- 
chens nicht  sehr  wahrscheinlich,  aus  verschiedenen  Gründen.  Wenn  hinter  der 
Setzung  des  Zeichens  auf  auslautendem  h  etwas  mehr  steckt  als  graphische 
Klügelei,  warum  schrieb  man  neben  ati  sehr  häufig  hi>u  (z.  B.  Taf.  Illa^  14, 
Illb  17.  20,  IVa  6.  16,  IVb  5.  21,  VIb  14,  Vlt^  10,  VII^  17,  VIH^  9.  20,  VIII»  12). 
Wodurch  unterscheiden  sich  diese  h-lu  von  den  Hi>i  und  wenig  zahlreichen 
H1.U  ?  Warum  schrieb  man,  wie  Vondräk  bemerkt,  in  geschlossenen  Silben 
auf  'iu,  a,  i-H,  i  und  a  nicht  '",  sondern  '',  z.  B.  xoÄaiaämo,  oyinace,  Toäae, 


Neueste  Publikationen  über  Kijever  Blätter,  angez.  von  Jagic.      443 
CBaiTii,  BtceMortiii,  neöecBCKtiBi,  B^JK^rwöjcHtüii,  iLMtH-LÜxi),  saKOULuiKa,  ma- 

'^CHlKa,    HaMiCTLHlKt,    UaCaiiUBHlKI.,    npOClM^,    HOCIM'B,     ULCTIMI,,    XOySlMX,    CÜMB, 

MOÄuyi-h,  Bi'iLuiML,  njiiHii,  liMB,  HBCXuäro,  nosäcB,  Bxsjpäcxe'rt,  caMt,  XBa-iih. 
Diese  Anwendung  eines  zweiten  Zeichens  kann  doch  weder  in  der  Betonung, 
noch  in  der  Quantitätsbezeichnung  begründet  sein.  Es  ist  eher  eine  graphi- 
sche Spielerei,  vielleicht  gar  Noten.  Wenn  z.  B.  npöcnix  und  npociMt,  müjumi, 
und  MO.iiiMi,  cii-i-Bu  und  ci.i'LU  nebeneinander  geschrieben  wird,  so  scheint  da- 
mit keine  Betonungs-  und  Quantitätsverschiedenheit  ausgedrückt  zu  sein, 
sondern  die  Wahl  des  Zeichens  geschah  willkürlich,  richtete  sich  aber  nach 
dem  Vokal;  war  0  mit  dem  Zeichen  zu  versehen,  so  setzte  man  ',  war  i  oder 
H,  so  schrieb  man  ^  oder  ^.  Denn  wie  im  Griechischen  kein  Cirkumflex  auf 
e  o  steht,  so  fehlt  er  auch  hier  auf  e  0,  dagegen  kann  (  den  Cirkumflex  haben, 
daher  auch  pa«!,  npHMi  und  selbst  npiMi.  Ich  glaube  nicht,  dass  je  die  Aus- 
sprache paaii  vorhanden  war.  Nur  die  Vorliebe  für  die  Setzung  des  Circum- 
flexes  auf  auslautendem  Vokal  veranlasste  den  Schreiber,  neben  vielen  unbe- 
tonten Formen  paai  eben  so  oft  auch  pa;],i  zu  schreiben.  Die  Hinweise  auf  ähn- 
liche Betonung  in  verschiedenen  späteren  mittelbulgarischen  Texten  (bei  Grun- 
skij  48/9)  haben  für  mich  so  lange  keine  Beweiskraft,  bis  nicht  aus  dem  Zu- 
sammenhang der  ganzen  Bezeichnungsart  jedes  einzelnen  Textes  konstatirt 
ist,  ob  und  wie  viel  man  jenen  Bezeichnungen  Glauben  schenken  darf.  Ich  will 
den  Versuchen,  hinter  diesen  Bezeichnungen  reale  Gründe  der  Aussprache  zu 
entdecken,  keineswegs  mit  Geringschätzung  entgegentreten,  nur  meine  Be- 
denken gegen  zu  starke  Vertrauensseligkeit  wollte  ich  geltend  machen,  die 
namentlich  in  den  Kombinationen  Prof.  Vondräk's  zum  Ausdruck  kommt. 
Wie  reimt  sich  z.  B.  das  zusammen,  dass  der  Text  npociMt,  Hociait,  mojihmi., 
gBCTÜMt,  aber  Becejiiini  (warum  nicht  Becejcimi),  und  ausserdem  noch  npöcHMi., 
MÖJiiiMt  schreibt?  oder  würden  wir  nicht  ecü  oder  eci  statt  ecu  erwarten? 
nicht  BT.BjpacTeTT.  eher  als  Bi.sjpäcTei'B,  da  wir  EXEtMeMt  haben?  Statt  ib- 
CTQite  sollte  analog  zu  xo;i:aTaiÄmo  gtCTaue  stehen,  zumal  wir  gtcThix  haben. 
Neben  dem  Imperativ  oihcth,  nociäBH  steht  CBaii,  oyxBpBji,  cBiBopi,  man  hat 
samiixi  und  sain^ixi,  npiisBpi  und  npiisLpT,  HanjiBHeHi  neben  äöcxoihi,  neben  Ha- 
ciiaoBäxu  haben  wir  noMi.30Ba,  u.  s.  w.  Man  kann  freilich  sagen,  dass  die  Ge- 
nauigkeit in  solchen  Dingen  nicht  zu  verlangen  sei,  oder  man  kann  auch  von 
Störungen  sprechen,  die  bei  späteren  Abschriften  sich  einstellten.  Auffallend 
bleibt  es  immerhin,  dass  sehr  viele  wichtige  Wörter  keine  Bezeichnung  der 
angeblichen  Aussprache  tragen  (über  400  mehrsilbige  Wörter),  dafür  aber  auf 
manchen  einsilbigen  das  Zeichen  steht,  so :  njin-B,  bbcI,  cäi-b,  cümb,  xiMt, 
säsB,  HäMX,  HäcB,  näiuL,  BBcixi.,  xd,  IIa,  xö.  Diese  Ungleichmässigkeit  beein- 
trächtigt jedenfalls  stark  die  Beweiskraft,  die  man  in  diesen  Zeichen  als 
Accenten  und  Quantitätsbezeichnungen  zu  erblicken  geneigt  ist.  Prof.  Von- 
dräk  sucht  sich  freilich  zu  helfen,  er  setzt  das  althochdeutsche  System  der 
Bezeichnung  nur  für  die  ursprüngliche  Vorlage  voraus,  die  bei  der  uns  zu- 
gänglichen Abschrift  etwas  modificirt  worden  sei  und  zwar  von  jedem  der 
beiden  Schreiber  in  etwas  anderer  Weise,  woraus  er  sogleich  den  Einfluss 
verschiedener  Dialekte  ableitet  (S.  20).  Auf  diese  Weise  bekommt  er  aller- 
dings grosse  Freiheit  der  Bewegung  und  Erklärung,  aber  über  dem  Ganzen 


444  Kritischer  Anzeiger. 

schwebt  die  Gefahr  der  grössten  Ungewissheit.  Z.  B.  die  merkwürdige  Be- 
zeichnung des  genitivischen  Auslautes  i.  mit  ^  möchte  Prof.  Vondräk  nicht 
der  ältesten  Vorlage,  sondern  den  letzten  Abschreibern  zuschreiben,  weil  an- 
geblich bei  den  in  der  Vorlage  schon  befindlichen  Bezeichnungen  keine 
solche  Ausnahmslosigkeit  herrsche.  Und  da  er  in  diesem  i  den  Vorläufer  des 
heutigen  serbokroatischen  ä  erblickt,  so  glaubt  er  zur  Behauptung  berechtigt 
zu  sein,  dass  die  Kijever  Blätter  nicht  im  Bereich  des  eigentlich  kroatischen 
Idioms,  sondern  anderswo  geschrieben  wurden  (S.  2ö],  jedenfalls,  wie  er  meint, 
in  einer  stokavischen  Gegend  (S.29;.  Für  diese  Annahme  stützt  er  sich  ausser 
den  Genitiven  auf  ^  auch  noch  auf  einige  Betonungen,  die  er  natürlich  alle  ohne 
Widerspruch  als  den  richtigen  Abklatsch  der  wirklich  vorhanden  gewesenen 
Aussprache  der  letzten  Abschreiber  auffasst.  Er  gibt  zu,  dass  die  älteste 
Schicht  des  Denkmals  das  pannonisch-slovenische  Idiom  gebildet  haben  mag 
(S.30).  Man  wird  aber  fragen,  woher  die  Bohemismen  mit  c-z  für  sf-zd''?  Die- 
ser Thatsache  ist  nicht  aus  dem  Wege  zu  gehen,  Vondräk  sucht  sie  so  zu  er- 
klären, dass  er  den  Text,  wie  er  uns  vorliegt,  von  irgend  einem  aus  Böhmen 
in  das  Gebiet  der  Kroaten  verschlagenen  Glagoliten  geschrieben  sein  lässt 
(S.  40).  Dass  auch  ein  solches  Zusammentreffen  von  Umständen  möglich  ist, 
wird  niemand  bestreiten  wollen;  ob  aber  die  Annahme  eines  solchen  Falles 
auch  wahrscheinlich,  das  ist  eine  andere  Frage.  Prof.  Vondräk  geht  noch 
einen  Schritt  weiter,  er  will  überhaupt  alle  in  den  äitesten  glagol.  Denkmälern 
nachweisbaren  Spuren  einer  böhmischen  lautlichen  Beeinflussung  (S.  40 — 42; 
so  deuten,  dass  er  sie  im  Süden  von  den  aus  den  nördlichen  Gebieten  angekom- 
menen (flüchtigen)  Glagoliten,  die  der  Nationalität  nach  dem  böhmischen 
Volksstamme  angehörten,  geschrieben  sein  lässt.  Prof.  Vondräk  ist  ordentlich 
verliebt  in  diese  seine  Entdeckung  der  Böhmen  bei  den  Kroaten.  Denn  zu 
meinem  nicht  geringen  Erstaunen  lese  ich  bei  ihm  auf  S.  91/2,  dass  auch  die 
bekannte  Wenzellegende  nicht  ein  Böhme  zu  Hause  in  Böhmen,  Gott  be- 
wahre, sondern  bei  den  Kroaten  geschrieben  habe.  Gegenüber  dieser  künst- 
lichen Erklärung  möge  man  mir  gestatten,  bei  der  älteren  Ansicht  zu  ver- 
harren, nach  welcher  die  betreffenden  Bohemismen,  ebenso  wie  die  Pannonis- 
men  als  unansehnliche  Eeste  älterer  Vorlagen  in  den  südslav.  Abschriften 
sich  erhalten  haben.  Ich  glaube  nämlich,  dass  ein  geborener  Böhme  oder 
Mährer,  wenn  er  in  dem  südlichen  Nachbarlande  als  Schreiber  fungirte, 
schwerlich  so  wenige  Spuren  seines  Idioms  in  der  von  ihm  gemachten  Ab- 
schrift hinterlassen  hätte,  wie  wir  sie  in  Glagolita  Clozianus,  Marianus  und 
Psalterium  sinaiticum  vorfinden.  Ich  stimme  aber  darin  mit  Vondräk  über- 
ein, wie  ich  das  schon  längst  ausgesprochen  habe,  dass  die  erste  Uebersetzung 
jenes  katholischen  Kirchenbuches  fSacramentariums' ,  dessen  Eeste  uns  in 
den  Kijever  Blättern  vorliegen,  offenbar  irgendwo  in  Südpannonien  'wozu 
auch  das  nordwestliche  Gebiet  zwischen  der  Mur — Drave  und  Save  zu  rechnen 
ist)  zu  Stande  kam,  und  zwar  gewiss  sehr  früh  (dafür  spricht  die  feine  Regel- 
mässigkeit der  Sprache,  mit  einigen  Pannonismen).  Dann  mag  der  Text  nach 
meinem  Dafürhalten  bei  einer,  vielleicht  selbst  nicht  der  letzten,  d.h.  der  uns 
erhaltenen,  Abschrift  das  böhmisch-mährische  Medium  durchgemacht  haben. 
Dagegen  eine  Metamorphose  des  Denkmals  (mit  stokavischer  Beeinflussung) 


Neueste  Publikationen  über  Kijever  Blätter,  angez.  von  Jagic.       445 

will  mir  nicht  einleuchten,  da  ich  die  supralinealen  Zeichen  {schon  wegen  der 
beiden  Spiritus)  für  sehr  alt  halte  und  ira  für  mtj  möglicher  Weise  nur  einen 
dialektischen  Zug  des  ersten  Uebersetzers  darstellt.  Man  müsste  sonst  wegen 
ina  bis  nach  Macedonien  wandern,  denn  das  aus  Glag.  Cloz.  citirte  Beispiel 
wird  kaum  als  Kroatismus  aufzufassen  sein,  vergl.  Evang.  Dobromiri  I.  9.  63. 
Vondräk's  Kombination  vergl. auf  S.  114.  Ich  muss  dabei  einen  kleinenFehler 
berichtigen,  der  sich  auf  S.  3-1  aus  Belostenec  irrthümlich  eingeschlichen  hat. 
Das  in  seinem  Gazophylacium  bei  czirkva  stehende  (D)  bezieht  sich  nicht  auf 
diese  Form,  die  bei  Belostenec  nur  als  kroatische  gilt,  sondern  auf  die  nach- 
folgende des  Wortes,  auf  czarkva,  nur  diese  galt  ihm  als  dalmatinische,  wäh- 
rend cirkva  bekanntlieh  noch  heute  in  ganz  Civilkroatien  und  in  der  Murinsel 
gesprochen  wird  (vergl.  die  Ortsnamen  Cirkvena  in  Kroatien,  Cirkovljan  in 
der  Murinsel). 

Prof.  Grunskij  bemüht  sich  ira  Gegensatz  zu  Vondräk  zu  beweisen,  dass 
das  erhaltene  Bruchstück  des  Sacramentariums  in  der  ursprünglichen  Form, 
nicht  aber  als  Abschrift  sich  erhalten  habe  S.  56),  dadurch  glaubt  er  Metho- 
dios  von  dem  Verdachte  befreien  zu  können ,  als  ob  schon  zu  seiner  Zeit  der 
lat.  Ritus  bei  den  mährisch -pannonischen  Slovenen  Eingang  gefunden  hätte. 
In  seinen  Schlussbetrachtungen  gibt  er  zwar  zu,  dass  die  Kijever  Blätter  ein 
Denkmal  seien,  das  mehr  als  die  übrigen  der  Zeit  der  Wirksamkeit  der  beiden 
Slavenapostel  nahe  kommt,  nur  mit  meiner  Ansicht,  dass  die  Bohemismen  des 
Denkmals  ein  in  den  kirchenslavischen  Text  nachträglich  hineingekommener 
dialektischer  Zug  seien  —  etwa  sowie  die  Russismen  in  das  Ostromirsche  Evan- 
gelium —  kann  er  sich  ganz  und  gar  nicht  befreunden  (S.  62).  Ich  bedauere 
sehr  bei  ihm  den  Eindruck  hervorgerufen  zu  haben,  dass  ich  aus  gewissem 
Fanatismus  zu  allerlei  Kunstgriffen  Zuflucht  nehme,  um  nur  die  Entstehungs- 
zeit des  Denkmals  möglich  hoch  (d.  h.  unmittelbar  in  die  Methodianische 
Zeit)  setzen  zu  können.  Die  übrigen  russ.  Gelehrten,  deren  ich  eine  grosse 
Zahl  persönlich  kennen  gelernt,  haben  mir  (wenn  man  von  Budilovic  absieht) 
diesen  Vorwurf  nie  gemacht.  Seine  väterlichen  Mahnungen  verspreche  ich 
schon  zu  beherzigen,  sobald  ich  mich  von  der  Richtigkeit  dessen,  was  ein 
Budilovic  oder  Florinskij  gegen  meine  Darstellung  geltend  machen,  über- 
zeugt haben  werde.  Fürs  erste  muss  ich  jedoch  den  mir  gemachten  Vorwurf 
der  »Unduldsamkeit«,  ja  sogar  der  »äussersten  Unduldsamkeit«  (III.  S.  15) 
aufs  entschiedenste  zurückweisen.  Bevor  Grunskij  das  Recht  sich  anmasst 
mir  vorzuwerfen,  dass  ich  V.  N.  Scepkin  persönlich  nicht  klug  nannte,  sollte 
er  besser  deutsch  lernen.  Ich  sagte  (Entstehungsgesch.  I.  58)  bezüglich  einer 
Anmerkung  Scepkin's:  »Man  liest  die  lange  Note  und  wird  nicht  klug«.  Bei 
allen,  die  deutsch  verstehen,  bedeutet  das  nur  soviel,  dass  der  Sinn  oder  die 
Tendenz  der  langen  Note  nicht  klar  sei.  Wo  ist  da  irgend  ein  persönlicher 
Vorwurf  zu  finden?  Freilich,  Prof.  Grunskij  würde  es  gewiss  ebenfalls  als 
eine  persönliche  Beleidigung  auffassen,  wenn  ich  zu  seinen  angeblichen  Pa- 
rallelen, die  er  auf  S.  III.  37  anführt,  dafür,  dass  ci-Taxt  in  den  Kijever  Blät- 
tern ein  —  Genitiv  sei,  die  kleine  Bemerkung  machte,  dass  er  dadurch  einen 
Schnitzer  gegen  die  kirchenslavische  Syntax  gemacht  habe.    Nein,  ich  sage 


446  Kritischer  Anzeiger. 

das  nicht,  aber  hervorheben  darf  ich  schon,  dass  in  dem  Beispiel  npioötmiHTi 
HH  laiHaxt  kein  Genitiv,  sondern  ein  regelrechter  Lokal  steckt. 

In  beiden  Werken  wird  auch  ein  zweites  glagolitisches  Denkmal,  die  Pra- 
ger Fragmente,  behandelt.  Prof.  Vondräk  weist  in  klarer  präciser  Weise  nach, 
dass  der  Text  der  beiden  Blätter  (von  drei  verschiedenen  Händen,  theilweise 
wahrscheinlich  aus  verschiedenen  Zeiten  herrührend)  auf  Grund  einer  bulga- 
rischen Vorlage  in  Böhmen  selbst  etwa  zu  Ende  des  XI.  Jahrh.  zustande  kam. 
Neu  ist  der  Nachweis,  dass  das  russische  Medium  auszuschalten  sei.  Prof 
Vondräk  bringt  nämlich  die  scheinbaren  Russicismen  mit  den  altböhm.  Voka- 
lismen in  Zusammenhang.  Ich  muss  dieser  Erklärung  darum  beistimmen, 
weil  ich  in  dem  absoluten  Vorherrschen  des  schwachen  Vokals  %  für  i.,  wenig- 
stens auf  dem  zweiten  Blatt,  wohl  eine  bulgarische  Vorlage,  nicht  aber  ein 
altrussisches  Medium  voraussetzen  kann.  Grunskij  schliesst  sich  in  diesem 
Punkt  an  Sobolevskij  an,  und  sucht  in  t  einen  orthographischen  Bohemismus 
(S.  30).  Einen  nicht  zu  übersehenden  Zusammenhang  zwischen  den  Prager 
Fragmenten  und  den  Kijever  Blättern  möchte  ich  zu  Vondräk  S.  53/4  nach- 
tragen, das  ist  das  Verbum  cxBicroBaTii,  das  im  Prag.  Fr.  als  .n.acectBicTOBaxoy 
und  inKijev.  Bl.  als  cxBicToyeiix  Htu  (Fol.  VI.  6/7)  gebraucht  wird.  Das  Wort 
kommt  in  dieser  Form  und  als  cxBicTuiH  für  anayyüJM  in  den  Propheten 
sehr  häufig  vor,  merkwürdigerweise  gerade  in  jener  üebersetzung,  die  nicht 
in  das  Methodianische,  sondern  in  das  Symeonische  Zeitalter  versetzt  wird. 

Die  Bemerkungen  Grunskij's  besagen,  im  Vergleich  zur  Studie  Von- 
dräk's,  nichts  wesentlich  verschiedenes,  sie  beschränken  sich  auf  die  Ueber- 
sicht  der  von  anderen  Gelehrten  ausgesprochenen  Ansichten  mit  sehr  genauem 
Eingehen  auf  die  paläographische  Seite  des  Denkmals.  Da  beide  Werke  eine 
nochmalige  Wiedergabe  des  Textes  der  beiden  Fragmente  enthalten,  kann 
zwischen  den  beiden  Ausgaben  eine  Vergleichung  angestellt  werden.  Es  er- 
geben sich  folgende  Abweichungen.  Auf  Bl.  I^  3  liest  Grunskij  vor  ru  noch  -'' 
3i,  dafür  fehlen  bei  ihm  die  Buchstaben  t.  .  .  i  .  .  na  .  . ,  4  liest  er  zuerst  den 
Buchstaben  c  (bei  Vondräk  fehlt  er),  -5  hat  G.  nach  o  noch  n  (also  on),  6  steht 

bei  G.  vor  m  in  einiger  Entfernung  c,  bei  Vondräk  %  10  vor  6oyÄeT  bei  G.  nur 

?  

M..  15  liest  G.  H§Moy,  17  bei  G.  csi,  bei  V.  CBii,  18  nach  xBa.ioy  bei  G.  noch 

ein  isolirtes  t,  19  bei  V.  6o:  bei  G.  6o,  bei  V.  h6:  bei  G.  H<5a,  bei  G.  nur  bc:  bei 
V.  BejiH,  20  vor  öt  bei  G.  rt,  24  bei  V.  t^h:  bei  G.  xtii,  28  G.  oimoy:  V.  otb- 
uoy,  bei  G.  paa:  V.  pa(a;.  Bl.  I^  stimmt  in  beiden  Ausgaben  genau  überein.  nur 
ist  Z.  25  bei  V.  der  Druckfehler  6ni  (statt  6ni)  geblieben.  In  II^^  9  ist  bei  G. 
whJi  wohl  nur  ein  Druckfehler  statt  ni.i,  19  bei  V.  (r)jia(c)T.:  bei  G.  .lacx,  d.h.  c 
wäre  sichtbar,  20  hat  G.  gegen  seinen  Grundsatz,  unsichtbares  nicht  in  Klam- 
mern beizusetzen,  statt  loso  geschrieben  (u)ioäo.  In  11^  8  hat  G.  r.iac-B,  V.  nur 
rjact,  20  G.  npaBtSTbaaro :  V.  npaBBa^aaro. 

Sehr  erwünscht  sind  die  bei  Grunskij  am  Schluss  gegebenen,  zumeist 
paläographischen  Beobachtungen  über  einige  glagolitische  Fragmente  kroa- 
tischer Provenienz,  die  er  in  Petersburg  und  Wien  fand.  V.  J. 


Jevaejev,  Das  Buch  des  Proph.  Daniel,  angez.  ven  Jagid.  447 

HsaHT.  EßcieB-L.   Knnra  npopoKa  ^aniiLia  Bt  ApeBiiec.iaBflHCKOMX  ne- 
peBOAi.   BBeAenie  h  tbkcti..    MocKBa  1905.  8°.  XC.  183. 

Der  Verfasser  der  vorliegenden  Ausgabe  des  kirchenslavischen  und 
griechisclien  Textes  des  Propheten  Daniel  hat  sich  in  der  slavischen  Philo- 
logie durch  ein  grosseres  Werk  über  den  griechischen  und  slavischen  Text 
des  Propheten  Isaias  (1897)  und  eine  Reihe  von  anderen  Abhandlungen,  die 
sich  mit  dem  kritischen  Studium  der  altkirchenslavischen  Bibeltexte,  zumeist 
der  Propheten  abgeben,  sehr  vorteilhaft  bekannt  gemacht.  Seine  Leistungen 
rufen  uns  die  guten  alten  Zeiten  eines  Gorskij  und  Nevostrujev  in  Erinnerung. 
Ueber  die  letzten,  dem  vorliegenden  Werk  vorausgegangenen  Abhandlungen 
hab'  ich  im  Archiv  XXIV,  254—262  referirt,  worauf  ich  wegen  des  Zusammen- 
hangs verweise.  Das  jetzt  erschienene  Werk  über  Daniel  besteht  aus  dem 
Text  und  der  Einleitung.  Beim  Buch  Isaiae  beschränkte  sich  der  Verfasser 
statt  des  vollen  Textes  auf  allerlei  Auszüge  und  Varianten.  Wir  geben  selbst- 
verständlich entschieden  dem  jetzt  beim  Buch  Daniel  eingeschlagenen  Weg 
den  Vorzug.  Man  kann  nicht  oft  genug  die  an  die  russischen  Gelehrten  zu 
stellende  Bitte  wiederholen:  gebt  uns  gute  alte  Texte  heraus.  Dass  der 
Herausgeber  diesem  Wunsche  nachkam,  schon  das  ist  ein  Verdienst,  das  alle 
Anerkennung  verdient.  Er  gab  aber  mehr  als  einen  slavischen  Text  heraus. 
Das  Resultat  seiner  Vorstudien  führte  ihn  zur  Wahrnehmung  von  drei,  ja 
teilweise  selbst  vier  verschiedenen  Redaktionen  des  slavischen  Textes  dieses 
Buches.  Alle  drei  oder  vier  wurden  in  dem  erreichbaren  Umfang  parallel 
nebeneinander  abgedruckt.  An  erster  Stelle,  d.  h.  in  der  vordersten  Kolumne 
links,  stehen  die  in  den  Parömienbüchern  angetroffenen  Kapitel,  das  sind 
Kap.  II.  31— 36.  44— 45,  Kap.  III.  1—88,  Kap.  VII.  1—2.  9  —  11,  13  —  14, 
Kap.  X.  1 — 21.  In  der  bibliographischen  Uebersicht  des  Quellenmaterials, 
die  in  der  Einleitung  auf  S.  LH— LXX  gegeben  ist,  zählt  der  Herausgeber 
nicht  weniger  als  53  Parömientexte  auf,  aus  welchen  er  die  aufgezählten 
Bruchstücke  schöpfen  könnte.  In  der  Wirklichkeit  sind  davon  nur  vier  Hand- 
schriften herangezogen  (S.  LXIX),  die  nicht  alle  derselben  Zeit  und  derselben 
Redaktion  angehören;  aus  einigen  anderen  (im  ganzen  19)  wurden  Varianten 
verwertet.  An  zweiter  Stelle,  dort  wo  Parömienstücke  vorhanden  sind,  sonst 
an  erster  Stelle ,  wo  es  keine  Vertretung  aus  den  Parömien  gab ,  steht  der 
vollständige  (mit  ganz  geringen  Auslassungen)  Text  des  Buches,  dem  russi- 
schen Chronographen  des  Moskauer  Archivs  (des  Ministeriums  der  auswär- 
tigen Angelegenheiten)  entnommen,  mit  den  Varianten  aus  einem  Chrono- 
graphen der  Wilnaer  Bibliothek.  Diesem  Text  fehlen  nur  Kap.  I.  1 — 2, 
IX.  5—19,  XII.  6—13,  das  ganze  XIII.  und  vom  Kap.  XIV.  1—30.  Wie  der 
Verfasser  dazu  kam,  die  Bruchstücke  aus  den  Parömien  als  den  Text  Kon- 
stantins und  den  in  den  beiden  Chronographen  erhaltenen  Text  als  den  Text 
des  Methodios  zu  benennen,  davon  werden  wir  später  reden.  An  letzter 
Stelle,  d.  h.  in  der  letzten  Kolumne  nach  rechts  ist  der  Text  abgedruckt,  der 
in  der  Regel  mit  den  kommentirten  Texten  der  Propheten  zu  einem  Ganzen 
vereinigt  ist,  wenn  auch  gerade  das  Buch  Daniel  ohne  Kommentar  steht. 
Dieser  Text  ist  vollständig  und  nach  der  bibliographischen  Uebersicht  des 


448  Kritischer  Anzeiger. 

Herausgebers  in  45  Handschriften  erhalten.  Der  vorliegenden  Ausgabe  liegt 
ein  Moskauer  Text  (des  Cudovo-Klosters)  saec.  XV  zu  Grunde,  noch  10  andere 
Texte  wurden  für  das  Variantenmaterial  verwertet.  Diese  Redaktion  versetzt 
der  Herausgeber  in  das  bulgarische  Symeon'sche  Zeitalter  und  nennt  sie  auch 
so.  Das  Kapitel  X  ist  in  einem  bulgarischen  Parömienbuch  in  einer  anderen, 
von  den  übrigen  abweichenden  üebersetzung  vertreten.  Auch  diese  wurde 
vom  Herausgeber  herangezogen  und  abgedruckt.  Sie  ist  ungeschickt  gemacht 
und  wird  vom  Herausgeber  in  die  sogenannte  mittelbulgarische  Periode  (vor 
das  XIII.  Jahrh.)  versetzt  (vergl.  Einl.  S.  XLI— XLII). 

Aber  auch  der  griechische  Text  wurde  herangezogen  und  zwar  ebenfalls 
doppelspaltig,  zwei  verschiedene  Redaktionen  darstellend,  eine  konstantino- 
politanische ,  auch  Lukian'sche  genannt,  und  die  andere  Alexandrinische, 
auch  Hesychi'sche  genannt.  Ob  es  gerade  nothwendig  war,  wegen  der  im 
ganzen  nicht  zahlreichen  Abweichungen  zwischen  diesen  Redaktionen  den 
Text  vollinhaltlich  zweimal  zum  Abdruck  zu  bringen,  darüber  kann  man  ver- 
schiedener Ansicht  sein.  Der  Herausgeber  legt  dieser  Auseinanderhaltung 
der  Redaktionen  des  griechischen  Textes  auch  beim  Studium  der  altkirchen- 
slavischen  Üebersetzung  ein  sehr  grosses  Gewicht  bei,  er  äussert  sich  wieder- 
holt darüber  in  etwas  überschwänglichen  Ausdrücken  (vgl.  Einl.  S.  Ylll,  XI, 
XXXI),  die  ich  nicht  alle  mitunterschreiben  konnte,  obschon  ich  die  Bedeu- 
tung der  Frage  innerhalb  der  slavischen  Philologie  keineswegs  unterschätze. 
Ja  die  slavische  Philologie  hat  schon  im  XVIII.  Jahrh.  durch  das  Beispiel 
Dobrovsky's  ihr  Interesse  für  diese  Frage  kundgegeben,  und  im  XIX.  Jahrh. 
haben  t?afarik's,  meine,  Vondräk's  und  NachtigalFs  Beiträge,  denen  sich  in 
Russland  Voskresenskij 's,  Speranskij's  und  Sobolevskij's  Studien  zur  Seite 
stellen,  klar  bewiesen,  dass  man  immer  mit  der  Frage  über  die  Beschaffenheit 
der  der  altkirchenslavischen  üebersetzung  zugrunde  liegenden  griechischen 
Vorlage  wenigstens  Fühlung  aufrechtzuerhalten  trachtete.  Wenn  Professor 
Jevsejev  mit  den  bisher  erzielten  Resultaten  nicht  ganz  zufrieden  ist  (vergl. 
S.  LXXIX — LXXX),  so  richtet  er  mit  Recht  seinen  Vorwurf  mehr  an  die 
Adresse  der  westeuropäischen  Bibelforscher  als  an  die  der  slavischen  Philo- 
logen, von  deren  Resultaten  er  fleissig  Notiz  nimmt.  Die  bibliographische 
Uebersicht  der  griechischen  Texte,  aus  welchen  er  das  Buch  Daniels  in  zwei 
Recensionen  schupfen  konnte,  ist  auf  S.  LXXXIV — XC  gegeben,  sie  erreicht 
bei  ihm  die  Zahl  133,  wobei  man  das  Bestreben  sieht,  nicht  auf  fremdes  Ma- 
terial allein  sich  zu  beschränken,  sondern  auch  manches  aus  eigenem  hinzu- 
zufügen. Von  den  aufgezählten  133  griechischen  Texten  benutzte  er  -41,  davon 
32  nach  der  grossen  Oxforder  Ausgabe  vom  Jahre  1827,  7  nach  eigenen 
Studien  der  in  den  Bibliotheken  Moskaus  und  Petersburgs  befindlichen  grie- 
chischen Handschriften,  2  nach  anderen  Ausgaben.  Ja  er  legte  seiner  Ausgabe 
des  Buches  Daniel  in  der  Redaktion  des  Hesychios  einen  Moskauer  Kodex 
saec.  X  (bei  ihm  unter  Nr.  21  angeführt)  zugrunde,  und  bei  der  Redaktion  des 
Lukianos  verwerthete  er  einen  anderen  Moskauer  Kodex  saec.  XII  (bei  ihm 
Nr.  22).  Doch  druckte  er  nicht  die  Texte  dieser  beiden  Handschriften  wörtlich 
ab,  er  verfuhr  vielmehr  eklektisch,  worüber  er  auf  S.  LXXVI — LXXVII 
Rechenschaft  ablegt.  Ich  überlasse  es  den  Vertretern  des  kritischen  Studiums 


Jevsejev,  Das  Buch  des  Proph.  Daniel,  angez.  von  Jagic.  449 

der  Bibeltexte,  über  dieses  Verfahren  des  Herausgebers  ihre  Ansieht  auszu- 
sprechen. Für  uns  genügt  es,  hervorzuheben,  dass  nach  der  Darstellung 
Jevsejev's  die  beiden  ersten  kirchenslavischen  Eedaktionen  auf  der  Lukian- 
schen  Textgestalt,  die  dritte  'die  sogenannte  Symeon'sche)  auf  der  Hesychi- 
schen  beruht. 

Ungemein  wichtig  ist  die  XC  Seiten  umfassende  Einleitung  des  Ver- 
fassers zu  seiner  Ausgabe  der  Texte.  Hier  wird  theils  zum  wiederholten, 
theils  zum  ersten  Mal  eine  Reihe  von  wichtigen  Fragen  aufgerollt,  die  die 
slavische  Philologie  sehr  nahe  angehen  und  in  einer  Weise  beantwortet  wer- 
den, dass  man  vom  Standpunkte  unserer  Wissenschaft  dazu  Stellung  nehmen 
muss.  Vor  allem  müsste  man  sich  darüber  freuen,  dass  der  Verfasser  an 
seiner  schon  früher  gemachten  Entdeckung ,  dass  beim  Buche  Daniel  der 
Parümientext  von  Konstantin,  der  volle  Text  von  Methodios  herrühre,  noch 
immer  festhält.  Leider  vermag  ich  diese  Freude  nicht  zu  theilen.  Wir  sind, 
fürchte  ich,  noch  nicht  soweit  gekommen,  um  einen  Unterschied  zwischen  der 
literarischen  Arbeit  der  beiden  Apostel  machen  zu  können.  Z.  B.  wenn  der 
Verfasser  für  alr^d-Eic.  die  Uebersetzung  durch  uciHHa  dem  Konstantin,  durch 
picHoia  dem  Methodios  zuschreiben  möchte  (S.  XVIl! ,  so  würde  ich  fragen, 
was  soll  mit  der  Uebersetzung  desselben  griechischen  Wortes  durch  picHOTa 
im  Psalter  geschehen,  dessen  Uebersetzung  doch  auch  Prof.  Jevsejev  Kon- 
stantin zuerkennt?  Die  dem  Methodios  zugeschriebene,  in  zwei  russischen 
Chronographen  erhaltene  Uebersetzung  zeigt  in  der  That  Spuren  einer  alter- 
thümlichen  Sprache,  die  der  Verfasser  auf  S.  XVII — XVIII  einzeln  aufzählt, 
aber  desswegen  sie  gleich  zum  Unterschied  von  der  Uebersetzimgsthätigkeit 
Konstantins  dem  Methodios  und  seiner  Schule  in  die  Schuhe  zu  schieben 
sammt  allen  Fehlern ,  die  nach  der  Behauptung  Jevsejev's  bei  der  Ueber- 
setzung »einem  Menschen,  der  nicht  genügend  griechisch  kannte,  der  nicht 
genug  in  den  Kulturbegriflfen,  zumal  im  Bereich  der  Strategie  und  des 
Marinewesens  bewandert  war«  ;S.  XVIII  passiren  können  —  das  scheint 
mir  doch  im  hohen  Grade  gewagt  zu  sein.  Wenigstens  die  Möglichkeit 
einer  späteren  Aenderung  mancher  Stellen  des  Textes  ist  ebensowenig 
ausgeschlossen ,  wie  die  Annahme  mancher  Textverderbnisse.  Ich  will  das 
durch  Beispiele,  die  ich  auf  S.  XVI — XIX  zusammengestellt  finde,  näher 
erklären.  Dan.  10,  5  ist  esuHi)  für  das  griechische  ßaö'ö'ly  gewiss  nur  ein 
Schreibfehler,  man  hatte  ursprünglich  den  fremden  Ausdruck  unübersetzt 
lassen  wollen,  aus  etwaigen  bootht.  ist  im  Laufe  der  Zeit  einHi.  geworden. 
Dan.  7,  3  ist  paaMticiH  für  Siaq}iooi'xa  gewiss  ein  Schreibfehler  statt  des 
richtigen  pa3.aiiqtHu ,  man  liest  ja  doch  ib.  7,  19  in  demselben  Text  mko  6i 
pa3.iuqHo  (in  der  neueren  Redaktion  an  beiden  Stellen  pas-iuiB).  Dan.  3,  99  in 
npA  MH§  steckt  auch  ein  Schreibfehler,  nach  npi.  ist  die  Silbe  mo  ausgefallen, 
man  muss  npAMo  mhI  lesen,  vergl.  ib.  3.  10  npAiio  cjioBicBMi.,  6.  10  npAMO 
lep.iMs,  6.  22  npAMO  eMoy,  10.  13  npiMO  mh^  (auch  in  der  zweiten  bulgarischen 
Uebersetzung  npiMo  naMa),  10.  16  steht  ebenso  npAMO  mh§  im  zweiten  Parö- 
mientexte  und  im  vollen  Archivtexte,  aber  in  dem  alten  Parömientexte  das 
üblichere  npoTHEoy.  Statt  araBUi  Dan.  6.  2  muss  natürlich  oraBiiA  gelesen  wer- 
den und  dann  hört  das  Wort  auf  unbekannt  zu  sein ;  für  lyo/Xeli'  ist  oraBHie 

Archiv  für  slavische  Philologie.   XXVII.  29 


450  Kritischer  Anzeiger. 

TBopHTH  oder  ä^hth  ein  bekannter  Ausdruck  vergl.  Mikl.  s.  v.,  oder  Ps.  34.  13 
BXHerÄa  ohh  oraBUK  TEopiaxiiL  pog.  bon.  Mit  a  steht  das  Wort  geschrieben  in 
Antioch's  Pandekten  saec.  XIV — XV,  einem  russ.  Kodex  (araBuie:,  während 
der  alte  Text  an  derselben  Stelle  das  richtige  orasue  hat  (vergl.  G.  N.  opis. 
2.  2.  261,  Amphil.  cjiob.  nsi.  naHÄ.  85).  Auch  das  angebliche  aocriÄOKx  11.  4 
ist  nur  ein  Schreibversehen  für  nociiflOK-b,  die  Parallelen  8.  3.  19.  23  bestäti- 
gen, dassman  11.4  ebenfalls  Ha  nocii^oKi.  lesen  muss;  auch  derWllnaerText 
gibt  diese  richtige  Lesart.  Die  zu  10. 4  mit  Fragezeichen  versehene  Korrektur 
üji  statt  des  falschen  msja  wird  durch  Ps.  67.  26  uai  noiöiinTuiix'i.,  93.  15 
HÄi  KU.  bestätigt.  Das  Wort  ocxiHuie  9. 25  entspricht  nicht  dem  griech.  xel/o;, 
sondern  genau  dem  ebenfalls  zusammengesetzten  neqixEixog.  Ob  nicht  auch 
Is.  26.  1  für  nEoiTEixos  in  alter  Uebersetzung  dieser  Ausdruck  vorkommt? 
Für  y.vqiEveiv  steht  zwar  Dan.  11.5  im  Text  oyaoöHA,  doch  ist  das  entschieden 
ein  Schreibfehler  für  eine  Form  des  allein  richtigen  Verbums  oyiio6.iiTu  (oder 
oy3;o.aixii) ;  für  das  Futurum  y.voievaei  würde  man  nur  oyadieii.  oder  oyÄO- 
ÖJicTL,  also  in  spätrussischer  Form  oy;io6.!iAeTB  erwarten;  oyao.iieTB  kommt  in 
derThat  ib. 43  vor.  Falsch  ist  Dan.  2.  2  aus  Kopenima  der  Nominativ  KopeHunt 
abgeleitet,  schon  die  Schreibart  des  Wilnaer  Textes,  wo  über  na  ein  t  steht, 
hätte  den  Herausgeber  auf  die  richtige  Form  kopghhtbhb  bringen  können,  die 
auch  bei  Vostokov,  Miklosich  und  Sreznevskij  belegt  ist.  Das  Wort  kommt 
für  fiäyog  schon  im  Apostolus  vor.  Auch  für  (p^.oytCa)  3.  34  ist  aus  wcmaäc, 
das  für  icployla&i]  steht,  nicht  genau  ein  transitives  Verbum  ocmajutu  ange- 
setzt, in  der  transitiven  Form  würde  es  wahrscheinlich  ocMm^uxu  lauten;  aus 
ocMAÄe  in  der  neutral-passiven  Bedeutung  muss  vielmehr  ein  ocmah&th  (statt 
ocbahatu),  parallel  mit  npucBAHäixii,  angesetzt  werden. 

Um  dem  Verfasser  zu  zeigen,  dass  es  nicht  genügt,  auf  die  Lesarten 
allein  sein  Augenmerk  zu  richten,  sondern  dass  man  auf  die  Richtigkeit  der 
grammatischen  und  lexikalischen  Form  Acht  geben  muss,  will  ich  noch  eini- 
ges ebendaselbst  bemerken.  Für  Dan.  7.  19  Xetztvvov  (part.praes.neutr.  gen.; 
schreibt  der  Verfasser  ühth  und  fragt,  ob  nicht  i.Emvvo)  als  Tiiyoi  aufgefasst 
wurde.  Allein  im  Texte  steht  ganz  richtig  Mjtiu  n  tha,  und  tha  ist  Particip 
vom  Verbum  tbhhth,  praes.  tbhhi-tbhhtb,  das  Miklosich  kennt,  vergl.  in  Dan. 
2.40  atejiiso  THHTB  [Xbtitvvei  o  aidr-Qo^)  und  auch  inExarchsSestodnevfol.29'i: 
aeöejo  coyme  tbhutb  k.  Für  o  xariaxvoiy  11.  6  ist  die  Form  oyciOMHne  doch 
wohl  nur  ein  Schreibfehler  statt  der  Participialform  oycxoMu  (oycroaD),  im 
Wilnaer  Text  steht  noch  ganz  richtig  der  Dativ  eu  (für  das  griechische  avtr^v) 
dabei,  aus  oycxoMu  en  wurde  durch  Schreibversehen  oycioMHue  gemacht.  Bei 
Xirp,  slav.  -lUBa  8. 1  und  8.  9  ist  die  Konfusion  nicht  so  gross,  wie  es  nach  den 
Angaben  des  Verfassers  aussieht,  wornach  -lUBa  einmal  für  b-bctoubhi,  ein 
anderes  Mal  für  sanaÄT.,  griech.  Svvafus,  stehen  soll.  An  erster  Stelle  hat  sich 
der  Uebersetzer  offenbar  nach  der  Lesart  (die  auch  belegt  ist)  y-al  ßo(jQäi'  y.al 
vötou  xal  lißa  gerichtet  und  wörtlich  richtig  übersetzt:  u  Ha  ciBept  n  na  cyn^ 
u  Ha  jhbs.  An  zweiter  Stelle  wurde  offenbar  im  griech.  Texte  dvaiv  (statt 
dvyafiip)  gelesen  (diese  Lesart  ist  ebenfalls  belegt)  und  wieder  richtig  mit 
Ha  jiuBoy  übersetzt,  weil  man  ).ixp  als  Südwestwind  auffasste,  steht  ja  schon 
Ps.  77.  26  im  Psalterium  sinaiticum  sanaaeHt  für  .ihba.    Wenn  zur  Ueber- 


Jevsejev,  Das  Buch  des  Proph.  Daniel,  angez.  von  Jagic.  451 

Setzung  der  Stelle  9.  27 :  xccl  Inl  xovioig  inl  xo  teooy,  die  so  lautet:  ii  kbiuht. 
B-B  CTBiHu,  der  Herausgeber  zu  kliuh-b  ein  Ausrufungszeichen  setzt,  so  ist  das 
wohl  begründet,  denn  es  handelt  sich  oflfenbar  auch  hier  um  ein  Schreibver- 
sehen, KtiuHX  ist  vielleicht  aus  kt.  cumt.  hervorgegangen,  obwohl  inl  xovtoi; 
eigentlich  o  cuxi  lauten  müsste;  aus  Kt  cumt.  konnte  leicht  k73umi>,  allerdings 
nicht  so  leicht  daraus  weiter  kthiut.  werden.  Die  Lesart  xjiiöa  jKajaaA  10.  3 
für  aoTov  knid^vuiüi'  möchte  der  Herausgeber  so  erklären,  dass  der  Ueber- 
setzer  statt  inid^vixiüv  an  das  Particip  tnid^vixwv  dachte.  Ich  glaube,  es  liegt 
noch  näher,  acaaaaa  für  einen  Schreibfehler  statt  aca^auHA  zu  halten,  das  würde 
der  Lesart  des  alten  Parömientextes  xjiiöa  acejaHiiio  sehr  nahe  kommen, 
vergl.  noch  10.  11  MoyacH)  ace^iaHHia.  Dan.  11.  28  Bwinue  für  vnaq'iig  statt 
uMiHHe  halte  ich  einfach  für  ein  Schreibversehen.  Die  Stelle  4.  1  cuji^'ho  bt. 
jciOÄexi.  Moiixi  würde  durch  kleine  Korrektur  in  cujibex  bx  jiiojexi.  mouxx  für 
nitov  if  x(p  ).a(o  fj.oi  einen  immerhin  annehmbaren  Sinn  geben,  denn  Tiioiv,  das 
sonst  durch  ToyM:i.Ht  und  aiacTUTi.  wiedergegeben  wird,  könnte  hier  durch  cu- 
jiBHi.  in  der  Bedeutung  »mächtig«  übersetzt  worden  sein.  Eine  sehr  erwünschte 
Bestätigung  dieser  Erklärung  ergibt  sich  aus  11.24,  wo  der  Archivtext  bi> 
cujHiii  cxpaHti,  der  sogenannte  Symeonische  et  6./iaacaHmaMH  CTpaHa.MU  bietet 
und  in  der  griechischen  Vorlage  offenbar  die  nachweisbare  Lesart  kv  nioac 
'/(iioais  vorauszusetzen  ist.  Dass  niMu  neben  ToyqiH-B  auch  durch  öjan.  wie- 
dergegeben wird,  das  führt  der  Verfasser  selbst  in  seinem  Buch  Isaiae  an. 
Den  merkwürdigen  Fehler  11.  15  kx  npxcxH  für  tt^o/cj^«  (das  der  Ueber- 
setzer  als  noog  xüua  gelesen),  erwähne  ich  bloss  darum,  um  an  diesem  einen 
Beispiele,  neben  vielen  anderen,  klar  zu  zeigen,  dass  dem  Neubearbeiter  der 
sogenannten  Symeonischen  Redaktion  die  ältere  Vorlage  gut  bekannt  war  — 
eineThatsache,  die  auch  der  Verfasser  jetzt  nicht  mehr  ignoriren  kann,  obwohl 
er  dann  und  wann  noch  immer  von  einer  ganz  neuen  Uebersetzung  spricht. 
Auch  der  Deutung  der  Stelle  11.40,  wo  iy  vavaly  noX'/.alg  durch  h  npexojti 
MHorti  übersetzt  worden  ist,  muss  ich  entschieden  widersprechen.  Der  Ver- 
fasser meint,  der  Uebersetzer  habe  entweder  die  Bedeutung  des  Wortes  7'aig 
nicht  gekannt  oder  er  sei  mit  dem  Begriff  des  Schilfes  nicht  vertraut  gewesen. 
Nun  ist  allerdings  für  ycevg  die  übliche  Uebersetzung  Kopaöjit,  allein  die  spe- 
ciellen  Benennungen  einzelner  Schiffsgattungen  können  verschiedenartig  ge- 
lautet haben.  Man  kennt  z.  B.  den  Ausdruck  Hacajx  aus  der  altrussischen 
Sprache  (auch  bei  den  Südslaven  bekannt).  Ein  ähnlicher  Fall  dürfte  beim 
Worte  npixojt  gewesen  sein.  Wir  haben  einen  überzeugenden  Beweis  dafür, 
dass  npixo;!'!  ein  Schiff  bedeutete,  in  der  diminutiven  Form,  die  wir  aus  Act. 
27.32  kennen:  bohhu  roTpiaaBime  oyaca  npixoÄtiia  (t«  axoiviu  xrjg  axäcpr^;]. 
wo  statt  npixo;ii>Ha  oder  im  Dativ  npixojtuoy  andere  Texte  (nach  Amphi- 
lochius)  q-iBHOKt,  qo.iHt,  jra;muua  anwenden.  Man  sieht  daraus,  dass  es  doch 
etwas  voreilig  war,  dem  Uebersetzer  des  Buches  Daniel,  wer  er  immer  ge- 
wesen sein  mag,  die  Unkenntniss  des  Marinewesens  vorzuwerfen.  Vor  solchen 
allgemein  lautenden  Urtheilen  soll  man  sich  hüten. 

Der  Verfasser  hat  bei  seiner  dem  Buche  Daniels  gewidmeten  Studie 
auch  die  Resultate  Dr.  Nachtigall's  bezüglich  der  in  den  glagolitischen 
Missalen  und  Breviarien  enthaltenen  Bruchstücke  dieses  Bibeltextes,  zumal 

29* 


452  Kritischer  Anzeiger. 

der  Propheten,  vollauf  gewürdigt ,  um  dadurch  weitere  Beweise  für  die  Be- 
hauptung zu  gewinnen,  dass  die  erste  vollständige  Uebersetzung  der  Pro- 
pheten, als  Ergänzung  zu  den  in  den  Parömien  enthaltenen  Stücken,  in  der 
That  schon  in  Methodios'  Zeiten  versetzt  werden  muss.  Sehr  beachtenswerth 
ist  die  dabei  angewendete  Beweisführung,  die  endlich  und  letztlich  in  der 
Behauptung  kulminirt,  dass  Methodios  entsprechend  der  Ueberlieferung  in 
der  Legende  mit  seinen  Schnellschreibern  in  der  That  alle  Theile  der  Bibel, 
die  nicht  schon  durch  Konstantin  übersetzt  worden  waren,  fertig  gestellt 
habe.  Ich  anerkenne  die  Gewandtheit  des  Verfassers ,  doch  glaube  ich,  dass 
wir  zunächst  noch  sehr  weit  davon  sind,  einen  vollgültigen  Beweis  dafür 
leisten  zu  können.  Selbst  die  näher  liegenden  Ziele  lassen  sich  nicht  so  glatt 
erreichen,  wie  es  nach  der  Darstellung  des  Verfassers  den  Anschein  hat.  Er 
ist  zwar  mit  meiner  Unentschiedenheit,  die  ich  ja  selbst  nicht  loben  will, 
nicht  ganz  einverstanden  S.  XXX),  aber  auch  ich  noch  weniger  mit  seiner 
zur  Schau  getragenen  Sicherheit.  Ich  will  das  an  einem  Beispiel  zeigen.  Auf 
S.  XXVII  behauptet  er,  dass  während  im  XIII.  bis  XV.  Jahrh.  der  Text  der 
kleinen  Propheten  aus  der  vollen  Uebersetzung  jener  ersten  Periode,  die  er 
mit  dem  Namen  des  Methodios  kennzeichnet,  in  die  katholisch-glagolitischen 
Breviarieu  und  Megsbücher  übernommen  wurde ,  jene  andere  Uebersetzung, 
aus  Symeon's  Zeiten,  darnach  von  ihm  symeonisch  benannt,  den  slavischen 
Verfassern  der  glagolitischen  Breviarien  und  MessbUcher  völlig  unbekannt 
war.  Nach  seiner  Auffassung  nämlich  ist  die  alte  methodische  um  seinen 
Ausdruck  zu  gebrauchen)  Uebersetzung  der  Propheten  zu  den  Kroaten  aus 
den  pannonischen  Gebieten  [er  meidet  zwar  den  Namen  pannonisch,  aber  was 
anderes  ist  es  als  pannonisch ,  wenn  man  von  ci,  ciBcpa  ott.  xopEaroBt  spricht 
S.  XXVIII)  heruntergelangt.  Er  spricht  es  als  seine  Ansicht  aus,  dass  in  den 
kroatischen  Breviarien  und  Messbüchern  »die  glagolitischen  Texte  der  Pro- 
pheten aus  der  ersten  Hand,  und  nicht  durch  die  Vermittlung  des  Südslaven- 
thums  (er  meint  Macedonien  und  Bulgarien)  entlehnt  seien«  (ib.).  Nun  aber 
machen  gerade  die  Kapitel  aus  dem  Buche  Daniels,  die  in  den  glagolitischen 
Breviarien  und  Messbüchern  enthalten  sind ,  einen  gewaltigen  Strich  durch 
diese  Eechnung.  Das  muss  der  Verfasser  selbst  auf  S.  XLIII  etwas  kleinlaut 
eingestehen.  Freilich  behauptet  er,  um  die  unerwartete  Erscheinung  etwas 
abzuschwächen,  das  Buch  Daniels  habe  sich  in  der  ursprünglichen  Fassung 
in  dem  glagolitischen  Texte  nicht  erhalten ,  oder  diese  sei  uns  wenigstens 
nicht  bekannt.  Doch  diese  Beschönigung  wäre  besser  ausgeblieben.  Mit 
solchen  Nothbehelfen  zu  operiren,  wie  das  oder  jenes  sei  verloren  gegangen, 
ist  nicht  rathsam.  Die  Thatsache  steht  fest,  die  der  Verfasser  doch  selbst 
zugeben  muss,  dass  die  bei  Bercic  abgedruckten  Stücke  aus  dem  IL  Vrbniker 
Breviarium  (das  übrigens  nicht  erst  dem  XV.  Jahrh.  angehört,  sondern  im 
Jahre  1391  geschrieben  wurde)  ganz  deutlich  den  Zusammenhang  mit  der 
sogenannten  Symeonischen  Uebersetzung  Daniels  verrathen.  Nichts  berech- 
tigt den  Verfasser  in  dieser  Beziehung  einen  Unterschied  zu  machen  zwischen 
den  Breviarien  des  XIII.  und  den  späteren  des  XV.  Jahrb.,  insofern  er  glaubt, 
dass  nur  in  den  letzteren  die  aus  Bulgarien  herübergebrachten  Texte  (der 
Symeon'schen  Redaktion  enthalten  seien  (S.  XLII).  Die  jüngeren  Texte  pfle- 


Jevsejev,  Das  Buch  des  Proph.  Daniel,  angez.  vou  Jagi(5.  453 

gen  sich  von  den  älteren  nur  durch  den  grösseren  Grad  der  Beeinflussung 
seitens  des  lateinischen  Yulgatatextes  zu  unterscheiden  —  ein  lehrreiches 
Beispiel  dafür  gab  ich  schon  1866  in  Primeri  II.  S.  67 — 70  aus  dem  I.  Kapitel 
des  Propheten  Joel  —  an  dem  ursprünglichen  slavischen  Grundtexte  wurde 
jedoch  nicht  in  der  Weise  gerüttelt,  dass  z.  B.  die  ältere  (Methodische;  Re- 
cension  später  durch  die  jüngere  (Symeonische)  ersetzt  worden  wäre.  Eine 
so  gedachte  spätere  Beeinflussung  ist  gänzlich  ausgeschlossen.  Wir  stehen 
also  betreffs  der  Einschaltungen  aus  Daniel  vor  einem  Räthsel  oder  besser 
gesagt,  wir  müssen  volens  nolens  doch  sehr  alte  Beziehungen  zwischen  den 
Kroaten  und  Bulgaren  (Macedoniens)  zugeben,  die  sich  auch  in  Büchern  ab- 
spiegelten. Interessant  ist  dabei  zu  beobachten,  dass  i;ngeachtet  des  Zusam- 
menhanges des  glagolitischen  Textes  mit  der  sogenannten  Symeonischen 
Redaktion  einzelne  Ausdrücke  im  glagolitischen  Texte  dennoch  in  älterer 
Form,  als  sie  diese  Redaktion  hat,  sich  erhalten  haben.  Z.  B.  1.3  Berc.  ci- 
MCHB  (so  auch  Method.l:  njiCMcne  Sym.,  1.  12  paöB  tbohxb  Berc.  paöti  tboa 
Meth.:  OTpoKH  TBOA  Sym.  (ebenso  ib.  13),  1.15  rjraro.ia  Berc.  Meth.:  öeciaoBa 
Sym.,  2.  7  sTopimeio  Berc.  Meth. :  Bi.xopoe  Sym.,  2.  8  eb  ucTUHoy  Berc.  bx  p6- 
CHOToy  Meth.:  no  ucxuni  Sym.  (so  auch  2.47),  2.33  lecxB  exepa  CKcy/ti^BHa 
Berc.  ^ACXB  cKsae^iHa  eauna  Meth. :  ^iacxb  eicpa  3B3;aHa  Sym.  (im  alten  Paröm.- 
Text:  iiACxi.  c^Hua  rHujina),  so  auch  2.  34  cK03-ai.iHi  Berc.  CK&aejiHiii  Meth. 
2.  35  cKoyj'fe.iL  Berc.  cRoyÄe^iB  Meth.  —  dagegen  in  Sym,  sB^aHiu,  sb/jx,  im 
Paröm.-Text  THajiiuin,  vuaji&.  —  dieses  Verhältniss  kehrt  auch  sonst  wie- 
der — ;  2.  35  paspasu  xijio  Berc.  Meth.  paa-B^ipasu  xisio  Paröm.:  pasÄpaau  oöpasa 
Sym. ;  2.  44  pas'BiexB  Berc.  und  der  alte  Paröm.-Text :  usBiex-B  Meth.  und 
Sym.;  3.  2  na  CBemeHiie  xijia  Berc.  na  csmeHue  x£joy  Paröm.  ua  wcmeaie  xi^ia 
Meth.:  Ha  noHOBjeHiie  K&Mups  Sym.  (doch  3.  3  haben  alle  Texte  CBmenue  oder 
0CBI^eHIIe);  3.5  cnimonnc  Berc.  coyE-B^OHui  Paröm.:  corjacHUUB  Meth.  CBrjiacB- 
H-Hiix-B  Sym.  (hier  kann  der  glagolitische  Ausdruck  auch  nachträglich  unter  dem 
lateinischen  Einfluss  hineingerathen  sein) ;  3.6  b  neinB  orncMB  ropoymoy  Berc. : 
B  n.  0.  ropAmoyio  Paröm.  Meth. :  e  n.  0.  no.'TAini&  Sym.  (doch  schreibt  sonst 
auch  Sym.  ropimoyio);  3.16  noJiOTKa  saBixB  Berc.  Meth.:  nojioaai  sanosiax 
Paröm.  sanoEija  sanoEisB  Sym.;  3.  15  b  xae  lacB  Berc.  b-b  xou  qacB  Meth.:  b-b 
xou  roa-B  Paröm.  bx  ti  roax  Sym. ;  3.  62  cihuc  h  joyna  Berc.  Meth.;  cji-hunQ  u 
MicAUB  Paröm.  Sym.;  14. 32  aa  CHiaciB  aaHue.ia  Berc.  aa  aauujia  CHiaAiB  Meth. : 
aa  usiaix''  jaHu.ia  Sym. 

Ich  habe  diese  Zusammenstellung  gemacht,  um  zu  zeigen,  dass  wir  nicht 
glauben  dürfen,  in  den  uns  erhaltenen  Texten  des  XV.  Jahrh.  überall  die 
Textüberlieferung  des  X.  Jahrh.  vor  uns  zu  haben,  es  wird  vielmehr  noch 
sehr  viel  Mühe  kosten,  bis  wir  durch  sorgfältiges  Studium  der  Texte,  die  zum 
sehr  grossen  Theil  nicht  einmal  in  der  ältesten  erhaltenen  Ueberlieferung 
herausgegeben  sind,  eine  klare  Einsicht  in  die  Sache  gewinnen.  Bis  dahin 
ziehe  ich  vor,  etwas  weniger  zu  wissen  als  der  Verfasser  des  vorliegenden 
Werkes.  Es  lassen  sich  z.  B.  sehr  schön  hören  die  von  ihm  für  das  Auf- 
tauchen einer  kommentirten  Ausgabe  (natürlich  nur  in  Handschriften)  aller 
Propheten-Texte  vorgebrachten  Kombinationen  und  Vermuthungen  (S,  XXXV 
bis  XXXVIII),  aber  in  meinen  Augen  haben  diese  Einfälle  keine  grosse  Be- 


454  Kritischer  Anzeiger. 

deutung.  Denn  woher  weiss  der  Verfasser  so  sicher,  dass  diese  Arbeit  gerade 
zur  Zeit  Symeon's  und  zwar  schon  vor  927  fertig  war  (S.  XXVIII;?  Woher 
weiss  er,  dass  im  Symeonischen  Zeitalter  die  kirchenslavische  Sprache  der 
damaligen  Schriftsteller  einheitlich  und  zwar  von  der  älteren  pannonischen 
Tradition  wesentlich  verschieden  war?  Wer  gibt  uns  das  Recht  zu  behaup- 
ten, dass  man  damals  durchweg  so  schrieb,  wie  es  z.B.  ein  Joannes  Exarchos 
machte  ?  Sind  denn  alle  Schriftsteller  der  ältesten  macedonisch-bulgarischen 
Periode  auch  nur  ordentlich  herausgegeben?  Auf  alle  diese  Fragen  lautet 
vorläufig  wenigstens  die  Antwort  verneinend.  Selbstverständlich  berühre 
auch  ich  diese  Fragen  nur  darum,  weil  dadurch  das  Verdienst  solcher  For- 
schungen, wie  die  vorliegende,  um  so  stärker  hervortritt.  Ich  freue  mich 
über  diesen  neuen  Beweis  der  tüchtigen  Leistungsfähigkeit  des  Verfassers 
und  wünsche  ihm  den  besten  Erfolg  in  seinen  weiteren  wissenschaftlichen 
Arbeiten,  die  freilich  auch  seine  vorgesetzten  Behörden  wesentlich  fördern 
könnten,  wenn  sie  ihn  nicht  zu  lange  in  solchen  Provinzialstädten,  wie  Ka- 
menec-Podolsk  oder  Orel,  aufhielten,  sondern  bald  nach  Moskau  oder  Peters- 
burg ziehen  Hessen,  wo  das  grosse  Arbeitsfeld  gerade  solche  frische  Kräfte 
nöthig  hat.  V.  J. 


A.  B.  MnxaHjroBi).    Kt  Bonpocy  o  .iHTepaTypHOMt  HacttiÄiH  cbb.  Kh- 

pHJjia  H  MeeoAiÄ  btb  rjarojH^ecKHxi.  xopEaTCKiixt  MHCcajiax'L  h  6pe- 

Biapiaxi..    BapmaBa  1904.  8°.  145. 

Prof.  Michajlov  konzentrirt  schon  seit  vielen  Jahren  seine  Aufmerksam- 
keit auf  das  Studium  der  kirchenslavischen  Uebersetzung  des  ersten  Buches 
Mose,  der  Genesis.  Als  das  letzte  Resultat  dieses  Studiums  erscheint  eine 
kritische  Ausgabe  dieses  Textes,  mit  Heranziehung  eines  sehr  reichen  Les- 
artenmaterials aus  fast  allen  ihm  zugänglich  gewesenen  Handschriften.  Da- 
von sind  in  den  Jahren  1900 — 1903  drei  Hefte,  auf  310  Seiten  die  Kapitel  I  bis 
XXXVI  umfassend,  unter  dem  Titel :  Knura  ötiTiji  npopoKa  Moucen  Et  jipeEne- 
c.iaBHHCKOM'i  nepeBoai  erschienen.  Der  Herausgeber  kann  jetzt,  wie  kaum  ein 
Zweiter,  über  die  innere  Geschichte  der  kirchenslavischen  Uebersetzung  des 
ersten  Buches  Mose  Rechenschaft  geben.  Allerdings  beruht  seine  Ausgabe 
ausschliesslich  auf  den  cyrillischen  Texten,  die  er  in  doppelter  Form  vorfand : 
in  Bruchstücken  der  sogenannten  Parömien  südslavischer  und  russischer 
Provenienz,  und  vollständig  in  den  alle  fünf  Bücher  Mose  enthaltenden 
Texten,  ebenfalls  südslavischer  und  russischer  Provenienz.  Die  Handschriften 
erster  Art  reichen  bis  in  das  XII.  Jahrb.  zurück,  die  letzteren  sind  nicht  älter 
als  aus  dem  XV.  und  XVI.  Jahrh.  Da  der  Druck  der  Ausgabe  noch  nicht 
vollendet  ist,  so  fehlt  auch  die  zusammenfassende  Darstellung  der  auf  die 
innere  Entwickelung  des  Textes  bezugnehmenden  Thatsachen.  Ich  finde  zwar 
auf  S.  88  des  oben  citirten  Werkes  in  der  ersten  Anmerkung  den  voraussicht- 
lichen Titel  dieses  Werkes  angegeben :  Onwxi.  usyieniH  icKcxa  kh.  EbitIh  np. 
MoHceH  sn,  ÄpeBHecji.  neperoji,  doch  dieses  Werk  ist  meines  Wissens  erst  unter 
der  Feder  des  Verfassers.    Inzwischen  aber  richtete  er  seinen  Blick  auf  die 


Michajlov,  Altes  Erbe  in  kroat.-glagol.  Kirchenbüchern,  angez.  v.  Jagic.  455 

Beschaffenheit  desselben  Textes  in  einer  anderen  Art  von  Handschriften,  die 
weder  cyrillisch  geschrieben  noch  für  die  liturgischen  Zwecke  der  orthodoxen 
Kirche  bestimmt  sind.  Das  sind  die  Lektionen  oder  Perikopen  aus  dem 
Buche  Genesis,  die  in  den  in  der  katholischen  Kirche  gebräuchlichen  Missalen 
und  Breviarien  in  ihrer  glagolitisch-kirchenslavischen  Gestalt  begegnen.  Die 
Aufgabe  der  vorliegenden  Schrift  besteht  darin,  den  in  letztgenannten  Bü- 
chern enthaltenen  glagolitischen  Text  mit  dem  entsprechenden  cyrillischen 
zu  vergleichen,  um  ihr  gegenseitiges  Verhältnis  klar  zu  stellen.  Derartige 
Versuche  wurden  allerdings  schon  früher  gemacht,  z.  B.  betreffs  des  Evan- 
gelientextes von  mir  schon  vor  42  Jahren ,  betreffs  des  Psalters  in  einer 
grundlegenden  Untersuchung  meines  verstorbenen  Freundes,  Prof.  Valjavec 
(in  den  Jahren  1889—1890,  Rad  Bd.  98,  99, 100).  Zuletzt  unterzog  diese  Frage 
im  Umfange  des  griechischen  Parömienbuches  einer  Untersuchung  Dr.  Nach- 
tigall im  3.  Band  der  Moskauer  archäologischen  »Tpyaw  caaBHucKofi  komucIh« 
(1902,  S.  175  —  213).  Dass  diese  Arbeiten  die  Untersuchung  Michajlovs  nicht 
überflüssig  machen,  liegt  schon  darum  auf  der  Hand,  weil  er  sich  über  einen 
Text  verbreitet  (die  Genesis),  der  von  mir  und  Valjavec  gar  nicht,  von 
Dr.  Nachtigall  nicht  in  dem  Umfang,  wie  es  hier  geschieht,  behandelt  wurde. 
Die  gegen  Nachtigall  auf  S.  49 — 51  geführte  Polemik  finde  ich  ungerecht- 
fertigt, da  er  andere  Ziele  verfolgte,  als  der  Verfasser  der  vorliegenden 
Schrift.  In  jener  Abhandlung  sollte  das  russische  Publikum,  soweit  es 
sich  für  die  Forschungen  der  slavischen  Philologie  interessiert,  auf  die 
Bedeutung  der  glagolitischen  Texte,  die  in  den  katholisch -liturgischen 
Büchern  stecken,  aufmerksam  gemacht  und  der  Beweis  geführt  werden,  dass 
die  glagolitischen  Texte,  neben  den  offenbaren  Spuren  der  Beeinflussung 
seitens  der  lateinischen  Vulgata,  auch  noch  deutlichen  Zusammenhang  mit 
der  altkirchenslavischen,  auf  griechischer  Vorlage  beruhenden  Uebersetzung 
zeigen.  Da  es  ihm  auf  eingehende  Untersuchung  eines  einzelnen  Stückes  der 
biblischen  Bücher  nicht  ankam,  sind  auch  die  auf  S.  50 — 51  ausgesprochenen 
Rügen  unverdient.  Selbstverständlich  will  ich  damit  nicht  sagen,  dass  ich 
nicht  einer  eingehenden  Untersuchung  von  Buch  zu  Buch  den  Vorzug  gebe. 
Uebrigens  könnte  man,  wenn  schon  auf  möglichst  erschöpfende  Ausnutzung 
der  Handschriften  Gewicht  gelegt  wird,  auch  dem  Verfasser  der  vorliegenden 
Schrift  den  Vorwurf  machen,  dass  er  nicht  alle  bisher  erschienenen  glagoliti- 
schen Texte  verwertet  hat.  Er  führt  zwar  an  einer  Stelle  meine  «Primeri« 
an  (S.  43),  ohne  jedoch  den  dort  abgedruckten  Text  (Gen.  I  1 — 31 ,  II  1 — 25, 
III  1 — 8,  XXII  1—19)  bei  seinen  Vergleichen  herangezogen  zu  haben.  Ich 
könnte  allerdings  nicht  sagen,  dass  diese  Erweiterung  des  Materials  auf  seine 
Schlussfolgerung  einen  Einfluss  ausgeübt  hätte,  doch  für  das  auf  S.  102  ff. 
gezeichnete  Bild  der  Verschiebung  des  ursprünglichen  Textes  nach  der  latei- 
nischen Vorlage  hätte  immerhin  manches  gewonnen  werden  können. 

Sonst  bin  ich  von  der  Darstellung  des  Verfassers  vollständig  befriedigt, 
soweit  er  das  Verhältnis  des  glagolitischen  Textes  zum  cyrillischen  veran- 
schaulicht (S.  62—140).  Er  hat  klar  dargelegt:  1)  dass  im  ganzen  und  grossen 
der  glogolitische  Text  mit  den  cyrillischen  (nach  den  Parömienbüchern)  über- 
einstimmt (S.  62—82),  und  dass  diese  Uebereinstimmung  auch  dort  sichtbar 


456  Kritischer  Anzeiger. 

ist,  wo  in  der  griechischen  oder  lateinischen  Vorlage  Leseverschiedenheiten 
vorkommen  (S.  82 — 86);  2)  dass  der  glagolitische  Text  näher  steht  dem  cyril- 
lischen der  Parömienbücher  als  jenen  der  vollen  Genesis  (S.  SS  —  95),  und 
dass  er  hier  und  da  selbst  ältere  Formen  erhalten,  als  der  cyrillische  Text  der 
Parömienbücher  (S.  95—97) .  Merkwürdig,  dass  der  Verfasser  das  selbst  zugibt 
und  doch  an  einer  früheren  (oben  erwähnten)  Stelle  stark  gegen  Nachtigall 
polemisirt,  der  mit  seiner  Bezeichnung  »älter«  doch  nichts  anderes  aus- 
drücken wollte,  als  dass  hier  und  da  in  den  glagolitischen  Texten  sich  eine 
ältere  Fassung  des  Textes  erhalten  hat.  Weiter  konstatirt  der  Verfasser, 
dass  an  einigen  Stellen  der  Wortlaut  des  glagolitischen  Textes  mit  dem  spä- 
teren cyrillischen  (der  durch  den  vollen  Umfang  der  fünf  Bücher  Mose  ver- 
treten ist)  sich  deckt  (S.  97 — 102),  doch  geschieht  das  nur  in  sehr  massigem 
Umfange.  Ich  möchte  hinzufügen ,  dass  wir  kleine  Schwankungen  im  Aus- 
druck schon  für  die  älteste  Zeit,  die  sogenannte  pannonische  Epoche  des 
Schrifttums,  zugeben  müssen,  während  die  auf  S.  101  angeführten  Abwei- 
chungen, die  weder  in  den  cyrillischen  Parömien  noch  in  dem  vollen  cyrilli- 
schen Text  der  Genesis  anzutreffen  sind,  einfach  auf  dem  Einfluss  des  lokalen 
Dialektes,  dem  Streben  nach  grösserer  Verständlichkeit  des  Textes,  die  dem 
Abschreiber  vor  Augen  schwebte,  beruhen.  Man  vergleiche  solche  Ausdrücke 
wie  Tc^am  für  AiJia.TU ,  leacaKt  für  lA^apL ,  cixani,  JüHiieiiB ,  inno  [japno]  für 
Mijx,  roBopaxy  für  rjiaroJiaxoy  u.  s.  w.  Merkwürdig  ist  das  Wort  MamKaiu 
Gen.  26,  8  und  das  Substantiv  MauiKauuc  29,  3,  die  an  -M^mK&xn-miaszkac  erin- 
nern. Ich  stimme  dem  Verfasser  bei,  wenn  er  auf  S.  110  ff.  die  Ansicht  aus- 
spricht, dass  es  eine  konsequent  durchgeführte  Umänderung  des  altüber- 
lieferten kirchenslavischen  Textes  nach  dem  lateinischen  Vorbild  nicht  gab, 
mögen  auch,  wie  die  von  ihm  angeführten  Beispiele  (S.  103 — HO)  zeigen,  auf 
jeder  Seite  die  Einflüsse  des  lateinischen  Textes  sichtbar  sein.  Dazu  will 
allerdings  nicht  ganz  stimmen,  wenn  er  auf  S.  113  der  Ansicht  Valjavec's  be- 
treffs des  Psalters  sich  anschliessend,  die  Vermuthung  ausspricht,  dass  die 
Hauptrevision  des  Textes  mit  Hinblick  auf  die  lateinische  Vulgata  einmal  vor 
sich  ging  und  zwar,  wie  er  glaubt,  damals  als  das  Buch  Genesis  in  die  glago- 
litischen Breviarien  Aufnahme  fand.  Ja  wenn  man  das  wüsste !  Allein  das 
kritische  Studium  der  glagolitischen  Texte  kroatischer  Heimat  hat  kaum  erst 
begonnen.  Man  ist  so  ziemlich  auf  die  Ausgabe  Berlic's  angewiesen,  wo  der 
kritische  Apparat  gänzlich  fehlt.  Andere  Texte,  ältere  und  jüngere,  wurden 
bis  jetzt  nur  sehr  selten  zum  Vergleich  herangezogen.  Vergl.  ein  solches 
Beispiel  im  Archiv  XXII,  525  —  542,  aus  welchem  man  nicht  auf  so  grosse 
Uebereinstimmung  unter  den  einzelneu  glagolitischen  Texten  schliessen  darf, 
wie  es  nach  einigen  Handschriften  allerdings  den  Anschein  hat.  Noch  un- 
glaublicher klingt  die  Ansicht  Michajlov's,  dass  der  Uebergang  der  Kroaten 
zum  katholischen  Ritus  in  grossen  Massen  erst  nach  1248  stattgefunden  habe 
(S.  113),  einzelne  frühere  Fälle  nicht  ausgeschlossen  (S.  114).  Wenn  der  Ver- 
fasser sich  auch  auf  mich  als  den  Vertreter  dieser  Ansicht  beruft  (S.  114 
Anm.  1),  so  ist  das  falsch.  Ich  sprach  einst  in  der  Tisucnica  (1863),  ohne  eine 
Ahnung  von  den  Kijever  Blättern  zu  haben,  schon  vom  XI.  Jahrb.  als  der 
mutmasslichen  Zeit  der  Einführung  des  lateinischen  Ritus  —  das  XIII.  Jahrh. 


Michajlov,  Altes  Erbe  in  kroat.-glagol.  Kirchenbüchern,  angez.  v.  Jagic.   457 

galt  nur  als  der  ungefähre  Zeitpunkt  der  stärkeren  Textrevision.  Dem  be- 
kannten Breve  des  Papstes  Innocenz  vom  Jahre  1248  wird,  nach  meinem 
Dafürhalten,  viel  zu  viel  Gewicht  beigelegt,  dagegen  die  Thatsache,  dass  in 
den  Kijever  Blättern  ein  Bruchstück  des  nach  lateinischem  Ritus  eingerich- 
teten Messbuches  (Sacramentariums)  vorliegt,  zu  gering  bewerthet.  Ich  habe 
nirgends  behauptet,  dass  gerade  Method  selbst  den  römischen  Ritus  in 
Mähren- Pannonien  eingeführt,  es  war  nur  von  jener  Zeit  als  dem  frühesten 
Moment,  wo  dieser  Process  hat  anfangen  können,  die  Rede.  Ich  bin  mir  der 
wissenschaftlichen  Objectivität,  mit  der  ich  dabei  vorging,  voll  bewusst  und 
würde  sie  in  gleich  hohem  Grade  so  manchem  russischen  Gelehrten  wünschen. 
Was  Michajlov,  mit  Hinwels  auf  die  angeblichen  Beweise  Florinskij's,  da- 
gegen vorbringt  (auf  S.  33 — 34;,  kann  mich  in  meiner  früher  ausgesprochenen 
Ansicht  auch  jetzt  nicht  wankend  machen.  Wenn  er  auf  die  Einschaltung  der 
biblischen  Texte  in  das  Kijever  glagolitische  Sacramentarium  hinweist  (S.35), 
so  scheint  er  übersehen  zu  haben,  dass  auf  dem  ersten  Kijever  Blatt  der  Zu- 
satz der  Perikope  (ad  Rom.  XIII.  11 — 14,  XIV.  1 — 4)  von  einer  späteren  Hand 
herrührt  (vergl.  Glagolitica  S.  56 — 58)  und  für  die  ursprüngliche  Abfassung 
des  glagolitischen  Sacramentariums  nicht  in  Betracht  kommen  kann. 

Der  ganzen  verdienstvollen  Beweisführung,  gegen  die  ich  sonst  wie  ge- 
sagt nichts  einzuwenden  habe,  geht  eine  Einleitung  über  die  äussere  Ge- 
schichte der  slavischen  Liturgie  in  Kroatien- Dalmatien  voraus,  die  auf 
fremden,  zum  Theil  jetzt  schon  veralteten  Forschungen  beruht  (S.  2—49).  Es 
wäre  zweckmässig  gewesen,  auch  hier  so  manche  Behauptung,  die  er  aus 
Tkalcic,Broz  oder  meinen  Jugendarbeiten  schöpfte,  von  neuem  zu  prüfen  oder 
nach  neuesten  Forschungen  zu  bearbeiten.  Z.  B.  die  Behauptung,  dass  die 
Slavenapostel  durch  Kroatien  nach  Rom  reisten  (S.  2] ,  steht  auf  sehr  schwa- 
chen Füssen ,  da  das  Land  zwischen  Mur,  Drave  und  Save  damals  nicht  zu 
Altkroatien  gehörte.  Die  ganze  Darstellung  der  Beziehungen  des  Bischofs 
Gregorius  von  Nona  zur  römischen  Kurie  sollte  jetzt  schon  weder  nach  Broz 
noch  nach  meiner  Literaturgeschichte ,  sondern  nach  den  späteren  Forschun- 
gen Racki's  erzählt  werden.  Solche  Behauptungen  wie  (S.  6),  dass  »vor  dem 
Auftreten  der  nationalen  Kirche  bei  den  Kroaten  die  Romanisirung  des 
Küstenlandes  und  anderer  kroatischer  Gebiete  schnell  und  unbehindert  vor 
sich  ging«  oder  dass  »solange  die  römische  Kurie  der  nationalen  Kirche  bei 
den  Kroaten  zugethan  war«  (ja  wann  war  denn  das?),  »die  lokale  italienische 
Geistlichkeit  nicht  energisch  genug  entgegenarbeiten  konnte«  (S.  7)  oder  dass 
»die  Politik  der  Nachgiebigkeit,  Versöhnlichkeit  und  der  Annäherung  zweier 
Nationalitäten,  der  römischen  und  slavischen,  ganz  fremd  und  feindselig 
dem  kroatischen  Volk,  in  ihren  Folgen  selbst  der  staatlichen  Macht  in 
Kroatien  verderblich  war«  (S.  9),  oder,  dass  »der  Papst  Johannes  X  zum  Glück 
den  Bestimmungen  der  Synode  vom  Jahre  925  seine  Zustimmung  versagte, 
nachgebend  in  diesem  Fall  der  eindringlichen  Bitte  des  Bischofs  von  Nona 
Gregorius,  der  sich  auf  die  Bullen  Hadrians  II.  und  Johannes  VIII.  berief«  (ib.) 
—  alles  das  sollte  in  einer  kritisch  sein  wollenden  Schrift  heute  nicht  mehr 
wiederholt  werden.  Immerhin  ist  die  Schrift  ein  schätzbarer  Beitrag.     F.  J". 


458  Kritischer  Anzeiger. 

J.  Baudouin  de  Courtenay.     Szkice  j^zykoznawcze.    Tom.  I. 
Warszawa  1904.  8».  VII.  464. 

Die  Stellung  Professor  Baudouins  in  der  slavischen  Sprachwissenschaft 
ist  eine  ganz  eigenthümliche.  Vor  allem  ist  er  kein  slavischer  Philolog.  Denn 
nach  dem,  wie  er  auf  S.  25 — 27  die  Sprachwissenschaft  gegenüber  der  Philo- 
logie abgrenzt ,  wie  er  in  der  Sprachwissenschaft  sogar  den  schädigenden 
Einfluss  der  philologischen  Gesichtspunkte  hervorhebt  —  kann  man  unmög- 
lich ihn  zum  Anhänger  einer  solchen  Richtung  zählen,  die  er  mit  ziemlicher 
Geringschätzung  behandelt.  Er  ist  aber  auch  kein  Linguist  im  Sinne  der  ver- 
gleichenden indogermanischen  Sprachwissenschaft,  in  der  Richtung  eines 
Bopp,  Schleicher,  Joh.  Schmidt,  Brugmann  u.  a. ,  auch  nicht  auf  dem  engeren 
slavischen  Sprachgebiete  in  der  Art  eines  Miklosich.  Statt  der  Verwerthung 
der  vergleichenden  oder  geschichtlichen  Momente  —  die  letzteren  sind  be- 
kanntlich auch  bei  Miklosich  nicht  immer  deutlich  und  ausreichend  —  erfasst 
er  die  Spracherscheinungen  als  Produkte  der  psychisch-physiologischen  Pro- 
cesse,  die  er  durch  eine  besondere  wissenschaftliche  Behandlung  veranschau- 
lichen und  erklären  möchte.  Zu  diesem  Zwecke  gibt  er  der  lebendigen 
gesprochenen  Sprache  in  ihrer  dialektischen  Mannigfaltigkeit  als  einem  zweck- 
mässigeren  Object  des  Studiums  den  Vorzug  vor  der  in  alten  Denkmälern 
deponirten  todten  Form  derselben.  Der  Wunsch,  alle  gleichartigen  Erschei- 
nungen mit  Präcision  zusammenzufassen  und  sie  unter  eine  Formel  zu  brin- 
gen, wobei  die  Abspiegelung  der  psychischen  oder  lautphysiologischen  Vor- 
gänge zum  Ausdruck  kommen  soll,  erzeugte  bei  ihm  eine  besondere  Vorliebe 
für  die  Aufstellung  mathematischer  oder  mathematisch  aussehender  Formeln 
und  einer  ganz  eigenartigen  Terminologie  zur  Benennung  dieser  Vorgänge, 
die  vielfach  Kopfschütteln  bei  den  Mitforschern  hervorrief  und  nur  zu  einem 
geringen  Theil  allgemein  angenommen  wurde.  "Weiterhin  mag  seine  grosse  Nei- 
gung zur  minutiösen  Eintheilung  und  Klassifikation  der  Erscheinungen  und 
zur  Heranziehung  der  Parallelen  aus  dem  Bereich  der  Naturwissenschaften  her- 
vorgehoben werden.  Will  man  noch  dazu  seine  Neigung  zur  Geisseluug  der 
eigenen  wie  auch  der  fremden  Irrthümer  hinzufügen ,  so  hat  man  ein  unge- 
fähres Bild  der  hervorragenden  Eigenschaften  dieses  slavischen,  y.c.x  iioyr^v 
polnischen  Sprachforschers  gewonnen.  Seine  persönlichen  Verhältnisse  ge- 
stalteten sich  so ,  dass  er  den  grössten  Theil  der  Wirksamkeit  nur  auf  den 
russischen  Universitäten,  zum  Theil  in  Dorpat,  das  damals  noch  deutsch  war, 
entfalten  konnte.  Der  Aufenthalt  in  Krakau  bildete  nur  eine  kurze  Episode 
seines  Lebens.  Da  er  aber  einen  grossen  Theil  seiner  wissenschaftlichen 
Operationen  an  der  menschlichen  Sprache  in  ihrer  polnischen  Verkörperung 
und  Gestalt  ausübte  und  infolgedessen  an  seinen  Leistungen  vor  allem  die 
polnischen  Lesekreise  das  grösste  Interesse  haben  müssen,  so  lag  der  Wunsch 
nahe,  die  in  verschiedenen  Zeitschriften  zerstreuten  Abhandlungen  des  ehren- 
werthen  Gelehrten,  wenigstens  soweit  sie  die  polnische  Sprache  hauptsächlich 
berücksichtigen,  in  einer  polnischen  Gesamtausgabe  zu  veröffentlichen.  Eine 
Stiftung,  sie  führt  den  Titel  »Hilfskasse  für  die  auf  dem  wissenschaftlichen 
Felde  arbeitenden  Personen  Namens  Josef  Mianowski«,   ermöglichte  die 


Baudouin  de  Courtenay,  Sprachwiss.  Skizzeo,  angez.  von  Jagic.     459 

Herausgabe  zunächst  des  I.  Theils  (von  der  Fortsetzung  der  Publikation 
spricht  der  Verfosser  allerdings  nicht  mit  voller  Zuversicht),  in  welchem  we- 
nigstens ein  Theil  seiner  Beiträge  nicht  etwa  in  chronologischer  Reihenfolge, 
sondern  wie  es  scheint,  mehr  nach  dem  Inhalt  geordnet,  zur  Ausgabe  kam, 
wobei  das  allgemein  Orientirende  oder  in  die  Sprachwissenschaft  Einführende 
an  die  Spitze  gestellt  wurde.  Die  erste  Stelle  dieser  »Sprachwissenschaft- 
lichen Skizzen«  nimmt  ein  im  Jahre  1901  erschienener  Aufsatz  »Sprach- 
wissenschaft oder  Linguistik  im  XIX.  Jahrh.«  (S.  1 — 23)  ein,  gleich  darauf  folgt 
ein  Vortrag  aus  dem  Jahre  1888  »Ueber  die  Aufgabe  der  Sprachwissenschaft« 
(S.  24 — 49).  Der  dritte  Beitrag  »Ueber  die  allgemeine  Ursache  der  Sprach- 
veränderungen« datirt  aus  derselben  Zeit  (S.  5U— 94),  beruht  wesentlich  auf 
physiologischen  Wahrnehmungen,  als  dem  Hauptmittel  der  Erklärung  sprach- 
licher Vorgänge.  Breiten  Raum  nimmt  die  vierte  Abhandlung  ein,  die  der 
Beurtheilung  linguistischer  Arbeiten  des  gewesenen  Professors  Mich.  Kru- 
szewski  gewidmet  ist  (S.  95 — 175).  Kr.,  ein  Pole  von  Geburt,  studierte  zuletzt 
in  Kazan  unter  der  Anleitung  Baudouin's,  war  sein  Schüler  und  nachher 
Professor  der  allgemeinen  und  vergleichenden  Sprachwissenschaft  an  dersel- 
ben Universität  (S.  97 — 175).  Beachtenswerth  für  das  Verhältniss  des  Lehrers 
zum  Schüler  ist  die  Thatsache,  dass  manches  von  dem  was  Kr.  in  seinen 
Werken  als  eigene  Theorie  hinstellte,  von  Band,  als  sein  geistiges  Eigenthum 
in  Anspruch  genommen  wird  (vergl.  die  Bemerkungen  auf  S.  125 — 126).  Mögen 
auch  die  vielen  Einwendungen  Band. 's  gegen  Kr.  begründet  sein ,  so  würde 
ich  doch  eine  Kürzung  dieser  ausführlichen  Anzeige  gewünscht  haben,  zumal 
der  Leser,  dem  die  Originale  Kr.s  nicht  vorliegen,  nicht  leicht  in  allen  Einzel- 
heiten der  Beurtheilung  folgen  kann.  Die  fünfte  Abhandlung  enthält  in  poln. 
Uebersetzung  den  Beitrag  Band,  s  aus  dem  VI.  Band  der  Kuhn-Schleicher- 
schen  Beiträge  »Einige  Fälle  der  Wirkung  der  Analogie  in  der  poln.  Dekli- 
nation«, wobei  in  der  Einleitung  ein  damals  von  Schleicher  gekürzter  Absatz 
jetzt  in  vollem  Umfange  zum  Abdruck  kommt  (S.  176—247).  Zahlreiche  Be- 
merkungen unter  der  Zeile  machen  den  Leser  auf  die  Stellen  aufmerksam,  wo 
Prof.  Band,  jetzt  nicht  mehr  so,  wie  im  Jahre  1868  sich  ausdrücken  würde. 
Aus  derselben  Zeit  stammen  die  sechste  und  siebente  Abhandlung,  ebenfalls 
zuerst  deutsch  in  den  Kuhn- Schleicher'schen  Beiträgen  im  VI.  Band  abge- 
druckt ;S.  249 — 256,  257 — 263).  Sehr  ausführlich  angelegt  ist  als  neunter  Bei- 
trag aufs.  264 — 401  dieRecension  über  die  bekannte  polnische  Grammatik  von 
Franz  Xav.  Malinowski,  sie  erschien  zum  ersten  Mal  in  der  poln.  Zeitschrift 
»Niwa«  im  Jahre  1874,  hier  findet  man  viele  bei  der  ersten  Publikation  der 
Anzeige  nicht  aufgenommene  »Beilagen«.  Das  Ganze  ist  zwar  lesenswerth, 
doch  nach  meinem  Dafürhalten  für  die  Jetztzeit  etwas  zu  ausführlich.  Im 
zehnten  Beitrag  (S.  402 — 412  ,  den  ich  ebenso  wie  die  vorgenannten  bisher 
nicht  kannte,  wird  mit  humoristischer  Kritik  das  unvollendet  gebliebene 
Buch  Budilovic's  nepsoötiTHLie  cjaBAHe  besprochen  (aus  dem  Jahre  1879). 
Nr.  XI  gibt  eine  schon  in  den  Krakauer  Sitzungsberichten  abgedruckte  In- 
haltsangabe einer  Abhandlung  über  Sandhi-Erscheinungen  im  Sanskrit  und 
im  Polnischen  (S.  413 — 423;.  Wir  hätten  bis  zur  Publikation  der  vollendeten 
Arbeit  warten  können.    Nr.  XII  und  XIII  bringen  wieder  zwei  schon  im 


460  Kritischer  Anzeiger. 

Jahre  1868  für  dieKuhn-Schleicher'schen  Beiträge  geschriebene  Kleinigkeiten 
(Hinneigung  zum  e  im  Polnischen ,  Zetacismus)  mit  reichlichen  Warnungs- 
anmerkungen. Nr.  XIV  und  XV  sind  ebenfalls  den  Krakauer  Sitzungsberich- 
ten entnommen  (Etymologische  Kleinigkeiten  und  etymolog.  semasiologische 
Kombinationen  betreffs  der  Wurzel  ha  im  Polnischen).  Gut  ausgeführte  In- 
dices  (auch  die  besprochenen  Wörter  umfassend)  beschliessen  den  ersten 
Band  dieser  Skizzen. 

Von  einem  näheren  Eingehen  in  den  Inhalt  des  hier  zusammengetragenen 
Stoffes  kann  um  so  mehr  abgesehen  werden,  als  ja  das  Archiv  (wie  die  von 
mir  im  I.  Band  gegebene  Uebersicht  und  der  von  Prof,  Pastrnek  verfasste 
Supplementband  des  näheren  ausführen)  immerfort  die  wiss.  Leistungen  Bau- 
douin's  sorgfältig  registrirte.  Ich  kann  nur  dem  Wunsche  Ausdruck  geben, 
dass  der  Verfasser  in  die  Lage  kommen  möchte,  seine  Skizzen  fortzusetzen, 
wobei  ich  seinen  schon  angekündigten  Entschluss,  nicht  alles  in  extenso  zum 
Abdruck  zu  bringen,  durchaus  billige.  F.  J. 


Beiträge  zur  polnisclien  Wortbildung  von  Titus  Benui.    I.  Einfüh- 
rung, Produktive  Personalsuffixe.    Leipzig  1905.  S^.  48. 

Das  vorliegende  Heft  enthält  »Einführung«,  in  welcher  auf  die  neuere 
Behandlung  des  Gegenstandes  zum  Unterschied  von  dem  frühereu  starren 
Formalismus,  wie  er  z.  B.  im  Werke  Miklosich,  hervortritt,  hingewiesen 
wird;  dann  folgt  die  Aufzählung  der  substantivirenden  Suffixe  im  Polnischen. 
Der  Verfasser  steht  auf  dem  Standpunkte  der  isolirten  Einzelbehandlung, 
dabei  wird  auch  der  eventuellen  geschichtlichen  Entwickelung  keine  Rech- 
nung getragen,  obwohl  gerade  diese  Betrachtungsweise  manchmal  erwünschte 
Uebergänge  oder  fertige  Vorbilder  für  die  erweiterte  Anwendung  einzelner 
Suffixe  abgeben  könnte.  Das  Beste  an  der  kleinen  Schrift  ist  die  Zusammen- 
stellung von  Beispielen,  ihre  Gruppirung  nach  den  Bedeutungssphären,  wobei 
selbst  die  Neugebilde  modernster  Zeit  (aus  der  Tagespresse,  der  wissenschaft- 
lichen Literatur)  mit  aufgenommen  wurden ,  z.  B.  schyikoiviec  für  Dekadent 
(S.  15),  strejkoicicz  für  Streiktheilnehmer  (S.  46)  u.  s.w.  Einzelne  Ausdrücke 
hätten  verdient  herausgehoben  zu  werden,  z.  B.  rumieniec  (S.  14  und  noch- 
mals S.  19)  gehört  wohl  nicht  in  die  übliche  Gruppe  der  Bildungen  auf  iec 
wegen  seiner  abweichenden  Bedeutung  (vergl.  das  russ.  p-jTMflHeut).  Warum 
dziuraiciec  auf  S.  14  und  abermals  auf  S.  18  zur  Sprache  kommt,  ist  ebenso- 
wenig einzusehen,  wie  warum  ulnhieniec  auf  S.  14  und  obluhieniec  a.ui '&.  19 
erwähnt  wird.  Auf  S.  20  ist  zunächst  vom  Suffix  -ik,  dann  auf  S.  21  vom  -nik 
die  Rede;  wie  kamen  aber  S.  23  (und  24)  peicnik  Axiom,  poiudnik  Meridian 
und  S.  24  röwnik  dazu,  gerade  unter  dem  Suffix  -nik  erwähnt  zu  werden?  Beim 
Suffixe  -arz,  an  dessen  Unursprünglichkeit  im  alten  slavischen  Wortschatz 
gar  nicht  gedacht  wird,  sollte  die  Frage,  wann  ein  Wort  auf  -arz  und  wann 
auf  -iarz  auslautet,  beantwortet  werden.  Das  geschieht  ganz  mechanisch  auf 
S.  31.    Kann  man  -niarz  vor  -narz  den  Vorzug  geben  (S.  31)  angesichts  nicht 


i 


Benni,  Zur  poln.  Wortbildung,  angez.  voa  Jagic.  461 

nur  der  Fremdwörter  (z.  B.  dykcyonarz,  marynarz,  misjonarz),  sondern  auch  der 
echt  polnischen  Bildungen:  mlynarz,  dztvonarz?  Die  übrigens  unverkenn- 
bare Vorliebe  für  -iarz  (namentlich  bei  Neubildungen)  muss  offenbar  auf  einer 
späteren  Analogieiibertragung  beruhen.  Auch  slovakisch  finde  ich  zwar 
mäsiar  neben  cech.  masar,  sloven.  und  serbkr.  mesar  verzeichnet,  allen  dem 
poln.  rzezhiarz  steht  slovak.  rezbdr,  cech.  rezbär  u.  s.  w.  gegenüber,  ebenso 
dem  poln.  siodlarz  das  slov.  sedldr,  cech.  sedldr,  südal.  sedlar  u.  s.  w.  Die  Vor- 
liebe für  -iarz  scheint  also  auf  der  Analogieübertragung  entweder  der  berech- 
tigten Fälle  auf  -iarz  oder  auf  den  Einfluss  von  -ierz  (aus  dem  deutschen  er) 
zu  beruhen,  vergl.  farbiarz  xmdfarbierz,  oder  mit  nialarz  vergl.  cech.  malir. 
Die  alten  Bildungen  lauten  auch  im  polnischen  auf -ars,  z.  B.  gospodarz  (falsch 
vom  Verfasser  für  eine  Ausnahme  erklärt  S.  31).  Wo  ein  fremdes  Verbum 
auf -otüac  lautet,  kann  das  Substantiv  auf -ar;:  als  polnische  Bildung  dazu 
kommen ,  oder  auch  umgekehrt  zu  dem  Substantiv  das  Verbum  hinzutreten, 
doch  ist  es  wohl  falsch  arenda  erst  von  arendowac  abzuleiten  (S.  30).  Das 
Substantiv  arenda  kennen  auch  solche  slav.  Sprachen,  die  das  Verbum  aren- 
doioac  nicht  gebrauchen,  z.  B.  die  serbische.  Nach  der  Lehre  des  Verfassers 
soll  das  Suffix  -ciel  seine  Lebensfähigkeit  eingebüsst  haben  und  an  seine 
Stelle  -i'cz'e^ getreten  sein,  mittelst  welcher  Form  von  Verben  auf -ic  Nomina 
agentis  gebildet  werden.  Ja  wer  sagt  denn  dem  Verfasser,  dass  in  mysliciel 
gerade  -iciel  Suffix  war?  Er  hätte  doch  sich  vorsichtiger  ausdrücken  sollen 
und  sagen,  dass  infolge  der  meisten  Bildungen  von  den  auf -tc  auslautenden 
Verben  in  dem  Sprachgefühl  der  Redenden  -iciel  als  ein  einheitliches  Suffix 
gefühlt  wurde.  Daher  die  nicht  gerade  schönen  Wortbildungen  posiedziciel  oder 
skaziciel  [^.ib).  Unrichtig  werden  die  Wortbildungen,  wie  i(jus[h\\gnQ\:),siugus 
(Bedienter)  u.s.w.  (S.40)  als  Latinisirungen  aufgefasst,  also  auf  gleiche  Linie 
gestellt  mit  chudeusz,  bideusz,  chytreusz  u.  s.  w.  (S.  41).  Hätte  der  Verfasser  in 
der  Grammatik  Miklosich's  S.  327  nachgeschlagen,  würde  er  eines  besseren 
belehrt  worden  sein.  Dass  man  ideat,  mszai,  rytuai  u.  s.  w.  nicht  erst  aus  den 
Adjektiven  auf  -ahiy  abzuleiten  hat,  das  gibt  der  Verfasser  selbst  zu.  Nun 
ist  es  wohl  nicht  nothwendig,  auch  bei  kryminai  oder  nacjonat,  liberai gerade 
von  den  Adjektiven  kryminalny,  nacjonalny,  liberalny  auszugehen.  Wenn  man 
im  deutschen  Nazional,  Liberal,  als  Substantiv  (ein  Nazionaler,  ein  Liberaler) 
und  als  Adjektiv  (ein  nationaler  Gedanke,  ein  liberaler  Gedanke)  anwenden 
konnte,  so  unterschied  man  im  Polnischen  das  Substantiv  vom  Adjektiv,  wobei 
eher  beim  Adjektiv  die  Weiterbildung  anzusetzen  ist.  Noch  weniger  ist  es 
angezeigt,  beim  Kryininal  =  Kriminalgefängnis  vom  Adjektiv  auszugehen. 

V.  J. 


A.  S.  Petruszewicz,  0  pierwszym  zawifizku  familii  u  aryjskich  na- 

rodow  w  szczegölnosci  u  Slowian  na  podstawie  ÜDgwistycznych 

badaii.   Lwöw  1903.  S».  32  +  2. 

Dieser  kleinen  Schrift  sei  Erwähnung  gethan,  weil  in  ihr  ein  85jähriger 
Greis  mit  seiner  wissenschaftlichen  Thätigkeit  abrechnet  und  von  der  gra- 


462  Kritischer  Anzeiger. 

phischea  Bezeichnung  der  altslovenischen  Nasallaute  ^glagolitisch  und  cyril- 
lisch) ausgehend  (die  zum  Theil  richtiges  enthält,  worüber  ich  schon  in  meinen 
HeiBipe  cxaTBu  gehandelt  habe),  eine  Reihe  von  Etymologien  bespricht,  für  die 
er  hier  und  dort  einen  realen  Hintergrund  in  den  uralten  Kulturzuständen 
nachzuweisen  sucht.  Es  gebührt  dem  alten,  verdienstvollen  Forscher  aller- 
dings grosse  Anerkennung  dafür,  dass  er  in  seinem  hohen  Alter  noch  Erschei- 
nungen neuester  Zeit,  wie  z.  B.  0.  Schrader  s  Reallexikon  der  indogerman. 
Alterthumskunde  (1901)  für  seine  Kombinationen  heranzieht.  Doch  ändert 
das  nichts  an  unserem  Urtheil,  dass  seine  Etymologien  meistens  sehr  gewagt 
sind ,  dass  ihnen  die  vorsichtige  Beobachtung  der  Lautgesetze  abgeht.  Dass 
er  sein  grosses  über  ein  halbes  Jahrhundert  gesammeltes  Material  zu  einem 
allslavischen  Etymologikon  (50  ellenlange  Holzkistchen  umfassend) 
der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Petersburg  zur  wissenschaftlichen 
Verwerthung  überlassen  hat  und  von  dieser  dafür  durch  Ernennung  zum 
Ehrenmitgliede  belohnt  wurde,  —  gegen  diesen  Austausch  von  Liebens- 
würdigkeiten haben  wir  selbstverständlich  nichts  einzuwenden,  wohl  aber 
würde  eine  Publikation  des  Materials  die  grössten  Bedenken  hervorrufen 
müssen,  ich  würde  sie  höchstens  nur  in  sehr  sorgfältigen  und  vorsichtigen 
Auszügen  für  erspriesslich  halten.  Dafür  liefert  ausreichende  Beweise  schon 
die  vorliegende  kleine  Schrift,  in  welcher  z.  B.  auf  S.  7  die  polnischen  Aus- 
drücke cerulik-  cyrulih^  dann  weiter  ceroioac  -  cyrowac  ohne  Bedenken  als  echt 
slavisches  Material  mit  uiji^  nijioEaTu  zusammengestellt  werden,  während 
schon  Linde  das  richtige  sah;  oder  auf  S.  15  wird  das  Wort  cziowieh  von 
*kalioa  (so  sollen  die  Urslaven  das  Wort  statt  *galica  =  rjiaBa  einst  gespro- 
chen haben!]  abgeleitet.  Auf  S.  20  wird  KopoBaii  (südsl.  kravaj]  mit  Kopo^-j^H-B 
(südsl.  kracmio)  in  Zusammenhang  gebracht ,  was  gewiss  nicht  angeht,  mag 
auch  der  Versuch  Schuchardt's  nicht  geglückt  sein.  Auf  S.  22  hören  wir,  dass 
sam-sama  (für  Herr  und  Frau)  mit  ciMi,,  ja  selbst  mit  c§mä  in  Verbindung  ge- 
bracht wird.  Auf  diese  Weise  kann  man  freilich,  bei  einiger  Phantasie,  die 
den  alten  Herrn  noch  nicht  verlassen  hat,  alles  mögliche  beweisen.  Z.  B.  in 
einem  russ.  Ortsnamen  (er  schreibt  ihn  Pantalicha)  erblickt  er  noch  die  Wah- 
rung des  uralten  Nasalismus ,  denn  Pantalicha  ist  nach  seiner  Erklärung  = 
puf  lycha  (also  u&tb  .luxa) !  Dadurch  ist  gleich  das  russ.  uaHTa-iLiKt  (z.  B.  in 
der  Phrase  cöhtb  et  naniajibiKy)  erklärt.  Namentlich  die  Annahme  des  Ueber- 
gangs  von  n  in  l  wird  für  eine  Reihe  von  Etymologien  ausgebeutet.  Nach 
Petruszewicz  ist  ^^3:1.  mit  ^cjimäb  identisch  (S.  10),  denn  aus  n  in  ^ä^b  sei  /  ge- 
worden (warum,  das  wird  nicht  gesagt),  allein  dafür  muss  das  englische  child 
herhalten.  Die  russ.  Phrase  neöo  mo.iojutch  (vergl.  im  serbokroat.  zamladiti  se 
von  der  Wunde  =  vernarben)  soll  nicht  von  mo-ioit.  herrühren  (S.  13),  sondern 
auf  M&TUTu  durch  Uebergang  von  n  in  /  beruhen.  Nach  diesem  Lautübergang, 
der  ja  wohl  möglich  ist,  aber  immer  seine  besonderen  Gründe  hat,  die  der 
verehrte  Etymologe  gänzlich  übersieht,  wird  auch  kakojb  und  ko.iokoji'b  auf 
eine  Wurzel  zurückgeführt  (S.  14)  und  auch  *Km6jo  (poln.  k^hlic,  k^htac,  cech. 
kublatt)  nach  derselben  Theorie  mit  Ko.iiöain  identifiziert  (ib.).  Man  kann 
nach  diesen  Proben  nur  bedauern,  dass  das  vielleicht  in  seinem  Inhalt  sonst 
sehr  reiche  Material  in  falschen  Zusammenhang  und  schlechte  Beleuchtung 


Dezelic,  Biographie  des  Maxim.  Vrhovac,  angez.  von  Prohaska.      463 

gebracht  ist,  wie  z.  B.  auf  der  letzten  Seite  selbst  der  Name  Pyci.  aus  dem  an- 
geblich kroatischen  arsal  als  slavisch  abgeleitet  wird.  Was  ich  in  meiner 
krit.  Ausgabe  des  Viuodoler  Statuts  auf  S.  135  über  den  Ursprung  des  ara- 
bischen Ausdrucks,  auf  welchem  arsa^  beruht,  gesagt  habe,  das  blieb  dem 
alten  Herrn  unbekannt.  Möge  er  seinen  Lebensabend  in  dem  Bewusstsein, 
dass  wir  seinen  durch  so  viele  Werke  an  den  Tag  gelegten  wiss.  Eifer  willig 
anerkennen,  möglichst  angenehm  zubringen.  V.  J. 


Maksimilijan  Vrhovac  (1752 — 1827)  napisao  Dr.  Velimir  Dezelic. 
UZagrebu  1904.  8«.  217. 

Die  vorliegende  Studie  entwirft  ein  interessantes  kulturhistorisches 
Portrait  aus  dem  josephinischen  Zeitalter.  Einer  der  markantesten  Vertreter 
der  Aufklärung  in  der  oesterreichischen  Monarchie  war  der  Agramer  Bischof 
Maksimilijan  Vrhovac.  Ein  Kulturheld  für  sein  Volk  war  er,  wie  später  im 
XIX.  Jahrh.  Bischof  Strossmayer.  Der  Verf.  hat  ein  breites  Material  studirt, 
das  muss  ihm  besonders  zu  gute  gehalten  werden.  Er  blätterte  in  den  Agramer 
Archiven  des  Domkapitels,  des  Komitates,  auch  kleine  Bausteine  aus  Flug- 
schriften, Memoiren,  Broschüren,  Eeisebeschreibungen  u.  dergl.  sammelte  er. 
In  chronologischer  Entwickelung  giebt  er  aus  diesen  vielseitigen  Quellen  eine 
geschmackvolle  Studie  seines  Objektes.  Und  das  war  nicht  so  leicht.  Ein 
Bischof,  der  zugleich  ein  geriebener  Diplomat,  ein  energischer  Feldherr,  ein 
tüchtiger  Priester,  ein  Mäcen  und  Unternehmer  bei  verschiedenen  Institu- 
tionen war,  ist  nicht  ohne  Schwierigkeiten  in  eine  einheitliche  Synthese  zu 
bringen.  Der  Verf.  theilte  daher  seinen  Stoff  in  kleine  Kapitel  auf,  von  denen 
ein  jedes  eine  neue  Seite  dieser  encyklopädischen  Erscheinung  hervortreten 
lässt. 

Die  Keime  zur  späteren  Mannigfaltigkeit  des  grossen  Bischofs  werden 
in  der  Familie  gefunden:  hier  leuchteten  gleichviel  »der  Degen  und  die  Mitra« 
als  Vorbild  (K.  Il  —  Femer  wird  auf  die  politische  Lage  Ungarns  und  Kro- 
atiens vom  Standpunkte  des  Bischofs  aus  ein  Licht  geworfen.  Beide  König- 
reiche litten  unter  der  drückenden  Fürsorge  Joseph  II.  In  Kroatien  trat 
der  Gegensatz  in  der  Gestalt  eines  bürokratischen  Banus  Balasa  gegenüber 
dem  unabhängigen  Vertheidiger  historischer  Rechte  M.  Vrhovac  auf.  Der 
Kampf  beider  Parteien  wird  gut  geschildert  (K.  II).  —  Der  Verf.  hält  den 
Faden  zu  fest  in  der  Hand,  er  hat  die  Tugend  eines  richtigen  Biographen: 
alles  womöglich  aus  dem  Standpunkte  des  Helden  zu  betrachten.  Man  würde 
aber  wünschen,  dass  er  im  IV.  Kap.  seinem  Gegenstande  fremder  und  objektiver 
gegenüber  stehe.  Hier  wird  die  revolutionäre  Verschwörung  Martinovic's, 
eines  ungarischen  Abtes,  mit  welchem  Bischof  Vrhovac  verbunden  gewesen 
sein  soll,  nur  scheinbar  unparteiisch  wiedererzählt:  der  Verf.  lässt  den  Pro- 
cess  in  dialogischer  Form  abspielen.  Vrhovac  vertheidigt  sich  gegen  die  An- 
gaben des  Angeklagten  Martinovic.  Aus  allem  geht  aber  hervor,  dass  der 
Bischof  thatsächlich  mit  der  revolutionären  Bewegung  in  Fühlung  stand.  Dem 


464  Kritischer  Anzeiger. 

hätte  man  etwas  rücksichtsloser  tiefer  nachgehen  sollen.  Zwar  hätte  das 
auf  den  Character  M.  Vrhovac's  kein  vortheilhaftes  Licht  geworfen,  da  er  von 
sich  alle  Beschuldigungen  abwies,  aber  seine  individuelle  Physiognomie  wäre 
klarer  geworden.  —  Seine  persönliche  Grösse  entfaltetet  sich  am  meisten  zur 
Zeit  der  napoleonischen  Kriege  mit  Oesterreich.  Er  warf  16975  Mann  aus  dem 
kleinen  Kroatien  —  damals!  —  zur  Vertheidigung  alter  historischer  Eechte 
seines  Vaterlandes  gegen  den  grossen  Usurpator  auf  das  Feld.  Und  darauf 
folgt  die  Tragik  und  Ironie,  die  der  Patriot  Oesterreich  zu  verdanken  hat,  er 
muss  für  die  in  Illyrien  gelegenen  Theile  seines  Bisthums  dem  Besieger  — 
Treue  geloben! 

Wichtiger  sind  die  Kapitel ,  wo  die  Kulturbestrebungen  M.  Vrhovac's 
beschaut  werden.  Ich  würde  hier  eher  einen  Vergleich  mit  I.  Strossmayer  als 
Lj.  Gaj  empfohlen  haben.  Eine  Parallele  zwischen  dem  josephinisch- auf- 
klärerischen Bischof  und  dem  romantisch-nationalen  Führer  der  Illyrier  ist  ja 
schliesslich  möglich,  wenn  man— den  Unterschied  hervorgehoben  hat.  Vrho- 
vac  ist  kein  wirklicher  Vorläufer  Gaj's.  Gaj  knüpft  ja  gar  nicht  an  ihn  an  — 
in  keinem  Punkte.  Ich  vermisse  es  also,  dass  der  Verf.  den  »Vorläufer«  nicht 
in  eine  historische  Perspektive  gegenüber  seinem  Nachkommen  gerückt  und 
den  Unterschied  der  Aehnlichkeiten  nicht  genügend  hervorgehoben  hat 
(S.  215  f.).  Seine  Anregungen  schöpfte  Gaj  aus  dem  Safarik-Kopitarschen 
Gedankenkreis  und  jenem  romantischen  Geist,  der  in  die  oesterreichischen 
Universitäten  drang.  [Doch  der  Verf.  verwahrt  sich  gegen  die  Betonung 
»fremder  Einflüsse«  (S.  102  f.).  Ich  füge  hier  hinzu,  dass  ich  damit  gar  nicht 
einverstanden  bin ,  und  noch  immer  bei  der  Auffassung  Murkos  bleibe.  Dass 
selbst  Snrmins  »Preporod  ..iv.«  diesen  Zusammenhang  nur  oberflächlich  be- 
handelte, beweisen  seine  unglaublichen  Parallelen  der  Illyrier  mit  den — Jung- 
deutschen!] 

Was  das  berühmte  Rundschreiben  M.  Vrhovac  an  seinen  Clerus  über 
das  Sammeln  von  Volkslieders,  Sitten  und  Lexicis  anbelangt,  so  wird  das  ganz 
auf  Anregung  Kopitars  zurückzuführen  sein.  Es  geschah  ja  erst  1813,  gerade 
zur  Zeit,  wo  sich  Kopitar  am  lebhaftesten  dafür  interessierte  und  seinen  — 
Karadzic  fand.  Auch  die  Erfolglosigkeit  der  Sache  des  Bischofs  zeugt  davon, 
dass  sie  nicht  von  ihm  selbst  angeregt  wurde,  dass  er  hier  eine  fremde  Rolle 
spielte. 

Im  Grossen  und  Ganzen  verdient  diese  Leistung  des  Verf.'s  Anerken- 
nung, da  er  ja  einen  ziemlich  unbetretenen  Pfad  ging.  I).  Prohaska. 


Kleine    Mittheilungen. 


Sloven.  -bim. 

K.Z.  XXXVII  345  f.  habe  ich  aus  slovinz.  iotim,  sloven.  bom  ein  iirslav. 
*bqmb  erschlossen,  welches  ich  auf  ein  grundsprachliches  ««-Präsens  *bhii- 
nümi :  *bhundni(is  zurückgeführt  habe.  Wenn  ich  jedoch  a.a.O.  gesagt  habe, 
dass  *bqmh  anstandslos  ans  einem  älteren  *biin9mi  hergeleitet  werden  könne, 
ist  dies  in  dieser  Fassung  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  unrichtig,  für  das 
un9  in  der  1.  Sing.  *bim9mi  und  der  1.  Plur,  *hundmes  ist  eine  andere  Entwick- 
lung anzunehmen. 

Im  Slovenischen  findet  sich  nämlich  in  der  Komposition  neben  bom  auch 
das  Präsens  -bim,  z.  B.  dobim  zabim.  Dies  als  eine  Neubildung  des  Sloveni- 
schen aufzufassen,  ist  nicht  gut  möglich,  denn  wie  sollte  es  etitstanden  sein? 
Es  läge  ja  nahe,  den  Inf.  biti  für  das  Auftreten  des  i  verantwortlich  zu  ma- 
chen, dann  wäre  aber  ein  anderes  Eesultat  zu  erwarten.  Wäre  nämlich  dobim 
eine  Neubildung  zu  dobiti,  so  könnten  als  Vorbilder  nur  die  t- Verben  wie  no- 
siti  Prs.  nosim,  tyieriti  Prs.  merim  gedient  haben.  Wie  aber  diese  dazu  gekom- 
men sein  sollten,  auf  das  Kompositum  dobiti  einzuwirken,  ist  nicht  ver- 
ständlich, ganz  abgesehen  davon,  dass  sich  diese  Einwirkung  nur  auf  den 
Ind.  Prs.  erstreckt  haben  könnte,  der  Imp.,  welcher  stets  dobodi  heisst,  aber 
unberührt  geblieben  ist.  Wenn  der  Inf.  dobiti  den  Anstoss  zur  Neubildung 
des  Präsens  gegeben  hätte,  so  wäre  diese  doch  sicher  im  Anschluss  an  die 
Komposita  der  übrigen  einsilbigen  Verben  auf  -iti  (urslav.  -iti  und  -yti)  wie 
piti  siti  kriti  miti  vor  sich  gegangen.  Diese  bilden  aber  sämmtlich  ihr  Prä- 
sens nach  der  je-Klasse  :  izpijem  nasijem  pokrijem  omijem.  Hiernach  wäre  nun 
auch  zu  dobiti  ein  *dobiJem  zu  erwarten,  was  aber  nicht  vorhanden  ist.  Es 
bleibt  demnach  nichts  anderes  übrig,  als  in  dem  -lim  eine  lautgesetzlich  ent- 
standene Präsensform  zu  sehen. 

Das  sloven.  -biin  muss  der  Nachkomme  eines  urslav.  *bi/mb  sein.  Als 
idg.  Grundform  für  Hijmb  wird  man  zunächst  ein  *bhümi  erschliessen.  Dass 
ein  solches  Präsens  existirt  haben  kann,  wird  man  nicht  ableugnen  dürfen,  es 
würde  als  Aoristpräsens  zu  aind.  abhüt,  griech.  'icpv,  zu  charakterisiren  sein. 
Es  ist  jedoch  wenig  wahrscheinlich,  dass  ein  Präsens  *bhümi  ins  Slavische 
gekommen  ist.  Fest  steht,  dass  das  Urslavische  ein  Präsens  *bqmb  aus  grund- 
sprachlichem *bhu7iämi  besessen  hat,  für  sein  Vorhandensein  bürgen  sloven. 
bo7n  und  slovinz.  boum.  Dass  neben  diesem  Hhummii  auch  ein  *bhümi  aus 
Archiv  für  slavische  Philologie.    XXVII.  30 


466  Kleine  Mittheilungen. 

der  Grundsprache  herübergenommen  ist,  ist  nicht  anzunehmen,  besonders  da 
das  urslav.  *hymh  auch  aus  dem  grundsprachlichen  *bhunä7nt  hergeleitet 
werden  kann. 

Bekanntlich  wirkte  im  Urslavischen  ein  Lautgesetz,  nach  welchem  die 
Gruppe  Vokal  +  Nasal  I  +  Nasal  II  nicht  zu  Nasalvokal  +  Nasal  II,  sondern 
zu  Vokal  +  Nasal  II  wurde,  d.h.  dass  von  zwei  unmittelbar  benachbarten 
Nasalen  der  erste  sich  dem  zweiten  assimilirte,  und  der  so  entstandene  lange 
Nasal  dann  gekürzt  wurde,  bevor  die  Vokale  mit  ihnen  folgenden  tautosylla- 
bischen  Nasalen  zu  Nasalvokalen  wurden,  z.  B.  abg.  im^  (urslav.  *Jbinf]  aus 
*bnm(,  idg.  fitnen,  vergl.  preuss.  enmens,  serb.  Plur.  Dat.  gradj'am,  Instr.  g7-a- 
dj'ami  aus  *gordjan7n^  *gorcljanmi,  vergl.  gradjane.  Auf  Grund  dieses  Gesetzes 
möchte  ich  auch  die  Entstehung  von  urslav.  *hymh  aus  *bundmi,  der  Umbil- 
dung von  *bhuncmii,  erklären.  Hierbei  ist  allerdings  eine  Reihe  von  Schwie- 
rigkeiten zu  überwinden. 

Die  Assimilation  des  nm  zu  mm  und  der  Uebergang  dieses  gedehnten 
mm  in  einfaches  m  muss  eingetreten  sein,  bevor  die  langen  Vokale  mit  tauto- 
syllabischen  Nasalen  die  Verbindung  zum  Nasalvokal  eingingen.  Dies  zeigen 
die  serbischen  Formen  gradjam  gradja?ni,  welche  als  in  irgend  einem  Punkte 
nichtlautgesetzlich  anzusehen  wir  kein  Recht  haben.  Zu  der  Zeit  nun,  als  die 
Gruppe  langer  Vokal  +  Nasal  zum  Nasal  vokal  wurde,  kann  das  aus  älterem 
M«a  erstandene  ün  —  dass  dies  die  Vorstufe  zu  dem  späteren  q  gewesen  ist, 
wird  durch  den  steigenden  Ton  in  serb.  düti  büdem  bewiesen  —  noch  nicht  mit 
idg.  ün  zusammengefallen  sein ,  denn  sonst  müssten  wir  für  uns  wie  für  ün 
slav.  y  antreflfen.  Am  nächsten  liegt  hier  die  Annahme ,  dass  der  schwache 
Vokal  von  tma  zu  dieser  Zeit  noch  vorhanden  war.  Dann  müsste,  falls  wir  an 
der  Herleitung  von  *bymh  aus  Hunami  festhalten  wollen,  angenommen  werden, 
dass  das  Assimilationsgesetz  der  Nasale  zweimal  gewirkt  habe,  einmal  vor 
der  Entstehung  der  Nasalvokale  aus  langem  Vokal  +  Nasal  und  dann,  nach- 
dem uns  zu  ün  geworden  war.  Andererseits  kennt  auch  das  Litauische  den 
Uebergang  von  un9  zu  ün,  wie  dmnti  zeigt.  Hierdurch  wird  der  Gedanke  nahe 
gelegt,  den  unter  Dehnung  des  vorhergehenden  Vokals  erfolgten  Schwund 
des  a  in  die  Zeit  der  baltisch -slavischen  Sprachgemeinschaft  zu  versetzen. 
Ob  dies  richtig  ist,  ist  nicht  zu  erweisen,  die  Zahl  der  für  unser  Lautgesetz  in 
Betracht  kommenden  Beispiele  ist  zu  gering,  jedenfalls  kann  von  keiner  Seite 
ein  ernsthafter  Widerspruch  erhoben  werden.  Der  einzige  Einwurf,  der  ge- 
macht werden  könnte,  wäre  der,  dass  man  für  dies  neu  entstandene  ün  die- 
selbe Behandlung  erwarten  müsste  wie  für  das  aus  der  Grundsprache  ererbte 
ün,  dass  also  auch  dies  hätte  zu  y  führen  müssen.  Darauf  ist  aber  zu  erwi- 
dern, dass  das  grundsprachliche  ü  ein  geschlossenes,  das  grundsprachliche  u 
dagegen  ein  offenes  u  war.  Wenn  nun  auch  dies  ehemals  kurze  u  zu  langem 
ü  wurde,  brauchte  es  dadurch  keineswegs  zu  geschlossenem  u  zu  werden. 
Dass  ein  ün  und  daraus  entstandenes  ü  mit  offenem  «-Laut  sich  anders  ent- 
wickeln konnte  als  ein  ün  bzw.  ü  mit  geschlossenem  M-Laut,  dürfte  keinem 
Widerspruch  begegnen.  In  einem  Falle  finden  wir  allerdings,  dass  ein  aus 
einem  kurzen  u  gedehntes  ü  vor  Nasal  dieselbe  Entwicklung  durchgemacht 
hat  wie  das  idg.  ?7:  im  Akk.  Plur.  der  t<- Stämme  syny  aus  *sfimtns.    Diese 


Kleine  Mittheilungen.  467 

Dehnung  ist  aber  für  eine  viel  spätere  Zeit  anzusetzen  und  —  andere  Zeiten 
andere  Lautgesetze. 

Kehren  wir  jetzt  zur  Entwicklung  des  *bhu)iä7m  bzw.  des  daraus  umge- 
bildeten bwi9mi  zurück.  Die  ursprüngliche  Flexion  war: 
Sing.  *bun9mi  Plur.  *bundmes 

*bun9si  *bun9te 

*bu)i9ti  1) 

Durch  den  Uebergang  von  un9  in  ün  entstand  hieraus: 
*bünmt-]  *bünmes 

*bünsi  *bünte 

*bünti 
Durch  das  Wirken  der  beiden  Lautgesetze:  Assimilation  von  um  zu  mm 
m  und  Uebergang  von  Vokal  +  Nasal  in  Nasalvokal,  entstand  dann: 
*bymh  *bym'o 

*bqsb  *bqte 

*bqh 
Hierdurch  zerfiel  das  Paradigma:  auf  der  einen  Seite  standen  die 
1.  Sing,  und  1.  Plur.  mit  dem  Stammvokal  y,  auf  der  andern  Seite  die  übrigen 
Formen  mit  dem  Stammvokal  q.  Beide  Formengruppen  ergänzten  nun  ihr 
Paradigma:  zu  *bymh  *bym'o  wurden  *bysh  *byth  *byfe  geschaffen,  deren 
Nachkommen  wir  in  sloven.  -bitn  antreffen,  neben  *bqsb  *bqio  *bqte  ent- 
wickelten  sieh  *5fifm&  *i(j?n^ ,  ihre  Abkömmlinge  finden  wir  in  sloven.  botn, 
slovinz.  boiim  und  in  weiterer  Umbildung  in  dem  gemeinslav.  bqdq.*) 


i;  Die  3.  Plur.  *bhunenti  hätte  im  Slavischen  zu  *b-onfto  führen  müssen, 
sie  ist  natürlich  untergegangen. 

-)  Auch  das  lit.  hünu  kann  eine  Umbildung  eines  älteren  *bünmi  aus 
*bundmi  *bhunämi  sein. 

F.  Lorentz. 


Preuss.  wuhri. 

Im  Elbinger  Vokabular  Z.  82  ist  überliefert :  Wimpro  Wubri.  In  einem 
Abdruck  des  Vokabulars  verbessert  E.  Berneker,  Die  preussische  Sprache 
S.  23.5,  dies  in  Brmci,  wodurch  sich  das  preussische  Wort  an  lit.  bruv'is  an- 
schliessen  würde.  Die  Möglichkeit  dieser  Aenderung  an  sich  ist  nicht  zu  be- 
streiten, da  auch  sonst  im  Elbinger  Vokabular  Schreibfehler  in  grosser  Menge 
vorliegen,  ich  glaube  aber,  dass  die  Annahme  einer  solchen  bei  unserem  Wort 
nicht  nothwendig  ist. 

Nesselmann.  Thesaurus  S.212,  sagt  über  unser  Wort:  »Das  preuss.toMÖW 
mit  beginnendem  Hülfsvokal  u  wie  griech.  ocpovg,  böhm.  obrici  und  vorgesetz- 
tem IV  wie  toundan  neben  undan«.  Hiernach  muss  Nesselmann  angenommen 
haben,  dass  das  -bri  des  preussischen  Wortes  irgendwie  dem  griech.  -cpqvs, 


*]  Nicht  alles,  was  lautlich  erklärt  werden  kann,  ist  sprachgeschichtlich 
w^ahrscheinlich  oder  annehmbar.  V.  J. 

30* 


468  Kleine  Mittheilungen. 

idg.*bhrüs  entspreche,  lautgesetzlich  kann  dies  aber  auf  keinen  Fall  sein,  was 
wohl  keiner  Erörterung  bedarf. 

Auch  bei  Berneker's  Annahme  einer  fehlerhaften  Ueberlieferung  macht 
das  auslautende  -i  Schwierigkeit.  Wenn  louhri  bzw.  hruwi  ein  Nom.  Sing, 
sein  soll,  müsste  man  nach  den  verwandten  Sprachen  den  Ausgang  -is  er- 
warten, die  Annahme,  dass  unser  Wort  im  Preussischen  neutrales  Geschlecht 
angenommen  habe  (nur  bei  neutralen  i-  Stummen  ist  ein  Nom.  Sing,  auf  -i 
lautgesetzlich  möglich),  wäre  doch  recht  unwahrscheinlich.  Ausserdem 
könnte  man  nur  noch  an  einen  Nom.  Dual,  denken,  doch  würden  wir  in  die- 
sem Falle  wohl  den  Ausgang  -ei  finden. 

Zuletzt  hat  über  dies  Wort  I.  I.Mikkola,  Baltisches  und  Slavisches  S.  27, 
gesprochen.  Er  sieht  in  ihm  eine  Entlehnung  aus  dem  Ostseewendischen  und 
vergleicht  es  mit  polab.  ivahhra,  indem  er  als  gemeinsame  Grundform  vohr-, 
welches  durch  Metathesis  aus  brhv-  entstanden  sei,  annimmt,  lieber  den 
Auslaut  äussert  er  sich  nicht. 

Auch  ich  bin  der  Ansicht,  dass  das  preuss.  tcuhrt  aus  dem  Ostseewendi- 
schen stammt  und  eine  mit  polab.  wabbra  identische  Form  fortsetzt.  Darin 
kann  ich  Mikkola  jedoch  nicht  beistimmen,  dass  hier  eine  Metathesis  vor- 
liegt. Ein  dem  polab.  wabbra  entsprechendes  Wort  ist  nämlich  auch  für  das 
Kaschubische  bezeugt  und  dies  weist  uns  andere  Wege.  A.  I.  Parczewski, 
Szcz^tki  kaszubskie  S.  113,  führt  aus  dem  Dialekt  des  Kirchspiels  Leba,  also 
wahrscheinlich  aus  Czarnowske,  das  Wort  öjebro  »brew«  an.  Parczewski's 
Lautbezeichnung  ist  leider  sehr  mangelhaft,  aus  den  von  ihm  angeführten 
Wörtern  geht  aber  hervor,  dass  er  mit  oje  (auch  dje  oje  geschrieben;  den  Laut 
uie  bezeichnet,  welcher  im  Kaschubischen  und  ebenso  in  Czarnowske  das 
betonte  kasch.  ce  vertritt.  Was  aber  das  auslautende  -o  von  öjebro  •,  das  in 
seinem  ersten  Theil  durch  j/iebr-  wiedergegeben  ist,  bezeichnen  soll,  weiss 
ich  nicht.  Ich  vermuthe,  dass  es  hier  den  das  kasch.  -e  vertretenden  Laut  -ä 
darstellen  soll,  den  er  sonst  meistens  durch  i/  oder  i,  häufig  auch  durch  e 
wiedergibt.  Nehmen  wir  an,  dass  dies  richtig  ist,  so  würde  öjebro,  d.i.utebrä, 
aus  urslav.  *obri/  hei  zuleiten  sein  und  dem  griech.  ocpQv^  Laut  für  Laut  ent- 
sprechen 2).  Aus  diesem  ^obnj  ist  auch  das  polab.  wabbra,  welches  dann  nach 
Schleicher's  Transskription  durch  vabry,  wiederzugeben  wäre,  zu  gewinnen. 
Dass  das  anlautende  o-  als  vä-  erscheint,  ist,  da  die  nächste  Silhe  keinen 
Palatalen  Vokal  enthält,  ganz  in  der  Ordnung,  und  das  auslautende  -a  für 
urslav.  -y  ist  bei  Parum  Schnitze,  welcher  uns  das  Wort  überliefert  hat,  etwas 
ganz  gewöhnliches. 


1)  Ich  setze  dabei  voraus,  dass  dies  Wort  slavisch  ist.  Das  von  Par- 
czewski S.  112  angeführte  derjeryst  «listwa  przy  drzwiach«  (aus  Schmolsin 
stammend),  welches  nichts  anderes  ist,  als  die  niederdeutsche  Form  für  hd. 
Thürgerüst,  erweckt  allerdings  den  Verdacht,  dass  öjebro  die  niederdeutsche 
Form  des  hd.  Augenbraue  ist. 

-)  Der  urslav.  Nom.  auf  -y  hat  sich  ausser  in  diesem  mebrii  im  Kaschu- 
bischen noch  in  dem  kabatk.  Ära,  urslav.  *kry  erhalten,  das  Slovinzische  hat 
ausser  krä  bekanntlich  noch  cerfn  und  märxi- 


Kleine  Mittheilungen.  469 

Bei  der  Herleitung  des  preuss.  tvubri  aus  diesem  nunmehr  gesicherten 
ostseewendischen  *vobri  macht  nur  das  z<  Schwierigkeit,  da  sonst  einem  sla- 
vischen  o  in  Lehnwörtern  preuss.  a  gegenübersteht.  Es  ist  aber  zu  berück- 
sichtigen, dass  das  Kaschubische  anlautendes  vo-  zu  y,o-  hat  werden  lassen 
(oder,  worauf  es  hier  nicht  ankommt,  anlautendes  uo  nicht  in  vo  verwandelt 
hat),  und  dies  uo-  kann  im  Preussischen  leicht  zu  lou-  geführt  haben.  Zu  be- 
weisen ist  dies  allerdings  nicht,  da  es  keine  weiteren  analogen  Fälle  gibt. 

F.  Lorentz. 


Slovinz.  prousc  und  verwandtes. 

Im  Slovinzischen  gibt  es  ein  YQvhuva pr6ti^sc  »bringen«,  welches  in  kei- 
ner andern  slavischen  Sprache,  nicht  einmal  in  dem  nahe  verwandten  Ka- 
schubischen.  vorhanden  ist.  Das  Verbum  proiisc  hat  perfektive  Aktionsart 
und  ist  völlig  gleichbedeutend  m\tpränesc  aus  urslav.  *pri-nesti.  In  der  heu- 
tigen Sprache  wird  pröusc  nur  noch  selten  gebraucht,  von  einigen  Seiten 
wurde  es  mir  geradezu  als  veraltet  bezeichnet. 

Lässt  schon  der  Umstand,  dass  die  Aktionsart  dieses  Verbums  perfektiv 
ist,  die  Vermuthung  auftauchen,  dass  wir  es  hier  mit  einem  Kompositum  zu 
thun  haben,  so  wird  diese  Vermuthung  zur  Gewissheit,  sobald  wir  weitere 
damit  zusammenhängende  Verba  antreffen.  Ich  habe  nun  folgende  Verba  ge- 
funden, welche  unzweifelhaft  derselben  Grundform  entstammen:  dousc  »bis 
zu  einem  Punkte  hin  tragen«  (=  duonesc,  poln.  doniesc],  rueznöii^sc  »auseinan- 
dertragen« {=  rüeznesc,  poln.  rozniesc),  vnoiisc  »hineintragen«  {=vn\esc,  poln. 
jmiesc),  vämusc  »hinaustragen«  (=  vänesc,  poln.  icyniesc),  zqnöu^sc  »bis  wo- 
hin tragen«  =zqnesc, \io\\i..  zaniesö)^  snoiisc  »zusammentragen«  {■=zn\esc,  poln. 
zniesc).  Auch  diese  Verba  sind  nur  im  Slovinzischen  vorhanden  und  werden 
auch  hier  sehr  selten  gebraucht. 

Mit  Ausnahme  von  pfoie^sc,  dou^sc  und  S7i6usc  sind  diese  Verba  scheinbar 
Komposita  eines  *n6iisc,  Prs.  *ti6usq.  Da  das  diesen  Verben  zu  Grunde  lie- 
gende Simplex  unzweifelhaft  in  irgend  einem  Zusammenhange  mit  7testi,  idg. 
Wz.  7iek-  steht,  würden  wir  in  *i'töttsq  eine  reduplicirte  Bildung,  \dLg.*ne?ikÖ7n, 
anzunehmen  haben.  Hier  weisen  aher pi-6t^^sc  und  dousc  darauf  hin,  dass  das 
n  das  sog.  epenthetische  n  ist,  welches  auch  sonst  im  Slovinzischen  bei  Kom- 
positen vokalisch  anlautender  Verba  häufig  auftritt.  Dass  dies  auch  hier  der 
Fall  ist,  beweist  S7wusc,  denn  das  Präfix  s^-  tritt  als  s-  vor  n  nur  da  auf,  wo 
dies  71  nicht  zur  Wurzel  gehört,  also  in  Fällen  wie  s)uc,  stmnäc,  S7iääac,  wäh- 
rend es  vor  wurzelhaftem  ??  stets  als  ~-  erscheint.  Als  Simplex  dieser  Verba 
haben  wir  demnach  *Jüusc,  Prs.  *jöii^sq  anzusetzen  und  dies  auf  urslav.  "^Vs^^ 
*j(sq  zurückzuführen. 

Die  Etymologie  dieses  urslav. ''|;'f*<j  ergibt  sich  nach  dem  Gesagten  schon 
von  selbst.  Als  idg.  Grundform  ist  *enk5m  anzusetzen,  mit  der  aus  aind. 
änqsa,  griech.  ^veyxou  bekannten  Ablautsform  enk-  der  Wurzel  e7iek-. 

F.  Lo7'entz. 


470  Kleine  Mittheilungen. 

Urslav.  ezb  »Schlange«. 

In  allen  ostseewendischen  Dialekten  haben  sich  die  Nasalvokale,  wie  ich 
an  anderer  Stelle  beweisen  werde,  ebenso  entwickelt  wie  im  Polabischen  und 
im  Slovinzisch-Kaschubischen,  soweit  hier  nicht  der  Einfluss  des  Polnischen 
Abweichungen  veranlasst  hat.  Wir  finden  demnach  für  das  urslav.  «  nur  eine 
Vertretung,  nämlich  q,  während  urslav.  f  z.  T.  entpalatalisirt,  z.  T.  palatal 
geblieben  ist.  Das  entpalatalisirte  p  ist  dann  qualitativ  mit  dem  urslav.  q 
zusammengefallen  und  von  ihm  nur  durch  vorhergehende  Konsonantenerwei- 
chung unterschieden,  das  palatal  gebliebene  tritt  je  nach  dem  Dialekt  als  f 
oder  i  auf. 

Gegen  diese  Gesetze  scheint  nun  ein  in  den  Urkunden  des  Klosters 
Colbatz  öfters  genannter  Ortsname  zu  sprechen,  nämlich  der  »Wormgraue« 
bei  Pützerlin  (nordwestl.  von  Stargard  a.  d.  Ihna),  welcher  1220  Yenzidulgh 
(Varianten:  Yenzidul  Henzidol),  und  1226  I'eHSJC?o/ (Variante:  Jenzidul]  heisst. 
Die  beiden  Urkunden  sind  allerdings  unecht  und  nur  in  Abschriften  in  der 
Colbatzer  Matrikel  überliefert,  an  der  Echtheit  des  slavischen  Namens  ist 
aber  nicht  zu  zweifeln.  Ebenso  kann  auch  bei  der  nur  unbedeutenden  Ver- 
schiedenheit der  Varianten  kein  Schreibfehler  in  dem  Wort  stecken,  das 
Schwanken  zwischen  -dulgh  -dul  -dol  deutet  vielmehr  darauf  hin ,  dass  den 
Schreibern  der  Name  ganz  geläufig  war  und  dass  jeder  sich  bemühte,  ihn  so 
zu  schreiben,  wie  er  ihn  aussprach.  Es  muss  danach  als  sicher  angenommen 
werden,  dass  »Schlangengraben«  im  Pommerschen,  wenigstens  in  der  Star- 
garder  Gegend,  ^'f 2«  dol  (oder  dul,  die  Aussprache  war  vielleicht  (7o7  mit  einem 
dem  poln.  6  ähnlichen  Laut)  hiess. 

Aus  dem  Slavischen  ist  nun  das  Wort  qzb  »Schlange«  bekannt,  und  mit 
diesem  muss  das  pommersche  Adjektiv  jfizi  in  Zusammenhang  stehen.  Eine 
Herleitung  aus  einem  urslavischen  Adjektiv  qzhjh  ist  allerdings  nicht  möglich, 
dies  hätte,  selbst  wenn  die  oben  aufgestellten  Gesetze  über  die  Vertretung 
der  Nasalvokale  nicht  richtig  wären  und  auch  urslav.  q  unter  Umständen  zu  f 
geführt  hätte,  niemals  j^zi  ergeben  können.  Denn  anlautendes  urslav.  q  er- 
hielt, wie  die  zahlreichen  mit  Waii-  beginnenden  Ortsnamen  erweisen,  einen 
Vorschlag  von  v,  nicht  von  j.  Dieser  ist  aber  bei  palatalem  Anlaut  bekannt, 
und  dadurch  werden  wir  auf  ein  urslav.  f%'&  als  Grundform  für  das  pomm. 
y^zt  geführt,  welches  dann  vollständig  lautgesetzlich  ist.  Ob  neben  diesem 
Adjektiv  ^zhjh  auch  ein  Substantiv  fit  bestanden  hat,  ist  natürlich  nicht  zu 
erweisen,  aber  doch  sehr  wahrscheinlich ,  da  ein  Ablaut  —  und  ein  solcher 
liegt  in  dem  Nebeneinander  von  qzh  und  §zhjh  vor  —  zwischen  Substantiv  und 
davon  abgeleitetem  Adjektiv  nicht  zu  erklären  wäre.  F.  Lorentz. 


Preussische  Bevölkerung  auf  dem  linken  Weichselufer. 

Im  Allgemeinen  wird  auf  Grund  der  Nachrichten  der  Deutschen  Ordens- 
chronisten angenommen,  dass  die  Weichsel  die  Westgrenze  der  preussischen 
Bevölkerung  bildete,  und  dass  das  linke  Ufer  derselben  ausschliesslich  von 


Kleine  Mittheilungen.  471 

Slaven  bewohnt  war,  Dass  diese  Annahme  nicht  haltbar  ist,  dass  vielmehr  in 
Pommerellen  links  der  Weichsel  neben  der  slavischen  auch  eine  preussische 
Bevölkerung  anzunehmen  ist,  hat  schon  Lotar  Weber,  Preussen  vor  500  Jah- 
ren S.  3  ff. ,  behauptet,  doch  scheint  sein  Hinweis,  soweit  mir  bekannt  gewor- 
den ist,  nicht  die  Beachtung  gefunden  zu  haben,  welche  er  verdient. 

Dass  in  dem  Reich  der  pommerellischen  Herzöge  eine  preussische  Be- 
völkerung vorhanden  gewesen  sein  muss,  ersehen  wir  daraus,  dass  1271  bei 
einem  Einfall  in  das  Ordensgebiet  von  Nessau  Preussen  aus  dem  Lande  des 
Herzogs  Mestwin  betheiligt  waren  Urkunde  vom  31.  Oktober  1271 :  Ceterum 
aliquos  homines  et  Prutenos  de  terra  domini  Mestwini  ducis  Pomoranie  ibidem 
fuisse  . . .  contestamur.  Perlbach  Pommerell.  Ukb.  Nr.  247)  und  dass  —  wahr- 
scheinlich in  demselben  Jahre  —  Mestwin  die  Markgrafen  ven  Brandenburg 
bittet,  ihm,  seinen  deutschen  Bürgern  von  Danzig,  seinen  Preussen  und  Pom- 
mern zu  Hülfe  zu  kommen  (undatirte  Urkunde  von  ca.  1271:  .  .  .  precipue 
nobis  et  maxime  burgensibus  Theutonicis  fidelibus  sepedicte  civitatis  Geda- 
nensis,  Prutenis  quoque  et  nostris  quibusdam  specialiter  fidelibus  Pomeranis. 
Perlbach  Nr.  250  .  Die  Wohnsitze  dieser  Preussen  findet  L.  Weber  in  dem 
Gebiet  von  Mewe  und  weist  zweifelsohne  richtig  darauf  hin,  dass  in  den 
Urkunden  von  Wisoka  und  Riewalde  die  Preussen  in  Selbigrimm  (Zabianken) 
als  Nachbarn  genannt  werden,  dass  Tulke,  Feodarius  in  Treugenhof  (Klo- 
nowken),  ausdrücklich  sein  Gut  zu  preussischem  Dienst  erhält,  dass  in  dem 
Privilegium  von  Riewalde  von  1341  das  Gericht  über  Preussen,  Polen  und 
Kassuben,  in  dem  Privilegium  von  Wisoka  von  1352  das  Gericht  über  Preus- 
sen, Polen  und  Wenden,  in  dem  Fundationsprivilegium  von  Mewe  vom 
25.  September  1297  das  Gericht  über  Preussen  und  slavische  Fremdlinge  ge- 
nannt wird,  und  dass  endlich  der  Bezirk  von  Mewe  zur  Ordenszeit  31  preus- 
sische Reiterdienste  und  nur  einen  polnischen  leistet  und  wie  Preussen 
zehendfrei  ist.  Hinzuzufügen  ist  noch,  dass  1299  der  Preusse  Vagala  mit 
seinen  Söhnen  Premislius  und  Peter  mit  dem  Kloster  Oliva  um  den  Besitz  des 
Dorfes  Brust  streitet,  ein  Streit,  welcher  am  30,  April  1299  zu  gunsten  Olivas 
rechtskräftig  entschieden  wird  (Perlbach  Nr.  573). 

Was  Weber  sonst  noch  als  Beweis  für  das  Vorhandensein  einer  preussi- 
schen  Bevölkerung  im  Mewe'schen  anführt,  kann  ich  allerdings  nicht  als 
zwingend  anerkennen.  Die  Namen  Waisil,  Glabuna,  Diwan,  Ramota  bewei- 
sen gar  nichts.  Denn  selbst  wenn  wir  sie  als  preussisch  anzusehen  haben,  ihre 
Träger  können  dennoch  echte  Slaven  sein.  Sehen  wir  doch,  dass  der  Sohn 
der  als  solcher  ausdrücklich  bezeichneten  Preussen  Vagala  den  echt  slavi- 
schen Namen  Premislius  führt,  da  können  wir  umgekehrt  auch  Slaven  mit 
preussischen  Namen  erwarten.  Heirathen  zwischen  Slaven  und  Preussen, 
durch  welche  die  Namen  des  einen  Volkes  zu  dem  andern  kamen,  können 
nichts  ungewöhnliches  gewesen  sein,  wollte  doch  nach  Swantopolk's  Aussage 
(Urkunde  vom  8.  Dezember  1248,  Perlbach  Nr.  113)  sein  eigener  Bruder  Sam- 
bor,  also  ein  slavischer  Fürst,  sich  mit  der  Tochter  des  Preussen  Preroch 
vermählen.  Dass  solche  Heirathen  am  häufigsten  bei  den  in  der  Weichsel- 
gegend angesessenen  Familien  vorgekommen  sind,  ist  natürlich,  wenn  wir 
hier  preussische  Namen  finden,  so  beweist  das  nur,  dass  ihre  Träger  irgendwie 


472  Kleine  Mittheilungen. 

mit  Preussen  in  Verbindung  standen,  dass  diese  Preussen  auf  dem  linken 
Weichselufer  wohnten,  oder  gar,  dass  die  betreffenden  Personen  selbst 
Preussen  waren,  ist  damit  nicht  zu  beweisen. 

Auch  der  Umstand ,  dass  1306  das  Kloster  Pelplin  mit  dem  Preussen 
Zeadel  im  Streit  lag,  kann  das  Vorhandensein  einer  preussischen  Bevölkerung 
um  Pelplin  nicht  sicher  stellen.  Im  Gegentheil,  es  spricht  alles  dafür,  dass 
dieser  Zeadel  auf  dem  rechten  Weichselufer,  also  im  eigentlichen  Preussen, 
angesessen  war.  Der  Streit  zwischen  ihm  und  Pelplin,  bei  dem  es  sich  nicht 
um  den  Besitz  von  Gütern,  sondern  um  Körperverletzung  und  Todschlag 
handelt,  wird  nämlich  in  Marienburg  durch  die  Vermittlimg  des  Bischofs 
Christian  von  Pomesanien  und  des  Mewer  Komthurs  Heinrich  von  Ysenberg 
beigelegt  (Urkunde  vom  22.  Juli  1306  Perlbach  Nr.  646).  Hätte  der  Preusse 
Zeadel  in  der  Pelpiiner  Gegend  seinen  Wohnsitz  gehabt,  so  wäre  gar  nicht  zu 
verstehen,  wie  die  Vermittlungsaktion  in  Marienburg  hätte  stattfinden  und 
wie  der  Bischof  von  Pomesanien,  welcher  auf  dem  linken,  dem  Bischof  von 
Kujawien  unterstehenden  Weichselufer  gar  keine  Interessen  zu  vertreten 
hatte,  dabei  als  Vermittler  hätte  eingreifen  können.  Dies  lässt  sich  nur  so 
erklären,  dass  Zeadel  ein  Unterthan  des  Bischofs  von  Pomesanien,  also  auf 
dem  rechten  Weichselufer  ansässig  war,  weshalb  dem  Bischof  sehr  daran 
liegen  musste,  den  Streit  desselben  mit  Pelplin  zu  beenden  und  ihm  zu  seinem 
Recht  zu  verhelfen. 

Müssen  wir  so  auch  die  beiden  letzten  Beweispunkte  Weber's  als  hin- 
fällig bezeichnen,  so  bleiben  doch  noch  genug  Umstände  übrig,  durch  welche 
erwiesen  wird,  einmal  dass  in  Pommerellen  eine  preussische  Bevölkerung 
vorhanden  war,  und  dann,  dass  diese  in  der  Umgegend  von  Mewe  und  zwi- 
schen Preussisch  Stargard  und  Dirschau,  wo  die  Dörfer  Klonowken,Riewalde, 
Zabianken  und  Brust  liegen,  zu  suchen  ist.  Gerade  in  dieser  Gegend  werden 
in  den  Urkunden  mehrere  Ortsnamen  genannt,  welche,  wenn  sie  auch  unver- 
kennbar slavischen  Ursprungs  sind,  doch  in  ihrer  Lautgestalt  sich  weder  aus 
dem  Polnischen  noch  dem  Pommerellisch-Kaschubischen,  den  beiden  einzigen 
slavischen  Sprachen,  welche  hier  in  Betracht  kommen  können,  erklären  lassen. 
Es  liegt  daher  die  Vermuthung  nahe,  dass  die  urkundlich  überlieferte  Form 
aus  preussischem  Munde  stammt. 

Hier  ist  zunächst  der  Name  des  schon  öfters  erwähnten  Dorfes  Brust  zu 
besprechen.  Nach  Ketrzynski  lautet  der  heutige  polnische  Name  des  Dorfes 
Brzuszcz,  welchem  die  urkundlich  überlieferten  Formen  Brus  1299,  Brusche 
1301 ,  Bruscze  1301  und  1303  ziemlich  genau  entsprechen.  In  Urkunden  aus 
den  Jahren  1275,  1293  und  1295  heisst  der  Ort  aber  Brust.  Da  nun  im  Preus- 
sischen, speziell  in  dem  benachbarten  Pomesanischen,  welches  im  Elbinger 
Vokabular  erhalten  ist,  in  polnischen  Lehnwörtern  sc  durch  st  vertreten  ist, 
vergl.  J.  J.  Mikkola  Baltisches  und  Slavisches  S.  26,  werden  wir  Brust  als 
preussische  Aussprache  des  poln.  oder  pommerell.  Brusc  (genauer  Brusc  an- 
zuerkennen haben.  Dass  das  st  von  Brust  nicht  etwa  pommerellisch  ist,  be- 
weist ausser  den  nur  wenig  jüngeren  Formen  Brus,  Brusche,  Bruscze,  das 
schon  vom  Jahre  119S  überlieferte  Scedrou  (Schadrau  im  Kr.  Bereut'  poln. 
Szczodrowo. 


Kleine  Mittheilungen.  473 

Ebenso  zu  beurtheilen  ist  das  1245  überlieferte  C'liestoho  (Name  einer 
untergegangenen  Ortschaft  im  Lande  Mewe),  welchem  1279  Clesow,  1281  Cles- 
sotce,  1283  Clesso  entspricht.  Der  Name  ist  offenbar  identisch  mit  dem  häu- 
figen Kleszczeivo ,  auch  hier  steht  dem  poln.  sc  im  preussischen  Munde  st 
gegenüber.  Nebenbei  mag  auch  noch  auf  das  ie  dem  poln.  e  gegenüber  hin- 
gewiesen sein,  was  zu  Mikkola's  Erörterungen  B.  u.  S.  S.  15  passen  würde, 
doch  ist  mir  nicht  bekannt,  ob  das  e  in  Kleszczeivo  e  oder  e  ist. 

In  derselben  Urkunde ,  Inder  die  Form  Cliestoho  erscheint,  wird  eine 
andere  Ortschaft  im  Lande  Mewe  Medivedidol  genannt.  In  andern  Urkunden 
heisst  diese  Ortschaft  3feznezidos  1279,  Mvsvesdol  1281,  Mesvezi/dol  1283, 
3Iesuezydol  1283,  Mezuezidol  1283,  d.  i.  Medzvedd  dol^).  Das  Medwedtdol  von 
1245,  welches  denZetacismus  noch  nicht  zeigt,  ist  nur  im  Munde  eines  Preus- 
sen  verständlich,  denn  auch  in  unsern  Gegenden  war  damals  der  Zetacismus 
schon  längst  durchgeführt,  wie  z.  B.  die  Stadt  Schwatz  poln.  Swiecie  schon 
1198  Zwece  genannt  wird. 

Weiter  kommt  hier  in  Betracht  der  urkundliche  Name  des  Dorfes  Mös- 
land  (Kr.  Marienwerder)  poln.  Micdzyl^z:  3fedilanze  1282,  3fedißanze  1282, 
später  Meselancz  1399,  1408,  3Ieselanz  ca.  1400,  3feselantz  1564.  Da  nicht  an- 
zunehmen ist ,  dass  das  urslav.  dj  an  der  Weichsel  im  XIII.  Jahrh.  noch  dj 
gelautet  habe,  kann  die  Schreibung  3Iedilanze,  3Iedylanze  nur  auf  der 
Aussprache  preussischer  Bewohner  des  Ortes  oder  preussischer  Nachbarn 
beruhen. 

Endlich  ist  vielleicht  die  preussische  Aussprache  noch  in  dem  Namen 
der  Ortschaft  Schlanz  (Kr.  Dirschau)  erhalten :  nach  Ketrzynski  ist  die  pol- 
nische Form  Sionea,  in  den  Urkunden  heisst  das  Dorf  (und  ebenso  der  vorbei- 
fliessende  Bach)  Slancia  1248,  Slancza  \2%(i ,  1284,  *S/a«::a  12S0,  1282,  1284, 
1291,  Slanca  1280,  1312,  Slantza  1283.  Das  a  gegenüber  dem  poln.  0  würde  zu 
Mikkola's  Ermittlungen  B.  u.  St.  S.  18  f.  gut  passen. 

Dass  die  besprochenen  Ortsnamen  nicht  so  vollständig  prussifizirt  sind, 
wie  die  von  Mikkola  ermittelten  Lehnwörter,  und  infolgedessen  manche  Un- 
gleichheiten aufweisen,  kann  nicht  Wunder  nehmen.  Der  Preusse  ersetzte 
bei  diesen  Namen  eben  nur  die  seiner  Zunge  unbequemen  Laute  durch  die  ihm 
geläufigen ,  und  Hess  sie  im  übrigen  unverändert.  Dass  die  Namen  auch  so 
für  die  polnisch-pommerellische  Sprachgeschichte  von  Wichtigkeit  sind,  ist 
nicht  zu  bestreiten,  doch  gehe  ich  hierauf  nicht  weiter  ein.  Es  genügt  mir, 
hier  festgestellt  zu  haben,  dass  auch  links  von  der  Weichsel  eine  preussische 
Bevölkerung  gesessen  hat  und  dass  diese  in  dem  von  den  Städten  Mewe, 
Preussisch  Stargard  und  Dirschau  gebildeten  Dreieck  nachweisbar  ist. 


^1  Dieser  Ortsname  ist  auch  deshalb  wichtig,  weil  er  zeigt,  dass  die  Be- 
völkerung an  der  Weichsel,  wenigstens  in  der  Mewer  Gegend,  nicht  pom- 
merellisch-kaschubischen,  sondern  polnischen  Stammes  war.  Wie  dieser 
Ortsname  im  Pommerellischen  hätte  lauten  müssen,  zeigt  ausser  dem  heutigen 
kasch.  mjedvjezi  auch  der  1273  aus  der  Kaminer  Gegend  überlieferte  Orts- 
name  3fetuezablota,  d.  i.  3Iedvedza  hiota. 

F.  Loi'eniz. 


474  Kleine  Mittheilungen. 

Bemerkungen  zu  den  in  päpstlichen  Urkunden  überlieferten  ostsee- 
wendischen Namensformen. 

Baltisches  und  Slavisches  S.  23  f.  führt  J.  J.  Mikkola  gegenüber  End- 
zelinaus,  dass  urslav.  or  im  gesammten  Ostseewendischen  neben  ar  auch 
durch  ro  vertreten  sei.  Zum  Beweise  stützt  er  sich  besonders  auf  die  in  päpst- 
lichen Urkunden  überlieferten  Bezeichnungen  der  Stadt  Stargard  a.  d.  Ihna 
Stargrod  \\^.^  un^  Staregrod  M'^l ^  und  meint,  dass  diese  in  Eom  geschrie- 
benen Urkunden  sicher  keinen  polnischen  Einfluss  zeigen  könnten.  Man  sollte 
dies  eigentlich  annehmen,  aber,  wenn  man  gewisse  andere  Papsturkunden  ins 
Augefasst,  fängt  man  an,  daran  zu  zweifeln.  In  mehreren  Urkunden  des 
Bisthums  Schwerin  wird  nämlich  ein  Ort  an  der  Warnow  Namens  Stülp  ge- 
nannt. In  der  Bestätigungsurkunde  des  Papstes  Urban  III.  vom  23.  Februar 
1186  heisst  dieser  Ort  Ztulp,  die  Bestätigungsurkunde  des  Papstes  Cölestin  III. 
vom  5.  August  1197  nennt  ihn  Stülp,  während  die  Bestätigungsurkunde  des 
Papstes  Clemens  III.  vom  30.  September  1189  Slup  schreibt.  Dies  Slup  kann 
unmöglich  richtig  sein,  denn  sonst  ist  in  dem  ganzen  ostseewendischen  Gebiet 
bis  zur  Stolpe  in  Hinterpommern  kein  einziger  Name  nachweisbar,  in  wel- 
chem das  urslav.  'ö^  durch  In  und  nicht  durch  ol  (auch  ul  und  al  geschrieben) 
vertreten  wäre,  und  auch  in  dem  Gebiet  zwischen  Stolpe  und  Weichsel,  wel- 
ches schon  von  Beginn  der  historischen  Zeit  an  dem  polnischen  Einfluss  unter- 
worfen war,  sind  die  Formen  mit  ol  mindestens  eben  so  häufig  wie  die  mit  lu. 
Wenn  ich  nun  auch  a  priori  die  Möglichkeit,  dass  im  Ostseewendischen  neben 
ol  auch  lu  als  Vertreter  des  urslav.  -ol  auftreten  könnte,  nicht  bestreiten 
möchte  —  das  Nebeneinander  von  ar  und  ro,  er  und  re,  ol  (oder  al)  und  lo  für 
urslav.  or  er  ol  gibt  in  dieser  Hinsicht  zu  denken  —  so  kann  dies  Slup  es  doch 
nicht  beweisen.  Ja,  wenn  die  Urkunde  noch  im  Lande  selbst  geschrieben 
wäre !  Aber  dass  sie  im  Auslande  und  noch  dazu  in  Rom  geschrieben  ist, 
macht  mir  das  Slup  als  unter  polnischem  Einfluss  entstanden  verdächtig.  Ich 
erkläre  mir  die  Sache  so ,  dass  in  der  päpstlichen  Kanzlei ,  deren  Verwaltung 
doch  eine  genaue  Kenntniss  der  verschiedensten  Länder  und  besonders  ihrer 
Rechtsgebräuche  verlangte,  Beamte  der  verschiedenen  Nationalitäten  be- 
schäftigt waren.  Wenn  nun  hier  für  die  Korrespondenz  mit  den  Wenden- 
ländern, über  welche  die  Polen  bekanntlich  die  Oberherrschaft  beanspruchten, 
Polen  angestellt  waren,  so  konnte  es  leicht  geschehen,  dass  diese  die  wen- 
dischen Namensformen  durch  die  ihnen  geläufigeren  polnischen  ersetzten.  So 
konnte  Slup  für  das  meckl.  Stülp,  so  konnte  Starg^-od,  Staregrod  für  das  pomm. 
Stargard,  Siaregard  in  die  Urkunden  kommen,  dass  die  Mecklenburger  und 
Pommern  selbst  Slup  bzw  Stargrod,  Staregrod  sprachen,  ist  durch  die  päpst- 
lichen Urkunden  nicht  zu  beweisen. 

Ausser  in  diesen  beiden  päpstlichen  Urkunden  hat  der  Name  der  Stadt 
Stargard  die  Lautfolge  ro  noch  in  Zitarigroda  bei  Ebbo ,  dem  Biographen 
Otto's  von  Bamberg.  Hier  liegt  es  auf  der  Hand,  dass  ro  durch  polnischen 
Einfluss  zu  erklären  ist:  Otto  kam  auf  polnische  Veranlassung  nach  Pommern 
und  seine  Begleiter  und  Dolmetscher  waren  Polen. 

Wenn  ich  so  auch  dem  Stargrod  u.  s.  w,  keine  Beweiskraft  zuerkennen 


Kleine  Mittheilungen.  475 

kann,  bleiben  doch  noch  genug  Beispiele  für  ostseewend.  ro  aus  urslav.  or. 
Besonders  interessant  sind  die  ältesten  überlieferten  wendischen  Personen- 
namen. So  wird  789  ein  wilzischer  Fürst  genannt:  Dragaicitus  (Einh.  Ann.), 
Dragoidus  (Ann.  Naz.),  Dragovid  (Ann.  Guelferb.),  Tragowit  (Ann.  Alam.), 
Dragitus  (Ann.  Chesn.),  Tragwitus  (Ann.  Lauresh.),  ein  anderer  heisst  in  dem- 
selben Jahre  Drago  in  den  Ann.  Chesn.  Ein  in  den  Jahren  798  bis  819  oft 
genannter  obotritischer  Fürst  heisst  Thrasuco  (Ann.  Lauriss.j,  Thrasico,  Dra- 
soco  ,  Drasco,  Thi-asco ,  Trasco  (Einh,  Ann.),  Trasucho  [Ann.  TU.) ,  Drosocus, 
Thersosuc  (Chron.  Moiss.),  Thrasucho,  Trasuclio,  Thrasco,  Trasco  (Ann.  Fuld.), 
ein  anderer  in  den  Jahren  817  bis  826  Ceadragus,  CecZra^ws  (Einh.  Ann.), 
Ceadrogus,  Cheadi'ogiis  [Ann.  Fuld.),  Ceadragus,  Ceradraus,  Cecidr aus  (Vita, 
Klud.  Imp.;,  823  heisst  ein  wilzischer  Fürst  Cealadragus ,  Cealadargus  (Einh. 
Ann.),  Celeadragus ,  Cedeadrugus  (Vita  Hlud.  Imp.),  ein  obotritischer  wird  bei 
Helmold  I,  19  Anadrag  genannt.  Bei  diesen  Namen  fällt  es  auf,  dass  fast  aus- 
nahmslos ra,  nicht  ro  geschrieben  ist.  Da  vereinzelt  auch  ro  vorkommt,  und 
später  ro  allein  üblich  ist,  wird  durch  das  ra  ein  rä  ausgedrückt  werden  sollen. 
Nimmt  man  aber  an,  dass  die  Metathesis  von  or  zunächst  rä  ergeben  hat,  so 
schwindet  die  Differenz  in  der  Entwicklung  dieses  Lautes  zwischen  dem 
Wendisch -Polnisch -Sorbischen  und  Cechisch- Südslavischen:  dort  ist  das  « 
mit  dem  qualitativ  nahestehenden  o,  hier  mit  dem  quantitativ  gleichen  a  ver- 
einigt. Dasselbe  ist  ja  auch  bei  der  Umstellung  des  urslav.  er  eingetreten, 
welches  dort  mit  dem  qualitativ  gleichen  e,  hier  mit  dem  quantitativ  gleichen  e 
zusammengefallen  ist.  Auch  das  anlautende  ro-  im  Südslavischen  würde 
hierbei  seine  Aufklärung  finden:  da  ä  hier  kurz  war,  konnte  es  sich  nicht  an 
das  lange  a  anschliessen,  es  blieb  also  nur  das  kurze  o.  Die  Sache  verdient 
jedenfalls  genauer  untersucht  zu  werden,  als  ich  es  hier  kann. 

In  den  Urkunden  sind  Namen  mit  der  Lautfolge  ro  selten ,  ich  habe  nur 
folgende  gefunden:  Broneko>c  1411 — 1412,  wahrscheinlich  identisch  mit  Bar- 
nekoice  1280,  1283,  d.  1.  Hob.  Barnekow  bei  Grimmen,  vergl.  poln.  Bronikowo 
(Kr.  Sensburg,  Ostpr.),  Bronesowe  1248,  Bronsowe  1253,  1266,  1282,  Brunsowe 
1269,  1310,  Brunsoio  1292,  1305,  d.  i.  Hob.  und  Sied.  Brünsow  Kr.  Demmin, 
Gruttecoice  1183, 1304,  Grotcov  1214,  Grotkow  1304,  d.i.  Grüttow  Kr.  Anklam, 
vergl.  cech.  Hrddkov,  Hradkov,  Drogewiz  1211 ,  Kirchdorf  bei  Stendal,  Oro- 
gaviz,  Oro^awi^z  (Schreibfehler  für  Z)ro-)  946,  Drogaioizi  1150,  1179,  unter- 
gegangener Ort  im  Kr.  Jerichow  IL   Sonst  findet  sich  nur  die  Lautfolge  ar. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  noch  auf  einen  schon  recht  alten 
Irrthum  hinweisen,  der  immer  noch  ohne  Widerspruch  zu  finden  von  neuem 
vorgetragen  wird:  ich  meine  die  Herleitung  des  Wortes  *korljb  »König«  aus 
dem  Namen  Karl's  des  Grossen.  Ist  es  schon  an  sich  recht  unwahrscheinlich, 
dass  dies  über  alle  slavischen  Sprachen  verbreitete  Wort,  das  man  getrost  als 
Musterbeispiel  für  die  Behandlung  des  urslav.  or  hinstellen  kann,  ein  so 
spätes  Lehnwort  ist,  so  wird  diese  Annahme  ganz  unmöglich,  wenn  zur  Zeit 
Karl's  des  Grossen  die  Metathesis  schon  vollzogen  war.  Und  dass  dies  der 
Fall  war,  zeigen  die  oben  angeführten  wendischen  Personennamen. 

J^.  Lorentz. 


476  Kleine  Mittheilungen. 

Zivei  IrieflicJie  Aufzeichnungen  P.  J.  Safai-tk's,  mitgetheilt  von 

Wh  NeJiring. 

1. 

An  irgend  einen  Buchhändler  des  Auslandes  richtete  P.I.Safarik  folgen- 
den eigenhändig  geschriebenen  Brief: 

Neusatz  d.  4.  April  1833. 
Hochgeehrtester  Herr! 

Sne  Excellenz,  Hr.  Stephan  von  Stratimirowitsch,  griechisch-nichtunir- 
ter  Erzbischof  in  Karlowitz,  ist  erfreut,  das  Buch:  Hoicel  Synopsis  canon.  ss. 
Apostol.  etc.  Lond.  1708  durch  Sie  erhalten  zu  können,  und  beauftragt  mich, 
Ihnen  zu  schreiben,  dass  Sie  das  Buch  ungesäumt  an  Schaumburg  in  Wien 
einsenden  sollen,  wo  er  Ihnen  das  Geld  dafür  f.  20  CM.  anweisen  wird. 

Ich  verlasse  morgen  Neusatz  und  ziehe  nach  Prag  in  Böhmen.  Ich 
hoffe  gegen  den  10.  Mai  in  Prag  einzutreffen.  Auf  der  Reise  werde  ich  Hrn. 
Schaumburg  sprechen,  dem  ich  das  Geld  für  Sie  (ich  glaube  f.  19  CM.)  schon 
im  Jäner  1.  J.  geschickt  habe.  Ein  hiesiger  Bischof  sucht:  Beveregii  Jus  ca- 
nonicum ecclesiae  graecae.  Leunclavii  Jus  canonicum  ecclesiae  graecae.  Die 
Titel  will  ich  Ihnen  von  Prag  aus  genauer  angeben.  Meine  Adresse  nach 
Prag  ist:  An  P.  J.  S.  Mitgl.  mehr.  gel.  Gesellschaften,  Stephans-Gasse  Nr.  646 
in  Prag. 

Mit  Hochachtung  Ihr      ergeb.      Paul  Joseph  Schaffarik. 

Auf  der  Rückseite  des  Blattes,  die  leer  war,  hat  eine  andere  Hand  (die 
des  Empfängers?)  mit  Tinte  geschrieben:  1833  Schaffarick  Neusatz  4  April/ 
13  d*o.  Auf  der  Vorderseite  steht  ganz  unten  in  rother  Tinte  Porto  10  p.,  dann 
mit  Bleistift  Berl.  S.  und  ganz  unten:  Schaffarik  Paul  Joseph  1795 — 1861. 
Ich  will  noch  erwähnen,  dass  bei  K.  Jirecek  (P.  I.  Safarik  mezi  Jihoslovany, 
napsal  Dr.  Konstantin  Jirecek,  V  Praze  1895)  auf  S.  131  nicht  der  fünfte,  son- 
dern der  sechste  April  1833  als  der  Tag  der  Abreise  angegeben  wird.  Uebri- 
gens  bemerkt  er  in  der  Fussnote,  dass  die  verschiedenen  Angaben,  die  er  bei 
der  Bestimmung  des  Tages  der  Abreise  vor  sich  hatte,  nicht  übereinstimmen. 
Aus  unserem  Briefe  würde  sich  der  5.  April  ergeben,  doch  ist  es  immerhin 
möglich,  dass  eine  Sitzung  des  Patronats  des  Gymnasiums,  die  vielleicht  am 
5.  April  stattfand,  ihn  noch  einen  Tag  in  Neusatz  zurückhielt.  Die  Angabe 
der  zukünftigen  Prager  Adresse  stimmt  zu  dem,  was  darüber  bei  Jirecek 
(aufS.  133)  gesagt  ist. 


Auf  einem  Zettel  stehen  folgende  Worte,  von  der  Hand  Safarik's  ge- 
schrieben: 

0  felix  hominum  genus, 
Si  vestros  animos  amor, 
Quo  coelum  regitur,  regat. 
Pragae  die  6  Aprilis  1849.  Paulus  Josephus  Schafarik  m.  p. 
Es  sieht  so  aus,  als  hätte  sich  ein  Autographen-Sammler  an  Safarik  mit 


Kleine  Mittheilungen.  477 

der  Bitte  gewendet,  ihm  etwas  Eigenhändiges  zu  schiclien.    Denn  die  Zeilen 
sind  mit  ruhig-feierlichen  Zügen  geschrieben. 

Diese  beiden  Erinnerungen  an  P.  J.  Safarik  hatte  vor  Jahren  Professor 
W.  Nehring  bei  dem  Breslauer  Antiquariat  Jacobsohn  entdeckt  und  für  das 
slavisch-philologische  Seminar  gekauft,  dessen  Eigenthum  sie  jetzt  sind.  Im 
Antiquariat  wusste  man  nicht  mehr,  wie  man  in  den  Besitz  dieser  zwei  Auf- 
zeichnungen gelangt  war.  Nach  dem  Jahre  1861  scheint  wenigstens  der  unter 
Nr.  1  mitgetheilte  Brief  in  Berlin  gewesen  zu  sein.  Darauf  deutet  hin  die  Ein- 
tragung Berl.  S.  V.  J. 


Ein  Brief  V.  Oblak's  an  St.  Novakovic^  mitgetheilt  von  St.  N. 

Cilli  15.  8.  1893. 
Sehr  geehrter  Herr! 

Ich  wollte  Ihnen  nicht  früher  meinen  aufrichtigen  Dank  für  Ihr  grosses 
Werk  sagen,  bevor  ich  es  gänzlich  durchgelesen.  Die  Neugierde  Hess  mir 
zwar  keine  Ruhe  und  ich  musste  das  III.  Cap.  über  die  Besiedelung  der  Bal- 
kanhalbinsel durch  die  Slaven  sogleich  durchlesen,  aber  dann  war  ich  nicht 
zu  Hause.  In  Ihrem  Werke  sind  eine  ganze  Reihe  der  schwierigsten  Fragen 
berührt,  denen  man  theilweise  bis  jetzt  sorgsam  aus  dem  Wege  ging,  und 
einige  sind  auch  befriedigend  gelöst.  Aber  auch  dort,  wo  bei  unserem  dürf- 
tigen jetzigen  Material  eine  Lösung  noch  nicht  möglich  war,  führt  uns  das 
Buch  durch  die  Präcisirung  vieler  Fragen  recht  nachdrücklich  die  grossen 
Lücken  unserer  Kenntniss  zu  Gemüthe,  und  auch  dies  ist  ein  Verdienst.  Be- 
züglich des  Gebietes  der  Thätigkeit  des  Klemens,  der  Lage  seines  Bisthums 
und  Glavenica's  sind  wir  jetzt  im  Klaren,  auch  die  Conjecter  betreffs  Velica's 
lässt  sich  ganz  gut  hören.  Ich  möchte  nur  bemerken,  dass  Drinov  in  einer 
Abhandlung  im  aCMH.  1885  (Aprilheft)  die  Ansicht  aussprach,  dass  unter 
BeUx^u  gar  nicht  ein  Ortsname  zu  verstehen  sei,  sondern  dass  es  gleichbe- 
deutend ist  mit  BcüUKa  (MopaBa),  als  eine  verworrene  Erinnerung  an  die  Her- 
kunft Klemens',  wie  man  dies  in  einem  bulg.  Synodicon  findet.  Wenn  es  auch 
unzweifelhaft  ist,  dass  ein  Hauptcentrum  der  kirchenslav.  literar.  Thätigkeit 
in  Westmacedon.  u.  Epirus  war,  so  ist  es  doch  auch  sicher,  dass  daneben 
schon  zu  Ende  des  IX.  u.  Anfang  des  X.  Jahrh.  auch  in  Ostbulg.  eine  rege 
liter.  Thätigkeit  herrschte.  Sichere  Nachrichten  sind  ja  darüber  in  den  Wer- 
ken Constant.  Presbyter,  wie  Sie  selbst  bemerkten,  und  auch  im  Job.  Exarch. 
Bulgar.  Und  wenn  wir  darüber  auch  gar  keine  solchen  Zeugnisse  hätten,  so 
spricht  das  Werk  selbst,  die  neue  Emendation  der  Texte  genug  laut.  Diese 
muss  schon  im  X.  Jahrh.  stark  entwickelt  gewesen  sein,  sonst  wäre  sie  im 
XI.  Jahrh.  nicht  die  ausschliessliche  in  Russland  u.  Cod.  Supr.,  also  ein  Denk- 
mal des  XL  Jahrb.,  beruht  gleichfalls  auf  einer  solchen  Vorlage  neuer  Re- 
daction.  Treffend  finde  ich  Bemerkungen,  dass  die  griech.  Geistlichkeit  in 
Bulgar.  die  slav.  Liturgie  nicht  mit  offenen  Armen  empfieng,  das  ist  viel 
wahrscheinlicher  als  die  griech.  slav.  Phantasien  Budilovic's,  ein  Beweis  da- 
für ist  ja  die  Vertheidigungsschrift  Hrabr's.    Schön  auseinandergesetzt  finde 


478  Kleine  Mittheilungen. 

ich  unter  anderem  auch  die  Wege,  auf  welchen  dies  slav.  Schriftthum  nach 
den  serb.  Gebieten  gelangte.  Unstreitig  waren  im  serb.  Süden  Zeta  und 
dann  Rasa  die  ersten  Gebiete  mit  slav.  Liturgie,  vergl.  Mirosl.  u.  Vuk's 
Evangel.  Die  neuesten  Untersuchungen  (das  noch  nicht  herausgegebene 
Vrbniker  oder  Gerskovic'sche  Fragment)  bestätigen  auch  Ihre  Vermuthung, 
dass  das  Schriftthum  nach  Bosnien  vom  Norden  kam.  Wäre  im  XL  u.  XII. 
Jahrh.  die  literar.  Verbindung  Bosniens  mit  den  serb.  Hinterländern  lebhafter 
gewesen,  so  hätte  sich  die  Glagol.  in  Bosnien  wohl  schwerlich  bis  zu  Ende 
des  XII.  Jahrh.  gehalten  (aus  dieser  Zeit  ist  das  genannte  Fragment)  u.  wir 
hätten  ausserdem  in  den  ältesten  Denkmälern,  die  dort  geschrieben  wurden, 
stärkere  Spuren  der  neuen  Emendation  des  Textes.  Dagegen  kann  ich  mich 
nicht  überzeugen,  dass  die  serb.  Redaction  aus  dem  Ende  des  IX.  und  Anfang 
des  X.  Jahrh.  stammen  würde.  Dem  widersprechen  manche  Thatsachen.  In 
den  ältesten  serb.  Denkmälern  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XII.  Jahrh.  sehen 
wir  die  serb.  Redaction  noch  gar  nicht  ganz  durchgeführt,  erst  aus  dem  Ende 
des  XII.  Jahrh.  haben  wir  Denkmäler  mit  reiner  serb.  Recension  u.  zwar 
zuerst  gerade  in  Bosnien.  Wenn  demnach  noch  in  der  zweiten  Hälfte  des 
XII.  Jahrh.  Spuren  der  bulg.  Redaction  sichtbar  sind,  so  kann  man  im  X. 
Jahrh.  noch  von  keiner  serb.  Red.  sprechen.  Und  wo  sind  denn  solche  Denk- 
mäler serb.  Red.  aus  jener  Zeit?  Cod.  Marian.  stammt  ja  gerade  aus  jenen 
Gegenden,  aber  von  einer  serb.  Red.  kann  bei  ihm  keine  Rede  sein.  Gehen 
wir  weiter  nach  Norden,  so  sehen  wir  dasselbe  an  Glagol.  Cloz.  Mir  scheint 
es  deshalb  wahrscheinlicher,  dass  sich  die  serb.  Red.  erst  um  die  Mitte  des 
XII.  Jahrh.  ausbildete  u.  zwar  auf  Grundlage  der  bulgar.  u.  nicht  der  reinen 
»altsloven.«.  Ich  glaube  nämlich,  dass  der  Gebrauch  nur  des  b  aus  bulg. 
Schriftthum  geschöpft  ist.  Dem  widersprechen  nicht  im  geringsten  die 
Mihanov.  Blätter,  sie  sind  gewiss  nicht  älter  als  aus  dem  XII.  Jahrh.,  gegen 
ein  höheres  Alter  spricht  ganz  entschieden  die  Palaeographie. 

Am  meisten  interessirte  mich  gegenwärtig  der  Abschnitt  über  die  Her- 
kunft der  Balkanslaven.  Da  sind  manche  neue  Ansichten,  im  Grossen  u. 
Ganzen  schliessen  sich  aber  die  Ausführungen  doch  an  das  in  der  Abhand- 
lung über  h  n.  ^  gesagte.  Ich  erlaube  mir  nur  die  Bemerkung,  dass  sich  im 
neuesten  Bande  (1887)  der  germ.  Alterthumskunde  MüUenhof's  eine  Abhand- 
lung über  die  Richtung  der  ältesten  Slaveneinfälle  in  die  Balkanländer  im 
VI.  Jahrh.  befindet. 

Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  die  Slaven  in  die  Balkanländer 
aus  den  Gegenden  nördlich  der  Donau  zwischen  den  östl.  Karpaten  u.  heuti- 
gem Slavon.  kamen,  dass  sie  aber  sogar  aus  Grossmähren  u.  den  nördl.  Theilen 
Pannon.  gezogen  wären,  das  glaube  ich  nicht.  Damit  stimmen  die  sprach- 
lichen Thatsachen  nicht  überein.  Denn  wo  gibt  es  in  der  Gegenwart  im  Süden 
einen  Dialect,  der  mit  dem  mährischen  (slovak.)  besonders  nahe  verwandt 
wäre?  Nirgends.  Ja,  aber  das  »altsloven.«,  das  hat  doch  ganz  den  macedon. 
Charakter,  ganz  richtig,  denn  es  ist  ja  auch  ein  maced.  Dialect.  Oder  finden 
wir  in  den  heutigen  slovak.  Dialecten  nur  die  geringsten  Anzeichen  dafür, 
dass  einst  ihr  Dialect  den  Charakter  des  altsloven.  hatte.  Gewiss  nicht. 
Dümmler's  Theorie  ist  nichts  als  eine  Hypothese,  die  sich  durch  gar  nichts 


Kleine  Mittheilungen.  479 

stützen  lässt.  Sie  möchten  allerdings  den  grossen  Unterschied  zwischen  den 
heutigen  macedon.  Dialecten  n.  den  pannon  u.  mährischen  durch  die  An- 
nahme späterer  Einflüsse  und  Mischungen  beseitigen,  aber  damit  kommt  man 
nicht  aus.  Dieser  Mischungsprocess  hat  ja  gar  nicht  vermocht,  die  charak- 
teristischen Merkmale  jener  macedon.  Dialecte,  den  Rhinesmus,  sc  u.  zd  zu 
beseitigen,  und  anderseits  war  dieser  Process  im  Ostbulg.  in  jener  Zeit  noch 
stärker  u.  doch  hat  sich  der  Typus  der  Sprache  durch  ihn  nur  unwesentlich 
verändert.  Den  Dialect  der  Shivinija  dürfen  wir  nicht  zu  sehr  in  Gegensatz 
mit  den  anderen  maced.  u.  bulgar.  Dialecten  bringen.  Denn  einerseits  ist  er 
heutzutage  durchaus  nicht  einheitlich,  die  Unterschiede  bezüglich  der  Nasal- 
vocale  u.  Halbvocale  sind  innerhalb  derselben  nicht  geringer  als  etwa  im 
Vergleich  mit  einem  ostbulg.  Dialecte,  der  Rhinesmus  ist  in  Ochrida  nur  in 
drei  Beispielen,  davon  eins  noch  unsicher,  bewahrt,  anderseits  ist  es  aber 
sicher,  dass  in  alter  Zeit  denselben  ebenso  die  ostbulg.  Dialecte  hatten,  denn 
noch  heute  finden  wir  ihn  in  einzelnen  Beispielen  im  Ostbulg.  Ebenso  glaube 
ich,  dass  sich  sc  und  zdz.  erst  aus  einem  weichen  st'  u.  zd'  entwickelten,  mit 
dem  altsl.  stimmt  er  jedenfalls  nicht.  Ich  möchte  auch  nicht  die  »Slovonen« 
Macedon.  in  Gegensatz  bringen  mit  den  slav.  Vorfahren  der  heutigen  Bulga- 
ren, ich  glaube  vielmehr,  dass  sowohl  die  ersteren  als  die  letzteren  »Slovenen« 
waren  u.  ich  schliesse  davon  auch  die  Serben  u.  Kroat.  nicht  aus,  denn  an 
das  Märchen  des  Const.  Porphyr,  glaub  ich  nicht.  Aber  am  besten  ist  es, 
diesen  Namen  fremder  Schriftsteller  ganz  aus  dem  Spiel  zu  lassen;  jedenfalls 
waren  die  unter  dem  Namen  »Slovenen»  zusammengefassten  Slaven  kein  ein- 
heitliches Volk,  sondern  mehrere  Stämme.  Über  ihre  Verwandtschaft  zu 
einander  gibt  uns  nur  die  heutige  Sprache  Aufschlüsse,  u.  diese  verbietet  uns, 
die  macedon.  Dialecte  in  Gegensatz  zu  bringen  mit  den  anderen  bulgar. 
Wenn  Pic's  (Die  Csergeder  Slaven  etc.)  Vermuthung  richtig  wäre,  dass  we- 
nigstens die  östl.TheileDaciens  von  russ.  Stämmen  besiedelt  war,  so  würden 
sich  bezüglich  Ostbulg.  noch  grössere  Schwierigkeiten  ergeben.  AuchHasdeu 
leitet  in  seiner  neuesten  Schrift  (Strat  si  Substrat  Genealogia  poporelor  bal- 
kanice  1S92)  die  Serbokroat.  aus  Böhmen  (gestützt  auf  Const.  Porph.;,  die 
Bulgar.  aber  aus  Polen !  Dafür  glaubt  er  in  der  Sprache  Beweise  gefunden 
zu  haben,  Bulg.  u.  Poln.  haben  u.  hatten  1.  Nasalvoc,  2.  dz,  3.  i  =  'a.  Böhm, 
u.  Serb.  haben  l.r,  2.  Quantität  u.  3.  theilweise  ähnliche  Accentuation  (in 
einigen  maced.  Dialect.).  Er  entwirft  uns  hinten  sogar  einen  solchen  Stamm- 
baum I  —  Dass  es  im  IX.  Jahrh.  noch  keine  bulgar.  Sprache  im  heutigen 
Sinne  gegeben  hätte,  wird  sich  nicht  beweisen  lassen.  Alle  Abweichungen 
der  ältesten  altslov. Denkmäler,  z.B.  Cod. Supr.  vom  idealen  altsloven. Typus 
haben  doch  bulgar.  Charakter  bis  auf  einzelne  locale  Abweichungen.  Ich  will 
damit  nur  sagen,  dass  damals  in  sprachlicher  Hinsicht  der  Amalgamirungs- 
process  der  Slaven  mit  den  fremden  Elementen  schon  vollzogen  war. 

Über  die  alten  Wlachen,  ihre  Lebensweise  u.  manches  andere  sind  sehr 
schöne  Notizen  in  Vasilievskij's  CoBiiLi  u  pasKasti  BusaHTiiicK.  6ojifl:p.  XL  Bina. 
Über  die  heutigen  slav.  Dörfer  südlich  vom  Prespa-See  sind  einige  wenige 
Notizen  in  Matov's  Abhandlung  über  die  Nasalvocale  in  den  Co.!iyH.  Knuaomu, 
u.  in  Draganov's  Beitrag  über  die  Nasale  im  Pycc.  *u.a,  Eici. 


480  Kleine  Mittheilungen. 

Da^s  die  byzant.  Slaven  nicht  wie  die  mährischen  die  Nothwendigkeit 
einer  slav.  Liturgie  fühlten,  das  erkläre  ich  mir  durch  die  verschiedenen  Ver- 
hältnisse. Mähren  mit  Eastislav  an  der  Spitze  war  fast  ein  vollkommen  un- 
abhängiges Reich,  das  sich  vom  fremden  deutschen  Einflüsse  emancipiren 
wollte,  bei  den  byzant.  Slav.  war  dies  nicht  der  Fall,  bei  den  bulgar.  waren 
aber  die  culturellen  Bedürfnisse  ganz  andere  als  bei  den  Mährern,  wie  auch 
heutzutage  ein  gewaltiger  Unterschied  hinsichtlich  der  Bedürfnisse  zwischen 
den  Maisbrod  u.  Knoblauch  essenden  Bulgaren  und  den  materiell  gut  situir- 
ten  Hannaken  besteht. 

Dies  sind  meine  Bemerkungen  zu  einigen  Behauptungen  Ihres  sehr  lehr- 
reichen Werkes,  die  mir  gerade  besonders  im  Gedächtniss  geblieben  sind. 
Ich  wollte  mit  denselben  nicht  zurückhalten,  denn  bei  so  schwierigen  Fragen 
sind  immer  verschiedene  Ansichten  möglich,  und  in  der  Wissenschaft  — 
sententiae  sunt  liberae. 

Ich  habe  schon  lange  keine  Abhandlung  mit  solchem  Interesse  gelesen 
und  deshalb  danke  ich  nochmals  für  die  Zusendung  derselben.  Lavrov's 
Werk  Oösopt  sByKOB.  u  ^opMajiHtixi.  ocoöch.  6ojirap.  H3biKa  kennen  Sie  wahr- 
scheinlich schon,  es  enthält  viel  schönes  Material  aus  mittelbulg.  Denkmälern, 
auch  die  Erklärungen  sind  besser  als  in  Kaiina. 

Mit  vorzüglicher  Hochachtung  Ihr  V.  Oblak. 


^yBeHAHJa. 

D'abord  dans  le  CpncKn  Pjcihuk  de  Vuk  et  apres  dans  le  dictionnaire 
Ivekovic-Broz  on  a  traduit  le  mot  i)yBeHOTJa  par  les  mots  »latronis  turcici 
serva,  die  Sclavin  eines  Kpyajiuja«.  Le  dictionnaire  academique  de  Zagreb 
donne,  comme  explication  »Krgalijinska  robina,  tur.  güvendi-meretrixu,  adop- 
tant  ce  qui  est  mentionne  ä  ce  sujet  par  Gj.  Popoviö  dans  son  Dictionnaire 
des  mots  turcs  (Glasnik  59,  81). 

II  faut  remarquer  l'explication  de  Cousinery,  observateur  illustre  qui  a 
passö  sa  vie  ä  etudier  la  Macedoine  et  le  littoral  de  la  mer  Egee.  Dans  sa 
description  des  montagnards  de  Rhodope  qu'on  appelle  ailleurs  Krdzalis  il 
ajoute:  »Dans  toute  la  Thrace  et  toute  la  Macedoine  on  connait  le  penchant 
» de  ce  peuple  pour  le  vagabondage,  inconnu  dans  le  reste  de  la  Turquie ;  et 
»pour  caracteriser  ces  montagnards  on  leur  a  donnö  le  nom  de  Guvendegis, 
»mot  forme  de  deux  langues,  de  Guvende  mot  persan  qui  signifie  dmiseuse  et 
»de  la  finale  dgi,  desinancc  turque  qui  exprime  une  profession  comme  dans  le 
»mot  caffedgi — cafetier,  tutindgi — vendeur  de  tabac«.  (Voyage  dans  la  Ma- 
cedoine. Paris  1831,  II,  82.) 

St.  Petersbourg.  St.  N. 


Die  Vokale  Ti  und  h  im  Codex  Snprasliensis. 


Das  Verhalten  der  Suprasler  Handschrift  im  Gebrauch  der 
Vokalzeichen  t».  und  h  habe  ich  nach  der  Ausgabe  von  Miklosich 
vor  vielen  Jahren  dargelegt  in  der  Abhandlung  »Die  Vokale  iv  und 
k  in  den  sogenannten  altslovenischen  Denkmälern  des  Kirchensla- 
vischen«  (Berichte  der  k.  sächs.  Ges.  d.  W.  1875,  Bd.  27,  S.  92). 
Miklosich  hat  die  Zeichen  über  den  Buchstaben,  abgesehen  von 
dem  grammatisch  nothwendigen  "  über  a  h  k  r,  nicht  mitgegeben. 
Seit  der  von  Severjanov  veranstalteten  photographischen  Repro- 
duktion des  Laibacher  Teils  der  Handschrift  (1896)  und  desselben 
Ausgabe  (St.  Petersb.  1904),  die  die  Handschrift  genau  wiedergibt, 
kann  man  die  Verwendung  jener  Zeichen  untersuchen. 

Angewendet  werden :  1 .  "  über  h  a  k  r  in  der  bekannten  Weise 
als  Zeichen  der  Palatalität  der  Laute.  Dasselbe  Zeichen  steht  über 
oy  K5  I*,  wenn  diesen,  sei  es  im  Auslaut  eines  vorangehenden  Wor- 
tes, sei  es  in  Innern  Silben,  ein  Vokal  vorangeht,  z.  B.  cBiT;Ri* 
HO\^\HraHHi*,  sarpa^H  oycra,  HacyneHHia,  mä  o\^Kor;Ri*, 
B'KaujE  oy  Hjro,  CTpoK»,  nocTaßki*;  auch  über  w  kommt  es  vor, 
'i'ifaH'K,  zuweilen  ohne  die  angeführte  Bedingung,  luwcfa;  ganz  sel- 
ten trifft  man  es  sonst,  so  S.  70  (der  Ausgabe)  CTvKAaSH'k  gen.  pl., 
Z.  16. 

2.  Ein  nach  rechts  gerichteter  sich  verjüngender  Strich  oder 
Haken  (in  der  Ausgabe  durch  '  gegeben)  steht  über  allen  Vokalen  — 
ausser  i  nach  h  —  wenn  diese  auf  Vokal  folgen,  z.  B.  bh^.'Sth 
;r3w,  ktv  Hi5/\HiaHm,  pen«  leMoif,  ctohluh,  Bt^Ai^  «ko,  CA'kuiaaY;«; 
i€i5,  M(M€i5,  3'K/\'KiH\"k,  cßAUhtkÄ,  E'kA\!f^\  in  der  Verbindung  hi 
steht  1,  z.  B.  CTO/ÄUJTHiY'k,  c;f^;k,HiiiiTa,  nayAk  h  lOYAHraHHH'K, 
HHCTH   1  aKid  Gora. 

3.  Ein  nach  links  gerichteter  sich  verjüngender  Strich  oder 
Haken  (in  der  Ausgabe  durch  ',  Apostroph,  gegeben)  wird  gebraucht, 
wenn  ein  ursprünglich  vorhandener  Vokal,  in  den  meisten  Fällen  i». 
oder  k,  nicht  geschrieben  ist,  ebenso  zur  Trennung  von  Consonanten- 

Archiv  für  slavische  Philologie.  XXVU.  31 


482  A.  Leskien, 

gruppen  in  Fremd wörtero,  z.  B.  btjk'ujh,  M'Hor;^,  k'to,  h'to, 
c;RüJTfM',  lUlHp'kCKd'ro;  ap'yar'riAOM'k,  KaAMOBivi,  zuweilen 
auch  bei  slavischen  Consonantengruppen,  z.  B.  Bk3ABHr'H;K,T'k, 
OYctK'H;^^^,  nor'KiK'HtTTv,  pasr'HtßaBTi.,  hoym;'a**<*V^j  ^6^"" 
wendet;  ausserdem  kann  es  gebraucht  werden  wie  '  über  dem 
zweiten  von  zusammenstossenden  Vokalen,  der  Gebrauch  ist  aber 
weit  seltener  als  der  von*^,  und  tritt  am  meisten  ein  bei  h  nach 
anderen  Vokalen,  z.  B.  chh,  npaß'AHBTdH,  o\'M'KiiiJAi<iH,  sonst 
vgl.  CBOi€,  cTpora. 

Der  Zweck  der  genannten  Zeichen,  die  natürlich  nicht  überall 
da  stehen,  wo  sie  stehen  könnten,  ist  ohne  weiteres  klar,  wie  sich 
denn  auch  gleichartige  Gebrauchsweisen  in  andern  altkirchenslavi- 
schen  Quellen  finden. 

4.  Auffallend  und  für  die  Handschrift  charakteristisch  ist,  dass 
das  unter  3.  genannte  Zeichen  '  durch  den  ganzen  Codex  hindurch 
unzählige  Male  über  jedem  beliebigen  h  in  beliebiger  Stellung  steht. 
Es  geschieht  oft  so  regelmässig,  dass  man  ganze  Seiten  findet,  wo 
auf  keinem  b  das  Zeichen  fehlt,  z.  B.  auf  S.  80  der  Ausgabe  kom- 
men 32  h  vor,  alle  mit  dem  Zeichen  versehen;  auf  S.  79  begegnet  b 
24  mal,  18  mal  k,  viermal  nur  b  (ungerechnet  zweimaliges  Ha  Hk, 
wo  eine  Concurrenz  zweier  Zeichen  eintreten  würde) ;  zur  Veran- 
schaulichung führe   ich  einen  Satz  an   (Z.  15 — 18):    Whi  rdKCHCC 

H.3MpkAH    K'KY^^MTv    CkHCMT».,    CH'k    JKf    bLaIv    BT».    Bkc;^    HClUTk, 

H  BivH{3aan;pk  bLsboyam  "i^-  So  geht  es  durch  den  ganzen  Co- 
dex, beispielsweise:  S.  487  haben  von  54  dort  vorkommenden  h. 
49  das  Zeichen,  nur  5  nicht.  Gegen  die  ungeheure  Menge  der  L 
ist  der  Gebrauch  des  Zeichens  über  iv  selten,  und  man  kann  an 
Stellen,  wo  nebeneinander  das  gleiche  Wort  oder  gleiche  Wortfor- 
men mit  k  und  mit  t».  geschrieben  werden,  oft  beobachten,  dass  der 
Schreiber  das  Zeichen  über  t».  vermeidet,  vgl.  z.  B,  S.  52  Z.  24 

BkSAOVX'*?  Z.  28  B'kSAoVV'^V'  ^^  2-  '-'  A^VX'^'^'*»  ^-  29  a^V" 
YOMTi  (beides  instr.  sg.) ;  65  Z.  6  i€Ahho»^  a^"«»*  h  leAHHtMk 
CYMODiT».;  96  Z.  18  BkCKpkMHaa,  Z.  20  B'kCKp'hMkieH'k,  Z.  22 
Bkc;^,  23  B-kc;^;  140  Z.  20  ckiuipkTk,  21  CKMpkTk;  210  Z.  22 
B'fep'kH'kiHM'k  und  B'KpkH'KiH.M'k;  228  Z.  19  JK'kpku^oy,  22  >Kk- 
pki;o\f,  S.  230  Z.  14  H^kpkMkCK'k.  Bezeichnend  ist  bei  der  An- 
wendung des  ',  dass  k  auch  da  so  geschrieben  ist,  wo  das  k  nach 
sonstigem  Sprach-  und  Schreibgebrauch  des  Schreibers  unrichtig 


Die  Vokale  i.  und  b  im  Codex  Suprasliensis.  483 

für  Tv  steht,  z.  B.  bLsa^VX'*  i^^^  ß'i^3.),  ^\,omL  (für  aomtv),  ocTa- 

HKK'kl    (=-H'KK'Id),    OT'KrkHaK'k   (= -r'kHaii'K),    kLnIv    (=  K'KHIi) 

S.  229  Z.  19  (Z.  15  steht  richtig  k'KH'k)  u.  s.  w. 

Die  Deutlichkeit,  mit  der  in  der  ganzen  vortrefflich  geschrie- 
benen Handschrift  die  Buchstaben  i^  und  k  unterschieden  sind, 
macht  die  Annahme  unmöglich,  dass  es  sich  bei  dem  k  etwa  um 
eine  Verdeutlichung  des  k-Zeichens  gegenüber  dem  t»,  handeln 
könne.  Man  kann  überhaupt  den  Gebrauch  durch  etwas  rein  Gra- 
phisches nicht  erklären,  und  es  bleibt  nur  übrig  anzunehmen,  dass 
der  Schreiber  für  sich  und  die  Leser  durch  das  Zeichen  '  dem  k 
eine  bestimmte  Qualität  verleihen  wollte,  dass  es  also  eine  gram- 
matische Bedeutung  hat,  so  gut  wie  ^  über  a  h  diesen  Consonanten 
eine  bestimmte  palatale  Färbung  verleiht.  Man  muss  also  versuchen 
zu  erklären,  was  es  bedeuten  soll. 

Es  ist  mir  zweifellos,  dass  der  Schreiber  des  Codex  die  Vokale 
Tk,  k  an  all  den  Stellen,  wo  sie  in  der  späteren  Entwicklung  der 
Sprache  ausgefallen  sind,  also  im  allgemeinen  im  Auslaut  und  in 
offnen  Silben  des  Inlauts,  schon  nicht  mehr  gesprochen  hat.  Das 
geht  hervor:  1.  aus  den  Hunderten  von  Fällen,  wo  die  Vokale  über- 
haupt nicht  geschrieben  sind,  z.B.  TfMHHua  =  TkMkHHua,  kjs,(  = 

KT^^V,«,  KHASTk  =  KT».H43k,  KHHra  =  K'KHHra,    MHOri».  =  M'KHOP'k, 

le^HO  =  i€^kHO,  ji,EA  =  A'i^Ka,  TOAina  =  TCAkMa,  o^npaa- 
HHTH  =  -npas^kHHTH  (vgl.  dazu  o\fnpa>KNfHHi€  für  cynpaBAi^- 

HEHHI6)  u.  s.  w.  2.  aus  der  Vertretung  des  k  durch  (,  wenn  in  der 
folgenden  Silbe  ein  k  oder  Ti  stand;  nur  wenn  dies  stumm  gewor- 
den war,  also  die  vorangehende  Silbe  dadurch  zur  geschlossenen 
wurde,  konnte  k  zu  «  werden,  z.  B.  TfiuiHHua  =  TkM(k)HHi;a, 
lUfA'^  d-  i-  ^ßd  für  lUkA(iv),  B'KpeH'k  d.  i.  viren  für  R'KpkH('k),  Ha- 
MEH'kUJf  d.  i.  nadense  =  HaMkH(l».)iiJf ,  ja,(HW  d.  i.  de?i  =  A,^H{h) 
u.  s.  f.  (vgl.  meine  oben  angeführte  Abb.  S.  103). 

Das  k  ist  also  nirgends  mehr  als  solches  gesprochen  worden, 
sondern  entweder  ausgefallen  oder  in  (  verwandelt.  Das  Verhalten 
des  Tv  ist  in  einem  Punkte  ganz  gleich,  es  ist  im  Auslaut  abgefallen, 
im  Inlaut  bei  offner  Silbe  ausgefallen,  aber  wo  es  bei  eintretender 
Geschlossenheit  der  Silbe  nicht  ausfallen  konnte,  ist  es  nicht  in  einen 
andern  Vokal  (das  o  anderer  Quellen)  übergegangen,  sondern  hat 
seine  Qualität  behalten,  z.  B.  KpoT'kK'k  d.  i.  KpoTi^K;  mit  andern 
Worten,  die  Sprache  des  Codex  oder  seiner  Quellen  gehört  einer 

31* 


484  A.  Leskien, 

Dialektgruppe  an,  die  wohl  den  Uebergang  von  k  in  e ,  aber  nicht 
den  von  t^  in  o  hatte,  sondern  das  t»-  in  alter  Weise  fortsetzte.  Wenn 
nun  der  Schreiber  über  dem  h  das  diakritische  Zeichen  '  anbringt, 
so  hat  er  damit  ausdrücken  wollen:  das  k  hat  als  solches  keine 
Bedeutung,  sondern  ist  entweder  wegzulassen  oder  als  t  zu  lesen. 
Ueber  Ti  war  dagegen  ein  Zeichen  nicht  nöthig,  weil  es  in  geschlos- 
senen Silben  so  gesprochen  wurde,  oder  wo  es  stumm  geworden, 
aber  in  der  traditionellen  Orthographie  als  Schriftzeichen  beibehal- 
ten war,  sich  für  den  Leser  die  Stummheit  des  Zeichens  von  selbst 
verstand. 

Wenn  das  richtig  ist,  so  geht  weiter  daraus  hervor,  dass  man 
aus  der  Verwendung  des  k  in  der  Handschrift,  aus  der  Vertretung 
von  k  durch  iv  und  umgekehrt,  gar  keine  Schlüsse  auf  den  ge- 
sprochenen Dialekt  des  Schreibers  ziehen  kann;  die  k  sind  aus  älte- 
ren Vorlagen  übernommen,  und  natürlich  auch  die  "k  da,  wo  sie 
nicht  in  geschlossener  Silbe  erhalten  bleiben  mussten.  Hier  tritt 
also  die  Frage  ein,  wie  verhält  sich  diese  Tradition  zu  der  andrer 
ältester  Quellen. 

Eine  grosse  Gleichartigkeit  in  der  Behandlung  der  alten  t».- 
und  k-Silben  geht  durch  die  ganze  Handschrift,  bei  näherer  Be- 
trachtung findet  man  aber  doch  Verschiedenheiten  in  den  verschie- 
denen Bestandtheilen.  Begreiflich  ist  das  schon  daraus,  dass  die 
48  Stücke  des  Codex,  sämmtlich  Uebersetzungen  aus  dem  Griechi- 
chischen, 28  Legenden  (Nr.  1—19,  22—25,  46—48,  S.  1—237, 
252—278  der  Ausgabe  und  513  bis  Ende),  20  Homilien  (Nr.  21,  22, 
26—45,  S.  237—252,  303—513),  mit  zwei  Ausnahmen  Nr.  29, 
S.  332  (von  Photius)  und  Nr.  40,  S.447  (von  Epiphanius  von  Cypern) 
alle  von  Chrysostomus  (oder  Pseudochrysostomus),  sicher  nicht  das 
Werk  eines  Uebersetzers  sind,  die  Vorlagen  des  von  einer  Hand 
geschriebenen  Cod.  Sup.  demnach  in  Sprache  und  Schrift  nicht 
gleich  gewesen  sein  müssen. 

Bei  der  Untersuchung  möchte  ich  zunächst  den  Weg  einschla- 
gen, dass  ich  einige  Stücke  des  Codex  aus  seinen  verschiedenen 
Theilen  genau  in  ihrem  Verhalten  zu  'k,  k  darstelle,  dann  aber  die 
ganze  Handschrift  summarisch  zusammenfasse  und  dabei  die  Ver- 
gleichung  mit  dem  Cod.  Zogr.  anstelle.  Ich  nehme  zunächst  Nr.  44 
(S.  498 — 505  der  Ausg.,  Homilie  des  Chrysostomus). 


Die  Vokale  i.  und  t  im  Codex  Suprasliensis.  485 

•K,  h  im  Inlaut  und  in  den  Präpositionen  rt^,  B'ka,  ck. 

1.  Die  Präpositionen  bti,  rt^s,  ck.  Es  kommen  in  dem 
Stücke  vor  26  Fälle  der  Präposition  ßi^  vor  folgender  weicher  Silbe, 
davon  nur  4,  in  denen  bt».  geblieben  ist  (genau  genommen  nur  3, 
denn  bt».  hcthh;^,  mit  i».  vor  weichem  Vokal,  behält  nach  dem 
auch  sonst  in  der  Handschrift  befolgten  Verfahren  sein  iv ;  sonst 
B'k  A"";  ^'^  JKHBOTT»,,  BT»,  ta),  in  22  Fällen  steht  Bb,  z.  B.  Bh. 
HCiOH^E,  Bk  AHKTv,  Bk  THH;ft,  BkA'feSf,  BkHHA«  u.  s.  f.  Ferner 
gibt  es  20  Beispiele  von  B'kS-  vor  folgender  weicher  Silbe,  aus- 
nahmslos Bk3-  geschrieben,  B'ks-  kommt  so  überhaupt  nicht  vor, 
z.  B.  BkSATH,  Bk3AK)BH,  BkSHfcoY'k,  BkaHCKaBii  u.  s.  w.  Rech- 
net man  die  6  Fälle  von  Formen  und  Ableitungen  von  BkCKpk- 
CH;*iTH  hinzu,  was  man  kann,  da  ja  die  Silbe  -rt-  von  Haus  aus 
weich  war,  so  wird  das  Verhältniss  noch  auffallender.  Beispiele 
von  Ck  vor  Silbe  mit  weichem  Vokal  sind  8  vorhanden,  in  7  steht 

Ck,   Z.  B.  Ck  THYOCTHKR,    Ck  CBATTÜHMk,    CkBfCTH,    einmal   CTiTk- 

piTTk  506.  23.  Man  kann  also  sagen,  dass  in  diesem  Stücke  der 
Schreiber  die  bekannte  Umlautsregel  so  gut  wie  konsequent  befolgt. 
Von  andern  Präpositionen  kommt  mit  k  statt  t^  vor  OTk,  einmal 

OTk    TfK«    507.    17,    sonst    OTk    HH)("k,     OTk    HfrO,    OTk-H;^A'^^^ 

(das  einmalige  OKkSHpaA  502.  25  lasse  ich  bei  Seite,  da  hier  OKk 
alt  sein  kann). 

Nun  hat  aber  das  Bild  eine  Kehrseite:  Bk  steht  12 mal  auch 
vor  folgender  harter  Silbe,  Bk  saKAiOMEH-ki/fi  498.  25,  BkcraH;?; 
499.  15,  BkAOJK;^^  500.  10,  Bk^o^oy  501.  23,  BkAO>KH  503.  26, 

Bk  KOVnk  504.  28,    BkCTABH  505.  9,    Bk  RAkTk  505.  25,    Bk  TOWk 

506.  27,  Bk  Hdiua  507.  3,  Bk  htü  507.  5,  BkAdSHTiv  507.  29; 
ebenso  BkS-  zweimal  in  Bkc^OTtv  500.  14,  502.  5;  ck  in  derselben 
Stellung  (abgesehen  von  ckMpkTk)  12 mal,  also  öfter  als  vor  fol- 
gender weicher  Silbe:  cknacHTfAk,  ck  bamh,  ckTBopH,  cknacd, 
cknaco^f,  CknacTH,  ckCTBaBkicH'k,  cknacfiuH,  ckiioAOKOKHY'k, 
ckTBopH,  ckB;R3'ki,  ckBAaMÄLUTf;  ferner  7  Fälle  von  ck-  in  Casus 
und  Ableitungen  von  ckMpkTk,  wobei  zu  bemerken,  dass  es  als 
eine  Manier  des  Codex  bezeichnet  werden  kann,  das  Wort  so  zu 
schreiben. 

2.  Der  Umlaut  von  k  zu  t».  vor  folgender  harter  Silbe. 
Beispiele  solcher  Stellung  sind  71  vorhanden,  davon  nur  4  mit  dem 


486  A.  Leskien, 

Umlaut  zu  T*:  HA'kT'kH'kiHMH,  pasATi-P^  503.  21,  HbCTivHO,  yv,*^- 
MaaMiyHiü/A,  alle  andern  und  zwar  in  den  verschiedensten  conso- 
nantischen  Verbindungen  mit  k,  z.  B.  TaHKkHO,  HAOßtMkCKTü/Ä, 
nEHaAkHaa,  pacnkpkH;^ii^,  npHUJh^'kiijaaro,  B'^uiTkCTBoy,  fCTk- 
CTßa,  nonh.pa  (505.  24),  KO^KbCTßO  u.  s.  f.  Einmal  steht  Tv  statt  k 
vor  weicher  Silbe  ij^-tcapTkCTEHie,  ein  offenbares  Versehen.  Auf  die 
Beispiele  lU'kA'k  (2  mal),  iJJTk;k,mf  (Imal)  komme  ich  unten  zurück. 

3.  Der  Umlaut  von  'k  zu  k  vor  folgender  weicher 
Silbe:  BkHt  498,  29,  -AiCKkßhH;^!*  500.  18,  ckMt:iJf;  501.  22; 
dazu  noch  norp;R3HßkUJf  503.  30,  ßH;i,'KßkUJEH  506.  13,  nosHa- 
Bkiua  507.  16.    In  i^pkKiißk  ist  t».  verblieben. 

Fast  gleiche  oder  ganz  ähnliche  Verhältnisse  zeigen  andre 
Bestandtheile  der  Handschrift,  so  Nr.  45  (S.  508 — 513,  Homilie  des 
Chrysostomus). 

1.  Von  ßiiB,  BT»,  CK  vor  weichen  Consonanten,  zusammen 
29  Fälle  (einen  von  ßkCKpkCf  eingerechnet),  ist  kein  einziges  geblie- 
ben, es  heisst  nur  ßk,  Bk3,  ck;  einmal  steht  OTk  TtKC  513.  6;  Oßk- 
in  OBkA<^  509.  14,  OBkieMii  513.2;  dabei  stehen  ßk,  ßks,  ck 
mehrmals  vor  folgender  harter  Silbe:  ßkaasHTTv,  ßk  koh;  ßkCY'W- 

THTTk,    ßkCY'WTH;    Ck    OBklUTHHMk,    Ck    MHOK^,    CkROB'feA'*!^,    Ck- 

impkTk  ckMpkTH;  ferner  Vgl.  SkAOETd  512.  16. 

2.  k  vor  folgender  Härte  ist  geblieben  in  45  Fällen :  darunter 
TkM;^  509.  5,  Mk3A^  512.  6,  513.  5;  zu  t».  geworden  in  6  Bei- 
spielen C'KS'KA'^M^'*  509.5,  C'kS'kA^TfAra  510.13,  T'kM'kl  T'kiuia 

509.  5,  h'Kt;rtti  509.  9,  oyKHTfAkHHM'kCK;^.    Vgl.  noch  ckiiiTk- 

;\,'KlilHHM'K,    lUTiCTHra. 

3.  Tk  ist  vor  weicher  Silbe  zu  k  geworden  in  BknHie  510.  7, 
BkH'feKRyl.OY  511.  21,  3kAt  512.  14;  vgl.  dazu  ß^Hknaßkuia 
513.  9;  in  c;RnocTaTT».MH,  t^kuitä  ist  t».  geblieben. 

Nr.  41  (S.  471 — 479),  Homilie  des  Chrysostomus. 

1.  Bk  vor  weichen  Silben  24mal,  b^k  vor  weichen  2 mal  kt». 
BkCk,  BT»  KHT'fe,  die  sonstigen  7  b-k  stehen  vor  Vokal  als  regel- 
recht BT»-  hcthh;^  (4mal),  bt»,  HepoycaAHMt:  (3 mal);  Bk3-  in  glei- 
cher Stellung  9  mal,  BT».3  3  mal;  ck  11  mal,  ck  4  mal  (3 mal  Formen 
von  CT^BASaTH,  Imal  c'k.ßA'SMt);  vgl.  ferner  OTk  hh^'k  471.  17, 
472. 18,  OTk  HtK»  475.  3,  H3kAHra  476.  28.  Vor  harten  Silben  steht 
Bk  in  ßk  Tk  (T-k)  Ai^Hk  471.  17,  472.  19,  ßk  tts.  nack  473.  3, 
ßk  HOiUTk  475.  16,  Bk  CTpacTH  478.  21,  Bk  poßt  478.  22;  Bk3 


Die  Vokale  -h  und  b  im  Codex  Suprasliensis.  4g7 

in  Bk3M;*^TH  471.  25,  BkCTOKii  476.  10,  npOBiiCTp;i^KH  478.  23; 
Ck  in  CkTKopH  473.8,  CbKOHknaKa/A  476.  8,  dazu  13  mal  chMpKTk 
mit  seinen  Formen  und  Ableitungen,  wozu  mau  noch  ck  MpkTBki^H 
472.  27  vergleichen  kann. 

2.  k  vor  folgender  harter  Silbe  geblieben  in  66  Fällen,  zu  i%. 
geworden  in  11 :  1  mal,  in  npHKAiOM'KiUHHY'k  475. 14,  i^  aus  k  vor 
weicher  Silbe. 

3.  Ti  vor  weicher  Silbe  zu  k  in  Bk  Tk  ^\hHh  471.  17,  KpnkMk- 
MHüR,  KpkMkHH  472.  13,  17,  BkRHieTTk  Bkrik^ujE  475.  2,  477.  16, 
CMOKkBHHi^;«;  476.  24,  AkJKH  477.  14,  ^i.'kAkMk  (i.  sg.)  476.  27; 
dazu  kann  man  rechnen  KiviBkmara  475.  8,  r/\aroAaBkujo\f  477.  24, 
HaHpkTaBkujOY  478.  6.  In  ;»,kBa  471.  17  und  AkraTH  474.  26 
steht  k  für  Tv  vor  harter  Silbe.     Geblieben  ist  t».  vor  weicher  in 

KHHT'kHHH,  CKnAUJTÄ,  TTiHkKR,  HC'kJfH'feaUJ«,  CACBT^MTi  (=  CAO- 
B'kMk  i.  Sg.),  ATiJKf. 

Unter  der  Reihe  der  Legenden  (von  S.  1 — 303)  stehen  zwei 
Homilieu  des  Chrysostomus,  Nr.  20  (S.  237—243),  Nr.  21  (S.  243— 
252);  die  erste  gibt  fast  ganz  dasselbe  Bild,  wie  die  oben  ange- 
führten Stücke:  1.  BTk,  B'kS  kommen  vor  weichen  Silben  überhaupt 
nicht  vor  (das  zweimalige  bt».  hh;r  ist  normal),  ck  3  mal  gegen 
einmaliges  c'k.BaJK;^;  Beispiele  von  Bk,  Bks,  ck  vor  harten  Silben 
fehlen. 

2.  k  ist  vor  harten  Silben  verblieben  31  mal,  zu  t^  geworden 
11  mal;  vor  weichen  Silben  zu  ^k  in  ETvCkKO  240.  20. 

3.  Tk  vor  folgender  Weichheit  zu  k  in  a'^M'^^^uJ«  239.  27,  sonst 
bleibt  es:   A'kJKa,  BniSi^nki^  240.  16,   T'k.Hki*,    KTk^f,  ttvIuti- 

T'KH'klHIUl'k. 

Nimmt  man  alle  Homilien  des  Codex  zusammen,  so  ergibt 
sich  trotz  mancher  Verschiebung  der  Zahlenverhältnisse  im  einzel- 
nen doch  eine  grosse  Gleichartigkeit  in  den  oben  behandelten  Punk- 
ten. Etwas  anders  dagegen  steht  es  in  den  Legendenstücken. 
Auch  davon  gebe  ich  einige  Proben,  zunächst  Nr. 23  (S.  254— 272): 

1.  Bk  vor  weichen  Silben  9  mal,  dagegen  20  mal  btv  vor  sol- 
chen Silben  (nicht  eingerechnet  zweimaliges  bt»,  hh;r,  einmaliges 
B-K  laM;^);  Bk3-2mal,  B'kS-  5 mal;  ck  gar  nicht,  nur  3 mal  CTi, 
abgesehen  von  einmaligem  ckMpkTk;  ausserdem  2 mal  OTk  Htro 
258.  14,  263.  9;  np'KA'^C'feA''^iA'<  258.  20  kann  altes  np'K;i,k  ent- 
halten. 


488  A.  Leskien, 

2.  k  vor  harten  Silben  erhalten  59  mal,  in  t»,  verwandelt  32mal ; 
vor  alten  weichen  Silben  erscheint  statt  k  das  t».  in  HtTvptTd  256.  28, 
^KiipEiUH  261.  18,  MTkCTkHC  262.  1,  npaßTiAT»^M<5  262.  9,  caov- 
^K-KB-b  262.  11,  np-KTTiptHOif  269.  6. 

3.  T».  vor  folgenden  weichen  Silben  zu  k:  A'^K'^Ma  257.  4, 
SkA-S  265.  16,  CAaAi^iJ^'^  267.  11,  AiOBkBC  267.  23,  A'^B"*'^«ht^) 
wenn  es  hierher  zu  rechnen  ist,  262.  20;  vor  harter  Silbe:  Mk- 
H03H  267.  9,  A'^ß*^'€  270.  6. 

Nr.  24  (S.  272—278) 

1.  vor  weichen  Silben  4  mal  Bk,  5  mal  B'k,  kein  Bk3,  dagegen 
3 mal  B'kS,  2 mal  ck,  6  mal  ck;  dazu  noA»*  hhmt».  276.  3. 

2.  k  vor  folgender  harter  Silbe  erhalten  14  mal,  durch  ^k  ver- 
treten 33 mal;  Imal  vor  weicher  Silbe  B'kim'kHWOY'^'OV  ^73.  21. 

3.  Tk  vor  folgenden  weichen  zu  k  in  awBkBkKR,  BccckHHieM'k, 
CkH'K,  BkPAkM'k,  A*^B*^'"MT»^j  nknpHUJTk;  vor  folgender  harter: 
Bk  Ji,A^^  [m  nplv^k  nockaaBT»,  273.  22  kann  k  das  ältere  sein). 
Statt  k  erscheint  vor  folgender  weicher  silbe  'k  in  OTT^i^k  (2  mal), 

BOrOBHAT^U^H. 

Trotz  mancher  Verschiedenheiten  im  Einzelnen  hat  man  den 
Eindruck,  dass  die  legendarischen  Stücke  sich  in  Bezug  auf  inlau- 
tendes 'k,  k  und  das  is.  der  Präpositionen  etwas  anders  verhalten 
als  die  homiletischen.  Sehr  bedeutend  ist,  wie  sich  unten  zeigen 
wird,  der  Unterschied  nicht,  ich  halte  es  aber  für  zweckmässig,  bei 
der  näheren  Betrachtung  die  beiden  Gattungen  zu  trennen,  weil  bei 
dem  Nachweis  der  Gleichartigkeit  der  Erscheinungen  in  den  Thei- 
len  verschiedenen  Inhalts  eine  Bestätigung  für  die  aufgestellten 
Thesen  gewonnen  wird.  Die  folgende  Untersuchung  will  zu  be- 
stimmen suchen,  wie  sich  die  Ueberlieferung  des  Tv  und  k  im 
Suprasliensis  zu  der  des  Zographensis  verhält,  den  ich  zum  Ver- 
gleich wähle,  weil  in  ihm  die  Verhältnisse  am  klarsten  liegen.  Bei 
den  vielen  Verhandlungen  über  die  Vokale  Ti,  k  der  altkirchen- 
slavischen  Denkmäler  kommt  es  am  Ende  darauf  an,  ob  man 
bestimmen  kann,  welcue  gemeinsame  Abweichungen  sie  vom  ur- 
sprünglichen Bestände  des  ii,  k  haben  und  worin  die  jedem  eigen- 
thümliche  lautliche  oder  orthographische  Weiterentwicklung  be- 
steht. Wenn  ich  mit  der  Ansicht,  dass  der  Schreiber  des  Codex  den 
Vokal  k  in  seiner  ursprünglichen  Geltung  überhaupt  nicht  mehr 
gekannt  habe,  dass  also  die  Anwendung  des  Buchstaben  gar  nichts 


Die  Vokale  x  und  b  im  Codex  Suprasliensis.  489 

mit  seinem  lebendigeu,  gesprochenen  Dialekt  zu  thun  hat,  Recht 
behalte,  so  muss  in  gewissem  Grade,  wahrscheinlich  in  hohem  Grade, 
der  Gebrauch  des  k  sowohl  da,  wo  es  an  seiner  ursprünglichen  Stelle 
steht,  als  da  wo  es  altes  'k  vertritt,  in  den  älteren  Vorlagen  gege- 
ben gewesen  sein.  Wenn  ferner  das  t^  in  offner  Silbe  bereits  ge- 
schwunden war,  so  wird  auch  die  Wandlung  von  b  zu  t»,  nicht  der 
täglichen  Rede  des  Schreibers  entsprechen,  sondern  ebenfalls  aus 
älterer  Zeit  stammen.  Dabei  kann  der  Schreiber  sich  gewisse  Ma- 
nieren im  Gebrauche  von  h,  'k  geschaffen  haben,  und  hat  es  sicher 
gethan.  Es  ist  natürlich  nicht  sicher  auszumachen,  ob  er  solche 
nicht  auch  schon  vorgefunden  hat;  jedenfalls  muss  auf  diesen  Punkt 
geachtet  werden,  wenn  nicht  ganz  falsche  Vorstellungen  von  einem 
so  oder  so  gesprochenen  altbulgarischen  Dialekt  entstehen  sollen. 
Ich  beginne  mit  den  homiletischen  Theilen  der  Handschrift. 
Citiert  ist  in  allem  folgenden  nach  Seiten-  und  Zeilenzahl  der  Sever- 
janovschen  Ausgabe,  doch  habe  ich  es  unterlassen,  die  Tausende 
von  Beispielen,  die  in  Betracht  kommen,  alle  so  zu  eitleren.  Solche 
Zahlenhäufungen  bringen  keinen  Nutzen;  eher  als  dass  einer  sie 
nachschlägt,  kann  er  die  Quelle  selber  lesen.  Der  Bequemlich- 
keit des  Druckes  wegen  lasse  ich  auch  die  '  über  k  weg. 

A.   Die  Präpositionen. 

I.  KT»,  bleibt  vor  folgenden  weichen  Silben  unverändert,  mit 
Ausnahme  von  kl  HtiuiOY  249.2,  319.1,  genau  wie  im  Zographensis 
(Arch.  27,  331). 

IL    BT»,  und  KT-kS. 

1.  BTv  bleibt  wie  im  Zogr.  vor  Silbe  mit  anlautendem  h,  i€  (e), 
a,  K>  erhalten.  Ich  habe  77  Beispiele  mit  kt».  gezählt:  bt^  hh;r, 
BTv  hcthh;^,  Bik  öMÄ^  u.  s.  w.,  dagegen  nur  8  mit  Bk:  bk  (\fAfi- 
AHaY'K,  Bk  e\j-arreAHH,  Bk  wr'K,  Bk  «rynT'k  (2mal),  Bk  erynTTk, 
Bk  ajü,h.,  Bk  hmä  (daneben  in  demselben  Stück  20mal  bt».  hmä). 
In  dieser  Nr.  28  kommen  18  Beispiele  von  bti  vor  consonantisch 
anlautender  weicher  Silbe  vor,  davon  13  mit  Bk;  dagegen  ebendort 
20 mal  Bik  HMÄ,  1  mal  Bk  hmä  (322.  7). 

2.  Das  allgemeine  Verhältniss  von  BTk  und  Bk  (vor  consonan- 
tisch anlautenden  weichen  Silben),  bt^s  und  Bks  ist  in  der  Ge- 
sammtheit  der  homiletischen  Stücke  so,  dass  Bk  Bks  ungeheuer 
überwiegen,  in  runden  Zahlen  500 mal  Bk,  BkS,  140mal  bt»,  bt^s. 


490  A.  Leskien, 

Das  im  einzelnen  auszuführen,  unterlasse  ich,  man  kann  sich  leicht 
durch  das  Lesen  beliebiger  Stücke  davon  überzeugen,  auch  geben 
die  oben  mitgetheilten  Proben  davon  eine  Anschauung.  Jedenfalls 
hat  für  den  Schreiber  Bh.  bks  in  dieser  Stellung  als  das  eigentlich 
Normale  gegolten.  Die  Frage  bleibt,  ob  für  die  Wandlung  von  et». 
in  Bb,  BTk3  in  bls  Schranken  bestehen  wie  im  Zogr.  (s.  Archiv 
27,  330). 

3.  Die  Regel  des  Zogr.,  dass  bt»,  und  B'ks  verbleiben  vor 
schwachem,  in  der  späteren  Entwicklung  ausfallendem  h.  (s.  Arch. 
a.  0.  330,  331),  ist  im  Supr.  nicht  bemerkbar:  es  heisst  bt»,  TkwK 
und  ßh  TkM'K,  BT».  A"">  B"^  •^c*)  ausschliesslich  Bk  Hk,  ich  habe 
überhaupt  von  bt».  in  solcher  Stellung  nur  notirt  zweimal  bt». 
TkM-R,  je  einmal  BTk.HkMeT'k,  kt».  j^hh,  sonst  fast  überall  Bk.  Für 
BTvS-  kommen  nur  in  Betracht  B'kSkp'tTH  und  die  Präsensformen 
von  B'k3kM;ii:  Bkakp-tTH  steht  sogut  wie  durchgehend;  BkSkM;«^ 

BkSkMiLUH   U.  S.  W.,    Bk3kMH    BkSkM'RTf   24  mal,    nur   7  mal    B'KS. 

Ich  komme  auf  die  Lautfolge  t».  vor  folgender  k-Silbe  in  anderem 
Zusammenhange  unten  zurück. 

4.  Bk  und  Bk3  vor  folgender  harter  Silbe.  Diese  Schreibung 
ist  gar  nicht  selten,  in  den  homiletischen  Stücken  kommen  reichlich 
hundert  Beispiele  vor ;  eine  Regel  des  Auftretens  gibt  es  nicht,  im 
selben  Stück,  z.B.  Nr.  43,  steht  btv  CAacTH  und  Bk  cAacTk,  b'ks- 

KOY^HTH    und    Bk3K0\fA"'r'l*>    KTvCTa    Uud    KkCTa,    B'KSMOJKtT'K 

und  Bk3M0iiJTH  u.  s.  w.  Dass  eine  lautliche  Wandlung  von  Ts.  in  k 
bei  dieser  Stellung  stattgefunden  habe,  ist  ausgeschlossen,  der 
Schreiber  hat  so  geschrieben,  weil  ihm  das  Bewusstsein  von  der 
regelrechten  Stellung  des  Bk  Bk3  vor  weichen  Silben  fehlte,  und 
die  Gewohnheit  vor  solchen  k  zu  schreiben  hat  ihn  verführt,  Bk  Bk3 
fälschlich  auch  vor  harten  Silben  zu  setzen.  Es  ist  dabei  nicht  ohne 
Interesse  zu  beobachten,  dass  es  Stücke  gibt,  wo  Bk  Bk3  vor  har- 
ten Silben  nicht  vorkommen;  so  Nr.  33  und  34  (S.  384 — 395),  ob- 
wohl dort  BT».  BT^s  25  mal  vor  solchen  Silben  steht.  In  andern 
Stücken  sind  die  falschen  Bk  Bk3  selten,  so  Nr.  35  (S.  395 — 405) : 
Bk  npa3A»^H'K,  Bk  cpkA'UHXT*,  Bk  caVA'fe,  dagegen  21  mal  bt». 
B'K3  richtig  vor  harten  Silben.  Das  Zahlenverhältniss  durch  die 
einzelnen  Stücke  durchzuführen,  hätte  wenig  Wert,  denn  natürlich 
ist  es  reiner  Zufall,  ob  in  einem  Stücke,  wo  der  Schreiber  überhaupt 


Die  Vokale  i.  und  i.  im  Codex  Suprasliensis.  491 

Bb  ßk3  vor  harten  Silben  öfter  schreibt,  er  einige  Male  weniger 
oder  mehr  in  diese  Manier  verfällt. 

III.  Die  Präposition  CK.  In  dem  Verfahren  bei  dieser,  ihrer 
sehr  häufigen  Form  cb,  besteht  die  stärkste  Abweichung  von  der 
Art  des  Zographensis.    Näher  betrachtet  verhält  es  sich  so: 

1.  Da  BT»,  vor  anlautendem  palatalem  Vokal  bleibt,  hat  man 
dasselbe  bei  ck  anzunehmen,  thatsächlich  kommt  auch  kein  ck  in 
dieser  Stellung  vor,  sondern  nur  ck,  aber  die  Beispiele  ck  hh'Kmh, 
CK  icoYcoM'K,  CK  fr^'nTTk.cK'KHM'K  sind  80  spärlich,  dass  sich  aus 
dem  Material  kein  Schluss  ziehen  lässt. 

2.  In  den  homiletischen  Theilen  des  Cod.  Supr.  wird  ck  vor 
folgender  Silbe  mit  palatalem  Vokal  wie  btv  und  bt^s  behandelt, 
während  das  im  Zogr.  nicht  der  Fall  ist  (s.  Arch.  a.  0.  S.  330). 
Das  CK  überwiegt  an  Zahl  bedeutend  das  verbliebene  ck  (210mal 
CK,  140  mal  ck)  ;  in  den  einzelnen  Stücken  ist  das  Zahlenverhält- 
niss  sehr  schwankend,  zuweilen  gleich  viel  ck  und  ck,  z.  B.  Nr.  36 
jedes  18  mal,  Nr.  40  27  ck,  28  ck;  in  andern  tiberwiegt  wieder  ck, 
z.  B.  Nr.  28  20 mal  ck,  7  mal  ck.  Das  im  einzelnen  auszuführen, 
wäre  müssig,  denn  da  jedes  beliebige  hier  in  Betracht  kommende 
Wort  bald  mit  ck  bald  mit  ck  geschrieben  werden  kann,  ist  auf  ein 
häufigeres  oder  seltneres  Vorkommen  der  einen  oder  der  andern 
Schreibung  nichts  zu  geben. 

3.  Die  Frage,  wie  weit  i».  vor  folgender  Silbe  mit  schwachem, 
später  ausfallendem  k  unverändert  bleibt,  steht  bei  ck  folgender- 
massen:  in  den  gesammten  homiletischen  Stücken  findet  sich  ck 
BKCtMK  (Nr.  36  ,  CK  BkcbMH  (Nr.  40),  dagegen:  ck  BKCbMii 
2mal  (Nr.  26),  ck  B'cffiR  (Nr.  43),  ck  bkcKmk  (Nr.  36),  CKTKpe 
(Nr.  26),  CKTKp-KM-K  (Nr.  30),  ckt-kp^hh  für  -TKp-  (Nr.  40),  ck- 
TKpETT».  (Nr.  44).  Die  Zahl  der  Fälle  ist  nicht  gross,  aber  doch 
bemerkenswerth,  und  man  kann  wohl  annehmen,  dass  es  sich  mit 
CK  hier  ebenso  verhalte  wie  mit  bt^. 

4.  CK  vor  folgender  harter  Silbe  findet  sich  in  den  homileti- 
schen Stücken  165  mal  in  allen  möglichen  Verbindungen  ck  hamh, 

CK    BaMH,    CK    arr'fA'KI,    ck    C»TKU,KMk,    CKna/k,E,     CknaCf,     CkTBOpH, 

CKBpaTHBTk  u.  s.  w.  Aber  es  fällt  dabei  verschiedenes  auf.  Von 
den  165  Beispielen  fallen  101  auf  ckmpktk  mit  seinen  Formen  und 
Ableitungen.  Das  andre  besteht  aus  mehr  oder  minder  vereinzelten 
Beispielen.   Anführen  will  ich  noch,  dass  Formen  und  Ableitungen 


492  -^-  Leskien, 

von  CKnacTH  17 mal  mit  ck-  erscheinen.  Ferner  fällt  es  auf,  dass 
von  jenen  zahlreichen  Beispielen  des  cw  nur  10  auf  die  Stellung 
vor  Casus  fallen,  cb  OTki|,iiMk  (Nr.  29),  ck  arreAU  (30),  Ch  mho- 
stMik  (32),  ch,  ;RpOA»^M'WHMH  (36),  CK  HdMH  2mal  ch  rauh  (43), 
Ck  KdMH  (44),  Ck  ockLiiTHHMk  Ck  MHOi^  (45),  alle  andern  Ck- 
stehen  in  Compositis. 

Prüft  man  diese  Verhältnisse  des  ck  und  ck  an  einzelnen  Ho- 
milien,  so  stellen  sich  oft  recht  merkwürdige  Dinge  ein.  In  Nr.  35 
(S.  395 — 405)  steht  in  Compositis  vor  folgenden  weichen  Silben 
überwiegend  ck-  (ckB'kT'K  mit  Ableitungen  und  CKß'kiiJTaTH 
15 mal,  dazu  CKKHßaay;?;,  CKKHpaaY;^,  ckke^«),  ck-  nur  7  mal 
(2mal  CKB'tT'K,  dazu  ckiuiA'tujA,  ckjkäth,  cKnpaTa/Ä,  ckm'S- 
JKHB'KUJ«,  CKKHpaHHie);  CK  vor  harter  Silbe  kommt  28 mal  vor, 
davon  einmal  CKMpKTH»*,  ck  vor  harter  Silbe  nur  in  dem  sechs- 
maligen ckMpkTk.  In  Nr.  40  (S.  447 — 471)  stehen  Ck-  und  ck-  in 
Compositis  vor  weichen  Silben  gleichvielmal  (27  und  28);  ck-  vor 
harter  Silbe  in  CKnacEHHie  (450.  30),  sonst  nur  in  cKiuipKTk  und  Ab- 
leitungen (6  mal) ;  ck  steht  vor  harter  Silbe  in  Compositis  (ausser 
CKiuipkTk)  44mal,  14mal  so  vor  Casus,  ferner  lOmal  in  CkMpkTk. 
Man  kann  aus  diesen  Thatsachen  sicher  schliessen,  dass  die  ck  vor 
harten  Consonanten  nur  hervorgerufen  sind  durch  des  Schreibers 
Gewohnheit,  ck  vor  weichen  Consonanten  zu  schreiben;  da  er  weder 
CK-  noch  CK-,  sondern  nur  c-  sprach,  ist  diese  Abirrung  leicht  er- 
klärlich. Das  häufige  ckiuipKTK  ist  weiter  nichts  als  eine  Manier. 
Wollte  man  hier  etwa  annehmen,  dass  aus  urslavischem  *mhrih  her 
das  pK  noch  palatale  Färbung  hatte  und  daher  wirkte  wie  palatale 
Vokale,  so  widerspricht  dem,  dass  derselbe  urslavische  Laut  in  an- 
dern Worten  nicht  so  wirkt,  vgl.  inNr.35  ckbpkiijehh»€  ckbpkluh 
CTkBpKUJHA'k  CK  spKHA ;  weuu  gelegentlich  ein  ckbpkuihth  vor- 
kommt, so  gehört  der  Fall  unter  die  allgemeine  Unsicherheit  des 
Schreibers  in  Bezug  auf  ct».  und  ck, 

IV.  Das  auslautende  T\  der  übrigen  Präpositionen.  Die  auf 
-31».  auslautenden  kommen  fast  gar  nicht  in  Betracht,  da  sie  im 
Cod.  Supr.,  wenn  er  auch  eine  grössere  Anzahl  von  hs'k  KtS'K  auf- 
weist, wie  in  andern  Quellen  regelmässig  schon  h3-  eo-  pas- 
lauten; es  kommt  einmal  vor  hskah»  S.  476.  28.    Die  Formen 

CKK-  (ORKieMKKI^TTv  385.  21,  OBKATH  480.  29,    OKK/ÄTOy  492.  12, 

OKKSHpa/Ä  502.  25,  OKKAa  509.  14,  OKKi€M'k  513.  2)  und  nptA»^ 


Die  Vokale  -h  und  b  im  Codex  Suprasliensis.  493 

(np-KAL  CHMk  317.  1,  np'K;i,k  hsboaht'K  330.  30,  npli,\,K  AHUfMK 
394.  26,  np-k^i*  renaa^^  467.  25)  müssen  unberücksichtigt  blei- 
ben, weil  OKk  und  iip'kA'*  alte  Formen  sein  können  (s.  Arcb. 
27,  331).  Statt  noA'K  kommt  einmal  noA«»  c-feHK  vor  S.  353.  23; 
ausserdem  kommt  nur  noch  ot'k  in  Betracht.  Dies  findet  sich  in 
der  That  als  OTk  vor  folgenden  weichen  Silben.  Ich  habe  in  den 
homiletischen  Stücken  33  Fälle  gezählt;  dabei  fällt  aber  eins  auf: 
21  mal  steht  OTb  vor  obliquen  Casus  oder  vor  Ableitungen  des 
anaphorischen  Pronomens,  also  vor  h":  otk  heaii^ke  245.  7  (Z.  8 
OT-K-H.),  OTk  Hfro  320.4,  325.29,  346.8,  359.  4,  363.17.  370.2,6, 
377.  20,  387.  11,  455.  19,  475.  3,  500.  3,  OTk  HHY'k  324.  26, 
328.  28,  368.  28,  471.  17,  472.  18,  498.22;  OTk  hsa  485.12,  OTk- 
h;^^^^^«  503.  2.  Ausserdem  steht  OTk  TfK«  250.  4,  351.  30, 
507.17,513.6,  OTkpHH;*^  346.9,13,  OTkßtuJTdHHra  393. 12.  OTk- 
B-kiUTa  427.16,  OTkc-kT-k  422.22,  433.3,  OTkMiiuTA^T-k  426.24, 
OTk  T'tY'k  443.  3.  Dass  diese  letzten  Vorkommnisse  gegen  das 
überall  vor  weichen  Silben  sonst  stehende  OT-k  wenig  bedeuten, 
davon  kann  sich  jeder  durch  das  Lesen  einer  beliebigen  Homilie 
überzeugen;  um  ein  Beispiel  anzuführen:  in  Nr.  32  (S.  368—384), 
wo  dreimal  OTk  hj ro,  einmal  OTk  hh\"k  steht,  kommen  ausserdem 
14  Beispiele  von  ott»,-  vor  folgender  weicher  Silbe  vor,  z.  B.  ott^ 
cero,  OTTk  A'^'^T^)  OT'kßtT'k  u.  s.  w.,  einmal  auch  ott^  Hfro 
377.  24.  Dass  keine  Neigung  bestand,  otTj.  vor  solchen  Silben  in 
OTk  zu  wandeln,  kann  man  auch  indirekt  zeigen;  während  ßk 
ßk3  Ck  vor  harten  Silben  vorkommen  aus  Anlasseiner  Nachahmung 
dieser  Schreibung  vor  weichen,  habe  ich  von  OTk  nur  die  Stellen 
bemerkt:  OTk  Toro  335.  12,  OTkH;!^^«^  454.5,  497.27;  es  fehlte 
eben  der  Anlass  zu  einem  solchen  OTk.  Die  Frage  kann  also  nur 
sein,  ob  das  häufigere  OTk  vor  h  eine  Bedeutung  hat;  denkbar  wäre 
es  durchaus,  dass  von  dem  stark  palatalen  h  eine  palatalisirende 
Wirkung  auf  t,  nach  dem  t*  nicht  mehr  gesprochen  wurde,  aus- 
gegangen sei,  also  ot'  nego  ot'  nich  u.  s.  w. 

Fasst  man  das  ganze  zusammen,  so  stellt  sich  heraus: 
1.  in  ßk  ßk3  vor  folgender  weicher  Silbe  stimmt  der  Supras- 
liensis zum  Zographensis  mit  der  Erweiterung,  dass  diese  Formen 
auch  vor  schwachem,  später  ausfallenden  k  stehen  können;  dieselbe 
Schreibung  vor  harten  Silben  ist  nur  eine  Nachahmung  der  Form 
vor  weichen  Silben,  hat  lautlich  keine  Bedeutung. 


494  A.  Leekien, 

2.  ck  wird  in  Abweichung  vom  Zogr.  behandelt  wie  bt^  bt^s, 
also  in  den  betreffenden  Fällen  zu  ck;  das  ck  vor  harten  Consonan- 
ten  ist  zu  beurteilen  wie  unter  1 . 

3.  Das  auslautende  t».  der  andern  Präpositionen,  ktv  noA'K 
u.  s.  w.  unterliegt  weder  im  Zogr.  noch  im  Supr.  der  Wandlung  in 
k  vor  weichen  Silben,  doch  scheint  ott»,  vor  h  zu  OTk  d.  i.  ot'  zu 
werden. 

B.    T».,  k  ausserhalb  der  Präpositionen. 

I.  Umlaut  von  k  in  t^  vor  folgender  harter  Silbe. 
1.  In  nicht  suffixalen  Silben.  Es  handelt  sich  hier  a)  um  die 
lufinitivstämme   KkpaTH,    a^^P^th,   JKkA«»TH,    3k;i,aTH,    nk- 

paTH,      CTkAaTH,     -klliaTH     (BTiSkWaTH,     OEkMaTH),      nAkßaTH, 

KAkUJTaTH.  Die  wenigen  vorkommenden  Beispiele  von  nakßaTH 
(4)  haben  nur  k,  ebenso  das  zweimalige  KAkiuTaTH;  diese  geringe 
Zahl  bedeutet  an  sich  nichts,  k  muss  sich  aber  erhalten  wegen  der 
Stellung  vor  ujt  und  nach  ^  (vgl.  dazu  das  Verhalten  des  Zogra- 
phensis  und  Marianus,  Arch.  27.  321,  333).  Die  übrigen  oben  ge- 
nannten Infinitivstämme  stehen  12 mal  mit  k:  CkpaTH  373.28, 
406.  12,  409.  10,  324.  27,  347.  23,  a«-P^th  438.  16,  485.  22,  JKk- 
A^TH  473.3,  Sk^aTH  468.26,  nkpaTH  505.24.  CTkaaTH  326. 15, 
-kMaTH  (B'k.skMaTH)  359.  4;  dagegen  32 mal  mit  'k:  Bi^paTH 
317.  11,  335.  2,  3S5.  9,  13,  17,  20,  26;  439.  18,  A'h-paTH  454.  12, 
485.  21,  503.  21,  JK-kA^TH  313.  22,  332.  31,  s-kA^TH  244.  13,  14; 
247.  15,  18;  357.  15,  17,  19;  456.  4,  459.  24,  468.  14,  482.  22, 
509.  5,  510.  13,  n-kpaTH  388.  19,  418.  15,  462.  30.  --kimaTH 
(B'kS'kMaTH,  OB'kinaTH)  335.  7,  390.  25,  396.  3.  Es  kann  dem- 
nach kein  Zweifel  sein,  dass  dem  Schreiber  die  normalen  Formen 
die  mit  ^  sind  (vgl.  Imal  SkAarn  gegen  13 mal  s-kA^^H).  Ueber 
die  Formen  mit  k  lässt  sich  ein  sicheres  Urtheil  nicht  fällen :  sie 
können,  und  ich  halte  das  für  annehmbar,  aus  älteren  Quellen, 
die  k  bewahrt  hatten,  getreu  übernommen  sein,  können  aber  auch 
Fehler  sein,  d.  h.  in  die  Classe  der  Schreibungen  vor  k  für  t».  vor 
harten  Consonanten,  die  sonst  in  der  Handschrift  vorkommen,  ge- 
rechnet werden. 

b)  Ferner  kommen  in  Betracht  die  Wurzelsilben  folgender  Verba 
in  den  Fällen,  wo  sie  vor  folgender  harter  Silbe  stehen:  ->Kkr-, 

:KkA-,     KrtkH-,    Ukp-,     Hk3-,     RkH-,    -CKBkp-,    CAkR-,     CTkp-,    Tkp-, 


Die  Vokale  i  und  b  im  Codex  SupraBlienaia.  495 

URkT-,  MkH-,  HKT-,  -kM-,  luwji,-  (dies  letzte  schliesse  ich  hier  zu- 
nächst aus,  weil  es  eine  besondere,  unten  zu  besprechende  Stellung 
einnimmt).  Hier  ergibt  sich  nun  die  Regel,  dass  ein  'k  der  folgen- 
den Silbe  auf  k  der  vorhergehenden  nicht  wirkt  (s.  Zogr.  Arch. 
27,  323),  klar  genug:  in  35  Fällen  bleibt  k,  z.  B,  kTv3-  (K'k3-)kM'k, 
CTTi.HkM'k,  HankHik,  oyMkp'k,  npocrkpik,  pdCKßkp'k  (über  diese 
Formen,  deren  k  eine  mit  'k  auslautende  Silbe  folgt,  s.  u.),  ß'kak- 
MivUJC,  pacnkH-kUJE,  oyiukp^kiiiaaro  u.  s.  w.  (vgl.  dazu  npccTf- 
P'KUJoyoYMOi,''  und  gleichartige  Formen  mit  f  aus  k).  Ausnahmen 
machen  nur:  c'kT'kp'kUJH  317.8,  noH'kT'kUJf  386. 2,  noM'k.T'kUJd 
458.  2,  o^M'kp'KiiJHHMH  449.  10,  OYM'kp'kUj;^  480.  26,  npOH'kS'k,- 
ujOYO\f«iioy  462.  21 ;  bei  einem  Unterschied  z.  B.  von  o^nkpikiiie 
und  oy'M'Kp'KüJt  ist  ausserdem  zu  bedenken,  dass  hier  eine  dialek- 
tisch verschiedene  Entwicklung  vorliegen  kann:  umtrSe  (daraus 
umerSe)  und  umrh. 

Steht  das  k  vor  einer  Silbe  mit  vollem  hartem  Vokal,  so  ver- 
halten sich  die  Beispiele  wie  folgt:  mit  k  B'kSkiui;!;  OBkM;f^  (3 mal) 
part.  u,ßkT;i^iiJT-  (2 mal),  vereinzelt  pacnkH;?;,  0CAknH;^iUÄ.  Hd- 
MkHOMC»,  oyMkpijJH,  HkTTsj;  mit  "K  M'kT;RT'k  (3mal),  kat^h;^  und 
part.  K/\'kH;^iiJTadro  (je  einmal),  vereinzelt  HaM'KH;RTTi,  HTkT'kiH, 
JK'k^;^,  >K'kroiui'kiHM'k,  npcu.ßTvTOUJÄ,  ein  Verhältniss,  aus  dem 
man  an  sich  gar  nichts  entnehmen  kann,  als  dass  die  letzten  Quel- 
len des  Codex  sicher  überall  hier  k  gehabt  haben. 

c)  Von  Nomina  kommen  zunächst  hier  in  Betracht  TkMa  und 
Mk3A<^;  mit  li  TkM;^  407.  18,  TkMaiuiH  400.  17,  Mk3A<f^  512.  6, 
513.  5  ;  mit  -k  T-KMa  509.  5,  T'h.MJi.  324.  22,  370.  8,  378. 3,  425. 8, 
426.  1,  448.  26,  TivMaM-k  424.  5,  T-kMaMH  308.  30,  399.  20, 
463.  16,  492.  30,  T'KM'KI  365.  11,  463.  16,  509.  5,  also  TkMa  drei- 
mal, T'kMa  15 mal;  M'k3A^  406.  15,  M'k3A<iMH  427.  10.  Dass 
das  Verfahren  sich  mit  dem  des  Zogr.  deckt,  ist  klar  (s.  Arch. 
27,322),  Ich  will  gleich  dazu  bemerken,  dass  sich  ein  T'KM'fe,  wie 
im  Zogr.  mehrmals  (s.  a.  0.  S.  328),  nicht  findet. 

Die  Form  ßkca  (zu  ßkck  omnis)  und  was  sonst  vor  diesem 
Worte  vorkommt  mit  zweiter  harter  Silbe  hat  k,  ausgenommen  ein 
zweimaliges  ß'kCA^A'^V  ^^^-  ^>  ^'"^^-  ^4,  alles  andere  ist  fast  ver- 
einzelt: zweimal  liest  man  M'kco,  einmal  m'kto,  neben  Gf3Ai^H^ 
467.  6  steht  Ef3;vT»'"'*^  453.  4,  neben  dreimaligem  onkTa  ci^kTiv 
einmal  oi^T^ra  455.  19,  JK'k3aa  442.  10,  »»'kroM'k;  in  Akß-k  kann 


496  A.  Leskien, 

wegen  des  stummen  1%.  der  zweiten  Silbe  kein  Umlaut  stattfinden, 
in  den  Formen  von  noAhsa  und  OKbiiiTk  (oKkUJTa  u.  s.w.)  unter- 
bleibt er,  weil  die  vor  alters  weichen  Consonanten  s  und  uit  fol- 
gen (s.  u.). 

2.  Tk  für  k  suffixaler  Silben  vor  folgendem  harten 
Vokal.  Zunächst  ist  festzustellen,  wann  der  Umlaut  von  k  zu  ^k 
regelmässig  unterbleibt;  das  ist  a)  ausnahmslos  der  Fall,  wenn  der 
die  Silbe  anlautende  Consonant  u,  oder  h  ist,  es  heisst  immer 
OTkna  OTknoy  KOHku,a  OBki^a  u.  s.  w.  (solche  Fälle  kommen 
gegen  80  vor),  KOHknaTH  OTkM;s;  u.  a.  (30  Fälle).  Selbstverständ- 
lich liegt  hier  die  Sache  so,  dass  angenommen  auch,  der  Schreiber 
habe  diese  Consonanten  hart  gesprochen,  ihre  ehemalige  Weich- 
heit (c  6')  das  Erhalten  des  vorangehenden  k  bewirkt  hat.  Die  Par- 
ticipia  und  Comparative  auf  -km-  behalten  vor  harter  Silbe  durch- 
weg ihr  k,  Ausnahmen  bilden  3aKA;RHJA'^uJöVC>YMC»Y  247.  14, 
\'OY>KATs.iiiaaro  372.  2,  poH;A'»»^ii^'***''0  416.  22,  npocB'kiiJT'k- 
uioyoYMOY  457.  12,  npocA'kJK'kUJC»YOV'MC»\f  457.  16,  nocAoyjKT».- 
UJHH  457.  20,  npHAC^K'kiiJH  458.  1,  bemerkenswerther  Weise  nicht 
nach  M. 

b)  Wenn  dem  k  der  Suffixsilbe  ein  schwaches,  dem  späteren 
Ab-  oder  Ausfall  unterworfenes  t».  folgt,  tritt  der  Ablaut  nicht  ein 
(vgl.  dazu  HaMkH-k,  OYiUkpi».  u.  s.  w.  oben  S.  495).  Zum  Belege 
dafür:  60 mal  kommen  Adjektiva  im  Nom.  auf -kHi^  vor  (ß'KpkH'k, 
CAaßkH'k,  ;ii,A'k/KkHT».  u.  s.  f ,  so  in  Nr.  41  CHAkHi».  nur  so  11  mal), 
mit  -'kH'k  nur  ^A'k^K'kHTs.  393.  27,  noycTOiu'kH'k  433.  30,  npH- 
CTpaujT».H'k  464.  27,  npHCKp'kK'kHTv  460.  25.  Die  selten  in  der 
unbestimmten  Form  gebrauchten  Adjektiva  auf -kCKi^  haben  so  in 
MAOB'tMkCK'k  (zweimal),  i^'6capkCK'k,>KH;»,0BkCK'k,  apYarrsAkCK'k, 
BCtteBOAi^CK'k,  AkBkCK-k,  also  siebenmal,  -'kckt».  in  co;i,OM'kCK'k 
304.  29,  /KH;k,cȧ'kCK'k  403.  15,  K'RcoBTvCK'k.  Das  andre  be- 
steht aus  mehr  vereinzelten  Beispielen:  CB'kTkA'k  445. 12,  464.  14 
(cB'feA'kA'K  430.  10),  öpkiuiTk.  Ferner  werden  die  Casusformen  auf 
-kMTv,  -kyT».  nur  so  geschrieben,  z.  B.  ^k.KkpkM'k,  rpkui'k,  Tpk]("K 
(neben  -(WK,  -f\'Tv  aus  älterem  -kM'k,  -ky'k).  Demnach  kann  kein 
Zweifel  sein,  dass  die  für  den  Zographensis  (Arch.  27,  333)  ausge- 
sprochene Regel  auch  hier  gilt.  Ausserdem  zeigt  die  Handschrift 
durch  die  Schreibungen  B'kpfH'k,  ;i,A'kiKfH'k  u.  dgl.,  dass  hier  k 
bestehen  blieb.    Auffallend  ist  nun,  dass  der  Schreiber  nicht  auch 


Die  Vokale  x  und  i.  im  Codex  Suprasliensis.  497 

bei  BTi  und  M'Ka  dieselbe  Kegel  befolgt,  sondern  auch  vor  aus- 
fallendem k  Kk  und  Kk3  schreibt  (s.  o.  S.  490  ,  während  im  Zogr. 
in  allen  Fällen  gleich  verfahren  wird.  Ich  komme  daher  zu  der 
Vermuthung,  dass  diese  Bk,  Bk3  des  Supr.  vor  ausfallendem  k  so 
gut  wie  die  Schreibungen  Bk,  Bk3  vor  folgender  harter  Silbe  (s.  o. 
S.  490)  nur  auf  einer  Fortsetzung  der  Gewohnheit,  Bk,  Bks  vor 
vollen  weichen  Silben  zu  schreiben,  beruht,  also  auf  Nachlässigkeit 
oder  Unkenntniss  des  älteren  Gebrauches. 

c]  Ak-  und  Hk-  vor  folgender  harter  Silbe  bleiben  erhalten: 
von  A-  kommen  einige  60  Fälle  vor,  so  CkB't^k.'KTCA'kCTBOBdTH, 
M;*iHHTfA'kCTBO,  ^"feAkMA  (dics  allein  gegen  50  mal);  ati-  ist  mir 
nur  ein  einziges  mal  aufgestossen  in  .vIvAT^ma  396.  13;  Hk-  begeg- 
net viermal  (orHkHA  u.  ä.),  kein  ht».-.  Das  alte  p  ist  im  Supr. 
durchweg  hart  geworden,  trotzdem  steht  als  alte  Ueberlieferung 
beständig  vor  harten  Consonante^  pk-,  betreffende  Formen  von 
H'kcApkCTBO,  i^'fecdpkCTBOBATH,  [^  ScdpkCKA  20  mal,  einmal  i^p^k- 
CKOi;^  360.  IS.  Der  Zographensis  verhält  sich  ebenso  :s.  Arch, 
27,  324),  aber  die  Erscheinung  ist  hier  umfassender,  da  auch  nach 
den  andern  alten  Palatalen,  jk  m  lu  u.  s.  w.,  das  k  erhalten  bleibt. 
Das  ist  im  Supr.  nicht  so;  t«.  statt  k  erscheint  vor  harter  Silbe  auch 
nach  >K,  H,  lu,  lut,  jka;  ich  habe  einige  30  Fälle  in  den  homileti- 
schen Stücken  gezählt,  z.  B.  täjktvKO,  bpa^kt^^tü  ,  aamt^ktü, 
cTpAUi'k.HoyoYMOY,  HOUJT'kHOie,  Hoi'>K;i,'k.HOi€.  Das  erinnert  also 
an  den  gleichartigen  Vorgang  im  Codex  Marianus  (s.  Arch.  a.  O.S.  336). 
Dennoch  glaube  ich  bestimmt,  dass  der  Supr.  in  diesen  Theilen 
auf  Quellen  beruht,  die  nach  ik  m  u.  s.w.  das  k  bestehen  Hessen, 
denn  die  Beispiele  von  Tv  sind  fast  alle  vereinzelte  Fälle,  und  die 
Zahl  der  erhaltenen  k,  reichlich  180  mal,  ist  so  überwiegend,  dass 
man  sofort  geneigt  ist,  hier  die  alte  Regel  zu  finden.  Einleuchten- 
der wird  das  noch,  wenn  man  einzelne  häufig  vorkommende  "Wörter 
betrachtet:  B'RHkHA  und  überhaupt  Formen  dieses  Wortes,  wo  -kH- 
vor  harter  Silbe  steht,  begegnen  19  mal,  einmal  BtM'kH'ivi;  haob-K- 
HkCKA  u.  s.  w.  25  mal,  einmal  MAOKivH'kCK'kiHMH  ;  eo^KkCTBO  (mit 
OYBOJKkCTBo),  und  sonstige  hierher  gehörige  Formen  20  mal  nur 
so;  MHOJKkCTBO  lOmal  nur  so;  npopoMkCKA  u.  s.  f.  8  mal  nur  so; 
Bkc-feHkCKA  U.S.W.  7  mal  nur  so.  Man  wird  also,  was  die  t».  betrifft, 
sagen  können :  der  Schreiber  hat  die  Consonanten  jk  m  u.  s.  w.  hart 
gesprochen,  daher  eine  Neigung  nach  ihnen  t».  zu  setzen  (vgl.  dazu 

Archiv  für  slavische  Philologie.   XXVII.  '  32 


498  A.  Leskien, 

Cod.  Mar.  Arch.  27,  335).  Bestätigt  wird  das  durch  die  Fälle,  wo 
er  nach  jenen  Consonanten  auch  vor  folgenden  weichen  Silben  ly 
setzt,  z.B.  B'kJK'KJKeiJUH  457.  11,  oraJKTvHHAa  485.  12,  no»;'kpEiiJH 
460.  12,  nptJKA'^""'^''^  400.  8,  11,  noH'KTfH'KiH\"k  382.  25 
u.  a.  d.  A. 

d)  Lässt  man  also  die  Fälle,  in  denen  k  der  betreffenden  Suf- 
fixe vor  oder  nach  palatalen  Consonanten  stand,  femer  die  k,  die 
vor  folgender  i^-Silbe  mit  schwindendem  t».  standen,  ausser  Be- 
tracht, d.  h.  lässt  man  die  Ansicht  gelten,  dass  in  diesen  Fällen  h. 
gesetzmässig  bleiben  musste,  so  handelt  es  sich  um  den  Rest.  Der 
besteht  aus  den  Beispielen,  wo  k  nicht  nach  palatalen,  nicht  vor 
palatalen  Consonanten  und  vor  vollem  hartem  Vokal  der  folgenden 
Silbe  stand.  In  Betracht  kommen  dabei,  abgesehen  von  einigen 
ganz  vereinzelten  Fällen,  die  nichts  entscheiden,  die  Suffixe  -h.Ha 
(diese  Form  mit  hartem  Vokal  der  folgenden  Silbe  gedacht  als  Ver- 
treterin aller  solcher  Stellungen),  -kCKa  (ebenso),  -kCTBd,  -wea, 
-hj!k,A,  -hAA  (ebenso).  Es  genügt  hier  festzustellen,  dass  zwar  die 
Zahl  der  verbliebenen  k  doppelt  so  gross  ist  als  die  der  Wandlungen 
zu  Tk,  dass  aber  in  den  genannten  Fällen  überall  'k  stehen  kann 
und  vorkommt.  Dass  fast  regelmässig  -kca  (13  mal)  und  -kyj^a 
(10  mal)  steht,  nur  selten  -i%ea  (1  mal),  -T^^a  (2  mal),  kann  nur  als 
Zufall  angesehen  werden.  Im  ganzen  stimmt  das  Verfahren  des 
Zographensis  mit  dem  des  Suprasliensis  überein. 

II.  Umlaut  von  ^k  zu  k  vor  folgender  weicher  Silbe. 
Der  Zogr.  hat  diesen  Umlaut  regelmässig  bei  den  Formen  von  Kk- 
^V'Sth,  bei  A'^ß'^  A**ß'^'^<*j  BkHt:,  SkA'R  skAH;  ganz  ebenso  in 
den  homiletischen  Stücken  des  Supr.:  Kk;i,'STH  (5  mal,  323.  6, 
335.  4,  369.  14,  375.  5,  439.  8,  nur  so);  A"^k1v  376.  6,  7,  A'^K'kMa 

369.  19  (nur  so,  die  Formen  sind  deswegen  so  selten,  weil  meist  k 
gar  nicht  geschrieben  wird),  BkHt  (12mal,  319.  16,  327.  18,  366, 15, 

370.  8,  374.  18,  430.  28,  467.  17,  490.  11,  13;  497.  28,  498.  29, 
511.  21,  B'kH'K  fehlt  ganz);  akAt  und  3kAH  (18mal,  324.  7,  333. 
10,  21,  29;  335.  15,  336.  30,  359.  18,  380.  7,  8;  391.  2,  420.  5,  7; 
465.  2,  469.  17,  484.  7,  512.  14;  401.  6,  433.  8),  dazu  noch  03k- 
AiNHH  436.  23,  S'kA'R  nur  406.  6. 

Damit  hat  aber  die  Gleichheit  des  Zogr.  und  Supr.  ein  Ende. 
Der  letzte  geht  in  dem  Umlaut  von  t».  zu  k  bedeutend  weiter,  die 
Formen  von  at^-u^th  (6mal,  248.  26,  308.  5,  324.  18,  337.  2,  4; 


I 


Die  Vokale  t  und  b  im  Codex  Suprasliensis.  499 

480.  26)  haben  nur  k;  rkhhth  und  ßknAk  sind  fast  dnrcligefülirt 
(zusammen  in  23  Fällen,  nur  dreimal  k'kiihth:  irKnHiüM'k  319.  29, 
K'KnHuiiic  452.  6,  ß'knHieT'K  493.  2  (die  wenigen  Beispiele  von 
B'kS'KliHTH  schwanken  in  der  zweiten  Silbe  zwischen  iv  und  k); 
die  Casus  von  awkiü  erscheinen  ausnahmslos  als  AWKkßf,  ak>- 
BkBH,  AiciBkBkiT^  (-KHt*),  zusammcD  12mal  (357.  ö,  384.  29, 
385.  9,  395.  10,  399.  18,  406.  4,  426.  2,  453.  30;  405.  7;  251.  26, 
335.  6,  463.  14;  dazu  ein  vereinzeltes  HinAOA^^KH  245.  13);  da- 
gegen behalten  die  Formen  von  u.p'kK-ki  das  t».:  up'kk'kbe  u.  s.w., 
vgl.  dazu  das  vereinzelte  cmoktvKhkr  (2 mal,  350.  6,  8).  Ferner 
besteht  eine  entschiedene  Neigung,  die  Präsensformen  von  cknarH 
mit  k  zu  schreiben,  dazu  auch  oycknf  und  ovcKniHkie  (zusammen 
12mal  (dagegen  5 mal  mit  ii);  man  kann  dazu  noch  rechnen  ckHl: 
306.  14,  434.  14,  ckH-t^T»^  434.  14. 

Zu  dem  eben  Angeführten  kommt  eine  grössere  Anzahl  mehr 
oder  minder  vereinzelter  Fälle,  so  A'»^^*'t'*uJf  239.  27,  obetkluh 
247.  17,  OHkA«  370.  22,  Ck^H-kaiue  344.  11,  sa^i^Y"''^'*^*  466.  13, 
einige  Male  cky-kTH  u.  a.,  das  ich  hier  nicht  aufzähle,  weil  man 
nicht  entscheiden  kann,  ob  hier  eine  wirkliche  Lautbewegung  oder 
Fehler  vorliegen,  und  den  Beispielen  mit  k  immer  ebenso  verein- 
zelte mit  T»,  gegenüberstehen  (HCT^yH-kaiuf,  CKM-tieiuH,  hh^k^,« 
u.  8.  w.).  Wenn  in  7  Beispielen  das  -TkUJ-  der  Partizipien,  das  in 
den  andern  unzähligen  Fällen  immer  erhalten  bleibt,  als  -km-  er- 
scheint, z.  B.  norp;^3HBkiije  503.  30,  nonüKkUjeie  346.  2S,  so 
halte  ich  das  einfach  für  Versehen.  Dagegen  ist  es  nöthig,  auf 
einige  fast  durchgehende  Fälle  der  Erhaltung  des  t^  aufmerksam 
zu  machen:  TTiHkiiR  findet  sich  gegen  50mal,  dagegen  TkMkKR 
nur  343.26,  359.8,  487. 17;  Tkiuxera  428.  5,  dagegen  T'kiiJTfTa 
mit  Ableitungen,  dazu  Formen  des  Verbalstammes  T'kUJTH-,  rik- 
uJTk  zusammen  14mal;  einmal  Kk^e  (vgl.  das  Verbleiben  der  Silbe 
KT».-  vor  folgenden  weichen  in  Präp.  kt»,,  u.p'kK'KB«),  sonst  Kiv^e 
(sehr  oft  nur  kj\,(].  Das  führt  auf  die  Frage,  ob  es  für  den  Umlaut 
von  Tv  zu  k  vor  folgender  weicher  Silbe  bestimmte  Schranken  gibt. 
Im  Zogr.  (s.  Arch.  27,  327)  wirkt  ein  k  nicht  ein  auf  t».  der  vorher- 
gehenden Silbe,  anders  ausgedrückt,  ein  selbst  in  der  späteren  Ent- 
wicklung schwindendes  k  bewirkt  keinen  Umlaut  eines  im  späteren 
Stadium  verbleibendes  t»,.  Wie  steht  es  damit  im  Suprasliensis? 
Zu  ganz  sicherer  Bestimmung  bieten  sich  in  den  homiletischen 

32* 


500  A.  Leskien, 

Stücken  nicht  genug  Fälle  dar;  es  kommt  einige  Male  k  vor:  aw- 

Kkß'kHO\fOYMOIf424.  1,  AK>BkBkH;^li^500.  18,  CMOKkBHHU,;^  476.24, 

3kAk  f.  433.  3,  A't^AkMk  i.  8g.  476.  27;  sechsmal  BknAk  (einige 
Male  A^E'»'^**"*^j  a*^^'^^'^"'^?  die  ich  unberücksichtigt  lasse,  weil 
der  Wurzelvokal  möglicherweise  k  ist);  öfter  steht  'k,  regelmässig 
im  Instr.  sg.  auf  -'kiiiik  (-TkM'k),  in  den  Formen  von  T'kHkH'k  (4mal), 
in  TTkiDTk  (T'kUJT'k)  uud  TT».UJTkHO  (zusammen  3mal)  und  noch 
in  einigen  vereinzelten  Fällen.  Es  ist  also  damit  wenig  zu  machen, 
doch  spricht  für  die  Geltung  der  Regel  das  fast  regelmässige  T'k- 
Hki*,  das  unbegreiflich  bleibt,  wenn  wirklich  TkMkü^  gesprochen 
wäre,  dagegen  verständlich  wird,  wenn  man  die  Aussprache  als 
tb6jq  ansetzt.  Dem  widerspricht  die  gleichartige  Form  AioBkBki^, 
es  ist  aber  einfach  annehmbar,  dass  dem  Schreiber  die  daneben 
vorkommende  AWKkBHi^  vorschwebt.  Am  auffallendsten  ist  BknAk, 
aber  auch  hier  ist  leicht  möglich,  dass  das  regelmässige  und  regel- 
rechte BkHHTH  zu  dieser  Schreibung,  statt  BTvRA'k,  geführt  hat; 
ausfallen  konnte  hier  das  Tv  nicht  und  ein  etwaiges  *Bf  nA'k  als  spä- 
tere Entwicklung  eines  gesprochenen  BknAk  existirt  im  Supr.  nicht 
(im  Psalt.  Bon.  kommt  es  vor). 

Zuletzt  erwähne  ich  noch  das  Vorkommen  von  t».  für  k  vor 
folgender  harter  Silbe.  Oben  S.  490  wurde  erwähnt,  wie  häufig 
Bk  und  Kk3-  vor  folgenden  nicht  palatalen  Silben  stehen  und  dies 
zu  erklären  versucht.  Auch  sonst  ist  das,  wenn  man  alles  aufzählen 
wollte,  häufig  genug,  meist  aber  sind  es  vereinzelte  Beispiele  caa- 
Ai^KO  320.9,  351.9,  caa^i^ka  351.8,  ckco\f  312.7,  OYCkH;i^  314.11, 
AkPATH  474.  26,  CkAOiuiii  462.  19,  nockAABi».  467.  6  u.  a.  Es  ist 
das  alles  nur  ein  Zeugniss  von  der  Unsicherheit  des  Schreibers  im 
Gebrauch  des  k.  Bezeichnend  scheint  mir  dagegen,  dass  so  sehr 
oft  die  Formen  von  st^at»,  mit  hartem  Vokal  der  zweiten  Silbe  und 
dazu  ST^AOEk,  STvAOKA  mit  k  geschrieben  werden,  20mal  (z.  B. 
3kAd  320.  9,  425.  15,  3kA0  406.  8,  10;  3kA0BH  323.  18,  326.  19 
u.  s.  w.).  Es  ist  die  Gewohnheit  des  richtigen  3kA'R,  3k ah,  die 
dazu  geführt  hat.  Man  kann  die  gleiche  Annahme  für  A«^ß<*  437.  7, 
471.  17  im  Verhältniss  zu  \v^^^  a'*^'^'^^»  für  CkHd  366.  28,  CkHTv 
487.  10,  488. 17  im  Verhältniss  zu  ckH-k  hegen.  Jedenfalls  bedeu- 
ten alle  derartige  Schreibungen  für  die  wirkliche  Sprache  nichts. 


Die  Vokale  i  und  b  im  Codex  Suprasliensis.  501 

Die  legendarischen  Bestandtheile  der  Handschrift. 
A.    Tl.  der  Präpositionen. 

I.  KT»,  behält  vor  weicben  Silben  sein  ii,  also  wie  in  den  bomi- 
letiscben  Stücken  und  im  Zograpbensis.  Kk  babe  icb  nur  bemerkt 
in  Kk  HHM-K  27.  15,  Kk  ciE-K  170.  30,  Kk  hhm-k  180.  4. 

II.  ß'K  und  BT^S. 

1.  KTi  bleibt  unverändert  vor  palatalem  vokalischem  Anlaut 
der  folgenden  Silbe,  also  e'k  hh;r,  bt»,  hcthh;?»,  b'k  le^HO,  bt». 
a3;r,  B'k  liiMiR,  B'K  HMA,  in  Uebercinstimmung  mit  der  Regel  der 
andern  altbulg. Quellen.  Ganz  vereinzelt  findet  sich  einmal  Bk:  Bk 
t3«po  78.  18,  Bk  leAHHii. 

2.  Das  allgemeine  Verbältniss  von  btv  Bk  (nicht  mitgerechnet 
als  regelrecht  die  reichlich  60  Fälle,  wo  bt».  vor  palatalem  vokali- 
schem Anlaut  steht],  B'k.3  bks  vor  folgender  weicher  Silbe  ist  so, 
dass  über  zweimal  so  viel  Bk,  Bk3  stehen  als  b'k,  bt^s  (b'k  187, 
BK  452;  B'K3  90,  bk3  202),  und  zwar  überwiegen  die  bk  in  allen 
einzelnen  Stücken  mehr  oder  minder  mit  Ausnahme  von  Nr.  25,  wo 
sie  gleich  stehen  (27 mal  B'K,  26 mal  Bk).  Das  weiter  im  einzelnen 
auszuführen,  halte  ich  für  werthlos,  es  könnte  nichts  weiter  damit 
erwiesen  werden,  als  dass  der  Schreiber  das  offenbar  für  ihn  nor- 
male Bk  in  Nachahmung  älterer  Vorlagen,  die  regelmässig  oder 
häufiger  B'K  hatten,  vernachlässigt. 

3.  Die  legendarischen  Stücke  haben  so  wenig  wie  die  homile- 
tischen die  Regel  des  Zogr.,  dass  vor  schwachem,  dem  Ausfall  aus- 
gesetzten K  B'K  als  solches  verbleibt,  sondern  lassen  auch  hier  bk 
eintreten,  so  ganz  regelmässig  Bk  Hk,  ein  B'K  Hk  ist  mir  gar  nicht 
vorgekommen;  so  findet  man  auch  Bk  BkCfM'K,  bk  bkc'^Y'K  (neben 

B'K    BKCfH,    B'K    BkCÄ^,     B'K    BCli^'K,    B'K    BkC'K\"K),    BKHkTf    neben 

B'KMKTH  u.  ä.  Mit  B'K3  Verhält  es  sich  ebenso;  es  genügt  anzu- 
führen, dass  fast  regelmässig  BkSkptTH  steht  (20mal),  seltner 
B'KSkp'STH  (6mal),  dass  in  den  hier  in  Betracht  kommenden  Prä- 
sensformen von  B'K3kMA^  ebenfalls  Bk3-  die  Regel  ist:  BkSKMEUiH, 

BkSkMETC,    Bk3kMH  U.  S.  W.,    UUr  vereinzelt  B'K3kMeT'K. 

In  der  Behandlung  des  B'K  und  b'K3  vor  folgenden  weichen 
Silben  stimmen  also  die  homiletischen  und  die  legendarischen  Theile 
der  Handschrift  überein. 


502  A.  Leskien, 

4.  Kb,  Kk3  vor  folgenden  harten  Silben  kommt  hier  wie  in  den 
homiletischen  Stücken  ziemlich  oft  vor  (c.  90 mal),  z.B.  ßbSMCH^E, 
BKcraTH  u.  dgl.,  ohne  jede  Regel.  In  mehreren  Stücken  (2,  8,  9, 
10,  12,  13,  22,  23)  fehlt  die  Schreibung  mit  k  ganz,  in  andern 
(4,  18, 19)  fast  völlig,  in  einigen  kommt  sie  öfter  vor  (so  in  Nr.  46 
14mal,  in  48  10 mal).  Im  Allgemeinen  steht  die  Sache  ebenso  wie 
in  den  homiletischen  Stücken;  von  einer  Aussprache  Bk,  Kks  vor 
harten  Silben  kann  nicht  die  Rede  sein. 

III.  Die  Präposition  eh.. 

1.  ck  bleibt  wie  ßT»,  vor  folgendem  palatal vokalischem  Anlaut 
unverändert;  ich  habe  10  solche  Fälle  gezählt:  4 mal  ct».  HH'kMH, 
2mal  CK  fnHCKO\j'ncLn».,  die  andern  einzelne,  ck  i€;i,HH'tMk,  ck 
apocTHKR,  CT».  H3K'kiiJTaHHi€MTk,  CT»,  Hcu.'kA'feBTiiUHHMT».;  dage- 
gen kommt  nur  einmal  Ck  vor,  Ck  fnHCKornoMT».. 

2.  Das  allgemeine  Verhältniss  von  CTk  und  ck  (abgerechnet 
die  regelrechten  Fälle  von  ct^  unter  1)  vor  folgenden  weichen  Sil- 
ben stellt  sich  so,  dass  ctv  ganz  bedeutend  überwiegt:  157  ck,  228 
CTk.  In  diesem  Punkte  unterscheiden  sich  also  die  legendarischen 
Theile  stark  von  den  homiletischen,  wo  210mal  Ck,  140mal  ck 
steht.  Ein  starkes  Ueberwiegen  des  ck  findet  überdies  nur  in  einem 
Stücke  statt,  Nr.  46,  wo  22  ck  gegen  4  ct».;  rechnet  man  dies  Stück 
ab,  so  bleiben  für  die  übrigen  132  ck,  224  ct».. 

3.  Während  bt».  bt».3  in  den  homiletischen  wie  in  den  legen- 
darischen Theilen  auch  vor  folgendem  schwachen,  dem  Ausfall 
ausgesetzten  k  in  Bk  Bk3  übergehen  und  ebenso  dort  Ck  vorkommt, 
ist  das  bei  ctv  in  gleicher  Lage  in  den  legendarischeu  Stücken  nicht 
der  Fall:  es  kommen  vor  15  Beispiele  von  ct».  vor  BkCkMk,  Bk- 
ckMH,  BkC'bL^'KMk,  BkctKCi*,  alle  mit  T%,  ausserdem  vereinzelte 
andre  Fälle:  CT^3kp'KBT^m;^,  CT»3kp1vBT».moY,  CTvTkpe,  cT»,Bkp'k. 
Ich  habe  nur  einmal  CkHkiui'fejCT».  gefunden;  bei  ckJKk/KfHO  kann 
man  zweifeln,  ob  k  der  zweiten  Silbe  ausgeworfen  wurde.  Es  be- 
stärkt mich  das  in  der  Annahme,  dass  die  Schreibungen  Bk  Bk3 
vor  Silben  mit  solchem  k,  wie  die  Ck  in  den  homiletischen  Stücken 
keine  lautliche  Bedeutung  haben,  sondern  nur  eine  orthographische 
Manier  sind,  hervorgerufen  durch  die  so  häufige  Schreibung  des 
Bk  Bk3  Ck  vor  Silben  mit  vollem  palatalem  Vokal. 

4.  Ck  vor  folgenden  harten  Silben.  Während  in  den  homileti- 
schen Stücken  (s.  o.  S.  491)  der  Fall  so  sehr  häufig  ist,  kommt  er 


Die  Vokale  %  und  b  im  Codex  Suprasliensis.  503 

mit  Ausnahme  eines  Stückes  in  den  legendarischen  selten  vor. 
Diese  Ausnahme  bildet  Nr.  46,  wo  32  mal  ch.  so  steht,  z.  B.  in  For- 
men von  CKTKopHTH,  cT^nacTH,  cknacfHHie  (ckTßopH,  cknact- 
HHH  u. S.W.),  in  CK  BOHi<iMH  Und  andern  gleichartigen  Fällen.  Von 
einer  gewissen  Häufigkeit  ist  es  noch  in  47  (8 mal,  z.  B.  ckc;R;\,'k, 
CknacTH,  cknctKlv;i,a).  In  sämmtlichen  andern  Stücken  ist  es  ganz 
spärlich,  in  mehreren  fehlt  es  völlig;  gezählt  habe  ich  in  den  Stücken 
Nr.  1 — 25  und  48  alles  in  allem  35  Beispiele,  wovon  16  auf  Formen 
und  Ableitungen  vor  ckMpkTk  fallen,  die  übrigen  sind  vereinzelte 
Beispiele,  z.  E.  ckTKopH,  ck  pa,\,ocTHiiR,  cw  TBapkMH,  cknoßH- 
AaHki€  u.  dgl.  Bemerkenswert  ist  dabei  die  spärliche  Anzahl  von 
CkMpkTk,  das  in  den  homiletischen  Theilen  zur  Manier  geworden 
ist  (s.  0.  S.  492). 

Es  geht  aus  der  gesammten  Behandlung  des  ck  hervor,  dass 
in  diesem  Punkte  die  legendarischen  Bestandtheile  einen  älteren 
Typus  von  Sprache  und  Orthographie  geti*euer  festgehalten  haben 
als  die  homiletischen,  dass  nur  einzelne  legendarische  Stücke, 
Nr.  46,  den  homiletischen  in  dieser  Beziehung  gleich  kommen. 

IV.  Das  auslautende  "K  der  übrigen  Präpositionen.  Die  For- 
men OKk  und  np't;i,k  stehen  gelegentlich  vor  weichen  wie  vor 
harten  Silben:  np'6^\k  cto/äiijthh)("k,  ORk\'o;i,a  11.  8,  npU^K 
AHu.fM'K  13.  20,  npt^i.K  HHunv  22.  20,  npt^KACJKAUiTara  26.  27, 
np'K;i,k  HHMk  37.  8,  48.  4,  102.  17,  187.  4,  192.  7,  OKkX'OAi^HH 
57.  19,  nplv;i,kAe/KHT'K  63.  20,  OKkTfKAO  117.  8,  np'K^.k  HHMa 
182.  9,  CKkjcoiK^i.aaiije  191.  13,  np'k;\,k  toboitR  192.  1,  np-RA"*- 
ck^,!».!!]«  25S.  20,  np-S^knocKAaBT».  273.  22,  OKk^pTkJKAiuT;^«^ 
535.  9,  np'6;k,kAO/KfHaaro  513.  26,  OKkAP'K^KÄiuTOY  529.  13, 
OKkATH  541.8,  OKk/Ä  559.27:  über  CKk,  np-t^v"»  s.  die  Bemerkung 
oben  S.  492.  Aus  den  sicher  mit  'k  auslautenden  Präpositionen  fin- 
det sich  einmal  no;k,k  hhm'k  276.  3,  und  häufiger  otk,  im  Ganzen 
51  mal,  davon  aber  38  mal  vor  dem  h  der  Casus  und  Ableitungen 
des  anaphorischen  Pronomens:  OTk  Htro  34.  21,  51.  13,  149.  3, 
158.25,  188.  6,  189.  10,  236.  18,  258.  14,  263.  9,  289.  26,  519.  11, 
523.  15,  29;  527.  11,  ferner  11  mal  in  Nr.  48;  OTk  hja  13.  24, 
525.  11,  OTk  HH^-K  24.  16,  60.  13,  72.  28,  89.  27,  148.  8,  219.  2, 
535.  9,  dazu  dreimal  in  Nr.  48;  OTkH;¥»;i,OY/Ke  203.7.  Die  13  an- 
dern Beispiele  von  OTk  in  andrer  Stellung  sind :  OTKB'kiuTa  25. 23, 

OTkBtUJTaB'K    61.   14,    OTkB'kTlv\-'K    70.  27,     OTkEÜT-K   561.   18, 


504  A.  Leskien, 

OTkHA    32.  18,     OTkpHBaTH    125.  15,     OTIi    p'kK'fcJ    551.  6,     OTb- 

MfiuT;^T'k  542.  26;  zu  diesen  8  Fällen  kommen  dann  noch  5,  alle 
aus  Nr.  46:  OTk  HfHHCTaaro  519.  29,  oti%  SfUb/f^  524.  15,  CTk 
M£HE  524.  28,  OTk  T(K(  528.  18,  OTkB-kiuTaßa/A  529.  30;  das 
Stück  hat,  wie  oben  S.  503  hervorgehoben,  überhaupt  eine  grössere 
Vorliebe  für  k.  Das  Verfahren  deckt  sich  also  mit  dem  der  homi- 
letischen Theile  (S.493),  die  lautliche  Bedeutung  ist  ot'  nego  u.s.w. ; 
OTb  vor  harten  Consonanten  ist  mir  nur  einmal  aufgefallen:  OTk- 
MidTH  560. 17.  Man  kann  dabei  wohl  sagen:  wäre  ott».  überhaupt 
vor  folgenden  weichen  Silben  (ausser  vor  H-)  in  otk  umgelautet 
worden,  so  hätte  sicher  der  Schreiber,  wie  er  das  bei  Bk  bks  in 
Nachahmung  dieser  Schreibung  vor  weichen  Silben  thut,  auch  vor 
harten  Silben  diesem  Zuge  bei  ottv  öfter  nachgegeben. 

B.   Tk,  k  ausserhalb  der  Präpositionen. 

I.  Umlaut  von   k  zu  t».  vor  folgenden  harten  Silben. 

1.  In  nicht  suffixalen  Silben.  Hier  kommen  in  Betracht: 
a)  die  bekannten  Infinitivstämme  auf -a-  mit  ursprünglich  k  in 
der  Wurzelsilbe.  Ein  Sk^aTH  kommt  überhaupt  nicht  vor,  dage- 
gen 18  mal  S'KAJTH  (8.  26,  23.  21,  188.  8,  198.  8,  204.  11,  205.  4, 
208.  27,  214.29,  269.  17,  2S2.  16,  2S4.  4,  6;  286.  12,  534. 
2,  4;  540.18,  553.28,  567.30;  ebenso  nur  at^-P^^th  9mal  (113.30, 
161.  6,  16;  162.  6;  176.  22,  183.  8,  187.  5,  11,  12);  cT-kaarH  nur 
so  (7.  1,  118.  26,  181.  27),  n-kpaTH  (65.  28,  134.  25);  nur  im  lu- 
finitivstamm  von  Kep;^  ist  das  t».  nicht  ganz  konsequent  durchge- 
führt: 18mal  KT^paTH  (18. 12,  67.12,  80.28,  81.10,  83.22,  101.11, 
117.  4,  15;  125.  27,  188.  26,  191.  17,  21 ;  257.  22,  287.  21,  517.  26, 
527.  2,  540.  6,  568.  8),  dagegen  KkpaTH  6mal  (50.  27,  84.  4,  84.  24, 
95.  15,  257.  20,  529.  23);  A^^^Kk^aTH  137.  1.  Dass  dem  Schrei- 
ber in  allen  diesen  Fällen  t».  das  normale  war,  kann  keinem  Zweifel 
unterliegen;  die  wenigen  Fälle  von  KkpaTH  können  Alterthümlich- 
keit  sein,  ebensowohl  aber  auch  Abirrungen  von  normalem  kt»,- 
paTH. 

b)  Wurzelsilben  mit  k  von  andern  Verben  ohne  Ver- 
balstamm auf -a-:  H^kp;^,  H;kp;i^T'k,  >Kkp;s;iuT-  kommen  22mal 
vor,  mit  -k  5  mal  (21.  11,  104.  17,  106.  4,  116.  6,  126.  11);  die  an- 
dern Vorkommnisse  sind  mehr  oder  minder  vereinzelt:  2 mal  Ha- 
MkH;^,  Imal  HaH'kH;¥.TTv  114.  1;  Imal  HaiuikpA^TT».,  4mal  M^kpAi 


Die  Vokale  -h  und  i  im  Codex  Suprasliensis.  505 

M-KpJüT-k  (153.  18,  156.  12,  173.  7,  229.  23);  1  mal  nKTiRT-K,  da- 
gegen H'kT-  vor  folgendem  hartem  Vokal  4  mal  (34.  1,  219.  29, 
H'kT;*;iUTA/Ä  254.  30,  552.  13;  JKK/i,;RmTHHM'K  24.  17,  jktiA^- 
uiTHHM'K  168.  12,  B'KH'h,3H;KTH  1.  23.  Aus  diescu  geringen  Zah- 
len kann  man  selbstverständlich  keine  sicheren  Schlüsse  ziehen; 
mir  scheint  nach  dem  so  häufigen  >KKp;R,  dass  dem  Schreiber  das 
k  in  diesen  Fällen  überhaupt  das  eigentlich  regelrechte  war.  Bei 
der  eben  gegebenen  Darstellung  habe  ich  nur  die  Fälle  berücksich- 
tigt, wo  dem  k  der  Wurzelsilbe  eine  Silbe  mit  vollem  hartem  Vokal 
folgt.  Betrachtet  man  dazu  diejenigen,  wo  diese  Silbe  ein  schwa- 
ches 'K  enthält,  so  stellt  sich  auch  hier  wieder  die  Regel  heraus, 
dass  ein  solches  auf  das  k  der  vorangehenden  Silbe  nicht  umlau- 
tend wirkt,  wenn  auch  nicht  so  deutlich  wie  in  andern  gleichartigen 
Fällen:  gegen  70mal  steht  B'k3(ßk3-)kM'k  pari  perf.  mit  seinen 
Casusformen,  dazu  OBkiun«.  (2 mal);  aus  verbliebenem  ß'kSkM'k  er- 
klärt sich  natürlich  auch  BkaeiuiTv,  dessen  Beispiele  ebenfalls  hier- 
her zu  zählen  sind;  seltener  findet  sich  -TvM-:  B'kS'kM'kiiJf  154.  2, 

vgl.  EkSTiOTvlUÄ,  Bk3'klUI'klliO\'*2>V'^*^V5    ßT^3(Bk3-)'kMTv  550.  23,  28; 

562.  15,  dazu  ckH-kM'kiue  164.  3,  183.  17.  Ebensowenig  hier 
wie  in  den  vereinzelten  Beispielen  HaM'kH'kiiitM'k  (vgl.  mehr- 
mals HaHkHTv,  HaMkH'kmaarc,  HaMm'kme),  npHM'k.T'kiJua  213. 17 
(vgl.  noMkTT».,  noMkT'kUJf)  halte  ich  das  i\  für  richtig,  d.  h. 
für  ein  wirklich  in  der  Sprache  eingetretenes  i»..  Etwas  anders 
steht  die  Sache  bei  den  auf  p  auslautenden  Wurzeln :  aus  verein- 
zelten Fällen,  npocT'kp'k  126.  3  (die  Handschrift  hat  auch  npo- 
CTtp-k  und  npc>CTkpT»,ujf),  c'kT'kp'k  107.  7,  on'kpT».  558.  28,  kann 
man  nichts  entnehmen.  Dagegen  steht  regelmässiger  M-kp-  im 
Partizip  pf.,  oyiui-kp-kiH  157.  28,  o\fM'kp'kiutMa,  oyiui-kp-kujoy,  o\'- 
M'kp'kiiJH  (in  Nr.  25),  o\'M'kpTviiJÄ,  cifM'kp'kiiJaaro,  vgl.  dazu 
noiK-kp-K  105.  8,  111.  18,  JK'kp'Kiuf  20.  8,  9,  no^K-kp-kium ; 
Mi-kpnkujf  130. 14;  selten  k:  oyMkpkmoy  (2mal),  oyMkpTviH  (Imal), 
vgl.  dazu  o^Mfp'kmÄ;  es  wird  hier  so  liegen,  dass  aus  altem  oyMk- 
pkiua  U.S.W,  eine  verschiedene  dialektische  Entwicklung  zwei  ver- 
schiedene lautliche  Formen  geschaffen  hat,  einmal  oyMkpuja, 
woraus  cyMEpiua  (vgl.  z.  B.  oyMtp'kiUH  26.  7),  einmal  umria,  wo- 
bei man  auch  die  Infinitivformen  MpkTH  JKpkTH  d.  i.  mrti  zrti  zu 
erwägen  hat.  Von  solchen  Formen  aus  ging  die  Uebertragung  in 
den  Nom.  Mkpiv  ^Kkp^k  vor  sich,  ich  glaube  allerdings  nur  gra- 


506  A.  Leskien, 

phiscb,  denn  dass  ein  mr  zr,  und  nicht  mer  zer  gesprochen  sei,  will 
mir  wenig  glaublich  scheinen. 

c)  Die  Wurzelsilben  von  Nomina.  Für  Th,Ma  steht  vor 
folgender  harter  Silbe  beständig  TT>.Md  (T'KMd,  tilMtü,  tt^m;?», 
T-KMOKR,  T-KMaiUH  25.23,  26.17,  35.2,  43.1,  71.25,  87.6,  110. 
18,  27;  179.  16),  für  das  seltner  vorkommende  MkS^,^  fJ'KSA-  in 
M'K3AC'A<'"^*^4<*  63-  26,  lun^BAOA^BT^Ui*  144.  1,  M'kSA'iMTi  99.  1, 

M'KSAC'OT'KA^ß'^U,'*^  1Ö3.  10. 

Bkc-  (omnis)  bleibt  vor  harten  Vokalen:  ßkca  ßkc;^  Bkc;RA^V> 
die  Beispiele  sind  natürlich  sehr  zahlreich  (gezählt  habe  ich  gegen 
80),  so  dass  zweimaliges  bt^c;^  143.  17,  265.  5,  dreimaliges  bt^c/r- 
Aoxf  nur  als  zufällige  Fehler  angesehen  werden  können.  Ferner 
bleibt  regelmässig  hkco  und  hrto  (zweimal  h'kcc»),  gegen  20mal. 
Ausserdem  ist  noch  zu  erwähnen,  dass  die  Formen  von  AbBii 
beständig  mit  k  geschrieben  werden  (AkBii  fünfmal,  wozu  auch 
mehrmaliges  AfBi»,;  viermal  Akßa,  einmal  AkBO^?  einmal  akbobh, 
dreimal  akbobt».);  nkCk  steht  60.  8,  528.  26;  Formen  und  Ab- 
leitungen   von    Akr'kKT».    (Akr'KKO,    Ahr'kKaM'K,    AkrivlHH,    OBAk- 

r'KMaTH,  OBAkr'KHaBaTH,  zusammen  6  Beispiele)  zeigen  k,  einmal 
steht  A'krTi.HAiiJTOYOYMOY.  Nach  dem  oben  festgestellten  konnte 
das  schwache  t».  von  akb'k,  Akr'KKCt  u.  s.  w.  überhaupt  nicht  auf 
die  vorhergehende  Silbe  wirken;  derselbe  Grund  gilt  für  das 
Verbleiben  des  k  in  Dativformen  wie  rpkiui'k,  Sß'SpkM'k,  ABh.pi^M'k, 
neben  derem  -kimis.  dann  auch  folgerecht  -f  wk  erscheint.  Aus  dem 
Bereich  der  Nomina  findet  sich  nur  noch  /KkSATk,  das  schwankt, 
einmal  JKkSA'k,  dreimal  h^'ksa'k,  zweimal  JK'kSAa.  Auf  den  Zu- 
sammenhang des  'K  mit  jk  komme  ich  unten  bei  den  suffixalen  Sil- 
ben zu  sprechen.  Dass  in  AkiuraTH,  OBkiuTa,  noAksa,  MkiiJT;*» 
und  ähnlichen  Fällen  k  verharrt,  beruht  auf  der  Stellung  von  uit, 
3,  wovon  unten. 

2.  Ti  für  k  in  suffixalen  Silben,  a)  Vor  n  und  m  bleibt 
so  regelmässig,  wenn  harter  Vokal  dem  i;  folgt,  das  k  erhalten, 
dass  neben  c.  150  Beispielen  von  -ki^a,  -kna  (a  als  Vertreter  aller 
harten  Vokale  genommen,  OTki^a  OTkMa,  CAiiHki^a,  KOHkMaTH, 
B'kHkMaTH  u.  s.  w.)  nur  in  zwei  drei  Fällen  'k  steht  OTi^na  (143. 10), 
OT'ki^ovf,  einmal  CKKOH-kHaH-k  16.  27,  Mp'kHopHS'Ki^a  206.  29. 
Es  stimmt  das  völlig  zu  dem  über  die  homiletischen  Theile  bemerk- 
ten (s.  S.  496).    Ferner  bewahren  die  Partizipia  und  Comparativa 


Die  Vokale  x  und  b  im  Codex  Suprasliensis.  507 

auf  -kUJ-  so  gut  wie  durchgehend  vor  folgendem  hartem  Vokal 
ihr  K. 

b)  Schwaches,  dem  Ab-  oder  Ausfall  unterworfenes  i^  der  fol- 
genden Silbe  wirkt  nicht  auf  k  der  suffixalen  Silben.  Der  nom.  sg. 
msc.  oder  gen.  pl.  der  Adjektiva  auf  -kH^k  erscheint  c.  30 mal  so 

(C'KMpkTKH'K,     taSßkH'K,    nO^OEkHlv,    HCMdAkH^K    U.   S.  W.),     --KH'k 

habe  ich  nur  einigemal  aufgezeichnet:  ^KA^'k.H'k  (123. 10,  unmittel- 
bar daneben  aA'MfU'K,  crpaHfHT».),  nocii'RmiiH'K  158.  23,  mo- 
liiTTvH'k  296.  26,  536. 13,  rp-feiu-KH-k  536.24,  A'^t^^t^ht^  558- 10, 
zu  den  -kHT».  sind  natürlich  hinzuzurechnen  die  häufigen  Schrei- 
bungen mit -eHi».  (CHAmTi,  HCTHHtH-K,  ß-Rp« HT».  U.  dgl.) ;  -'KH'k  Steht 

ausserdem  einmal  im  gen.  pl.   KpauiTvHi».  182.  13;   entsprechend 

heisSt  es  HAOß'SMkCK'k,  arrfAkCK'k,  KpkCTHtaHkCK^k,    HCkpkMkCKl^, 

i^'kcapkCKT»,,  \-fpcoHkCK'k,  parkHUHkCKT».  (6 mal  im  Ganzen),  ein- 
mal steht  BivCOB'kCK'k ;  zu  den  -kCK'k  kommt  eine  Anzahl 
-fCKik.  z.  B.  Maoß'&HfCKT»,,  M;^H<ECK'K.  Was  noch  vorkommt,  sind 
vereinzelte  Fälle:  viermal  liest  man  nkUkATv,   einmal  ^P'^'^'^t't*? 

OUkT'K,     KHCkpi*,    TÄiKkn-k    (nebcu    TiJKfK'k),    Cß-tTkATi    302.  20 

(cß'tTfA'k  62.  26,  110.  17),  A-tHkKTv;  dem  gegenüber  KOS'kAT». 
146.  5,  KHCTvp'k  167.  20,  CAcyjK'KK'k  190.  25.  Es  ist  mir  nicht 
zweifelhaft,  dass  diese  i^  nicht  gesprochen  sind,  sondern  nur  auf 
Versehen  des  Schreibers  beruhen. 

c)  k  in  Suffixen  nach  palatalen  Consonanten.  Nach  a  h  bleibt 
k  erhalten,  in  40  Fällen  (orHkHa,  -a  wieder  als  Vertreter  aller  har- 
ten Vokale  genommen,  lOmal,  BOA'kHa  4mal,  c'kß'feA'^'''f'^*^CTBO- 
BaTH  5 mal,  KorfkHa,  noAkCKa,  i^-tAHTCA^kHa,  no^cTiüHkCKa,  ^-K- 
A'kMa  u.  s.w.);  nur  einmal  steht  durch  ein  offenbares  Versehen 
ct\-HHTeA"'KH'KHi)C'k  542.  15.  Acltcres  pk  bleibt  ebenfalls:  34mal 
heisst  es  u.'kcapkCTßO,  -ctba  u.s.f.,  9mal  i;1icapkCKa  u.s.w.,  ein- 
mal steht  u,1icapTkCKa,  und  dreimal  in  abgekürzter  Schreibung  statt 
i^licapkCTBO\^iÄiuTOY  i^pTvCTB.  In  diesem  Verhalten  stimmen 
also  die  legendarischen  Stücke  ganz  mit  den  homiletischen  überein. 
Ausserdem  deckt  es  sich  mit  dem  Verhalten  von  Hk,  A''k,  p*k  im 
Wortauslaut;  Hk  Ak  bleiben  stets  so,  p^k  ganz  überwiegend  (s.  j)Die 
Vok.  Tk  und  k«  S.  94).  In  den  legendarischen  Theilen  kann  man 
ferner  mit  grösserer  Sicherheit  bestimmen,  dass  auf  ein  nach  m  jk 
iij  :k,  lUT  h;a  stehendes  k  von  einer  folgenden  harten  Silbe  wenig- 
stens in  einer  älteren  Phase  unbeeinflusst  geblieben  ist:  es  kommen 


508  A.  Leskien, 

in  runder  Zahl  von  h  vor  220,  von  'k  70  Fälle;  nimmt  man  einzelne 
häufig  vorkommende  Wörter,  so  wird  das  noch  einleuchtender: 
B'KMkHd  (-Hoy  U.S.W.)  steht  18mal  so,  B'kM'KHa  kommt  überhaupt 
nicht  vor;  25mal  HAOß'tHbCKa,  2mal  -'kCKa;  lOmal  KO/KkCTßO, 
-CTßau.  s.f.,kein-'KCTBC;  17  mal  uho/Kkctko,  Imal  iuihc»jkt».ctbo; 
11  mal  MOiUTkHO,  kein  -'kno;  7mal  BKCkMkCKa,  Imal  -'kck'kih 
204.  18,  -AHMkHd  14mal,  -1s.ha  2mal;  OTK(f)HbCTBO  6mal,  kein 
-TkCTBO.  Betrachtet  man  die  Beispiele  der  Schreibung  mit  t».  näher, 
so  fällt  auf,  dass  unter  jenen  70  Fällen  33  mal  das  alte  k  nach  lu 
stand;  in  der  That  ist  -uj'k-  viel  häufiger  als  -mii-  (19  -uik-,  33 
-lUTk-);  bei  einzelnen  häufigeren  Wörtern  zeigt  sich  dieser  Zug  auf- 
fallend: rp'Siu'KHa  6 mal  (rp'feujkHd  2mal),  cpaiii'KHO  -Ha  u.  s.  w. 
Smal  (GpaiukHO  3 mal),  ba'klu'kctbo  BA'KUJ'kKa  BA'kiu'kCKa  zu- 
sammen 10 mal  (mit  -k-  5 mal).  Dass  das  mit  dem  Hartwerden  des 
m  zusammenhängt,  scheint  mir  sicher.  Man  sollte  aber  nun  erwar- 
ten, dass  sich  .das  >k  eben  so  verhielte,  das  ist  aber  nicht  der  Fall: 
-JKk-  steht  über  30mal  (vgl.  oben  BOJKkCTBO,  MHOiKkCTBo),  nur 
lOmal  -HiTi-,  z.  B.  CAoyjK'kKa  (4mal;  c^oy^'^ß'»  6 mal);  co^K^kCKa, 
TÄJKTiKa  und  andere  vereinzelte  Fälle.  Da  kaum  anzunehmen  ist, 
dass  nur  i,  nicht  auch  z  hart  geworden  wäre,  können  die  stehen 
gebliebenen  -JKk-  nur  aufgefasst  werden  als  auf  zufälliger  getreuerer 
Nachahmung  der  älteren  Vorlagen  beruhend,  die  überhaupt  nach 
den  palatalen  Consonanten  das  k  nicht  umlauteten.  Dass  dagegen 
H  weich  blieb  und  deswegen  nach  ihm  das  k  erhalten  wurde,  ergibt 
sich  mir  aus  dem  Zahlenverhältniss  der  Fälle  von  -Mk-  und  -mt».; 
gegen  70mal  steht  -Hk-  (vgl.  oben  B-tMkHa,  MAOB'kMkCKa)  nur 
15mal  -HTk,  darunter  5mal  aAM'k.Ba  (neben  4mal  aankBa  und  Imal 
A'kHkKa),  alles  andre  sind  lauter  vereinzelte  Fälle  (z.B.  AS'kiH'KHa, 
cpk^fM'k.Ha,  BfAHH'kCTBO  —  4mal  dagegen  BfAHHkCTBO  — ,  pa- 
TkHHM'kCKa  u.  s.  w.).  Was  UJT  JK^  betrifft,  so  sind  die  Beispiele 
von  k  nach  ihnen  in  Suffixsilben  zu  gering  an  Zahl,  als  dass  man 
daraus  etwas  entscheiden  könnte,  so  je  einmal  ^'•»■^A'^"**  und 
A'KJKA'KHa,  H;)^H;AkHa  und  HoyjK^kHa  u.  a.  d.  A.  Das  lOmal  nur 
so  vorkommende  MouiTkHO  scheint  indess  dafür  zu  sprechen,  dass 
lUT  weich  blieb.  Aus  den  Fällen,  wo  'k  für  k  vor  folgender  wei- 
cher Silbe  auftritt,  könnte  man  versuchen,  einen  Beweis  für  die 
Härte  von  h;  zu  entnehmen;  in  der  That  findet  sich  öfter  jKTkptTa 
Mti^pfiuH,  JKTvp'i^H,  2mal  JK'kSAHieM'k,  aber  die  Fälle  sind  alles 


Die  Vokale  x  und  t  im  Codex  Suprasliensis.  509 

in  allem  nicht  häufig.  Auffallend  ist  das  öfter  begegnende  mti- 
CT-hHC  (=  MKCThHO)  M'kCT'kH'KiH  u.  s.  w.,  ctwa  16mal;  ich  halte 
sie  für  rein  graphisch.  Ueber  die  Verhältnisse  im  Wortauslaut,  wo 
-uiTk  fast  durchgeht,  s.  »Die  Vok.  i%  und  Kfr  S.  95. 

d)  Das  K  in  Suffixen  vor  folgender  harter  Silbe  ausserhalb  der 
Stellung  nach  palatalen  Consonanten,  vor  palatalen  Consonanten 
und  vor  folgendem  schwachem  i%.  Während  in  den  homiletischen 
Theilen  (s.  o.  S.  498)  die  verbleibenden  k  der  Suffixe  -kH-,  -kCK-, 
-kCTB-,  -kB-  u.  s.  w.  bedeutend  überwiegen,  ist  es  in  den  legenda- 
rischen umgekehrt:  in  gegen  400  Fällen  steht  k,  in  c.  520  dagegen 
i\.  Jedenfalls  gewinnt  man  den  Eindruck,  dass  diese  Stücke  in  der 
Bewahrung  des  alten  k  weniger  alterthümlich  sind.  Der  starke 
Gegensatz  des  hier  besprochenen  Falles  mit  den  Beispielen  der 
Stellung  des  k  nach  palatalen  Consonanten  zeigt  nach  meiner  Mei- 
nung ebenfalls,  dass  k  nach  diesen  wenigstens  in  älterer  Zeit  das 
normale  war.  Die  Ausführung  im  Einzelnen  unterlasse  ich,  denn 
bei  häufig  gebrauchten  Suffixen  wie  -kH-,  -kCK-,  -kCTK-  hängt  es 
zu  stark  vom  Zufall  ab,  ob  k  oder  t».  geschrieben  wird,  da  in  jedem 
Falle  so  oder  so  geschrieben  werden  kann.  Aus  den  Wörtern  mit 
seltneren  k-Suffixen  hebe  ich  nur  hervor,  dass  so  gut  wie  regel- 
mässig steht  CBtiTikAa,  -ttiAO  und  überhaupt  vor  folgender  harter 
Silbe  (lOmal;  nur  einmal  habe  ich  cß'feTkiXa  557.  7  angemerkt); 
dagegen  schwankt  npaBk;i,a  (meist  so)  und  npaßT^A**- 

IL  Umlaut  von  ii  zu  k  vor  folgenden  weichen  Sil- 
ben: KkH-t  steht  (11  mal)  ausnahmslos  so;  ji,hB.ls.  ;i,hB.'kMd  11  mal, 
einmal  AT'^ß'fe'^**  59.  12;  Kk^.'RTH  8mal,  nur  so,  dazu  BkJK;i,peKR 
550.  21;  skAt:  SkAH  zusammen  19mal,  einmal  s^kahh  262.  5;  die 
Casusformen  von  aiOB'ki:  AWBkBf,  aK^BkBkiJ^  (-bhi*)  15  Fälle,  nur 
mit  k,  dazu  einmal  AWKkBk  299.  22,  einmal  aiCBkBkHara  534.  9; 
BkRHTH  21mal  so,  nur  2mal  BT».nHTH  (172.  11,  272.  16),  dazu 
Bkna-fe  108.  29,  BknakM-k  276.  13;  nockAH  4mal  (102.  20,  114.  6, 
180.  12,  528.  17),  dazu  nockÄ;^  164.  25,  'k  kommt  nicht  vor;  Prä- 
sensstamm ckRH-  (schlafen),  mit  loc.  ckH'K  (zu  ckHli),  ovcknf,  oyck- 
REHHie  zusammen  lOmal,  2mal  ckn-  in  ci^nHiuH,  cknAUiTA;  die 
Casusformen  von  ^TvLUTh:  ^kiuTfpk,  ^kLUTfpH,  ^kUJTfpfY'^, 
AkiUTtpMk  8mal  so,  2 mal  at^i^J^h  56.  29,  518.  4.  Das  stimmt 
also  überein  mit  dem  Verhalten  der  homiletischen  Stücke  (s.  o. 
S.  498) ;  gleichartig  ist  auch  das  Schwanken  zwischen  t».  und  k 


510  A-.  Leskien, 

in  der  zweiten  Silbe  von  ß'kS'knHTH  in  den  legendarischen  Thei- 
len,  5mal  BkSKRHTH,  9mal  B'kS'knHTH.  Die  Formen  von  a<'bi»- 
A'Kth,  A'^K'^'^'^"'^  lasse  ich  aus  dem  oben  S.  500  angeführten 
Grunde  unberücksichtigt,  übrigens  erscheinen  sie  regelmässig  mit  k. 
Die  Regelmässigkeit  in  BkN-k,  ;k,kß1v  ;i,KK'6Ma,   kk^'Kth,   SkA-fc 

3kAH,    AKtBkBC   U.   8.  f.,     BkOHTH,    CkRH-,     CkAI?^    CkA'^H,     ^•^ll^l'fPI» 

U.S. f.  beweist,  dass  es  sich  hier  um  eine  feste  Regel  handelt.  Dazu 
kommt  nun  eine  grössere  Anzahl  von  mehr  oder  weniger  verein- 
zelten Beispielen ;  vor  deren  Betrachtung  wird  es  aber  zweckmässig 
sein  zu  untersuchen,  in  welchen  Fällen  der  Umlaut  von  1%.  vor  fol- 
gender weicher  Silbe  regelmässig  unterbleibt. 

Das  ist  der  Fall  in  den  Partizipien  auf  -TvUJ-,  im  ganzen  Um- 
fang der  legendarischen  Stücke  habe  ich  nur  9  Beispiele  mit  -kiu- 
gezählt,  z.  B.  K'KiBkiufM'k.  u.  dgl.  Vor  allem  kommen  hier  aber  in 
Betracht  die  Formen  von  npkK'ki:  npk('k)K'kBk,  i^p-kK'kBf,  i^p-k- 
Ki&BH,  np'kK'KBHiiJTe  kommen  c.  50  mal  vor,  ausnahmslos  mit 
-KTi-,  vgl.  dazu  cMOKTvBf.  Die  Unzugänglichkeit  der  Verbindung 
KT».-  gegen  den  umlautenden  Einfluss  folgender  weicher  Silbe 
stimmt  zu  dem  Verbleiben  der  Präposition  K'k,  ferner  zu  dem  regel- 
mässigen K'k^f,  HfK'kAH.  Wenn  nun  neben  7  mal  vorkommendem 
KivHASk  und  seinen  Formen  (das  Wort  wird  meist  nur  khäsi^  ge- 
schrieben) zweimal  KkHiS'k  steht  164,  21,  253.  17),  so  kann  das 
nur  ein  zufälliger  Fehler  sein;  K'k.HHr'ki  steht  274.  27  (das  häufige 
Wort  wird  sonst  khhta  geschrieben).  Man  kann  dazu  noch  herbei- 
ziehen das  sehr  häufige,  regelmässig  mit  t».  geschriebene  K'Km;a<> 
(für  KTkJKkAO).  Von  den  vorkommenden  Casusformen  der  Feminina 
auf  -'kl  unterliegen  überhaupt  nur  die  von  aicktü  dem  Umlaut; 
freilich  sind  sie  von  andern  Wörtern  als  awk'ki  und  i^pkKnü  ganz 
selten,  vgl.  jedoch  JKp'kH'kBH,  BpAAT^ß"**-  Das  über  50  mal  be- 
gegnende TTvHkK^  hat  Tk  mit  einer  Ausnahme:  TkMkiiR  514.  2. 
Der  Präsensstamm  T'kujth-  hat  regelmässig  i^,  8  mal,  dazu  zwei- 
mal T'KiUTeTa,  dem  gegenüber  einmal  TkUJTtT'k.H'kiHM'k  102.27, 
einmal  TkiiJTfT;^  513.  22,  vgl.  dazu  T'KiiiTf  2  mal;  die  Formen 
und  Ableitungen  von  a^^^A«^  KfSAi^^HAHie,  8  Fälle,  haben  nur  t»., 
ebenso  die  6  Beispiele  von  Formen  und  Ableitungen  von  K'kSHk 
(K'KSHeY'*^  u.  a.) ;  ferner  werden  die  Formen  von  A'kJKk,  A'kjKa  bei 
folgender  weicher  Silbe,  AT^HifiUH  (zusammen  lU  Fälle)  mit  is.  ge- 
schrieben.   In  dem  Verbleiben  des  t».  von  T-kMkMx,  t-küjth-,  T-k- 


Die  Vokale  i  und  i.  im  Codex  Suprasliensis.  511 

üiTfTa,  ;i,'k}KAi»,  A'KJKk  (vgl.  dazu  auch  k'kjk^xo),  das  in  der  spä- 
teren Entwicklung  nicht  ausfällt,  also  im  Dialekt  des  Schreibers 
des  Supr.  als  i^  weiter  gesprochen  ist,  zeigt  sich  das  schon  früher 
erwähnte  Gesetz,  dass  ein  starkes,  nicht  dem  Ausfall  ausgesetztes 
Tk  dem  Umlaut  widersteht.  Wenn  ferner  die  Formen  von  T'KHkH-k, 
die  nach  dem  -kh-  vollen  harten  Vokal  haben  (t'kmkho  u.  s.  w.), 
regelmässig  (etwa  12  mal)  mit  i»,  erscheinen,  so  geht  das  auf  die 
Regel  zurück,  dass  ein  schwaches,  dem  Ausfall  unterworfenes  k 
nicht  auf  is.  der  vorangehenden  Silbe  wirkt;  charakteristisch  dafür 
ist  der  Vergleich  mit  dem  vorkommenden  TkneHT».  =  Th.Hh.H'k,  w'o 
eben  das  k  der  zweiten  Silbe  kein  schw^aches  ist. 

Die  vereinzelten  Fälle,  in  denen  vor  weicher  Silbe  Tv  in  h 
übergegangen  ist,  sind  kaum  erwähneuswerth;  gelegentlich  steht 
MkBEHHie  (280.  20),  saKkßeHH,  aber  daneben  HaATiiuieHT».,  noTh.- 
nfHi»,,  mehrmals  Kpi^ßCHiv;  A'^CT'k  (zu  ^T^CKa)  100.  29;  man  kann 
damit  nichts  weiter  anfangen.  Beacbtenswerth  ist  aber,  dass  1%, 
des  Suffixes  -'kk'k  vor  weichen  Silben  als  h  erscheint  in  ocraHk- 
^H  94.  13,  caaAi^Ut  213.  12,  215.  11,  267.  11,  KpoTk^H  223.  15, 
n'tcku.'k  214.  27,  abweichend  mak'KI^'S'Siu'k,   wo   aber  t^  nach 

K    folgt. 

Wie  in  den  homiletischen  Stücken  findet  sich  auch  hier  k  statt 
T^  vor  folgenden  harten  Silben;  3kA0,  3kAa  u.a.  Formen  mit  hartem 
Vokal  zweiter  Silbe  7  mal,  zweimal  /i,kßa  (294.  23,  523.  24),  dazu 
einmal  Ai^ß*?'^;  ferner  ckHa  ckHOMTi.  5  mal;  man  wird  hier  an  den 
orthographischen  Einfluss  von  3kAlv  A'^^'^j  ckH'R  zu  denken  haben. 
Alles  andre  ist  nicht  der  Eede  werth ;  Fälle  wie  vereinzeltes  ott».- 
rkHaßTi,  MkH03H,  Kp'fenkKaaro,  BkHTs.,  3k BaH Hie  u.dgl.  sind  ein- 
fach Fehler. 

In  den  bisherigen  Ausführungen  ist  ein  Wort,  iiik^'K,  ujkA'k, 
ganz  unberücksichtigt  geblieben,  weil  es  eine  eigenartige  Stellung 
einnimmt.  Es  erscheint  sehr  häufig  als  lin^AT»'?  daneben  ganz  ge- 
wöhnlich als  ujfA'T^j  iii  einigen  Stücken  das  eine,  in  andern  das 
andre  überwiegend;  daneben  die  alte  Form  uikA'K;  in  einem  und 
demselben  Stück  wechseln  iijt».at^  ^^nd  lUfAT^-  Es  ist  ohne  weiteres 
klar,  dass  nicht  lU'kAT^,  u^^At^j  mkAi».  nebeneinander  von  den- 
selben Menschen  gesprochen  sein  können,  dass  der  Schreiber  des 
Supr.  nicht  bald  hd,  bald  hd,  bald  hd  gesagt  hat.  Vielmehr  laufen 
bei  ihm  dialektisch  verschiedene  Formen,  die  er  aus  seinen  Vor- 


512  A.  Leskien,  Die  Vokale  t  und  l  im  Codex  Suprasliensis. 

lagen  übernomnien  hat,  durcheinander:  iUk/i,'K  und  lUfAT^  ist  das- 
selbe, nur  ujf;k,'K  hd  die  spätere  Lautgestalt  des  älteren  mb^T».  ihd\ 
dagegen  uiTv^n».  s^d  muss  einem  Dialekt  entstammen,  der  i  früh 
hatte  hart  werden  lassen  und  in  Folge  davon  das  nach  s  stehende 
h  in  h  verwandelt.  Auch  folgende  weiche  Silbe  hindert  das  nicht, 
vgl.  das  öfter  vorkommende  lUTvcrBHie.  Der  Vorgang  stimmt  über- 
ein mit  dem  oben  S.  508  über  die  Verhärtung  des  lu  Bemerkten. 

In  der  Abhandlung  über  Zographensis  und  Marianus  hatte  ich 
Arch.  27,  345  die  Hypothese  aufgestellt,  dass  der  gesammte  soge- 
nannte Umlaut  von  'h.  zu  k,  von  k  zu  t».  keine  vokalische,  sondern 
eine  consonantische  Lauterscheinung  bedeutet,  dass  erst  nach  dem 
Ausfall  von  t»,,  k  Verhärtung  oder  Erweichung  des  ersten  der  durch 
den  Ausfall  entstandenen  Consonantengruppen  eintrat,  und  nun  je 
nachdem  für  altes  k  das  'k,  für  altes  t»,  das  k  geschrieben  wird : 
vSHna,  vSrna,  vSrna^  geschrieben  KljpT\Ha;  viHhi,  vSrni^  geschrie- 
ben B'fepkHH.  Aus  der  Durchnahme  des  Cod.  Supr.  ergibt  sich  mir 
dasselbe.  Das  gesammte  Verfahren  dieser  Handschrift  gleicht  dem 
des  Zographensis,  nur  geht  sie  in  dem  ck  für  Ck.  vor  weichen  Silben 
ihren  eigenen  Weg,  d.  h.  sie  lässt  in  Fällen  wie  z.  B.  ck  HHMk, 
daraus  s  7um,  s  (erweichtes  s)  nim  eintreten.  Die  Erweichung  des 
ersten  Theiles  von  Consonantengruppen  durch  einen  palatalen 
zweiten  Theil  kann  lokal  dialektisch  verschieden  weit  gehen  und  ist 
auch  in  den  lebenden  slavischen  Sprachen  und  ihren  Dialekten 
verschieden.  Dass  man  innerhalb  der  altbulgarischen  Quellen 
genau  bestimmen  könnte,  wie  weit  dort  diese  Gruppenpalatalisirung 
im  einzelnen  gegangen  ist  und  damit  in  diesem  Punkte  sichere 
lokaldialektische  Verschiedenheiten  der  verschiedenen  Handschrif- 
ten festlegen  könnte,  halte  ich  bei  der  Beschaffenheit  der  Ueber- 
lieferung,  bei  ihrem  Durcheinander  von  ti'aditioneller  Schreibweise, 
durch  die  eine  ältere  Lautstufe  für  das  Auge  festgehalten  wird,  bei 
der  Mischung  dialektisch  verschiedener  Formen  und  bei  der  Aus- 
bildung gewisser  willkürlicher  orthographischer  Manieren,  für  sehr 
unwahrscheinlich. 

A.  Leskieti. 


513 


Die  Mundart  der  Gegend  von  Ulierci  bei  Lisko.*) 


B.  Zwei  Volkserzählungen. 

YMepay  e^eH  orei^t  cimaM;  May  TpLox  ctmiB  i  (b)ohh  cKasäjH: 
Täxy,   ÄK  HaM  He  (BJOÄKaatem  hhu,   to  mh  toöI  -piepeTH  iie  Aano! 

I  noBiAax  tot  oxeii,!. :  mo-at  ä  M03Ky  saM  BianasaTH ;  Jinrny  BaM  xa- 
jiyny.  A  mo-at  nasi  xaTy  c  Toäi  xhjkh;  ak  naM  hhu  He  Bi;i;Käa:enr, 
TO  TH  yinepexH  ne  Aaaio.  III,66li-m  saM  BiAKasay :  e^eH  MaeTe  KoryTa, 
ÄpyrLiH  MaeTe  KOTa,  TpeTtiii  toh  AwpBopyö,  mo  ch  AwpBa  pyöäiOT,    I 

TOH  0Teu;B  (beinahe:  yTen;i.)  yMep  i  noxoBajra  ctiHBi  bitu,».  Kpacno.  A 
HaHMOüOAUiHH,  mo  flicTay  Ä^ipBopyö,  Kaate  ao  HaHCTäpmoro :  ä  nopy- 
6aM  cbIh  AtipBopyö,  a  tli  saplat  KoryTa,  SBapiiMe  i  bhImo  (sie  1)  i  ne  6y- 
AeMe  MäjiH  HHq.  A  HaScTäpmHH  Kaate:  tli  c  CBoSiM  AMpBopyöoM 
po6,  mo  xoTi,  a  ü  c  KoryTOM  i/i;y  äo  cLBiTy.  I  c  KoryTOM  saöpay  ck  i 
nimoy  BeyepoM  ao  CLBiTa.  IIpHHUioy  bih  ao  eAHoro  cejia  b  ho^m  i  CTay 
i  npocHT  CÄ  b  r^asAti  na  HiiJiLir.  A  TaM  Hapi^  hh^  ne  snay,  kojih  fl,em> 
6yAe.  A  Bin  noBiAaT  Tan:  i^aBAO  jiHraäTe  cnäTH,  a.  Maio  xaKoro  Assipa, 
mo  Bin  AeHL  npHHOCHT.  A  noBiAaT  toh  r'äsAa  Tan:  a.  ne  Moaty  Te6e 
HO^iyBaTH  BAÖMa,  öo  KK  ÖBi  AO  Mene  ypHAHHKti  npHnurn,  to  cTpo*yBajiH 
6ti  Mene  AÖporo,  mo-M  no  ashb  ne  äixay.  ÜOBiAaT:  ajie  ne  ölÄTe  ch, 
KOHti  BiAa^eHBiT  b  nö-ie,  Bis  BiATO^ilT  reT  BiA  saxoAy  —  a  cäMH  coöi 
jibiraHTe  cnaTH  na  CTptix.  I  noTÖMy  co6i  toh  r^äsAa  chht  i  cjiyxae : 
npHXÖAHT  ABaHaSniiiTa  roAHHa:  KoryT  aacBniBay  pas,  sacLniBay  Apy- 
ruH  pas,  aacLHiBay  TpeTLiH  pas  i  qeTBepTtiH  pas  i  aghb  npnxoAHT  loa:. 
I  noTOMy  siHffljio  ch  napoAa  Ay>Ke  i  nLiTäiOT :  n^oÖLi  tbi  xoTLly  sa  Toro 
A3tBipH'?  He  Moacy  ASßipH  npoAaTH,  oo  mchli  toh  ASBBip  ji,eiih  npHHO- 
CHT.  R  6hl  He  3Hay  caM,  ko^ih  aöhb.  A  tötbi  TaK  wy  Käa:yT :  hk  öbi 
TBi  He  xoTBly  rpoHiH  BSHTH  3a  Torö  ASßipi,  TO  MBi  To6i  Horo  BiAÖepeMe. 
ÜK  ro  mchbI  MoaceTe  BiAOÖpaTn:  B^acTHBBiH  Mi  cct!  Kojh  mbi  toöi 
BCBiHJieMe  niTtipBi  4>äcKBi  AyKaTiß,  to  6ep !  I  HOMy  BCBinajiH  mTtipBi 
*äcKBi  AyKaTiB  i  sin  ch  BTBlnray,  co6i  AyKaTBi  saßpay  i  npHHuioy  ao 
AOMy  i  co6i  pocnoqäy  r'ocnoAapcTBO.    A  ApyrBiä  6paT  noBfA^T:  kojh 

*)  Vergl.  Archiv  XXV,  S.  407—424. 

Archiv  für  slavische  Philologie.   XXVTI.  33 


514  I-  Werchratskij, 

Tbl  3a  cBoro  Koryxa  po3;to6Liy  ("ocnoAapcxBo,  xo  i  h  moct  c  koxom  3p6- 
öjno.  3a6pay  Bin  ca  c  koxom  i  Iä©  codi.  IIpHHmoy  sin  äo  e^Horo  cejia 
a  xaM  c  ce.iä  BLiHi3Aa^äK)x.  IIpocHX  cä  bIh  HOTyBaxn.  He  MoaceMe 
xeöe  HoqyBaxH,  60  6hi  xeöe  ^stBipHnä  säLia:  Mtinm,  mypti.  ü  ca.  ne 
60K),  60  a  MaK)  xaKoro  ^SBipa,  mo  >ihh  oöopoHHX.  Ohh  riiuiJH  co61  c 
cejia  rex,  a  Bin  siexäy  eoöi  b  eAHiä  xtiatH  i  jiLir  na  JiixKy  cnaxn.  Hii 
npHxoAHX,  a  ero  idx  mliuih  i  mypLi  jiöbhx  i  na  Kyny  cKJiaAax.  Toä 
f^as^a  bIa  xoui  xtiacH  npHämoy  i  no^HBiiy  cä  i  ntixäe  ca  erö:  n;u  ne 
aäiiH  xeöe  xy  u^ypw  i  MLiiira?  A  xoh  ^ojiobik  Kaa^e:  Hti!  60  ä  Maio 
xaKöro  A3Bipfl,  mo  bIh  BintixKo  xoxo  jiobhx.  Tox  B3fly  xoAtiHKa,  no^n- 
BHy  ca  i  3o6aTiHy,  mo  icix  HajOBHy  6e3  nii.  I  ^ay  äo  r^MiHti  SHaxn: 
Äeöti  Mu  xorö  ^ojiOBlKa  bli^xh  ne  BtiirycxHjra.  A  A^JiBi  stimnjia  ea 
r^Mina:  mo  6li  xti  nojiOBlie  3a  xoro  A3i>Bipa  xoxhly?  He  Moaty  cnpo- 
AaxH  xoro  AStBipa,  60  a  61.1  Hir'Ae  hö^h  ne  May,  60  b  Käa:AiM  cnocoöi 
bIh  Mene  oöopoHHX,  ^ojroBiqe,  Mycmn  naM  xorö  AStBipa  cnpo^axH.  A 
bIh  xaK  Kaace :  ^äfixe  mI  xijLKo  rpomHH,  moöti  a  Mir  ynecxH.  CctinajiH 
My  xpH  «täcKBi  xtix  rpöiuHH  i  bIh  co6i  saöpäy  i  noßepnyy  Hasa^  äo  AÖMy 
CBÖro.  I  coöi  r'ocnoAäpax  Boöa  3  öpaxoM,  xoS  sa  Koryxa,  xoS  3a  Koxa. 
A  XOH  xpexBiä  öpax  —  naäMOJiOÄUiHH  — ,  mo  3  AtipBopyöoM,  noBi^ax : 
KOJiH  ELT  mocL  3ao6bmh,  kojth  bbi  s^oöbuih  3a  Koryxa  i  Koxa,  i  a  mocB 
3Äo6yAy  3a  XOH  AHpßopyö.  Bin  coöi  spoöiiy  c  xoro  AHpßopyöa  äö'öhig 
i  B3ay  Ha  njieqH  i  nimoB.  HpExo^HX  bih  äo  e^Horo  cejia  a  xaM  raxax 
raxB  i  r6pn;MH  najiBi  saßneaiox  i  Be.iHKBi  xBica^ra  rpoumä  bbijioähjih, 
mo  i  uixyKa  raxB  3araxHXH  i  näjEBi  3a6HXH,  60  Bce  rop^KOM  y  naaBi 
B^äpax  i  ropqoK  ea  posjiexHX.  A  bIh  npHHUioy  i  exay  ch  ko;io  hhx  i 
AHBHX  ca  Ha  xoxy  poöoxy.  HoBl^ax :  Mo^e  a  6u  xy  3  e^en  na.iB  3a- 
ÖHy.  I  B3ay  xy  aö'öhio  c  njeiia  30  CBÖro  i  By^äpHy  y  na-iB  Äßa  pa3Bi 
i  aaöny.  I  cxajia  BmuxKa  poöoxa  (bhibixkbi  poßlxHHKBi  ycxajiH  i  na 
xoxo  ca  3a6BMH).  Hl^o  6bi  xbi  xoxBiy  ^ojroBiqe  3a  xoxy  aö'öhig?  A 
moK  6bi  bbi  MCHBi  Aa.TH  3a  xo?  Ha  n^o  mchbi  cnpo^aBaxH,  kojh  a  xijibko 
Hey  sapoöjiio,  mo  a  acHio.  Eä,  ^OjioBiqe !  mbi  loat  bcjihkbi  rpönni  bbi- 
AajH  i  He  MoateMe  mjibih  noexaBHXH,  60  ne  MoateMe  Bo^y  cnepexH.  Ta 
m,o-:aa  6bi  bbi  mohbI  ^ä-in?  m,6  ÖBicBxe  mchbI  a^jih  xi;ibko,  m,66hi  a  mit 
Ao  cMepxH  BBia^HXH.  I  ccBina.iH  eMy  xpn  *äcKBi  rpoinHH  i  bIh  co6i  no- 
Bepnyy  ao  r'ocnoAapcxBa  c  xbimh  rpiinMH.  I  eoöl  r^ocnoAapioiOTB  ao 
AHecBKa  BiHBixKBi  xpH  öpaxH.  I  aK  6bi  a  xaM  ne  ÖBiy,  mo  bbi  mchbI  hg 
BipHxe,  x66bi-m  xoxo  ne  3Hay  i  ne  yyy,  xoöbi-m  i  BaM  ne  cKasay  .  .  . 

(i[o6i3Bä). 


Die  Mundart  der  Gegend  von  Uherci  bei  Lisko.  515 

üonlxay  eji,en  naii  b  Aopory  i  ctji.to  cepe;i;  rocTHHua  BejiHKe 
fJarHo:  ne  Moace  bih  nepefiixaTH,  sana^ye  ch  nÖHi3Ä  i  Koni.  A  npn- 
jieTtiy  AO  HLoro  ^opHOKHimHHK:  aannuiH  tli  Mentf,  o  nm  tli  ÄOMa  ne 
3Haein.  A  bIh  co61  Ay^ae:  o  ^im  6ti  ä  ÄOMa  He  snay?  A  naK  co6i 
po3AyMae:  MOKe  ono  Meiiti  iie  s^aae;  Maio  a.  Ty  rtmyTH,  xa-H  sa- 
HHUiy.  A.ie  bIh  ne  3Hay,  mo  aciimy  ^oMa  npn  na,ji,hiui  JiHiuHy.  IIoBep- 
Hyy  Bin  3  Äoporw  jno  ÄOMy  cBoro.    TaM  ca  napo^ny  xJionei^B.    I  sin  ca 

TMM  XJIOnilieM   TLIIUHT  i  HG  TbllUHT.      I  TOMy  Xj6ni],H)  lOaK  AeCHTL   JlhlT, 

öapso  CA  Aoöpe  b  ^iKOjiax  biht.    üpHKuioy  x.T6neij;b  pas  30  ^köjih  a  fioro 

Taxo  Ay»^e  sacMyqeiiMH.  A  bih  ca,  tot  xjioneitb,  ntiTae:  ^loro  th  Taxy, 

TaKUH  3acMyqeHLH.    Hk  a  npHK^y  3o  tjkojih,  th  ^yate  ca  CMyTHm;  aöo 

3ä6io  Teöe,  aöo  caM  ceöe.    CuHy  mIiI  KOxänLiii,  CKasay  öm  a  To6i, 

60  a  ea  Toöoy  Ttimy  i  ne  TLluiy.    Üpomo-K  Täxy,  i^h  a  ca  b  ^Kojax 

y    Ä 

ne  yiy,  ii;h  a  To6i,  TaTy,  cTtiAa  saB^äy  aKoro?  I  noBi^aT  eaiy  oTei^t: 
Hixay  a  b  ^opory  i  a  npHsaÖLiy,  n;o  MaTH  e  Toöoy  ötMa  npn  HaAtiäi  — 
i  na  Äop63i.i  iwentl  ca  CTajio  öarno,  a  ne  Mir  BLiSixaTH.  IIpHHmoy  ao 
MBHe  qopHOKHHacHHK  1  CKasay  :Meni>i:  aannuiH  MeH&l,  o  ^im  th  AOJia  ne 
3Häem.  BAorä^yio  coöi,  o  ^m  öli  a  AOMa  ne  3Hay,  Taä  a  Teöe  ^ay  ^op- 
HOKHHaeHHKOBH  sanHcaTH.  He  atypH  ca  xaxy  tbim,  6o  a  CBoro  nncLMa 
AiiiÄy-  I  bIh  ca  3aöpay  TÖrAW,  aK  My  ötijio  naTLHäHu;aTi.  poiciB,  Bsay 
c  co66y  cLBaTomn:  cfcBayeny  Bo^y  i  CLBaqeny  Kpeä^y,  cLiy  na  Kona, 
mo  BapTysay  naTt  cto  i  noilixay .  A  toh  kIhl  CKasay  ejiy :  aK  na  MHti 
noHiAem,  cBorö  nncLMä  AiHAeui.  üoHixay  bIh  Ha  tIm  kohh,  a  sa  hhm 
^lapiBHHKti  nycTH;iH  Ty^in-rpaABT,  ateöti  Horo  yÖHTH.  üpHHixay  bih  b 
e^en  Kop^i  (KpaK)  i  toh  kIhb  Kaa:e :  tu  crm  ne  SHaem,  ^e  th  HiAem,  a 
a  3Haio,  Ae  Teöe  sanecy.  Santlc  ero  kojio  MÖpa  b  jimckoblih  Kopti  i 
Kaace :  bhjiomh  coöi  npyT,  mo  na  pin  BtipocTe,  i  tbim  npyTOM  spoÖHnr, 
u],o  ino  cxoqeui.  3äMKBi,  aceÖBi  aKH  öhjih,  tbi  iiix  posööeui.  I  npn- 
jieTBljro  Ha  Mope  KynaTH  ca  Aßääi^aTB  uiTBipH  naHHiB,  a  naHMOJiOAma 
ABafiniaTB  qeTBepTa  npHHuiJiä  na  ocTaTKy.  Bin  Bsay,  tohI  nämiBi  cy- 
KHBi  3iöpay  i  cxoBay.  Tbix  ABaäi^aTB  Tpn  siöpäjH  ca  i  nmuiH  a  onä 
He  Moate  niäTH,  60  BOABina  ne  Mae.   I  xöaht  i  npocHT,  mokc  öbi  ca  Ta- 

n 

KBiH  HaHmoy,  a:eÖH  MeHBl  cyKHBi  BiAAay,  efi,  i^h  na  KapT,  ii;bi  na  sai- 
npaBABi  MCHBi  BOABina  3a6pay!  ^0  TpBOx  pas  npocHjia  Soro  (ona  caMa 
He  snäjia,  Korö  npocHT,  öo  Soro  ne  BHAi>i-ia).  A  Bin  no  TpeTiM  pa3Bi 
ca  orojiocHy.  I  tot  Bsay,  noBiAaT  HiS:  ^ejii  tbi  möto  nncBMa  AiäAem, 

33* 


516  I-  Wercliratskij, 

To  TBom  cyKHLi  Toöi  s.iöateHti  öy^yx.  A  onä  My  Kaate,  mo  xoqem,  to 
/ticTaHeui.  I  To;iWHKa  bIh  Bi^^äy  äiä  cyKHti.  A  ona  toahhkli  noB^ax 
xaK:  He  MÖatem  npHHXii  30  mhoj  ao  Aoaiy,  ä  xä  npHBecxH  ne  Mo^y. 
Ona  spoöiiia  öypio-xyiH  i  bsAäSl  ro  sa  eo66y.  npiraecia  ni^  6paMy 
Horo :  xa  30  MHoy  ^o  AOMy  ne  npHHAem;  Maem  npyx,  mo  xoqem,  xo  spö- 
ÖHin;  öpaMa  xh  ck  po3MMKHe,  äk  hhm  MaxHein.  I  cajia  nojiexi.ijia.  I 
bIh  irpHXOAHX  AO  ÖpaMBI.  "y^OpHOKHMRHUK  KjiHqe  Ha  HLÖro:  Moro  xti 
jHi],apio  iAein?  me  xlix  Jifcix  ne  Maem,  in;o6tici.  6iiy  xy  y  Mene.  A  bIh 
Kaate:  npoiny  imetMo  cBoe.    ^ejd  tli  mh  spöönm  xoxo,  ni,o  a.  xo6i  sa- 

y 

AaM,  xo  micfcMO  Aicxänem.  Tox  Bsny  xoAbiäKLi,  npHHinoy  äo  ÄOMy  ^lop- 
HOKHioKHinca,  a  xoh  ^ay  My  ho^chk  AepeB.iantiH  i  KaMiHi.:  ea^ejii  xli 
xorö  niy  xjii>i6a  3Him,  Aicxaneni  nnctMo  CBoe.  Tox  co6i  saacypiiy  ch: 
BXLiKHyxH  He  BXBiKHe,  6o  saMKHeHtiH.  I  ctiy  C06I  i  AyMax:  Ae-^K  h 
roAen  shIcxh  xoro  niy  KMienn,  kojih  r  ecBM  xphcxbiähhh.  üpHXÖAHX 
OHa  niA  BiKHO  xoxa  nanna  1  nLixae  ca.:  m,o  xooi  miii  oxenji.  sa  noKyxy 
saAay?  3aAäy  Menti  HoacHK  AepeBjiHHLiH  i  xoro  niy  KaMenn,  ateÖBi  ä 
säiy.  A  OHa  eMy  cKasajia:  ne  xypöyä  xbi  ch  xbim,  noAan  xbi  mchbi  xo 
reB.  BiH  äiä  noAay  a  onä  noAajia  eMy  xAtiö  cnpaBeA-^HBBiS  —  i  hokhk, 
jiK  SBH^iäHHO,  atejiBi3HBiH  3  ji,eT^eBJiAHOj  pyqKoy.  ^eÖBicB  xoro  xjiBiöa 
niy  3Hiy  —  Kaace  —  a  niy  Jinuiny.  /I^pyrBiH  aghb  po3bhahb1j[OCH.  I 
qopHOKHHJKHHK  npHxoAHX,  i^Bi  Bin  xoxö  spoöiiy.  I  xaK  BIH  saAyMayca, 
jKe  XBT  mfi  jryApiämHH,  hk  a,  60  xbi  coxBopny  c  KaMeHH  xjBiö.     I  xoii 

y  ^ 

eMy  xoABiHKa  hobIa^x:  npömy  hhcbmo  CBoe.  I  xox  ^cophokhhkhhk 
Kaa:e:  hhcbmo  CBoe  ne  Aicxaneui,  e^eji  xbi  mbhbi  xoxy  ne  spoonnr,  mo 
fl  xo6i  saAaM,  noicyxy.  >Kejri  Maio  exo  mhjib  jiBica,  eatejii  xti  xoxo 
spyöain,  cnajinm,  hoxokbi  sapiBHam,  :khxo  sacBiem,  aiHxo  BBiatnem, 
^Hxo  BBiMOJioxHin,  MüBiH  Ha  ABaHaHu;axB  KaMeHBiB  BBicxaBmn,  sepno  b 
HBiM  3Mejiem  i  säyxpa  päno,  h^oöbicb  npnHBic  MyKBi  na  ßyjiKBi  ao  KaBBi. 

ToH  ca  saatypiiy,   ni;o  Bin  xoro  ne  roAen  spoÖHXH.     üpHXÖAHX  xoxä 

,  v/  y   * 

naHHa  Be^ep  3H0BycB  ao  HBoro  niA  bikho  1  nBixae  cä:  ni,o  xooi  oxeniB 

3a  noKyxy  saAay?  A  Bin  hih  cKasäy  xaK :  xorö  jiBica  cxo  mh.ib  e,  h  Maio 

erö  spyöäxH,  cnaAiixn,  hoxökbi  sapiBHaxn,  ataxo  sacBiflXH,  aciixo  bbi- 

ataxH  i  BBiMOjoxHXH  i  MJBiH  na  ABaHaHD;axB  KiiMeHBiB  BBicxasHXH  i  ate- 

6bi-m  BMOJÖy  3epH0  b  xiM  mjibihbi  i  npHHBic  xoäi  MyKBi  na  öyjiKBi  ao 

KaBBT.    He  xypöyS  ca  hh^i,  chh  eo6i  enoKÜmo  —  ona  eMy  CKaaaja  — 

OHO  ea  cxane  buibixko.    I  Bin  co6i  cnnx  ao  pana  i  xoxö  ca  bhibixko 


Die  Mundart  der  Gegend  von  Uherci  bei  Lisko.  517 

CTajio.  I  TOT  co6f  B3fly  TOÄHHKa  i  BWHuioy  IIa  t'aHOK  yopnoKHiiaiHHK  i 
noAHBHy  ca :  e !  Bin  Ayace  My^piSuiHH  si^i;  Mene.  A  Bin  noßf ^aT :  npömy 
HHCtMÖ  CBoe.  IThcmiö  CBÖe  iie  AicTaiiem  iii,e,  öo  n  ro6i  me  e^ny  no- 
KyTy  sa^aM :  Mae  ca  cepeA  MÖpa  CTaTH  mIct  so  sjiöTa,  3  AHflJvieHTy,  a 
Ha  hlIm  AepeBHHa,  mo  Mae  aojiOTe  jikctä  no  e^HiM  6öu,ii  i  no  ^pyriM ;  a 
ni;i;  müctom  MaiOTfc  njitiBaTH  cpiöiii  pLiÖLi,  mo  MaiOT  sojioThX  KpMbu;H. 
I  cepe^  MÖcTy  haIi  öy^e  BLiöiiTa  Taöjn'ma,  CHJia  toh  mIct  BapTye.  I 
ona  npmnjia  i  ntiTae  ero  TpeTtiä  paa:  mo  tm  sa  noKyTy  Maein?  Bin 
fiiä  cKasäy  0  tIm  MÖCTti,  mo  bih  ro  Mäe  BLicTaBHTH.  PocnoBiy  bIh  hIh 
BfflMTKO.  A  ona  cKaaajia  eMy:  cna  codi  cnoKiHHO.  Ha  Apyrtiä  ^eni. 
CTay  CH  MicT  i  BinuTKO  TaK  CTajioca,  ük  yopHOKHHatiiHK  xoTtiy.  Btiii- 
nioy  ^opnoKHHXHHK,  no;i;HBHy  ca  i  Taa^KO  sa^yMay:  iii;o->k  to  Möate 
^BiTH,  ateöii  BiH  My^pinuiHH  bU  Mene  ötiy.  A  sin  sapas  äo  nero  nOBi- 
AaT:  nponry  nncfcMo  CBoe  Bi;i;AaTH  Menti.  lopiiOKHHiKHiiK  noBi^iaT: 
nacbMÖ  m,e  ne  AicTäiiem;  öo  a  öyAy  cnpaBJHTH  ßajib  i^tixy  Hm.  Bin 
öäjieM  CH  He  atypHT,  a  onä  npHHinjia  i  aanLiTa^a  ca  Horo :  ii](o  tli  Maeui 
Hiin;e  sa  noKyTy?  Bin  iiiä  nOBi^aT:  ne  öaps  ea  atypio  Toy  noKy- 
Toy :   ÖTei];b  TBin  öajit  öy^e  cnpaBjraTH.    A  onä  noBi^aT:    th  ea  He 

atypHm  a  tbi  oti  cnepTHy  sicTay  noKapaHtiä.  Eo  0Teu;i>  tä  xo^ie  30 
jraoy  a^eHHTH,  öy^yT  na  Teöe  sa^LiiHTH.  R  To6i  noKä:Ky,  äk  Maeni 
poÖHTH.  Ey;i;eui  ryjraTH.  Hac  ecT  ;i;BaSi];aTt  inTiipLi  cecTpiß.  I  c 
KaatAoy  Maeui  pas  ca  oöepnyTH.  A  eaceiri  6bic{h)  ca  öijrtme  oöepnyy,  to 
no  tbohIm  ^hth),  60  na  Teöe  BmLiTKH  Bäiit^aT.  Kk  Aßani^aTB  Tpn 
nepenycTHin  a  npiiil^ieni  na  Mene  na  ocTaTKy  a:eÖLTc  ryjray,  kijilko 
xo^eni,  KIJILKO  TH  ca  no^äöaT.  Ha  öajiK)  nepenycTny  bIh  ;iBaHn;aTi> 
TpH  cecTpiB,  c  KajKAoy  ca  pa3  oöepiiyy,  a  3  iiaHMOJiOAiuoy  ryjay, 
KijBKO  My  ca  no;i;oöäjio.  Hotom  no  öäjno  i  BectiJiio  niuiJH  oöoe  cnaTH 
äo  Toiii  CTaHi];HHi,  ^e  tiophokhh}Khhk  nepmy  noKyTy  eMy  3aB;i;aBay.  I 
Kaate  onä  eMy :  cnaTH  ne  öy^eMe,  öy^eMe  sbliatbi  BTLiKaTH.  Ajie  Hac 
öyAyT  AoranaTH,  Ta  a  ca  ne  öoio,  moöw  Mene  xto  Aoronny.  I  3aöpä.TH 
ca  yTLiKaTH;  onä  naKasajia  TOMy  KaMeneBH  i  TOMy  H6a:HK0BH,  iu;oöu 
3a  HHX  roBopMH.  Ciyra  npHxÖAnT  pano  ^o  ABcpHn:  npocHT  TaTKO 
Ha  KaBy.  A  KaMint  i  ujHSopHK  roBopaT:  emeetMO  ca  ne  BLicna.iH. 
npHHuioy  3a  roAHHy  KjH'ie  anoBycL;  toh  KaMiHL  i  hojkhk  snoByct 
BiAnoBiAäiOT :  en;ectMi>i  ca  ne  B^eca.iH.  HoTOMy  saöpay  ca  cjiyrä  i 
npiixoAHT  3H0B  3a  ro^iiny:  npocHT  pa3  TaTKO  na  KaBy;  ohh  Bi^no- 
bijih:  en],ectMO  ca  ne  aiöpäjiH.   3aöpäy  ca,  niinoy.    JI^Lü  iqk  qeTsepTa 


518  I-  Werchratskij, 

ro^HHa  no  noay^iHH.  SHOBycfe  K^A^e,  a  ohh  :  emecLMo  ch  ne  noyöy- 
BäjiH.  I  Ha  HÄxy  roÄHHy  3hob  npHÜnioy  KJiHKaxH  a  ohh:  mo  tbi,  xäry, 

^  y 

ÄÄÖJia  sSim,  ate  mli  c  xoöoy  Käey  hhxh  hg  öy;i,eM.  Toälihkbi  posöii.iH 
ÄBepH  i  HaäuijiH  xIjilko  KäMini.  i  xoh  h6}Khk.  IIoxöm  ßßa,nis,RTb  xpn 
cecxpiß  siöpäjo  ea.  3a  HHnia  ;i;oraHÄXH,  ^oraniiox,  Aoranaiox,  Ba:e  ne- 
^ajieKO  AorÖHüx.  A^  xy  spoöiiy  ca  3  nero  cxaptiä  ^ojiobik,  chbhh  a  s 
Heäi  ibäA.  I  ntixäiox  ero  xoxh,  mo  AorauMH:  i^li  hg  bhabIjih  bm  xy 
ÄBoe  jiKAa,  aceÖBi  yxtiKä.iH  xy^tiHKLi?  BuAtiy  eM,  ate  yxtiKäjin  xy- 
äwhkli  mojeoäm  JiÖAe,   onä   ocoöa   üa^na.     ll,ti  aaJieKO    ohh   Moacyx 

ÖBIXH?    AaSHO  BBI  nix  BHABIJEH?  0  AaBHO,  I02t  XOMy  CXBipBaJIO  MHoro 

poKis,  bIa  xoABiHKa  Ä  nac  npaöaÖKy,  öäÖKy  i  aiäxKy  xoro  xojihxh.  A 
OHH  cxäjH  i  saAyMädiH:  eateji  xaK,  xo  xo  ne  xbix  ABoe  jno^a  —  i  no- 
BepnyjtH  ;i;omib.  A  Mäxn  hIm  Kä)Ke:  bbi  iiix  ÄoroHH.in,  60  onä  ÖBiiia 
XGjiaxeM,  a  bIh  nacxyxoji.  I  ÄBäHii;axB  xpn  cecxpiB  Hasä^  noBepxäjm 
sa  HHMH  ÄoranaxH.  S^oraHHiox,  SAoranaiox  .  .  .  loa:  HOÄajieKO  eyx. 
3  Heäi  spoÖHJia  ca  cxyAHa,  a  3  nero  BOApo.  To  BCApo  poccBinye  ca, 
HarHHJie.    Ohh  xo^ax  ^oKÖJia  i  noanpaiox  i  noBepnyjiH  ao  ÄOMy  Hasa^. 

IlpHHnijiH  äo  ÄOMy  a  oxei];B  Kaa^e :  bbi  hix  AoroHHJiH ;  obuo  Be^po  BsaxH 
i  ÖBijia-ö  cxy^Ha  ninuia  3a  hhm.  I  xaK  ohh  siÖpaJH  ca  pasoM  3  jiäxepey 
3a  HHMH  roHHXH.  ^oraHaiox  äix  i  loac  He^a-ieKo  eyx.  Aa:  xy  3  nero 
spoöay  ca  cxaB  a  3  neSi  KaqKa  i  njiBiBae  no  Bo^ti;    aK5Ke-a:  Aicxäjra 

3jncxB,  BcaÄHJia  ap^HCXoro  orna  b  cxaB  1  xox  orenB  cnajiny  Bce  ÄOKOJia 
i  eecxpBi  i  MaxBip.  A  ohh  o66e  saöpajrn  ca  i  nirnjui  rex.  I  npHnurn  3a 
rpaHHriK)  co6i  i  ocxäüH  b  e^niM  AOMi,  60  nycxBiä  ä^m  cxoay  i  ohh  xaM 
codi  spoÖHJTH  saMeniKana.  I  Bin  noBi^ax :  a  nifi^y  äo  ßixi^a  i  Maxepn 
CBoeäi  a  xbim  ^lacoM  xeöe  ocxäBjno  caMy.  A  ona  Kaaae :  eateji  xbi  Mene 
ocxäBHHi  i  npiinAeui  ÄO  CBoro  oxi^a  i  siäxepn  i  CKopo  xeöe  yBH^ax  xbohi 
cecxpBi-öpaxa  i  o6n;Bii[yiox,  xbi  0  BUiBixKiM  3a6yAeiH,  ac-cb  ÖBiy.  A  sin 
noBi^ax :  ^e-ßti  a  xo6i  ^ay  sarBiönyxH,  äc-öbi  a  xeöe  ocxäBHy,  xa-at 
TBI  Mene  3  seüHKoro  nemlcxa  BBiöaBHJia.  Aje  onä  Bce  noBxäpax:  3a- 
öy^em  0  BinBixKiM!  A  sin  fiiä  Kaate,  :Ke  ero  Moace  Bor  KapäxH  3a  xo. 
aK  ÖBi  Bin  Hiäi  ocxäBHy  i  3aÖBiy  äiSi.  I  Bin  npnäixay  ^o  ÄOMy,  oöu,Bi- 
jryeäTH  ro  xoxax  a  Bin  ca  He  ^ae.  I  xoxbi  nöxiM  HBixäioxB  ca,  Ae  ßin 
tIjibkbih  ^ac  3aöaB.iay  ca?  Bin  Käace,  mo  y  ^iK6.iax  ca  B^Hy.  Tbi 
noHixay  —  noBiAäiox  —  ^o  cBBixa  rex,  a:e  xa  Aßa  pÖKBi  ne  e.  I  Bin 
codi  HOJioaiHy  ca  cnäxH  i  npHHuiJiä  HaHMOJOAuia  cecxpä  i  oöi^tLioBäjia 
ro.    I  Bin  0  BUiBixKiM  3aÖBiy,  ac  ßiH  ÖBiy.    I  noxoMy  ero  ;KiHKa  snäe 


Die  Mundart  der  Gegend  von  Uherci  bei  Lisko.  519 

Aoßpi,  mo  CH  3  HHM  CTäjio.  IIpHHm;ia  äo  Toro  caMoro  ^Bopä  äo  c-iyÄÖbi. 
OcTäJia  xafti  sa  noKoesy  a  äorö  acemiTH  xotät.  Ta  oiiä  Btijibjifl;ia  ;i;Ba 
rojiyöi^ti  3  BOJOBa  i  nocxdBHJia  emy  na  xapijtt  i  npocHT  ro  na  ÄapynoK. 
I  Bin  CH  ctiy  Kojo  thx  rojiyCJuibiB  i  ahbht  cü  na  hhx.  ük  bih  ch  na 
HHx  ÄHBHT,  cTäiOT  OHH  My  öecti^yBaTH,  A©  bIh  aÜHKy  May,  aie  xo  onä 
ero  a:lHKa  B03jio6.'ieHa.    Bin  loat  Bsny  Hiöi  i  acny  3  Hey. 

(ZoßisBä). 

C.  Verzeichniss  einiger  Lokalausdrücke. 

a.  ajLÖö  Yc.  oder,  gruth.  a66  oder  ädo. 

ajia!  JT.  Treibruf  der  Sebafe.  Lockruf:  nxy!  nxy!  cojih!   cojih! 

ai^Ll  Ä.  Treibruf  der  Schweine.  Kyi^bKo-Kyii,L!  Lockruf  der 
Schweine. 

6.  ÖapaH  E.  nxi'ma;  no  fljiiBu;ax  ßbiBax,  eine  Vogelart. 

öeöenia  JT.  collect.  Eingeweide,  cf.  ßeöexH. 

ÖHp-ÖHp!  Yc.  Lockruf  der  Sebafe. 

önpKä  Ha  äiBHHLl  Yc.  Kätzchen  der  Palmweide. 

ösAtipKa  Yc.  Ellritze,  Pboxinus  rivularis  plur.  ösAtipKLi. 

öiryH  B,  »ebixb  sacxäsna  na  pLiöti«  eine  Art  Stellnetze  zum 
Fischfang. 

66»:a  3a3yjLKa  B.  Marienkäfer,  Coccinella  septempunctata,  wird 
von  jungen  Mädchen  um  das  künftige  Schicksal  mit  den  Worten  be- 
fragt :  sasy.ibi^bo,  nepenljitu,bo !  pocnycx  KpMbu,«  na  mxbipn  6hiÄhu,a. 
i  rsB  i  xaai,  ^e  h  ch  Bi^AaM?  Beim  Befragen  lässt  man  den  Käfer  auf 
dem  Handrücken  fortkriechen  und  beobachtet,  welche  Richtung  der 
Käfer  beim  Wegfliegen  einschlägt. 

66exH  ca  Y.  z.  B.  ßapänbi  öo^yx  ch  die  Widder  stossen  an  einan- 
der mit  ihren  Hörnern. 

öyjiÄ  Yc.  Kartoffel,  öyjiaHHK  Yc.  Kartoffelkuchen,  »neie  ch  na 
KanycxaniM  ancxicy  3  öyjibi  i  iryKbi«. 

B.  Baji  B.  Schichte  abgemähten  Grases,  nomc. 

Banxiox  n.  Panzen  oder  Wanst,  erste  Abtheilung  des  Magens  bei 
den  Wiederkäuern. 

Bapt'a  B.  pol.  warga,  Lippe;  lemk.  Bopra  (sprich:  worha). 

BepexbijibHHK  B.Yc.  BepexbijrbHHi^a  Ä.  BepxbLTbHHu;fl  II. 
Eidechse,  lacerta  (in  anderen  Gegenden  Galiziens  bedeutet  BepexbijibHHK 
oder  BepexbijbHHi^E  Blindschleiche,  Anguis  fragilis). 

Bepen],aHKa  Ä.  Eichelhäher,  Garrulus  glandarius  [dem  lat.  Aus- 


520  I.  Werchratskij, 

drucke  garrulus  und  dem  ruth.  BepenjiaHKa  (cf.  BspecK  Geschrei,  Bspe- 
n^axH  schreien)  liegt  dieselbe  Vorstellung  zu  Grunde :  ein  schwatzhafter, 
oft  schreiender  Vogel]. 

BepxHHuä  Yc,  dem.  BepxHHHKa  Yc.  Oberes,  Schmetten. 

BLiKpyxH  X  säjniiL  öiacHT  na  BtiKpyTLi  der  Hase  läuft  in  viel- 
fach geschlängelten  Linien. 

BLiToqHHi^a  Ä.  Waldmaus,  Mus  silvaticus. 

BicTKLI  B.  OCTH  fl,0  IipOÖHBaH}!  ptlÖ. 

Bi^aHKa  Ä.  Augenlid,  noßlKa,  biko. 

BimHi^H  y.E.  JI.  Nachtfalter;  Lichtmotte,  tpaKaiva. 

BiH  y.  Augenlid,  plur.  Biäi.  [roioe«. 

Boyiia  TaöaKa  Y.  Lycoperdon,  Stäubling  »öepyT  na  panLi;  bh- 

Boni  Yc.  adv.  weit,  in  der  Ferne.  BÖiii  e  ajitöo  ren  e  Yc.  =  ^a- 
jieKO  e. 

BopoatHJiLKa  Ji.  Marienkäfer,  Coccinella  septempunctata. 

Bnepa  Yc.  gestern.  In  Ostgal.  meistens:  B^iöpa,  y^iopa. 
r.  (Ruthenisches  r  wird  wie  cech.  h  ausgesprochen,  also:    raKyjfl, 
raxfcia:,  sprich:  hakula,  hatjiz). 

raKyjfl  IT.  »KptiBe  AepsBO  ao  SMixoBaHK  oöipnzKy  3  Boaa«  höl- 
zerner Haken,  womit  Dünger  vom  Wagen  herabgeworfen  wird. 

raxLiat  Y.  gen.  fem.  ».iioä  na  piniti  mo  ch  cxHHax«.  Ha  pii^ti  1^6 
raxLtat.  Äy»^e  raxti^n  viel  Treibeis,  in  B.  gen.  masc.  BejHKBiä  raxBia: 
B.  Ay^e  raxfciaty  B. 

rcHxä  IL.  KJiHqe  na  KÖHi>i,  mo-6  noBepxä.in  na  .itiBO^  Bicbxa 
Ha  npaBO. 

rtiJKBJifc  n.  Blattrippe  z.  B.  beim  Kohle,  e^en  rLiacejit. 

rMoyiixH  GH  Y.  aöo  bmo^hxh  ch  Y.  =  bhhxh  ca.  lentipraq 
TMo^HX  CK  KJEiOKaMH  B  rojioBy  die  Fledermaus  schlägt  ihre  Krallen  in's 
Kopfhaar  des  Menschen  hinein  (nach  dem  Aberglauben  des  Volkes)  = 
BHHe  CK  B  röjioBy  B. 

rHyxKHH  Y.  biegsam,  rnyiiCHH,  rHHKHH. 

rojioBäTiKa  JI.  Kaulquappe,  larva  ranae. 

rojiyÖHi^ü  Y.  Taube  (Weibchen);  röjryö  Tauber. 

i'i 
ropoöejt  Y.  plur.  ropoöjrbl  Sperling;  doch  Bopoöen;!.  genit.  bo- 

po6n;H  Yc.  cf.  ukr.  ropoöemt. 

rpiMHHi^fi  Yc.  Donnerwetter. 

ryK  Yc.  Männchen  des  Schweines,  cbhhä  naJiHX  ch  ao  ryKa. 
cbhhh  ryKax  ca. 


Die  Mundart  der  Gegend  von  Uherci  bei  Lisko.  521 

i'.    (Rutlienisches   i'  wird  wie  polnisches  g  oder  grossrussisches  r 
ausgesprochen;  also  r'apr'äBKa  sprich:  gargawka). 

f'apf'äBKa  n.  JI.  r'apAaf-äBKa  y.  Gurgel. 

i^y^SM  y.  »B  rop.iti  Äyciix«.  eine  Krankheit. 
A.  Ääi'Ae  y.  hie  und  da. 

AaiiEoaceßije!   B.  nosAopoBjfliOT  6ä6y,  kciii  nepe  na  pii;ti. 

ABiä^iäcTLin  n.  eigtl.  doppelt;  in  der  Bedeutung  gabelig,  gabel- 
förmig getheilt.  xbIct  ÄBiä^äcTtiä  jacTiBKH. 

ÄtiBHHa  y.  Wollkraut,  Verbascum  »BapHT  ca  kbIt  na  päHH,  k6- 
piHL  na  rocTeu;«. 

ÄHLlßKa  B.  Tagarbeit,  i^e  na  AHtiBKy  =  na  jueHHy  poöoTy. 

^OMixyBaTH  B.  zuwerfen,  hinzuwerfen.  bIh  AOMixye  cmojhkIb 
ÄO  Karanufl. 

ÄOCTHTHyTH  yc.  verb.  trans.  erreichen:  einholen,  Koroet  äo- 
CTHrHyxH  KOueM  jmd.  zu  Pferde  einholen. 

;i;pi6jrH  JI.  gen.  neutr.  genit.  ÄpiöJiH.  »aK  ch  mo.i6tht  3Öi»:a  i  bw- 
rpaöax,  Toxa  ^ipiÖHa  coJioMa  c  noüÖBOM  i  namHiicxe -r—  to  apiöjiä; 
öepyx  ä-JTä  xy^oÖBi«. 

ÄyHLKa  B.  Näsling,  Chondrostoma  nasus.  plur.  ^yHLKW. 
3.  3aBäjfcHHii;ii  y.  saBajitHLiii  ctnir  y.  grosser  Schneefall.  3a- 
BajBi  c  ctHiry  a.iLÖö  ci>HiaiHHri;a  yc.  Schneefall,  grosser  Schneefall. 

saB^axH  KOMy  cxtixä  R.  jmd.  zur  Schande  gereichen. 

sasyjiLi  y.  plur.  taut.  Orchis  latifolia  »Aoöpi  na  ocxy^bi«. 

saMemKaiiH  JI.  Wohnstätte. 

3a5iixoBaxH  B.  saKUÄOBaxH.  saMixye  cojroMoy. 

3anonpyxa  B.  npyx  so  cxiicKaHa  npHMiposi  ^yr  (Fassdauben) 
HajraAÖBaHHx  na  bosi. 

3anycx  ü.  »mo  sanycxHX  mojioälih  Jitic«  junge  Waldkultur. 

sa  pflÄOM  Ji.  der  Reihe  nach,  nach  der  Ordnung. 

3äcJiOHti  Ha  öi^Li  K.  mouches  volantes,  myiodepsia. 

saymHHi^Li  y.  saBajiKH. 

3axwjiHXH  y.  in  der  Bedeut.  sacxyniixii  behüten,  schirmen:  hhh 
nan  Bir  saxtiJiHx  Gott  behüte,  Gott  bewahre. 

3ain;e3HyTH  y.  verschwinden. 

SApyxHtijie  AepeBO  11.  vermodertes  Holz,  cnopoxH/iBijie  Acpeso. 

sisApixH  CH  yc.  (o  MO.ioitbi)  etwas  sauer  werden.  3i3Api.30  ca  mo- 
JLOKÖ  =  xpoxa  noKBacHLijro.  3l3ApiJte  mojokö  etwas  sauere  Milch. 

sLiHKa  A.  Pupille,  psl.  3t:HHU,d. 


522  I-  Werchratskij, 

3JILIH  Ayx  Ä.  Wirbelwind,  sjihh  Bixep  (hier  ^yx  in  der  Bedeutung : 
Wind)  »^acoM  posMeye  CHonH  a66  iückom  sacLinjie  o^ih«. 

3HtiTHTH  GH  II.  CKyjHTH  CH  sich  niederduckcn ;  sich  zusammen- 
rollen.   3HtlTHT  CH  yOüOBlK  3  MOpOSy.    fiiat  3HblTHT  Cfl. 

i.  inaKuiHH  Y.  anderer,  o  inaKiuiM  iMK»  anderen  Namens. 

inäite  y.  anders,  mh  inäuie  ne  HaswBaMe. 

icxoÄHTH  n.  yxoAHTH  z.  B.  KpoB  icxö^HT  II.  das  Blut  rinnt. 
K.  KaBKaTHy.B.  (vom  Dohlengeschwätz)  schreien.  KaBKa  KaBKax. 
KaBKLi  KaBKaioT.  Der  Name  KaBKa  ist  onomatopoetisch:  ein  Kas!  Kas! 
schreiender  Vogel. 

KaABiJii>  B-  wann.  KaAHJit  3  bo^w,  ick  pLiöa  hg  atne. 

KajiaTÖ^Ka  Ä.  Klapper.  KajraxöqKLi  ^näiOT  KopösaM  na  mnio. 

KajiHÖaHt  n.  Lache,  Pfütze. 

KaJii6»:a  Yc.  Lache,  deminut.  KajnoKKa  (um  Lemberg:  Ka.ry-»ca). 

Kapiii'a  Yc.  Spund,  ^aö  KapiirY,  3äTKaM  ^tipy  b  66ms,hi. 

KBinH^iKa  JI.  siedendes  Wasser  (um  Drohobyc:  Kiina^Ka  Bergöl, 
Naphtha). 

KLi^ejGHOK  E.  Fingerglied;  Stummel,  plur.  Kuqe.3eHKM. 

KicTap  n.  Kernbeisser,  Coccothraustes  vulgaris. 

KiTjiHUiBi  Y.  »Btieme  Kontixa  y  kohh«  Kastanien  beim  Pferd  (um 
Ternopil:  koxhk-h). 

KjianäqHK  Y.  Kneif. 

KOÄhia.  Y.  »mo  BLi6e  Ko.ieco«  die  beim  häufigen  Fahren  von 
Wagenrädern  in  den  Boden  geschnittenen  Rinnen. 

KÖHOBUiH  Y.  Kanne.  Plur.  Nom.  KOHOBiiiLi.  Loc.  b  kohobi^ex. 

KopKoöex  Yc.  gen.masc.  KopKoöexa  JI.  gen.fem.  KopKo6ei^(t) 
n.  KypKyöexa  und  KopKyöexa  E.  Regenbogen,  iris.  rum.  liurku- 
beü.  Jiapfihm  KopKOÖex  Yc. 

KpHBoßiK  Y.  Flohkrebs,  Gammarus.  plur.  KpHBOÖOKH. 

KponHBHHK  n.  Sylvia,  Waldsänger, 

Kyponäxa  Y.  Rebhuhn,  Perdix  cinerea,  ^ßi  KyponäxLi. 

KypxaK  n.  eine  Art  Spenzer  »mo  6epe  na  pyKaBbi  xjon  aöö 
atSHa«  cf.  KypxHH  kurz.  —  KJiänn;bi  =  y  KypxaKä  Btuorw. 

Kyi^BKo-Ha!  Yc.  Lockruf  der  Schweine,  anib!  ai^io!  Yc.  Treibruf 
der  Schweine. 

Ä.  ^leHÖHK  B.  3  pyKaBaMH  öjiosa. 

jienKOBHi^Ä  Yc.  lettiger  Boden. 

jiBicxa  Y.  Wade. 


Die  Mundart  der  Gegend  von  Uherci  bei  Lisko.  523 

Ji6a:e  p,o  *y3HHi  Y.  Kolben  am  Feuergewehr. 
jiomäK  y.  grösseres  Fohlen;  junges  Pferd.  [schuppe, 

jiyna  na  Aepeßi  a6o  cKopa  II.  Rinde,  .lyna  y  ptißti  Fisch- 
M.  MaK0Ä3H)6  n.  MaKOHiA  II.  MaKofilAHK  II.  Hänfling,  Fringilla 
cannabina. 

Ma.ieiieiiKLiil  Y.  sehr  klein. 

Ma^aHKa  Yc.  »^o  MOJioKa  a^itöo  ao  boah  CLinjie  xpoxti  niyKLi  i 

CLipa  i  SaKOJIOTHT«. 

Mepe  Yc.  eine  Partikel,  die  oft  zur  Verstärkung  oder  Hervor- 
hebung des  Gesagten  gesetzt  wird,  nepe  res  saM  Kaacy,  Mepe  cnpa- 
BeAJHBO  noTOM  spoöny. 

MBTaTH  sölaca  B.  =  bIath  söiace. 

MOJIHTBHHLI  yC.    MOJIHTBtl  HaA  aCBHOy,   mO  pO^HJa  ÄtiXÄ. 

Myxa  öjinmäiia  Yc.  Leuchtkäfer,  Leuchtwurm,  Lampyris. 

MymKti  n.  BOJiocH  Ha  nepe^ti  niATHTs;  rÜATHTa  ^rynpHna  abge- 
stutztes Kopfhaar  vorn  oberhalb  der  Stirn. 

H.  HaBajii>HHH,H  yc.  HaBajitHnS  äoih,  Sturmregen,  gruth.  nanäjiL- 

HarHHJLiH  JI.  an  der  Oberfläche  verfault.  [HH^fl. 

Ha^axH  ca  Tl.  in  der  Bedeut.  xpa^HTii  ca,  sich  zutreflFen.  hk  ca 
na^äcT  xyAOÖa  Ao6pa  wenn  sich  ein  gutes  Stück  Vieh  trifft. 

HaMOjroTOK  y.  ausgedroschenes  Getreide.  3  Toro  naMOjroTKy 
HH^i  HB  6yAe. 

Ha  npax  E.  ganz  und  gar.  yceHiii^Li  na  npax  3Hi/i;ÄT  KanycTy, 
sicTäne  cäMe  rtiqa. 

HaexyHfcKa  Ve.  Anastasia. 

HainaHKa  yc.  Peitschenschlinge  »mo  Baate  öh^  b  ÖHiaBHOM«. 

HLiMHHa  Vc.  Vieh,  ckox  cf.  psl.  H'kM'K,  xw^ög,  mutus,  himhh. 

HomejüKBi  y.  »mo  Ha  hhx  nece  KOHOBii;Li{(,  KopoMHCJio. 

HypKo  Ä.  Wasserstaar,  Cinclus  aquaticus  »HypKo  na^  BOAoy  ca 
ryi^ax,  nox6>i  nypiix  ca  b  BO^y  i  naK  3hob  a  boah  BtiiiAe«. 
0.  {B)6ß,him.  Ye.  Kleidung,  o^eata. 

OAJieniopa  y.  Kopfgrind. 

osejesL  aöo  omeAiHa  y.  Reif  an  Bäumen. 

ÖKpaen;  Vc.  Ranft.  [Pflugbret. 

OHaA  B.   Pflugschar,   jieMim;    nepeAna  ^aexL   nojiHiiii  y  njiyra 

ona-iEHOK  n.  ona.iauya  11.  in  vielen  Gegenden  Ostgal.  na- 
jiaHHii;«,  naiAHHi^a. 

ocxLipri.1  n.  a6o  poccoxa^ii  (ropanKa)  «KjaAe  äo  hhx  KOMa- 


524  i-  Werchratskij, 

HHii;io ;  cnoAOM  poÖHT  oTBip,  möÖBi  BiTep  npo;iiyBay  abgehauene,  in  den 
Boden  senkrecht  eingerannte  Gabeläste,  um  welche  abgemähter  Klee  in 
Haufen  gescharrt  wird. 

n.  naByK  JE.  Pfau  (Männchen),  nana  JI.  Weibchen  des  Pfaues,  na- 
ByK  Ä.  Spinne,  doch  nayiiHHa  (nicht  naByrana)  oder  nayXHHa 
Spinnengewebe. 

neüexaTBiil  11.  in  der  Bedeut.  flockig.  cBHir  ne^exaTtiä  Schnee, 
der  in  grossen  Flocken  niederfällt. 

ncTpo  E.n.jT.  Wiesenknarrer,  Wachtelkönig,  Crex  pratensis. 
B  Ä.  npHroBopioioTL  nacxysH:  »nexpe!  nexpe!  tohl  tsm!  khii;-khi];  ! « 
—  a  B  n. :  »nexpe  1  i^at  r'pox  !  —  nexi^e,  6oöbi-m  s^ox!  —  ne  SAiixan ! 
nontixää!«  —  r'pox  =  pol.  groch,  ruth.  ropox  (sprich:  horoch). 

neu;  11.  Ofen  gen.  masc.  genit.  neu;a.  Die  Form  ist  dem  slovaki- 
schen  pec  entlehnt;  die  in  Ostgal.  oft  gebrauchte  Form  nen;  genit.  nei];a 
ist  polnisch:  piec,  pieca;  ruth.  ist:  niq,  genit.  ne^n,  gen.  fem. 

nHUJKBi  Yq.  Blutfedern.  [äotvi. 

niAKO-ioxB  n.  gen.  masc.  Wachtel,   e^en  niAKO.jroxb.   ^sa  ninKO- 

ni^KOJioTLKO  B.  Wachtel,  Coturnix  communis,  cf.  hung.  ruth. 
n6Ano.ioxfl  genit.  nöAnojioxHxn. 

niApeuiixfl  JI.  gen.  neutr.  aöo  c^hhähkbi  plur.  taut.  Ä.  »xo, 
jn,o  npH  -wm^eiijo  aöo  ^HHenio  söia^a  bIaxo^hx«  Ueberkehr. 

niÄxpaMHHu;;!  Yc.  Bufo  variabilis,  Wechselkröte  (aa  ähh  KpBie  ca 
ni^  xpanaMH  b  xtia^n). 

nin  Ä.  nonHK  Yc.  Küchenschabe,  Periplaneta  orientalis. 

nJiecKaTiKa  II,  Rhodeus  sericeus,  Bitterling,  Plättel. 

nora^Ka  Ä.  Räthsel.  Bi^ra^an  mbhbi  xy  nora^Ky. 

no^ajiG  E.  in  der  Bedeut.  nahm  ab,  nojtBlBiLio  (in  der  Krankheit). 
CJiaöoMy  loat  noAajio  der  Kranke  fühlt  sich  besser. 

nojiOHB  B.  Wuhne,  naöep  boabi  c  no.ioim,  naA  nö.50Hey. 

noneJB  Y.  Blattlaus,  namentl.  Aphis  brassicae.  noneJBi  na  Ka- 
nycxBi. 

nöpanoK  Yc.  Morgen.  KpacHBiä  nöpanoK  schöner  Morgen,  ixu  na 
nöpaHKBi  =  ixH  na  panHy  poöoxy. 

nopoxHiiBKa  Ä.  Kröte,  Bufo. 

nopxKBi  B.  aus  grober  Leinwand  verfertigte  Hosen. 

npaxH  n.  in  der  Bedeut.:  schlagen,  klopfen,  erschüttern,  atoyna 
no  ^liepeni  nepe  der  Specht  hackt  mit  dem  Schnabel  an  die  Baumstämme. 

npnnoMÄHyxH  Y.  gedenken,  ins  Gedächtniss  zurückrufen. 


Die  Mundart  der  Gegend  von  Uherci  bei  Lisko.  525 

npHxonHTH  yc.  AK  npiixonHT  Mopos  wenn  Frost  plötzlich  eintritt. 
nxyKaBKa  Ä.  Turteltaube,  Turtur  auritus. 
nyra  II.  Uhu,  Strix  bubo  s.  Bubo  maximua. 
nypxaBKa  E.  Kröte,  Bufo. 
p.  pir  Yc.  in  der  Bedeut.  sactK,  Banse.  cKJiaÄ^  BÖiata  äo  porä. 
po3BHÄHHT  CH  11.  der  Tag  bricht  an. 

posnoBfcTH  (pocnoBicTH)  Ä.  erzählen;  umständlich  erzählen. 
pyMsp  E.  Hundskamille,  Anthemis  cotula. 

pa6ei];i>  II.  Eberesche,  Sorbus.  genit.  pfl6u,ib. 
c.  CBHHaK  y.   Gänsedistel,    Sonchus    »Mae  6ije   mojiokö;    Äoyxo 
KBHTiie;   rycH  i  CBHiii.i  jii66.iiht«. 

CLBiproTaTH  y.  zwitschern;  zirpen.  CLBipKfci  cLBiproTyx. 

cBBipK  n.  oder  cBepmÖK  II.  Grille;  Zirpe. 

ceTHtiH  n.  hier  in  der  Bedeutung:  ausgezeichnet,  gross,  ausser- 
ordentlich gross,  vortreflFlich.  ptiöa  ceTiio  BejiHKa  =  AJ^e  Be.iHKa, 
vergl,  bnlgar.  cbthlih  der  letzte,  der  äusserste.  [chhhkli. 

CHHHK  y.  Blaumeise,  Parus  coeruleus.  MaJeneHKLiä  nTäinoK  plur. 

CLipüBtiil  Ä.  graulich.  cyKHO  cbipaße. 

CKaKlBKa  E.  Frosch;  Laubfrosch,  plur.  cKaiciBKLi. 

CKepHmaHKa  II.  Tannenhäher,  Nucifraga  caryocatactes ,  cf.  bb- 
pemaiiKa. 

CKJiio^iHTH  ca  E.  sich  zusammenrollen.  cKjiiOTfflT  cä  yceHHitH  die 
Raupe  rollt  sich  zusammen. 

cKopTHLiH  JE.  wählerisch;  schlau  »nepeöirjiLiH«.  [BH^fl«. 

CMOJiä  yc.  in  der  Bedeut.  Harz.  »cMOjra  —  ^eKaAti  Käa^yx:  3kh- 

CMOJiÄKti  E.  Kienspäne,  cKHnKBi  cochöbbi.  Nom.  Sing.  cMOJiaK. 

CO 6!  iE.  =  na  jimbo;  qa!  =  na  npaBO  (K^iH^iKa  ao  bojib,  hk  no- 
raHÄx). 

cnjtacHyTH  T.  abnehmen  (v.  d.  Geschwulst),  cnjidcia  Horä  die 
Geschwulst  am  Fusse  nahm  ab. 

CnpÄTäTH  E.   CXOBaTH. 

CTHpaHKa  y.  saTHpKa. 

cyqe  mojokö  E.  Wolfsmilch,  Euphorbia. 
T.  xapKay  n.  Misteldrossel,  Turdus  viscivorus. 

xepHHHe  yc.  (statt  der  zu  erwartenden  Form:  xepHHHa)  Früchte 
von  Prunus  spinosa,  Schlehenfrüchte;  bei  den  Lemken :  xspiai  (in  ein- 
zelnen Fällen  zeigt  sich  bei  den  Subst,  die  vermittelst  des  SuflF.  -hk 
gebildet  werden,  der  Einfluss  des  doliscben  Dialektes). 


526      !•  Werchratskij,  Die  Mundart  der  Gegend  von  Uherci  bei  Lisko. 

TBipBaxH  Ä.  dauern,  Ttipßajio  =  Tpisa^io. 

Toa:  y.  auch.  xaKe  slijih:  Toat  na  chho  KBHXHe. 

xpöxH  He  yc.  fast.  cKiÄHKa  xpöxti  ne  nöyna. 

xpacHAyna  11.  Bachstelze,  Motacilla. 
*.  <»fcipKajio  ajifcöö  *yKajio  yc.  Kreisel. 

X.  xapHXH  E.  ^iHcxiiTH,  reinigen.  BtixapnxH.  BtixapnxH  jTc  den 
Wald  ausroden,  xapniext.  genit.  xapHOcxn  Reinheit;  Ordnung. 

XLiXBäHHLiii  yc.  schwächlich  (cf.  XHxäxn,  XHxäxH  ca).  XHXBaHHe 
xejiK  schwaches,  mageres  Kalb,  metaph.  xHXBäHHLiS  ^ojiobIk  ein 
wankelmüthiger  Mensch. 

XpyCXaBKtl  y.  HCBe-IHKM  CJHBKU  OKpyTJlaBtl. 

JH.  i^H.ii  B.  oder,  pol.  czyli. 

i];fciBä  eigtl.  Röhre.  xaK  .ihjIO  hk  c  i^lib  B.  =  jikjio  hk  c  n;66pa 
(vom  starken  Regenergusse). 

iliblnoyKa  Ä.  Hühnlein,  Küchlein,  cf.  russ.  i^Lin.ieHOK'L. 
i^toci!   i^locb!   JI.  Lockruf  der  Pferde. 
^.  ^a^ypKa  a6o  KOJiÖAKa  B.  »3 — 5  roplxlB  .ibicKOBUx  b  Kyrri« 
3 — 5  Haselnüsse,  die  zusammen  auf  demselben  Zweige  sitzen. 

^iBaKaxH  yc.  (vom  Geräusch  eines  fressenden  Schweines).  ^iBäKax 

CBHHÄ. 

^enepräxLiH  yc.  gabelig  verästelt,   uenepraxa  rajysa  Gabelast. 
^eneprai.  ^entipray  y.  Fledermaus. 
TiepB0HHi];fl  yc.  rothe  Thonerde. 
m.  mHJOBaxLiä  B.  pfriemenförmig,  spitz  zulaufend.  ));i;yHLKa  nw- 
coK  Mae  mHJOBaxLiSmHH,  Hti»:  ajiei^«. 

mHMxiixH  (kojio  B.)  kitzeln,  bih  mnMXHX  erö  er  kitzelt  ihn,  bIh 
jiocKÖ^ie  erö, 

m,.  mnnajtKa  yc.  Ohrwurm,  Forficula. 

niiHnajo  yc.  Krebsscheere.  paK  miin.ie  n^imajaMH. 
n.  amepKa  B.  yc.    amipKa  11.  Ä.  Nom.  Plur.  amipKLi  Erdmolch, 
Salamandra  (in  den  meisten  Gegenden  Ostgaliziens  wird  die  Eidechse, 
Lacerta,  mit  dem  Namen  amipKa  bezeichnet,  während  ainyp  Salamandra 
bedeutet). 

/.  Werchratskij. 


527 


Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben, 
mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Gedichtes  »Zä- 

hofoYo  loze«. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  neucechischen  Prosodie  und  Metrik  ^  von 

Jaroslav  Sutnar. 


Ein  besonders  grelles  Licht  wirft  auf  den  fast  ganz  anarchischen 
Zustand  des  accentuirenden  cechischen  Verses  in  vormärzlicher  Zeit  das 


1)  Mit  der  Geschichte  der  cechischen  Prosodie  beschäftigten  sich  vor 
allem  drei  Schriftsteller :  P.  Veprek  in  der  Abhandlung  »Beiträge  zur  Ge- 
schichte des  Kampfes  um  das  Princip  der  böhmischen  Prosodie«  (Siebzehnter 
Jahresbericht  der  deutschen  Staats-Realschule  in  Pilsen,  1890,  1 — 54),  Ota- 
karG.  Paroubekin  seinen  Arbeiten  »Z  dejin  ceskeho  verse«(Dvacätä  pätä 
vyrocni  zpräva  o  obecnim  gymnasii  realnim  .  .  .  [niestsk^  stfedni  skole] 
V  Praze  za  skolni  rok  1892,  3 — 39)  und  »K  dejinäm  ceskeho  verse«  (Dvacätä 
sestä  [Prvni]  vyrocni  zpräva  o  c.  k.  stredni  skole  na  Male  Stranö  v  Praze  za 
skolni  rok  1893,  3 — 63)  und  Josef  Kr äl  in  dem  Aufsatz  »0  prosodii  ceskö« 
■Listy  filologick6.  Rocnik  dvacäty  [1S93]  52—114,  190—215,  337— 35S,  417— 
433.  Roc.  dvacäty  prvni  [1894]  1—35,  161—192,  241—265,  321—353,401—448. 
Roc.  dvacäty  druhy  [1895]  33  —  65  [K  clnnosti  Jungmannove  v  prosodickem 
sporn.  Dodatky  k  clänku  »0  prosodii  ceske»],  238 — 244  [OdpoveJ'  Osvetej. 
Roc.  dvacäty  treti  [189G]  1—33,  161—178,  241—258,  381—444.  Roc.  dvacäty 
ctvrty  [1897]  15-28  [Doplhky  a  opravy  k  pojednäni  »0  prosodii  cesk6"]. 
Roc.  dvacäty  päty  [1898]  1 — 73  [0  prizvucnem  napodobeni  starovekych  roz- 
merü  casomernych.  Prosodie  ceske  cäst  druhä]).  Von  den  hier  noch  weiter 
in  Betracht  kommenden  Arbeiten  strebten  die  Studien:  Otakar  Hostin- 
sky's  »Nekolik  slov  o  ceske  prosodii«  (Kvety,  1870,  371  f.)  und  Josef  Dur- 
dik's  »Opomöru  obou  prosodii  ceskych«  (Casopis  Musea  krälovstvi  Öeskeho, 
1878,  58—78]  die  Lösung  des  prosodischen  Streites  au,  während  die  Abhand- 
lungen: Josef  Jirecek's  »Staroceskä  prosodie  a  jejl  zvlästnostio  (C.  M. 
k.Ö.,  1861,320—342),  Josef  Truhlär's  »0  prosodice  ceske«  ;6.M.k.Ö.,  1871, 
141 — 155),  Jaroslav  GoH's  »0  ceskem  versi  desetislabicndni«  ,6.  M.k.Ö., 
1871,  246 — 257)  und  V.  Kotsmich's  »Pirispevek  k  rhythmice  staroceske« 
(X  ty  program  c.  kr.  vyssiho  gymnasia  slovanskeho  v  Olomouci,  1879,  1 1 — 18) 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  altcechischen  Denkmäler  —  mehr  oder 
weniger  unter  dem  Einflüsse  der  Königinhofer  und  Grünberger  Handschrift  — 
zur  Beleuchtung  der  prosodischen  Frage  beitragen  wollten.  (Der  altcechi- 
schen Metrik  wenden  sich  zu  Julius  Fejfalik's  »Untersuchungen  über  alt- 


528  Jaroslav  Sutnar, 

obengeuannte  Gedicht  Erben's,  welches  erst  18o3  in  der  Sammlung 
»Kytice«  erschien,  obwohl  es  —  einem  Schreiben  Erben's  zufolge  — 
gleich  allen  darin  enthaltenen  Dichtungen  schon  einer  weit  früheren 
Zeit  entstammt  2].  Das  Metrum  dieser  Dichtung  macht  nämlich  auf  den 
modernen  Öechen  den  Eindruck  eines  unlösbaren  Räthsels  dank  den 
Aenderungen,  welche  bei  der  damaligen  accentuirenden  Prosodie  be- 
reits in  den  ftinfziger  Jahren  eintraten  und  nach  und  nach  infolge  einer 
konsequenten  Durchführung  der  Betonungsprincipien  einen  so  durch- 
greifenden Charakter  annahmen,  dass  heutzutage  selbst  ein  Literatur- 
kenner manchen  accentuirenden  Versen  aus  dem  vormärzlichen  Zeitab- 
schnitte rathlos  gegenübersteht.  Unseres  Wissens  wies  als  erster  von 
allen  Jaroslav  Vrchlicky  mit  einigen  allgemeinen  Worten  auf  die 
metrischen  Eigenthümlichkeiten  dieser  Erben'schen  Dichtung  hin  3), 
später  besprach  denselben  Gegenstand  Lev  Sole  in  einem  besonderen 
Artikel*),  zuletzt  unterzog  Josef  Kral  gelegentlich  seiner  eingehenden 
prosodischen  Studien  auch  die  Anfangsverse  des  Erben'schen  Gedichtes 
einer  ganz  kurzen  Analyse  ^).  Entschieden  falsch  ist  der  Standpunkt, 
welchen  in  dem  einzigen  Aufsatz  über  diesen  Gegenstand  dessen  Ver- 


böhmische Vers-  und  Reimkunst«  [Sitzungsberichte  der  philosophisch-histo- 
rischen Klasse  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften  (Wien).  Neun- 
undzwanzigster Band  (1859)  315 — 330  (I.  Die  dreitheilige  lyrische  Strophe  im 
Altböhmischen.  Lieder  und  Leiche).  Neununddreissigster  Band  (1862)  281 — 
344  (IL  Die  dreitheilige  lyrische  Strophe  im  Altböhmischen.  Zweite  Abhand- 
lung. Das  Kirchenlied  insbesondere)]). 

-)  Unter  den  in  der  Musealbibliothek  des  Königreiches  Böhmen  befind- 
lichen Briefen  unseres  Dichters  heisst  es  nämlich  von  der  Gedichtsammlung 
(Brief  15  an  Antonin  Eybicka,  vom  15.  Februar  1853):  ».  .  .  exempläi- 
bäsni,  dilem  sebranych,  dilem  dodelanych  neb  opravenych,  kterezto  ale 
vsecky  z  one  doby  zivota  meho  pochäzeji,  kdez  jsem  jeste  mel  chut'  verse 
stloukati . . .«  (So  weit  man  aus  den  bisher  bekannten  Nachrichten  schliessen 
kann,  hat  man  hier  ungefähr  an  die  Zeit  von  1830  bis  1843  zu  denken.)  Die 
angeführten  Worte  sind  —  wenn  auch  nicht  ganz  wortgetreu  —  bereits  ab- 
gedruckt in  Vincenc  Brandl's  Buche  »Zivot  Karla  Jaromira  Erbena« 
(V  Brne,  1887,  48). 

3)  »Kytice  z  bäsni  Karla  Jaromira  Erbena.  üpraveuä  a  illustrovana  peci 
odboru  literärniho  a  vytvarneho  Umelecke  Besedy  .  .  .«  (Premie  Umelecke 
Besedy  v  Praze  na  rok  1891,  VII— VIIL) 

4)  ))Jakym  versem  slozena  jest  Erbenova  basen  ,Zähorovo  loze'?« 
(Hlidka  literarni.  Rocnik  X.  [1893]  177—183.) 

5)  »0  prosodii  cesk6«  (L.  f.  Roc.  21.  [1894]  428—429). 


Prosodiaches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.  529 

fasser  Sole  einnimmt,  indem  er  in  der  Dichtung  überall  unter  gänzlicher 
Ausserachtlassung  der  vormärzlichen  Prosodie  die  jetzt  fast  allgemein 
anerkannte  zur  Voraussetzung  macht.  Da  man  jedoch  ein  Erben'sches 
Werk  nur  aus  dessen  Entstehungszeit  erklären  darf,  so  wollen  wir  in 
den  folgenden  Zeilen  nochmals  das  Versmass  des  erwähnten  Gedichtes 
einer  Untersuchung  unterwerfen,  der  vor  allem  eine  kurze  Geschichte 
der  cechischen  Prosodie  vorausgeschickt  werden  mag. 

In  der  cechischen  Poesie  herrschten  höchstwahrscheinlich  seit  der 
ältesten  Zeit  die  heute  geltenden  Betonungsgesetze,  freilich  mit  ver- 
schiedenen Abweichungen.  Aber  um  die  Mitte  des  XYI.  Jahrhunderts 
brachte  der  schon  Ende  des  XV.  Jahrh.  auch  in  Böhmen  aufgetauchte 
Humanismus  die  Grundsätze  der  quantitirenden  Prosodie  in  den  cechi- 
schen Vers.  Das  durch  Jan  Blahoslav  (1558)  eingeführte  Zeitmass 
erreichte  nach  dem  gelungenen  Versuche  Matous  Benesovsky's 
(Psalmenübersetzungen  [1577])  bald,  und  zwar  durch  Vavrinec  Bene- 
dikt Nudozersky's  vollständiges  System  und  musterhafte  Psalmeu- 
übersetzangen  (1606),  seinen  Höhepunkt,  so  dass  schon  die  Verse  Jan 
Arnos  Komensky's  (Ueb  er  Setzungen  der  Psalmen  [um  das  Jahr  1630] 
und  der  Catonischen  Distichen  [1662])  in  prosodischer  Hinsicht  sammt 
den  Theorien  Jan  Drachovsky's  (1660),  Vaclav  Rosa's  (1672)  und 
Josef  Ignäc  Bajza's  (1794)  einen  immer  mehr  um  sich  greifenden 
Verfall  des  Zeitmasses  bedeuten.    Die  quantitirenden  Dichtungen  waren 

—  mit  Ausnahme  der  bereits  genannten  längeren  üebersetzungen  — 
im  Gegensatz  zu  den  eifrig  betriebenen  Theorien  die  ganze  Zeit  hin- 
durch recht  schwach  vertreten,  hauptsächlich  durch  kleine  Gelegen- 
heitsgedichte, wogegen  die  weit  zahlreicheren  übrigen  Dichtungen  dem 

—  noch  früher  durch  Nachahmung  ungewohnter  antiker  Metren  gleich- 
falls in  Verfall  geratheneu  —  Tonmasse  zufielen. 

Da  trat  im  Jahre  1795  Josef  Dobrovsky  an  die  Oeffentlichkeit 
mit  seiner  prosodischen  Theorie,  der  Frucht  einer  siebzehnjährigen 
Arbeit,  wodurch  jener  übergrossen  Willkür  in  der  Verskunst  seiner  Zeit 
endlich  Einhalt  gethan  werden  sollte.  Dobrovsky's  Gesetze  der  cechi- 
schen Betonung  und  der  cechischen  Prosodie  erschienen  in  Frantisek 
Martin  PelzeTs  »Grundsätzen  der  böhmischen  Grammatik«  (Prag)  und 
wurden  später  in  einer  kürzeren  und  noch  fasslicheren  Art  von  ihrem 
Urheber  selbst  für  die  zweite  vermehrte  Auflage  desselben  Buches  (Prag 
1798)  bearbeitet  und  stellenweise  auch  ergänzt.    Hier  entwickelt  Do- 

Arctiv  für  slavische  Philologie.    XXVII.  ,  34 


530  Jaroslav  Sutnar, 

brovsky  seine  Lehre  in  zwei  von  einander  getrennten  Artikeln  (»Von  der 
Aussprache  ganzer  Wörter«  [9 — 12]  und  »Prosodie«  [202 — 216]),  von 
denen  im  Folgenden  ein  kurzer  Auszug  gegeben  wird. 

I. 

» [9]  Die  erste  Silbe  eines  jeden  böhmischen  Wortes  muss  den  Ton 
haben,  das  ist,  sie  muss  mit  einem  [10]  vorzüglichen  Nachdruck  ausge- 
sprochen .  .  .  werden,  wie  in  voda,  hlava,  bylina,  pravidlo,  holubicka. 

Diesem  Gesetze  müssen  sich  auch  die  fremden  Wörter,  welche  die 
böhmische  Sprache  aufgenommen  hat,  unterziehen,  als  natura,  lucerna, 
kometa,  kanovnik  .  .  . 

Der  Grund  dieses  Gesetzes  ist  in  den  einfachen  Wörtern  kein  an- 
derer, als  die  Wichtigkeit  der  ersten  Silbe,  die  ...  zugleich  die  Stamm- 
silbe ist  .  .  .  und  die  Hauptidee  ausdrückt  .  .  . 

11 1]  Dieses  Hauptgesetz  erstreckt  sich  durchaus  auf  alle  Wörter, 
sie  mögen  einsilbig,  zwei-  oder  dreisilbig  sein:  dub,  sloup,  zena,  panna, 
kräsa,  pächati,  sedati,  milostivy,  dobrotivost,  kralovati,  welche  Wörter 
alle  den  Ton  auf  der  ersten  Silbe  haben. 

Die  Biegung  eines  Wortes  ändert  an  dem  Tone  nichts.  Also  syn, 
syna,  synovi,  synüv.    Die  Stammsilbe  syn  behält  überall  den  Ton. 

Die  Ableitung  ändert  auch  an  dem  Tone  nichts:  Pän,  pansky, 
panstvi,  panuji  .  .  . 

Allein  die  einsilbigen  Präpositionen,  sie  mögen  mit  dem  Worte  zu- 
sammenhängen oder  nicht,  reissen  den  Ton  an  sich.  —  Die  Silbe  de  in 
d^lati  hat  den  Ton;  verliert  ihn  aber  in  dodelati,  nadelati,  zadelati.  — 
...  So  wird  aus  däti,  bräti :  dodati,  prodati,  nabrati,  sebrati.  —  ...  So 
wird  aus  päd:  näpad,  zäpad. 

Die  Partikel  ne,  nicht,  reisst  auch  den  Ton  der  Wörter  an  sich, 
denen  sie  angehängt  wird,  als  in  [12]  nedal,  nevidel,  nejsem,  nemäm, 
von  dal,  videl,  jsem,  mäm  ^). 


6)  Etwas  übersicbtlicher  und  eingehender  iu  Dobrovsky's  »Ausführ- 
lichem Lehrgebäude  der  böhmischen  Sprache,  zur  gründlichen  Erlernung 
derselben  für  Deutsche,  zur  vollkommenem  Kenntnis  für  Böhmen«  (Prag, 
1809,  10—11):  «[10]  Wenn  .  .  .  durch  die  Verbindung  einer  Präposition  oder 
einer  andern  Partikel  am  Anfange  eines  Wortes  die  erste  Silbe  von  ihrer 
Stelle  kommt  und  nun  die  zweite  odpr  dritte  Stelle  einnimmt,  dann  verliert 
sie  auch  [1 1]  den  Ton,  weil  ihn  die  vorgesetzte  Partikel  bekommt.  In  nemoc, 
neduh,  .  .  .  ntsiesti,  .  .  .  nemoudiy,  .  .  .  nejlepsi,  .  .  .  praded,  .  .  .  podvod,  .  .  . 
zapomenouti ...  hat  die  zweite  Silbe  nicht  mehr  den  Ton,  ob  sie  ihn  gleich 


Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.  531 

Die  einsilbigen  Präpositionen  reissen  auch  vor  den  Substantiven 
und  Adjektiven  den  Ton  an  sich,  wenn  sie  auch  mit  ihnen  nicht  zu- 
sammengeschrieben werden :  na  hrad,  pred  casy,  pod  stromern,  za  le- 
sem,  do  pekla.  Der  Ton  liegt  auf  den  Präpositionen:  na,  pred,  pod, 
za,  do  .  .  .  ■') 

Die  zwei-  und  mehrsilbigen  Präpositionen  lassen  den  Wörtern,  vor 
denen  sie  stehen,  ihren  Ton,  als:  proti  pänu,  podlö  reky,  uprostred 
domu,  wo  die  Wörter  pänu,  reky,  domu  ihren  Ton  behalten. 

Dies  gilt  auch  von  den  vier  einsilbigen  Präpositionen  skrz,  die, 
krom,  bllz  .  ,  . « 8) 

II. 

»[204]   Regeln  für  die  trochäische  Versart. 

1.  .  .  .  alle  zweisilbigen  Wörter  sind  Trochäen,  -'-^:  Släva,  dala, 
skocil,  skäkal,  boure,  müra  . . .,  ...  milä,  dävä,  chrämich,  kousi,  budon, 
prävüm,  kraväm  .  .  . 


als  erste  Silbe  in  den  einfachen  Wörtern  moc,  duh,  stesti,  moudry  u.  s.  w. 
hatte«. 

■i)  In  Dobrovsky's  »A.Lehrgebäude  d.b. S.  ...«  wird  (11)  die  Regel  ganz 
deutlich  und  mit  Recht  auch  auf  die  Für-  und  Zahlwörter  ausgedehnt,  wie 
man  aus  den  dort  angeführten  Beispielen  ersieht:  ».  .  .  o-tom,  .  .  .  u-neho, 
.  .  .  ve-stredu,  .  . .  po-poli,  .  .  .  na-nebi,  .  .  .  ze-zeme,  .  .  .  se-vsemi,  .  . .  ke- 
vsemu,  .  .  .  ob-den,  .  .  .  od-nich,  .  .  .  bez-ruky,  . . .  pod-nohou,  . . .  nad-hlavou, 
. . .  pri-zemi, . . .  pro-tebe, . . .  pred-nimi, . .  .  pfes-vodu  . . .«  Uebrigens  sind  die 
Fürwörter  schon  bei  Pelzel  in  dem  zweiten  Artikel  »Prosodie«  (207)  enthalten 
unter  den  Beispielen :  «...  na-dnm,  pres-led,  pod-krov, pfed-nej,  pred-nim. . .« 

8)  Etwas  abweichend  wieder  in  Dobrovsky's  »A.Lehrgebäude  d.b.S....« 
(11):  ».  . .  skrz,  krom  .  .  .  und  .  .  .  die  .  .  .«  Nach  Kräl,  welcher  die  bisjetzt 
ausführlichsten  Regeln  der  cechischen  Betonung  geliefert  hat  (L.  f.  Roc.  25. 
[1898]  19 — 39),  freilich  —  nach  seinem  eigenen  Geständniss  —  vielfach  auf 
Grundlage  der  Ausführungen  Jan  Gebauer's  in  der  »Historickä  mluvnice 
jazyka  ceskeho«  'Dil  L  572 — 585),  kommen  ausser  den  drei  genannten  Prä- 
positionen noch  kol  und  stran  in  Betracht  (30);  bei  den  ersteren  Präpositionen 
wird  eine  Ausnahme  —  nicht  allzu  häufig  —  unter  den  folgenden  Bedingun- 
gen gestattet  (30):  »Chce-li  vsak  kdo  klästi  na  slovo  hlavni  ve  vyrazu  pi-ed- 
lozkov6m  vetsi  düraz,  nez  jaky  v  sobe  obsahuje  prizvuk  obvykly,  zträci 
predlozka  ve  vyrazu  predlozkovem  prizvuk  a  pi^epousti  jej  slovu  hlavnimu. 
Rikäme  casto:  »Kdo  neni  spokojen  se  scyyn  jmenim,  bazi  po  cizim«  (ac  Ize 
tez  pirizvukovati  se  svym).  Zvläste  pf  i  predlozkovych  vyrazech,  jez  jsou  sobe 
protivny,  uzivä  se  takoveho  pHzvukoväni :  »Jdu  do  velkeho,  ne  do  maUho 
pokoje  .  .  .« 

34* 


532  Jaroslav  Sutnar, 

[205]  2.  Da  ein  dreisilbige3  Wort  den  Ton  der  ersten  Silbe  nie 
verlieren  kann,  so  muss  darauf  immer  ein  einsilbiges  Wort  folgen,  um 
zwei  Trochäen  zu  erhalten  .  .  .  Hier  bekommt  also  die  dritte  Silbe  den 
metrischen  Ton,  und  jedes  dreisilbige  Wort  ist  ein  Kretikus  oder  Am- 
phimacer  -^-  in  der  trochäischeu  Versart  9).  Man  muss  aber,  wenn 
die  dritte  Silbe  den  metrischen  Ton  haben  soll,  nicht  gleich  darauf  ein 
Wort  folgen  lassen,  welches  einen  vorzüglichen  Ton  hat,  der  nicht  ge- 
schwächt werden  kanu.  In  dem  Verse:  Posledni  krok  zlj'ch  a  dobrych 
lidi  .  .  .  wird  krok,  welches  als  ein  Substantiv  neben  seinem  Adjektiv 
den  Ton  nicht  verlieren  kann,  zu  sehr  ge[206]schwächt.  Nach  meinem 
Gehöre  müsste  posledni  krok  — ^^—  skandiert  werden.  Ebenso  würde 
ich  nevyhräl  nie,  nemluvi  nie,  nicht  gern  für  zwei  Trochäen  gelten 
lassen  .  .  .    [Es]  sind  daher  in  folgenden  zwei  Versen : 

Ach  müj  mily  I  zehnej  te  Buh ! 
Jiz  so  bere  ode  mne  duch, 

die  letzten  zwei  Trochäen  fehlerhaft. 

3.  Ein  viersilbiges  Wort  gilt  für  zwei  zweisilbige,  macht  also  zwei 
Trochäen  aus  .  .  .  ^^) 

Bei  fünf-  und  mehrsilbigen  Wörtern  muss  man  nur  auf  den  Ton  der 
ersten  Silbe  acht  haben,  damit  er  nicht  verrückt  werde  .  .  .  ^^) 

4.  Zwei  einsilbige  Wörter,  wenn  sonst  beide  des  Tons  gleich  fähig 
sind,  gelten  für  ein  zweisilbiges;  sie  machen  also  einen  Trochäus  aus: 
Prach  jsi,  kdo  je.  Pänbüh,  .  .  .  jestli,  kdyby,  .  .  .  ne  [207]  mäm  u.  s.w. 
werden  sogar  ...  im  Schreiben  verbunden  .  .  . 


9)  Nach  Kral  (L.  f.  Roc.  25.  [1898])  besitzt  im  Gegentheil  jedes  drei- 
silbige Wort  neben  dem  Hauptton  auf  der  ersten  einen  regelmässigen  Neben- 
ton auf  der  dritten  Silbe  (24),  aber  vor  einer  betonten  Silbe  wird  es  durch 
Verlust  seiner  Nebenbetonung  zum  Daktylus  (38).  (Vgl.  die  späteren  »Regeln 
für  die  daktylische  und  aus  Trochäen  und  Daktylen  gemischte  Vers- 
arten« 1 !) 

10)  Auch  nach  Kräl  (L.  f.  Roc.  25.  [1898])  besitzt  jedes  viersilbige  Wort 
ausser  dem  Hauptton  auf  Jer  ersten  .einen  regelmässigen  Nebenton  auf  der 
dritten  Silbe,  welcher  jedoch  hier  und  da  auf  die  vierte  übergehen  kann 
;24— 26).  (S.  die  späteren  »Regeln  f.  d.  d.  u.  a.  T.  u.  D.  g.  V.«  2 !) 

11)  Nach  Kräl  (L.  f.  Roc.  25.  [189S]  haben  alle  fünfsilbigen  Wörter  in  der 
Regel  das  Mass  —  ^^-^,  nur  ausnahmsweise  auch  —'^-^—  (26 — 29)  und 
vor  einer  betonten  Silbe  —^-\yu  (38);  alle  sechssilbigen  Wörter  besitzen 
nach  demselben  in  der  Regel  das  Mass  —  <-  -  ^  -  ^,  nur  ausnahmsweise  auch 
-^s^-^_  (29)  und  vor  einer  betonten  Silbe  -^^-^v,/  (3S), 


Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.  533 

Sind  beide  Wörter  von  gleicher  Wichtigkeit,  so  steht  es  bei  dem 
Dichter,  welchem  er  den  Vorzug  geben  "will:  Muc,  bi,  oder  auch:  bi, 
muci2]. 

Sonst  gebe  er  dem  wichtigern  Worte  den  ersten  Platz.    Anstatt: 
Nepohnet'  se  list  bzu  .  .  .  würde  ich  lieber  bzu  list  setzen  .  .  . 
Wichtiger  aber  sind  überhaupt 

a)  die  Substantiva  als  die  Pronomina  possessiva  und  demonstrativa : 
müj,  tvüj,  ten.  Man  setze  also,  wenn  man  Trochäen  braucht:  Pän  tvüj, 
Buh  müj,  mec  ten,  und  nicht  tvüj  Pän,  müj  Buh,  ten  mec,  weil  tvüj, 
müj  u.  s.  w.  vor  Substantiven  ihren  Ton  verlieren.  So  ist  in  dem  Verse : 
Hrob  ten  reka  udatneho  kryje  .  .  .  die  Stellung:  hrob  ten  gut  gewählt. 

b)  Gewöhnlich  haben  auch  die  Substantiva  den  Vorzug  vor  den 
Adjektiven  und  andern  Partikeln.  So  haben  in  den  Versen:  foci  jak 
hrom  ze  sta  del,  .  .  .  Az  smrt  zlä  ji  ukoji,  .  .  .  hrom,  smrt,  nicht  die 
rechte  Stellung. 

[208]  c)  Selbst  die  Pronomina  primitiva  verlieren  ihren  Ton  vor 
einem  einsilbigen  Verbo  und  vor  dem  Bestimmungsworte  säm:  ja  chtel, 
ty  mäs,  on  säm,  sind  also  .  .  .  Jamben.  Das  Hilfswort:  jsem,  jsi,  jest, 
macht  hier  eine  Ausnahme:  ja  jsem,  ty  jsi,  on  jest,  sind  Trochäen.  Es 
hätte  also  ...  in  dem  Verse;  Od  kteröho  jest  ziv  v  svete,  das  Adjektiv 
ziv  dem  Hilfswort  jest  vorgesetzt  werden  sollen.  So  müsste  es  auch  .  .  . 
anstatt  Jest  sit'  na  jich  pejchu  kladena,  heissen  Sit  jest  u.  s.  w. 

5.  Zwei  einsilbige  Wörter,  deren  ersteres  des  Tons  unfähig  ist,  das 
zweite  aber  den  Ton  hat,  sollen  nie  als  ein  Trochäus  gebraucht  werden. 
Unfähig  des  Tons  sind : 

a)  Der  verkürzte  Dativ  und  Accusativ  der  Pronominum:  mi,  me: 
ti,  te:  mu,  ho:  si,  se. 

b)  Die  Konjunktionen:  a,  i,  ze,  at',  nez  u.  s.  w.  und  die  meisten 
andern  einsilbigen  Partikeln:  ci,  snad,  az,  jiz,  pak  u.  s.  w.  i3).  Man  be- 
frage einmal  sein  Gehör,  ob  man :  az  sem,  .  .  .  nez  ja,  ci  ty,  i  my,  jiz  ne, 
nach  der  richtigen  Aussprache  wie  -"-^  skandieren  könne.  Daher  ist  in 
den  Versen : 


12)  Zu  dieser  Stelle  bemerkt  Kräl  (L.  f.  Roc.  20.  [1893]  198—199)  richtig : 
»[198] .  .  .  Muc,  bij  1  hij,  muc  nemüze  .  .  .  byti  ani  trochej  ani  jamb  ani  vubec 
jediny  takt,  nybrz  json  to  takty  dva  -  |  -,  jezto  obe  [199]  slova  jsou  stejne 
düraznä  .  .  .« 

13)  Nach  Dobrovsky's  »A.Lehrgebäude  d.  b.  S.  .  .  .«  (12)  schliessen  sich 
ihnen  noch  an  die  Wörter:  by,  ni,  li. 


534  Jaroslav  Sutnar, 

Pro  tebe  bych  si  jen  pf äl 

düstojenstvi,  . . . 

Ze  mne  pfivedl  k  zdravi,  .  .  . 

[209]  die  Versifikation  fehlerhaft,  weil  si  jen,  ze  mne,  nach  der  Regel 
keine  Trochäen  sind.    Man  gebe  den  Wörtern  folgende  Stellung: 

Pro  tebe  jen  bych  si  pfäl, 
Mne  ze  pirivedl  k  zdravi, 

so  ist  nichts  daran  zu  tadeln. 

a)  Doch  sind  ted',  tu,  tarn,  zde,  sem,  des  Tons  fähig,  ...  so  auch 
kde,  kdy. 

b)  Wenn  aber  zwei  des  Tons  unfähige  Wörter  neben  einander 
stehen,  bekommt  das  erste  den  metrischen  Ton:  az  mu,  az  ho,  jiz  mi, 
at'  mi,  nez  mu,  jiz  pak,  -^;  kdyz  jsem  pfisel  -^-^  ...  —  Daher  ist 
in  dem  Verse :  Az  se  oudy  srekly,  nichts  auszustellen,  weil  die  Partikel 
az  vor  se  wenigstens  den  metrischen  Ton  haben  muss ;  wohl  aber  dem 
folgenden  Ze  jho  tezk6  dost  jiz  dlouho  vlekly,  weil  die  Partikel  ze  als 
des  Tons  unfähig  vor  dem  Substantive  jho  nicht  einmal  den  metrischen 
Ton  haben  kann ;  man  setze  also  Tezkö  jho  ze  dost  u.  s.  w. « 

»[209]   Regel  für  die  jambische  Versart. 

Man  gebe  dem  Trochäus  einen  einsilbigen  Vorschlag:  Jiz  dävno, 
^|— ^.  Da  aber  die  unbetonten  Partikeln  in  längern  Gedichten  dazu 
nicht  hinreichen  würden,  so  ist  es  wohl  erlaubt,  auch  solche  einsilbige 
Wörter,  die  sonst  den  Ton  haben,  ihn  aber  vor  [210]  dem  stärkern  Tone 
der  zwei-  oder  mehrsilbigen  Wörter  verlieren,  hier  zu  gebrauchen.  Bei- 
spiele guter  Jamben  .  .  . : 

Ty  s  nebe,  Pane  nad  nebesy  vsemi ! 
dest'  rosis  na  vyprahlou  sluncem  zemi ; 
a  ona  z  lüna  propnjcuje  sveho 
vsem  zivocichüm,  kdo  co  zädä,  vseho. 
Tut'  trävu  skot,  a  lide  berou  zeli, 
chlöb  pro  posilu,  vino  pro  veseli  .  .  . 

Doch  sind  folgende  zwei  Verse  I  ten  lid  zdejsi,  .  .  .  Hlas  müj  i  harfa 
zni  .  .  .  einer  Verbesserung  fähig.  Es  müsste  nämlich  . .  .  heissen:  I  lid 
ten  zdejsi,  Müj  hlas  i  harfa.« 


Pro8odische3  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.  535 

»[210]    Regeln  für  die  daktylische  imd  aus  Trochäen  und 
Daktylen  gemischte  Versarteu. 

1.  Jedes  dreisilbige  Wort  ist,  nach  dem  Gesetze  des  Tones,  .  .  .  ein 
Daktylus,  -^^  ,  .  . 

[211]  2.  Viersilbige  Wörter,  da  sie  doch  nicht  immer  vermieden 
werden  können,  bekommen  nebst  dem  natürlichen  Tone  der  ersten  noch 
einen  metrischen  auf  der  vierten  Silbe  .  .  . 

3.  Man  vernachlässige  in  daktylischen  Versen  den  Ton  der  einsil- 
bigen Wörter  nicht.  Es  gibt  Stellungen,  wo  sie  ihn  nicht  verlieren  kön- 
nen. Ich  würde  .  .  .  anstatt  musim  pryc,  weil  pryc  betont  ist,  lieber 
musim  jiz  gesetzt  haben.  In  dem  Verse:  Vzdychala.  On  byl  rad,  ze 
mel  jiz  prst,  .  .  .  [können^  on  byl  räd,  ze  mel  jiz  .  .  .  nicht  -•^•-^  .  .  . 
skandiert  werden. 

4.  Wählt  man  aber  eine  Versart,  worin  die  Daktylen  mit  den  Tro- 
chäen abwechseln,  so  sollten  die  viersilbigen  Wörter  nur  als  zwei  Tro- 
chäen gebraucht  werden  .  .  .(c 

Unter  entschiedener  Verurtheilung  des  Zeitmasses  im  Cechischen 
setzte  Dobrovsky  als  erster  mit  vielem  Scharfsinn  auf  Grundlage  der 
unverdorbenen  Volksaussprache  die  richtigen  Regeln  der  cechischen 
Betonung,  nämlich  des  Haupttones,  fest,  denn  zur  eingehenderen  Kennt- 
niss  der  Nebenbetonung  hatte  er  sich  noch  nicht  durchgearbeitet.  Jedoch 
besass  er  sicher  auch  von  dieser  eine  dunkle  Ahnung  und  wollte  dieselbe 
höchstwahrscheinlich  bei  den  vier-  und  mehrsilbigen,  und  manchmal 
auch  schon  bei  den  dreisilbigen  Wörtern,  durch  seinen  willkürlichen  und 
je  nach  der  gewählten  Versart  sich  richtenden  metrischen  Ton  ersetzen. 
Ebenso  schwebte  diesem  Sprachforscher  auch  die  Satzbetonung  vor,  wie 
man  aus  seinen  eindringlichen  Mahnungen  bezüglich  des  Masses  einsil- 
biger Wörter  deutlich  ersieht,  obwohl  er  von  der  Satzbetonung  an  keinem 
Orte  ausdrücklich  spricht  i^). 

Die  Betonungslehre  Dobrovsky's  wurde  fast  überall  mit  Beifall  auf- 
genommen, namentlich  von  dem  ersten  Dichterbunde  (neben  anderen 
Sebestyän  Hnevkovsky,  Jan  und  Vojtech  Nejedly),  welcher 
Ende  des  XVIII.  Jahrhunderts  nach  dem  langen  Verfalle  der  cechischen 
Literatur  unter  Antonin   Jaroslav   Puchmajer's  Anführung  zum 

14]  Zum  ersten  Male  wird  erst  durch  Jan  Nejedly  (1804)  der  Wortton  von 
dem  Satzton  (Redeton}  und  der  Haupttou  von  dem  Nebenton  strenger  unter- 
schieden. 


536  Jaroslav  Sutnar, 

Vorschein  kam.    Diese  Schriftsteller  brachten  das  System  Dobrovsky's 

—  durch  eine  strenge  Befolgung  seiner  Regeln  von  der  Wortbetonung  — 
in  ihren  Gedichten  zur  fast  allgemeinen  Geltung,  so  dass  man  sich  auch 
des  Zeitmasses  damals  nur  recht  massig  bediente.  Aber  den  Andeu- 
tungen Dobrovsky's  über  die  Satzbetonung  wurde  so  gut  wie  kein  Ver- 
ständniss  entgegengebracht.   Auch  bemühte  sich  bald  unser  Dichterbund 

—  hauptsächlich  behufs  Erlangung  eines  möglichst  gediegenen  accen- 
tuirenden  Hexameters  —  die  Gesetze  Dobrovsky's  durch  Berücksichti- 
gung der  Quantität  in  verschiedener  Weise  zu  ergänzen  und  abzuändern 
(Theorien  J.  Nejedly's  und  Puchmajer's),  im  Allgemeinen  wurde  jedoch 
der  Boden  des  Betonungsprincipes  nur  ausnahmsweise  verlassen.  Gegner 
bekam  die  Lehre  Dobrovsky's  später  an  einigen  Anhängern  Rosa  s, 
darunter  besonders  an  Josef  Jungmann,  aber  die  Stimme  dieser  Män- 
ner fand  vorderhand  keinen  entsprechenden  Widerhall. 

Eine  wahre  Umwälzung  zu  Gunsten  des  Zeitmasses  führte  jedoch 
in  der  cechischen  Prosodie  ISIS  ein  in  Briefform  und  anonym  erschie- 
nenes Buch  herbei,  die  »Pocätkov^  cesköho  bäsnictvi  obzvläste  prosodie« 
(V  Prespurku  a  v  Praze),  als  deren  eigentlicher  Urheber  offenbar  Jung- 
mann, als  Verfasser  die  damals  jugendlichen  Dichter  Pavel  Josef 
Safarik  und  Frantisek  Palacky  zu  gelten  haben.  Im  Gegensatz  zu 
Dobrovsky's  rein  wissenschaftlichen  und  kritisch  nüchternen  Ausfüh- 
rungen enthält  diese  —  sonst  nach  einem  reiflich  durchdachten  Plan 
ausgeführte  —  Schrift  eine  Reihe  von  sehr  heftigen  und  höchst  unge- 
rechten Ausfällen  gegen  den  greisen  Begründer  des  Betonungssystems 
und  erhebt  mit  überschwänglicher  Begeisterung  und  unter  Hinweis  auf 
das  Schriftthum  Böhmens  besonders  im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert  das 

—  angeblich  mit  Unrecht  verkannte  —  Zeitmass  nach  griechischer  Art 
zur  einzig  richtigen  slavischen  Prosodie.  Vor  allem  wird  in  diesem 
Buche  mit  Hilfe  verschiedener  —  scheinbar  für  das  Zeitmass  sprechen- 
der —  Gründe  das  Tonmass  im  Cechischen  als  blinde  Nachahmung  der 
deutschen  Prosodie  schärfstens  verurtheilt,  worauf  unter  anderem  die 
Regeln  des  Zeitmasses  zur  Festsetzung  gelangten. 

Die  wichtigsten  Gründe  gegen  das  Tonmass : 

»[14]  1.  Der  Ton  muss  im  Cechischen  nicht  immer  auf  der  ersten 
Silbe  ruhen.  —  ...  Ich  habe  mich  .  .  .  niemals  genügend  überzeugen 
können,  dass  unsere  so  geschmeidige  Sprache  immer  die  erste  Silbe  ver- 
stärken müsste,  und  nirgends,  mag  es  die  Länge,  mag  es  die  Position, 


Prosodiaches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.         537 
mag  es  ein  nachdrucksvoUerer  Sinn  i^),  mögen  es  alle  drei  zusammen  ei- 


15)  Was  mit  dem  »nachdrucksvolleren  Sinne«  (»dukladnejsi  smysl«)  ge- 
meint ist,  versteht  selbst  der  sonst  so  einsichtsvolle  Fachmann  Kräl  —  seinen 
eigenen  Worten  zufolge  —  nicht  ganz  (L.  f.  Roc.  21.  [1894]  13),  indem  er  darin 
Anspielungen  auf  eine  Art  Pathos  erblickt  (:»...  Co  ta  slova  znamenaji,  neni 
mi  zcela  jasno.  Zd:l  se,  ze  naräzeji  skladatelö  na  patheticke  mluveni,  jimz  i 
pri  obycejnem  sprävnem  vyslovoväni  casto  pHzvuk  vedlejsi  na  ujmu  pri- 
zvuku  hlavniho  .  .  .  se  sesiluja.  Tak  na  pr.  ve  vetäch  »To  je  nesnesi<e/ne  ve- 
dro«,  »Nevif/ano!«  a  podobnych  pH  mluveni  zvläste  pathetickem  nepozby- 
vaji  sice  slabiky  prvni  sveho  prizvukn,  ale  slabsi  pi-izvuk  vedlejsi  na  slabi- 
käch  tel  a  da  stjivä  se  silnejsim,  nez  prizviik  prvni  slabiky  .  .  .  Jest  tu  tedy 
jak6si  presu7iuti  sily  obou  prizvukü,  hlavnihn  i  vedlej'siho,  ale  slahiha  prvu  zü- 
stävä  i  tu  stdle  prizcucnou«.  Vgl.  dazu  noch  L.f.Roc.25.  [1898]  21,  22,28,29!). 
Unserer  Meinung  nach  wird  mit  jenen  Worten  verlangt,  man  solle  ja  doch 

Rücksicht  nehmen  auf  die  Stammsilben  in  den  entweder  mit  ein- 

—     j-    ■■^' 
silbiger  Präposition  (:  0-pravdu?;  später  auf  Seite  18  der  »Pocätkove« 

^ w  — 

Po-dävä)  oder  Negationspartikel  u.  s.w.  (Ne-citis?;  später  in  Abschnitt  2 

Ne-libäni;  in  einem  Briefe  Safarik's  an  Palacky  [Osveta.  Rocnik  XXV.  (1895 

119]  auch:  Ne-libi)  zusammengesetzten  Wörtern.  Im  Gegensatz  dazu 
spricht  wieder  gleich  der  nächste  Satz  —  übereinstimmend  mit  den  auch  von 
uns  citirten  Ausführungen  Dobrovsky's  —  offenbar  nur  von  den  einfachen 
Wörtern  (»Poccätkove«:  »düklad«  =  Dobrovsky  [I  Satz  1] :  »Nachdruck«: 
»Pocätkov6«:  »hiavni  urceni  smyslu«  =  Dobrovsky  [I  Satz  3]:  »Hauptidee«; 
»Pocätkove«:  »dukladnejsi  smysl«  und  später  [in  Abschnitt  3]:  »smysl  a 
vÖtsi  mluvy  dukladnost«  höchstwahrscheinlich  =  Dobrovsky:  »Nachdruck« 
und  »Hauptidee«  zugleich).  Deutlicher  geht  übrigens  die  Richtigkeit  unserer 
Erklärung  aus  Abschnitt  2  (beim  Worte  nelibäni)  hervor.  Ganz  zweifellos 
wird  sie  jedoch  durch  die  Rechtfertigung  der  accentuirenden  Prosodie  bei 
den  Deutschen  (in  Abschnitt  3),  da  bei  diesen  im  Gegensatz  zu  dem  —  immer 
auf  der  ersten  Silbe  ruhenden  —  cechischen  Tone  die  Betonung  den  Wurzel- 
silben zufällt  (nicht  uninteressant  ist  in  dieser  Beziehung  auch  die  Unter- 
scheidung zwischen  zusammengesetzten  und  nicht  zusammengesetzten  Wör- 
tern in  den  Regeln  [Ausnahme  1]  und  ferner  das  auf  Seite  69  der  »Pocätkove« 

w     _  _ 
ausdrücklich  als  Zusammensetzung  angeführte  Wort  zäkvetly). 

Aehnlich  dürfte  auch  ein  anderer  Satz  aufzufassen  sein,  dessen  Sinn 
Kräl  —  wieder  seinem  eigenen  Geständniss  zufolge  —  gleichfalls  nicht  voll- 
kommen erfasst  hat.  Auf  Seite  16  f.  der  »Pocätkove«  heisst  es  nämlich  in 
Abschnitt  3  auch:  «...  Tobe  na  pozor  pfivedu  .  .  .  düstojnejsi  moc  duchovni 
dukladnosti  u  starych  Rekü  a  Latinikü,  i  nasich  bäsniru,  u  pf.  v  onom  Ko- 
meniove  distichu: 

•  Säm  jediny  sveta  pän,  nade  vsim,  pode  vsim,  skrze  vsecko 
[17]  jda,  svetu  säm  vecnä  podpora  p'evne  stoji, 


538  Jaroslav  Sutnar, 

fordern,  die  Stimme  erheben  dürfte.  Opravdu?  (--^)  —  Necitls? 
(y--)  —  ...  Ich  bestreite  zwar  nicht,  dass  die  erste  Silbe,  auf  welcher 
am  meisten  der  Nachdruck  und  die  Hauptbestimmung  des  Wortsinnes 
zu  ruhen  pflegt,  am  häufigsten  geschärft  wird;  aber  auch  davon  .  .  .  bin 
ich  vollkommen  überzeugt,  dass  der  Cechoslave  ohne  jede  Versündigung 


a  pak  plnost  emfasi  ve  grammatickem  a  syntaktickem  reci  nasi  skladu  .  .  .« 
und  Kräl  (L.  f  Eoc.  21.  [1894]  16)  bemerkt  dazu:  »Vypsal  jsem  schvälne  misto 
tote  cel6,  ponevadz  se  bez  obalu  musiin  priznati,  ze  mu  dobre  nerozumim. 
Neobratnosti  slohovou  stalo  se  docela  nejasnym.  Zvläst'  nechäpu,  co  mini 
skladatele  tou  »dustojnejsi  moci  duchovni  dukladnosti  u  starych  Kekü  a  La- 
tinikü«  a  tou  »plnosti  emfasi  ve  grammatickem  a  syntaktickem  reci  nasi 
skladu«.  Zdä  se,  ze  tuto,  jako  jinde,  lesklä  fräse  nahrazuje  jasnost  myslenky, 
ze  skladatele  vyjädrlli  se  proto  tak  nejasne,  ze  nejasny  byl  i  jich  näzor  o 
veci  8am6.  —  Z  celeho  vykladu  [v  odstavci  3.]  zdd  se,  ze  skladatele  meli  na 
mysli  toto.  I  kdyz  versujeme  casomerne,  nedbajice  prizvuku,  pfece  Ize 
verse,  jak  toho  smysl  zädä,  pronäseti  dürazne  s  nälezitou  emfasi,  jako  pH 
versoväni  prizvucnem.  Je  pravda,  ze  müzerae  v  casomernem  versi,  na  pr.  ve 
vyse  uvedenem  hexametru,  pronesti  podle  toho,  jak  toho  zädä  smysl,  kazde 
slovo  s  vetsim  nebo  mensim  dürazeüi  («s  vetsi  nebo  mensi  dukladnosti  mluvy<', 
jak  by  ifekli  skladatele).  Ale  ovsem  zase  jenem,  chceme-li  zacbovati  rhyth- 
mus,  se  zanedbdnim  prirozene  vi/slovnosti,  jejiz  zanedbäni  je  nepripustn6  a 
smesnö  .  .  .'«  Höchstwahrscheinlich  hat  nach  den  »Pocätkove« 
ein  quantitirender  Vers  dank  seinen  Wörtern  mit  ausserordentlich 
langen  Silben  und  ungewohnter  Betonung  wie  auch  dank  der  verdrehten  und 
gezwungenen  Wortfolge  etwas  Feierliches  und  Würdevolles  an  sich 
(»dustojnejsi  moc  duchovni  dukladnosti«),  wobei  eine  Reihe  muth- 
masslicher  Emphasen  entsteht:  1.  »Emphasen  grammatischer 
Natur«  (nach  der  Terminologie  der  »Pocätkove«  sind  die  Ausdrücke:  »ver- 
stärken« [»zsilovati«],  »die  Stimme  erheben«  [»hlasu  pozdvihnouti«],  »schär- 
fen« [»zostrovati«]  gleichbedeutend  mit  dem  Ausdrucke  »den  Ton  geben« 
[»pi-izvuk  klästi«];  nach  derselben  Terminologie  gehören  in  diese  Kategorie 
der  grammatischen  Emphasen  offenbar  vor  allem  die  [hier  nicht  vertretenen] 
Zusammensetzungen  mit  der  Betonung  auf  der  Stammsilbe  und  die  [in  un- 
serem Distichon  vorkommenden]  Wörter  mit  Betonung  auf  einer  tonlosen 

\y  ■■.y \y    \y 

langen  Silbe:  jediny,  vecuä,  stoji),  2.  »Emphasen  syntaktischer  Natur« 

(nach  ebenderselben  Terminologie  haben  wir  hier  offenbar  zu  denken  an  die 

-^   

Wörter:  pän,  vsim  [zweimal],  vsecko,  säm  mit  Betonung  auf  langer  Silbe  und 

mit  vorangehenden  Pyrrhychien :  sveta,  nade,  pode,  skrze  [die  letzten  drei 
sind  Präpositionen!],  svetu,  an  die  ungewohnte  Wortstellung :  ^et/iw?/  sveta 
pd?i  mit  eingeschobenem  Genitiv  und  an  die  trotz  ihrer  Zusammengehörig- 
keit durch  die  Diäresis  von  einander  getrennten  Wörter:  vecnä  1|  podpora). 


Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaroinir  Erben  etc.  539 

an  dem  cechischen  Geiste  unter  den  oben  erwähnten  drei  Bedingungen 
jeder  beliebigen  Sil[15]be  den  Ton  gibt  .  .  . 

Aber  angenommen  auch ,  dass  der  Ton  immer  an  der  ersten  Silbe 
haftet,  kann  man  daher  schon  verlangen,  dass  er  so  selbständig  ein 
Mass,  welches  ihm  widerstrebt,  beherrsche?  Das  gebe  ich  nicht  zu, 
denn  2.  dieser  Ton  ist  in  unserer  Sprache  nicht  so  stark,  dass  er  durch 
seine  Macht  alle  folgenden  Silben  lähmen,  oder  sie  gänzlich,  wie  bei  den 
Deutschen,    zum  Verschlungenwerden   verurtheilen  könnte.     Bei    uns 

klingt  auch  in  nelibäni  (^ )  immer  das  libäni  voller,   und  wahrlich 

angenehmer,  als  das  leere,  augeblich  betonte  ne  .  .  . 

[16]  3.  Das  Tonmass  verlangt  bei  uns  weder  der  Sinn,  noch  ein 
grösserer  Nachdruck  der  Sprache  ...  —  [17]  Jenes  ist  auch  sonst  für 
das  Tonmass  der  Hauptgrund,  der  im  Deutschen,  nicht  bei  uns,  Gültigkeit 
hat:  da  ja  schon  der  Widerspruch,  dass  die  Deutschen  die  Wurzeln  der 
Wörter,  die  Cechen  aber  einfach  immer  die  erste  Silbe  schärfen,  und 
doch  beide  auf  einer  und  derselben  Grundlage  die  Prosodie  bauen  sollen, 
die  Unwahrheit  und  Nachdruckslosigkeit  einer  von  ihnen  beweist. 

4.  Im  Öechischen  ist  die  Länge  vom  Tone  nicht  untrennbar,  son- 
dern ruht  öfters  ausserhalb  des  Tones.  —  ...  Wollen  wir  .  .  .  uns  des 
griechischen  Masses  bedienen,  müssen  wir  sein  Wesen,  die  Taktmessung, 
durchweg  beibehalten,  sonst  gibt  es  kein  griechisches  Mass  .  .  .  Dies 
ist  seine  unumgängliche  Bedingung:  diese  haben  die  Deutschen  in  den 
Versen  streng  beobachtet,  da  bei  ihnen  die  Länge  nur  auf  eine  betonte 
Silbe  fallen  kann ;  und  sie  können  dieselbe  daher  getrost  verwenden ; 
auf  diese  haben  wir  in  den  neueren  Gedichten  nicht  geachtet,  und  den- 
noch wollen  wir  uns  das  griechische  Mass  aneignen  .  .  . « 

Die  Hauptregeln  der  cechischen  quantitirenden  Prosodie : 

»[67]  I.  Ein  kurzer  Selbstlaut  macht  die  Silbe  zu  einer  kurzen,  ein 
langer  zu  einer  langen.    Z.  B.  nebe  ^^,  kviti  — . 

IL  Ein  Doppellaut  [ou,  ij,  yj,  ej,  aj,  uj,  oj:  60 — 61]  macht  die 
Silbe  zu  einer  langen.    Z.  B.  näpoj  — ,  dej  -. 

III.  Ein  Zusammenstoss  von  zwei,  drei  oder  mehr  Mitlauten  macht 
den  vorangehenden  Selbstlaut  zu  einem  prosodisch  langen: 

1)  im  Auslaute  des  Wortes;  z.  B.  ehrest  -  milost  "^-'j 

2)  im  Inlaute  des  Wortes;  z.  B.  st'astny  — ; 

3)  im  Auslaute  des  einen  und  im  Anlaute  des  anderen;  z.  B.  od 
n^ho  -^^; 


540  Jaroslav  Sutnar, 

4)  im  Anlaute  des  Wortes,  wo  es  den  Selbstlaut  des  vorangehenden 
prosodisch  verlängert ;  z.  B.  co  z  toho?  —  ^^.  ne  v  dorne -^^,  kde 
strach  -  ^. 

Ausgenommen : 

1)  Die  flüssigen  1  und  r  (r)  mit  einem  Mitlaut  vor  sich  lassen  in 
zusammengesetzten  Wörtern  die  vorangehenden  Selbstlaute  mittelzeitig ; 
z.  B.  zapfiti  --^;  in  nicht  zusammengesetzten  bewirken  sie  Positions- 
länge; z.  B.  posedläm  '^ — ,  bydlo  — '^. 

[68]  2j  Die  Halbvokale  1  und  r  (r)  bewirken,  wenn  sie  nur  einen 
Mitlaut  vor  sich  haben,  keine  Positionslänge;  z.  B.  udrzim,  ^^-;  sonst 
natürlich  ja;  z.  B.  postrc  —  ^. 

IV.  Die  mit  Hilfe  von  1  und  r  (r)  gebildeten  Silben  sind,  wenn  auf 
den  Halbvokal  nicht  mehr  als  ein  Mitlaut  folgt,  kurz;  z.B.  dotrväm 
^■^-•^   sonst  lang;  z.  B.  srdce-^«. 

Diese  prosodischen  Regeln  sind  im  Allgemeinen  vernünftig,  stellen- 
weise von  einer  beachtenswerthen  Selbständigkeit,  obwohl  sie  ihren 
Hauptzügen  nach  in  den  alten  Traditionen  wurzeln.  Natürlich  ist  das 
Buch  ein  blosser  Anlauf  zur  prosodischen  Theorie  des  Zeitmasses  und 
erschöpft  lange  nicht  seinen  Gegenstand.  Es  sollte  zwar  demnächst  ein 
ganz  ausführliches  System  folgen,  aber  dazu  kam  es  nicht. 

Obwohl  in  dem  nun  um  die  Prosodie  entbrannten  Kampfe  (1818  bis 
1836)  gegen  das  Zeitmass  seitens  der  Tonmesser  nur  in  einem  einzigen 
Falle  (durch  Hnevkovsky  1820)  ein  verhältnissmässig  sachlicher  Wider- 
spruch mit  erwünschter  Ausführlichkeit  erhoben  wurde,  wenn  auch  da 
wieder  nicht  mit  genügender  Energie,  so  entsprachen  trotz  alledem  die 
quantitirenden  Gedichte  keineswegs  ihrer  Quantität  und  auch  ihrer 
Qualität  nach  dem  —  anfangs  durch  die  rastlosen  Bemühungen  Jung- 
mann's  und  seines  Anhanges  über  das  Betonungssystem  davongetragenen 
—  theoretischen  Siege  des  Zeitmasses  (erwähnungswerth  sind  bezüglich 
der  Quantität  Jan  Holly's  strenge  Regeln  [1S24]  und  Gedichte  mit 
sorgfältiger  Prosodie).  Dafür  waren  die  »Pocätkove«  von  weittragendem 
Einfluss  auf  die  Prosodie  der  weit  zahlreicheren  accentuirenden  Verse 
der  damaligen  zweiten  Dichterschule,  namentlich  die  in  den  «Pocätkove« 
ausgesprochenen  und  dann  von  den  Zeitmessern  im  prosodischen  Kampfe 
überhaupt  fleissig  propagirten  Grundsätze  von  der  Verrückbarkeit  und 
Schwäche  der  cechischen  Betonung  (Beachtung  verdient  in  diesem  Zeit- 
abschnitte  Frantisek   Cupr's  massvoller  Versuch  zur  Feststellung 


Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.         541 

freierer  Regeln  der  accentuirenden  Prosodie  [1853]).  Erst  allmählich 
seit  den  fünfziger  Jahren  nach  Auftreten  der  dritten  Dichterschule  konnte 
wieder  dieser  höchst  unseligen  Verwirrung  durch  eine  Rückkehr  zu  der 
einzig  richtigen  Lehre  Dobrovsky's  gesteuert  werden.  Gleichwohl  blieb 
im  Allgemeinen  das  Zeitmass  in  der  Theorie  neben  der  accentuirenden 
Prosodie  dank  dem  damaligen  prosodischen  Kampfe  noch  bis  heute  mit 
gleicher  Berechtigung  bestehen,  eigentlich  in  der  Praxis  fast  ausnahms- 
los nur  in  den  (prosodisch  lange  nicht  fehlerfreien  und  einheitlichen) 
Uebersetzungen  aus  den  altklassischen  Sprachen  (dabei  nennenswerth 
die  nicht  ganz  willkürlosen  Regeln  Frantisek  Susil's  [1861]),  aber 
auch  gegen  diese  Verwendung  des  Zeitmasses  Hessen  sich  in  der  letzten 
Zeit  schon  Stimmen  zu  Gunsten  der  accentuierenden  Prosodie  hören  ^^i^ 

Nachdem  wir  in  dieser  Weise  eine  kurze  Geschichte  der  Sechischen 
Prosodie  (grösstentheils  nach  den  Forschungen  Kräl's)  geliefert  haben, 
wollen  wir  nun  in  den  folgenden  Zeilen  den  prosodischen  Standpunkt 
Erben's  einer  eingehenden  Prüfung  unterziehen,  wobei  wir  es  natürlich 
mit  der  einzigen  ;im  Toumass  gehaltenen)  Gedichtsammlung  unseres 
Poeten  zu  thun  haben  werden. 

In  der  ersten  Auflage  der  1853  zu  Prag  erschienenen  siKytice  z 
povesti  närodniclm  sind  schon  12  Arbeiten  enthalten:  ytKyticev. 
(K.),  Ti)Tokladi(  (Pok. ;  entstanden  nach  Brandl  [14]  zwischen  1835  bis 
1837,  gedruckt  zum  ersten  Mal  1838),  ytSvatehni  hosilev^  (S.  k. ;  nach 
Quis  [»Svetovä  knihovna.  C.  190 — 191 :  Karel  Jaromir  Erben.  Kytice 
z  povesti.  närodnich.  Literärne  historicky  üvod  napsal  Ladislav  Quis(f. 
V  Praze,  1901,  9 — 11]  entstanden  zwischen  1842 — 1843,  abgedruckt 


16)  Am  entschiedensten  spricht  sich  dagegen  Kräl  aus,  welcher  auf 
Grund  seiner  in  Gemeinschaft  mit  F.  Marcs  unternommenen  physiologischen 
Versuche  die  bedingungslose  Unzulässigkeit  des  im  Cechischen  völlig  ent- 
behrlichen Zeitmasses  nachweist  (J.  Kräl  &  F.  Mares:  »Trvani  hläsek  a  sla- 
bik  die  objektivne  miry.  Na  zäklade  fysiologickych  pokusu  . ..  [Präce  z  fy- 
siologicköho  üstavu  ceske  university]«.  L.  f.  Roc.  20.  [1893]  257 — 290).  Noch 
drei  Jahre  vorher  war  selbst  Kräl  für  die  Verwendung  des  Quantitätsprin- 
cipes  bei  Uebersetzungen  aus  den  altklassischeu  Sprachen  eingetreten,  weil 
er  annahm,  dass  sich  sonst  manches  antike  Metrum  wegen  Einförmigkeit  der 
cechischen  Betonung  gar  nicht  nachahmen  Hesse,  aber  schon  damals  erblickte 
er  bei  der  gänzlichen  Uunatürlichkeit  des  cechischen  Zeitmasses  nur  ein 
Nothmittel  in  diesem  Zugeständniss  (J.  Kräl:  »Reckä  a  rimskä  rhythmika  a 
metrika  ...   I.  Reckä  rhythmika«.  V  Praze,  1890,  29—31,  38,  39). 


542  Jaroslav  Sutnar, 

das  erste  Mal  1843),  ->•> Polednice n  (Pol.;  nach  Quis  [8]  entstanden  um 
das  Jahr  1839,  abgedruckt  zum  ersten  Mal  1840),  y) Zlatij  kolovrat(( 
(Z.  k.),  y)StMry  den<i  (§.  d. ;  abgedruckt  das  erste  Mal  1848},  y>Holou- 
hekv  (H. ;  gedruckt  zum  ersten  Mal  1851),  hZähorovo  lozea,  ^)Vodnik^'~ 
(Vod.),  ))Vrba(i  (V.),  y> Dcerina  klethaa  (D.  k.),  y^Vestkyne's.  (Vest.  . 
Diesen  Gedichten  verdankt  wohl  Erben  im  Allgemeinen  seinen  hohen 
Dichterruhm.  Aber  in  der  noch  bei  Lebzeiten  des  Dichters  zu  Prag 
1861  publicirten  zweiten  Auflage  derselben  Sammlung  mit  dem  etwas 
geänderten  Titel :  TtKytice  z  häsni  KarJa  Jaromira  ^7'bena«^'^) 
kommen  ausser  dem  Gedichte  »Lilien  (L.)  in  der  Abtheilung  r>Povesti 
ndrodfitu  noch  17  neue  Arbeiten  als  » Pinne <(  hinzu:  nSirotkovo  lüzko^i 
(S.  1.;  gedruckt  das  erste  Mal  1837),  »Vederv,  y>Prvm  mäj'ovä  noc» 
(P.  m.  n. ;  abgedruckt  zum  ersten  Mal  1860,  vollständig  erst  in  der  be- 
reits nach  dem  Tode  des  Dichters  1871  zu  Prag  erschienenen  dritten 
Auflage  1^),  ))  Pamia  a  mätiv-  (P.  a  m. ;  veröflentlicht  das  erste  Mal 
1841),  riCizi  host<.(^  (C.  h. ;  entstanden  nach  Brandl  [11]  um  das  Jahr 
1834),  y> Andel sträzce  (V jedn^  besede  16ta  1840.)«  (A.  s.;  abgedruckt 
zum  ersten  Mal  1842  unter  dem  Titel  »V  ceskem  bäle«),  y>Smolnij  vara 
(S.  V.;  veröffentlicht  das  erste  Mal  1834),  t)Odc1iodis.  (0.;  entstanden 
nach  Brandl  [12]  1836),  nSbor  pri  otevrenl  mest'anske  besedy  v  Praze, 
dne  1.  ünora  1846«  (S.),  »Pe7'lovy  vinek  (Ku  pamätce  svatby  stribrne 
Jeho  Velicenstva  cisare  Ferdinanda  V.,  16ta  1856.)«  (P.  v.),  y^Kräl  duchü 
(Z  Göthe)«  (abgedruckt  zum  ersten  Mal  1843),  y^Pisen  Illyrüv.  TiQ 
zp^vu  dra.  Demetra  ,Grobnicko  polje'  v  casop.  Kolo,  1842«  (P.  J.), 
y) Svatojanskä  muska  (Z  illyrsk^ho)«  (S.  m.),  »Zazdenä«  (Z.),  ))Tuzba 


i"?)  Erst  hier  erschien  die  Vestkyne  in  der  längsten  uns  bekannten  und 
definitiven  Fassung,  auch  die  Svatebui  kosile  bekamen  zwei  neue  Verse. 

18)  Deswegen  bedienen  auch  wir  uns  in  unseren  Untersuchungen  dieser 
dritten  authentischen  Auflage.  Darin  wurden  auch  die  Svatebui  kosile  wie- 
der um  zwei  Verse  gegenüber  der  vorigen  Auflage  vermehrt.  —  Die  Samm- 
lung (mit  Ausnahme  der  »Pisne«)  erschien  übrigens  auch  in  deutscher  Ueber- 
setzung:  »Der  Blumenstrauss  von  Karl  Jaroiuir  Erben...  herausgegeben  von 
Dr.  Eduard  Albert«.  (Wien  1900.)  —  An  die  dritte  Auflage  hielten  wir  uns 
natürlich  Schritt  für  Schritt  (bezüglich  der  »Kytice«)  auch  bei  unserer  (ersten 
kritischen)  Ausgabe  sämmtlicher  poetischer  Schriften  des  Dichters,  die  neben 
einem  Vorwort  und  einer  Einleitung  vom  Herausgeber  und  der  »Kytice«  noch 
alle  übrigen  verstreut  erschienenen  oder  nur  handschriftlich  erhaltenen  Dich- 
tungen Erben's  umfasst:  »Karel  Jarouiir  Erben.  Veskere  spisy  bäsnicke. 
Vydäni  kriticke.  üsporädal  Jaroslav  Sutnar«.  (V  Praze  1905.) 


Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.  543 

divdi  (Z  finskeho)«  (T. d.),  »0/ilas  ialmu  45.«  (0.  z.  45.),  »Ohias  zalmu 
140.«  (0.  l.  140.).; 

Um  nun  bei  der  Beurtbeilung  der  Erben'schen  Prosodie  möglichst 
sicher  zu  gehen,  müssen  wir  vorher  noch  bei  allen  Gedichten  das  Me- 
trum —  sammt  Reimordnung  und  Strophenbau  —  feststellen;  bei  der 
Gelegenheit  soll  zur  Erhärtung  unserer  metrischen  Angaben  nach  Thun- 
lichkeit  eine  Reihe  regelmässiger  Verse  mit  abgeschlossenem  Sinne  citirt 
und  überall  die  Zahl  der  fehlerfreien  Verse  angegeben  werden,  wogegen 
die  andererseits  vollzählig  angeführten  ganz  regellosen  Verse  (reine 
Jambenverse  unter  Trochäenversen,  reine  Trochäenverse  und  Daktylo- 
Trochäen  unter  Jambenversen,  reine  Trochäen-  und  Jambenverse  unter 
Daktylo-Trochäen)  schon  jetzt  ein  beredtes  Zeugniss  von  der  Verfehlt- 
heit der  Prosodie  unseres  Dichters  geben  mögen.  (Die  einzelnen  Un- 
regelmässigkeiten werden  später  systematisch  behandelt.) 

Mit  Bestimmtheit  ist  in  folgenden  Gedichten  ein  tro- 
chäischer  Rhythmus  zu  erkennen: 

1  a.  Trochäen-D  reif üssler  ohne  Katalexis.  Holouhek.  Wir 
begegnen  hier  durchgehends  vierzeiligen  Strophen  mit  der  regelmässi- 
gen Reimordnung  abcb  i'^),  z.  B. : 


Od  bileho  dvora 

po  zelene  louce  10 

jede  pekny  panic, 

pero  na  klobouce. 


Byla  svatba,  byla, 

hudba  pöknö  hräla: 

on  ji  k  sobe  vinul, 

ona  Jen  se  smäla.  —  40 


Eine  Ausnahme  bilden  zwei  Strophen  (Vers  1 — 4,  5 — 8)  mit  der  Reim- 
ordnnng  aaba  und  zwei  andere  Strophen  (Vers  65 — 68,  101  — 104)  mit 
der  Reimordnung  abab.  Uebrigens  können  auch  die  Schlüsse  (theilweise 
Wiederholungen)  in  einigen  ganz  regellos  verstreuten  ungeraden  Versen 
als  Reime  aufgefasst  werden:  Vers  3,  21,  51  zu  Vers  38,  40;  Vers  13, 
17;  Vers  27  zu  Vers  22,  24;  Vers  25,45;  Vers  33,  37  zu  Vers  26,28; 
Vers  29  zu  Vers  1,  2,  4;  Vers  53,  57  zu  Vers  62,  64;  Vers  69  zu  Vers 
65,  67.  —  Unter  den  104  Versen  im  Ganzen  sind  hier  nur  59  regel- 
mässig —  trotz  des  trochäischen  Rhythmus,  welcher  der  cechischen 
Sprache  so  zusagt  1  Es  gibt  sogar  1 3  Verse  von  einem  derart  falschen 
Bau,  dass  es  eigentlich  ganz  regelrechte  Jamben-Dreifüssler  sind: 


19)  Eine  Strophe  (Vers  69—72)  besitzt  jedoch  nur  einen  Halbreim 
vrkä — pukä. 


44 

Jaroslav  Sutnar, 

sla  tudy,  plakala 

3 

tvä  pisei  ukrutnä 

neb  tudy  aaposled 
jej  doproväzela.  — 

nez  mesic  uplynul, 

rok  jako  hodina ; 

8 
27 
58 

a  mezi  vlnami 

kde  cesty  pösiny 

ji  byti  nem61o : 
Jen  kämen  veliky 

Tri  roky  minuly, 

61 

Vsak  nelze  kamenu 
tak  tMko  lezeti, 

79 


95 


99 


102 


AticUl  sträzce.  Dieselben  vierzeiligeu  Strophen  findet  man  auch 
da,  und  zwar  mit  derselben  Reimordnung  abcb.  Ausserdem  kann  der 
Schluss  (theilweise  Wiederholung)  in  einem  ungeraden  Vers  (13)  als 
Reim  (zu  10,  12)  gelten.  —  Von  den  16  Versen  im  Ganzen  sind  —  trotz 
des  trochäischen  Rhythmus!  —  nur  7  als  regelmässig  zu  bezeichnen. 
Ja  3  Verse  sind  wieder  eigentlich  regelrechte  Jamben-Dreifüssler : 
mä  zlatä  maticka,      2    |    ze  neviditelne  7    |    muj  mily  bozicku!     16 

Ib.  Trochäen -Dreifüssler  mit  Katalexis.  Das  Metrum 
kommt  nur  im  Zlat'^  kolovrat  vor,  und  zwar  bloss  im  letzten  Verse  der 
fünfzeiligen  jambischen  Strophen,  in  denen  das  Gedicht  abgefasst  ist. 
(Der  Vers  ist  mit  Rücksicht  auf  die  vier  Takte  der  vorangehenden  Verse 
eigentlich  als  »hyperkatalektischer«20)  Vierfüssler  aufzufassen.)  Einen 
eigentlichen  Reim  gibt  es  bei  diesem  letzten  Verse  nicht.  Es  wird  je- 
doch auch  hier  eine  Reihe  von  Versen  vollständig  (UI  15,20,  25;  IV  40, 
70;  45,  75;  V  20,  30,  40^1);  25,  35)  oder  theilweise  (IV  30,  60,  90) 
wiederholt.  —  Im  Ganzen  sind  unter  den  63  Versen  alle  bis  auf  6 
regelmässig. 

2  a.  Trocliäen-Tierfüssler  ohne  Katalexis.  PoMad.  Das 
Gedicht  besitzt  keinen  Strophenbau,   aber  die  Verse  sind  durchweg 


20)  So  nach  Kräl  (»R.  a  r.  rhythmika  a  metrika«,  1,112);  nach  Rudolph 
Westphal  (»Allgemeine  Metrik  der  indogermanischen  und  semitischen  Völ- 
ker auf  Grundlage  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft«  . .  .  Berlin,  1892, 
128)  ist  es  ein  brachykatalektischer  vierfüssiger  Trochäus  mit  männlichem 
Ausgange. 

21)  Das  Wort  vrrr  dürfte  in  den  Trochäenversen  V  20,  30,  40  dreisilbig 
und  mit  Betonung  auf  der  ersten  Silbe  als  Daktylus  zu  lesen  sein,  wogegen 
in  den  Jambenversen  V  16,  26,  36  dasselbe  Wort  wahrscheinlich  auch  drei- 
silbig, aber  mit  Betonung  auf  der  mittleren  Silbe  gelesen  werden  soll. 


Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaroinir  Erben  etc. 


545 


gereimt  —  bei  der  mannigfaltigsten  Reimordnung  22].  Bloss  Tbeil  V  ist 
abgefasst  in  (drei)  vierzeiligen  Strophen  mit  der  Keimordnung  abba 
(erste  und  dritte  Strophe)  und  abab  (zweite  Strophe),  z.  B. : 

Dävno  kostelicek  zboren, 
nmlkly  jiz  zvonka  zvuky; 
a  kde  nekdy  stäly  buky, 
sotva  jaky  hnije  koten.  4 

Im  Ganzen  umfasst  die  Dichtung  516  Verse,  wovon  etwa  342  als  regel- 
mässig gelten  dürfen,  z.  B.: 


Tu,  kde  z  divokeho  klestu,        I 
od  kostela  tri  sta  krokü, 
veliky  cnel  kämen  v  cestu, 
CO  se  nyni  jevi  oku?  55 

Jevi  86  tu  zene, jevi 
vchodem  vrsek  otevfeny  — 
vysvStliti  sobe  nevi  — 
kämen  v  cestii  postaveny, 
postavena  celä  skäla,  60 

jakby  od  veku  zde  stäla. 


»Jistö  toto  prst  je  bozi, 

jenz  näs  obohatit  zädä!« 

Bere,  befe  ze  hromady  —  165 

klin  jiz  plny,  sotva  vstävä, 

jest6  V  sätek  sobe  dävä, 

tak  ji  mämi  stribra  vnady ! 

A  kdyz  jiz  chce  odtud  jiti : 

ach,  zde  jeste  pacholete!  170 

Jak  je  ke  vsi  tizi  vziti? 


A  jak  sini  v  jizbu  speje :        195 
»»Haha,  mama!  haha,  mama!«« 


radostnS  se  dit6  smSje, 
potleskujic  rucinkama. 

Nehodna-t6  stösti  byla, 
pozehnäm  nenzila.  280 

A  kdyz  prisla  ke  sklepeni,       II 
haha !  jake  pohled6ni !  20 

haha  !  z  divokeho  klestu 
tri  sta  kroku  od  kostela 
veliky  cni  kämen  v  cestu! 


Ha,  ty  znaky  zoufanlive, 
üsta  sinä  nad  mrtvolu ! 
Hie,  jak  pres  to  kfovi  dive 
bezi  —  pädi  tamto  k  dolu ! 
»Beda,  beda!  zdet' to  neni ! «       35 

Nest'astnät'  to  z  chfie  Jena,  III 
vzdycky  smutnä,  vzdycky  bledi, 
vzdycky  tezce  zamyslena:  35 

od  räna  az  do  soumraku 
nikdy  jasno  v  jejim  zrakn, 
v  nocl  pak  zel  späti  uedä. 


Auch  da  gibt  es  Verse,  17  an  der  Zahl,  die  zu  regelrechten  Jamben- 
Vierfüsslern  geworden  sind : 


22)  Nur  in  Vers  IV  41  finden  wir  einen  Halbreim:   dveri — Iezi(30)  — 
bezi  (34). 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXVII.  35 


546 


Jaroslav  Sutnar, 


a  ke  vchodu  az  pokroci,  I  73 
krok  za  krokem  —  a  ve  skäle     90 

mni  uzHti  Jen  v  nebesku  !  101 

a  zdali  je  zas  polozi  ?  150 

A  zdarenim  tim  smeiejsi :  152 

i  zhfesiti  bych  musela,  156 

A  k  diteti  se  nakloni,  217 

dva  penize  ven  vytähne,  219 


ö  prehroznet  to  mämeni !  276 
»»Tu  pod  zemijsem,  hluboko! «« II 44 

Aj  !  kdo  znä  ji,  tu  osobu  III  13 

Kdyz  po  svate  vsak  obeti  21 

I  desi  se  —  vsak  necekä,  IV  32 

a  ve  strachu  a  v  nadeji  33,  49 

tu  po  jizbe  se  ohlizi.  50 

a  ve  strachu  a  ve  plesu  87 


Polednice.  Hier  begegnen  wir  wieder  vierzeiligen  Strophen  mit 
der  Reimordnung  abab,  wobei  regelmässig  ein  akatalekti scher  Vers  mit 
einem  katalektischen  abwechselt,  z.  B. : 


»  Poledne  v  tom  okamzeni, 
täta  prijde  z  roboty: 

a  mne  hasne  u  vafeni 
pro  tebe,  ty  zlobo,  ty ! « 

Ke  stolu  se  plizi  tise 
Polednice  jako  stin: 


30 


matka  hruzou  sotva  dyse, 
dite  chopic  na  svüj  klin. 

Ve  mdlobäch  tu  matka  lezi, 
k  nadräm  dite  pf  imknute  : 

matku  zkrlsil  jeste  s  tezi, 
a  vsak  ditö  zalknut6. 


45 


Unter  den  48  Versen  im  Ganzen  sind  ungefähr  37  regelmässig.  Auch  da 
kommen  jedoch  2  Verse  vor,  die  man  wohl  jambisch  lesen  möchte: 

Nez;  kohout,  vüz  i  husärek  11    |     A  vinouc  je,  zpet  pohlizi  —         33 

Vodnik  I.  Die  hier  verwendeten  vierzeiligen  Strophen  mit  der 
regelmässigen  Reimordnung  aabb  bestehen'  aus  zwei  akatalektischen 
Vierfüsslern  23)  und  zwei  katalektischen  Dreifüsslern  (eigentlich  —  mit 
Rücksicht  auf  die  Taktzahl  der  vorangehenden  Verse  —  hyperkatalek- 
tischen  Vierfüsslern).  —  Von  den  16  Versen  im  Ganzen  sind  nur  10  als 
regelmässig  zu  bezeichnen. 

Vodnik  IV.  Hier  begegnen  wir  achtzeiligen  Strophen  mit  der 
Reimordnung  abcbddeb,  wobei  der  zweite,  vierte  und  achte  Vers  kata- 
lektisch  ist  —  zum  Unterschiede  von  den  übrigen  akatalektischen  Ver- 
sen. Nur  eine  Strophe  (Vers  17 — 24)  besitzt  die  Reimordnung  ababccdb. 


23)  In  Vers  13  ist  der  erste  Trochäus  durch  einen  Daktylus  ersetzt: 
)Zelene  saty,  botky  rüde. 


Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.  547 

Es  wird  auch  da  eine  Anzahl  der  sonst  reimlosen  Verse  gänzlich  oder 
theilweise  wiederholt  (27,  35,  43,  49;  33,  41;  47,  63).  —  Unter  den 
72  Versen  im  Ganzen  sind  etwa  53  regelmässig.  Auch  hier  finden  sich 
jedoch  2  Verse,  die  zu  regelrechten  jambischen  Vierfüsslern  gewor- 
den sind : 

a  pläce-li  tve  detätko,  55    |     tim  pläcem  mi  krev  usedä:  62 

Vrba.    Diese  Dichtung  ist  abgefasst  in  zweizeiligen  und  durch- 
gehends  gereimten  2*)  Strophen,  z.  B. : 


Bäno  sedä  ke  snidani, 
täze  se  sv6  mlade  pani : 

»Pani  moje,  pani  milä! 
vzdycky  uprimnä  jsi  byla, 

»vzdycky  upfiüinä  jsi  byla —       5 
jednoho's  mi  nesverila. 

»Pani  moje,  milä  pani! 

jake  je  to  tvoje  spani?  10 

»Vecer  lehnes  zdräva,  svezi, 
V  noci  tele  mrtvo  lezi. 

»Ani  ruchu,  ani  sluchu, 
ani  zdäni  o  tvem  duchu. 


» Student  jest  to  tve  telo,  15 

jakby  zprächniv^ti  chtelo. 

»Mocne  slovo  ohni  käie, 

skälu  zdrti,  draka  sväze.  30 

» Jasnou  hvezdu  strhne  s  nebe: 
slovo  mocne  zhoji  tebe«.  — 

»»Umi-ela  tvä  pani  milä, 
jakby  kosou  stata  byla; 

»»zdräva  chodie  pH  sve  präci, 
pädia,  jako  atrom  se  skäci;  90 

»»zavzdychala  umirajic, 
po  ditku  se  ohledajic««.  — 


Im  Ganzen  umfasst  das  Gedicht  114  Verse,  wovon  89  als  regelmässig 
gelten  können.  Aber  es  kommen  auch  da  2  regelrechte  Jambenverse  vor : 

»a  z  detatka  V  tüz  hodinu  95    |     »»Az  doroste  hoch  malicky,      111 

Dcerina  hletba.  Hier  hat  man  es  mit  fünfzeiligen  Strophen  zu 
thun,  von  denen  je  zwei  sich  der  ziemlich  komplizirten  Reimordnung 
abaac|dbddc  bedienen;  zum  Unterschiede  von  dem  akatalektischen  Vier- 
füssler  im  ersten,  dritten  und  vierten  Vers  und  dem  katalektischen  Vier- 
füssler  im  letzten  Vers  jeder  Strophe  ist  der  zweite  Vers  (abwechselnd 
die  Refrains:  dcero  mä?  [I]  und  matko  ma!)  ein  katalektischer  Zwei- 
füssler.  (Eigentlich  ist  da  —  allem  Anscheine  nach  —  ebenfalls  ein 
[hyperkatalektischer]  Vierfüssler  [mit  zweifacher  Katalexis]  zu  lesen: 

dcero  mä?  [1]  und  matko  mä!).    Als  Beispiel  soll  angeführt  werden: 


2*)  Es  gibt  sogar  Mittelreime :  ruchu-shichu  —  duchu  (Vers  13  und  61); 
V  byli-sily  —  neomyli  (Vers  25). 

35* 


548 


Jaroslav  Sutnar, 


Coz  jsi  se  tak  zasmusila, 
dcero  mä? 
coz  jsi  se  tak  zasmusila? 
Vesela  jsi  jindy  byla, 
nyni  prestal  tob6  smich ! 


»Zabila  jsem  holoubätko, 
matko  mä! 
zabila  jsem  holoubätko  — 
opustöne  jedinätko  — 
bil6  bylo  jako  snih !« 


10 


Unter  den  60  Versen  im  Ganzen  sind  nur  38  regelmässig.    Auch  hier 

findet  man  3  Verse,  die  zu  regelrechten  Jambenversen  geworden  sind : 

»Oh!  zabila  jsem  detatko,     16,18    |     jenz  chodival  k  näm  de  domu     44 

Vecer.  Das  Gedicht  besteht  aus  einer  vierzeiligen  Strophe  mit  der 
ßeimordnung  abab  und  zwei  fünfzeiligen  mit  der  gemeinsamen  Reim- 
ordnung ccddc|cceec.  In  der  vierzeiligen  Strophe  wechselt  ein  akata- 
lektischer  Vers  mit  einem  katalektisehen  ab  (vgl.  Polednice),  wogegen 
in  den  fünfzeiligen  Strophen  der  erste,  zweite  und  letzte  Vers  katalek- 
tisch  sind  —  zum  Unterschiede  von  dem  akatalektischen  dritten  und 
vierten  Verse.  Die  prosodisch  fehlerfreie  Dichtung  soll  als  Kuriosität 
vollständig  abgedruckt  werden: 


Tmi  se,  na  klekäni  zvoni, 

sen  sve  zädä  obeti; 
hvezdy  svetle  jiskry  roni: 

srdce  moje,  jak  je  ti? 

Vzhuru  tarn  bych  stoupilo, 
s  hvezdami  se  spojilo; 
s  hury  se  hvezdami  temi 


na  vlastenskou  tuto  zemi 
rosne  slzy  ronilo ! 

Vzhuru  tam  bych  stoupilo, 

läsku  k  vlasti  budilo: 
srdcem  räznym  zvucnych  zvonü 
räzne  v  srdce  millionü 

synu  ceskych  ml'uvilo ! 


10 


Panna  a  mäti.  Hier  begegnen  wir  drei  vierzeiligen  Strophen,  von 
denen  die  ersten  zwei  die  Reimordnung  abbc|addc  besitzen  —  im  Gegen- 
satz zu  der  letzten  Strophe  mit  der  Reimordnuug  abab  (vgl.  Poklad  V, 
Strophe  2 ! ).  —  Von  den  1 2  Versen  sind  alle  bis  auf  2  regelmässig. 
Trotzdem  kommt  auch  da  1  regelrechter  Jambenvers  vor : 
te  rovneho  nie  nestävä  —     7 

Cizi  host.    Diese  Dichtung  ist  in  den  vierzeiligen  Strophen  der 
Polednice  abgefasst  (vgl.  auch  Vecer,  Strophe  1 !),  z.  B.: 


Hluk  a  zmatek  —  smichy  mizi,   25 

vsichni  speji  na  pomoc. 
»Kdo?  kde  jest  muz  onen  cizi?« 

Pryc  —  a  venku  tmavä  noc. 


Hudba  opet,  tance,  kvasy  — 
zmizela  vsak  veselost :  30 

odneslt  ji  na  vse  casy 
mlad6  pani  cizi  host. 


Unter  den  32  Versen  im  Ganzen  sind  23  als  regelmässig  zu  bezeichnen. 
Smolny  var.  Auch  in  diesem  Gedichte  begegnet  man  durchgehends 
der  Strophe  der  Polednice  (vgl.  gleichfalls  Vecer,  Strophe  1,  und  Cizi 
hostl),  z.  B.: 


Prosodißches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc. 


549 


Vzavsi  jab'ko  z  ruky  matce 

laskuje  si  nevinne  ;  10 

beii  jeste  podivat  se, 

jak  to  viri  v  kotline. 

Von  den  16  Versen  im  Ganzen  sind  12  Verse  regelmässig.    Auch  hier 
finden  wir  1  Jambenvers : 

näjablicko!  aj  pohledni,  7 

Shor  1 — 12.  Die  hier  in  Betracht  kommenden  ersten  drei  Strophen 
sind  ebenfalls  identisch  mit  den  Strophen  der  Polednice  (vgl.  auch  Vecer, 
Strophe  1,  Cizi  host,   Smolny  var!  .     Alle    12  Verse   sind  prosodisch 
fehlerfrei: 
Zavzui  plese  po  vsi  Praze, 
jednoty  zde  stoji  chräm; 
kdo  ji  choväs  v  dusi  draze, 
pristup  sem  a  vitej  nam! 

Jedna  duse  v  jednom  t6le,  \ 

jeden  vsecky  väie  päs: 


piritel  stau  se  z  nepfitele, 
pak  se  postav  mezi  näs! 

Bud'  si  velky,  bud'  si  maly, 
Jen  kdyz  cestnou  mysl  mäs, 

srdce  verne  vlasti,  kräli: 
podej  ruku,  ty  jsi  näs! 


10 


Pisen  Illyrtw.  In  dieser  Dichtung  begegnen  wir  sechszeiligen 
Strophen  mit  der  Reimordnung  abcbdd.  —  unter  den  24  Versen  im  Gan- 
zen sind  nur  15  als  regelmässig  zu  bezeichnen. 

Svatojanskä  muska.  Das  Gedicht  besteht  aus  vierzeiligen  Strophen 
mit  der  Reimordnung  abab  (vgl.  Poklad  V,  Strophe  2  und  Panna  a  mäti, 
Strophe  3!),  z.  B.: 


A  tu  V  trävo  a  tu  V  kviti 
na  me  stesti  prostred  sadu 
kridlaty  se  hmyzek  sviti, 
zlaty  zpredu,  leskly  vzadu. 

Chytim  jej,  a  jak  me  ziti 
mihi  mi  ta  muska  mala, 


25 


neb  jak  sobe  poraditi, 
läska  mä  mi  poseptala. 

Zivy  plamenek  mi  slouzi 
za  svici  tu  na  papire, 

a  CO  srdce  zvedet  touzi, 
odhali  mi  male  zvife. 


30 


Trotz- 


Von  den  56  Versen  im  Ganzen  sind  alle  bis  auf  9  regelmässig. 

dem  kommt  auch  hier  1  Jambenvers  vor: 

tu  zasustne  cos  v  okenku       7 

Tuzha  divci.    Diese  Dichtuug  besitzt  keinen  Strophenbau;  die 

Reimordnung  ist  gleichfalls  ganz  regellos :  aabcdceefgfhijjj.  —  Unter  den 

16  Versen  können  nur  9  als  regelmässig  gelten.    Es  findet  sich  auch  da 

1  Jambenvers: 

nez  opustim  ja  mileho,  14 

2b.    Trochäen -Tierfüssler  mit  Katalexis.    Stedry  den  II. 

In  den  hier  vertretenen  vierzeiligen  Strophen  mit  der  Reimordnung  abcb 


550  Jaroslav  Sutnar, 

wechselt  ein  katalektischer  Vierfüssler  mit  einem  akatalektischen  Drei- 
füssler  (hier  eigentlich  brachykatalektischen  Vierftissler)  ab,  z.  B. : 

Hoj,  mne  pülnoc  nelekä, 

ani  liehe  Vedy:  30 

pujdu,  vezmu  sekeru, 

prosekäm  ty  ledy. 

Von  den  36  Versen  im  Ganzen  sind  28  regelmässig. 

Stedry  den  IV.  Hier  begegnet  man  drei  siebenzeiligen  Strophen 
(erste,  zweite  und  vierte  Strophe)  und  einer  achtzeiligeu  (dritte  Strophe) : 
Trochäisch  sind  in  den  siebenzeiligen  Strophen  die  ersten  vier  und  der 
letzte  Vers  (die  übrigen  sind  Daktylo-Trochäen),  wobei  der  erste  und 
dritte  Vers  je  eiuen  katalektischen  Vierfüssler  und  die  übrigen  drei  je 
einen  akatalektischen  Dreifüssler  (eigentlich  brachykatalektischen  Vier- 
füssler) enthalten  —  mit  der  Reimordnung  abcb..b.  In  der  achtzeiligen 
Strophe  sind  trochäisch  die  ersten  vier  und  die  letzten  zwei  Verse  (die 
übrigen  sind  Daktylo-Trochäen),  wovon  der  erste  und  dritte  Vers  wieder 
je  einen  katalektischen  Vierfüssler  und  die  übrigen  vier  wieder  je  einen 
akatalektischen  Dreifüssler  (eigentlich  brachykatalektischen  Vierfüssler) 
enthalten  —  mit  der  Eeimordnung  abcb  . .  bb.  —  Unter  den  2 1  Versen 
sind  alle  bis  auf  2  regelmässig. 

Stedry  den  V  8  —  24.  Hier  haben  wir  es  mit  drei  vierzeiligen 
Strophen  (erste,  zweite  und  vierte  Strophe;  und  einer  fünfzeiligen  (dritte 
Strophe)  zu  thun:  Die  vierzeiligen  Strophen  sind  identisch  mit  denjenigen 
des  Stedry  den  H.  Ein  sonst  reimloser  ungerader  Vers  wird  hier  voll- 
ständig wiederholt  (12,  21).  In  der  fünfzeiligen  Strophe  mit  der  "Reim- 
ordnung abcbb  bilden  der  erste  und  dritte  Vers  je  einen  katalektischen 
Vierfüssler,  wogegen  die  übrigen  Verse  je  einen  akatalektischen  Drei- 
füssler (eigentlich  brachykatalektischen  Vierfüssler)  enthalten.  —  Von 
den  17  Versen  sind  alle  bis  auf  1  regelmässig. 

Vodnik  III.  In  den  hier  vorkommenden  vierzeiligen  Strophen  mit 
der  Reimordnung  abcb  wechselt  ein  katalektischer  oder  akatalektischer 
Vierfüssler  mit  einem  akatalektischen  Dreifüssler  (eigentlich  brachy- 
katalektischen Vierfüssler)  ab,  z.  B. : 


»»Neobjimej  nikoho 

z  räna  do  vecera : 
pred  klekänim  pak  se  zase 

vratiz  do  jezera.  120 


»»Od  klekäni  do  klekäni 
däväm  Ihütu  tobe : 

avsak  mi  tu  na  jistotu 
zustavis  to  robe.«« 


Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.         551 

In  manchen  ganz  regellos  verstreuten  und  sonst  reimlosen  ungeraden 
Versen  29)  können  wieder  die  Schlüsse  (theilweise  Wiederholungen) 
als  Reime  gelten:  Vers  1,  9;  Vers  15,  95,  97;  Vers  27,  29;  Vers  37,  49; 
Vers  61,  65;  Vers  69,  89,  91;  Vers  77,  81,  85;  Vers  101,  105,  109.— 
Unter  den  124  Versen  sind  95  als  regelmässig  zu  bezeichnen.  Auch  da 
gibt  es  2  Jambenverse: 
a  ja  bych  se  rads  videla  31    |     müj  maly  Vodnicku !  38 

3.  Trochäen-Füuffüssler.  Ohne  Katalexis.  Odchod.  Diese 
Dichtung  besteht  aus  achtzeiligen  Strophen  mit  der  Reimordnung 
ababcdcd,  wobei  immer  ein  akatalektischer  Vers  mit  einem  katalekti- 
schen  abwechselt,  z.  B. : 


Divko,  dfvko !  hodina  mi  bije, 
doba  temnä  meho  odehodu; 

tezce  Äcädra  moje  teskno  kryje, 
teskno  odtud  beru  k  pruvodu. 


Mej  se  dobfe !  Az  se  po  okoH         5 
zlate  rozevlaje  sumny  klas, 

az  ni  jeho  nebude  jii  v  poli : 
pak  te  spatfim,  pak  se  sejdem  zas. 


Von  den  24  Versen  sind  alle  bis  auf  4  regelmässig. 

Ohlas  zalmu  45.    Das  Gedicht  bedient  sich  vierzeiliger  Strophen 

—  mit  der  Reimordnung  abab,  z.  B. : 

Opäsej  se  mecem,  reku  jasny  !  |  Pravice  tvä  hroznä  v  svat6m  boji, 

prokaz  düstojenstvi  sve  a  slävu;  10  |  ostre  jsou  i  prudke  tvoje  stfely: 


vypravy  tve  brane  bud'te  st'astny, 
anat  mysl  k  mirnosti  a  prävu. 


närodove  padnou  k  noze  tvoji,       15 
V  srdce  probodes  sve  neprätely. 


Unter  den  36  Versen  im  Ganzen  können  28  als  regelmässig  gelten. 

4.  Trochäen-Sechsfüssler.  Ohne  Katalexis.  Ohlas  zalmu 
140.  Diese  Dichtung  besteht  aus  vierzeiligen  Strophen  —  mit  regel- 
mässiger Diäresis  nach  dem  dritten  Versfuss  und  mit  der  Reimordnung 
abab.  —  Von  den  24  Versen  sind  nur  14  regelmässig. 

Wir  haben  also  gesehen,  dass  bei  den  trochäischen 
V;ersen  die  Regelmässigkeit  sehr  ungleich  vertreten  ist.  Es 
gibt  fehlerfreie  Gedichte,  und  es  gibt  Gedichte,  wo  die 
regelmässigen  Verse  kaum  die  Hälfte  der  Gesammtzahl  aus- 
machen. Im  Ganzen  sind  unter  den  1473  Trochäenversen 
gegen  419  unregelmässig,  wobei  48  zu  regelrechten  Jam- 
benversen werden. 


■^5)  Akatalektisch  sind  im  Ganzen:  Vers  3,  5,  11,  17,  19,  21,  23,  25,  31, 
33,  35,  39,  43,  47,  51,  53,  55,  57,  59,  67,  71,  75,  79,  83,  87,  93,  99,  103,  107,  111, 
115,  119,  121,  123. 


552  Jaroslav  Sutnar, 

Ein  entschieden  jambisches  Versmass  ist  in  folgenden 
Dichtungen  zu  finden: 

1.  Jamben -Vierfüssler.  Ohne  Katalexis.  Kytice.  Hier 
begegnen  wir  vierzeiligen  Strophen,  in  denen  die  durchwegs  miteinander 
reimenden  geraden  Verse  jambisch  a^ind.  —  Unter  den  12  geraden  Ver- 
sen sind  nur  6  fehlerfrei. 

Svatel)7ii  kosile.  Das  Gedicht  besitzt  Iceinen  Strophenbau,  aber 
alle  Verse  sind  gereimt 26);  Es  reimen  in  der  Regel  je  zwei  Verse  mit- 
einander, nur  in  Vers  31—33,  64—66,  179 — 181,  298—300  sind  je 
drei  und  in  Vers  194 — 197  vier  Verse  durch  einen  Reim  miteinander 
verbunden,  z.  B. : 


Jii  jedenäctä  odbila, 
a  lampa  jestö  svitila, 
a  lampa  jest6  horela, 
CO  nad  klekadlem  visela. 


A  on  tu  napred  —  skok  a  skok, 
a  ona  za  nim,  co  ji  krok.  90 


A  on  vzdy  napred  —  skok  a  skok, 
a  ona  za  niru,  co  ji  krok.  124 

Von  den  304  Versen  im  Ganzen  können  nur  ungefähr  129  als  fehlerfrei 
gelten.     Es  kommen  da  sogar  4  reine  Trochäenverse  vor : 

Hoj,  mä  paneuko,  tu  jsem  jiz  !  |    »»Hoj,  mä  panenko,  tu  jsme  jiz  !    192 

Hoj,  mä  panenko,  co  deläs?        64    |  — 

—  I    Co  niäs  V  uzliku,  mä  milä?««         208 

Zlaty  kolovrat.    Hier  haben  wir  es  bekanntlich  mit  fünfzeiligen 
Strophen  zu  thun,  in  welchen  bloss  die  ersten  vier  Verse  jambisch 2') 


26)  Es  kommen  sogar  Mittelreime  vor:  zvis-bliz  —  nebojis  (Vers  97, 
131,  167). 

2")  Der  Zlaty  kolovrat  wird  bei  Kral  unter  denjenigen  Gedichten  Erben's 
angeführt,  welche  Daktylen  und  Daktylo-Trochäen  enthalten  (L.  f.  Roc.  21. 
[1894]  427).  Wenn  im  Zlaty  kolovrat  wirklich  ein  Daktylus  im  ersten  B^'usse 
zu  lesen  wäre  (nur  das  kann  Kräl  gemeint  haben),  so  müsste  man  mit  dem- 
selben Rechte  z.  B.  auch  den  Vers  der  Svatebni  kosile  daktylisch-trochäisch 
lesen  (d.h.  mit  Daktylus  im  ersten  Fusse),  was  jedoch  Kräl  selbst  nicht  thut, 
indem  er  dieses  Gedicht  kurz  vorher  ausdrücklich  zu  den  jambischen  zählt. 
Wohl  kann  man  entgegnen,  dass  im  ersten  Versfusse  des  Zlaty  kolovrat  beim 
jambischen  Metrum  ungefähr  150  und  beim  daktylisch-trochäischen  etwa  90 
Unregelmässigkeiten  zu  finden  sind  (um  die  Hälfte  mehr  beim  jambischen 
Versmass),  wogegen  bei  den  Svatebni  kosile  in  beiden  Fällen  sich  ungefähr 
dieselbe  Zahl  =150  ergibt.  Aber  die  Höhe  dieses  Gesammtergebnisses  ist 
rein  zufällig,  wie  wir  es  deutlich  daraus  ersehen  können,  dass  im  Zlaty 
kolovrat  und  in  den  Svatebni  kosile  bei  beiden  Metren  fast  dasselbe  Ver- 
hältniss  bezüglich  der  Abweichungen  zu  Tage  tritt,  sobald  wir  die  Dich- 
tungen nur  partienweise  vergleichen. 


ProBodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jcaroiiilr  Erben  etc.  553 

sind  —  bei  der  Reimordnung  aabb:  Der  erste  und  zweite  Vers  enthalten 
je  einen  akatalektischen  Vierfüssler^*),  und  der  dritte  und  vierte  je  einen 
katalektischen  Fünffüssler  (hier  —  mit  Rücksicht  auf  die  vorangehenden 
Verse  —  eigentlich  einen  überzähligen  Vierfüssler).  (Vgl.  Trochäischer 
Rhythmus  Ibl)  —  Unter  den  252  Versen  sind  nur  etwa  78  fehlerfrei. 
Auch  da  gibt  es  8  reine  Trochäenverse : 


»»Mämo,  mamicko  1  co  pocit?  9(j 

pravou  nevestu  jsi  zabila,  V  2S 

»Kde'smäDornicko!  kde  jsi?  kde  jsi? 

44 


Vykonej,  cot'  poroucim  ja :  II  37 

Zatim  na  vernou  mou  pamätku  III  63 

za  nie  jineho  vsak  nedävej,  IV  19,  49, 

—  79 

Stedry  den  III.  Hier  begegnen  wir  vierzeiligen  Strophen,  in  denen 
bloss  die  miteinander  reimenden  geraden  Verse  jambisch  sind.  (Die  un- 
geraden Verse  sind  Daktylo-Trochäen.)  —  Von  den  20  geraden  Versen 
sind  nur  4  fehlerfrei. 

Vestkxjjie.  Hier  haben  wir  es  wieder  mit  den  Strophen  der  Ky- 
tice29)  zu  thun.  —  Unter  den  106  geraden  Versen  sind  nur  4 1  fehlerfrei. 

2  a.  Jamben -Fünffüssler  ohne  Katalexis.  Lilie.  Diese 
Dichtung  bedient  sich  vierzeiliger  Strophen  mit  der  Reimordnung  aabb. 

—  Von  den  84  Versen  im  Ganzen  sind  nur   29   als   fehlerfrei   zu  be- 
zeichnen. 

2  b.  Jamben -Fünffüssler  mit  Eatalexis.  Vodnik  IL  In 
den  hier  vertretenen  vierzeiligen  Strophen  mit  der  Reimordnung  aabb 
begegnet  man  je  zwei  katalektischen  Fünffüsslern  und  zwei  akalekti- 
schen  Vierftisslern  (hier  eigentlich  brachykatalektischen  Fünffüsslern), 

—  Unter  den  28  Versen  können  nur  6  als  fehlerfrei  gelten.     Auch  da 
kommen  2  reine  Trochäenverse  vor: 

k  jezeru  vzdy  ji  cos  pohäni, 
k  jezeru  vzdy  ji  cos  nuti,     19 

Zazdhiä.  Hier  finden  wir  wieder  die  Strophe  des  Vodnik  U  vor. 
— Von  den  12  Versen  im  Ganzen  sind  nur  6  als  fehlerfrei  zu  bezeichnen. 

3.  Jamben-Sechsfüssler.  Mit  Katalexis.  Siroikovo  lüzko. 
Das  Gedicht  besteht   aus   vierzeiligen  Strophen  mit  der  Reimordnung 


28j  Ausgenommen  Vers  IUI :  vysla  babice,  küze  a  kost,  der  anapäatisch 
statt  jambisch  auslautet. 

29)  Eine  Ausnahme  davon  bilden  Vers  78:  ja  slysela  jeho  vesti  blas,  und 
Vers  118:  slysela  jsem  jeho  zlaty  zvon,  wo  an  Stelle  des  zweiten  Jambus  ein 
Anapäst  steht. 


554  Jaroslav  Sutnar, 

abab,  wobei  regelmässig  ein  katalektischer  Secbsfüssler  mit  einem  akata- 
lektischen  Fiinffiissler  (hier  eigentlicb  brachykatalektischen  Secbsfüssler) 
abwechselt.  —  Unter  den  24  Versen  im  Ganzen  können  nur  7  als  fehler- 
frei gelten.    Auch  da  gibt  es  1  reinen  Trochäenvers: 

devecka  tvä  to  —  slys  opusteoou:  6 
Perlomj  vinek.  Diese  Dichtung  ist  abgefasst  in  acht  vierzeiligen 
Strophen,  einer  sechszeiligen  und  einer  zweizeiligen:  Von  den  vierzeili- 
gen Strophen  bestehen  die  ersten  sechs  und  die  letzte  (erste  bis  sechste 
und  neunte  Strophe  im  Ganzen)  durchgehends  aus  katalektischen  Sechs- 
füsslern  und  besitzen  die  Reimordnung  abab  (ausgenommen  die  letzte 
Strophe  mit  der  Reimordnung  aabb);  in  der  siebenten  Strophe  mit  der- 
selben Reimordnung  wechselt  ein  katalektischer  Secbsfüssler  mit  einem 
akatalektischen  Fünffüssler  (eigentlich  brachykatalektischen  Secbsfüss- 
ler) ab.  In  der  sechszeiligen  achten  Strophe  mit  der  Reimordnung  aabccb 
enthalten  die  ersten  zwei  Verse  und  der  vierte  und  fünfte  je  einen 
katalektischen  Secbsfüssler,  wogegen  der  dritte  und  sechste  je  einen 
akatalektischen  Fünffüssler  (eigentlich  brachykatalektischen  Secbsfüss- 
ler) bilden.  In  der  —  ebenfalls  gereimten  —  zweizeiligen  letzten 
Strophe  begegnen  wir  nur  katalektischen  Sechsfüsslern.  Als  Beispiel 
soll  dienen: 

O  blaze  jemu,  komuz  däno  bohem    25 
tech  prvych  perel  toky  staviti : 

vsak  blazenejsi,  blazenejsi  mnohem, 
kdo  druhych  uiuel  sobe  dobyti ! 

Von  den  40  Versen  im  Ganzen  sind  nur  17  als  fehlerfrei  zu  bezeichnen. 

Aus  alledem  geht  hervor,  dass  auch  die  jambischen 
Verse  in  Bezug  auf  ihre  Regelmässigkeit  sehr  schwanken, 
nur  sind  sie  noch  viel  unregelmässiger,  als  es  die  trochäi- 
schen waren.  Ein  fehlerfreies  Gedicht  gibt  es  hier  über- 
haupt nicht,  dafür  kommt  eins  vor,  wo  die  regelmässigen 
Verse  sogar  bloss  ein  Fünftel  der  Gesammtzahl  ausmachen. 
Im  Ganzen  sind  unter  den  8S2  Jambenversen  nur  gegen  323 
fehlerfrei,  wogegen   i5  zu  reinen  Trochäenversen  werden. 

Mit  Bestimmtheit  ist  ein  daktylischer  (eigentlich  nur 
daktylisch -trochäischer)  Rhythmus  in  folgenden  Gedichten 
zu  erkennen: 

1.  Daktylisch -trochäischer  Zweifüssler.  Dieses  Versmass 
kommt  bloss  im  Shoi'  vor,  und  zwar  in  der  letzten  vierzeiligen  Strophe 


Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.  555 

(Vers  13  —  IG)  mit  der  Reimoränung  abeb.  —  Von  den  4  Versen  sind 
nur  2  regelmässig,  z.  B. : 

släva  ti,  släva !        16 

2.  Daktylisch  -  trochäischer  Vierfüssler  (Daktylen  im 
ersten  und  dritten  und  Trochäen  im  zweiten  und  vierten 
Versfuss).  Das  Metrum 30)  begegnet  uns  im  Stedry  den  III^  und  zwar 
in  den  durchweg  miteinander  reimenden  ungeraden  Versen  der  bereits 
besprochenen  vierzeiligen  Strophen.  (Vgl.  Jambischer  Rhythmus  II)  — 
Unter  den  20  Versen  können  bloss  7  als  regelmässig  gelten,  z.  B.: 

Na  tele  kabät  zeleni  temne,        25    |     Na  nohy  skoci,  srdce  ji  bije,       29 

cervenä  svetla  blyskaji  z  toho  —      .35 
Daneben  gibt  es  noch  7  Verse  mit  regelmässiger  erster  und  2  Verse 
mit  regelmässiger  zweiter  Hälfte ;  durchgehends  unregelmässig  ist  die 
zweite  Hälfte  bei  den  Versen  mit  anakrusischem  Daktylus  im  dritten 
Fusse.    Es  findet  sich  auch  l  regelrechter  Trochäenvers : 

jsou  to  druzicky,  a  mezi  nimi  —  39 
Dasselbe  Versmass  ist  auch  im  Stedry  den  /F"  vertreten,  und  zwar 
in  dem  durch  einen  Reim  verbundenen  fünften  und  sechsten  Vers  der 
ebenfalls  besprochenen  (sieben-  beziehungsweise  achtzeiligen)  Strophen 
(Vers  5,  6;  12,  13;  19,  20;  27,  28,  wobei  im  dritten  Fuss  fast  über- 
all 31)  ein  Daktylus  mit  Auftakt  steht).  (Vgl.  Trochäischer  Rhythmus  2  b!) 
—  Von  den  8  Versen  ist  kein  einziger  regelmässig:  Es  gibt  nur  4  Verse 
mit  regelmässiger  erster  und  nur  1  Vers  mit  regelmässiger  zweiter 
Hälfte  (nämlich  den  einzigen  mit  nicht  anakrusischem  Daktylus  im 
dritten  Fusse).    Dafür  kommen  hier  3  reine  Jambenverse  vor: 

a  za  ui  hejsa !  kvitim  osypana      6    1     tak  videla  jej  v  osudne  tö  dobe,  12 

pläc,  bedoväni,  trouby  hlaholice      20 

Die  Daktylo-Trochäen  sind  also  noch  unregelmässiger,  als 
es  die  trochäischen  und  selbst  die  jambischen  Verse  waren: 


30)  Ausgenommen  Vers  11,  15,  27,  wo  im  dritten  Fuss  ein  Daktylus  mit 
Auftakt  steht. 

31)  Ausgenommen  Vers  19.  Schon  durch  diesen  einzigen  Vers  werden 
wir  von  dem  daktylisch-trochäischen  Rhythmus  genügend  überzeugt,  da  hier 
im  dritten  Fuss  ein  dreisilbiger  Daktylus  (planouci)  steht  im  Gegensatz  zu  den 
vier  Silben  in  allen  übrigen  Versen,  so  dass  auch  dort  wegen  Einhaltung  der 
gleichen  Taktzahl  der  dritte  Fuss  als  Daktylus  mit  Auftakt  zu  lesen  ist. 


556  Jaroslav  Sutnar, 

Es  findet  sich  hier  sogar  ein  (allerdings  sehr  kurzes)  Ge- 
dicht mit  durchgehends  falschen  Versen.  Im  Ganzen  sind 
unter  den  32  Daktylo-Trochäen  bloss  9  fehlerfrei,  wo- 
gegen 1  zum  regelrechten  Trochäenvers  und  3  zu  reinen 
Jambenversen  werden. 

Mit  einigen  Schwierigkeiten  haben  wir  schon  in  den 
miteinander  reimenden32)  ungeraden  Versen  der  bereits  be- 
sprochenen vierzeiligen  Strophen  der  Kytice  und  V^stkyn^ 
zu  kämpfen  (vgl.  Jambischer  Rhythmus  1 !),  wo  durchgehends  ein 
katalektischer  Jamben -Sechsfüssler 33)  und  auch  ein  dakty- 
lisch-trochäischei*  34)  VierfÜSSler  gelesen  werden  kann  (wieder 


32)  Sogar  einen  Mittelreim  gibt  es:  v  mori  —  stvori-zbori  (Vest.  11). 

33)  Ausgenommen  die  Verse  Vest.  5 :  nechtejte  väziti  lehce  feci  moji, 
17:  videla  jsem  muze  na  Belinö  vode,  21 :  tu  prisli  poslove  od  valneho  snemu, 
57:  videla  jsem  skälu  nad  fekou  se  pnouci,  G3:  videla  jsem  kneznu  tväri 
uslechtile,  93:  videla  jsem  tebe,  Inzko  blahosvate!  117:  videla  jsem  kostel 
nad  Orlici  rekou,  wo  statt  des  zweiten  Jambus  überall  wegen  Einhaltung  der- 
selben Taktzahl  offenbar  ein  Anapäst  zu  lesen  ist.  Dann  hätten  wir  es  in  den 
geraden  Versen  eigentlich  durchweg  mit  brachykatalektischen  Sechsfüsslern 
zu  thun. 

3*)  So  wird  auch  bei  Kräl  Kytice  und  Vestkyne  unter  den  Erben'schen 
Gedichten  mit  daktylischen  und  daktylisch- trochäischen  Reihen  genannt 
(L.  f.  Roc.  21.  [1894]  427).  Dagegen  sucht  Frantisek  Sujan  in  seiner  Ab- 
handlung »Erbenova  Kytice  po  stränce  aestheticke  s  rozborem  ,Pokladu'« 
(Dvacäty  deväty  program  c.  k.  ceskeho  vyssiho  gymnasia  v  Brno  na  konci 
skolniho  roku  1895 — 1896,  3 — 34)  bei  der  Kytice  sogar  umsonst  einen  einheit- 
lichen Rhythmus  (27)  und  würdigt  das  Versmass  der  Vestkyne  (und  der 
»Pisnö«)  nicht  einmal  einer  besonderen  Erwähnung  (28):  Sujan  liest  über- 
haupt die  Dichtungen  Erben's  strenge  nach  den  Betonungsgesetzen  und  ge- 
langt auf  diese  Weise  zu  überraschenden  Schlüssen  (im  Poklad  findet  er  [27] 
auch  einen  uneinheitlichen  Rhythmus  —  wie  in  den  Erben'schen  Gedichten 
überhaupt  —  und  sieht  darin  neben  einem  rein  trochäischen  Versmass  [in 
396  Versen  von  516  im  Ganzen]  stellenweise  ein  daktylisches  oder  jambisches 
[20],  in  den  Svatebni  kosile  [27]  oft  neben  einem  jambischen  ein  daktylisches 
oder  trochäisches  [:  ».  .  .  sotva  jsme  prvou  slohu  spoutali  v  .  .  .Jambus,  jiz 
druhä  prchä  nam  . . .  daktylem.  Marn§  snazime  se  utvoriti  vzorec  daktylicky, 
jiz  zas  ustoupil  jambickömu  nebo  trochejskemu,  tak  ze  ze  vsech  pokusu 
zbude  näm  vSdomi,  ze  slysime  ctyri  these  s  volnymi  arsemi  .  .  .«],  in  der  Po- 
lednice  [27]  und  in  der  Vrba  [28]  bemerkt  er  neben  Trochäen  auch  Jamben, 
im  Holoubek  [28]  neben  einem  trochäischen  Versmass  häufig  ein  daktylisches, 
in  der  Lilie  [28]  findet  er  daktylischen  [!]  und  trochäischen  [!]  Rhythmus;  über 
das  Metrum  im  Zlaty  kolovrat  [27]  und  im  Vodnik  [28]  sagt  er  überhaupt 


Prosodisches  und  Metrisches  bei  Kaiel  Jaromir  Erben  etc.  557 

mit  Daktylen  im  ersten  und  dritten  und  mit  Trochäen  im  zweiten  und 
vierten  Fasse,  wobei  der  zweite  Daktylus  regelmässig  und  der  erste  nur 
ganz  ausnahmsweise 35)  mit  einem  Auftakt  verbunden  wäre);  aber  beim 
jambischen  Versmass  finden  wir  in  der  Kytice  13  und  in  der 
Vestktjne  ungefähr  100  und  beim  daktylisch -trOchäischen 
Rhythmus  in  der  Kytice  22  und  in  der  Vestky7ie  ungefähr 
220  Abweichungen  von  den  Betonungsgesetzen,  welcher 
Umstand  allein  schon  ZU  Gunsten  des  Jambus  entscheidet^ß). 
Als  Beispiel  soll  dienen : 


Vestkyne. 
I  vzejde  seti,  jafe  bude  kvesti, 

a  s  nim  i  vzejde  zeme  t6to  si6sti,    55 


Kytice. 
I  zzelelo  se  matce  milych  ditek ;     5 

a  vtellla  se  v  drobnolisty  kvitek, 

Snad  ze  se  najde  dcera  materina, 
snad  ze  1  najdes  nektereho  syna,  24 

Reine  Jambenverse  gibt  es  unter  den  12  ungeraden  Versen  der  ersten 
Dichtung  bloss  5  und  unter  den   lOG  ungeraden  Versen  der  zweiten 


nichts  Bestimmteres).  Auch  das  Buch:  »Kytice  z  bäsni  Karla  Jaromira  Er- 
bena.  Vydäni  devätö,  üplne.  Uvodem,  poznäuikami  a  v^kladtm  opatrili  Ru- 
dolf Schenk  a  Josef  Straka  .  .  .«  (V  Zäbreze  IQUlj  hält  (155)  die  Kytice 
für  ein  daktylisch-trochäisches  Gedicht  (ebenfalls  auch  den  Zlat^  koJovrat 
[188],  beides  höchstwahrscheinlich  unter  Krdl's  Einfluss),  wogegen  über  das 
Versmass  (im  Holoubek  [205]  und)  in  der  V6stkyn6  [252]  und  auch  über  das 
Metrum  in  den  einzelnen  »PisnÄ«  [ausser  iui  Vect^r  (261)])  überhaupt  nichts 
iSäheres  hier  gesagt  wird :  Dafür  im  Voiinik  II  (227)  sielit  es  »einen  im  Wesent- 
lichen trochäischen  (!)  Rhythmus  mit  Daktylus  an  erster  oder  zweiter  Stelle«. 

35)  Nämlich  bei  den  in  Anmerkung  33  angeführten  sieben  Versen,  die  — 
scheinbar  mit  einem  anakrusischen  Daktylus  ini  ersten  Fusse  —  vielleicht 
ein  wenig  für  den  daktylisch-trochäischen  Rhythmus  aller  übrigen  ungeraden 
Verse  sprechen  köunten,  wenn  bekanntlich  nicht  auch  unter  den  entschieden 
jambischen  geraden  Versen  in  zwei  Fällen  etwas  Aehnliches  stünde.  Sonst 
möchte  es  beim  daktylisch-trochäischen  Metrum  fast  keine  verfehlten  Diä- 
resen geben. 

36)  Der  von  uns  bei  diesen  zwei  Gedichten  angmvandten  statistischen 
Methode  kann  man  zwar  im  Allgemeinen  den  Werth  t-iner  rein  wissenschaft- 
lichen absprechen,  da  sie  nur  mit  der  Wahrscheinlichkeit  rechnet,  aber  hier 
ist  einzig  und  allein  sie  am  Platze,  denn  eine  absolute  Sicherheit  lässt  sich 
bei  diesen  Dichtungen  —  angesichts  der  fast  gänzlichen  und  allgemeinen 
prosodischen  Anarchie  der  vormärzlichen  Zeit  —  nicht  erzielen. 


558  Jaroslav  Sutnar, 

Dichtung  bloss  31.  Wir  begegnen  hier  sogar  regelrechten  daktylisch- 
trochäischen  Vierftisslern  (1  und  3): 

Kytice.  j  V^stkyne. 

Zemrela  matka  a  do  hrobu  däna,    1     Jiste  a  pevne  jsou  osudu  kroky,       13 

Polozll  rädlo  a  propustil  voly  :         25 

sirokö  lipy  v  mem  otcovskem  dvofe  83 
(Ausserdem  gibt  es  in  beiden  Gedichten  noch  eine  Reihe  von  Versen  mit 
regelrechtem  daktylo- trochäischem  Zweifüssler  in  der  ersten  Hälfte 
[5  und  29]  und  in  der  zweiten  Hälfte  [0  uud  9]). 

Aerger  ist  es  um  das  Metrum  bestellt  im  Stedry  den^"^)  I\ 
V 1 — 7,  25 — 31 :  Im  ersten  Theil  haben  wir  es  zu  thun  mit  vier  vier- 
zeiligen  Strophen  (erste,  dritte  bis  fünfte  Strophe)  und  zwei  dreizeiligen 
(zweite  und  sechste  Strophe)  und  im  fünften  Theil  mit  je  zwei  vier- 
zeiligen  (erste  und  letzte)  und  dreizeiligen  Strophen  (zweite  und  vor- 
letzte) ;  die  Verse  bedienen  sich  der  überaus  komplizirten  Reimordnung : 

abab|ccb|dede|fgfglhihi|ccb|abab|ccb| |ccb|jkjk. 

Im  zweiten  und  vierten  Vers  der  vierzeiligen  Strophen  und  im  dritten 
Vers  der  dreizeiligen  (I  2,  4;  738);  9^  u;  13^  15;  17^  19;  22;  V  2,  4; 
7;  27;  29,  31^9)  begegnen  wir  akatalektischen  Jamben-Vierfüsslern ; 
unter  den  1 6  Versen  sind  nur  5  fehlerfrei,  z.  B. : 


a  prede  dvef ml  stedry  den!«    122 


a  nedaleko  stedry  den!  V  7 


a  zivot  lidsky  jako  sen  !      27 


S'^)  Richtig  im  Allgemeinen  —  wenn  auch  ziemlich  unbestimmt  —  be- 
urtheilt  den  Stedry  den  vom  metrischen  Standpunkt  aus  Fr.  Täborsky  in 
seiner  Analyse  «Erbenüv  ,Stediy  den'«  (Vyrocni  zpräva  vyssi  divci  skoly  kräl. 
hlav.  mestaPrahy  za  skolni  rok  1S86— 1887.  Rocnik  XXIV.,  3—11):  Er  sieht 
(10)  in  I,  III  und  auch  V  (hier  mit  Ausnahme  einer  trochäischen  Abtheilung) 
Daktylo-Trochäen,  so  gleichfalls  in  IV  ([8];  hier  auch  mit  Ausnahme  rein  tro- 
chäischer Verse).  An  Täborsky  hält  sich  dann  Sujan  (27)  und  höchstwahr- 
scheinlich auch  Schenk  und  Straka  (198). 

38)  Vers  I  7 :  a  blizko,  blizoucko  stedry  den  !  hat  zum  Unterschiede  von 
den  ihm  sonst  entsprechenden  rein  jambischen  Versen  122;  V  7,  27  einen 
Anapäst  im  zweiten  Fusse. 

39)  Vers  V  31:  straslivou  poznati  jistotu!  hat  allem  Anscheine  nach 
gleichfalls  einen  Anapäst  im  zweiten  Fusse,  denn  ein  Anapäst  lässt  sich  im 
dritten  Fusse  der  Erben'schen  Jambenverse  nicht  mit  genügender  Verlässlich- 
keit  nachweisen. 


Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.  559 

Im  ersten  und  dritten  Vers  der  vierzeiligen  und  in  den  ersten  zwei  Ver- 
sen der  dreizeiligen  Strophen  (I  1,  3;  5,  6;  8,  10;  12,  14;  16,  18; 
20,  21;  V  1,  3;  5,  6;  25,  26;  28,  30)  haben  wir  es  zu  thun  mit  dakty- 
lisch-trochäischen Vierfüsslern :  Verse  I  1,  3,  1 2*0^;  V  1,  3,  6,  26,  28 
sind  identisch  mit  den  ungeraden  im  dritten  Theil  desselben  Gedichts, 
aber  fehlerfrei  ist  von  den  S  Versen  kein  einziger  und  nur  je  2  mit 
fehlerfreier  erster  oder  zweiter  Hälfte;  Verse  I  5*1),  6,  8,  10,  14,  16, 
18,  20,  21;  V  5,  25,  30  besitzen  bloss  einen  Daktylus  im  ersten  Fuss 
und  Trochäen  in  den  übrigen  drei  Füssen,  deshalb  sind  unter  den 
12  Versen  6  fehlerfrei,  z.  B.: 

neb  nebude  darmo  jeji  dilo,      I  10 
Es   gibt  jedoch   ausserdem   unter   den   20  Daktylo- Trochäen   beider 
Kategorien  3  regelrechte  Trochäenverse: 

vseckot'  ve  svete  jen  na  obrätku,  V  26  j  ejhle  adventu  jiz  na  krätku,         I  6 

I  vsakjest  adventu  jiz  na  krätku,  21 

Und  nicht  besser  geht  es  uns  bei  der  Feststellung  des 
Versmasses  in  der  Prvni  mäjovä  noc:  Die  Dichtung  umfasst 
siebenundzwanzig  Strophen  in  sechs  Abtheilungen  (4  -f-  5  -|-  5  -{-  5 
-f-  5  -|-  3);  davon  sind  sechs  zweizeilig  (die  letzte  Strophe  jeder  Ab- 
theilung: Strophe  4,  9,  14,  19,  24,  27),  eine  dreizeilig  (erste  Strophe) 
und  zwanzig  vierzeilig  (die  übrigen:  Strophe  2,  3,  5 — 8,  10 — 13, 
15 — 18,  20 — 23,  25,  26).  In  der  sechsmal  wörtlich  wiederholten  und 
prosodisch  fehlerfreien  zweizeiligen  Strophe  (Vers  12,  13;  30,  31; 
48,  49;  66,  67;  84,  85;  94,  95): 

Mäjovä  noc !  mäjovä  noc ! 
prvni  mäjovä  noc ! 


*0)  In  Vera  I  8  und  12  ruht  bei  den  dreisilbigen  Wörtern  im  zweiten 
Fusse  die  Betonung  höchstwahrscheinlich  auf  der  mittleren  Silbe,  weil  auch 
ein  Daktylus  im  zweiten  Fusse  der  Erben'schen  Daktylo-Trochäen  nicht  mit 
genügender  Sicherheit  nachgewiesen  werden  kann.  Ausserdem  geht  in  Vers 
I  12  dem  ersten  Daktylus  und  in  Vers  I  3  und  V  3  dem  zweiten  Daktylus  ein 
Auftakt  voraus,  welcher  auch  in  den  vier  Versen  mit  einem  einzigen  Daktylus 
18,  10,  14,  18  vorkommt. 

*i)  Auch  den  (viermal  sich  wiederholenden:  I  5,  20;  V  5,  25)  prosodisch 
fehlerfreien  Vers  muss  man  allem  Anscheine  nach  hinzuziehen  trotz  der  sinn- 
störenden regelmässigen  Diäresis:  toc  se  a  vre,  muj  |1  kolovrätku!,  da  die 
korrespondirenden  Verse  I  6,  21  und  besonders  Verse  V  6,  26  dies  verlangen. 
Oder  sollte  man  eher  ausnahmsweise  lesen:  toc  se  a  vre,  I|  müj  kolovrätku!? 


560 


Jaroslav  Sutnar, 


ist  der  erste  Vers  offenbar  ein  daktylisch-trocbäischer  Vierfüssler  mit 
Katalexis  im  zweiten  und  vierten  Fiisse,  und  der  zweite  höchstwahr- 
scheinlich derselbe  Vierfüssler  mit  zweisilbiger  Katalexis  im  ersten  und 

einsilbiger  im  zweiten  und  vierten  Fusse:  prvni  mäjovä  noc!  Dieselben 
zwei  Verse  bilden  ausserdem  noch  den  Anfang  der  einzigen  und  eben- 
falls prosodisch  fehlerfreien  dreizeiligen  Strophe  (Vers  1  —  3): 

Mäjovä  noc!  mäjovä  noc  ! 
prvni  mäjovä  noc! 

kdo  znäs  vsecku  jeji  moc? 
Der  letzte  Vers  dieser  Strophe  ist  ein  l  katalektischer)  trochäischer 
Vierfüssler  gleich  den  (bald  akatalektischen  und  bald  katalektischen) 
Versen  der  vierzeiligen  Strophen  (ausgenommen  Strophe  11  und  12: 
Vers  4  —  7,  8—1 1,  14—17,  18—21,  22—25,  26—29,  32—35,  44—47, 
50—53,  54—57,  58—61,  62—65,  68—71,  72—75,  76—79,  80—83, 
86 — 89,  90 — 93),  bei  denen  jedoch  im  ersten  oder  dritten  Fuss  oder 
auch  in  beiden  der  Trochäus  durch  einen  Daktylus  ersetzt  werden  kann, 
so  dass  die  Verse  unter  Umständen  in  Daktylo -Trochäen  umgewandelt 
werden*^).  Bei  elf  vierzeiligen  Strophen  (Strophe  2,  5,  6,  7,  10,  15,  17, 
20,  21,  25,  26)  finden  wir  die  Reimstellung  abab^^;,  z.  B.: 

*2)  Trochäenverse:  1)  ohne  Katalexis  4,  6,  8,  9,  14,  32,  34,  50,  52,  62,  6S, 
70,  72,  80,  86,  88  (unter  den  16  Versen  15  regelmässig);  2)  mitKatalexis  (neben 
Vers  3)  11,  17,  21,  23,  25,  33,  35,  47,  51,  53,  57,  64,  69,  71,  77,  82,  87,  89,  91,  93 
(von  den  21  Versen  19  regelmässig).  Der  erste  Trochäus  ist  durch  einen  Dak- 
tylus ersetzt  in  folgenden  Versen:  1)  ohne  Katalexis  16,  18,  20,  44,  63,  74,  81 
(unter  den  7  Versen  nur  2  fehlerfrei);  2)  mit  Katalexis  15,  19,  28,  29,  46,  55, 
59,61,65,73,75,79,83  (von  den  13  Versen  9  fehlerfrei);  der  dritte  Trochäus  ist 
durch  einen  Daktylus  ersetzt  in  den  folgenden  Versen :  1 )  ohne  Katalexis  22, 45, 
90,  92  (unter  den  4  Versen  2  fehlerfrei);  2)  mit  Katalexis  5,  7,  10  (alle  3  Verse 
fehlerfrei) ;  beide  Trochäen  sind  durch  Daktylen  ersetzt  in  folgenden  akatalek- 
tischen Versen:  24,  26,  27,  54, 56,  58,  60,  76,  78  (von  den  9  Versen  3  ganz  regel- 
mässig, 2  mit  regelmässiger  erster  und  3  mit  regelmässiger  zweiter  Hälfte). 
Als  Beispiele  der  fehlerfreien  Daktylo-Trochäen  sollen  angeführt  werden : 
1 1  k  obloze  zhuru  vyhazujte       20  mäjovä  dnes  tarn  muzika !        79 


2  plamenem  hofi  hranina,  15 

plane  i  hasne  smolina  —  28 

pod  okny  mäj  ti  poslavim,  55 

nyni  je  läska  podt'ata,  59 

namazu  ja  se  po  t6le,  73 


II 1  Nad  svevoli  at  zvitözi  prävo,  90 

2  pojd'me,  pojd'me  V  zeleny  häj,  10 

III     Nahoru,  dolü  sv6tla  se  vodi,    26 

Mivali  jsme  se,  mivaii  rädi:     58 


Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc. 


561 


Hvezdy  sviti,  slavik  p6je, 

pojd'me,  pojd'me  V  zeleny  häj  1    5 
z  luk  a  zahrad  vüne  veje, 

uvitejme  kvetnaty  mäj ! 

Po  zelen^m  mladdm  prosu 

uslapanä  pesina: 
do  8äte6ku  sbirä  rosu 

mladä  svärnä  divcina.  35 


Z  brezoveho  za  vsi  lesa  50 

statny  kräci  mlädenec, 
svezi  brizku  sobe  nesa, 

na  ni  z  kviti  pletenec. 

Na  obnisti  pod  kominem 

sedi  babka  svlecenä; 
podkuruje  sebe  blinem,  70 

maäe  nohy,  ramena. 


Vyjdi,  vyjdi  slunko  jasnöl 

zazen  pustou  temnotu; 
klam  a  lez  at'  na  vzdy  shasne, 
pravda  vstane  k  iivotu.  89 

Fünf  Strophen  (Strophe  3,  8,  13,  18,  23)  bedienen  sich  der  Reimstel- 
lung aabb.    Zwei  Strophen  besitzen  auch  noch  die  Reimstellung  abcb 
(Strophe  16  und  22^').    Endlich  begegnen  wir  zwei  vierzeiligen  Stro- 
phen   (Strophe   11   und   12:   Vers  36 — 39,  40 — 43)   mit  zweifüssigen 
Daktylenversen  und  mit  der  Reimstellung  abcb,  z.  B.  : 
Tväricky,  tväncky ! 
kvette  ini  rüzickou : 
budu  VHS  umejvat 
mäjovou  rosickou.        39 

Unter  den  8  Versen  mag  nur  1  unregelmässig  sein. 


Auch  unter  diesen  36  Daktylo-Trochäen  kommt  1  regelrechter  Trochäen- 
vers vor : 

I  1  kazdy  na  poctu  sve  milenee :     63 

Ein  Daktylus  mit  Auftakt  kommt  im  ersten  Fusse  nur  bei  zwei  Versen 
(18  und  19)  vor,  aber  trotz  alledem  sind  offenbar  auch  hier  die  dreisilbigen 
Wörter  (chvostata  und  ve  sraole)  mit  Betonung  auf  der  mittleren  Silbe  zu 
lesen  (s.  Anmerkung  40!);  im  dritten  Fusse  kommt  ein  Daktylus  mit  Auftakt 
nur  in  Vers  90  vor. 

Dass  in  den  katalektischen  Versen  mit  Daktylus  im  ersten  Fuss  und 
dreisilbigem  Wort  im  Versschluss  vielleicht  auch  dieser  daktyliscn  zu  lesen 
wäre,  ist  vollkommen  ausgeschlossen,  schon  wegen  Einhaltung  der  gleichen 
Taktzahl  und  auch  deshalb,  weil  diesen  zwölf  Versen  (15,  19,  28,  29,  55,  59, 
61,  65,  73,  75,  79,  83)  siebzehn  reine  Trochäenverse  mit  Katalexis  und  drei- 
silbigem Wort  im  Versschluss  (17,  21,  33,  35,  47,  51,  53,  57,  64,  69,  71,  77,  82, 
87,89,91,  93)  gegenüberstehen,  bei  denen  wir  den  metrischen  Werth  des  drei- 
silbigen Wortes  durchaus  nicht  bezweifeln  können. 

^3)  Vers  14  besitzt  zugleich  einen  Mittelreim:  poli-na  podoH  —  ve  svevoli. 

**)  Zugleich  auch  Mittelreime:  Na  rozlouceni-poteseni  (Vers  54),  na 
rozchäzku  -  läsku  (Vers  56),  hory-bory  (Vers  76),  matky-na  krizovatky 
(Vers  78). 

Archiv  für  Blavische  Philologie.    XXVII.  36 


562     Jaroslav  Sutnar,  Prosodisches  n.  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben. 

Aber  rathlos  stehen  wir  dafür  oft  dem  Metrum  in  der 
Erben'schen  Uebersetzung  von  Goethe's  »Erlkönig«:  Kräl 
duchü  gegenüber,  weshalb  wir  auch  dieses  Gedicht  erst  zum 
Schluss  unserer  Untersuchungen  im  Zusammenhange  be- 
sonders besprechen  werden. 

Gar  nicht  berücksichtigen  wollen  wir  hier  die  (zu  verschiedenen 
Zeiten  verstreut  erschienenen  oder  nur  handschriftlich  erhaltenen)  Verse, 
welche  der  Dichter  selbst  —  höchstwahrscheinlich  als  Unwesentliches 
—  in  seine  Gedichtsammlung  nicht  aufnahm  ^^j^  sq  dass  auch  wir  aus 
diesen  Versen  keine  Schlüsse  ziehen  wollen:  Denn  schon  die  mehrmals 
erwähnte  Sammlung  Erben's  allein  genügt  uns  dazu,  dass  wir  auf  Grund 
einer  prosodischen  Analyse  der  darin  enthaltenen  Dichtungen  ein  ziem- 
lich klares  Bild  der  —  wenn  auch  nicht  scharf  ausgeprägten  —  Prin- 
zipien bekommen  können,  von  denen  sich  der  Dichter  allem  Anscheine 
nach  bei  Abfassung  seiner  Verse  leiten  Hess.  (Diese  Analyse  findet 
statt  in  zwei  Abschnitten  [A)  Erben's  Verse  mit  zweisilbigen  Füssen, 
B)  Erben's  Verse  mit  dreisilbigen  Füssen],  die  wieder  in  zwei  weitere 
Theile  zerfallen  [a)  falsche  Wortbetonung,  b)  falsche  Satzbetonung]). 


*5)  Dazu  gehören  natürlich  auch  die  Verse,  welche  sich  in  dem  angeblich 
aus  dem  Jahre  1833  (in  Wirklichkeit  aus  dem  Jahre  1836)  stammenden  und 
im  Jahre  1890  zum  ersten  Male  von  Gustav  Touzil  herausgegebenen  Lust- 
spiele Erben's  befinden:  »Slädci.  Veselohra  ve  2  jednänich  se  zpevy  od 
J.  K.  (!)  Erbena,  b  hudbou  od  Verla.  Die  prvopisu  z  r.  ISS-i  (I)  pro  ochotniky 
kutnohorske  sepsanä  (!).  Pro  nase  pomery  ucinil  (I)  Gustav  Touzil«  (Chotebor) 
(7,  25,  33,  34,  36,  37,  42,  60,  61,  74,  75).  (Vgl.  auch  über  die  beispiellose  Will- 
kür und  Unverlässlichkeit  dieses  Herausgebers  Kräl  [L.  f.  Roc.  21.  (1894)  427] 
und  unsere  Ausgabe  Erben's  [LV,  VIII] !  Diese  Thatsache  bestätigen  voll- 
kommen die  bisjetzt  erhaltenen  fünf  Abschriften  desselben  Lustspieles,  von 
denen  ein  aus  der  Bibliothek  der  Liebhaberbühne  zu  Kuttenberg  stammendes 
Manuskript  von  Touzil  [5]  mit  Unrecht  für  die  Originalhandschrift  einer  ersten 
Bearbeitung  ausgegeben  wird ;  auf  Grund  dieser  fünf  Abschriften  musste  in 
Ermangelung  einer  Originalhandschrift  aus  dieser  Zeit  der  Text  der  »Sladci« 
für  unsere  bereits  erwähnte  Ausgabe  [259 — 319]  redigirt  werden.  [Von  der 
Hand  Erben's  besitzen  wir  nur  vier  Seiten  in  einer  viel  späteren  Bearbeitung.] 
Bezüglich  des  Stückes  vgl.  schliesslich  noch  unseren  Artikel  »Erben  drama- 
tik«  [Meziakti,  roc.  III  (1903),  eis.  151;  abgedruckt  auch  in  unserer  Ausgabe 
Erben's  (V— VIII)]!). 

(Fortsetzung  folgt.) 


563 


Die  Vorlage  zur  Komödie  »0  Bpeaia!«  von  Katharina  II. 


Katharinas  Werke  liegen  nun  in  einer  neuen  kritischen  Ausgabe 
von  A.  N.  Pypin  vor^).  Da  der  Herausgeber  nicht  nur  den  Text  mit 
allen  Varianten,  sondern  auch  einen  Kommentar  mit  einem  grossen 
historischen  Beiwerke  liefert,  kann  die  Forschung  an  dem  Gegenstande 
günstig  einsetzen. 

In  diesem  Sinne  biete  ich  einen  kleinen  Beitrag  hiezu.  Es  ist  zwar 
schon  Einiges  über  Katharina  geschrieben  worden  —  ich  meine  tiber 
sie  als  Schriftstellerin  — jedoch  ihre  Erscheinung  steht  in  der  Literatur- 
geschichte noch  immer  etwas  verschwommen  da.  In  Goedeckes  Grund- 
riss2)  hat  man  Katharina  unter  die  Nachahmer  Wielands  eingereiht, 
und  doch  scheint  sie  mit  ihm  nur  sekundäre  Verwandtschaft  zu  haben. 
Ich  selbst  fand  nichts  gemeinsames.  Es  sei  denn,  dass  jene  märchen- 
haften Operntexte  Katharinas  als  Gattung  mit  Gleichartigem  bei  Wie- 
land einen  Vergleich  zulassen.  Aber  selbst  hierin  besteht  kein  direktes 
Filiationsverhältniss,  sondern  eine  gemeinschaftliche  Abhängigkeit 
—  bei  Wieland  natürlich  originelle  Nachbildung  —  der  französischen 
Hofoper,  Da  sich  auch  sonst  im  ganzen  literarischen  Material  keine 
Beziehungen  zu  Wieland  auffinden  lassen  —  Pypin  oder  Grot^j,  die 
den  Briefwechsel  Katharinas  studirten,  hätten  so  eine  Spur  gewiss 
nicht  verschwiegen  — ,  dürfte  die  Einordnung  Katharinas  im  Grund- 
risse auf  sehr  flüchtiger  Beobachtung  beruhen.  Das  scheint  umsomehr 
der  Fall  zu  sein,  als  auch  die  Literatur  des  Gegenstandes  daselbst 
sehr  mangelhaft  angegeben  ist  —  alles,  was  russischerseits  darüber  ge- 
schrieben wurde,  fehlt.  Ja  es  bleibt  sogar  unausgesprochen,  dass  die 
am   Orte    angeführten   Werke   Katharinas    deutsche    Uebersetzungen 


1)  Co^HHCHiH  HsinepaipimH  EKaTepuHbi  II  na  ocHOBaniH  nosJiuHHBiit  py- 
KOHHceä  H  ch  o6acHHre.!iBHijiiin  npHMi^aHiaMu  an.  A.H.  nwmiHa  —  mn.  kmh.  aKaj. 
HayKi,.  Cne.  1901—1903.  t.  I— X. 

2)  Goedecke,  K. :  Grundriss  zur  Geschichte  der  deutschen  Dichtung. 
8.  Aufl.  Dresden  1891.  IV,  §  225. 

3)  I.  K.  Grot:  EKaxepHHa  II  B'i  nepenacKi  ex  Tphumom-b.  CIIö.  1879 — 84. 

36* 


564  D-  Prohaska, 

russischer  Originale  sind,    Katharina  schrieb  bekanntlich  nur  russisch 
und  französisch  ^). 

Aber  ebenso  wie  man  deutscherseits  die  russische  Literatur  über- 
sah, scheint  man  umgekehrt  nicht  viel  besser  über  das  im  Deutschen 
Vorhandene  russischerseits  unterrichtet  zu  sein.  Für  beides  diene  als 
Beispiel  die  Uebersetzung  Nicolais  von  einigen  Stücken  Katharinas. 
Im  Grundriss  ist  zwar  der  Titel  genau  angeführt:  Drey  Lustspiele  wider 
Schwärmerey  und  Aberglauben.  Von  L  K.  M.  d.  K.  a.  R.  Berlin  und 
Stettin  bey  Friedrich  Nicolai  1788;  es  bleibt  aber  dahingestellt,  ob  Ni- 
colai bloss  Herausgeber  oder  Uebersetzer  ist.  Eine  nähere  Kenntniss 
dieser  Uebersetzung  hätte  aber  auch  auf  die  Stellung,  welche  Katharina 
in  der  deutschen  Literatur  zukäme,  Licht  geworfen.  Aus  der  Ein- 
leitung Nicolais  geht  nämlich  klar  hervor,  mit  welcher  literarischen 
Richtung  wir  es  zu  thun  haben.  Nicolai  hebt  hier  Katharina  auf  sein 
eigenes  Schild;  in  dem  grossen  Kampfe  der  Aufklärung  mit  der  Un- 
vernunft findet  er  eine  verbündete  Grossmacht  gerade  in  der  Gesin- 
nung der  russischen  Kaiserin.  Um  dies  nachdrücklicher  zu  zeigen, 
übersetzt  er  auch  eine  Anzeige  Katharinas  von  einem  der  vorliegen- 
den Lustspiele,  welche  einen  recht  akuten  Charakter  aufweist.  »Dies 
heutige  Lustspiel  war  ein  Bedürfniss  unserer  Zeit«,  heisst  es  da. 
»Denn  obwohl  unser  Jahrhundert  von  allen  Seiten  das  Compliment 
erhält,  das  philosophische  Jahrhundert  zu  heissen,  und  obwohl  wir 
demselben  das  grosse  Wort:  Aufklärung!  schon  zum  voraus  zur  Grab- 
schrift bestellen:  so  werden  dennoch  überall  eine  Menge  Köpfe  von 
einem  so  anhaltenden  Schwindel  ergriffen,  dass  die  Göttin  der  Weisheit 
sich  genöthigt  sieht,  die  komische  Muse  um  Arzney  für  diesen  Kranken 
zu  bitten «.  Nicolai  ist  daher  stolz  auf  eine  solche  Verbündete  und  kom- 
mentirt  dieses  Vorwort,  um  nachzuweisen,  dass  die  grosse  Schriftstellerin 
der  Aufklärung  ihre  Gedanken  gerade  aus  der  »Berl.  Monatsschrift« 
und  der  «Allgemeinen  deutschen  Bibliothek«  geholt  hat  (vgl.  S.  III  u.  X). 
Für  den  engen  Zusammenschluss  beider  Geister  kann  man  sich  keinen 
besseren  Beleg  wünschen.  Der  Inhalt  des  angeführten  Vorwortes 
spricht  mit  jeder  Zeile  dafür.  Es  wird  hier  vornehm  gelächelt  über 
»Mesmer,  Cagliostro  und  Compagnie«,  es  fallen  spöttische  Bemerkungen 


*)  Vgl.  darüber  in  der  obigen  Ausgabe  der  Werke  I,  44,  wo  Pypin  die 
von  einem  Franzosen  leicht  hingeworfene  Anmerkung,  Katharina  hätte  in 
Concept  ihre  Stücke  deutsch  verfasst,  auf  Grund  des  nun  zugänglichen  auto- 
graphischen Materials  zurückgewiesen  wird. 


l 


Die  Vorlage  zur  Komödie  »0  BpeMs ! «  von  Katharina  IL  565 

über  die  »Damen  zu  Versailles«  und  den  »Cardinal  von  Rohan«, 
Seitenhiebe  auf  das  schwerfällige  Deutschland,  das  sich  von  Frankreich 
nasführen  lässt,  und  gnädig  wird  zugegeben,  dass  »Berlin  seinen 
Philosophen  erst  volle  Arbeit  geben«  musste,  um  nachbarlichen  Philo- 
sophen Behutsamkeit  anzuempfehlen.  (Berlin  —  Sitz  der  Aufklärungs- 
philosophie).  Schon  damit  ist  klar  der  Gegensatz  zwischen  Katharina 
und  Wieland  ausgedrückt:  ihre  Lustspiele  gegen  j)Schwärmerey  und 
Aberglauben«  (und  das  sind  nicht  nur  diese  drei,  sondern  —  alle)  ent- 
behren vollständig  jener  Absicht,  jenes  wohlgefälligen  Tones,  mit  wel- 
chem etwa  in  »Don  Sylvio  von  Rosalva«  gegen  die  Schwärmerey  Front 
gemacht  wird.  Das  specifisch  Wielandische,  die  Enthaltsamkeit  von 
allem  ernsteren  Moralisiren,  widerspricht  Katharinas  Wesen.  Sie  rai- 
sonnirte  gerne  wie  eine  Erzieherin  grossen  Stiles,  als  welche  sie  sich 
auch  auf  dem  Throne  gab. 

Die  interessante  Einleitung  Nicolais  scheint  aber  auch  Pypin  links 
liegen  gelassen  zu  haben.  Denn  während  er  alles,  selbst  Briefe  und 
Auszüge  aus  Tagebüchern,  zur  Erklärung  der  Entstehung  von  Katha- 
rinas Werken  herangezogen  hat,  suchen  wir  vergebens  nach  diesem  Vor- 
worte Katharinas  zu  »OÖMaHmHKt«.  Er  führt  auch  Nicolais  Ueber- 
setzung  an  dieser  Stelle  nicht  an.  Diese  hätte  ihm  aber  gerade  hier  kost- 
bar sein  müssen,  da  es  ihm  nicht  gelang,  ein  Exemplar  der  ersten  Aus- 
gabe dieser  Komödie  aufzufinden.  Das  Vorwort  Katharinas  ist  also 
nur  bei  Nicolai  erhalten,  und  wie  wir  sahen,  es  gibt  die  bestimmtesten 
Angaben  für  die  Veranlassung  zum  Stücke.  Es  ist  unmittelbar  auf 
Cagliostro  gemünzt  und  die  mnthwillige  Schlusspointe  lautet  charakte- 
ristisch so :  »Ein  lachendes  Lustspiel  reicht  hin,  die  schwindelnden  Köpfe 
zu  heilen  und  die  gesunden  auf  immer  zu  präserviren.  Das  bezauberte 
Schloss,  gegen  welches  andrer  Orten  Justiz  und  Philosophie  mit  Cata- 
pulten  und  Bailisten  anzieht,  wird  hier  mit  Knallpulver  des  Witzes  ge- 
sprengt«. —  Nicolai  hat  bei  einem  anderen  Stücke  in  dieser  Ueber- 
setzung  die  erste  Ausgabe  benutzt  (vgl.  S.  XII)  und  es  ist  daher  nicht 
unwahrscheinlich,  dass  ihm  auch  zu  »OÖMaiimmci.«  (»Der  Betrüger«) 
die  erste  Ausgabe  diente.  Diese  Frage  ist  auf  Grund  eines  Vergleiches 
mit  dem  Original  in  Pypins  Ausgabe  leicht  zu  lösen  i),  jedoch  ich  eile 
zu  einem  viel  interessanteren  Punkt  in  Katharinas  Verhältniss  zur  deut- 
schen Literatur.  Er  betrifft  die  Quelle  zu  Katharina's  erster  Komödie  — 
»0  BpeMfl!« 

1)  CoiHHCHia  IlMnepaTpHm>i  EKatepuHw  IL  t.  L 


566  I>-  Prohaska, 

Es  ist  bekannt,  mit  welchen  Worten  der  Begeisterung  dieses  Stück 
in  der  zeitgenössischen  Wochenschrift  »yK.HBonHcen;'!.«  begrüsst  wurde. 
Man  sah  darin  die  erste  echte  russische  Komödie.  »H  KaKt  ne  öhtl  bh 
xBajiHMOH  ?  Bli  neptBOH  cotihhhjih  KOMe^iio  TO^HO  Bx  Hauraxx  Hpa- 
sax-L,  BLi  CT&  TaKoio  ÖJiaropoAHOH  cMijrocTiio  nanajiH  Ha  nopoKH  bt, 
PoccIh  rocnoACTBOBaBmifl«  (vgl.  Coq.  EKax.  I  45).  Aber  auch  Voltaire, 
ein  besserer  Kenner  deutscher  Literatur  —  war  er  doch  am  Hofe  Fried- 
rich d.  Grossen  — ,  ahnte  in  diesem  Stücke,  als  es  ihm  in  französischer 
Uebersetzung  vorgelegt  wurde,  keine  Nachahmung.  Er  schreibt  an 
Katharina:  »Madame,  ce  qui  m'a  principalement  etonne  de  vos  deux 
com^dies  russes  c'est  que  le  dialogue  est  toujours  vrai  et  toujours  na- 
turel . .«,  und  weiter  sogar:  »Je  vois  que  les  Russes  ont  bien  de  l'esprit 
et  du  bon  esprit;  .  .«  (vgl.  Com.  EKax.  I,  VI — VII). 

Dem  Inhalte  nach  —  wohl  nicht  der  Richtung  —  hielt  auch  die 
russische  Literaturgeschichte  das  Stück  bis  heute  für  originell.  Gala- 
chov  1),  Porfirjev  2)  und  selbst  Pypin  3)  vermuthen  kein  direktes  Vorbild. 
Es  ist  dies  einerseits  auch  erklärlich.  Katharina  schrieb,  wie  man  eben 
im  XVni.  Jahrh.  Komödien  schrieb.  Die  Typen,  die  zur  Darstellung 
gelangten,  waren  abstrahirte  Träger  irgend  eines  allgemein-mensch- 
lichen Lasters,  resp.  einer  Tugend;  nichts  individuelles  legte  man  in 
die  Gestalten.  Das  äussere  Beiwerk  hingegen  färbte  man  womöglich 
lokal,  denn  das  Ganze  sollte  ja  eine  satyrische  Abschilderung  der  Sitten 
coram  publico  sein.  So  kommt  es,  dass  Katharinas  Stücke  einen  gewis- 
sen Realismus  aufweisen,  der  den  Schein  schriftstellerischer  Originalität 
erweckt.  Sie  brachte  den  russischen  Mittelstand  mit  seinen  konserva- 
tiven Elementen  unmittelbar  auf  die  Bühne,  und  sieht  man  von  der 
Tendenz,  der  Didaktik  und  Satyre,  welche  ihre  Stücke  mit  der  ganzen 
Aufklärung  gemein  haben,  ab,  so  vermuthet  man  wahrlich  nichts  Frem- 
des in  —  »0  BpeMü!« 

Jedoch  das  Vorbild  ist  gefunden !  Katharina  hatte  vor  sich  nichts 
anderes  liegen  als  —  Geliert's  »Betschwester«.  Man  kann  ihr  nun 
beim  Entstehen  der  Komödie  zuschauen,  wie  sie  kopirt  und  wie  sie  die 
Farben  mischt. 

Fassen  wir  erst  die  Vorlage  ins  Auge  ^). 


1)  HcTopifl  pyccKOH  c^obcchocth  apesneH  u  hobou.  GUß.  1880.  2,  S.  132  ff. 

2)  HcTopiH  pyccKoä  mobcchocth  II.  2,  S.  42  ff. 

3)  HcTopifl  pyccKoii  JiHTepaTypbi  IV.  S.  104. 

*)  C.  F.  Geliert's :  Sämmtliche  Werke  IIL  Th.  Leipzig  1769. 


Die  Vorlage  zur  Komödie  »0  BpeMfl  !«  von  Katharina  II.  567 

Eine  alte  Witwe,  Frau  Richardinn,  soll  ihre  Tochter  an  Herrn  Simon 
verheirathen.  Es  erscheint  Simons  Vormund,  Herr  Ferdinand  und  erfährt 
von  der  Nichte  des  Hauses,  dass  die  Verlobung  wieder  eine  Verzögerung 
erlitten  habe,  da  die  Frau  eben  ihre  obligate  Betstunde  halte.  Hier 
charakterisirt  die  Nichte  ihre  Tante,  Frau  Richardinn,  als  eine  Bet- 
schwester. Dies  die  Exposition  des  Stückes.  Frau  Richardinn  erscheint 
und  sucht  ihr  Jawort  so  lange  als  möglich  hinauszuschieben.  Das  bildet 
die  ganze  weitere  Haupthandlung  des  I.  Aktes ;  parallel  mit  dieser  läuft 
die  episodische  Handlung :  Simon  ist  von  seiner  Braut  nach  näherer  Be- 
kanntschaft enttäuscht,  und  da  ihm  Lorchen,  die  Nichte,  besser  gefällt, 
bietet  er  dieser  seine  Hand  an.  Lorchen  aber  empfindet  es  als  ein  Ver- 
brechen, darauf  einzugehen  und  so  das  Glück  ihrer  Freundin  Christian- 
chen zu  zerstören.  Sie  sucht  vielmehr  zwischen  beiden,  dem  im  Herzen 
irregewordenen  Bräutigam  sowie  seiner  spröden  Braut,  zu  vermitteln. 
Sie  bringt  Christianchen  die  Kunst  bei,  ihrem  Bräutigam  durch  kluges 
Benehmen  und  gefühlvolles  Entgegenkommen  zu  gefallen  und  belehrt 
wieder  andererseits  Simon  über  die  Vorzüge  Christianchens.  Die  Krisis 
tritt  ein,  als  Simon  beim  KaflFee  die  Tasse  fallen  lässt  und  so  die  Gnade 
der  geizigen  Schwiegermutter  gründlich  verscherzt.  Das  Uebel  wird 
nun  wieder  durch  Lorchens  guten  Rath  behoben ;  man  lässt  statt  der  zer- 
brochenen Tasse  Frau  Richardinn  ein  grosses  Service  überreichen  und 
diese,  ohnehin  durch  die  Gefahr,  dass  Simon  Lorchen  den  Vorzug  geben 
könnte,  beunruhigt,  willigt  in  die  Verlobung  ein. 

Es  sei  hier  das  Stück  Gellerts  nur  noch  so  weit  charakterisirt,  dass 
man  bei  näherem  Vergleich  mit  Katharinas  Bearbeitung  die  Ausgangs- 
punkte kennt  ^). 

Alles  dreht  sich  um  die  Betschwester,  die  Titelheldin  des  Stückes. 
Das  kommt  aber  mehr  mit  Worten  als  durch  sichtbare  Handlung  zum 
Ausdruck.  Frau  Richardinn  ist  eine  Wahlverwandte  Tartuffs.  Sie 
heuchelt  eine  übertriebene  Frömmelei,  mit  der  sie  ihren  Geiz  und  Aber- 
glauben beschönigt.  Die  Betschwester  ist  intolerant  und  unwissend, 
eifert  gegen  Romanlecture  und  neue  Moden,  weil  alles  das  »weltliche« 
Dinge  seien,  nimmt  aber  trotzdem  Zinzeszinsen  von  einer  armen  Pfarrers- 
frau, die  ihr  den  letzten  Goldschmuck  für  das  geliehene  Kapital  ver- 


1)  Vgl.  zur  Literatur:  Job.  Coym:  Geliert's  Lustspiele.  Diss.  Berlin 
1898.  —  Nicht  benutzen  konnte  ich  W.  Haynel :  Geliert's  Lustspiele.  Emden 
und  Borkum  1896. 


568  D.  Prohaska, 

setzt.  Die  Betschwester  ist  gewissermassen  in  deutsche  Verhält- 
nisse hineingezeichnet.  Geliert  dürfte  in  ihr  eine  Repräsentantin  — 
natürlich  eine  karrikirte  —  des  Pietismus,  welcher  zur  Zeit  mit  der 
aufstrebenden  Auf klärung  rang ,  dargestellt  haben.  Ihre  Dialoge  mit 
Ferdinand  sind  eine  Polemik  mit  hier  aufklärerischen,  dort  pietistischen 
Schlagworten.  »Sie  glauben  auch  nichts«,  sagt  die  Betschwester. 
»Sie  halten  alles  für  natürlich.  Sie  statuiren  keine  Anzeichen,  keine 
Wundertf.  Ferdinand:  »Wunder  glaube  ich.  Was  aber  die  Anzeichen 
anbelangt  ....<(  (Akt  I,  Sc.  6).  Eine  aktuelle  Frage  der  Zeit  war  auch 
die  Romanlecture  für  Mädchen.  Damals  kam  nach  Deutschland  der  eng- 
lische Roman.  Die  Betschwester  eifert  dagegen :  « Letzthin  gab  sie  ihr  ein 
Buch  zu  lesen,  ich  weiss  nicht,  ob  es  Pemala  oder  Pamela  hiess.  Genug, 
es  war  ein  liebes  Buch  und  auf  dem  Kupfer  stund  der  Teufel  hinter 
einer  Frau,  und  wollte  sie  verführen.  Aber  ich  kam  zu  allem  Glücke 
dazu,  und  riss  es  meiner  Tochter  aus  der  Hand.  Solche  teuflische 
Bücher!  «  Das  Sprachrohr  der  Aufklärung  ist  hier  der  junge  Mann,  er 
erwidert:  »Liebe  Mama  Sie  übereilen  sich  in  Ihrem  Eifer.  Die  Pamela 
ist  ein  sehr  guter  Roman,  der  die  Unschuld  und  Tugend  liebenswürdig 
zu  machen  suchet«.  In  der  Aufklärung  ist  die  Toleranz  mitinbegriffen, 
im  Pietismus  die  unduldsame  Einseitigkeit,  was  sich  z.  B.  im  Punkte 
der  Mode  kundgibt:  »Ich  höre  schon«,  sagt  die  Betschwester  zu 
Ferdinand,  »Sie  sind  Indiflferentist.  Bei  Ihnen  ist  eines  so  gut,  wie  das 
andere«  (II.  1).  —  Noch  specifischer  ist  die  Figur  Lorchens,  sie  ist  nur 
im  Zusammenhang  mit  Geliert's  übrigen  literarischen  Tendenzen  zu  ver- 
stehen; sie  ist  zwar  nicht  aus  deutschen  Verhältnissen  herausgewachsen, 
aber  wohl  von  der  damaligen  deutschen  Gesellschaft  als  Ideal  empfunden 
worden.  Mit  dem  grossmüthigen  und  empfindsamen  Herzen  Lorchen's 
hat  Geliert  namentlich  das  realisirt,  was  man  zur  Zeit  vom  Lustspiel 
verlangte  —  nämlich  das  pathetische,  rührende  Element.  Thränen 
mussten  fliessen,  Rührung  musste  bei  den  Zuschauern  ausgelöst  werden. 
Daswar  ja  die  Absicht  der  »comödie  larmoyante«  oder  des  »weinerlichen 
Lustspielsff,  wie  es  Geliert  genannt.  Die  besondere,  rührende  Rolle  spielt 
hier  Lorchen.  Sie  ist  das  Gellertsche  Frauenideal,  die  empfindsame 
Frau:  sie  führt  nach  den  Worten  der  Betschwester  eine  galante  Lebens- 
art, die  z.  B.  darin  besteht,  dass  sie  Andriennen  und  einen  grossen 
Fischbeinrock  trägt  und  beim  Frisiren  gar  in  einem  Buche  liest.  Das 
Innere  dieser  Figur  ist  durch  ihre  vernünftigen  und  gefühlvollen  Worte 
ausgedrückt.     Sie  preist  den  vornehmen  Genuss,  die  feine  Lebensart 


Die  Vorlage  zur  Komödie  »0  BpcMii ! «  von  Katharina  II.  569 

und  ist  wiederum  so  opferwillig,  entsagend,  grossmüthig,  dass  sie  ihre 
Herzensregungen  gegenüber  Simon  um  der  Freundschaft  willen  zu 
Christianchen  entsagend  unterdrückt.  Das  war  für  das  XVIII.  Jahrh. 
gewissermassen  das  humane  Ideal,  und  Ferdinand  bricht  über  Lorchen 
zum  Schluss  in  Begeisterung  aus:  »Das  heisst  Grossmuth.  Das  heisst 
Freund.gchaft !  Wenn  doch  viel  solche  weltlich  gesinnte  Frauenzimmer 
in  der  Welt  wären,  wie  Lorchen«  (III.  11). 

Ich  hob  in  dieser  Analyse  speciell  jene  Züge  hervor,  die  bei  der 
üebertragung  der  »Betschwester«  ins  Russische  eine  Aenderung  er- 
heischten. Katharina  konnte  und  wollte  dem  russischen  Publikum  nicht 
ein  deutsches  Rührstück  vorführen.  Es  gefiel  ihr  an  Gellevts  Stück  nur 
die  aufklärerische  Tendenz ;  die  musste  evident,  wenn  auch  in  auffallen- 
den, groben  Strichen,  herausgearbeitet  werden.  Katharina  betrachtete 
die  Bühne  als  eine  Kanzel,  von  der  herab  sie  das  bildlich  sagte,  was 
ihre  Gesetze  ausdrücklich  geboten.  Galachov  führt  z.  B.  Gesetze  an, 
die  Katharina  II.  bereits  1766  gegen  den  Aberglauben  schuf.  Ihre 
Sittenmoral  richtete  sich  auf  die  breite  Schichte  der  Gesellschaft,  auf 
den  Bürgerstand.  Demgemäss  musste  sie  sich  auch  dem  Vorstellungs- 
kreise des  russischen  Mittelstandes  im  XVIII.  Jahrh.  anschliessen.  Das 
Niveau  dieses  Publikums  war  aber  ein  ungleich  niedrigeres  gegenüber 
dem  deutschen,  damals  mehr  als  heute.  Geliert  schrieb  zwar  ebenfalls 
»für  Alle«,  aber  seine  Zuschauer  waren  von  anderem  Stoffe,  Bürger 
von  Kleinparis  —  dem  galanten  Leipzig.  Eine  Figur  wie  Lorchen  wurde 
da  im  Parquet  miterlebt,  eine  Betschwester  hingegen  durfte  darin  kaum 
gesessen  haben,  was  ihm  auch  die  Kritik  mit  Recht  vorhält.  Der  ganze 
Milieuunterschied  also  auf  beiden  Seiten  macht  neben  der  schroffen 
aufklärerischen  Tendenz  Katharinas  den  Hauptgrund  der  Verände- 
rungen aus,  die  im  folgenden  Vergleiche  beobachtet  werden. 

Zunächst  was  die  Handlung  betrifft.  Sie  läuft  anfangs  parallel  — 
freie  Uebersetzung  des  Gellert'schen  Stückes.  Mavra  charakterisirt  Frau 
Hanzahina  mit  denselben  Worten,  mit  welchen  Lorchen  Frau  Richardinn 
zeichnet.  Auch  Hanzahinas  Dialog  mit  Nepustov  ist  theilweise  eine  Ueber- 
setzung des  entsprechenden  mit  Ferdinand.  In  Akt  I,  Sc.  7  tritt  eine 
wesentliche  Abweichung  vom  Original  ein.  Es  kommt  eine  von  Katharina 
neu  eingeführte  Figur  in  das  Stück,  die  Freundin  der  Betschwester,  Frau 
Vestnikova.  Nach  diesem  Einschub  schliesst  sich  Katharina  wieder  dem 
Vorbilde  an.  Molokososov,  der  Bräutigam,  ist  von  seiner  Braut  ob  ihrer 
Einfalt  und  Sprödigkeit  enttäuscht,  Mavra  verspricht  Rath  zu  schaffen. 


570  D.  Prohaska, 

Damit  schliesst  der  erste  Akt.  Im  zweiten  ist  nicht  nur  eine  veränderte 
Reihenfolge  der  Scenen,  sondern  auch  der  durch  Vestnikova  angespon- 
nene Faden  Ursache  gründlicher  Abweichungen.  Bei  Geliert  bildet 
die  Eingangsscene  in  diesen  Akt  ein  Dialog  zwischen  dem  Bräutigam 
und  der  Betschwester,  der  die  Handlung  um  keinen  Schritt  weiter 
bringt.  Statt  dessen  setzt  hier  Katharina  mit  einer  —  im  Original  erst 
später  folgenden  —  Scene  zwischen  Mavra  und  Hristina  ein.  M.  unter- 
richtet ihre  junge  Herrin  in  der  Liebe  und  im  Umgang  mit  einem  Bräu- 
tigame. —  Wie  Geliert  lässt  leider  auch  Katharina  den  Bräutigam  die 
Kaffeetasse  hinter  der  Scene  zerbrechen.  Sie  schildert  uns  diesen 
Höhepunkt  der  Handlung  so  lebhaft,  dass  wir  noch  mehr  bedauern, 
dasa  sie  hier  dem  Originale  folgte.  Während  aber  in  Gellerts  Stücke 
die  Lösung  bloss  durch  ein  Geschenk  an  Frau  Richardinn  herbeigeführt 
wird  —  was  ebenfalls  hinter  der  Scene  geschieht  — ,  setzt  erst  hier 
Katharinas  Intrigue  wirklich  ein.  Denn  sie  zeigt  uns,  wie  zuerst  durch 
Bestechung  Frau  Vestnikova  gewonnen  wird,  wie  aber  zugleich  in 
Frau  Cudihina,  einer  zweiten  Betschwester  neben  Frau  Hanzahina,  dem 
Liebespaare  ein  neuer  Feind  ersteht.  Durch  Mavras  Eingreifen  wird 
auch  dieses  Hinderniss  bewältigt,  M.  jagt  nämlich  der  Abergläubischen 
durch  eine  fatale  Bemerkung  einen  solchen  Schrecken  in  die  Glieder, 
dass  diese  sofort  das  Haus  verlässt.  Dem  Einflüsse  der  erkauften  Vest- 
nikova erliegt  dann  —  wenn  auch  nach  hartnäckiger  Abwehr  —  Frau 
Hanzahina  und  willigt  in  die  Verlobung  ihrer  Enkelin  Hristina  mit  Herrn 
Molokososov  ein.  —  Katharina  emancipirt  sich  so  gegen  Ende  des 
Stückes  allmählich  von  ihrem  Vorbilde.  Der  Vergleich  mit  diesem  fällt 
hier  zu  Gunsten  ihrer  Bearbeitung  aus.  Sie  vermehrte  die  Triebfedern 
der  Handlung  und  brachte  durch  ihre  neuen  Figuren  nicht  nur 
grössere  Bewegung  in  die  schleichende  Handlung  Gellerts,  sondern 
löste  auch  die  Intrigue  • —  die  im  Originale  sehr  durchsichtig  ist  — 
viel  psychologischer.  Nicht  durch  ein  kleines  Geschenk  wird  die  hart- 
näckige Betschwester  bekehrt,  sondern  sie  unterliegt  vielmehr  —  ohne 
bekehrt  zu  werden  —  dem  Wortschwall  ihrer  Gesinnungsgenossin,  die 
erkauft  ist. 

Der  interessanteste  Punkt  des  Verhältnisses  zu  Geliert  liegt  in 
Katharinas  Charakterzeichnung.  So  wenig  sie  an  der  Betschwester 
geändert  haben  mag,  es  genügte,  dass  diese  aus  der  verschrobenen 
Pietistin  Gellerts  eine  echte  russische  Bogomoljka  wurde.  Noch  roher 
und  noch  unvernünftiger;   eine  Klatschbase  ersten  Ranges  und  eine 


Die  Vorlage  zur  Komödie  »0  Bpeiufl !«  von  Katharina  II.  571 

herzlose  Herrin  von  »Seelen«  ist  diese  russische  Betschwester.  Einen 
genialen  Zug  in  der  Charakteristik  machte  Katharina  durch  die  Einfüh- 
rung neuer  ähnlicher  Kreaturen.  Die  aus  Geliert  verpflanzte  Figur  ge- 
wann erst  dadurch  volle  Wahrscheinlichkeit,  dass  ihr  Freundinnen  an 
die  Seite  gestellt  wurden,  die  verschiedene  Abstufungen  zu  dem  Haupt- 
laster, dem  Aberglauben,  bilden  und  so  gewissermassen  einen  Hinter- 
grund schufen,  mit  dem  die  Heldin  zusammenhängt.  Hanzahina  scheint 
auf  diese  Weise  ganz  aus  russischem  Boden  hervorzugehen.  Sie  schimpft 
über  den  Knecht,  der  es  wagt,  sie  um  die  Erlaubniss  zur  Heirath  zu  bitten, 
während  sie  Betstunde  hält;  noch  mehr  zürnt  sie  aber  dem  Mädchen, 
das  sich,  nach  ihrer  Meinung,  dem  Burschen  anhängen  will.  Ihre 
Scheltworte  sind  dabei  viel  gewichtiger  als  die  analogen  Schimpfreden 
von  Gallerts  Betschwester.  Sie  schimpft:  »H  jihiub  töjiBko  na^iajia 
aHX  rjTHaiy,  B0uiejii>  MaMiiMii  cLiHt  h  ctohtx  KaKi,  ÄeMoiix  bt,  rop- 
HHi];i.  K  eMy  roBopio:  no;i,H  boh'b,  hb  Mimaä  mh^  npoKATofi  .  .«  u.  s.w. 
(CoTi.  EnaT.  I,  11).  Wenn  Geliert  die  Unwissenheit  seiner  Betschwester 
damit  andeutet,  dass  er  sie  statt  »Pamela«  «Pemalatf  sagen  lässt,  so  steht 
Katharinas  Hanzahina  noch  um  eine  Stufe  tiefer,  denn  für  sie  ist  schon 
»natura«  ein  auffallendes  Fremdwort:  TaKi.  öartKa:  bli  hh  ^sMy 
HtiH'feye  ne  B^piiTe  y  BacB  Bce  naxypa  .  .  .  Bce  iiaxypa  (I,  6).  — 
Statt  Lorchen,  der  galanten  Lieblingsfigur  Gellerts,  hat  Katharina  eine 
andere  eigene  eingesetzt  —  denn  Mavra  ist  von  Lorchen  grundverschie- 
den — ,  eine  schlaue  und  intrigante  Kammerzofe.  Katharina  hatte 
geradezu  eine  Vorliebe  für  Figuren  vom  Schlage  Mavras.  Es  ist  das 
leicht  aus  ihrer  rationellen  Gesinnung  zu  verstehen.  In  dem  Dienst- 
mädchen konnte  sie  am  besten  den  gesunden  Menschenverstand  gegen- 
über eingewurzelten  Vorurtheilen  der  Gesellschaft  ausspielen,  und  in 
der  Kritik  des  dienenden  Geistes  ihrem  aufklärerischen  Raisonnement 
Luft  machen.  Ein  Lorchen  in  Gellerts  Manier  mit  Empfindsamkeit  und 
Zierlichkeit  ausgestattet,  war  Katharinas  Wesen  durchaus  zuwider. 
Allerdings  hat  Mavra  einige  Züge  von  Lorchen  beibehalten.  Wie  diese 
ist  auch  das  russische  Dienstmädchen  gebildet  und  liest  sogar  Richard- 
sons  Pamela;  Katharina  scheint  jedoch  selbst  die  Unglaublichkeit  ihrer 
Figur  von  dieser  Seite  gefühlt  zu  haben  und  lässt  daher  dieselbe  Mavra 
entschuldigend  sagen :  » . .  xoth  n  h  BectMa  ^ojiro  bi  äöm'S  hobomoahoh 
cE>paHi];yyKeHKn  c.iyaciiJia«  (1,  22).  —  Nicht  viel,  nur  äusserlich  russisch 
umgeformt  erscheint  bei  K.  Gellerts  Christianchen.  Im  Original  ist 
sie  die  Tochter  der  Frau  Richardinn  und  muss  mit  ihr  nähen  und  singen ; 


572  D-  Prohaska, 

bei  Katharina  ist  sie  die  Enkelin  Hanzahinas  und  ist  »Bt  a^bh^lbh 
ropmmi«  erzogen  worden,  ohne  irgend  einen  Mann  KpoMi&  $ajrejieH  6a- 
6yuiKHHa  AypaKa  kennen  zu  lernen.  Ihre  Vorztige  bestehen  allein  darin, 
dass  sie  ein  einfältiges  Gemüth  hat  nnd  rein  russisch  ohne  französischen 
Jargon  oder  ohne  hochtrabende  (kirchenslavische  ?)  Worte  spricht.  Mavra 
schildert  Christianchen  so :  ne  tojilko  no  $paHii;ycKH,  ho  h  no  Pyckh 
Majro  ona  snaeT-B ;  a  no  TOMy  n  astiKa  PycKaro  ne  nopTiiTii :  ho  ro- 
Bopa  PycKH  öpaTa  HastiBaexi)  öpaxii.eM'L  a  ne  mon  frere,  cecxpy 
cecTpHri;eio,  a  hb  ma  soeure ;  ne  anaeTi.  h  ÄpyrHxt  BMXBepaceHHtrxTfc 
noAOÖHO  nonyraio  cjiob'B  hh  KpHB.iHHta,  hh  npespinin  irt  .TECjaMi. 
noHTeniR  aoctohhlim'b.  He  KcxaTH  ne  xoxoqeTi>,  noxaöcTBa  ne  HMiexi); 
KymaHLH  3a  CTOüOMt  ne  HastreaeTt  Ö-hgaomt.  c.iaBHtiMi. . .  (1,21 — 22). 
Dieser  äussere  russische  Anstrich  verwischt  aber  gar  nicht  die  Identität 
Hristinas  mit  Christianchen.  Mich  erinnern  beide  Figuren  an  den 
Typus  der  spröden  Geliebten,  wie  er  in  der  Gessnerischen  schäferlichen 
Zeit  geläufig  war.  Man  fand  was  Reizendes  daran,  sich  ein  Mädchen  zu 
denken,  die  keine  Ahnung  von  Liebe  hat,  ein  reines  Naturkind  ist  und 
erst  allmählich  über  dieses  Gefühl  aufgeklärt  wird.  Diesen  Zug  der 
idyllischen  Unschuld  hat  Katharina  nicht  nur  in  dieser,  sondern  auch 
in  ihren  anderen  Komödien  beibehalten,  jedoch  —  zum  Unterschied 
von  Geliert  —  immer  mit  einem  gewissen  Ferment  von  Ironie.  Ihren 
Mädchen  steht  immer  eine  Mavra  als  Mentor  zur  Seite.  —  Die  zwei 
neuen  Gestalten  Katharinas  gehören  nur  indirekt  in  den  Rahmen  un- 
seres Vergleiches.  Diese  Figuren  sind  köstlich  wahrhaft,  so  weit  man 
von  der  Uebertreibung  ihrer  Laster  im  Lustspiele  absehen  darf.  Vest- 
nikova  und  Cudihina  bilden  mit  Hanzahina  ein  Trifolium  des  Lasters. 
Mavra  gibt  von  beiden  eine  kurze  erschöpfende  Charakteristik:  »Ce- 
CTpHi^a  en  rocnoaca  BicxHHKOBa,  ^a  rocno>Ka  "y^TAnxHHa.  üepLEaa 
ateManna  Bce  BnaioniiaH  BiicoKOM^pHa ,  BicxoBn^nita  s.iopii.'niBa,  h 
jnoÖHXT.  npH  cxapocxH  napHABi:  a  nocjiijmfm  o^ent  saöaBHa;  BCHKiä 
AeHB  HOBtia  y  nen  npHMixti;  Bcero  ona  öohxcä;  oxo  Bcero  o6mh- 
paex-Lj  cyeB^pHa  äo  öesKOHeiiHoexH;  öoroMOJiLHa  hs-l  ntnuHOCXH;  mo- 
xoBKa  öespacyAHaa,  a  MOjeÖHti  o^HaKoact  noexx.  Bcer;i;a  bi.  AO-iri>: 
ecöpmiHi^a  cnjiexHHii;a  öeacxLiAHa  h  .lasHBa  xaKt,  Kaict  öojie  hhkxo 
6uTh  HB  Moatexi.«  (Co^.  Enax.  I,  14).  —  Und  diese  Charakteristik  ist 
auch  konsequent  in  der  Handlung  durchgeführt.  Die  Komödie  gewann 
dadurch  ungemein  viel  an  Lebendigkeit  gegenüber  dem  Stücke  Gellerts. 
Es  sei  aber  bemerkt,  dass  der  Gedanke,  eine  Abstufung  und  Mehrheit 


Die  Vorlage  zur  Komödie  »0  BpcMa  ! «  von  Katharina  II.  573 

gleichartiger  Charaktere  vorzuführen,  nicht  originell  ist.  Auch  z.  B.  in 
dem  vielleicht  Katharina  bekannten  Stücke  von  Frau  Gottsched  »Die 
Pietisterey  im  Fischbeinrocke«  kommen  verwandte  Charaktere  vor, 
wie  Frau  Glaubeleichtin,  Frau  Zankenheimin  —  jedoch  die  Gestalten 
bei  Katharina  selbst  haben  diese  literarischen  Vorgänger  nicht  zum 
Vorbilde  gehabt.  —  Die  Männer  des  Stückes  sind  treu  aus  Geliert 
ausgeschrieben  und  daher  auch  viel  farbloser  als  die  übrigen  Figuren. 
Bei  Geliert  sind  sie  Berliner,  die  nach  Leipzig  kommen,  bei  Katharina 
Petersburger,  die  in  Moskau  freien. 

Hand  in  Hand  mit  diesen  Veränderungen  gehen  auch  die  techni- 
schen. Diese  sind  natürlich  geringer.  Die  Dreitheilung  der  Handlung 
wird  beibehalten,  am  Aktschlüsse  treten  alle  Personen  ab ;  das  Auf- 
und  Abtreten  zwischen  den  Scenen  wird  handgreiflich  markirt  mit  An- 
meldungen und  Wendungen  wie:  Jl^a  bott.  oiia  h  iiAexi,  (Akt  II,  Sc.  4); 
^a  BOHt  r.  HenycTOBi  (III,  4) ;  Ho  boti.  oh-i  h  caMx  HAexi.  (III,  5). 
Katharina  weiss  aber  auch  hie  und  da  den  Scenenwechsel  geschickter 
zu  motiviren;  das  geschieht  namentlich  dort,  wo  sie  sich  in  den  eigenen 
Partien  ihres  Stückes  befindet,  z.  B.  I,  Sc.  1 0  wird  Hanzahina  mit  der 
Motivirung  hinausgerufen,  dass  ihre  Freundin  gekommen  sei,  aber  nicht 
herein  könne,  weil  sie  eine  Grille  zirpen  höre  (h  hb  xo^ext  nepecTy- 
nKT-B  yepest  noporx,  mh  Toro,  qxo  ycJiLimaja  CBeptyKa).  Auch  die 
Flucht  aus  dem  Zimmer  wird  bei  derselben  Person  durch  ihren  Aber- 
glauben motivirt  (III,  Sc.  3).  —  Geliert  steht  hierin  seiner  Schülerin  nach. 
Er  lässt  im  L  Akte  Personen  abtreten,  um  Kafiee  zu  kochen,  und  im 
II.,  um  den  Kaflfee  zu  trinken  gehen  I  In  Gellerts  Manier  aber  deutet 
Katharina  den  künftigen  Inhalt  im  voraus  an.  Vgl.  Betschwester  I,  9  : 
Ich  will  gehen  und  ihr  unsern  Vorschlag  eröflfnen.  —  »0  Bpeaia!«  I,  12  : 
HsBOJELTB  ÖLiTB  yBipBHLi,  H  no^yiTB  TBüBpL  K'B  CTapymKi  (S.  22) ;  Bp. 
II,  5:  Kommen  Sie,  wir  müssen  doch  mit  ihr  reden.  —  0.  Bp.  II,  6: 
IIspflAHO,  H3pfl:ÄH0,  noHÄÖM'L  OTciOAa :  n  noä^y  kx  hem^  h  ^bm-l  HHÖy^b 
noxmycL  pa3opBaTL  sto  coiiaiHme  (II,  6)  u.  a.  a.  0.  Technisch  unab- 
hängig ist  Katharina  in  Kleinigkeiten,  die  daraus  verständlich  sind,  weil 
sie  sich  unter  keine  theoretische  Regel  im  Sinne  Gottscheds  fügen 
musste,  wie  der  Literat  Geliert,  Sie  erlaubt  sich  so  z.  B.  das  Apparte- 
sprechen.  Ihre  Mavra  macht  Nebenbemerkungen  für  sich  (nämlich  für 
das  Publikum)  I,  S  ;  II,  4 ;  auch  die  Belauschung  wird  ausgenützt  II,  6 : 
M.:  »KoHB^Ho  Bti  y  AuepsH  noACJiymajiH  hjih  b-l  aaMoqiiyio  Atipo^Ky 
BbicMoxpi JH ? «     Katharina  hatte  lebhaft  die  Bühne  vor  Augen;  sie 


574  D.  Prohaska, 

begleitet  ihren  Text  beständig  mit  scenischen  Anmerkungen.  Ihre  Per- 
sonen fallen  sich  ins  Wort  (I,  6),  gestikuliren  (I,  8;  III,  1 ;  III,  3;  III,  6), 
lachen  (III,  11),  winken  (II,  5),  lispeln  (III,  3,  5),  verfallen  in  Selbst- 
gespräche (II,  4),  gelangen  in  Affekt  (11,  5),  beschäftigen  sich  mit  der 
Toilette  (III,  1).  Auch  diese  kleinen  Züge  sprechen  für  die  Unmittelbar- 
keit und  Anschaulichkeit  in  Katharinas  Darstellungsweise. 

Was  den  Stil  und  die  Sprache  anbelangt,  so  scheint  mir  Katha- 
rinas Stück  im  Tone  gegenüber  Gellerts  herabgedrückt,  vulgärer  sein 
zu  wollen.  Gellerts  Figuren  sprechen  alle  ein  vornehmes  Leipziger 
Deutsch,  während  die  Katharinas,  besonders  die  Frauenfiguren,  hie 
und  da,  obwohl  sie  Moskauerinnen  sind,  merkwürdige  dialektische 
Wendungen  gebrauchen.  Ob  dies  Provincialismen  sind,  oder  ob  sie 
auf  Katharinas  mangelhafte  Kenntniss  des  Russischen  zurückzuführen 
sind,  muss  ich  besseren  Kennern  der  russischen  Sprache  überlassen. 
Dass  aber  eine  volksthümelnde  Tendenz  vorliegt,  wollen  mir  die 
Sprüchwörter  beweisen,  die  Katharina  ihren  Figuren,  z.B.  Vestni- 
kova,  in  den  Mund  legt.  Vgl.  .  .  ciobo  na  Bopoxy  hb  bhchbt'l  (Coii. 
Ek.  I,  36);  .  .  KTo  cxapoe  noMHHeT%  Tony  rjast  bohi.  (I,  39).  —  Man 
vergleiche  auch  die  oben  angeführten  Worte  Mavra's:  »ho  h  no  PycKH 
Majro  OHa  snaexi.,  a  no  TOMy  ii  asMKa  PycKaro  hb  nopTHTt«.  Diese 
Aussage  Katharinas  ist  ja  sprachlich  höchst  charakteristisch.  Es  ist  ein 
Seitenhieb  auf  das  unrussische  Kirchenslavische  in  der  Sprache  der 
Gebildeten  des  XVIII.  Jahrh.  und  zugleich  ein  Wort  pro  domo  sua,  weil 
Katharina  ja  ebenfalls  die  Kunst  der  Grammatik  nicht  besass  und  auch 
wenig  russisch  kannte.  Es  sei  noch  bemerkt,  dass  in  der  Sprache  der 
Petersburger  und  der  Moskauerinnen  im  Stücke  zwar  keine  dialektischen, 
aber  wohl  stilistische  Unterschiede  gemacht  werden.  Die  Männer  spre- 
chen eine  wohlgegliederte,  mit  Abstracta  ausgerüstete  ernste  Sprache, 
während  die  Frauen  abgerissene  Sätze,  Interjectionen  und  metaphori- 
schen Ausdruck  lieben.  Da  zu  solcher  Unterscheidung  Gellerts  Bet- 
schwester nicht  veranlasste,  muss  auch  dies  auf  die  Rechnung  der 
realistischeren  Manier  Katharinas  gesetzt  werden.  Solche  stilistische 
Unterscheidung  wäre  bei  ihr  noch  viel  kräftiger  zum  Ausdruck  gekom- 
men, hätte  sie  die  Sprache  besser  in  der  Gewalt  gehabt. 

Katharina  übersetzt  Geliert  niemals  wörtlich,  sie  beobachtet  im 
Detail  der  Rede  dieselben  Principien,  welche  wir  im  Grossen  und 
Ganzen  bisher  gesehen  haben.  Als  illustrirendes  Beispiel  sei  der  Text 
Gellerts  mit  dem  Katharinas  gegenübergestellt,  wo  Lorchen  respective 


Die  Vorlage  zur  Komödie  »0  BpcMK ! «  von  Katharina  IL  575 

Mavra  eine  Beschreibung  von  der  täglichen  Beschäftigung  der  Bet- 
schwester gibt. 

Lorchen:  »Gegen  acht  Uhr  steht  sie  auf.  Und  sobald  sie  den 
Fuss  in  den  Pantoffel  setzet :  so  fängt  sie  auch  an  zu  singen.  Singend 
nun,  kämmt  sie  zuerst  den  Mops.  Singend  versorget  sie  ihre  Katze. 
Singend  füttert  sie  den  Canarienvogel.  Singend  besucht  sie  ihre  beiden 
brabantischen  Hühner.  Und  sobald  es  neune  schlägt,  so  hört  sie  auf  zu 
singen,  wenn  es  auch  mitten  in  dem  Verse  eines  Liedes  wäre  .  .« 
(I,  Sc.  4). 

Mavra:  »Oiia  BCTaeTt  no  yxpy  Bt  uiecxt  ^lacoBt  h  CÄijijfi 
ApeBHBMy  noxBajiBHOMy  oötiiaio  cxoAHTt  cl  nocxejH  na  6ocy  Hory : 
comeAt  cnpaB-iaext  npeAt  oöpasaMii  jaMna^y;  no  xomt.  npoqnxaexi, 
yxpsHHifl  MOJHXBH  H  aKa^HCXx;  noxoMi.  ^lemex'B  cbok)  Kornny  o6n- 
paexx  CB  HSH  6.10x11,  n  noexi.  cxiixt :  6 ja^eni  kxo  h  ckoxh  nvurjeTi, ! 
A  npH  ceMi.  niniH  h  nacx  xaKt  ace  MiuoBaxb  hsbojihxi.,  nnyio  nomo- 
^HHOH,  HHyio  xpocxK),  a  HHyH)  öpaHBio  H  npoKJiaxieMx.  üoxoM'B  na- 
^mnaexcH  sayxpena,  bo  Bpeinn  Koxopofi,  xo  öpannx'B  ^Bopei^Karo,  xo 
men^exi,  MOjraxBLi ;  .  .«   jl,  Sc.  l). 

So  hat  Katharina  Gellerts  Betschwester  gründlich  umgearbeitet. 
Ihre  Absicht  ist  oben  dargelegt  worden;  sie  hat  es  verstanden  nach  dieser 
die  Vorlage  umzuwandeln,  nämlich:  aus  dem  deutschen  Rührstück  eine 
russische  Komödie  zu  machen.  Es  ging  aus  dem  Vergleiche  hervor, 
daas  »0  BpeMa«  so  manche  dramatische  Vorzüge  gegenüber  der  »Bet- 
schwester« hat,  sowohl  in  der  lebhafteren  Handlung  als  auch  in  der 
realistischeren  Anlage  der  Charaktere  oder  der  Typen.  Gellerts  Text 
wird  nicht  nur  tibersetzt,  sondern  auch  russificirt.  So  durfte  mit  ge- 
wisser Berechtigung  die  Autorin  ihr  Werk  als  ihr  eigenes  betrachten. 
Sie  trat  aber  damit  anonym  auf;  in  Russland  so  gut,  wie  vor  Voltaire. 
Es  musste  sie  riesig  gefreut  haben,  durch  ihr  Incognito  allen  jenen,  die 
sich  Gellerts  nicht  erinnerten,  ein  Schnippchen  geschlagen  zu  haben. 
Denn  sie  schrieb  ja  nur  zum  Spass.  [Das  gesteht  sie  selbst  in  einem 
Briefe  an  ihren  Freund  Grimm.  Vgl.  Pypin's  Ausg.  I,  345.] 

Dass  sie  gerade  auf  Geliert  kam  und  nicht  auf  ein  anderes  Vor- 
bild in  der  deutschen  Literatur  —  sie  schrieb  »0  BpsMa!«  1772,  also 
erst,  wo  die  klassische  Periode  einsetzt  — ,  ist  wohl  verständlich  aus 
ihrer  Tendenz,  wie  aus  Gellerts  Popularität  in  Deutschland.  Man  muss 
sich  nur  in  die  Zeit  versetzen,  wo  Friedrich  der  Grosse  selbst  in  Ver- 
legenheit war,  welchen  deutschen  Dichter  er  mit  einem  der  Grossen  bei 


576  D.  Prohaska, 

den  Franzosen  vergleichen  sollte,  und  einen  solchen  nur  in  Geliert 
fand.  Es  war  natürlich  der  Fabeldichter  Geliert,  den  man  in  höheren 
Kreisen  las.  Auch  in  die  slavische  Welt  ist  nur  dieser  gedrungen. 
Geliert  war  neben  Gessner  bei  den  Slaven  wohl  der  bestbekannte  deutsche 
Dichter  bis  zur  Wiedergeburt  im  XIX.  Jahrh.  Auf  Geliert  und  Gessner 
folgt  da  Goethe  und  Schiller.  Wieland  blieb  unbekannt.  Man  stand 
eben  bis  zur  Romantik  mit  der  deutschen  Literatur  in  keinem  Kontakt. 
Bei  Polen  wie  Russen  herrschte  französischer  Einfluss.  Unter  solchem 
Gesichtspunkte  ist  Katharinas  Wagestück,  Geliert  nachzuahmen,  eine 
originelle  That.  Die  Unkenntniss  der  deutschen  Literatur  bei  Slaven  und 
Franzosen  kam  ihr  aber  zu  gute,  denn  ihr  Stück  galt  als  —  Original. 
Sie  Hess  es  ins  Französische  übersetzen,  nicht  aber  ins  Deutsche  — 
wie  ihre  übrigen  Stücke. 

Für  ihre  weitere  Entwicklung  in  der  Komödiographie  war  dieser 
erste  Gellert'sche  Einfluss  von  grundlegender  Bedeutung.  Es  zeigt  sich 
auch  bei  ihr,  dass  der  erste  Eindruck  bei  nicht  starken  dichterischen 
Individualitäten  der  bleibende  ist.  Es  lassen  sich  folgende  gemeinsame 
Züge  zwischen  »0  Bpewa«,  resp.  der  »Betschwester«  und  den  späteren 
Stücken  Katharinas  hervorheben.  Neben  der  Heilung  des  Hauptlasters 
läuft  immer  eine  Brautwerbung  als  Parallelhandlung  einher.  Die  Ex- 
position des  Stückes  machen  gewöhnlich  die  Diener,  sie  sind  es  auch, 
welche  die  Intrigue  schürzen.  Ständige  Figuren  sind  der  junge  Bräuti- 
gam, für  den  ein  Heirathsvermittler  oder  Freund  auftritt,  und  der  dumme 
junge  Backfisch,  der  treuherzig  sein  Schicksal  in  die  Hände  der  klugen 
Kammerzofe  legt  (vgl.  die  Stücke:  )>IlMflnHHLi  rocno^n  BopyajitKHHOH« 
—  »rocno)Ka  B'SeTHHKOBa  et  ceMbeio«).  Natürlich  hat  sich  Katharina 
nicht  immer  dieser  Schablone  bedient,  sie  variirt  das  Thema  und  die 
Gruppirung  so  geschickt,  dass  man  es  oft  nicht  wieder  erkennt.  Auch 
in  den  Stücken  ihrer  zweiten  Periode  (nach  d.  J.  17S6)  tauchen  diese  ver- 
wandten Züge  im  Hintergrund  der  Handlungen  discret  auf.  ilch  meine 
die  »Drey  Lustspiele  wider  Schwärmerey  und  Aberglauben«,  russisch: 
»OÖMaiimHKTb»  —  »OÖ0Jii>ni,eHLiH«  —  »niaMaHTi  CnÖHpcKiil«).  —  Man  darf 
die  Sucht  nach  weiterem  Gellert'schen  Einfluss  bei  Katbarina  zu  fahnden 
nicht  zu  weit  treiben,  denn  gewiss  liegen  ihren  übrigen  Stücken  uns  bis 
jetzt  noch  unbekannte  fremde  Vorlagen  vor.  Sie  selbst  nennt  in  einem 
Briefe  z.  B.  Sedaine,  als  den  Schriftsteller,  den  sie  gerne  lese,  ja  gerne 
kopire.   Ihr  Verhältniss  zu  den  Franzosen  ist  noch  nicht  näher  erforscht. 

Was  Katharina  von  Geliert  in  allen  Stücken  unterscheidet,  ist  die 


1 

1 


Die  Vorlage  zur  Komödie  »0  BpcMa!«  von  Katharina  II.  577 

Enthaltung  von  aller  Empfindsamkeit.  Dieser  Zug  macht  ihre  persönliche 
Eigenthümlichkeit  aus.  Sie  hat  weder  die  Liebe  noch  die  Grossmuth 
hochgehalten.  Nur  der  gesunde  Verstand,  der  Witz,  Laune  und  Ironie 
bildeten  ihr  die  Quintessenz  des  Lebens.  Sie  schrieb  daher  auch  keine 
Rührstücke,  sondern  humoristische  Komödien.  Diese  negative  Seite 
ihres  Wesens  finde  ich  bei  Pypin  nicht  hervorgehoben;  aus  dem  Ver- 
gleiche mit  der  Vorlage  von  »0  BpeMa«  ist  sie  aber  evident. 

»0  BpeMal«  ist  noch  darum  interessant,  weil  damit  die  Geschichte 
der  russischen  Komödie  beginnt.  Nichts  wäre  aber  falscher,  als  des- 
halb zu  sagen,  dass  die  russische  Komödie  unter  deutschem  Einflüsse 
entsteht.  Dagegen  spricht  gerade  das  Verhältniss  Katharinas  zu 
Geliert,  das  eine  ziemliche  Unabhängigkeit  aufweist.  Die  deutsche 
Empfindsamkeit  wurde  abgestreift,  das  derbe  nationale  Element  rea- 
listisch eingeführt.  Von-Vizin  bedeutet  hierin  schon  eine  weitere  Stufe : 
er  entnimmt  nur  mehr  einzelne  Gedanken  dem  Auslande  (Frankreich)  — 
seine  Welt  ist  aber  eine  echt  russische.  Nur  Talente  von  minderem 
Werthe:  Sumarokov,  Knjaznin,Verevkin  u.  a.  ahmen  die  pseudoklassische 
und  die  «comödie  larmoyante«  nach.  Und  schon  in  den  20er  Jahren 
des  XIX.  Jahrh.  erreichte  die  russische  Komödie  mit  Gribojedovs  genia- 
ler —  bis  heute  im  Westen  zu  wenig  bekannten  —  Leistung  »Uope  oxt 
yMa«  (Wehe  dem  Gescheiten !)  eine  klassische  Höhe.  Gogol's  Revisor 
that  das  Uebrige.  Diesen  raschen  Aufschwung  der  russischen  Komödie 
gegenüber  der  deutschen  möchte  ich  nicht  ausschliesslich  auf  Verschie- 
denheit der  Racen  zurückführen  —  sondern  kulturgeschichtlich  kom- 
mentiren.  Das  russische  Leben  bietet  mit  seinen  paradoxen  europäisch- 
asiatischen  Verhältnissen  mehr  als  irgend  ein  anderes  Stofi"  zur  Satyre, 
zur  Komödie.  Gogol  selbst  sagte  einmal  etwas  Aehnliched.  Natürlich 
kommt  dann  hinzu  der  specifisch  slavische  Sinn  für  das  Kleine,  die 
scharfe  Beobachtungsgabe  für  das  scheinbar  Unbedeutende  im  mensch- 
lichen Dasein.  Nur  in  diesem  Sinne  wiederhole  ich  gerne  Voltaires 
Worte  an  Katharina:  »Je  vois  que  les  Russes  ont  bien  de  l'esprit  et  du 
bon  esprit«.  — 

D.  Prohaska. 


Archiv  för  slavisclie  Philologie.    XXVII. 


Kritischer  Anzeiger, 


A.  M.  ^yKLflHeHKo.  KaSKascKoe  Hapime.  KieBi,  1905.  8**.  XL  326. 

Eine  ausführliche  literaturgeschichtlich-grammatische  Monographie  über 
den  Kajdialekt  der  kroatischen  Sprache  von  einem  jungen  Russen,  der  in 
Kijev  die  slavische  Philologie  studirt  —  eine  sehr  angenehme  Ueberraschung. 
Allerdings  ist  die  Schrift  nicht  aus  einer  Studienreise  ins  Land,  um  das  Volk 
und  seine  Sprache  zu  studiren,  hervorgegangen.  Ja  vielleicht  hat  der  Ver- 
fasser nie  ein  Wort  dieses  Dialektes  aus  dem  Munde  eines  Kaj-Kroaten  ge- 
hört !  Die  Schrift  gehört  demnach  nicht  in  das  Bereich  der  modernen  Dialekt- 
forschung, wo  man  unter  möglichst  genauer  Beobachtung  und  Fixirung  aller 
physiologischen  Eigenthümlichkeiten  einer  lebenden  Volkssprache  das  Ma- 
terial sammelt  und  bearbeitet.  Darum  liefert  auch  die  Schrift  keine  Erwei- 
terung unserer  Kenntnisse  des  Kajdialektes  nach  dieser  Seite.  Die  Aufgabe 
des  Verfassers  bestand  vielmehr  darin,  das  in  neuerer  Zeit  gesammelte  und 
ihm  zugänglich  gewesene  gedruckte  Material  über  diesen  Dialekt,  mögen  es 
grammatische  Arbeiten  oder  nur  verschiedene  Texte  sein,  fleissig  zu  prüfen 
und  für  eine  systematische  Uebersicht  und  Charakteristik  des  Dialektes  nach 
allen  Gesichtspunkten  zu  verwerten.  Also  Laut-  und  Formenlehre,  inflexible 
Redetheile  und  Syntax,  mit  Hinzufügung  allgemeiner  Bemerkungen  über  die 
Beziehungen  des  Kajdialektes  zu  den  Nachbarsprachen  u.  e.  a.  —  dazu  eine 
literaturgeschichtliche  Einleitung  —  das  bildet  das  Thema  dieser  Mono- 
graphie. Es  ist  eine  fleissige  Studentenarbeit,  die  vollauf  verdiente,  im  Drück 
zu  erscheinen,  da  sie  nicht  nur  in  der  russischen  slavistiscbeu  Literatur  eine 
Lücke  ausfüllt,  sondern  überhaupt  etwas  bietet,  was  bisher  Niemand  gethan 
hat.  Selbstverständlich  kann  von  einer  solchen  Erstlingsarbeit  kaum  etwas 
mehr  verlangt  und  erwartet  werden,  als  die  fleissige  und  möglichst  voll- 
ständige Verwerthung  der  dem  Verfasser  zu  Gebote  stehenden  Hilfsmittel. 
In  der  Gruppirung  des  Materials,  in  der  Stellungnahme  des  Autors  zu  den  in 
seinen  Hilfsmitteln  niedergelegten  Ansichten  muss  sich  der  Grad  seiner  wissen- 
schaftlichen Reife  abspiegeln,  muss  seine  Schulung  und  die  gewonnene  me- 
thodische Fertigkeit  zum  Vorschein  kommen.  In  beiden  Beziehungen  macht 
diese  Arbeit  guten  Eindruck,  wenn  ich  auch  mehr  den  Fleiss  als  den  Scharf- 
sinn des  Verfassers  loben  kann.  Ich  will  die  Schrift  mit  Bemerkungen  be- 
gleiten, die  der  Reihe  nach  seiner  Darstellung  folgen,  wobei  ich  das  Richtige 


Lukjanenko,  Der  Kajdialekt,  angez.  von  Jagic.  579 

mit  Stillschweigen  übergehe,  dagegen  die  Versehen  oder  offenbaren  Unrichtig- 
keiten hervorhebe,  nicht  um  damit  dem  Verfasser  etwas  Unangenehmes  zu 
sagen,  sondern  um  ihm,  der  offenbar  einer  Belehrung  zugänglich  ist,  auf  das 
oder  jenes  aufmerksam  zu  machen. 

Auf  den  ersten  58  Seiten  giebt  er  eine  Uebersicbt  über  den  Umfang  des 
Dialektes  und  über  die  Schicksale  der  Sprache  in  dieser  Literatur.  Nichts 
Selbstständiges  wird  darin  geboten,  alles  nach  fremden  Arbeiten  wieder- 
erzählt, aber  für  die  Beleuchtung  des  weiterfolgenden  Stoffes  sehr  brauchbar. 
Unter  den  Hilfsmitteln  vermisse  ich  die  Kukuljevic'sche  Arbeit  über  die 
Kajschriftsteller  des  XVII.  Jahrh.  (in  seinem  Arkiv  erschienen),  den  Knji- 
zevnik,  worin  eine  von  Dr.  Ivekovid  und  mir  geschriebene  Abhandlung  über 
die»Sirena«  der  beiden  Brüder  Zrinski  für  seine  Arbeit  nützlich  wäre.  Warum 
er  die  Literaturgeschichte  Surmin's  übergeht  und  nur  seinen  Aufsatz  in  dewi 
Slovnik  Otto's  zitirt,  weiss  ich  wirklich  nicht.  Sehr  zu  bedauern  ist  es,  nicht 
nur  wegen  der  literaturgeschichtlichen  Einleitung,  sondern  noch  mehr  wegen 
des  grammatischen  Theils  der  Schrift,  dass  dem  Verfasser  aus  der  durchaus 
nicht  armen  Kajliteratur  des  XVI. — XVIII.  Jahrh.  gar  nichts  unmittelbar  zu 
Gebote  stand,  kein  alter  Druck.  Er  musste  sich  rein  damit  begnügen,  was  er 
in  der  bekannten  Arbeit  Oblak's  (über  die  slovenische  Deklination)  aus  einem 
Vramec,  Petretic  u.  a.  citirt  vorfand.  Selbst  das  schöne  Wörterbuch  Belo- 
stenec's  scheint  ihm  nicht  zugänglich  gewesen  zu  sein,  da  er  es  kaum  flüchtig 
erwähnt  (S.  22).  Und  wenn  er  den  anderen  Lexikographen  zur  Hand  gehabt 
hätte,  so  würde  er  seinen  Namen  nicht  unrichtig  Jambreziö,  sondern  richtig 
Jambresic  geschrieben  haben.  Auch  hätte  er  den  Buchdrucker  Manlius  nicht 
zweimal  Maulius  schreiben  sollen.  Bei  der  Bestimmung  der  Grenze  des  Kaj- 
kavischen  gegenüber  dem  Cakavischen  in  Istrien  hatte  er  das  Missgeschick, 
eine  Stelle  in  der  Abhandlung  Prof.  Resetar's  (Archiv  XIII.  170)  falsch  ver- 
standen zu  haben.  Aus  »in  den  Pfarren«  machte  er  einen  Ortsnamen :  bt. 
II*apeHi!  Was  er  mit  den  Worten  S.  18  Z.4 — 7,  die  sich  auf  Vramec  beziehen, 
sagen  wollte,  kann  ich  nicht  bestimmen,  wohl  aber  die  Mittheilung  machen, 
dass  nächstens  eine  Studie  über  Vramec  von  Prof.  Klaiö  in  Agram  erscheinen 
soll.  Zum  Schluss  der  literaturgeschichtlichen  Einleitung  behandelt  er  die 
Frage  über  die  Zugehörigkeit  des  Kajdialektes  zum  Serbokroatischen  oder 
Slovenischen  (S.  53 — 58).  Allerdings  beschränkt  er  sich  zumeist  auf  die 
Wiedergabe  fremder  Ansichten,  dennoch  sieht  man,  dass  er  selbst  denjenigen 
sich  anschliessen  möchte,  die  das  Kajkavische  zum  Serbokroatischen  zählen. 
Da  er  häufig  auch  mich  zitirt,  zum  Theil  nach  den  Jugendwerken  der  sech- 
ziger Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts,  so  will  ich  mit  kurzen  Worten  meinen 
Standpunkt  präcisiren.  Wer  im  Stande  ist,  sich  zu  emancipiren  von  den 
jetzt  schon  aufgegebenen  Versuchen,  Stammbäume  zu  konstruiren,  wer 
den  einseitigen  Standpunkt  bereit  ist  aufzugeben,  den  einst  Schleicher  mit 
mehr  Scharfsinn  und  Energie  als  Ueberzeugungskraft  vertrat,  dass  einzelne 
phonetische  Merkmale  zur  Klassifikation  der  Verwandtschaftsverhältnisse 
ausreichen  —  das  war  ein  Standpunkt,  der  ungefähr  dem  Linn6'schen  System 
in  der  Botanik  entsprach  —  wird  ohne  viel  Besinnen  dem  Kajdialekt  die  rich- 
tige Stellung  einer  Mitte  zwischen  dem  Slovenischen  von  heute  und  dem 

37* 


580  Kritischer  Anzeiger. 

Serbokroatischen  anweisen.  Ich  will  selbst  den  Ausdruck  ȟebergangs- 
dialekt«  nicht  gebrauchen,  um  nicht  deu  Eindruck  hervorzurufen,  als  wäre 
das  ein  Mischdialekt  und  nicht  eine  Sprache,  die  selbst  in  der  Literatur 
durch  vier  Jahrhunderte  ihre  ganz  selbstständige  Stellung  einnahm,  die  durch- 
aus nicht  ein  Anhängsel  an  das  Slovenische  oder  an  das  Cakavische  oder 
Stokavische  des  Serbokroatischen  bildete.  Eichtig  ist  es,  dass  in  früheren 
Jahrhunderten  diese  Sprache  slovenisch  hiess,  so  wie  das  Land  slovenisches 
Königreich  (regnum  Sclavoniae)  —  der  Name  präjudicirt  gar  nicht.  Auch  das 
Slovakische  wird  noch  heute  zu  Hause  »slovenisch«  genannt.  Wie  stark  die 
älteren  Schriftsteller  den  Abstand  ihrer  Sprache,  die  sie  slovenisch  oder 
kroatisch  nannten  —  von  derjenigen  Sprache,  die  heute  slovenisch  heisst, 
damals  aber  von  diesen  Schriftstellern  nur  mit  dem  geographischen  Namen 
krainisch  bezeichnet  wurde,  herausfühlten,  das  beweist  unter  anderem  auch 
der  Umstand,  dass  aus  dem  »krainischen«  ins  »slovenische«  übersetzt  wurde. 
Z.  B.  in  dem  grossen  vierbändigen  »Cvet  sveteh  ali  zivlenje  i  cini  Svetcev« 
von  P.  Hilarion  Gasparotti  (1760)  kommen  auch  Stücke  vor,  die  er  aus  dem 
»Palmarium  empyreum  seu  conciones  CXXVI  de  Sanctis  totius  anni«  des 
Kapuziners  P.  Rogerius  '17431,  aus  dem  carniolico  idiomate  geschriebenen 
Text  »na  nas  slovenski  jezik«  übersetzte.  Zu  solchen  Stücken  gehört  u.  A. 
die  Predigt  am  1.  Octor:  »Prodeka  od  svetoga  cisla«  gegenüber  »Pridega  od 
svetiga  rozeukranca".  Wer  also  nicht  einseitig  auf  einzelne  phonetische 
Uebereinstimmungen  das  Hauptgewicht  legt,  sondern  die  Gesammtheit  aller 
Abweichungen,  die  sich  im  Charakter  der  Aussprache,  in  der  Behandlung  der 
Vokale,  in  den  Sprachformen,  im  Lexikon  abspiegeln,  auf  sich  einwirken  lässt, 
dem  würde  schon  die  Vergleichung  des  doppelten  Textes  einer  solchen  Pre- 
digt die  Ueberzeugung  beibringen,  dass  das  Gefühl  der  sprachlichen  Ver- 
wandtschaft sich  nicht  nach  einzelnen  Punkten  aus  der  vergleichenden  Pho- 
netik, sondern  nach  dem  Totaleindruck  aller  Erscheinungen  sprachlicher, 
kultureller  und  selbst  politischer  Natur  richtet.  Und  dieser  Totaleindruck  zieht 
das  Kajkavische  in  den  Kreis  des  Elroatischen,  nicht  des  Slovenischen,  mögen 
auch  viele  Berührungspunkte  mit  dem  Slovenischen,  namentlich  des  Ostens, 
vorhanden  sein.  Wenn  ich  in  meinen  Schriften  nicht  immer  über  diesen 
Punkt  80  klar  dachte,  so  erklärt  sich  auch  das,  wie  manches  im  menschlichen 
Leben,  aus  der  Macht  des  Ansehens  und  der  Autorität  der  Vorbilder,  bis  mau 
allmählich  aufhört,  mit  fremden  Gedanken  zu  denken.  Wenn  daher  im  Jahre 
1723  ein  Agramer  Kapuziner  P.Stephan  mit  seinen  Predigten,  die  er  sehr  be- 
redt im  kajkavischen  Agramer  Dialekt  hielt  und  druckte,  dem  kleinen  Volk 
»Horvackoga,  Slovenskoga  i  Dalmatinskoga  naroda«  nützlich  sein  wollte,  so 
ist  damit  dem  Gefühl  der  Zusammengehörigkeit  Ausdruck  gegeben,  der  nicht 
durch  einige  Punkte  aus  der  Phonetik  umgestossen  werden  kann. 

Da  der  Sammler  des  Materials  keine  Kritik  seiner  Quellen  giebt,  so  muss 
ich  nachholen,  dass  man  sich  im  Sinne  einer  reinen  Volkssprache  weder  auf 
Plohl-Herdvigov  noch  auf  Valjavec  durchgehend  verlassen  kann.  Plohl-Her- 
dvigov  hat  zwar  genau  notirt,  doch  die  Bevölkerung  selbst  der  Gegend,  woher 
er  das  Material  schöpfte,  ist  nicht  rein  kajkavisch,  sie  repräsentirt  das  Kaj- 
kavische und  Stokavische  in  einer  Mischung,  die  mit  geschichtlichen  Ereig- 


Liikjanenko,  Der  Kajdialekt,  angez.  von  Jagid.  58] 

nissen  des  XVI. — XVII.  Jahrh.  im  Zusaiumenhaug  steht.  Hätte  der  Verfasser 
diesen  Umstand  beachtet,  so  würde  so  maoche  Erscheinung,  die  ganz  aus  dem 
Rahmen  des  Kajkavischen  herausfällt,  entweder  in  der  Behandlung  dieses 
Werkes  überhaupt  keine  Aufnahme  gefunden  haben,  oder  wenigstens  wäre  sie 
als  nicht  echt  kajkavisch  bezeichnet  worden.  Die  Erzählungen  Valjavec's 
müssen  aus  einem  anderen  Grunde  mit  Vorsicht  benutzt  werden.  Man  weiss 
OS,  dass  ein  grosser  Theil  dieser  Erzählungen  so  zu  Stande  kam,  dass  der 
Herausgeber  als  gewesener  Gyranasialprofessor  in  AVarasdin  seine  Schüler 
dazu  animirte,  ihm  das  Material  zu  liefern.  Diese  Schulknaben  standen  aber 
selbst  unbewusst  vielfach  schon  unter  dem  Einfluss  der  stokavischen  Literatur- 
sprache. Ich  werde  im  weiteren  Verlaufe  einige  solche  Beispiele,  die  mir  als 
nicht  volksthümlich  verdächtig  sind,  anführen.  Zunächst  will  ich  noch  eine 
allgemeine  Bemerkung  machen.  Das  Werk  behandelt  den  Kajdialekt.  Es  wäre 
aber  falsch,  zu  glauben,  dass  das  ganze  Territorium  des  Kajdialektes  einen 
einzigen,  einheitlichen  Dialekt  repräsentirt.  Schon  die  einzelnen  Erschei- 
nungen, wie  sie  in  diesem  Werke  zur  Sprache  kommen,  veranschaulichen 
grosse  Verschiedenheiten.  Allein  aus  der  in  diesem  Werke  gegebenen  Analyse 
kann  der  Leser  kein  anschauliches  Bild  gewinnen,  in  welche  Untermundarten 
das  Kajkavische  zerfällt,  wie  sich  diese  zueinander  verhalten,  in  welchem 
Umfang  und  mit  w.elcher  Begrenzung.  Diese  Lücke  in  unserem  Wissen  bleibt 
unausgefüUt.  Der  Verfasser  hat  sich  auch  keinen  bestimmten  Plan  gezeichnet, 
nach  welchem  bei  ihm  die  Erscheinungen  aufeinander  folgen  sollten.  Er  hält 
zwar  die  einzelnen  Ortschaften  auseinander  (z.  B.  Murinsel,  Warasdiner  Ge- 
gend, Vrbovec,  Prigorje,  Trebarjevo,  Stupnik,  Zagorje,  Lokve),  weil  seine 
Quellen  so  lokalisirtes  Material  bieten,  doch  ein  bestimmtes  Bild  einzelner 
Mundarten  kommt  dadurch  nicht  zum  Vorschein.  Wohl  trachtet  er  nach  dem 
Vorgang  Oblaks  eine  nördliche  und  eine  südliche  Schicht  des  Kajdialektes  zu 
sondern  (S.  286 — 293) ,  doch  eine  genauere  Grenzbestimmung  wird  auch  hier 
nicht  versucht,  kann  auch  bei  den  grossen  Lücken  unseres  gegenwärtigen 
Wissens  noch  nicht  versucht  werden.  Ich  mache  nicht  nur  keinen  Vorwurf 
daraus  dem  Verfasser,  sondern  billige  noch  seine  Vorsicht,  dass  er  nicht  vor- 
eilige Verallgemeinerungen  oder  Schlüsse  gezogen. 

Wenn  ich  nun  auf  Einzelheiten  übergehe,  so  setze  ich  für  die  grosse 
Masse  des  herangezogenen  sprachlichen  Stoffes  immer  stillschweigend  voraus, 
dass  sie  vom  Verfasser  richtig  verwertet,  richtig  beurtheilt  und  an  richtiger 
Stelle  eingeschaltet  wurde.  Ich  begnüge  mich  daher  nur  mit  der  Hervor- 
hebung von  Abweichungen  und  hie  und  da  gebe  ich  einige  Zusätze.  Zur  Be- 
handlung des  Ersatzes  für  die  alten  schwachen  Vokale  möchte  ich  erwähnen, 
dass  mir  die  Beispiele  mit  a  aus  Plohl-Hordvigov  für  den  echten  kajk.  Dialekt 
aus  oben  angeführten  Gründen  nichts  beweisen,  sie  sind  eben  nicht  echt  kaj- 
kavisch. Auch  ein  tamnica  aus  Valjavec  (S.  61)  ist  mir  aus  gleichen  Gründen 
als  nicht  volksthümlich  verdächtig.  Richtig  ist,  dass  man  heute  laz,  lazec, 
lagati  etc.  sagt,  aber  Petretic  hat  in  seinem  Evangelium  noch  lezec  (im  Tir- 
nauer  Evangelium  vom  J.  1693  und  in  dem  Agramer  vom  J.  1807:  lazec). 
Selbst  die  reinsten  Kaj-Schriftsteller  haben  dann  und  wann  eine  Endung  auf 
-ac  (statt  des  üblichen  -ec],  doch  Auslassungen  des  Vokals  sind  in  den  Suffix- 


582  Kritischer  Anzeiger. 

stellen  selten,  z.  B.  norc  (regelmässig  so,  nicht  norec),  so  auch  tork  oder  vtork 
(Dienstag),  die  erstere  Form  (tork)  wenden  in  voller  Uebereinstimmung  alle 
drei  vorerwähnten  Evangelien  an.  Wünschenswerth  wäre  es  auch,  die  Fälle  des 
Schwankens  zwischen  dem  Einsatz  und  der  Auslassung  des  schwachen  Vo- 
kals zusammenzustellen.  Man  sagt  z.  B.  nur  genuti,  aber  ebenso  nur  nagnuti, 
prignuti.  Interessant  ist  in  alter  Sprache  te  für  xt  (bei  Vramec  noch).  Für 
ob  tla  las  ich  bei  dem  Pater  Stephan  obetla.  Ganz  unrichtig  ist  auf  S.  62  die 
Behauptung,  o  in  zvon  sei  Ersatz  für  den  schwachen  Vokal,  das  hätte  der 
Verfasser  nicht  anderen  nachschreiben,  sondern  berichtigen  sollen  und  sagen, 
das  o  spiele  in  zvon  dieselbe  Rolle  wie  in  zakon.  Wo  vom  Ersatz  für  a  die 
Rede  ist,  sind  die  Beispiele  jacmik,  oder  noch  üblicher  jacmen,  und  was  man 
hinzufügen  kann  zalec,  mit  ihrem  a  statt  e  richtig,  allein  weder  jadro  gehört 
hierher,  noch  das  mir  unbekannte  verjamat  (verjamem  jst  eigentlich  slo- 
venisch)  S.  73.  Auch  die  Beispiele  sreica,  nesreica  (S.  74)  sind  keine  Belege 
für  ei  =  A,  da  hier  vielmehr  i  vorauszusetzen  ist.  Man  sagt  ja  ikavisch  das 
Wort  srida.  Ein  merkwürdiger  Irrthum  seitens  des  Verfassers  ist  es,  dass  er 
in  dem  Adjektiv  snazan  (zweimal  sogar)  vom  üebergang  von  i  in  a  spricht 
(S.  77.  78),  er  scheint  die  Bedeutung  des  Wortes,  von  suaga  abgeleitet,  sich 
nicht  klar  gemacht  zu  haben.  Das  Substantiv  ajda,  kajkavisch  üblicher  in  der 
Form  hajdina,  hat  nicht  a  statt  e,  vielmehr  ist  das  genaue  Wiedergabe  des 
deutschen  Wortes  »die  Haid«.  Ein  Ausfall  des  e  ist  nicht  nur  in  dalko  statt 
daleko,  sondern  auch  in  den  Casus  obliqui  des  Substantivs  plamen,  gen.plamna 
etc.  (S.  84).  Alle  die  Beispiele  mit  e  für  o  (S.  84 — 86)  wäre  es  doch  besser  gewesen 
unter  dem  Vokal  o  zu  behandeln,  die  physiologische  Natur  dieses  Umlauts 
(ein  Üebergang  von  o  durch  ö  in  e,  zuweilen  selbst  i)  muss  erst  näher  unter- 
sucht werden,  auch  der  Umfang  des  Auftretens  dieses  Umlautes  ist  uns  noch 
nicht  klar  (der  Verfasser  findet  darin  S.287  einen  Charakterzug  des  südlichen 
Kajkavismus;  es  fragt  sich,  ob  das  richtig  ist).  Unter  dem  Vokal  u  hätte  das 
Wort  razmem  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  sein  u  Ha  razum)  ist  offen- 
bar unter  dem  Einfluss  der  vorausgehenden  Betonung  (räzmem)  geschwunden. 
Wo  vom  sonantischen  I  die  Rede  ist,  hätten  die  Beispiele  wie  »vlekel«  ent- 
weder fern  gehalten  werden  sollen,  oder  es  wäre  ausdrücklich  zu  sagen  ge- 
wesen, dass  diese  Form  auf  B-iiK^ii.  beruht  und  als  solche  ist  sie  ja  ganz  regel- 
mässig, geradeso  wie  vleic,  svleic  richtig  das  alte  BJiiinTu  reflektiren  (S.  103 — 
104).  Bei  der  Besprechung  des  r  werden  einmal  physiologisch  genauer  die 
vorausgehenden  vokalischen  Elemente  geprüft  werden  müssen.  Dass  dieses 
in  der  Gegend  von  Krapina  'den  Umfang  vermag  ich  nicht  genau  anzugeben 
zum  voll  austönenden  Vokal  e  bringt,  davon  hab'  ich  mich,  in  Gesellschaft 
mit  Prof.  V.  Resetar,  diesen  Sommer  abermals  aufs  unzweideutigste  über- 
zeugt, so  dass  das  ablehnende  Verhalten  Miklosich's  gegen  meine  einstige 
Behauptung  ganz  unbegründet  war.  Das  Wort  bereg  (S.  103)  ist  mit  breg 
nicht  identisch,  die  Bedeutung  ist  verschieden,  das  erste  bedeutet  Sumpf,  das 
zweite  Berg,  Hügel.  Man  glaubt,  dass  die  erste  Form  aus  dem  Magyarischen 
herübergenommen  wurde,  wie  astal,  sikra  u.  s.  w.  Im  Konsonantismus,  wo 
sehr  viel  Stoff  zusammengetragen  ist,  hätte  ich  gegen  manche  Behauptung 
einzuwenden  nicht  wegen  des  Verfassers,  sondern  wegen  seiner  Quellen. 


Lukjanenko,  Der  Kajdialekt,  angez.  von  Jagid.  583 

Wenn  er  z.  B.  S.  in  pflichtschuldig  solche  Formen  aus  Vrbovec  anführt,  wie 
opravio,  sanjao,  soko  u.  s.  w.,  so  ist  das  eben  dem  stokavischen  Dialekt  und 
seinem  EinÜuss  zuzuschreiben.  Ueber  den  Umfang  der  Aussprache  des  n 
alsj,  sogar  in  solchen  Beispielen  wie  koja  (statt  koiia),  möchten  wir  gern  ge- 
genauere Angaben  haben.  Es  fragt  sich  auch,  ob  dabei  nicht  der  voraus- 
gehende Vokal  nasalirt  ausgesprochen  wird.  Neben  vankus  (S.  120)  hört  man 
doch  auch  vankus,  geradeso  wie  man  mankati  und  mankati,  suzanstvo  und 
suianstvo  u.  s.w.  spricht.  Unter  verschiedenen  konsonantischen  Uebergängen 
citirt  der  Verfasser  S.  132  auch  slobodmo  für  slobodno.  Das  ist  jedoch  ganz 
einfach  ein  Druckfehler  der  zweiten  Ausgabe  der  Valjavec'schen  Pripovjesti, 
in  der  ersten  steht  das  richtige  slobodno.  Wohl  aber  könnte  man  für  n  statt 
m  die  Form  hotonce  anführen,  die  auch  der  Verf.  auf  S.  241  angibt.  Zu  hm  für 
vm  erwähne  ich  heute  hmanikovati,  bei  Vramec  vmanikovati,  heute  hmani,  bei 
Vramec  noch  vmaüi.  Die  zwei  Beispiele  zavadla,  zavadlao  (S.  129)  haben  mit 
dopadla  oder  vidla  (für  videla)  nichts  zu  thun.  Das  ist  vermuthlich  deutsch 
wetten.  Ungeachtet  des  Reichthums  des  hier  aufgespeicherten  phonetischen 
Stoffes  dürfen  wir  erst  von  der  Detailerforschung  des  einen  oder  anderen 
Dialektes  neue  wichtige  Aufschlüsse  und  Thatsachen  erwarten.  Ich  kann 
das  schon  jetzt  für  den  Dialekt  von  Virje  in  der  Podravina  in  Aussicht  stellen 
auf  Grund  eines  in  unserem  hiesigen  slavischen  Institut  gehaltenen  sehr  in- 
teressanten Vortrags. 

Die  Deklinationsübersicht  liefert  ebenfalls  viele  Beispiele  aus  den  vom 
Verfasser  benutzten  Quellen,  gegen  deren  Zuverlässigkeit  ich  auch  hier 
manche  Bedenken  vorzubringen  hätte.  So  z.  B.  die  aus  dem  Buche  Valjavec's 
zitirten  Beispiele  acc.  plur.  volove,  drumove,  glasove  (S.  155)  sind  mir  für  die 
Warasdiner  Gegend  sehr  verdächtig,  das  scheint  der  unbewusste  Einfluss  der 
Literatursprache  zuwege  gebracht  zu  haben.  Wenn  jedoch  der  Verfasser 
auch  zidovi  dazu  rechnet,  so  ist  das  etwas  anderes,  dieses  Wort  lautet  ja 
schon  im  Nom.  sing,  zidov.  Mir  sind  auch  die  Instrumentale  wie  putem  als 
nicht  ganz  volksthümlich  etwas  verdächtig.  In  der  Gegend,  aus  welcher  die 
Valjavec'schen  Volksmärchen  stammen,  würde  man  schwerlich  »putem«,  son- 
dern «po  putu«  sprechen.  Die  Ueberreste  der  t-Deklination  sind  nicht  mit  ge- 
höriger Akribie  behandelt.  Betreffs  der  femininen  j-Stämme  kann  überhaupt 
nicht  von  Ueberresten  die  Rede  sein,  auch  gen.  plur.  oci,  instr.  plur.  ocmi,  ist 
etwas  so  allgemein  übliches,  dass  es  solche  »Ueberreste«  in  Hülle  und  Fülle 
gibt.  Wohl  aber  können  acc.  plur.  Ijudi,  gosti,  lasi  (für  vlasij  als  solche  an- 
geführt werden.  Dagegen  sind  die  Formen  gradmi,  angelmi  nicht  mehr  Ueber- 
reste, sondern  Uebergriflfe  in  die  ausdrucksvollere  Kasusendung  -m«,  hervor- 
gerufen durch  die  Analogie  aller  anderen  Instrumentale  der  Substantiva  und 
Adjektiva.  Wenn  der  Form  svekri  (im  Agram.  Ethnogr.  Zbornik  III.  219)  die 
Bedeutung  eines  alten  Ueberrestes,  der  auf  cscKp-H  beruhen  soll,  zugeschrie- 
ben wird,  so  ist  das  wohl  unrichtig,  die  Stelle  ist  als  Dativ  sing,  aufzufassen, 
wo  Bvekri  entweder  für  svekrvi  (mit  ausgelassenem  v)  gesprochen  wird,  oder 
ist  es  überhaupt  ein  Druckfehler.  Sehr  verdächtig  ist  mir  für  die  Warasdiner 
Gegend  auch  der  aus  Valjavec  (auf  S.  158)  zitirte  Nominativ  kri.  Schade,  dass 
uns  weitere  Belege  fehlen.    Die  Form  ist  bekanntlich  im  Slovenischen  wohl- 


584  Kritischer  Anzeiger. 

bekannt,  auch  Vramec  gebrauchte  sie.  Neben  nebesa  kennt  das  Kajkavische 
(auch  ohne  Einfluss  von  »Vater  unser«)  noch  die  Formen  vusesa  (neben  vuha) 
und  cudesa  (neben  cuda).  Die  Beispiele  nom.  pl.  hajduci,  vuci,  junaci  (S.  163) 
sind  entschieden  stokavisch  gerade  so,  wie  gen.plm".  hajduka,  sinova  (S.  16S), 
für  den  echten  Kajdialekt  kommen  also  diese  Formen  gar  nicht  in  Betracht. 
Das  auf  S.  174  als  Genit.  sing,  zitirte  Beispiel  strani  ist  nicht  auf  cxpaH'H  zu- 
rückzuführen, das  Wort  wird  als  femininer  B-Stamm  »stran«  deklinirt.  Bei 
dem  Gen.  plur.  der  femininen  a-Stämme  (S.  175)  hätte,  wenn  der  Kasus  auf  -i 
auslautet  (Uebergang  in  die  «-Deklination),  noch  die  Hinzufügung  des  Aus- 
lautes -h  (also  -ih)  erwähnt  werden  können,  die  vielleicht  nicht  so  sehr  in  der 
Aussprache,  wie  in  der  Orthographie  der  Druckwerke  des  XVIII.  Jahrh.  lebte 
und  üblich  war.  Also:  meglih,  kletvih,  pregreskih,  sabljih.  Allmählich  hatte 
sich  das  h  (nach  der  Analogie  der  Adjektiva)  auch  für  Substantiva  so  fest- 
gesetzt, dass  man  selbst  dobroth,  leth  u.  ä.  schrieb  und  druckte.  Das  war 
freilich  nur  gelehrte  Klügelei  der  Grammatiker  und  Schriftsteller.  Die  za- 
gorjanische  Form  mojäga  (wohl  aus  mojoga  hervorgegangen,  S.  190)  hängt 
natürlich  mit  der  zagorjanischen  breiten  Aussprache  des  o  als  a  zusammen, 
von  welcher  auf  S. 81/2  kurz  die  Rede  ist.  Ob  der  auf  S.  200  zitirte  Gen. sing, 
zla  eine  echte  adjektivische  Nominalform  ist  oder  als  Gen.  sing,  vom  Neutrum 
zlo,  das  man  als  Substantiv  auffasste,  abzuleiten,  das  kann  einigermassen 
zweifelhaft  sein.  Man  kann  auch  sagen  »nikaj  dobra«.  Die  Mittheilung  von 
dem  Erklärungsversuch  des  P.  Stanislav  Skräbec  (S.  207),  die  Endung  ega-iga 
aus  -irca  abzuleiten,  kann  auf  keinen  Fall  auf  die  bei  Rozic  angeführten  Bei- 
spiele angewendet  werden,  wie  es  der  Verfasser  selbst  richtig  zugibt.  Aus 
den  Komparativformen  wäre  es  angezeigt  gewesen,  jene  in  der  adverbial- 
neutralen Form  herauszuheben  und  von  den  adjektivisch  deklinirbaren  zu 
trennen,  weil  sie  nicht  immer  übereinstimmen.  Man  sagt  zwar  gorje,  bolje,  leze 
aber  adjektivisch  gorsi,  boljsi,  leksi  oder  lezesi,  man  sagt  duze  und  duglje 
aber  duksi,  duzesi,  menje  aber  menjsi,  vise  aber  visesi  u.  s.  w.  Vergl.  noch 
prvlje  —  ein  beliebtes  Adverbium  für  das  stok.  prije  (kajk.  predi).  Nach  der 
Analogie  der  Adverbialnumeralia  auf -jc  ;S.  215),  die  keineswegs  bloss  in  der 
Murinsel  gebraucht  werden,  richtet  sich  auch  das  Adverbium  znovic. 

Auch  die  Konjugationsformen  sind  mit  reichlichen  Belegen  ausgestattet. 
Hier  Hess  die  Vorarbeit  Oblak's,  die  sich  auf  die  Deklination  beschränkte, 
den  Verfasser  im  Stich.  Darum  fehlen  auch  die  summarischen  Uebersichten 
über  die  Erscheinungen  aus  der  Konjugation  in  der  Sprache  eines  Vramec. 
Petretic  u.  s.  w.  Namentlich  die  Imperfekt-  und  Aoristformeu,  die  in  dieser 
alten  Sprache  noch  reichlich  vertreten  sind,  konnten  nur  nach  einer  Abhand- 
lung Valjavec's  (S.  216)  kurz  berührt  werden.  Was  der  Verfasser  aus  der 
Gegend  von  Vrbovec  (nach  Plohl-Herdvigov)  zitirt,  gehört,  wie  ich  schon 
wiederholt  sagte,  nicht  in  den  kajkavischen  Dialekt.  Ja  es  ist  selbst  frag- 
lich, od  die  vielen  Aoriste  bei  Vramec,  Petretic  u.  e.  a.  nicht  auf  älteren  Vor- 
lagen beruhen  und  so  in  den  Evangelientext  Aufnahme  fanden,  ohne  gerade 
die  übliche  Volkssprache  jener  Zeit  genau  wiederzugeben.  Hat  man  z.  B.  im 
J.  1580  in  Warasdin  wirklich  so  gesprochen,  wie  es  bei  Vramec  steht:  pri- 
dose,  posla,  pnjdosta  . .  vucenika  (sc.  dva),  ucinista,  bese  zapovedal,  dope- 


Lukjanenko,  Der  Kajdialekt,  angez.  von  Jngid.  585 

lasta,  postavise,  posadise,  lauilahu,  prostirahu,  idese  (3.  pers.  sing,  imperf.), 
nasleduvase,  kricahu,  —  alle  diese  Beispiele  stehen  in  einer  einzigen  Lek- 
tion, auf  den  ersten  Adventsonntag  bei  Vramec.  Fast  alles  so,  nur  ohne  Rück- 
sicht auf  den  Dual,  hat  noch  Petretiö,  das  Tirnauer  Evangelium  hat  schon 
gar  nicht  mehr  dieselbe  Lektion  und  die  späteren  auch  nicht.  Ich  komme 
auf  die  Vermuthung.  dass  Vramec  ältere  kroatische  Vorlagen,  z.  B.  das  Ber- 
nardinsche  Lectionarium,  bei  dem  Evangelientext  benutzte,  dazu  führt  mich 
die  Wahrnehmung  eines  gewissen  Unterschiedes  in  der  Sprache  zwischen 
dem  Evangelientext  und  den  Erklärungen.  Die  Sprache  des  Evangelientextes 
wendet  viel  entschiedener  Aoriste  und  Imperfecta  an,  als  die  der  Erklärun- 
gen. Auch  im  Ausdruck  bedient  sich  Vramec  dann  und  wann  der  Doubletten 

Synonymen),  wodurch  er  seinen  Text  deutlicher  zu  machen  hoffte,  z.  B.  in 
Evang.  Matth.  XI  zmoce7i,  spacen  ili  posvenjen  (beim  Bernardin  steht:  smu- 
ceti],  Luk.  II  na  stanu  ali  ostarie  (Bernardin:  u  gostinici],  Luk.  II  gda  zpunise 
ali  zvrsise  vsa  (Bernardin:  kada  svarsise  fsaka],  Matth.  II  v  dnek  ali  v  vreme 

Bern,  u  dni),  ib.  i  pisce  ali  ucene  (Bern,  kniznike),  ib.  otaj'no  ali  ckoma  (Bern. 
otaj'no),  ib.  skrblivo  ali  paziivo  (Bern,  podmudro),  ib.  obeselise  se  kroto  ve- 
seljem  ali  radostju  veliku  Bern,  uzveselise  se  radostju  vele  velikom),  ib.  od- 
tvorivsi  ili  odprevsi  kinc  ali  blago  iBern.  utvorivsi  hlago  svoje),  Luk.  II  skrbeöa 
ali  pazljiva  (Bern,  brinuci  se),  ib.  bese  podlozen  ali  poddajen  nima  (Bern,  bise 
podlozan  nim),  loan.  II  sest  hamenih  posud  ali  mertukov  (Bern,  sest  kamenih 
sudov],  ib.  pokaza  diku  ali  slavu  svoju  (Bern,  ukaza  slavu  svoju)  u.  s.  w.  Alles 
das  sind  bisher  ungelöste  Fragen,  die  für  den  fleissigen  Verfasser  natürlich 
mit  vielen  Schlössern  versperrt  waren,  weil  ihm  nichts  aus  der  älteren  kaj- 
kavischen  Literatur  zu  Gebote  stand.  Zu  den  aus  dem  heutigen  Sprach- 
material gebotenen  Verbalformen  (mit  Infinitiv,  Supinum  und  Participien  be- 
ginnend) könnte  man  noch  manches  hinzufügen,  namentlich  bei  der  Berück- 
sichtigung der  gedruckten  Werke  des  XVII.  und  XVIII.  Jahrh.,  doch  würde 
man  dadurch  aus  dem  Rahmen  des  Werkes  herausfallen.  Ich  beschränke 
mich  auf  einige  Bemerkungen.  Wenn  auf  S.  228  »oni  (oder  ovi)  .  .  bejzi  za 
njim«  als  3.  Person  plur.  aufgefasst  wird,  so  ist  das  bekanntlich  unrichtig,  die 
Anwendung  der  Imperativischen  Form  statt  des  Praesens  historicum  oder  des 
Aoristes  in  der  lebhaften  Beschreibung  ist  allgemein  bekannt.  Vergl.  Mikl. 
Synt.  794  ff.  Die  merkwürdige  PrUsensform  vidiste  (S.  227)  scheint  nach  der 
Analogie  von  vis-viste  sich  entwickelt  zu  haben,  allerdings  gilt  vis-viste  für 
den  Imperativ,  doch  ist  noch  fraglich,  ob  diese  zwei  Formen  aus  vid-vidte 
hervorgegangen  sind,  oder  aus  der  2.  Person  sing. Praes.  vis  (ausvidis).  Oblak 
ist  letzterer  Ansicht  gewesen,  weil  er  im  anderen  Falle  nach  der  Analogie 
von  jec  povec  (für  älteres  jed-poved)  auch  vic  erwartet  hätte.  Allein  es  fragt 
sich,  ob  vis-viste  nicht  das  letzte  und  neueste  Stadium  in  der  Reihe  der  For- 
men: vid-vic-vis  vorstellt.  Wörter,  die  sehr  häufig  gebraucht  werden,  haben 
auch  in  der  Phonetik  ihre  besonderen  Gesetze.  Sicher  würde  man  diese 
Reihenfolge  zugeben,  wenn  wir  die  Mittelform  vic  nachweisen  könnten.  So- 
lange das  nicht  der  Fall  ist,  muss  man  sagen,  dass  vis,  wenn  es  schon  auf  vid 
beruht,  unter  dem  Einfluss  des  Präsens  vidis  seinen  Auslaut  mit  s  statt  dj 
zuwege  brachte.    Der  Gebrauch  des  vis  ist  doch  in  der  Regel  imperativisch, 


586  Kritischer  Anzeiger. 

also  dem  vifl  entsprechend.  Die  vom  Verfasser  angeführten  Beispiele  aus 
Valjavec  fS.  233)  sprechen  alle  deutlich  für  den  Imperativ.  Für  vis  könnte 
man  überall  auch  gle  oder  gled,  glec,  glej  setzen  —  lauter  imperativische 
Formen,  die  sich  an  vid  anlehnen.  Auch  poglec  (Valjavec  268)  ist  nur  eine 
Analogiebildung  nach  vid,  die  der  Verfasser  nicht  übersehen  hat,  doch  das 
Beispiel  hodec  (ebendaselbst)  gehört  nicht  hierher,  das  ist  ja  das  gewöhnliche 
Participium. 

Unter  den  Adverbien  könnte  noch  manches  zur  Sprache  kommen,  z.  B. 
das  in  der  kajkav.  Literatursprache  sehr  übliche  lestor  oder  listor  (tantum, 
nur),  vendar,  leprav  (auch  lepra),  neben  vukraj  auch  vkraj,  sada,  vezda  und 
izda,  teda  (für  xtrÄa),  z.  B.  in  der  Phrase  »teda  negda«.  Was  soll  in  komaj 
(S.  248)  abgefallen  sein?  nazaj  ist  nicht  für  nazad,  sondern  für  nazad  (alt- 
kirchenslav.  3a»aB,  ex  samAa).  Unter  den  Präpositionen  wird  bei  ober  nicht 
erwähnt,  dass  sie  in  älteren  Texten  noch  oberh  geschrieben  wurde,  dadurch 
ist  diese  Präposition  vor  dem  Verdachte  der  Entlehnung  geschützt.  Unter 
die  Konjunktionen  ist  am  (S.  253)  gerathen,  und  doch  ist  das  nichts  weiter  als 
am,  em,  im,  vem,  vendar  (über  im  S.  25.5).  Zwei  sehr  populäre  Konjunktionen 
der  kajk. Literatursprache  finde  ich  nicht  erwähnt :  potlamkam  und  pokehdob. 

Man  wird  schon  aus  dieser  Auslese  von  dem  reichen  Inhalt  des  Buches 
eine  Vorstellung  bekommen.  V.  J. 


Nafeci  ceskomoravske.  Napsal  Ignac  Hosek.    Dil  druhy.    Podfeci 
Polnicke.    V  Praze  1905.     Gast  I:    Mluvnicky  nastin.     Gast  II: 

Ukazky. 

Prof.  Hosek  gab  vor  fünf  Jahren  den  ersten  Theil  seiner  monographi- 
schen Behandlung  einiger  cechisch-mährischen  Dialekte  heraus  (vergl.  die 
Anzeige  im  Archiv  XXIII,  S.  574 — 576).  Jetzt  folgt  als  zweiter  Theil  eine 
genau  und  gewissenhaft,  mit  allen  Vorzügen  des  ersten  Heftes  gemachte  Be- 
schreibung eines  nächst  benachbarten  Dialektes.  Der  erste  hiess  Polnaer 
Unterdialekt  (podreci  polenske],  der  zweite  führt  den  Namen  Polnickaer 
Unterdialekt  (podreci  polnicke,  nach  dem  Dorfnamen  Polnicka).  Um  Irrungen 
auszuweichen,  wäre  es  vielleicht  besser  gewesen,  den  zweiten  Unterdialekt 
nach  einem  anderen  Ortsnamen  zu  benennen.  Selbstverständlich  hat  dieser, 
jetzt  zur  Sprache  gebrachte  Unterdialekt  sehr  viel  gemeinsames  mit  jenem 
früher  behandelten.  So  ziemlich  alle  Eigentbümlichkeiten,  die  ich  im  Archiv 
a.a.O.  hervorgehoben  habe,  kehren  auch  hier  wieder.  Beim  Vokalismus  sind 
es  zwei  Haupterscheinungen,  die  auch  diesen  Unterdialekt  charakterisiren : 
der  nicht  durchgeführte  Umlaut  bei  *a  zu  V,  bei  *2«  zu  *i,  man  sagt  nemä  muza^ 
lidi  chodi  krizu;  ferner  die  verschiedenen  Quantitätsabweichungen,  im  Gegen- 
satz zur  Durchschnittssprache.  Diese  kommen  unter  jedem  einzelnen  Vokal 
besonders  zur  Sprache,  sie  haben  jedoch  manches  gemeinsame.  Wenn  z.  B. 
blato,  klada,  krava  statt  bläto,  kläda,  kräva,  oder  pero,  breza  statt  pero, 
briza,  oder  lipa,  sila,  zila  statt  lipa,  sila,  zila,  oder  mucha  statt  moucha  ge- 
sprochen wird,  so  ist  das  eine  einheitliche  Erscheinung,  zu  der  auch  endlich 


Hosek,  Böhm. -mähr.  Dialekte,  II.  Theil,  angez.  von  Jagic.  587 

und  letztlich  solche  Fälle  gehören,  wie  die  Kürze  der  Endung  -ote  im  Nom. 
plur.  (statt  -ort?),  die  Endung  -nm  im  Dativ  plur.  (statt  -um)  S.  50 — 51.5.5,  oder 
die  Kürze  des  Wurzelvokals  im  Infinitiv  vest,  nest,  pect,  mlet,  klet,  set,  bit 
statt  der  Länge  vesti,  nesti,  peci,  mliti,  kliti,  siti,  biti  (vergl.  S.  91.  9(i.  97). 
Alle  diese  Fälle  bilden  einen  Grundzug  des  Dialektes,  der  nicht  aus  einfacher 
Analogieübertragung  erklärt  werden  kann,  wie  z.  B.  krävou,  slävou  (.S.  8), 
kuzou  (S.20),  pfades,  trases  (S.  13),  wo  die  Analogiewirkung  der  vorbildlichen 
Formen  kräva,  släma,  küze,  pfadu,  tfasu  anzunehmen  ist.  Diese  Wirkung 
hat  manches  merkwürdige  zu  Wege  gebracht,  wie  z.  B.  den  Lokal  auf  -ovi: 
vo  hadovi,  na  konovi  (aus  dem  Dativ)  S.  49.  54,  den  Genitiv  plur.  prsouch  (do 
prsouch)  S.  56,  oder  die  zusammengesetzte  Deklination:  zeliho,  driviho  (zum 
Theil  selbst  im  Dativ  auf  -imu).  Die  Analyse  des  Dialektes  wird  in  concreto 
veranschaulicht  durch  ein  besonderes  lieft  der  Texte.  Prof.  Hosek  schickte 
mir  auch  seine  Entgegnung  auf  eine  Anzeige  des  ersten  Heftes  seiner 
Öechisch-mährischen  Dialekte,  die  von  E.  Smetanka  in  L.  fil.  B.  32,  S.  60 — 63 
erschienen  ist.  Diese  Entgegnung  druckte  er  in  Ceske  museum  filologicke 
X.  S.  433—454  ab.  Ich  gebe  ihm  in  vielen  Punkten  recht,  namentlich  stimme 
ich  der  Schlussbetrachtung  bei,  denn  —  judicia  sunt  libera,  wie  es  einmal 
der  Patriarch  unserer  Wissenschaft  Dobrovsky  seinem  Freund  Kopitar  gegen- 
über sagte.  In  derselben  Zeitschrift  (X.  S.  413 — 425)  versucht  Prof.  Hosek 
die  beiden  Benennungen  Hana  und  Morava  etymologisch  zu  deuten.  Für 
Hand  geht  sein  Vorschlag  dahin,  es  als  Adjektiv  statt  hajnä  (von  haj  =  gaj 
aufzufassen.  Betreffs  Morava  vertheidigt  er  (gegen  V.  Prasek,  Gas.  mat.mor. 
1904)  den  slavischen  Ursprung  der  Benennung,  Es  ist  richtig,  dass  bei  den 
Slaven  sehr  häufig  «morava«,  »moravica«,  oder  »moravice«,  »moravce«  u.s.w. 
begegnet,  und  da  im  Litauischen  mores  »jeden  grösseren  Binnensee««  be- 
deutet, so  fragt  es  sich,  ob  nicht  auch  den  slavischen  Benennungen  eine  ähn- 
liche Bedeutung  zuzuschreiben  ist,  d.  h.  eines  Flusses,  der  durch  häufige 
Ueberschwemmung  seeartige  Flächen  bildete.  V.  J. 


Ignatii  Georgii.   Vitae  et  carmina  nonnullorum  illustrium  civium 

Ragusinorum  (Adversaria),  herausgegeben  von  Prof.  Pavle  Popovic 

im  »36opHHK  sa  HCTopnjy,  jesiiK  h  KüiiaceBnocT  cpn.  napo^a«  II  o^eA. 

KH..  IL    In  Belgrad  1905  (?),  S.  1—80. 

Prof.  Pavle  Popovic  in  Belgrad  hat  im  J.  1903  in  der  periodischen  Schrift 
»roAHiuibima  HuKOJie  ^lyniiha«  eine  Studie  der  Quellenkunde  zur  ragusanischen 
Literaturgeschichte  gewidmet,  unter  dem  Titel:  ÄyöpoBaiKa  uHorpa*uja. 
I.  HraaT  ^op^uh  (SA.  S.  147—230),  wo  er  sich  hauptsächlich  mit  der  kriti- 
schen Würdigung  der  literaturgeschichtlichen  Leistungen  Ignazio  Gjorgjiö's 
beschäftigt.  Diese  bestanden  1)  in  einer  lateinisch  geschriebenen  Zusammen- 
stellung von  Biographien  der  ragusanischen  Schriftsteller  (in  Versen  und 
Prosa,  in  lateinischer,  italienischer  und  serbokroatischer  Sprache),  die  hand- 
schriftlich kursirte,  bis  sie  zuletzt  in  der  oben  citirten  Ausgabe  von  Herrn 


588  Kritischer  Anzeiger. 

P.  Popovic  herausgegeben  worden  ist,  2)  in  einer  kleinen  Lettera  di  D.  Ignazio 
Gjorgi  a  D.  Rado  (die  derselbe  Verfasser  in  einer  Belgrader  pädagogischen 
Zeitschrift  HacTaBHUK  1901,  I,  S.  28 — 33  herausgegeben  hat,  mir  unbekannt), 
3)  in  der  an  Marin  Zlataric  gerichteten  Widmung,  die  der  Ausgabe  des  Saltjer 
Slovinski  (Venetiis  1729)  vorausgeschickt  ist  [Marino  Slatarichio  nobili  ragu- 
sino),  sie  umfasst  11  Blatt  unpaginirt.  Diese  Epistel  datirt  aus  Padua  vom 
26.  März  1729.  Man  behauptet  endlich,  dass  auch  der  grössere  Theil  des  In- 
haltes des  bekannten  Appeudinischen  Buches  Notizie  istorico-critiche  auf 
demGjorgjic'schen  Material  beruhe,  doch  ist  diese  Frage  noch  nicht  endgültig 
gelöst.  Auch  Prof.  Popovic  übergeht  sie  mit  Stillschweigen'.  Jedenfalls  war 
Ignazio  Gjorgjic  (Ignatius  Georgius,  Ignazio  Gjorgi  —  die  letzte  Form  des 
Familiennamens  gebraucht  er  selbst  auf  dem  Titelblatt  der  von  ihm  besorgten 
Ausgabe  des  Psalters)  der  bedeutendste  Literarhistoriker  Ragusas  zu  Ende 
des  XVII.  und  Anfang  des  XVIII.  Jahrh,  und  eine  kritische  Analyse  seiner 
diesbezüglichen  Leistungen  muss  als  recht  zeitgemäss  bezeichnet  werden. 
Diese  Aufgabe  übernahm  Prof.  Pavle  Popovic  in  der  vorerwähnten  »Äyöpo- 
Ba^Ka  6iiorpa*HJa«,  wo  vor  allem  das  unter  Nr.  1  erwähnte  Werk  sowohl  sei- 
nem Umfang  wie  auch  seinem  Inhalte  nach  einer  sehr  eingehenden  Prüfung 
unterzogen  wurde.  Das  Schicksal  hat  es  nämlich  gewollt,  dass  dieses  Werk, 
von  sehr  vielen  benutzt,  bis  zur  jüngsten  Zeit  nur  handschriftlich  gebraucht 
werden  konnte.  Es  gab  in  der  That  mehrere  Handschriften  des  Werkes 
(einige  sind  sogar  in  neuerer  Zeit  verschollen),  die  aber  durchaus  nicht  überall 
übereinstimmen,  so  dass  kritische  Arbeit  eingreifen  muss,  um  ein  einiger- 
massen  befriedigendes  Resultat  zu  erzielen.  Man  kennt  selbst  den  Titel  des 
Werkes  nicht.  In  einer  Handschrift,  die  vielleicht  am  umfangreichsten  das 
Werk  erhalten  hat  (sie  soll  von  der  Hand  des  anderen  ragusanischen  Literatur- 
historikers des  XVIII.  Jahrb.,  Serafin  Cerva,  herrühren)  lautet  der  Titel  »Ex 
adversariis  Georgianis«  (diese  Handschrift  befindet  sich  in  der  Franziskaner- 
Bibliothek  zu  Ragusa  jetzt  unter  Nr.  300).  In  einer  anderen,  jetzt  im  Privat- 
besitz ebenfalls  in  Ragusa  befindlichen  Handschrift,  steht  der  am  häufigsten 
in  den  literaturgeschichtlichen  Werken  wiederkehrende  Titel :  Vitae  et  Car- 
miua  nonnuUorum  illustrium  civium  Rhacusinorum  (auctore  Ignatio  de  Geor- 
giis). Denselben  Titel  führte  auch  der  jetzt  verschollene  (?)  Jukic'sche  Text 
(einst  in  den  Händen  Kukuljevics  gewesen).  Ebenso  der  gleichfalls  ver- 
schollene ragusanische,  in  den  60er  und  70er  Jahren  in  der  Franziskaner 
Bibliothek  gewesene  Text,  den  Kaznacic  in  der  Beschreibung  der  Bibliothek 
unter  folgendem  Titel  anführt:  »Vitae  et  carmina  nonnuUorum  illustrium 
civium  Rhacusinorum,  raccolte  da  Ignazio  Giorgi  benedettino  l'anno  1793«. 
Ob  übrigens  dieser  Titel  richtig  angegeben  ist,  kann  fraglich  sein.  Denn 
meine  im  J.  1870  geschriebene  Vorrede  zum  IL  Bande  der  Stari  pisci  hrvatski 
zitirt  den  Titel  nur  als  Vitae  illustrium  Rhacuseorum  (S.  III.  VII)  oder  ge- 
nauer vielleicht:  Vitae  et  carmina  illustrium  Rhacuseorum  (Band  III,  S.  1). 
Die  Angabe  in  Stari  pisci  IL  50.51.57  stimmt  allerdings  nicht  dazu.  Vielleicht 
rührt  die  Nichtübereinstimmung  daher,  dass  ich  in  Agram  ;1S70 — 1871)  bald 
nach  der  Ragusauer,  bald  nach  der  Kukuljevic'schen  Handschrift  den  Titel 
zitirte.    Doch  wichtiger  ist  die  Frage  nach  dem  Umfang  des  Werkes.    Diese 


Ignatii  Georgii,  Vitae,  herausg.  von  P.  Popovic,  angoz.  von  Jagiö.    589 

war,  bevor  nicht  Prof.  Pavle  Popovic  in  die  Lage  kam,  verschiedene  Hand- 
schriften miteinander  zu  vergleichen,  gar  nicht  gestellt  worden.  Man  be- 
gnügte sich  mit  einem  beliebigen  Text  und  zitirte  aus  demselben,  was  man 
elien  brauchte.  Es  ist  ganz  das  Verdienst  des  Belgrader  Literaturhistorikers, 
diese  Frage  aufgeworfen  zu  haben.  Seine  Vergleiche,  zwischen  den  drei  von 
ihm  benutzten  Handschriften  angestellt,  die  er  mit  a  b  c  bezeichnet,  führten 
ihn  zu  der  Vermuthung,  dass  der  Text  sub  a)  wahrscheinlich  der  ursprüng- 
lichen Gestalt  am  nächsten  kommt,  während  b)  und  c)  eine  abweichende  Re- 
daktion vorstellen.  Das  ist  allerdings  nur  eine  Vermuthung,  für  die  keine 
zwingenden  Gründe  vorliegen.  Man  könnte  aber  nicht  sagen,  b)  und  c)  seien 
nur  ein  Auszug  aus  a).  Das  geht  schon  darum  nicht,  weil  in  a)  78  und  in  b) 
80  Biographien  enthalten  sind.  Auch  die  Reihenfolge  ist  nicht  dieselbe,  von 
dem  Inhalt  zunächst  ganz  abgesehen.  Man  wird  also  nothwendig  zu  dem 
Schluss  geführt,  dass  a)  und  b),  unabhängig  von  einander,  auf  einer  dritten 
Vorlage  beruhen,  aus  ihr  geschöpft  haben.  Leider  ist  diese  mit  unseren  gegen- 
wärtigen Hilfsmitteln  nicht  leicht  herzustellen.  Denn  wenn  wir  selbst  alles, 
was  in  b)  fehlt,  aus  a)  ergänzen  oder  umgekehrt,  geht  uns  doch  noch  jede 
Bürgschaft  dafür  ab,  dass  wir  durch  eine  solche  Ergänzung  den  ursprünglichen 
Text  in  seinem  vollen  Umfang  gewonnen  haben.  Wir  müssen  uns  vorläufig 
mit  der  Wiedergabe  alles  dessen,  was  in  beiden  Hauptquellen  enthalten  ist, 
begnügen.  Diesen  Weg  hat  auch  der  Herausgeber  in  der  oben  zitirten  Aus- 
gabe eingeschlagen,  leider  mit  einer  absichtlichen  Einschränkung,  die  man 
nicht  genug  bedauern  kann.  Er  glaubte  nämlich  alle  Biographien,  wo  von 
Männern  die  Rede  ist,  die  nicht  »serbisch«  geschrieben  haben,  auslassen  zu 
dürfen.  Das  ist  doch  eine  höchst  traurige  Verkennung  der  damaligen  kultu- 
rellen Verhältnisse.  Wann  wird  man  endlich  einmal  aufhören,  auf  so  unver- 
antwortlich engherzigem  Standpunkt  zu  stehen?  Wenn  es  sich  um  ein  kultur- 
historisches Bild  Ragusas  handelt,  und  das  bezweckte  ja  die  Leistung  Gjor- 
gjic's,  dürfen  die  Schriften  der  Ragusaner  in  lateinischer  und  italienischer 
Sprache,  ja  selbst  die  ihrer  fremdländischen  Gäste  keineswegs  übergangen 
werden.  Will  der  Verfasser  auf  seinem  »serbisch«  bestehen,  so  hat  er  eigent- 
lich Niemanden  zu  nennen.  Selbstverständlich  will  ich  damit  nicht  sagen, 
dass  die  heutigen  Serben  nicht  ebenso  das  Recht  haben,  sich  für  die  ragusa- 
nische  Literatur  und  Kultur  zu  begeistern  wie  die  Kroaten,  aber  dann  trenne 
und  reisse  man  nicht  auseinander,  was  die  Geschichte  zusammengeschweisst 
hat.  Ein  moderner  Literaturhistoriker  darf  sich  doch  nicht  von  seinem  Vor- 
gänger des  XVIL — XVIIL  Jahrh.  beschämen  lassen.  Der  Herausgeber  hätte 
wirklich  mit  seiner  Ausgabe  dieses  kleinen  lateinischen  Werkes  etwas  sehr 
verdienstliches,  etwas  mit  grosser  Sorgfalt  zustandegekommenes  geleistet, 
wenn  er  nicht  selbst  sich  um  einen  beträchtlichen  Theil  des  Erfolges  dadurch 
gebracht  hätte,  dass  seine  Ausgabe  jetzt  nicht  vollständig  genannt  werden 
kann!  Einen  Bogen  mehr  hätte,  glaub'  ich,  die  Belgrader  Akademie  willig 
vertragen ! 

Doch  gehen  wir  auf  den  Inhalt  näher  ein.  Wir  stellen  zunächst  die 
Biographien  nach  a),  b)  und  k)  in  der  Reihenfolge  der  Originaltexte  zusam- 
men. Unter  k)  verstehe  ich  jene  bei  Kukuljevic  gewesene  Handschrift  dieses 


590 


Kritischer  Anzeiger. 


Werkes,  die  ich  in  den  Jahren  1870- 
zeichniss  ich  besitze: 


-1871  benutzte  und  deren  Inhaltsver- 


I.  Inhalt  von  a) : 
Antonius    Castratius 

(IL  9) 
Antonius  Medus  (IL  7) 

Floria  de  Zuzeris 

(IL  27) 
Andreas  Francus  (IL  6) 

5  Andreas   Ciubranovich 

(IL  1) 
Bernardus  Georgius 

(IL  11) 
Bartholomaeus  Nalius 

(IL  12) 
Fr.  Bonifacius  Ste- 

phaui  (IL  18) 
Benedictus  Costrugli 

(IL  13) 
1 0  Christophorus  Liliatus 

(IL  19) 
Nicolaus  Bona 

Dominicus  Araneus 

(IL  21) 
Dominicus  Slatarichius 

(IL  22) 
Eusebius  Caboga 

(IL  24) 
15  Nicolaus  de  Primo 

(IL  59) 
Aelius  Lampridius 

Cervinus  (IL  23) 
Marinus  Bona 

Franciscus  Gozzeus 

(IL  25) 
Georgius  a  Ragusio 

(IL  28) 
20  Georgius  Benignus 

Salviatus  (IL  30) 
Fr.  Georgius  Natalius 

(IL  31) 


IL  Inhalt  von  b): 

Andreas  Cjubrano- 
vich  (I.  5) 

Fr.    Ambrosius    Ara- 
neus (III.  2) 

Fr.  Angelus  de  Marti- 
nis (III.  3) 

Fr.  Archangelus   Goz- 
zius  (III.  4) 
5  Fr.   Ambrosius    Goz- 
zius  (III.  5) 

Andreas  Francus  (1. 4) 

Antonius  Medus  (I.  2) 

Fr.  Augustinus  Nalius 

(III.  8) 
Antonius  Castratius 

(LI) 
10  Antonius  Crivonosius 

(I.  46) 
Bernardus  Georgius 

(L6) 
Bartholomaeus  Nalius 

(L7) 
Benedictus  Costrugli 

(L9) 
Fr.  Blasius  Constan- 

tiui  (III.  14) 
15  D.  Basilius  de  Gradiis 

(L  72) 
Fr.  Blasius  a  Rhacusio 

(IIL  16) 
Fr.  Benedictus  Babich 

(IIL  17) 
Fr.  Bonifacius  Ste- 

phani  (I.  8) 
Christophorus  Lilia- 
tus (L  10) 
20  Fr.  Clemens  Araneus 

(IIL  22) 
Dominicus  Ragnina 

(L  12) 


IIL  Inhalt  von  k): 

Andreas  Ciubranovich 
(II-  1) 

Fr.    Ambrosius    Ara- 
neus (IL  2) 

Fr.  Angelus  de  Marti- 
nis (IL  3) 

Fr,  Arcangelus  Goz- 
zeus (IL  4) 
5  Fr.  Ambrosius    Goz- 
zeus (IL  5) 

Andreas  Francus  (IL  6) 

Antonius  Medus  (IL  7) 

Fr.  Augustinus   Nale 
(IL  8) 

Antonius  Castratius 
(IL  9) 
10  Antonius  Crivonosius 
(IL  10) 

Bernardus  Georgius 
(IL  11) 

Bartholomaeus  Nale 
(IL  12] 

Benedictus  Cotrugli 
(sie)  (IL  13) 

Fr.  Blasius  Constan- 
tini  (IL  14) 
i  5  D.  Basilius  de  Gradis 
(IL  15) 

Fr.  Blasius  a  Ragusio 
(IL  16) 

Fr.  Benedictus  Babich 
(IL  17) 

Fr.  Bonifacius  Ste- 
phan! (IL  18) 

D.  Chrysostomus  Rag- 
nina (IL  86) 
20  Fr.  Donatus  de  Geor- 
giis (IL  76) 

Christophorus  Liliati 
(IL  19) 


Ignatii  Georgii,  Vitae,  herausg.  von  P.  Popoviö,  angez.  von  Jagiö.    591 


Georgius  Darsius 

(II.  29) 
Marinus    ChristicJde- 

vius 
Joannes  Gundula 

(II.  33) 

2  ä  JacobuB  Lucarus 

Joannes  Palmotta 

(II.  34) 
Jacobus  Bona  (IL  36) 

Joannes  Stoicus 

(II.  37) 
Marinus  Darsius 

(11.43) 

3  0  Nicolaus  Brautius 

Ludovicus    Cervarius 

Tubero  (II.  42) 
Matthaeus  Bona 
Franciscus  Lucarus 

Burina  (II.  41) 
Sahinus  Bohalius 

(IL  65) 
35  Michael  Menzius  Ma- 

tuffius  (IL  44) 
3farius  Maxibradich 

(IL  46) 
Michael  Monaldus 

(IL  47) 
Julia  Bona 

Marinus  Ghetaldus 
(IL  54) 

40  Nicolaus  Nali  (IL  56) 

Nicolaus  Gotius 

(IL  57) 
Nicolaus  Sacri 

(III.  63) 
Horatius  Maxihradi 

(III.  36) 
Marius  Lucari 

(III.  60) 


Dominicus  Slatari- 
chius  (1. 13) 

Elius  Lampridius  Cer- 
varius (1. 16) 

Eusebius  Caboga 
(L14) 

2  5  Fr.FranciscusGozzius 

Paprizza  (I.  18) 
Fr.  Franciscus  Puteus 

(III.  28) 
Floria  de  Zuzzeris 

(L3) 
Georgius  a  Rhacusio 

(L^19) 
Georgius  Darsius 

(I.  22) 

30  Fr.  Georgius  Benignus 

Salviatus  (I.  20) 
Fr.  Georgius  Natalis 

(L21) 
Joannes  Bona  (I.  49) 
Joannes  Gundula 

(L  24) 
Joannes  Palmotta 

(L  26) 

3  5  Joannes  Gozzius  (L  51) 

Jacobus  Bona  (I.  27) 

Fr.  Joannes  Stoicus 

(L  28) 
Joannes  a  Rhacusio 

(III.  42) 
D.  Jo.  Baptista  de 

Georgiis  (I.  73) 

4  0  Fr.  Leonardus  a  Rha- 

cusio (III.  47j 
Franciscus  Luccarus 

Burina  (I.  53) 
Ludovicus  Cervarius 

Tubero  (I.  31) 
Marinus  Darxius  (1. 29) 

Michael  Matufius  (1. 35} 


Clemens  Araneus 

(IL  2U) 
Dominicus  Ragnina 

(IL  21) 
Dominicus  Slatari- 

chius  (IL  22) 
25  Aelius  Lampridius 

Cervarius  (IL  23) 
Eusebius  Caboga 

(IL  24) 
Fr.  Franciscus  Gozze 

(IL  25) 
Fr.  Franciscus  Pozza 

(IL  26) 
Floria  de  Zuzzeris 

(IL  27) 
30  Franciscus  Luccari 

Burinna  (IL  41) 
Georgius  Rhacuseus 

(U.  28) 
Georgius  Darsa  (11.29) 
Fr.  Georgius  Benignus 

Salviatus  (IL  30) 
Fr.  Gregorius  Natalis 

(IL  31) 

3  5  Fr.  Gabriel  Tampari- 

cius  (IL  78) 

Horatius  Mafcibradi 
(IL  60) 

Joannes  Francisci 
Gondola  (IL  33) 

Joannes   Bona    Sera- 
phinifilius (IL  32) 

Joannes  Palmotta 

vnlgo  Dionorich  (11.34) 

4  0  Jacobus  Bona  (IL  36) 

Fr.  Joannes  Stoicus 

(IL  37) 
Joannes  a  Ragusio 

(IL  38) 
D.  Joannes  Baptista 

de  Georgiis  (11.39) 
Fr.  Joannes  Vetus 
vulgo  Vecchio  (II.  77) 


592 


Kritischer  Anzeiger. 


4  5  Sabinus  Gotius  (II.  64) 

Antonius  Crivonosius 

(II.  10) 
Fr.  Petrus  Gotius 

(II.  62) 
Pasqualis  Primus 

(11.61) 
Joannes  Bona  (IL  32) 

50  Fr.  Eufino  Scacciota 
(IL  63) 
Joannes  Gotius  (IL  35) 

Sigismundus  ifeiitius 

(IL  66) 
Simeon  Slatarichius 

(IL  70) 
Stephanus  Benessa 

(IL  67) 

5  5  Stephanus  Gradius 

(IL  69) 
Vincentius  Puteus 

(IL  75) 
Victor  Bessalius  (IL  74) 

Vincentius  Slavata- 

tius  (IL  73) 
Wladislaus  Menzius 
(IL  72) 
60  Valentimis  Valentinius 

Simon  Benessa 

Marinus  Caboga  (IL  50) 

Marinus  Claudius 

(IL  48) 
Marinus  de  Zizeris 

65  Michael  Bonus  (IL  45) 

Michael  Bonus  alter 

Maurus   Vetranus 
(IL  52) 


45  Michael  Babulinov 

Bona  (I.  65) 
Marinus  Maxibradich 

Scjuliaga  (I.  36) 
Michael  Monaldus 

(I.  37) 
Marinus  Claudius 

(L  63) 
Mauritius   de   Buchia 

(I.  78) 
50  Marinus  Caboga  (1. 62) 

Maurus  Orbinus  (L  68) 

Maurus  Vetranus 

(I.  67) 
D.  Macharius  de  Bo- 

baliis  (I.  71) 
Marinus  Ghetaldus 

(L  39) 
55  Marinus   de  Luccaris 

(L44) 
Nicolaus  Nalius  (I.  40) 

Nicolaus  Vitus  Gozze 

(L41) 
Fr.  Nicolaus  Gauden- 

tius  (IIL  65) 
Nicolaus  de  Primo 

(L  15) 
eoHoratius  Maxibradius 

(L  43) 
Pasqualis  Primus 

(L48) 
Petrus  Gozzius  (1. 47) 

Fr.  Rufinus  Scacciotta 

(I.  50) 
Sabinus  Bendevische- 

vich  de  Gozze  (1.45) 
65  Sabinus  Bobalius 

(I.  34) 
Sigismundus  Mensius 

(L  52) 
Stephanus  Benessa 

(I.  54) 


45  Joannes  Gozzeus 

(IL  35) 
Ludovicus   Cervarius 

Tubero  (IL  42) 
Fr.  Leonardus  a  Ra- 

gusio  (IL  40) 
Marinus  Darsa  (IL  4ci) 

Michael  Matufius 

(IL  44) 
50  Michael  de  Bona  Ba- 

bulina  (IL  45: 
Marius  Mascibradi 

(IL  46) 
Michael  Monaldi 

(IL  47) 
Marinus  Ghetaldus 

(IL  54) 
Marius  Caboga  (IL  50) 

55  Marinus  Claudius 

(IL  48) 
Mauritius  de  Bucchia 

(IL  49) 
Maurus  Vetrani 

(IL  52) 
D.  Maurus  Orbini 

(IL  51) 
D.Macarius  de  Bobali 

(IL  53) 
60  Marinus  de  Luccaris 

(IL  55) 
Nicolaus  Nale  Ste- 

phani  Filius  (IL  56) 
Nicolaus  Viti  de  Gozze 

(IL  57) 
Nicolaus  Sacri  (1. 42) 

Nicolaus  de  Primis 

(U.  59) 
65  Fr.  Nicolaus  Gauden- 

tius  (IL  58) 
Pasqualis  Primo  (11.61) 

Petrus  Gozzeus  (11.62) 


Ignatii  Georgii,  Vitae,  herausg.  von  P.  Popovic,  angez.  von  Jagiö.     593 


Maurus  Orhinus 
{11.51) 

Bernardinus  Nalius 

7  0  Joannes  Gotius 

Macarius  Bobalius 

(II.  53) 
Basilius  Gradius 

(II.  15) 
Joannes  Baptista   de 

Georgiis  (II.  39) 
Benedictus  Mentins 

7  h  Fr.  Gabriel  Temparic- 
cius  (II.  78) 
Tranquillus  Parthinus 

Marinus  de  Civis 

Mauritius  de  Bucchia 
(II.  49) 


Fr.  Simeon  Ohmuchie- 

vich  (III.  76) 
Stephanus  Gradius 

(I.  55) 
70  Simeon  Slatarichius 

(I.  53) 
Fr.Tiraotheus  Pasqua- 

lis  (111.78) 
Vladislaus  Mensius 

(I.  59) 
Vincentius  Slavatius 

(I.  58) 
Victor  Bessalius 

(I.  57) 
7  5  Vincentius  Pozza 

(I.  56) 
Fr.  Donatus  de  Geor- 
giis (III.  20) 
Fr.  Joannes  Vetus 

(III.  44) 
Fr.  Gabriel  Tempa- 

riccius  (I.  75) 
Ehacusius    de   Eagu- 

seis  (111.70) 
so  D.  Chrysostomus  Ea- 

gnina  (III.  19) 


Fr.  Paulus  de  Zizzeris 

Eufinus  Scacciotta 
(II.  63) 
70  Ragusius  de  Raguseis 
(IL  79) 
Savinus  de  Gozze 

(II.  64) 
Savinus  de  Bobali 

(II.  65) 
Sigismundus  Menzius 

(II.  66) 
Simeon  Slatarich 
(II.  70) 
7  5  Stephanus  Benessa 
(11.67) 
Fr.  Simeon  Ohmuchie- 

vich  (II.  68) 
Stephanus  Gradius 

(II.  69) 
Fr.  Timothous  Pas- 

qualis  (IL  71) 
Vincentius  Pozza  Ju- 
nii  Filius  (IL  75) 
80  Vladislavus  Menze 
(IL  72) 
Victor  Bessalius 

(U.  74) 
Vincentius  Slavaz- 
zach  (IL  73). 

Die  Vergleichung  dieser  drei  Kolumnen  ist  lehrreich.  Man  sieht  zu- 
nächst den  engsten  Zusammenhang  zwischen  b;  und  k).  Nur  Nr.  63  der  Ko- 
lumne k)  begegnet  in  b)  nicht,  wohl  aber  in  a)  unter  Nr.  42.  Vielleicht  ist  auch 
Nr.  68  der  Kolumne  k)  identisch  mit  Nr.  64  der  Kolumne  a).  Der  Unterschied 
ist  nur  in  dem  Vornamen.  Ferner  merkt  man,  dass  das  Bestreben,  nach  der 
alphabetischen  Reihenfolge  das  Material  zusammenzustellen,  selbst  in  a)  un- 
verkennbar ist,  wenn  auch  daselbst  die  grössten  Störungen  vorkommen.  Hat 
sie  Cerva  in  a)  verursacht?  oder  ist  die  ursprüngliche  Eedaktion  des  Werkes 
noch  nicht  alphabetisch  geordnet  gewesen?  Das  vermag  ich  nicht  zu  ent- 
scheiden. Der  sogenannte  Catalogus  Georgianus,  von  welchem  Prof.  P.  Po- 
povic in  der  /lyöp.  önorp.  S.  166 — 170  spricht,  scheint  nicht  die  alphabetische 
Reihenfolge  zu  beobachten.  Leider  hat  der  Verfasser  unterlassen,  ihn  voll- 
ständig abzudrucken.  Seine  Beweisführung,  dass  man,  um  den  vollen  Umfang 
des  Werkes  Gjorgjic's  zu  gewinnen,  alle  Namen  aus  der  Kolumne  a)  mit  jenen 
aus  der  Kolumne  b),  die  hier  als  Plus  enthalten  sind,  zusammenzählen  und 
noch  dazu  aus  dem  Catalogus  alle,  die  in  a)  -\-  bj  fehlen,  hinzunehmen  soll  — 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXVII.  38 


594  Kritischer  Anzeiger. 

erweckt  wenig  Vertrauen,  da  wir  ja  gar  nicht  sicher  sind,  ob  Gjorgjic  seine 
biographischen  Studien  auf  einmal  abgeschlossen,  ob  er  sie  in  endgültige  Form 
gebracht  hat.  Die  Ausgabe  Popovid's  gibt,  wie  gesagt,  aus  a)  und  b)  einen 
Auszug,  d.  h.  nur  43  (oder  42)  Biographien,  diejenigen,  die  oben  in  dem  Ver- 
zeichniss  a)  und  b)  durch  den  Kursivdruck  hervorgehoben  sind.  Nach  seinem 
Prinzip  könnte  man  allerdings  fragen,  ob  die  Biographien  Nr.  3  (Angelus  de 
Martinis),  Nr.  7  (Bartholomaeus  Nale),  Nr.  9  (Bernardus  Georgius),  Nr.  23  (Julia 
Bona),  Nr.  28  (Maurus  Orbinus,  den  der  Biograph  nur  als  Historiker  kennt), 
Nr.41  (Victor  Bessalius)  wirklich  in  seine  Ausgabe  gehören,  ob  er  nach  seiner 
Auffassung  berechtigt  war,  sie  abzudrucken?  während  wir  so  bedeutende 
Männer,  wie  Stephanus  Gradius  u.  a.  ungern  vermissen. 

Was  die  Ausgabe  selbst  anbelangt,  so  kann  man  ihr  grosse,  auf  die  Re- 
daktion des  lateinischen  Textes  verwendete  Sorgfalt  nicht  absprechen.  Der 
lateinische  Text  ist  meistens  korrekt  abgedruckt,  selbst  mit  Varianten  aus 
b)  c)  versehen.  Hie  und  da  wäre  die  in  b)  enthaltene  richtige  Lesart  schon 
wegen  des  Sinnes  jener  von  a)  vorzuziehen  und  in  den  Text  aufzunehmen 
gewesen,  z.  B.  S.  34  (unter  Bernardus  Georgius)  ist  allein  die  Lesart  »ob  am- 
plissimam  bonae  frugis  spem«  richtig,  und  penicaci  ist  natürlich  nur  falsch 
gelesenes  pervicaci.  Ebenda  in  der  Zeile  4  ist  potissimi  in  politissimi  zu  be- 
richtigen. S.  35  (unter  Dominicus  Araneus)  ist  Nicolaus  Viti  (nicht  Vitus) 
Gozzius  zu  lesen.  Auf  S.  42  in  der  Anm.  51  soll  in  dem  ersten  Hexameter 
exemplar  (nicht  exempla)  gelesen  werden.  S.  47  Z.  2  ist  zwar  praesignis  richtig, 
doch  auch  praeinsignis.  S.  48  Z.  1  sind  nur  die  Formen  illyricus,  itali.cum 
möglich.  S.  59  Z.  1  ist  die  Interpunktion  falsch  gestellt,  man  muss  lesen:  quod 
typis  excusum  cum  reperiatur  etc.  Ibid.  unter  Marinus  Darsius  ist  statt  iu 
Italiam  richtig  in  Italia  zu  lesen,  ebenso  nicht  illum,  sondern  illud  comicum 
poema.  S.  70  unter  Sabinus  Bobalius  soll  esjunctus  amicitia  heissen  (nicht 
amicitiae).  S.  74  Z.  1  soll  der  Text  lauten  ut  e  nobilium  catalogo  patet  (e  ist 
ausgefallen).  S.  77  unter  Vincentius  Puteus  muss  appetent  mortem  in  das  rich- 
tige oppetent  mortem  verbessert  werden.  S.  79  v.  46  ist  meas  in  meam  zu  be- 
richtigen (culpam  meam),  v.47  aestus  (nicht  oestus).  In  der  Transskription  des 
serbokroatischen  Textes  kann  ich  den  Ersatz  des  ij  durch  c  in  solchen  Bei- 
spielen, wie  S.  33  Z.  1  bice  (statt  bitje),  ebenso  S.  49  in  dem  Epitaphium  Ra- 
njina's,  wo  die  akad.  Ausgabe  richtig  schreibt  bitje-cvitje,  S.  51  v.  14  hoce 
(statt  hotje,  es  ist  ja  Aorist),  S.  67  v.  15.17  cviece,  cvieda  (statt  cvietje,  cvietja) 
nicht  billigen,  weil  man  damals  noch  tj  von  c  in  Beispielen  für  Ti  und  thk 
auseinandergehalten  hat.  Ebenso  hätte  S.  55  v.  188  rodjak  bleiben  sollen 
(noch  nicht  rodak).  Auch  im  Infinitiv  sollte  t  noch  bleiben,  also  S.  54  v.  155 
prizivjet  du,  v.  161  riet  cu  zu  schreiben  (nicht  prizivjedu,  riecu).  Ich  will  noch 
einige  andere  Berichtigungen  des  Textes  geben,  die  sich  aus  dem  Sinn  er- 
geben: S.  29  V.  8  ko  je  boles  ma  zestoka  (nicht  ka),  v.  22  tko  ju  slusa  (nicht 
ko,  so  auch  S.  67  v.  9  tko  statt  ko),  v.  30  na  sluzbi  (nicht  na  sluzbu),  v.  36 
wahrscheinlich  jesenskoga,  S.  30  v.  69:  koje  sluzbe  nicht  tkoje,  so  auch  S.  65 
V.  7  ku  nicht  tku,  v.  7  koga  nicht  tkoga  (die  alten  Schreiber  machten  öfters 
den  Fehler,  dass  sie  nach  dem  Nominativ  /ko  auch  in  den  Casus  obliqui  t 
schrieben).  S.  38  v.  1  ist  za  vor  ures  überflüssig,  und  v.  2  ist  gnezdo  vielleicht 


Ignatii  Georgii,  Vitae,  herausg.  von  P.  Popovic,  angez.  von  Jagic.    595 

in  gizde  zu  ändern,  so  würde  das  ganze  lauten:  vidu  sad  ures  tvoj,  o  mila 
Jubavi,  da  u  Rusi  u  ovoj  tve  gizde  postavi . .  S.  43  v.  16  ist  speie  (statt  spiele) 
zu  lesen,  so  steht  auch  in  der  akad.  Ausgabe;  ebenso  v.  18  ufav  (nicht  ufam). 
S.  49  V.  11  soll  oholo  (statt  okolo)  stehen  (erst  im  nächsten  Vers  ist  okolo 
richtig).  S.  52  v.  39  ist  neredno  ausserhalb  der  Klammern  zu  setzen,  nur  ja  ti 
pravim  gilt  als  Einschaltung;  v.  48  ist  na  ausgefallen:  na  ovem  svieti.  S.  53 
V.  120  ist  wohl  pases  (statt  pases)  zu  lesen.  S.  54  v.  126  wahrscheinlich  8  aus- 
gefallen: pored  s  raudriem,  v.  139  möchte  ich  a  spjevaiie  za  me  veöe  lesen, 
v.  149  ist  natürlich  in  ocinstvo  zu  berichtigen,  v.  157  muss  man  u  toliko  ako 
c'  znati  lesen  und  v.  159  nicht  ondi,  sondern  ovdi  oder  odi,  v.  163  ob  dan  (nicht 
ov  dan).  S.  55  v.  187  wahrscheinlich  ko  da  mi  je  otac  isti  (nicht  nu).  S.  58  in 
der  Anmerkung  16  muss  dnem  in  drum,  und  slavi  in  plavi  berichtigt  werden 
(plavi  ist  Anspielung  an  Gondola).  S.  65  v.  6  pripieva  (nicht  prispieva).  S.  66 
im  vierten  Verse  auf  Floria  Zuzzeri  soll  statt  iznaö  ces  stehen:  i  znat  des; 
S.  67  V.  17  oto  se  (nicht  si),  natürlich  auch  v.  20  zivot  (nicht  civot).  S.  71  in 
den  Versen  Zlataric's  ist  v.  3  osad  (statt  ostav')  zu  lesen  und  in  v.  7 — 8  kann 
das  Fehlende  nach  der  akad.  Ausgabe  (St.  pisci  hrv.  XXI  S.  157)  ergänzt 
werden.  S.  73  v.  3  uajlise  (nicht  najijepse),  in  der  akad.  Ausgabe  steht  das 
richtige,  v.  10  ter  rekoh  (nicht  das  unsinnige  utekoh,  die  akad.  Ausgabe  hat 
das  richtige),  v.  12  ist  auszufüllen  po  sridi,  v.  17  nicht  radosti,  sondern  za- 
dosti  (auch  hier  hat  die  akad.  Auagabe  das  richtige),  v.  18  mojojzi  (nicht 
mojome). 

Eine  gewisse  Unsicherheit  in  der  Stellung  des  Herausgebers  gegenübei 
dem  ihm  vorgelegenen  Werke  merkt  man  unter  Nr.  XXXIV  in  der  Biographie 
des  Sabinus  Bobalius  Surdus.  Unzweifelhaft  hat  hier  in  der  Handschrift  a), 
welche  der  Ausgabe  Popovic's  zu  Grunde  liegt,  eine  Verwirrung  stattgefun- 
den, der  richtige  Anfang  der  Biographie  beginnt  auf  S.  71  mit  den  Worten: 
Sabinus  Bobalius  Surdus  vulgo  Miscetich  italice  scripsit  etc.  und  erst  nach 
Abschluss  des  italienischen  Sonetts  von  Monaldo  auf  S.  72  folgen  die  Worte, 
die  der  Herausgeber  auf  S.  70  an  die  Spitze  der  Biographie  stellt,  d.  h.  Anno 
1589  quo  Bobalii  carmina  Italica  edita  sunt,  iam  obierat  ipse  etc.  Es  ist  nicht 
einzusehen,  warum  der  Herausgeber  nicht  den  Weisungen  seiner  Handschrift 
folgen  wollte,  um  die  weiteren  Theile  des  italienischen  Sonetts  herauszu- 
schreiben und  abzudrucken,  und  ebenso  das  Sonett  auf  den  Tod  des  Amalteo 
zu  Ende  zu  führen. 

Zur  Biographie  XVI  (Georgius  Darsius)  kann  ich  mittheilen,  dasB  sie  in 
dem  von  mir  im  J.  1870  benutzten  Text  nur  theilweise  mit  b)  übereinstimmt, 
es  ist  neben  dem  ersten  Gedicht  auch  als  aliud  das  zweite  in  b)  befindliche 
darin  enthalten,  das  Zitat  »Dominus  Ragnina  laudat  Georgium  Ode  168  sie« 
(folgen  8  Verse,  in  der  akad.  Ausgabe  Nr.  168  v.  9 — 18)  steht  früher,  als  das 
jetzt  folgende  Idem  Ragnina  Georgio  epitaphium  posuit  Ode  169  (folgen  alle 
14  Verse).  Die  Biographie  schliesst  mit  den  Worten  (bei  Popovic  S.  50)  »qui 
ecclesiasticus  fuit«.  Das  weitere  fehlt.  Auch  das  von  Popovic  (S.  49 — 50)  in 
der  Anmerkung  zitirte  Gedicht  Mencetic's  fehlt  in  jener  Handschrift.  Das  ist 
auch  ganz  richtig,  da  unter  Drziö  nicht  das  Gedicht  Mencetic's  hineingehört. 
Dieses  Gedicht  steht  in  der  akad.  Ausgabe  unter  Mencetic  I.  45. 

38* 


596  Kritischer  Anzeiger. 

Zur  XXXVI.  Biographie  Sigismundus  Mentius  kann  ich  aus  der  Ku- 
kuljeviö'schen  Handschrift  folgende  damals  abgeschriebene  Nachträge  liefern. 
Nach  den  Worten  (S.  74):  Sigismundo  veoma  sliedio  je  i  Ijubio  pisma  Plato- 
nova  folgt  dort:  Supplementum.  Marinas  Darsa  ita  de  Sigismundo  Meuzio 
in  Prologo  Thyrrenae  pag.  7  (jetzt  folgen  die  Verse  139—150  aus  Tirena, 
vergl.  die  akad.  Ausgabe  S.  68 — 69).  Dann  setzt  er  fort:  Dominicus  Ragnina 
sex  elegantissima  Epitaphia  Sigismundo  scripsit.  Und  nun  sind  alle  sechs 
voll  ausgeschrieben  (in  der  akad.  Ausgabe  Nr.  162—167,  S.  91 — 93).  Darauf 
folgt  jene  bei  Popovic  auf  S.  74  aus  meiner  Ausgabe  abgedruckte  Notiz,  an 
welche  sich  noch  diese  Worte  anschliessen:  »Extat  unicum  volumen  ut  asse- 
ritur,  praedicti  Menzii  et  Georgii  Darsii  Poematum  coniunctim,  et  promiscue, 
MSS  apud  haeredes  fiduciarios  Abbatis  Joannis  Mariae  Mattei,  olim  Soc. 
Jesu;  quae  si  indulserint  operae  pretium  erit  aliquando  e  carie  vindicare 
et  in  publicam  lucem  proferre.  Ego  adhuc  quattuor  solumodo  epigrammata 
auctoris  legi  inter  alia  variorum,  quae  ut  lectori  probetur  eiusdem  ingenium 
hie  exscribam«.  Jetzt  folgen  diese  vier  Stücke  in  vollem  Umfange,  sie  sind 
in  der  akad.  Ausgabe  unter  IL  4  (S.  57),  I.  103  (S.  50),  I.  106  (S.  51),  III.  10 
(S.  129).  Bei  diesem  letzten  Stück  hatte  ich  übersehen,  das  Zitat  aus  dem 
handschriftlichen  Werke  Gjorgjic's  anzuheben. 

Das  ist  alles,  was  ich  zur  Ausgabe  Popoviö's  bemerken  konnte.  Meine 
übrigen  Studien  gestatten  mir  nicht  mehr,  die  Lieblingsbeschäftigung  der 
jungen  Jahre  zu  verfolgen.  Möge  der  Herausgeber  diesen  Excurs  in  meine 
Jugenderinneruugen  als  ein  Zeichen  des  grossen  Interesses  aufnehmen,  das 
ich  seinen  literaturgeschichtlichen  Forschungen  entgegenbringe,  und  vielleicht 
auch  einige  hier  ausgesprochene  Wünsche  bei  einer  anderen  Gelegenheit  nach 
Möglichkeit  berücksichtigen.  V.  J. 


V 

Tri  doslije  nepoznate  pjesme  dum  Mavra  Vetranica  Cavcica.  Prilog 

dubrovackoj  knizevnosti  XVI  vijeka.    Za  stampu  priredio  Petar 

M.  Kolendic.   Cijena  60  para.   U  Dubrovniku.   Srpska  dubrovacka 

stamparija.  1905.  S^,  S.  37. 

Dieser  kleine  Beitrag  zur  Geschichte  der  serbokroatischen  Literatur 
Ragusas  ist  zuerst  in  den  ersten  drei  Heften  der  ragusanischen  belletristi- 
schen Zeitschrift  Sri  (Nr.  1 — 6)  des  laufenden  Jahres  erschienen.  Der  Ver- 
fasser, ein  Hörer  der  slav.  Philologie  an  der  Wiener  Universität,  hat  immer 
ein  lebendiges  Interesse  für  die  Literatur  seiner  Geburtsstadt  gezeigt,  und 
sich  auf  den  richtigen  Standpunkt  gestellt,  nämlich,  das  in  Ragusa  unbekannt 
vorhandene  und  in  verschiedenen  Besitzen  sich  befindende  Material  zu  sam- 
meln und  zu  veröffentlichen.  So  auch  diesmal  bilden  den  Haupttheil  seines 
Büchleins  drei  bis  jetzt  unbekannte  Gedichte  des  M.  Vetranic  Cavciö.  Vor 
diesen  aber  hat  er  eine  ziemlich  ausführliche  Einleitung  (S.  3 — 19)  hinzuge- 
fügt, wo  er  zuerst  die  ihm  zur  Hand  gekommene  Handschrift  bespricht  und 
dieselbe,  mit  Hilfe  hauptsächlich  von  orthographischen  Merkmalen,  um  das 


Drei  Gedichte  Vetranic's,  herausg.  von  Kolendic,  angez.  von  Nagy.  597 

Ende  des  XVI.  oder  am  Anfang  des  XVII.  Jahrhunderts  entstanden  sein  lässt. 
Die  ganze  Handschrift  aber  bildet  nicht  die  Grundlage  seines  Beitrages, 
sondern  nur  die  zweite  Hälfte,  aus  welcher  zuerst  zahlreiche  Abweichungen 
in  der  üeberlieferung  zu  den  Gedichten  Vetranic's  Orlaca  Blatu  (Stari  pisci 
III,  212—220)  und  Orlaca  Perastn  (Ib.  220—225)  uaitgetheilt  (S.  7—10)  und 
hier  und  da  jene  Stellen,  wo  der  Text  in  der  akad.  Ausgabe  nicht  dem  Reim 
entspricht,  hervorgehoben  werden.  Ich  möchte  der  Sache  noch  mehr  Gewicht 
beilegen,  da  uns  an  manchen  Stellen  der  Text  in  der  akad.  Ausgabe  unklar 
ist,  weswegen  sich  auch  der  gewissenhafte  Herausgeber  dieses  Theiles  der 
geistlichen  Produkte  Vetranic's  zu  der  Bemerkung  gezwungen  fühlte,  sein 
Text  des  Gedichtes  Orlaca  Blatu  »sei  oft  sehr  unverlässlich«  {Stari  pisci  III, 
212  Anmerkung).  Diese  schlechte  Ueberlieferung  hat  es  auch  verschuldet, 
dass  man  im  akad.  Wörterbuch  z.  B.  das  vermeintliche  Wort  cever  (st.  sevar) 
mit  dem  türk.  cewre,  und  breda  (st.  bljeda)  mit  dem  ital.  hertesca,  franz.  hreteche 
in  Zusammenhang  bringen  wollte  und  für  die,  im  Küstenlande  übliche  Benen- 
nung 2?oc?mo  erklärte,  sie  komme  vor  dem  Anfang  des  XVIII.  Jahrh.  nicht  vor. 

Was  die  Gedichte  Orlaca  Ridanka  Kotoru  govori,  Na  priminutje  Marina 
Drzica  und  Nadgrohnica  gornega,  rvcenoga  Marina  anbelangt,  so  schreibt  der 
Verfasser  das  erste  Gedicht  dem  Vetraniö  deswegen  zu,  weil  es  ganz  nach 
dem  Ton  seiner  übrigen  Gedichte  klingt,  dann  das  zweite  auch,  weil  er  in 
demselben  alle  Merkmale  der  Vetranic'schen  Metrik,  welche  Dr.  Medini 
(»Prvi  dubrovacki  pjesnici  i  zbornik  Nikole  Ranjine«  im  »Rad  jugosl.  akad.« 
Bd.  153,  S.  10.3 — 107)  koustatirt  hat,  findet,  und  noch  Stellen,  die  den  anderen 
bei  Vetranic  ähnlich  sind,  herausnimmt.  Ist  die  Meinung  dadurch  bestätigt, 
so  gilt  sie  für  das  dritte  Gedicht  schon  seinem  Titel  nach. 

Am  meisten  charakteristisch  ist  das  zweite  Gedicht.  Für  die  Verse 
171 — 178  und  187 — 198,  wo  manche  musikalische  Instrumente  aufgezählt 
werden,  meint  der  Verfasser,  man  kenne  darin  entweder  eine  Bestätigung  für 
die  übliche  Tradition,  dass  sich  Vetranic  mit  Musik  beschäftigte,  oder  eine 
Anlehnung  an  die  Vorführung  der  Dramen  Drzic's,  wobei  die  Musik  eine  be- 
deutende Rolle  spielte,  finden.  Ich  möchte  nur  die  zweite  Möglichkeit  zu- 
geben, da  es  nicht  wahrscheinlich  ist,  dass  Vetranid  in  demselben  Gedichte 
seinem  Schmerz,  wegen  des  Verlustes  des  Freundes,  Ausdruck  gibt  und  von 
eigenem  Interesse  für  die  Musik  spricht.  Die  zweite  Möglichkeit  bestätigt 
auch  der  Inhalt  des  ganzen  Gedichtes,  da  man  in  demselben,  der  Tendenz 
nach,  nur  zweiTheile  unterscheiden  kann:  eine  Andeutung  an  den  Charakter 
der  Dramen  Drzic's  und  eine  moraiisirende  Belehrung  an  den  Bekannten  des 
verstorbenen  Dichters.  Mit  Hilfe  einer  so  ausgesprochenen  Tendenz  lag  nahe 
dem  Verfasser  das  Mittel  für  den  Kern  seiner  Arbeit,  nämlich  für  die  Hypo- 
these, dass  »M.  Drzid  die  Hekuba  geschrieben  hat,  welche  bis  jetzt  für  ein 
Werk  Vetranic's  gehalten  wurde«,  eine  Hypothese,  die  er  auf  Grund  der 
metrischen  Eigenthümlichkeiten  bestätigt  hat  (S.  15 — 19). 

Wenn  man  die  erwähnten  zwei  Gedichte  und  noch  das  schon  bekannte 
Marinu  Drzicu  potnoc  (Stari  pisci  III,  208 — 212)  miteinander  zu  vergleichen 
hätte,  so  wäre  das  letzte  damals  entstanden,  als  Vetranic  über  den  Vorwurf, 
Drzic  habe  die  Tirena  plagiirt,  erfuhr.    Da  diese  Ermahnung  und  auch  die- 


598  Kritischer  Anzeiger. 

jenigen  von  Drzic  selbst  im  Prolog  zu  Dundo  Maroje  und  in  dem  Sendschrei- 
ben an  Saba  Mikulinov  die  »damaligen  Kritiker«  von  ihrer  Zähigkeit  nicht 
abwenden  konnten,  so  tritt  Vetranid  mit  dem  Gedicht  Na  primimifje  energi- 
scher auf,  und  erwähnt  die  Tirena  und  Hekuba  als  Drzid's  Werke  —  also  eine 
Steigerung  in  der  Tendenz !  Die  Nadgrobnica  ist  ein  gewöhnliches  Gedicht 
für  den  Tod  eines  Dichters,  ohne  irgend  welche  specielle  Tendenz. 

Mir  schien  es  gar  nicht  überflüssig,  die  Resultate  dieses  hübschen  Bei- 
trages hier  zu  wiederholen,  da  bei  dem  nicht  grossen  Ansehen  der  Ausgabe, 
und  bei  der  geringen  Sorge  für  die  Kritik  bei  uns  im  allgemeinen,  sehr  leicht 
wäre,  dass  dieselben  das  »Territorium  Ragusas«  nicht  überschreiten  und  dass 
die  zukünftige  Literaturgeschichte  den  erblichen  Irrthum  weiter  wieder- 
holen würde. 

Wi en ,  den  10.  Juli  1905.  J.  Nagy. 


Vjestnik  kr.  hrvatsko-slavonsko-dalmatinskog  zemaljskog  arkiva. 

Uredjuje  dr.  Ivan  Bojnicic  kninski,  kr.  zemaljski  arkivar.    Zagreb 

1829  ff.  (Bis  jetzt  sind  6  Bände,  jeder  zu  18  Bogen  gr.-80-Formates, 

und  drei  Hefte  des  siebenten  Bandes  erschienen). 

Als  einen  glücklichen  Gedanken  möchte  ich  es  bezeichnen,  dass  im 
J.  1899  in  Agram  (Zagreb)  der  Beschluss  gefasst  wurde,  eine  historische  Zeit- 
schrift herauszugeben,  deren  Hauptanhaltspuukt  die  reichhaltigen,  bisher 
noch  wenig  erforschten  Archive  des  Landes  (Kroatien,  Slavonien,  Dalmatien) 
zu  bilden  hätten,  darunter  selbstverständlich  das  Laudesarchiv  in  Agram 
nebst  dem  des  Agramer  erzbisch.  Domkapitels  in  erster  Linie.  Als  Redak- 
teur der  Zeitschrift  fungirt  der  Direktor  des  Landesarchivs,  Prof.  Dr.  von  Boj- 
nicic, sein  Hauptmitarbeiter  Em.  v.  Laszowski  ist  ebenfalls  ein  an  dem  Lan- 
desarchiv angestellter  Gelehrter,  Die  Zeitschrift  kann  in  gewisser  Beziehung 
als  Fortsetzung  des  in  der  Fachliteratur  hochgeschätzten  »Arkiv«  von  L  Ku- 
kuljevid  gelten,  dessen  12  Bände  damals  zum  Abschluss  kamen,  als  man  mit 
einem  vielleicht  nicht  gerechtfertigten  Optimismus  alles  in  die  Sphäre  der  neu 
eröffneten  südslavischen  Akademie  einbeziehen  zu  müssen  glaubte.  Wenn 
auch  die  unedirten  Schätze  aus  den  Archiven  den  Hauptinhalt  der  bisherigen 
sechs  und  halb  Bände  bilden,  sind  doch  auch  selbständige  Monographien 
über  einzelne  Fragen  der  politischen,  kirchlichen  und  kulturellen  Geschichte 
gut  vertreten.  Das  neueste  Mitatbeiterverzeichniss  zählt  etwas  weniger  als 
vierzig  Namen  auf,  darunter  Historiker  wie  Tkalcic,  Klaic,  Sisic,  Magdic, 
Gruber;  Archäologen,  Kuust-  und  Literaturhistoriker  wie  Krsnjavi,  Surmin, 
Jelic,  Bucar  u.  s.  w.  Es  kann  nicht  die  Aufgabe  dieser  kurzen  Anzeige  sein, 
auf  den  Inhalt  jedes  einzelnen  Bandes  näher  einzugehen,  zumal  die  politische 
Geschichte,  um  deren  Pflege  es  sich  in  dieser  Zeitschrift  hauptsächlich  han- 
delt, nicht  die  eigentliche  Aufgabe  unserer  Zeitschrift  bildet.  Ich  will  nur 
hervorheben,  dass  in  den  bisherigen  Bänden  die  Mittheilungen  desUrkunden- 
materials  aus  verschiedenen  Archiven  in  Agram,  Zara,  Zengg,  Tersatto, 


Die  Zeitschrift  des  kroat.  Landesarchivs,  angez.  von  Jagic.         599 

Koprivnica,  Krizevci  (civitas  Crisii)  u.  s.  w.  werthvolle  Bereicherung  dar- 
stellen, die  die  Aufhellung  der  stark  zerrissenen  politischen  Geschichte 
Kroatiens  (das  immer  mehr  fremden  als  eigenen  Vortheilen  dienen  muastej 
bezwecken.  Daneben  ist  erwähnenswerth  die  Kontroverse,  die  sich  betreffs 
eines  der  allerwichtigsten  Momente  in  der  Geschichte  der  Kroaten  (des  An- 
schlusses Kroatiens  an  Ungarn)  zwischen  Krsnjavi  (Band  II,  Heft  3,  IV,  H.  2) 
und  Gruber  (Band  III,  Heft  2.  3 — 4)  entwickelte.  Die  kulturell  wichtige  Frage 
über  die  Fortschritte  des  Protestantismus  bei  den  Kroaten  fand  ihre  Ver- 
tretung in  einer  Reihe  von  Aufsätzen,  die  Prof.  Bucar  lieferte  (II.  2.  4,  III. 
3/4,  VI.  3/4).  Das  Thema  von  der  Hexenverfolgung  in  Kroatien  wird  in  einer 
Reihe  von  Beiträgen  von  Bojnicic  und  Tkaicid  Dehandelt  (IV.  2. 3,  V.  1.  2/3.  4, 
VI.  1/2.3/4).  Erwähnenswerth  sind  noch  einige  Kleinigkeiten  zur  Aufhellung 
des  Schulwesens,  Beiträge  für  die  Literaturgeschichte  und  Berichte  über  den 
historischen  Besitz  der  Kunstschätze.  Für  die  von  unserer  Zeitschrift  ver- 
tretenen Interessen  ist  es  von  Wichtigkeit,  dass  neben  dem  in  lateinischen 
Urkunden  vorhandenen  slavischen  Niederschlag  auch  noch  in  kroatischer 
Sprache  geschriebene  Urkunden  (wenn  auch  in  der  Minderzahl)  begegnen.  Es 
ist  allerdings  etwas  beschämend,  dass  diese  Sprache  gerade  nur  im  Munde 
der  angeblichen  Hexen  zu  ihrem  besonderen  Rechte  gelangte.  Vergl.  1. 110 — 
114  (vom  J.  1770),  IL  S.  59—60  (vom  J.  1746),  IV.  S.  113—120  (vom  J.  1625;, 
182—184  (v.  J.  1699),  V.  1—8,  244—246  (v.  J.  1715),  VL  80-82,  85-87  (vom 
J.  1704),  95—96  (v.J.  1741—42).  Sprachlich  sind  die  Texte  (kajkavischer 
Dialekt)  nicht  uninteressant,  nur  könnte  ich  die  Genauigkeit  der  Wiedergabe 
nicht  besonders  loben  (bald  alte,  bald  neue  Orthographie,  ungenaue  Lesungen), 
vergl.  z.  B.  navredom  =  statim,  continuo,  «popecene«  po  glavah,  d.  h.  mit 
peca  bedeckt,  na  pomagaj  kricati.  Sprachlich  beachtenswerth  ist  eine  Ge- 
meindebestimmung aus  dem  XVII.  Jahrh.  (I.  201 — 205),  wo  folgende  Aus- 
drücke vorkommen :  jos  nepokrivena  für  noch  unverheirathet,  volnica  und 
heresica  für  frei  berechtigte  Erbin  ^man  findet  auch  volnik  und  volnost,  l  ist 
der  mittlere,  dem  .1.  entsprechende  Laut),  odmik  für  Aufschub,  zadustvo 
(falsch  getrennt  gedruckt)  für  zadusbina,  konci  für  wenigstens  (nicht  kouchi, 
sondern  konchi  muss  im  Original  stehen),  potescica  für  Last,  zaubessisse  ist 
wahrscheinlich  als  saoyö-BmumÄ  aufzufassen,  es  kommt  allerdings  »bah  bahoma« 
vor,  wonach  man  nicht  zaubesise  oder  zavbesise,  sondern  eher  zaubasise  er- 
warten sollte,  doch  drückt  e  möglicher  Weise  den  reducirten  Vokal  aus,  da- 
her auch  in  cyrill.  Urkunden  zapsiti.  Vergl.  noch  tvrdnjava  für  Bekräftigung, 
dezma  für  decima  u.  e.  a. 

In  einer  Urkunde  vom  J.  1729,  die  von  Seiten  »sue  kraine  Like  i  Krbave« 
ausgestellt  (VI.  S.  73)  und  von  »pod  Plochom«  ausgegeben  wurde  (Ploca  ist 
noch  jetzt  ein  in  Lika  befindlicher  Ort;,  wird  ein  Porkulab  Duim  Dossen 
(Dosen)  genannt  und  ib.  (3.  72)  ein  Kapetan  Jovan  Dossenovich  (Dosenoviöi 
aus  derselben  Gegend.  Ich  erwähne  diese  beiden  Namen  nur  darum,  weil 
darunter  die  Vorfahren  des  bekannten  Vid  Dosen  gesucht  werden  dürfen  und 
damit  auch  die  Gegend,  aus  welcher  Vid  Dosen  abstammte,  wenigstens  un- 
gefähr bestimmt  werden  kann.  Endlich  sei  noch  hervorgehoben,  dass  die 
patriotischen  Verse,  die  auf  der  zur  Aufbewahrung  der  Urkunden  im  J.  1643 


600  Kritischer  Anzeiger. 

künstlerisch  ausgestatteten  Kiste  des  Agramer  Landesarchivs  (vergl.  darüber 
I.  S.  4 — 5)   zu  lesen  sind  und  von  dem  verdienstvollen  Joannes  Szakmardi 
herrühren  Bollen,  die  Cech-Lech-Sage  deutlich  zum  Ausdruck  kommt: 
lila  ego  Sclavonia,  jam  dicta  Croatia  tellus, 
Post  varias  experta  vices  tandem  addita  Christo, 
Hungaricae  junxi  me  sociam  ipsa  mytrae 


Terra  Bohema  viris  est  culta  et  dedlta  nostris, 
Sunt  fundata  meis  regna  Polona  viris; 
Quae  varia  in  plures  emisi  examina  gentes, 
lam  Colapi  et  Zavo  vix  fruor  atque  Dravo. 


V.J. 


A.  EpMOJiOB^.  HapoAnaH  eejLCKOxo3>iHCTBeHHaH  My^pocTi.  b-b  nocjiOBH- 
i^axT.,  noroBopKaxT.  h  upEMiraxT.  (Die  Landwirthschaftliche  Volks- 
weisheit in  Sprichwörtern,  Redensarten  und  Wetterregeln).  Vier 
Bände.  I.  BceHapoÄHLiä  ^röcHi^ecjicBi..  CTIönb  1901.  8".  620  (Der 
volksthümliche  wirthschaftliche  Monatskalender).  IL  BcenapcAHaH 
arpoHOMifl.  Cüöri,  1905.  8^.  528  (Die  volksthümlicheu  Landwirth- 
schaftsregelu).  III.  jKHBOTHtiä  jiip'B  bI)  BOSsp^HiflX'B  napcAa.  dlÖr-B 
1905. 8".  555  (Die  Thierwelt  nach  den  Volksanschauungen).  IV.  Ha- 
poAHoe  norGÄOB^A^Hie.    Cllörx  1905.  8°.  466   (Die  volksthümliche 

Wetterkunde). 

Der  gewesene  russische  Ackerbauminister,  Herr  von  Jermolov,  hat  unter 
dem  citirten  Gesammttitel  ein  grosses,  vierbändiges  Werk  herausgegeben, 
das  zwar  nach  den  in  demselben  zur  Anwendung  kommenden  Gesichtspunkten 
nicht  rein  ethnographisch  genannt  werden  kann,  w^eil  der  Verfasser  nicht  bloss 
theoretisch-wissenschaftliche,  sondern  auch  praktische  Zwecke  verfolgte  — 
als  Ackerbauminister  wollte  er  mit  diesem  Werke  die  landwirthschaftliche 
Lage  des  russischen  Bauers,  so  zu  sagen,  nach  seinen  eigenen  Bekenntnissen 
kennzeichnen  und  seine  auf  diesem  Gebiete  gesammelten  Erfahrungen,  in 
allerlei  goldenen  Sprüchen  und  Regeln  niedergelegt,  vergegenwärtigen  mit 
der  stillen  Hoffnung,  darin  auch  manches  Goldkörnchen,  das  selbst  bei  der 
rationellen  Laiidwirthschaft  auf  Beachtung  Anspruch  erheben  darf,  ausfindig 
zu  machen.  Wenn  auch  dieser  praktische  Zweck  bei  einem  Ackerbauminister 
nahe  genug  lag  und  seine  Berechtigung  hatte,  kann  man  doch  seine  Leistung 
auch  anders  auffassen,  sie  als  einen  wichtigen  Beitrag  zur  Ethnographie  und 
Kulturgeschichte  Russlands  ansehen  und  als  solches  gehört  das  Werk  in  den 
Rahmen  unserer  Zeitschrift.  Es  verfolgt  den  Zweck,  die  Volksweisheit  des 
russischen  Bauers,  diesen  coUectiv  aufgefasst,  in  Bezug  auf  die  mächtigen 
Einflüsse  der  Natur,  von  denen  der  Erfolg  seiner  Arbeit  abhängt,  zusammen- 
zustellen und  nach  bestimmten  Gesichtspunkten  zu  gruppiren.  Und  zwar  be- 


Jermolov,  Die  landwirthschaftl.  Volksweisheit,  angez.  von  Jagic.    601 

gnügte  sich  der  Verfasser  nicht  bloss  mit  dem  russischen  Volksmaterial,  son- 
dern zur  Beleuchtung  der  in  Russland  kursirendea  Erfahrungen  und  Beob- 
achtungen zog  er  auch  Vergleiche  aus  dem  entsprechenden  Bcreicli  anderer 
Literaturen  heran,  wobei  die  deutschen  und  französischen  Parallelen  den 
grössten  Raum  einnehmen,  erst  in  zweiter  Linie  wurden  auch  andere  Litera- 
turen, unter  den  slavischen  namentlich  die  polnische,  berücksichtigt.  Dieser 
praktische  Gesichtspunkt  des  Werkes  veranlasste  öfters  die  Frage  nach  dem 
Verhältniss  dieser  Erfahrungssätze  und  -Sprüche  zu  den  wirklichen  Bedin- 
gungen einer  rationellen  Landwirthschaft,  die  der  Verfasser  als  Agronom 
fachmännisch  zu  beantworten  bemüht  war.  Eine  rein  ethnographische  For- 
schung möchte  in  anderer  Richtung  ihre  Wissbegierde  ausgedehnt  sehen, 
nämlich  die  Frage  anregen  nach  den  Quellen  dieser  Volksweisheit,  nach  ihrem 
Ursprung  und  ihrer  eventuellen  Entlehnung.  Der  Verfasser  hat  zu  wieder- 
holten Malen  diese  ethnographische  Aufgabe  als  nicht  in  sein  Programm  ge- 
hörig abgelehnt  (L  S.7,  IL  S.  VII,  IV.  S.VIIIj,  darum  sind  auch  wir  nicht  be- 
rechtigt, seinen  ausgesprochenen  Willen  nach  Beschränkung  auf  die  Wieder- 
gabe des  Inhaltes,  ohne  sich  in  die  Kritik  der  Entstehung  dieses  Inhaltes 
einzulassen,  ausser  Acht  zu  lassen.  Man  könnte  von  seinem  Standpunkte 
höchstens  die  Frage  nach  der  erschöpfenden  Ausbeute  des  Materials  oder 
nach  der  zweckmässigen  Eintheilung  des  Stofifes  aufwerfen.  In  beiden  Be- 
ziehungen liest  man  wohl  begründete  Aeusserungen  und  Urtheile,  denen  man 
kaum  die  Zustimmung  versagen  könnte.  Der  Verfasser  ist  nämlich  selbst 
weit  entfernt  davon  zu  glauben,  das  Material  erschöpft  zu  haben,  wenn  er  es 
auch  in  sehr  reichlichem  Masse  zu  benutzen  im  Stande  war.  Ich  möchte  vom 
Standpunkt  unserer  Zeitschrift  namentlich  auf  die  Lücken  aus  den  slavischen 
Literaturen  hinweisen.  Selbst  die  im  Quellenverzeichniss  citirten  Werke  aus 
den  slavischen  Literaturen  hätten  eine  bei  weitem  stärkere  Verwerthung  ge- 
stattet, wenn  nicht  endlich  und  letzlich  auch  auf  den  Umfang  des  Werkes 
Rücksicht  genommen  werden  müsste,  der  ja  ohnehin  gegen  den  ursprüng- 
lichen Wunsch  auf  vier  starke  Bände  angewachsen  ist.  Gegen  die  Eintheilung 
des  Materials  lässt  sich  auch  kaum  etwas  einwenden,  selbst  wenn  man  sagen 
muss,  dass  vielleicht  auch  ein  anderer  Weg  hätte  eben  so  gut  einge- 
schlagen werden  können,  z.  B.  statt  mit  dem  Kalender  (B.  I)  hätte  man  mit 
der  Witterungskunde  iB.  IV)  anfangen  können,  weil  ja  die  Witterungsverhält- 
nisse etwas  allgemeineres  darstellen  als  die  gewiss  erst  später  zur  Geltung 
gekommenen  Beziehungen  zu  einzelnen  Monaten,  Tagen,  Heiligen  u.  s.  w. 
Ohne  Zweifel  sind  in  dem  im  I.  Band  zur  Sprache  gebrachten  Material  mehr 
fremde  Einflüsse,  aus  dem  Leben  der  Kirche,  aus  der  Berührung  mit  den 
Nachbarn,  vorauszusetzen,  als  in  d^m  Inhalt  der  übrigen  Bände. 

Mit  Recht  hebt  der  Verfasser  hervor,  dass  jetzt  nach  der  von  ihm  durch- 
geführten Gruppirung  des  Materials  leicht  sein  wird,  weitere  Parallelen,  Zu- 
sätze und  Nachträge  zu  liefern  (etwas  davon  geschah  schon  durch  ihn). 
Namentlich  möchte  ich  die  Erwartung  aussprechen,  dass  die  slavischen  Lite- 
raturen, die  ja  mit  besonderer  Vorliebe  die  Ethnographie  pflegen,  die  ihnen 
durch  dieses  Werk  gebotene  Gelegenheit  zu  Erweiterungen  im  Rahmen  der 
Einzelliteraturen  ergreifen  werden.  Das  ist  um  so  wünschenswerther,  als  ja 


602  Kritischer  Anzeiger. 

im  Werke  Jermolov's  neben  der  russischen  (hauptsächlich  grossrussischen) 
eigentlich  nur  noch  die  polnische  und  viel  weniger  die  serbische  und  bul- 
garische Hilfsliteratur  herangezogen  wurde,  die  übrigen  süd-  und  nordwest- 
slavischen  fehlen  gänzlich. 

Um  den  Leser  von  dem  reichen  Inhalt  der  vier  Bände  eine  ungefähre 
Vorstellung  zu  geben,  wollen  wir  diesen  kurz  nach  einzelnen  Bänden  skiz- 
ziren.  Der  erste  Band  ist  dem  Kalender  gewidmet,  d.  h.  den  in  allerlei  Re- 
densarten, Sprüchen  und  Vorhersagungen  niedergelegten  Volkserfahrungen, 
die  an  einzelne  Jahreszeiten,  Monate,  Feste  und  Tage  mit  ihren  Heiligen  an- 
knüpfen. Das  ganze  Jahr  wimmelt  nach  der  Volksüberlieferung  von  solchen 
an  verschiedene  Zeitabschnitte,  Tage  und  ihre  Träger,  die  Heiligen,  ange- 
knüpften Erfahrungen,  Hoffnungen  und  Befürchtungen  bezüglich  des  Verlaufs 
der  Hauptmühe  des  Bauern,  seiner  Landwirthschaft.  Jeder  Monat  beginnt 
mit  allgemeinen  Beobachtungen,  d.  h.  mit  der  Zusammenstellung  von  Sätzen 
und  Erfahrungen,  die  sich  auf  den  betreffenden  Monat  im  Allgemeinen  be- 
ziehen, und  schliesst  mit  einer  aus  der  Gesammtbetrachtung  sich  ergebenden 
Charakteristik.  Innerhalb  des  Mocats  werden  dann  einzelne  Tage  hervor- 
gehoben, an  die  die  Volksweisheit  mit  ihren  Sprüchen  anknüpft.  Dabei  wird 
neben  dem  russischen  auch  der  parallel  laufende  europäische  Kalender  be- 
rücksichtigt mit  seinen  zum  Teil  ganz  verschiedenen  Xamensträgern,  z.B.  für 
den  20.  Jänner  kommt  in  Russland  die  heil.  Euthymie,  für  das  Ausland  der 
heil.  Fabian  und  Sebastian  in  Betracht  (I.  44 — 5).  Oder  die  Maitage  12 — 15 
haben  im  Westen  Europas  ihre  Signatur  von  den  bekannten  Eismännern  Pan- 
kratius,  Servatius,  Boaifacius  und  der  Sophie  —  der  russ.  Volkskalender 
weiss  nichts  davon.  Selbst  bei  gleichen  Inhabern  kann  die  Volksbeobachtung 
nach  verschiedenen  Richtungen  sich  bewegen  im  Westen  gegenüber  Osten, 
z.  B.  am  11.  November,  am  Martinstag,  spielt  in  Russland  dieser  Heilige  eine 
sehr  unbedeutende  Rolle,  grössere  jedenfalls  der  auf  denselben  Tag  fallende 
hl.  Theodor  der  Studite  (Wortspiel  des  Prädikats  Ciyauii.  mit  dem  Verbum 
ciyÄHXB).  Wenn  in  einem  Spruch  aus  dem  Gouv.  Minsk  die  Martinsgans  citirt 
wird,  so  scheint  auch  das  aus  dem  Polnischen  herübergenommen  zu  sein. 
Der  Anbruch  des  Winters  mit  dem  Martinstag  wird  hauptsächlich  bei  den 
romanischen  und  germanischen  Völkern  durch  Sprüche  gekennzeichnet,  von 
den  Slaven  citirt  der  Verfasser  einen  polnischen  Spruch:  Od  swietego  Mar- 
cina zima  sie  poczyna;  man  muss  aber  auch  des  serbischen  Spruches  ge- 
denken: Sveti  Mrata  snijeg  za  vrata.  Die  Wandlung  des  Mostes  in  Wein  am 
Martinstag  kennen  nur  die  weinproduzierenden  Südslaven.  Ich  kann  nicht 
unterlassen,  zu  bemerken,  dass  die  einem  jeden  Monat  vorgesetzte  Aufzählung 
der  volksthümlichen  Namen  desselben,  so  weit  sie  die  slavischen  Namen  be- 
trifft, leider  so  gut  wie  alles  zu  wünschen  übrig  lässt.  Woher  mag  der  Ver- 
fasser jene  Namen  ausgekramt  haben? 

Der  zweite  Band  behandelt  »die  volksthümliche  Landwirthschaft« 
(BceHapoÄHaa  arpoHOMia).  Im  ersten  Kapitel  sind  Erfahrungssätze  gesammelt, 
die  sich  auf  das  Jahr  im  Ganzen  beziehen,  wobei  die  Kombinationen  über 
seinen  Ertrag,  die  volksthümliche  Auffassung  von  den  guten  und  schlechten 
Jahren,  die  Weissagungen  aus  dem   vergangenen  auf  den  bevorstehenden 


Jermolov,  Die  landwirthschaftl.  Volksweieheit,  angez.  von  Jagid.    603 

Verlauf  desselben,  der  abergläubische  Zusammenhang  zwischen  gewissen 
meteorologischen  Erscheinungen  und  der  Beschaffenheit  des  Jahres  u.  a.  m. 
zur  Sprache  kommt.  Nachher  ist  von  der  Woche  als  Arbeitszeit  die  Rede, 
mit  der  Unterscheidung  der  glücklichen  und  unglücklichen  Tage,  wonach 
sich  das  Gelingen  oder  Misslingen  einer  Arbeit  richtet.  Hier  konnte  der  Ver- 
fasser nicht  umhin,  auf  die  übermässige  Anzahl  von  Tagen  hinzuweisen,  an 
welchen  das  russische  Volk  aus  abergläubischer  Furcht  nicht  arbeiten  will. 
Gerade  in  den  sechs  Arbeitsmonaten  (April  bis  September)  stellen  sich  nach 
seiner  Berechnung  nicht  weniger  als  73  Ferientage  heraus.  Da  in  Russland 
in  Folge  der  ungünstigen  klimatischen  Verhältnisse  im  ganzen  Jahr  durch- 
schnittlich eigentlich  nur  durch  1S3  Tage  auf  dem  Feld  gearbeitet  werden 
kann,  sollte  diese  verhältnissmässig  kurze  Zeit  ökonomisch  ausgenutzt  werden. 
Statt  dessen  hören  wir,  dass  73  Tage  davon  auf  Nichtsthun  vergeudet  werden. 
Die  nächsten  Kapitel  beziehen  sich  auf  Tag  und  Nacht,  auf  Zeit  und  Stunde. 
Vom  fünften  Kapitel  an  (S.  145fif,)  tritt  man  der  Feldarbeit  näher  und  zwar 
zunächst  wird  der  Boden  überhaupt,  das  Feld  und  Ackerland,  die  Bedin- 
gungen seiner  Ertragsfähigkeit  behandelt.  Der  Verfasser  berührt  auch  die 
Frage,  wie  der  russische  Bauer  den  immer  fühlbarer  sich  machenden  Mangel 
an  Boden  in  Sprüche  eingekleidet  (bis  177).  Dann  folgt  eine  Charakteristik 
des  Feldbaues  im  Allgemeinen,  weiter  die  speciellen  Arbeiten  (Pflügen, 
Düngen  —  auch  vom  Pflug  ist  hier  die  Rede),  die  Saat  und  ihre  Beschaffen- 
heit nach  den  Samengattungen  nebst  den  den  glücklichen  Erfolg  versprechen- 
den Anzeichen,  die  einzelnen  Phasen  des  Wachsthums  und  die  Bedingungen 
des  Gedeihens  (z.  B.  der  zur  rechten  Zeitsich  einstellende  Regen).  Auch  die 
Kenntniss  der  schädlichen  Pflanzen  wird  berührt.  Zuletzt  kommt  der  Ge- 
müsebau zur  Sprache  (bis  343).  Das  zehnte  Kapitel  behandelt  die  Anzeichen, 
die  nach  der  Volksmeinung  die  zukünftige  Ernte  bedingen  oder  voraussagen 
(Schnee,  Regen,  Wind,  Nebel,  Trockenheit,  Regenbogen,  Mond-  und  Sonnen- 
finsterniss,  das  Auftauchen  schädlicher  Tiere:  Mäuse,  Raupen  u.  s.  w.,  die 
Vorbedeutung  nach  den  Vögeln :  Kukuk,  Wachtel,  Hühner,  nach  der  Pflan- 
zenwelt: Pilze,  Nüsse  u.  s.  w.  [bis  392]:.  Das  elfte  Kapitel  ist  der  Ernte  selbst 
und  allen  damit  zusammenhängenden  Arbeiten  (Mähen,  Dreschen  u.  s.  w.j  ge- 
widmet, als  das  letzte  Resultat  aller  Mühen  kommt  das  Brod  zum  Vorschein 
(bis  414).  Das  zwölfte  Kapitel  behandelt  den  Wald  und  seine  Poesie,  das 
Rauschen  der  Bäume,  ihre  Gestalt  u.  s.  w.  Einzelne  Baumarten  kommen 
ebenfalls  zur  Sprache,  ferner  die  Pilze  und  die  ganze  Folge  der  beim  Fällen 
des  Waldholzes  entstehenden  Arbeiten  u.  s.  w.  Im  letzten  Kapitel  (XIII)  ist 
von  dem  Garten,  den  Fruchtbäumen  und  von  dem  Weinbau  die  Rede.  Alles 
was  unter  diesen  Kapiteln  in  diesem  Band  zur  Sprache  kommt,  beruht  auf 
dem  reichen  Vorrath  von  Volksredensarten,  die  in  erster  Linie  aus  dem  rus- 
sischen Material,  dann  aber  auch  aus  fremden  Literaturen,  zumal  der  deut- 
schen, in  weiterer  Linie  französischen,  italienischen,  polnischen  etc.  geschöpft 
sind.   Einige  Wiederholungen  aus  dem  I.  Band  waren  unvermeidlich. 

Im  dritten  Band  kommt  dasThierleben  nach  der  Volk  sauf  fassung  seines 
Zusammenhangs  mit  der  Landwirthschaft  zur  Sprache,  und  zwar  zuerst  wird 
von  den  allgemeinen  Redensarten  ausgegangen,  wie  dass  alles  Lebende  eine 


604  Kritischer  Anzeiger. 

Schöpfung  Gottes  sei,  dass  jedes  Thier  seine  Jungen  liebe  und  schütze,  dass 
die  einzelnen  Gattungen  zusammenhalten  u.  s.  w.  Dann  werden  der  Reihe 
nach  durchgenommen  Pferd  und  Esel,  das  Kind  (namentlich  die  Kuh),  das 
kleine  Hausvieh  (Schafe,  Ziegen,  Schweine),  Hund  und  Katze,  die  Hausvögel 
(Hühner,  der  Hahn  und  sein  Krähen,  Gänse,  Schwäne,  Pfauen»,  die  Bienen 
und  Bienenzucht  (mit  vielem  Aberglauben)  bis  Kap.  VII  incl.  Die  nächsten 
Kapitel  sprechen  von  den  freien,  wilden  Vierfüsslern  (Bären,  Wölfen,  Hasen, 
Mäusen,  Ratten  etc.,  vom  )Maulwurf,  Wiesel,  Eichhorn  etc.),  von  den  wilden 
Vögeln  im  Allgemeinen  und  besonders  vom  Adler,  Falken,  Habicht,  Geier, 
Kranich,  Storch,  Raben,  Krähe,  Elster,  Taube,  Turteltaube,  Schwalbe,  Lerche 
etc.,  etc.  Im  vorletzten  Kapitel  wird  das  Thierreich  des  Wassers  behandelt 
(Fische,  Fischfang,  einzelne  Fischgattungen,  Krebse)  und  im  letzten  (XL;  die 
Schlangen,  Frösche,  Fliegen,  Mücken  etc.,  Käfer,  Heuschrecken,  Giillen, 
Flöhe,  Läuse,  Raupen,  Schnecken. 

Der  letzte  (IV.)  Band  ist  den  athmosphärischeaEinflüssenauf  das  Land- 
leben und  den  Feldbau  gewidmet,  und  zwar  handelt  es  sich  auch  hier  um  die 
Zusammenstellung  der  Volksauschauungen,  wie  sie  in  den  Sprüchen,  Redens- 
arten und  allgemeinen  Sätzen  zum  Ausdruck  kommen.  Nach  den  allgemeinen 
Aeusserungen  über  das  Wetter  behandeln  die  nächsten  Kapitel  die  Wetter- 
prophezeihnngen  nach  den  Anzeichen  aus  der  Pflanzenwelt  und  dem  Thier- 
reich, dann  kommen  Wind  und  Sturm,  Regen,  Wolken,  Nebel,  Thau  und 
Hagel,  Gewitter,  Blitz  und  Donner,  das  Wetterleuchten,  der  Regenbogen  und 
das  Nordlicht,  der  Schnee,  Frost  und  Kälte  der  Reihe  nach  zur  Sprache  (bis 
Kap.  VIII  incl.).  Die  letzten  fünf  Kapitel  besprechen  die  Sonne,  den  Mond, 
den  Himmel  und  die  Sterne,  das  Feuer  und  den  Rauch,  das  Wasser,  die 
Flüsse  und  das  Meer.  Einiges  von  dem,  was  hier  zur  Sprache  kommt,  musste 
unter  anderen  Gesichtspunkten  schon  im  I.  oder  IL  Band  erwähnt  werden. 
Doch  fällt  diese  Wiederholung  nicht  auf.  Im  Ganzen  macht  das  Werk  nicht 
den  Eindruck  einer  überflüssigen  Breite  und  Ausführlichkeit.  Man  könnte  im 
Gegentheil  hie  und  da  ein  Wort  mehr  wünschen,  zumal  was  die  Provenienz 
einzelner  Sätze  oder  Sprüche  anbetrifft.  Der  Verfasser  beobachtete  den 
Grundsatz,  die  Quellen  nicht  zu  citiren,  da  er  die  Literatur  der  von  ihm  be- 
nützten Hilfsmittel  zum  I.  und  namentlich  zum  IV.  Band  sehr  ausführlich 
mittheilt  (IV  S.  421 — 440).  Doch  wird  bei  russischen  Citaten  häufig  die  Gegend 
(das  Gouvernement),  aus  welcher  der  Spruch  herrührt,  näher  bezeichnet.  Die 
Citate  selbst  sind  aus  den  verschiedenen  kleineren  (z.  B.  orientalischenj 
Sprachen  Russlands  nur  in  der  russischen  Uebersetzung  angeführt  (z.  B.  aus 
dem  Kirgisischen,  Cuvaschischen,  Tatarischen,  Gruzinischen  etc.),  zum  Theil 
geschieht  das  auch  beim  Bulgarischen  und  Serbischen,  eben  so  regelmässig 
beim  Litauischen,  Lettischen.  Dagegen  deutsche,  französische,  italienische, 
englische  und  polnische  Citate  werden  in  den  Originalsprachen  gegeben,  bei 
den  letzten  drei  Sprachen  in  der  Regel  mit  der  russischen  Uebersetzung.  Dass 
die  slavischen  Citate  nicht  frei  von  Fehlern  sind,  darüber  wird  sich  Niemand 
wundern,  der  die  Verhältnisse  der  russischen  Typographien  (Mangel  an  ver- 
schiedenen slavischen  Typen)  und  ihrer  Correktoren  kennt.  Im  Ganzen  kann 
ich  wohl  sagen,  dass  man  von  dieser  grossen  Publikation  den  Eindruck  einer 


Jermolov,  Die  landwirthschaftl.  Volksweisheit,  angez.  von  Jagiö.    605 

sehr  beherzigenswerthen  Leistung  bekommt,   deren  Zustandekommen  viel 
Mühe  und  viel  Zeit  in  Anspruch  nahm. 

Um  zum  Schluss  einen  kleinen  Beitrag  zum  I.  und  II.  Band  aus  einem 
wenig  zugänglichen  Büchlein  (Danicza  Zagrehechka  für  das  Jahr  1840 :  1841) 
zu  liefern,  schreibe  ich  folgende  Sprüche  heraus.  I.  für  den  iMonat  Jänner 
(Proszinecz) :  Szvetoga  Vinczeka  dan,  ako  je  od  szuncza  szvetel,  nadejaj  sze 
dozta  vina.  Vergl.  bei  Jermolov  I.  4"  :  St.  Vincent  hell  und  klar,  bringt  ein 
gutes  Weinjahr.  Szvetoga  Pavla  obernenya  dan  z-szunczem  chist,  znamenuje 
obilno  leto  z-vinom,  psheniczum  y  oztalem  sitkom.  Vergl.  Jerm.  1.  .50:  St. 
Paulus  schön  mit  Sonnenschein,  bringt  Fruchtharkeit  dem  Korn  und  Wein. 
Vod'  vnosina  ov  meszecz  ima  nävadu  obetat  malo  vina,  a  male  vod'  vnogo 
vina  obecha.  Vergl.  Jerm.  I.  21:  Wenig  Wasser  im  Januar  —  viel  Wein; 
beim  vielen  Wasser  wird's  wenig  sein.  Germlyavicza  vu  overa  zimskem 
vremenu  znamenuje  dalye  veliku  zimu.  Vergl.  Jerm.  I.  24:  Wenn'sim  Januar 
donnert  über'm  Feld,  so  kommt  später  grosse  Kalt.  II.  für  den  Monat  Fe- 
bruar: Ako  na  Szvetchniczu  szuncze  lepo,  jaszno  szija,  tak  josh  vech  bude 
Bznega,  zima  josche  ostreja  bude  nasztala  y  lan  obilno  raszel.  Vergl.  Jerm. 
I.  77—8:  Ist  der  Lichtmess  hell  und  rein,  wird  ein  langer  Winter  sein,  oder: 
Scheint  zu  Lichtmess  die  Sonne  heiss,  kommt  noch  sehr  viel  Schnee  und  Eis. 
Für  den  Schluss  ib.  II.  25 :  Lichtmess  hell  und  klar,  giebt  ein  gutes  Flachsjahr. 
Ako  je  na  Szvetchniczu  jaszno  vedro  y  lepo,  tak  jazvecz  vu  szvojoj  jami 
osztaje  szumnyivshi  da  josche  zima  bude:  ako  pak  desdy  ide  ali  szneg,  tak 
izide  van  niti  sze  vech  neboji  velike  zime.  Vergl.  Jerm.  I.  82 :  Sonnt  der 
Dachs  sich  in  der  Lichtmess  Woche,  geht  auf  vier  Wochen  er  wieder  zum 
Loche.  Szveti  Matiash  tere  led  ako  ga  najde,  ako  ga  ni,  tak  ga  nachinya. 
Vergl.  Jerm.  I.  94:  Matthias  bricht's  Eis;  find't er  keins,  macht  er  eins.  Kakvo 
je  goder  vreme  nanavecher  ztolicze  szvetoga  Petra,  takovo  40  dan  rado  biva, 
y  ako  onda  neje  zmersnyeno,  nesze  vech  bojati  zime.  Vergl.  Jerm.  I.  91 :  Die 
Nacht  vor  Petri  Stuhifeier  weiset  an,  was  wir  40  Tage  für  Wetter  han.  Ako 
szu  pticze  v-hisi  ov  meszecz  tuzte,  dugu  zimu  y  sznega  v  napredek  kaseju, 
vergl.  Jerm.  I.  72 :  Wenn  im  Februar  fette  Vögeln  werden  gefangen,  so  kommt 
noch  viel  Kälte  gegangen.  Ako  na  protuletje  sabe  pod  vecher  jako  regechu 
y  kriche,  tak  nazveschaju  toplotii,  dobro  y  hasznovito  vreme.  Vergl.  Jerm.  I. 
134:  Wenn  die  Frösche  im  Frühling  gegen  den  Abend  quaken  und  schreien, 
so  verkünden  sie  warm  und  fruchtbar  Wetter.  III.  für  den  März:  Ako  na  dan 
szädovene  Marie  pred  izhodora  szuncza  lepo  zvezde  szvete,  znamenye  je  do- 
broga  leta  y  za  vsze  delo  prikladnoga.  Vergl.  Jerm.  I.  173:  Ist  vor  Sonnen- 
aufgang heller  Himmel,  so  dass  die  Sterne  schön  leuchten,  ist  ein  gutes  Wetter 
zu  allen  Dingen  zu  hoffen.  Kad  na  veliki  petek  desdy  ide,  dobra  je  leta  pri- 
lika.  Ako  na  vuzem,  tako  malo  koja  do  Trojak  nedelya  zmenyka.  Vergl. 
Jerm.  I.  115:  Wenns  am  Charfreitag  regnet,  so  ist  das  ganze  Jahr  gesegnet. 
Und  S.  196:  Regnet  es  am  Tag  von  Ostern,  giebt  es  so  viel  Regen  zwischen 
Ostern  und  Pfingsten.  Ob  szredopoztju  jeleni  roge  zmecheju;  laztovicze  do- 
hadj'aju,  a  k  izvishenyu  szv.  krisa  odhadyaju.  Vergl.  Jerm.  I.  lo7:  Um  Oculi 
fallen  dem  Hirschen  die  Geweihe  ab,  und  129:  Im  Frühling  kommen  und  mit 
dem  Herbste  gehen  weg  die  Schwalben.  Und  ib.  S.  173  (auf den  14.  Sept.): 


606  Kritischer  Anzeiger. 

Die  Schwalben  ziehen  wieder  fort.  Kuliko  vu  szushezu  bu  meglih,  tuliko 
povodnyih  ono  leto ;  a  kuliko  rosze,  tuliko  po  vuzmu  zamerzlicze,  a  vu  veli- 
komeshnyaku  tuliko  puti  megla.  Vergl.  Jerm.  I.  150:  Ist  der  März  neblig, 
kommen  viele  Hochwetter  (für  den  zweiten  Theil  finde  ich  keinen  Beleg). 
IV.  für  April:  Szusha  vu  malern  Travnu  je  skodlyva,  vlaga  pako  je  dobra; 
kad  je  pako  mokro,  bude  dozta  szena  y  vina.  Vergl.  Jerm.  I.  205 :  Wenn  der 
April  feucht  und  nass,  füllt  er  Scheuue  und  Fass.  Nedelya  czvetna  lepa  y 
jaszna  nazvescha  rodno  leto.  Vergl.  Jerm.  I.  110:  Palmsonntag  hell  und  klar 
gibt  ein  fruchtbares  Jahr.  Vuzem  moker  nazvescha  szushu  y  malo  kerme, 
Vergl.  Jerm.  I.  196:  Wenn's  regnet  am  Ostertag,  so  geräth's  dürres  Futter. 
Dan  10-i  y  23-i  Travna  szejan  len  däje  duge  rubache.  Vergl.  Jerm.  I.  216: 
Von  Ezechiel  bis  Georg  ist  die  beste  Zeit  für  Leinsaat.  V.  für  Mai:  Ov 
meszecz  hladen  chini  dobro  vino  y  vnogo  szena.  Vergl.  Jerm.  I.  248:  Kühler 
Mai  gibt  guten  Wein  und  viel  Heu.  Ako  je  Verban  l^p,  bude  dozta  vina;  ako 
malo  desdyi,  tak  bude  y  ob  Trojakih;  a  kakvi  szu  Trojaki,  takva  bude  vino- 
bera.  Vergl.  Jerm.  I.  279:  Urbans  Sonnenschein  bringt  einen  guten  Wein. 
Für  den  zweiten  Theil  vergl.  ib.  278:  Das  Wetter,  das  Urbanus  hat,  auch  in 
der  Lese  findet  statt.  Ako  vu  ovem  meszeczu  vechkrat  germi,  tak  je  rado 
dobro  y  roduo  leto.  Vergl.  Jerm.  I.  253:  Donnert's  im  Mal  viel,  die  Bauern 
haben  gewonnen  Spiel,  oder:  Häufige  Gewitter  im  Mai  zerstreuen  den  Bauern 
die  Sorgen.  Szvetoga  Pankracza  ili  dvanajzti  ovoga  meszecza  jaszen  dan 
obecha  dozta  dobroga  vina.  Vergl.  Jerm.  I.  270:  Ist  St.  Pankraz  schön,  wird 
guten  Wein  man  sehn.  Vnogo  kebrov  dobro  leto.  Vergl.  Jerm.  IL  22:  Mai- 
käferjahr —  gutes  Jahr.  Ako  je  na  kouczu  ovoga  meszecza  na  hraztju  vnogo 
czveta,  tak  bude  dozta  maszla  y  obilno  leto.  Vergl.  Jerm.  iL  31 :  Am  Ende 
des  Maien  blühen  die  Eichen,  geräth  die  Blüthe  wohl,  so  merke  dies  Zeichen, 
denn  uns  danach  ein  gutes  Schmalzjahr  kommt.  Ich  habe  diese  Beispiele  zu- 
sammengestellt, um  zu  zeigen,  auf  welchem  Wege  die  Volksweisheit  entstehen 
kann.  Der  Herausgeber  des  Kalenders  (Ignaz  Kristianovid)  —  leider  fehlen 
mir  die  weiteren  Jahrgänge,  wo  die  Fortsetzung  und  der  Schluss  enthalten 
sein  dürfte  —  hat  jene  »alten  Beobachtungen«  wahrscheinlich  zum  grössten 
Theil  aus  irgend  einem  gedruckten  deutschen  Buch  oder  Kalender  entlehnt. 
Da  aber  sein  Kalender  sehr  populär  war  —  meine  Exemplare  stammen  aus 
der  Hausbibliothek  meines  Grossvaters!  —  so  mag  so  manche  Regel,  wenn 
sie  nicht  schon  früher  bekannt  und  geläufig  war,  durch  die  Vermittlung  dieser 
Quelle  allmählich  bis  ins  Volk  sich  verbreitet  haben.  Gewiss  sind  sehr  viele 
Sprüche  auf  diese  Weise  entstanden. 

Der  ganze  erste  Band  und  das  erste  Kapitel  des  zweiten  Bandes  sind 
vor  Kurzem  in  einer  autorisirten  deutschen  Ausgabe  in  Leipzig  bei  Brock- 
haus erschienen  unter  dem  Titel:  Der  landwirthschaftliche  Volkskalender. 
VonAlexeiYermoloff.  gr.  lex.-8°.  IV.  567.  In  der  Ausstattung  übertrifft  diese 
Ausgabe  die  russische  Originalausgabe.  Leider  finde  ich  in  den  Citaten  aus 
den  slavischen  Sprachen  dieselben  Druckfehler  hier  wie  dort  —  ein  Beweis, 
dass  Niemand  den  Verfasser  darauf  aufmerksam  gemacht  hat!  So  figuriren 
denn  auch  die  slavischen  Monatsnamen,  abgesehen  von  der  horrenden  Sehreib- 
art, unter   allerlei  inconsequent  citirten  Namen  der  Sprachen  in  vielfach 


Jermolov,  Die  landwirthschaftl.  Volksweisheit,  angez.  von  Jagiö.    607 

sclirecklich  verstümmelter  Form.  Z.  B.  als  Februar  findet  man  fiir'a  slove- 
nische  druknik  (bei  Gutsmann  und  Murko  drujnik),  unter  März  ist  posimsky 
wohl  das  nlserbische  pozymski,  Mai  soll  böhm.  und  slov.  nicht  bloss  kvctenj 
(kvöten),  sondern  auch  zwetenj  (also  cveten)  lauten  und  wendisch  (d.  h.  hier 
slovenisch)  auch  pjatnik  heissen,  dagegen  kroatisch  rosazwet  und  rosnjak 
(also  rozacvet?!  und  roznjak).  Unter  Juni  steht  schon  wieder  fürs  kroatische 
rosenzvet,  also  rozencvet  und  »wendisch«  (d.  h.  slovenisch)  nur  schestnik. 
Unter  Juli  steht  fürs  böhmische  und  slov.  (also  slovakische?)  tschervenesz 
und  —  ssetschenjü  wendisch  (also  slovenisch)  nur  ssedraik,  dagegen  carniol. 
sserpan  und  illyr.  gar  scherpenj,  sherpan!  Unter  August  steht  fürs  klein- 
russische sserpenj  und  fürs  »wendische«:  ossenik  (statt  osemnik,  das  Guts- 
mann hat),  für  »carniol.«  (also  krainisch):  welik  sserpenj.  Unter  dem  Sep- 
tember steht  grudenj  fürs  altrussische  und  slovakische,  fürs  »tschechische« 
sarzni  (d.  h.  zäri).  Unter  October  bringt  das  »altslavische«  die  Ausdrücke 
listopad,  grjasnik,  posimnik  und  svadebnik;  nun  ist  grjaznik  aus  Sacharov, 
pozimnik  könnte  nur  als  podzimnik  auf  Herbst  Bezxxg  haben,  svadebnik  ist 
schon  wieder  aus  Sacharov.  Unter  November  lesen  wir  schon  wieder  grudenj 
fürs  altslavische,  fürs  illyrische  studjong!  und  fürs  »wendische«  (slovenische) 
gniletz  (Miklosich  citirt  dafür  Megiser).  Unter  December  steht  grudenj  fürs 
wendische  und  fürs  polnische  (grudzien)  und  fürs  kroatische  welikoboshnit- 
schjak  (es  ist  velikobozicnjak  gemeint).  Wäre  es  nicht  besser  gewesen,  diese 
ganze  CoUection  von  Unrichtigkeiten  auszulassen,  falls  man  nicht  in  der  Lage 
war,  richtige  Namen  und  Formen  zu  citiren?  Doch  mache  ich  dafür  nicht  den 
Verfasser,  sondern  jene  verantwortlich,  die  ihn  nicht  gleich  beim  Erscheinen 
der  russischen  Ausgabe  auf  diese  Ungeheuerlichkeiten  aufmerksam  machten. 
Das  wäre  doch  wohl  die  Pflicht  der  russischen  Slavisten  gewesen.  Schade 
dass  diese  Fehler  das  sonst  so  schön  ausgestattete  Werk  verunstalten  müssen. 

r.  J. 


Kleine    Mittheilungen. 


Serbokroat.  kalos  ^(rothe)  Tulpe''. 

Als  Name  zumeist  der  rothen  Tulpe  begegnet  dieses  Wort  zuerst  im  be- 
kannten Lexikon  Micaglias  (Loreto-Ancona  1649 — 51;,  dann  bei  den  späteren 
Lexicographen  Della  Bella  und  Stulli,  heutzutage  aber  in  der  Deminutivform 
kalösic  in  Ragusa,  sowie  in  der  Nebenform  holos  nach  Sulek  im  Dravethale  (in 
Kroatien),  der  auch  die  Form  kulos  aus  Ragusa  erhalten  haben  soll.  Das 
Nähere  darüber  kann  man  im  Wörterbuch  der  südslavischen  Akademie  nach- 
schlagen, wo  Budmani  mit  richtigem  inneren  Sprachgefühl  ein  slavisches 
Etymon  für  dieses  Wort  gar  nicht  suchte,  vielmehr  mit  der  Bemerkung  ,un- 
bekannten  Ursprunges'  sich  begnügte.  In  der  That  wurde  die  Blume  nach 
Demjenigen  benannt,  der  sie  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVI.  Jahrh.  aus  der 
Levante  nach  Ragusa  einführte  !  Zu  dieser  Zeit  nämlich  lebte  und  wirkte  in 
Ragusa  der  Gelehrte  Anton  Medo,  der  sich  hauptsächlich  mit  Philosophie  be- 
schäftigte und  einige  Werke  aus  dem  Gebiete  dieser  Disziplin  auch  ver- 
öffentlichte. Sein  Beiname  war  Kalos,  wie  wir  dies  aus  der  Widmung  seines 
Werkes  In  lihrum  duodecimum  metaphysicae  Aristotelis  expositio  (Venedig 
1598)  mit  Bestimmtheit  ersehen,  wo  ersieh  selbst  nennt  »Antonius  Medo  qui 
et  Callos«;  die  Erklärung  aber,  wie  es  dazu  kam,  dass  diese  Blume  nach 
seinem  Beinamen  bezeichnet  wurde,  gibt  uns  sein  ein  Jahr  später  ebenfalls 
in  Venedig  gedrucktes  Werk  Iii  librum  septimum  metapliysicae  Arütotelis  ex- 
positio, das  dem  in  Padua  lebenden  Gelehrten  Joh.  Vinz.  Pinelli  gewidmet 
ist.  In  dieser  Widmung  erzählt  uns  nun  Medo,  wie  er  im  vorhergehenden 
Jahre  nach  Venedig  gekommen  sei,  um  das  zuerst  erwähnte  Werk  heraus- 
zugeben, und  bei  dieser  Gelegenheit  den  Pinelli  aufgesucht  und  mit  ihm  ein 
längeres  Gespräch  in  dessen  Garten  geführt  habe;  in  die  Heimath  zurück- 
gekehrt, habe  er  ihm  auch  verschiedene  seltene  Blumensorten  geschickt. 
Dann  setzt  Medo  also  fort:  »Nam  libentissime  uiderem,  an  hoc  tempore  (die 
Widmung  trägt  das  Datum  vom  13.  Februar  1599)  mei  Calloscj,  &  alij  hiberni 
flores  ä  me  tibi  missi  exornent  nostri  colloquij  locum?  Calloscios  ideö  meos 
dico,  quia  hoc  genus  florum  multis  ante  annis  ex  Oriente  ad  me  allatum  agno- 
mine  meo  apud  nos  Calloscij  appellatum  est«.  Auf  diese  Weise  also  wurde 
die  rothe  Tulpe  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVI.  Jahrh.  in  Ragusa  kalos  be- 
nannt, woher  sich  der  Name  im  Laufe  der  Zeit  bis  ins  kroatische  Dravethal 
verbreitete,  denn  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  eben  kolos  aus  kalos  ent- 
standen ist.    Woher  der  Beiname  Kalos  des  Ragusaners  Medo  stammt,  ist 


I 


Kleine  Mittheilungen.  609 

natürlich  eine  ganz  andere  Frage;  wahrscheinlich  steht  er  mit  griech.  xaXo^ 
oder  xüV.os  in  Verbindung.  Es  scheint  aber,  dass  der  Beiname  auch  au.sser- 
halb  Ragusaa  bekannt  war,  denn  in  Bosnien  gibt  es  im  Kreise  Banja  Luka 
ein  Dorf  Kalosevic,  wobei  kalos  nicht  als  Blumenname,  sondern  als  persön- 
licher Beiname  zu  Grunde  liegt.  M.  Resetar. 


Serhokroatisch  zur  ^num^  forsan'' . 

Das  Wort  hat  im  Serbokroatischen  eine  zweifache  Verwendung:  ge- 
wöhnlich ist  es  eine  Fragepartikel,  ungefähr  in  dem  Sinne  des  deutschen  etwa 
oder  des  lateinischen  num,  womit  der  Fragende  seine  Verwunderung  über  die 
der  Frage  zur  Grundlage  dienende  Thatsache  ausdrückt,  z.B.  zar  si  zahoravio  ? 
nijesi  li  ga  zar  vidio?;  seltener  wird  zar  als  Adverb  mit  der  Bedeutung  , viel- 
leicht, anscheinend'  gebraucht,  z.  B.  doci  ce  zar  i  on;  dijete  samo,  a  zar  i 
gladno,  stane  plakati.  Miklosich  bringt  dieses  nur  im  Serbokroatischen  vor- 
kommende zar  mit  der  nordwestslavischen  Fragepartikel  za  in  Verbindung 
(Etym.  Wbch.  s.  v.  za  2)  und  fasst  das  -r  wie  in  jer  u.  s.  w.  auf,  nimmt  somit 
an,  dass  zar  aus  *za-ze  sich  entwickelt  habe  (Vergl.  Gramm.  IV,  169).  Diese 
Erklärung  Miklosich's  wird  auch  von  Maretic  (Rad  93,  72)  gebilligt,  der,  wenn 
ich  nicht  irre,  zuerst  auch  die  bei  einigen  serbokroatischen  Schriftstellern  des 
XVIII.  Jahrh.  vorkommenden  Nebenformen  zaj'er,  zaer  erwähnt;  letztere  er- 
klärt Maretic  als  eine  Zusammensetzung  des  ursprünglichen  *za  mit  dem  in 
interrogativer  Bedeutung  genommenen  jer.  Gerade  die  letzteren  Formen 
hätten  aber  auf  die  richtige  Fährte  bringen  sollen:  zax  ist  wohl  durch  Kon- 
traktion aus  zaer,  zajer  entstanden  (daher  das  lange  a),  letzteres  aber  ist 
höchst  wahrscheinlich  nichts  anderes  als  das  türkische  zahir  , scheinbar,  an- 
scheinend'. M.  Resetar. 


Ueher  die  slavische  Philologie  an  den  Universitäten  DeutscMands 

äussert  sich  ein  pseudonymer  »Promachos«  in  dem  Aufsatz  »DieEntwickelung 
der  Geisteswissenschaften  und  die  Zukunft  der  Universitäten«,  der  uns  als 
Sonderabdruck  aus  der  Frankfurter  Halbmonatsschrift  »Das  freie  Wort«  (aus 
V.  Jahrg.  1905,  lieft?  u.  8j  zugeschickt  wurde,  in  folgender  Weise:  »Die 
klassischen  Philologen  sind  noch  immer  oben  auf,  auch  Romanisten  und  Ger- 
manisten sind  nicht  schlecht  daran,  sie  liefern  ja  das  Lehrmaterial  für  die 
höheren  Schulen,  kurz  das  Geschäft  lohnt  sich.  Als  nun  die  Slavistik  als 
dritte  im  Bunde  sich  zu  den  beiden  Schwestern  gesellen  wollte,  da  war  die 
Behörde  schon  gewitzigt  —  wahrscheinlich  durch  die  Erfahrung  mit  der 
Orientalistik  — ,  Preussen  bewilligte  zwei  Professuren  für  das  ostelbische 
Deutschland  (Berlin  und  Breslau),  Sachsen  eine  (Leipzig,  alle  übrigen 
17  Universitäten  gingen  leer  aus,  und  so  ereignete  sich  das  Unge- 
heuerliche, dass  man  Arabisch  und  Indisch,  also  asiatische  Sprachen,  auf 
jeder  Universität  studiren  kann,  das  uns  immer  näher  auf  den  Leib  rückende 

Archiv  für  slavische  Philologie.   XXVII.  39 


610  Kleine  Mittheilungen. 

Slavisch  dagegen  nur  auf  jenen  drei !  Aber  eben  weil  man  sich  praktisch  mit 
Russisch  und  Polnisch  abfinden  muss,  glaubt  man  ihm  wissenschaftlich 
nichts  schuldig  zu  sein  oder  doch  möglichst  wenig.  So  kann  man  an  dem 
Vergleich  der  orientalischen  und  der  slavischen  Philologie  studiren,  wie  leicht 
der  Idealismus  in  falsch  verstandenen  Utilitarismus  umschlagen  kann«. 

Es  freut  uns,  dass  sich  die  Stimmen,  die  auf  die  auch  in  unserer  Zeit- 
schrift öfters  hervorgehobene  Lücke  der  deutschen  Universitäten  aufmerksam 
machen,  mit  jedem  Jahre  mehren.  Wir  möchten  nur  bemerken,  dass  nicht 
die  ganze  Schuld  auf  die  Regierungen  fällt.  Es  sei  nur  daran  erinnert,  dass 
vor  einiger  Zeit  in  München  die  Regierung  wirklich  bereit  war,  eine  Professur 
für  die  slavische  Philologie,  mit  besonderer  Rücksicht  der  russischen  Sprache 
und  Literatur,  zu  errichten,  allein  —  der  Landtag  hat  die  dazu  nöthigen  Gel- 
der nicht  bewilligt.  Red.  d.  Arch.f.  slav.  Phil. 


Eine  typographische  Thorheit. 

Unter  diesem  Titel  wendet  sich  Prof.  Brugmann  in  Leipzig  in  der  Bei- 
lage zur  Allgemeinen  Zeitung  1905,  Nr.  156,  S.  61  an  alle  Gelehrten  Deutsch- 
lands und  des  Auslandes  mit  der  Bitte,  dafür  zu  sorgen,  dass  bei  den  Sonder- 
abzügen, den  sogenannten  Separata,  ihrer  Ablandlungeu  aus  verschiedenen 
periodischen  Schriften  ja  nicht  die  Seitenzahlen  der  ursprünglichen  Mitthei- 
lung (in  der  Zeitschrift  oder  einer  beliebigen  periodischen  Schrift)  geändert, 
sondern  beibehalten  werden,  so  wie  sie  in  der  betreffenden  Zeitschrift  stehen, 
weil  es  »die  gute  Sitte  erheischt,  dass  man  nicht  nach  den  Seitenzahlen  der 
ja  vielleicht  nur  in  20  oder  25  Exemplaren  in  der  Welt  existirenden  Sonder- 
abzüge, sondern  nach  den  Seitenzahlen  des  Bandes  selbst  citirt«.  Unsere 
Zeitschrift  befolgt  allerdings  von  Anfang  an  diesen  Grundsatz,  wir  können 
uns  aber  mit  Rücksicht  auf  die  öfters  die  ursprünglichen  Seitenzahlen  ändern- 
den SAbzüge,  die  uns  aus  verschiedenen  slavischen  Ländern  zukommen,  dem 
berechtigten  Wunsche  nur  anschliessen.  Selbstverständlich  sollten  der  Titel 
der  Zeitschrift  oder  periodischen  Schrift,  dann  das  Jahr  und  der  Band  (Jahr- 
gang) bei  dem  Sonderabdruck  nie  übergangen,  sondern  möglichst  augenfällig 
gemacht  werden.  Mit  Recht  klagt  Prof  Brugmann:  »Um  die  betreffenden 
Seitenzahlen  des  Bandes,  mitunter  zugleich  auch  die  Zahl  des  Bandes  und 
den  Titel  der  Zeitschrift  zu  ermitteln,  hat  der  Beschenkte  hinterher  gewöhn- 
lich Laufereien  und  überhaupt  Scherereien,  wie  sie  ein  höflicher  Mensch 
einem  Mitmenschen  nicht  zumuthen  sollte,  zumal  wenn  er  es  so  leicht  hat, 
dem  Mitmenschen  die  Last  zu  ersparen«.  Fort  also  mit  diesem  alten  Zopf, 
wollen  auch  wir  mit  Prof.  Brugmann  sagen.  Hed.  d.  Arch.f.  slav.  Phil. 


Zur  Bekehrung  Wladimir' s  I. 

Nach  der  sagenhaften  Ueberlieferung  der  altrussischen  Nestor-Chronik 
(Kap.  XL — XLIII)  wird  das  für  die  Kulturanfänge  Russlands  epochemachende 


Kleine  Mittheilungen.  (^\\ 

Ereigniss  der  Bekehrung  und  Taufe  Wladimir's  I.  und  seines  Gefolges  (seiner 
Druzina)  vom  J.  98S  auf  drei  verschiedene  Beweggründe  zurückgeführt: 

1)  auf  den  tiefen  Eindruck,  den  ein  von  dem  griechischen  Philosophen 
(i.  e.  Geistlichen)  am  Schlüsse  seiner  Paraphrase  der  biblischen  Hcilsgeschichte 
gezeigtes  Gemälde  über  das  Jüngste  Gericht  auf  die  Seele  des  Grossfürsten 
machte; 

2)  auf  seine  unerwartet  rasche  Einnahme  der  von  ihm  belagerten  Festung 
Cherson  (an  der  Westküste  der  Krim; ; 

3)  auf  seine  wunderbare  Genesung  und  wiedererlangte  Sehkraft  nach 
Empfang  der  Taufe  sowie  seine  darauf  erfolgte  Vermählung  mit  der  byzan- 
tinischen Fürstin  Anna.  — 

Ueber  das  zuerst  angeführte  Motiv  sei  uns  gestattet,  eine  kurze  Bemer- 
kung beizufügen  oder  vielmehr  nur  eine  Frage  daran  zu  knüpfen.  Von  wel- 
cher Beschafifenheit  soll  man  sich  jenes  Gemälde  (in  der  altrussischen  Chronik 
Zapöna  genannt,  1.  e.  nach  Miklosich's  Lexicon  Palaeo-Slovenico-Graeco-La- 
tinum  durch  naQccniTuaur.  erklärt,  d.  h.  Vorhang  oder  Schleier)  etwa  vor- 
stellen, welches  von  dem  griechischen  Geistlichen  aus  Konstantinopel  nach 
Kiev  mitgebracht,  dem  Grossfürsten  gezeigt  wurde,  und  das  Jüngste  Gericht 
darstellte?  War  es  eine  Federzeichnung  oder  ein  Gemälde  mit  Farben  auf 
Leinwand  entworfen,  vielleicht  einer  der  frühesten  künstlerischen  Versuche 
der  byzantinischen  Malerei?  — 

Oxford,  21.  Juni  1905.  H.  Krebs. 


Der  kluge  Knabe. 
Ein  kroatisches  Märchen  aus  dem  Kreis  »Die  kluge  Dirne«. 
Während  meiner  Studienzeit  in  Wien  (bis  Oktober  1860)  fesselte  meine 
Aufmerksamkeit  das  damals  durch  die  Forschungen  Benfey's  in  Schwung 
gekommene  vergleichende  Studium  der  Märchen.  Ich  las  u.  a.  mit  Aufmerk- 
samkeit auch  seinen  im  »Ausland«  Jahrgang  1859,  Nr.  20 — 25  erschienenen 
Artikel  »Die  kluge  Dirne.  Die  indischen  Märchen  von  den  klugen  Räthsel- 
lüsern  und  ihre  Verbreitung  über  Asien  und  Europa«.  Während  meiner  im 
nächsten  Decennium  ausgeübten  Lehrthätigkeit  pflegte  ich  jede  Gelegenheit 
zu  ergreifen,  um  den  reiferen  Schülern  der  obersten  Gymnasialklassen  die 
Bedeutung  der  Märchen  für  das  wissenschaftliche  Studium  klar  zu  machen. 
Auf  den  besagten  Artikel  Benfey's  durfte  um  so  eher  hingewiesen  werden, 
als  ja  darin  auch  aus  der  Sammlung  der  serbischen  Volkserzählungen  Vuk's 
Nr.  25  »^jeBOJKa  uapa  HaaMyjpiiJia«  zur  Sprache  kam.  Aus  diesem  Anlass 
wurde  ich  von  einem  Schüler  auf  ein  kroatisches  Märchen  aufmerksam  ge- 
macht, das  in  dem  damals  lithographirt  unter  der  Gymnasialjugend  ver- 
breitet gewesenen  »Liljan.  List  gimnazijalne  mladezi  V.  razreda«  mitgetheilt 
wurde.  Ich  bekam  ein  Exemplar  der  betreffenden  Nummer,  das  ich  als  eine 
jetzt,  glaub'  ich,  bibliographische  Seltenheit  beschreiben  will.  Nach  dem  an- 
geführten Titel  folgt  die  Angabe:  Br.  2.  Izlazi  1115.  Tee.  II.  U  Zagrebu  15 
Studenoga  1867,    An  erster  Stelle  steht  ein  Gedicht:  Berba.  Spevao  Hugo 

39* 


612  Kleine  Mittheilungen. 

Badalic,  darauf:  Nezahvalnik.  Izvorno  pise  Jos.Plattnar  (von  diesem  »Origi- 
nal« sind  hier  Kap.  2  und  3  mitgetheilt  und  am  Schluss  heisst  es  »sledi  dalje«), 
und  nun  kommt  der  Text  des  Märchens,  den  ich  unten  mittheilen  will.  Auf 
der  letzten  Seite  findet  man  ein  Eäthsel  »Zagonetka  od  Mije  Biscana«  mit 
der  Angabe  der  Namen  jener,  die  den  Rebus  der  ersten  Nummer  gelöst 
hatten,  zum  Schluss  die  Ankündigung  der  Redaktion  betreffs  der  Prae- 
numeration.  Als  Redakteur  fungirte  der  verstorbene  Hugo  Badalic.  Als  ich 
nun  das  in  diesem  belletristischen  Schiilerorgan  mitgetheilte  Märchen  las, 
wollte  ich  es  als  treffende  Parallele  zu  dem  mir  in  der  Erinnerung  gebliebenen 
Aufsatz  Benfey's  im  »Ausland«  zum  Gegenstand  einer  wissenschaftlichen 
Mittheilung  machen,  und  da  damals  »Ausland«  in  Agram  nicht  zu  finden 
war,  Hess  ich  mir  den  vollen  Inhalt  des  Artikels  von  einem  kroatischen  Lehr- 
amtskandidaten (jetzt  Universitätsprofessor  in  Agram)  abschreiben.  Wie  leider 
BO  oft  in  meinem  Leben  drängten  die  sich  überstürzenden  Aufgaben  diesen 
Plan  zurück,  er  blieb  unausgeführt,  aber  die  Nummer  des  Schülerblättchens 
sammt  der  Abschrift  des  Benfey'schen  Artikels  hat  sich  in  meiner  Bibliothek 
bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten.  Ich  weiss  selbst  nicht,  warum  ich  im 
Archiv  V,  S.  47,  wo  das  Märchen  »Das  kluge  Mädchen«  analysirt  und  von 
R.  Köhler  ?nit  reichlichen  Varianten  versehen  wurde,  nicht  auch  diese  Pa- 
rallele zur  Sprache  brachte.  Was  damals  nicht  geschah,  soll  hier  nachgeholt 
werden.  Ich  beschränke  mich  auf  die  Wiedergabe  des  kroatischen  Textes, 
treu  in  der  Form,  wie  sie  der  oben  erwähnte  »Liljan«  gibt,  bemerke  nur,  dass 
der  Text  aus  Slavonien  herrühren  dürfte.  Alles  übrige  verdankt  der  Leser 
Prof.  Polivka,  der  die  grosse  Freundlichkeit  hatte,  wie  einst  R.  Köhler,  den 
von  mir  gelieferten  Text  mit  reichlichen  Varianten  und  einer  genauen  Ana- 
lyse des  Inhaltes  zu  versehen. 

Mudri  decak. 
Narodna  pripovest,  prioböio  ja  Iv.  Gabric. 

Nekoc  bili  sin  i  otac.  Njih  bi  dvojica  uvek  isla  na  oranje.  Jednoga 
dana  oru  oni,  al  jim  se  najednoc  oko  10  satih  pokvari  plug.  Sada  otac  uzme 
lemes  i  certalo,  pa  jih  odnese  na  popravak,  a  sina  ostavi  kod  volovah,  neka 
pazi,  da  neidu  u  kvar.  Otac  ode,  a  sin,  kako  je  bio  umoran  od  posla,  legne 
spavati.  Do  mala  povrati  se  otac,  pa  kad  vidi,  gde  mu  sin  spava,  odpase 
remen,  pa  udri  po  ujem,  ko  po  volu.  Sin  se  berze  probudi,  a  otac  ga  zapita: 
»A  gde  SU  ti  volovi?«  Sin  odgovori:  »Nezuam  ja  nista  za  nje,  jer  sam  spa- 
vao,  nego  sam  nesta  lepa  sanjao,  al  ti  necu  da  kazem«.  A  otac  opet  njega 
remenom  udri,  tuci,  ue  radi  volovah,  nego  radi  njegova  sna,  sto  mu  ga  nece 
da  kaze.  Slueilo  se  bas  tako,  da  je  kralj  onnda  sa  svojom  vojskom  prolazio. 
Oa  odmah  posalje  jednoga  vojnika,  neka  pita  toga  seljaka  zasto  tuce  svoje 
dete.  »Tucem  ga  i  zato,  sto  mije  volove  pustio  u  kvar,  a  i  zato,  sto  je  san 
snio,  pa  mi  ga  taji«.  Kralj  dade  toga  coveka  pitati,  bi  li  mu  hteo  dati  svoga 
sina.  Ou  privoli.  Kralj  odvede  njega  u  svoj  dvor.  U  berzo  mu  omili,  a  kralj 
ga  je  Ijubio  kao  rodjeno  dete.  Imao  je  takodjer  i  kcer,  pa  su  se  njih  dvoje 
pazili  i  Ijubiü,  kao  brat  i  sestra.    Nu  kad  oni  ponarastu,  pocmu  zli  Ijudi  o 


Kleine  Mittheilungen.  613 

njih  svasta  zla  kralju  kazivati.  Kralj,  kad  je  cuo  to,  dade  sazidati  kulu  pa 
onda  njega  zazidju  unutar.  Njegova  posestrima,  a  kraljeva  kci  moli  svoga 
otca,  da  joj  ne  da  zazidati  bratca,  ali  sve  za  badava.  Kad  je  vidila,  da  ne- 
moze  namoliti  otca,  otidje  k  zidarom,  pa  jih  zamoli,  neka  joj  na  kuli  ostave 
jedan  prozorcid,  kolik  glava,  »da  se  mozemo  ja  i  brat  razgovarati«.  Zidari  je 
poslusaju. 

Kad  je  kula  gotova  bila,  isla  bi  ona  uvek  do  kule,  pa  ponesi  kradimice 
bratu  jela,  razgovoraj  se  s  njim,  te  placi  radi  njegove  nesrece. 

U  to  vreme  posalje  turski  carovomu  kralju  jedan  stap,  i  pise  mu:  »Ako 
mi  pogodis  na  kojem  je  kraju  ovaj  stap  tezi,  bit  du  ti  prijatelj ;  ako  li  ne,  a 
glava  s  tebe«.  —  Kralj  kusa  na  svake  ruke,  ali  za  ludu.  Ode  kci  do  kule,  pa 
kaze  bratu,  tako  i  tako.  Brat  joj  se  smili,  ne  radi  kralja,  nego  radi  nje,  pa 
kaze:  »Nista  lagljega  nego  to.  Kazi  otcu,  neka  napuni  posudu  vodom,  pa 
neka  turi  stap  u  vodu,  pa  ce  videti,  na  kojem  je  kraju  tezi«.  Ona  ode  opet 
natrag,  ali  nije  onaj  dan  nista  govorila,  nego  zorom  drugoga  dana  kaze  otcu, 
da  Je  sanjala,  kako  ce  pronaci  tezinu  stapa.  I  ucine,  kako  je  toboze  sanjala. 
Zatim  zabiljeze  tezi  kraj,  i  posalju  ga  sultanu. 

Za  nekoliko  nedeljah  posalje  mu  sultan  tri  sasvim  jednaka  konja,  pa 
mu  poruci,  ako  nepogodi,  koji  je  najstariji,  koji  li  srednji,  a  koji  najmladji, 
da  uece  dobro  proci. 

Kralj  se  zabrine.  »Pervo  je  Jos  kako  tako«,  kaze  on,  »ali  gde  cu  ja 
konje  sasvim  jednake  razpoznavati,  koji  je  stariji  ili  mladji.  Toga  ja  nikako 
znati  nemogu«.  Ali  kci  njegova  opet  ode  do  kule,  pa  izpripoveJi  sve  svomu 
pobratimu.  A  on  odgovori:  »Nista  lagljega  nego  to!  üzmite  kukuruza,  zobi 
i  psenice,  pa  metnite  pred  konje.  Najstariji  ce  jesti  psenicu,  srednji  zob,  a 
najmladji  kukuruz«.  Ona  ode,  pa  nekaze  nikomu  nista  onaj  dan,  vec  u  jutro 
rano  kaze  svomu  otcu,  da  je  tako  i  tako  sanjala.  Otac,  kralj  zbilja  tako 
uradi  kako  mu  je  kci  kazala,  a  zatim  zabiljeziv  konje,  posalje  jih  k  sultanu. 

Za  kratko  vreme  eto  ti  opet  sultanova  glasnika,  gde  nosi  poruku : 
»Sve  si  pogodio,  ali  ako  mi  ovoga  nepogodis,  sto  ti  sada  porucujem,  razpast 
ce  ti  se  kraljestvo,  jer  du  te  pogubiti.  Ti  moras,  kad  ja  budem  kad  stola 
sedio  i  casu  vina  pio,  probiti  prozor  i  iztepsti  mi  casu  iz  rukuh  jednom  pali- 
com«.  To  kralja  natera  u  strah.  »Sta  cemo«,  kaze  kralj,  »kderi,  uciniti.  Sad 
propadosmo,  jer  toga  nemozemo  uciniti«.  Kci  ode  opet  do  kule  pa  zapita  za 
savet  svoga  brata. 

On  odgovori:  »Kazi  otcu,  da  ti  se  je  prisnilo,  da  toga  nemoze  nitko 
uciniti,  nego  ja«.  Ona  tako  i  uradi.  Kralj  dade  od mah  razoriti  kulu.  Zatim 
dovedu  pred  kralja  njegova  posinka.  Kralj  mu  odmah  progovori:  »Oprosti 
sinko,  sto  sam  te  toliko  mucio  i  gladom  i  zedjom«.  Na  to  sin:  »Mili  otce,  ja 
ti  sve  prastam,  samo  mi  budi  otac,  kao  i  prije,  ajacu  ti  biti  sin,  poslusan 
kao  i  prije«.  Sada  mu  kralj  pripovedi  sve.  A  on  mu  odgovori:  »Daj  mi  na- 
put  nekoliko  vojnikah,  jednu  zurmu,  i  palicu«.  Kad  su  dosli  do  careva 
dvora,  razbije  on  zurmom  prozor,  a  stapom  mu  iztepe  casu  iz  rukuh.  Sultan 
odpise:  »To  nije  moguce,  da  si  se  ti  sam  tomu  dovijao.  Ti  moras  imati 
tumaca«. 

Sultan  zaderzi  svoje  goste  nekoliko  danah  u  svom  dvoru. 


614  Kleine  Mittheilungen. 

Ovaj  si  pako  kraljev  sin  izabere  trojicu  izmedju  svojih  pratilacah,  pa 
Jim  dade  svim  jednako  odelo  kao  i  sebi  napraviti.  Sultan  jih  po  njegovoj 
zelji  sm^sti  u  jednoj  sobi;  nu  probije  jedan  pecnjak,  pa  zapovedi  kuharici 
pod  zivu  glavu,  da  slusa,  sto  ce  se  oni  razgovarati.  Oni  se  unutri  vesele, 
piju,  jedu  i  razgovaraju  se.  Tada  zapita  jedan  kraljeva  sina:  »Zasto  i  kako 
je  ovaj  kruh  tako  tecan,  ja  Jos  nisam  ovakova  nikada  jeo«.  »To  je  zato,  od- 
govori  kraljevic,  jer  sultan  ima  kerstjanku  kuharicu,  koja  kad  kruh  mesi, 
uvek  ima  nekakvih  bilinah,  sto  jih  unutar  metje«. 

Sultan  je  zapovedio  svojoj  sluzkinji,  neka  onomu,  komu  budu  pervomu 
cizme  izuvali,  proreze  s  traga  kaput.  Kad  su  ovi  isli  spavat,  svuku  najprije 
kraljevieu  cizme.  Sluzkinja  je  dobro  videla  kroz  pecnjak,  kamo  je  on  svoje 
odelo  obesio,  pa  dodje  po  noci,  te  mu  proreze  kaput. 

Kad  se  oni  u  jutro  probude  opazi  kraljevic,  da  mu  je  kaput  prorezan. 
On  odmah  ostaloj  trojici  takodjer  proreze  na  istom  raestu. 

Malo  kasnije  zovne  jih  sultan  k  sebi,  pa  zapita:  »Tko  je  ono  sinoc  razla- 
gao,  zasto  je  kruh  tako  tecan?«  A  oni  odgovore  po  kraljevidevu  naputku : 
»Mi  neznamo  nista  od  toga«.  «Eh,  kad  vi  nezoate,  znam  ja«,  kaze  kralj. 
Onaj  je  razlagao,  kojemu  je  kaput  na  ledjih  prorezan.  Svi  se  okrenu,  al  kad 
tamo,  svi  kaputi  na  istom  mestu  prorezani.  Sada  kralj  spozna  njihovu  ve- 
stinu,  nadari  jih  i  odpusti. 

Po  sto  kupio,  po  to  i  prodo.  Ako  onaj  laze  koji  mi  je  to  pripovedao,  i 
ja  mu  pomazem.  —  y  j^^-^ 

Dieses  kroatische  Märchen  aus  Slavonien  hat  eine  Reihe  von  Parallelen, 
und  zwar  1)  eine  kroatische  aus  der  Umgebung  von  Warasdin:  Valjavec  Nar. 
pripovjedke  S.  131  ff.,  Nr.  8;  2)  zwei  magj-arische :  a)  Jones  &  Kropf  Magyar 
Folk  Tales  S.  233  f.,  Nr.  45  =  Erdelyi  IV,  269,  welches  Benfey  in  dem  oben 
citirten  Aufsatze,  nun  Kleine  Schriften  II,  202  f.  analysirte,  b}  Jones  &  Kropf 
S.  117,  Nr.  21  =  Ungar.  M.  u.  S.  Aus  der  Erdelyischen  Sammlung  übersetzt 
von  G.  Stier  S.  14,  Nr.  2,  M.  Klimo  Contes  et  legendes  de  Hongrie  S.  187  f. 
mit  einigen  geringen  Abweichungen ;  3;  zwei  kleinrussische,  a)  B.  THaxioK 
ETHorpa*.  MaTcpuH-iu  3  yropctKoi  P^'cu  II  (EiHorpa*.  SöipniiK  IV;,  S.  125  f.,  Nr.  24 ; 
b)  0.  Po3AO.ii.ci.KHH  rajiHiiBKi  Hap.  KasKu  (EiHorp.  36ipn.  VII',  N.  68  =  SCiixe  i 
Cjiobo  II,  S.  195,  Nr.  5;  4)  zwei  polnische:  a)  Malinowski  Powiesci  ludu  pol- 
skiego  na  Slasku  I,  59  f. ;  b)  Z.  Wierzchowski  Basni  i  powiesci  z  puszczy  san- 
domierskiej  (Zbior  wiadom.  do  antropol.  kraj.  XVI,  Abth.  2)  S.  67,  Nr.  11; 
5)  vier  wenig  von  einander  sich  unterscheidende  grossrussische :  drei  Mär- 
chen AeaHactCB-B  Hap.  pyccKia  cKa3KH3  Nr.  133,  II,  110  ff.,  XysaKOBt  Be.iHKo- 
pyccKifl  CKasKu  III,  S.  159  ff,  Nr.  120,  ^yaiiHCKiü  PyccKiH  ck.  Nr.  14  und  ein 
episches  Lied  bei  Pmöhukobt.  III,  S.  305  ff.,  Nr.  57 ;  alle  vier  analysirt  in  dem 
Werke  Iv.  Zdanov's  PyccKiü  öbMeBoft  anocx  S.  18  ff.;  6)  zwei  rumänische: 
a)  aus  dem  Banate  Schott  Walachische  M.  S.  125,  Nr.  9,  b)  aus  der  Moldau  : 
Arsenie  Noua  colectiune  de  basme  II,  S.  31  f.,  Nr.  7.  Vgl.  Säinenu  Basmele 
romäne  S.  967 ;  ich  kenne  bloss  den  Auszug  bei  Gaster  Literatura  populara 
romänä  S.328  ff.;  7)  eine  lettische:  Dowojna  Sylwestrowicz  Podania  zmujdz- 
kie  I,  S.  450  ff.;  8)  eine  armenische:  Chalatianz  Märchen  und  Sagen  S.  51  f., 


Kleine  Mittheilungen.  615 

Nr.  5;  9)  eine  mingrelische:  C6opHUKi>  MaTepinjion%  njin.  oniicaniH  MicTHocTeü 
H  nJieMCHi  KaBKasa  XXIV,  Abth.  2,  S.  29  f.,  Nr.  10;  10)  eine  hürkanische:  A. 
Schiefner  Ausführlicher  Bericht  über  Baron  P.  v.  Uslar'a  Hürkanische  Studien 
(Mein,  de  l'Acad.d.  Sciences  de  St.Petersbourg  VII^s.,  t.XVII,  Nr. 8)  S.99flF.; 
11)  zwei  indische,  citirt  vom  Em.  Cosquin  in  der  Abhandlung  Le  Livre  de 
Tobie  et  l'Histoire  du  Sage  Ahikar.  Revue  biblique  VIII,  Nr.l,  S.  65  ff.  Sehr 
entfernt  ist  die  von  einigen  Gelehrten  noch  herangezogene  Erzählung  aus 
Süd-Sibirien  bei  Radioff  Die  türkischen  Stämme  I,  S.  197  ff. 

Die  Einleitung  des  Märchens  findet  sich  auch  in  anderen  Versionen ; 
gleicher  Weise  schlief  auch  in  der  pol.  a)  der  Hirt  ein  und  seine  Herde  lief  ins 
Getreide ;  meistens  fragt  der  Vater  seine  Kinder  nach  ihren  Träumen,  so  bei 
Valjavec  seine  Tochter  undj  seinen  Sohn;  in  magyar.  b),  kleinruss.  a),  gross- 
russ.  seine  zwei  oder  drei  Söhne;  in  der  walach.,  mingrel.,  hürkan.  ist  nur 
von  einem  Sohne  die  Rede,  der  seinem  Vater  nicht  den  Traum  erzählen  will, 
in  der  lettischen  verweigert  dies  der  Hirt  dem  Oberhirten,  in  der  armen, 
seiner  Mutter,  ebenso  in  der  zweiten  indischen,  während  er  es  in  der  ersten 
indischen  dem  Kaiser  abschlug,  zu  dessen  Füssen  er  schlief.  Auch  in  der 
zweiten  magyar.  verweigerte  es  der  Knabe  seiner  Mutter,  doch  ist  da  eine 
andere  Einleitung  vorangeschickt,  übereinstimmend  mit  einem  neuen  einge- 
schobenen Motive:  zur  linken  Seite  des  Knaben  wuchs  zugleich  mit  ihm  eine 
Schwertscheide  und  im  Garten  ein  Schwert,  das  am  Tage  seiner  Geburt  dort 
erschien.  Die  zwei  kleinruss.  und  zwei  poln.  Versionen  weichen  ab:  es  floss 
nämlich  in  ihnen  dieser  Stoff  mit  dem  Stoff  vom  reichen  Marko  zusammen.  Der 
Brief,  mit  dem  der  arme  Knabe  zur  Kaiserin  (Königin)  geschickt  wird,  wurde 
am  Wege  umgeschrieben  von  einer  übernatürlichen  Person  (dem  Herrn  Jesus), 
der  Knabe  daher  in  der  zweiten  kleinruss.  Version  mit  der  Tochter  des  Kaisers 
vermählt;  in  der  zweiten  poln.  Version  wurde  er  mit  den  königlichen  Prin- 
zessinnen in  die  Schule  geschickt,  und  die  Prinzessin,  die  zugleich  mit  ihm 
getauft  wurde,  verliebt  sich  in  ihn.  Als  der  Kaiser  (König),  nach  Hause  zu- 
rückgekehrt, dies  erführ,  Hess  er  den  Knaben  einmauern. 

Des  geprügelten  Knaben  nimmt  sich  der  König  an  und  bringt  ihn  in 
seinen  Palast;  bei  Valjavec  ein  Graf;  im  magyar.  1.  und  2.,  im  kleinruss.  1., 
poln.  1.,  rumän.  der  König  (Kaiser);  in  der  grossruss.  bei  Athanasjev  wird  der 
an  einer  Säule  an  der  Heerstrasse  angebundene,  in  einer  anderen  Version  an 
den  Galgen  aufgehängte,  Knabe  von  einem  des  Weges  ziehenden  jungen 
Prinzen  befreit;  bei  Chudjakov  wird  der  Knabe  zuerst  von  einem  Bauern, 
dann  von  einem  Edelmann,  endlich  von  der  kaiserlichen  Familie  übernom- 
men; bei  Cudinskij  ist  der  Knabe  von  seinem  Vater  auf  drei  Jahre  in  den 
Keller  eingesperrt,  als  er  auch  dann  noch  sich  weigert,  seinen  Traum  zu  er- 
zählen, nimmt  ihn  der  Edelmann  zu  sich,  und  von  diesem  tritt  der  Knabe  in 
die  Dienste  des  Kaisers;  bei  Rybnikov  wird  der  halsstarrige  Knabe  als  Die- 
ner zu  einem  grossen  Bojar  gegeben  und  dient  dann  als  Soldat  drei  Jahre  bei 
dem  Zar  Fjodor  Vasiljic.  In  zwei  anderen  Varianten,  Athanasjev  II,  S.  114 
undAnm.,  wurde  er  ins  Wasser  geworfen  und  von  einem  Fische  verschlungen, 
später  dann  befreite  er  sich  selbst.  In  der  lettischen  kauft  ein  Geistlicher 
den  Hirten  vom  Galgen  los,  zu  dem  er  von  dem  Oberhirten  war  verurtheilt 


616  Kleine  Mittheilungen. 

worden;  der  will  ihn  dann  erschiessen  lassen,  da  er  auch  ihm  sich  weigert, 
den  Traum  zu  sagen,  und  hiervon  kaufte  ihn  der  König  los.  In  der  armen. 
Version  kommt  der  Knabe  zuerst  zu  einem  Wanderer,  dann  zum  Emir.  In 
der  mingrel.  wurde  der  Knabe  von  Eäubern,  die  ihren  Lebensunterhalt  im 
Kinderraube  fanden,  gestohlen  und  einem  Türken  verkauft,  und  von  diesem, 
da  er  auch  ihm  den  Traum  nicht  erzählen  wollte,  dem  Sultan  verkauft.  In 
der  hürkan.  musste  der  Armenier  seinen  Sohn  dem  Schah  schicken,  nachdem 
er  dessen  Verbot,  kein  Lieht  in  der  Nacht  anzuzünden,  übertreten  hatte. 

In  der  kroat.-slavon.  Aversion  Hess  der  König  den  Knaben  einmauern,  ein- 
sperren, als  die  Leute  verschiedenes  zu  reden  begannen  von  dessen  Verhältniss 
zur  Tochter  des  Königs.  In  den  meisten  Versionen  viel  besser  erzürnt  darüber, 
dass  er  auch  ihm  verweigerte  den  Traum  zu  erzählen,  so  bei  Valjavec,  ma- 
gyar.  2.,  kleinruss.  1.,  grossruss.,  rumän.,  lett,  armen.,  mingrel.,  hürkan.,  ind.; 
in  der  1.  poln.  lief  der  Hirte  schreiend  »ich  bin  als  König  gekommen«  bis  in 
die  Stadt,  in  die  Burg,  wurde  gefangen  genommen  und  vom  König  einge- 
mauert, wohl  wegen  seines  Rufes;  in  der  i.  raagyar.  schlägt  der  Knabe  es 
barsch  der  Prinzessin  ab,  obzwar  sie  ihm  dafür  ihre  Liebe  anbot,  ja  prügelt 
sie  noch;  erzürnt  darüber  verurtheilt  ihn  der  König  zum  Galgen;  von  dem 
kauft  ihn  der  ungarische  König  los,  aber  auch  dessen  Tochter  schlägt  er  ins 
Antlitz,  als  sie  ihm  sein  Geheimniss  entlocken  will,  und  so  schliesst  der  König 
ihn  ein  in  einen  für  ihn  rasch  erbauten  viereckigen  Thurm,  in  welchem  gerade 
Raum  genug  war  für  einen  Stuhl  und  einen  kleinen  Tisch,  wo  gerade  ein  Ge- 
betbuch Platz  finden  konnte. 

Auf  die  Bitte  der  Prinzessin  lassen  die  Maurer  eine  kleine  Oeflfnung 
(Fenster  u.  a.),  wodurch  sie  dem  Gefangenen  Nahrung  reichte,  so  fast  in  allen 
Versionen  ausser  den  grossrussischen  bis  auf  eine  Variante,  s.  Athanasjev  II, 
111,  Anm.2.  Nur  das  Gefängniss  wird  verschieden  geschildert,  manchmal 
befindet  es  sich  unter  der  Erde,  was  vielleicht  ursprünglicher  ist,  so  wird  der 
Jüngling  in  der  1.  kleinruss.  in  einen  extra  gebauten  Brunnen  eingemauert, 
ähnlich  in  der  mingrelischen;  in  der  hürkanischen  und  indischen  wurde  er  in 
den  Kerker  geworfen,  ebenso  theilweise  in  der  grossruss.,  oder  in  einen  eigens 
gebauten  steinernen  Thurm.  In  der  walach.  wurde  er  in  die  Ruinen  der 
weissen  Burg  eingeschlossen,  dorthin  schlich  die  Prinzessin,  von  der  Finster- 
niss  der  Nacht  geschützt,  und  brachte  ihm  Nahrung.  Abweichend  machte  er 
sich  in  der  2.  kleinruss.  selbst  eine  Oeffnung  (JIboxt,  lane  BiiuiHue).  Dieses 
treibende  Motiv  von  der  Liebe  der  Prinzessin  wurde  in  der  armen,  verlegt, 
in  der  mingrel.  vergessen.  In  der  armen,  zerschnitt  der  in  der  Bodenkammer 
eingeschlossene  Jüngling  die  Diele,  machte  sich  ein  Loch  in  das  Gemach  der 
Prinzessin,  ass  geheim  das  für  sie  vorbereitete  Gericht  auf  und  verschwand, 
bis  er  nach  vier  Tagen  von  derselben  ergriffen  wurde.  Sie  verliebten  sich, 
sodass  sie  schwanger  wurde.  Aehnlich  in  der  hürkanischen.  In  der  mingrel. 
kroch  der  Jüngling  aus  seiner  tiefen  Grube,  schlich  in  das  Gemach  der 
Tochter  des  Sultans,  ass  ihre  Speisen  auf  und  verschwand;  bald  jedoch 
wurde  er  von  ihr  gefangen  und  nun  in  den  Kerker  eingeschlossen.  In  den 
grossruss.  Versionen  ist  dieses  Motiv  ganz  vergessen  worden. 

Nach  dieser  Einleitung  folgen  die  Räthselaufgaben.  Ein  anderer,  feind- 


Kleine  Mittheilungen.  617 

lieber  Herrscher  schickt  dem  König,  der  den  Jüngling  einmauern  Hess,  Räth- 
sel  mit  der  Drohung,  ihn  mit  seinem  Heere  zu  überfallen,  zu  unterwerfen, 
falls  er  sie  nicht  löst.  Dieses  wichtigste,  zentrale  Motiv  des  ganzen  Märchens 
haben  die  groasrussischen  Versionen  vergessen.  Bloss  in  der  von  Chndjakov 
aufgezeichneten  liat  sich  eine  kurze  Ileminiscenz  davon  erhalten.  Da  legt 
der  Zar  seinen  Ministern  ein  Räthsel  vor,  und  als  die  es  nicht  lösen  konnten, 
Hess  er  den  Jüngling  aus  dem  Kerker,  sperrte  ihn  aber  sogleich  wieder  ein, 
als  er  es  gelöst  hatte. 

In  der  kroat.-slavon.  Version  ist  es  der  türkische  Kaiser,  ebenso  in  der 
l.magyar.;  in  der  2.  magyar.  ist  es  der  mächtige  Herrscher  der  hundeköpögen 
Tartaren,  in  der  1.  kleinruss.  unbestimmt  der  Kaiser  der  Heiden,  in  der 
armen,  wirbt  der  König  des  Abendlandes  um  dessen  Tochter  für  seinen  Sohn, 
in  der  mingrel.  schlössen  der  König  von  England  und  der  türk.  Sultan  einen 
Vertrag,  dass  derjenige,  der  nicht  die  auferlegten  Aufgaben  zu  Stande  bringt, 
den  Kopf  verliert;  in  der  2.  kleinruss.  ist  es  ein  Zauberer. 

Die  I.Aufgabe  ist  zu  errathen,  an  welchem  Ende  der  geschickte  Stock 
schwerer  ist,  wie  im  kroat.-slavon.,  ähnlich  bei  Valjavec;  respective  welches 
Ende  näher  dem  Stammende  des  Baumes  war,  im  2.  magyar.  (an  zweiter 
Stelle),  ähnlich  im  2.  kleinruss.,  1.  poln.,  2.  poln.  (welches  Ende  jünger,  wel- 
ches älter  ist,  an  zweiter  Stelle),  1.  und  2.  (hier  an  zweiter  Stelle)  rumän., 
armen.,  oder  welcher  von  den  geschickten  drei  Stöcken  am  nächsten  der 
Wurzel,  welcher  in  der  Mitte,  welcher  näher  dem  Gipfel  wuchs  im  l.magyar  , 
1.  kleinruss.,  ebenso  noch  in  der  ind.  —  Nach  dem  Rathe  des  eingemauerten 
Jünglings  soll  der  Stock  gewöhnlich  ins  Wasser  geworfen  werden,  im 
1.  magyar.  sinkt  am  tiefsten  zu  Grunde  der  Stock,  welcher  der  Wurzel  am 
nächsten  (der  schwerste)  ist;  welcher  weder  untersinkt  noch  auf  der  Ober- 
fläche schwimmt,  ist  aus  der  Mitte,  und  welcher  auf  der  Oberfläche  bleibt,  ist 
vom  Gipfel  (der  leichteste). 

In  einigen  Versionen  soll  der  Stab  in  der  Mitte  an  einen  Faden  ange- 
bunden werden,  der  schwerere  Theil  wird  hinabhängen,  so  in  der  2.  magyar. 
In  der  1.  poln.  soll  der  Stock  in  die  Höhe  (gen  Himmel)  geworfen  werden,  er 
wird  mit  dem  schwereren  Ende  hinunterfallen,  ähnlich  im  rumän.  l.und  2.  In 
der  lett.  Version  ist  die  Aufgabe  ausgefallen,  ebenso  in  der  grossruss.  Das 
hürkanische  Märchen  hat  hier  eine  andere  Räthselaufgabe :  der  Sultan  schickt 
dem  Schah  drei  Kisten,  sagend,  dass  sich  im  Innern  derselben  ein  altes  Weib, 
ein  junges  und  ein  Mädchen  befinden;  er  soll  bestimmen,  was  in  jeder  Kiste 
ist.    Der  Jüngling  entscheidet  diese  Frage  nach  dem  Gewichte  der  Kisten. 

Die  zweite  Aufgabe  ist  zu  errathen,  welches  von  den  drei  geschickten 
Pferden  das  älteste,  welches  das  mittlere  und  welches  das  jüngste  sei  im 
kroat.-slavon.,  2.  poln.,  oder  wie  alt  jedes  sei  bei  Valjavec,  im  1.  und  2.  klein- 
russ., 1.  poln.,  bei  Chudjakov;  von  7  weissen  Pferden  im  2. magyar.  (an  erster 
Stelle);  oder  welches  von  den  drei  Füllen  in  der  Frühe,  welches  Nachmittags, 
welches  am  Abend  geboren  wurde  im  l.magyar.;  einfacher  im  1.  rumän., 
welches  von  den  drei  in  Farbe,  Gestalt  und  Stärke  ganz  gleichen  Pferden  das 
Füllen  sei;  im  armen.,  welches  die  Stute,  welches  das  einjährige  und  welches 
das  zweijährige  sei.   Aehnlich  in  der  hürkanischen  und  in  den  indischen  Ver- 


61g  Kleine  Mittheilungen. 

sionen.  Im  2.rumän.  sind  es  statt  der  Pferde  Kälber  (die  Aufgabe  selbst  wird 
zuerst  gestellt). 

Diese  Aufgabe  wird  verschieden  gelöst:  in  der  kroat.-slavon.  wird  das 
älteste  Pferd  Weizen,  das  mittlere  Hafer,  das  jüngste  Kukurutz  fressen;  in 
der  1.  kleinruss.  frisst  das  älteste  Hafer,  das  zweijährige  Weizen,  das  jüngste 
Spreu;  in  der  2.  rumän.  das  älteste  (grösste)  Kalb  Weizen,  das  mittlere  Gerste, 
das  jüngste  (kleine)  Hirse.  In  anderen  wird  viel  natürlicher  das  Füllen  dar- 
nach erkannt,  dass  es  zur  Schüssel  Milch  läuft,  so  im  2.  poln.,  wo  das  älteste 
Pferd  Heu,  das  mittlere  Hafer  wählt,  im  1.  rumän.  die  zwei  älteren  Heu  vor- 
ziehen. Künstlicher  ist  die  Lösung  bei  Valjavec:  den  Pferden  wird  Hafer 
von  drei  Jahrgängen  vorgesetzt,  das  einjährige  frisst  den  einjährigen  Hafer 
u.  s.  f.,  ähnlich  in  der  1.  poln.  und  in  der  2.  magyar.,  wo  den  sieben  Pferden 
siebenerlei  Hafer  aus  sieben  Jahrgängen  vorgesetzt  wird.  Noch  künstlicher 
ist  die  Lösung  in  der  2.  kleinruss.:  da  wird  das  Alter  der  Pferde  nach  der 
Zeit  bestimmt,  in  welcher  sie  zur  Fütterung  kommen,  das  erste  Pferd  ist  fünf 
Jahre  alt,  das  zweite  zwei  Jahre,  das  dritte  vierthalb  Jahre;  gleichfalls  in 
dem  armen.:  zu  dem  ins  Wasser  getauchten,  mit  Salz  bestreuten  Bündel  Heu 
kommt  zuerst  die  Stute,  dann  das  zweijährige  und  schliesslich  das  einjährige 
Füllen.  —  In  dem  1.  magyar.,  welches  überhaupt  märchenhaft  ausgeschmückt 
ist,  sagt  der  Jüngling,  nachdem  er  bereits  nach  dem  Traumgesicht  der  Prin- 
zessin aus  dem  Thurme  befreit  war,  dass  in  drei  ganz  gleichen  Trögen,  und 
zwar  in  einem  Hafer,  in  dem  anderen  glühende  Kohlen,  in  dem  dritten  trockene 
Kohle  vorgesetzt  werden  sollen ;  das  am  Morgen  geborene  Fohlen  geht  zu  dem 
Hafer,  das  andere  zu  den  glühenden  Kohlen,  und  das  am  Abend  geborene  zu 
den  trockenen  Kohlen.  Bei  Chudjakov  bestimmt  der  Jüngling  das  Alter  der 
drei  Pferde  je  nachdem,  wie  viel  Schläge  an  die  Stirn  mit  seiner  sieben  Pud 
schweren  Keule  eines  erträgt,  das  einjährige  sank  zur  Erde  nach  einem 
Schlage,  das  zweijährige  nach  zwei  Schlägen,  das  dreijährige  nach  drei 
Schlägen.    Das  hürkan.  Märchen  hat  die  Lösung  dieser  Frage  verschwiegen. 

In  dem  lett.  soll  errathen  werden,  welche  Farbe  die  Fohlen  der  drei  zu- 
geschickten trächtigen  Stuten  haben  werden.  Der  Hirt  sagte  der  Prinzessin, 
dass  die  weisse  Stute  ein  schwarzes  Fohlen,  die  schwarze  ein  braunes,  und 
die  braune  ein  weisses  haben  werde,  ohne  irgend  welche  Anhaltspunkte. 
Der  König  befreite  ihn  nun  und  gewann  ihn  lieb  wie  seinen  eigenen  Sohn. 
Hieran  wird  ein  anderer  Stoff  angeknüpft  von  der  Schindmähre  —  silbernen 
und  goldenen  Wunderstute  und  der  Blume  (statt  der  goldenen  Feder),  vgl. 
Köhler  Kleine  Schriften  I,  467,542.  Cosquin  II,  294,296,300  f.  Tille  Literarni 
Studie  37.  Tille  Povidky  na  Valassku  67  (=  Närodopisny  Sbornik  VIII,  111) ; 
Närodopisny  Sbornik  VI,  220  zu  Fr.Hindes  Groome  Gypsy  Folk  Tales  Nr.  27, 
28.  CöopHnKT.  MHH.  öxjir.  XVIII,  Abth.  1,  S.  606  zu  ülanKapest  CöopHHK-B 
VIII,  Nr.  5. 

Die  dritte  Aufgabe  ist  in  der  kroat.-slavon.  Version:  dem  Sultan,  wie 
er  eben  zu  Tisch  sitzt  und  ein  Glas  Wein  trinkt,  mit  einer  Keule  das  Glas 
aus  der  Hand  zu  schlagen.  Bei  Valjavec  kommt  eine  drei  Zentner  schwere 
Keule  herangeflogen,  schlägt  dem  Grafen  den  Löffel  aus  der  Hand,  und  bohrt 
sich   bis   in    den  Keller   so  tief  ein,  dass    200  Soldaten  sie  nicht  rühren 


Kleine  Mittheilungen.  619 

konnten.  Diese  Keule  soll  dem  König  zuriickgeschleudert  werden.  In  der 
2.  magyar.  soll  der  Pfeil  zurückgeschossen  werden,  der  tief  in  die  Mauer  des 
königlichen  Palastes  eindrang  und  dessen  Grundlagen  wie  ein  Erdbeben  er- 
schütterte. In  der  l.kloinruss.  war  es  eine  drei  Frachtwagen  schwere  Kugel; 
in  der  1.  poln.  bohrte  sich  eiue  eiserne  Keule  tief  in  die  Schanzen  ein,  dass 
sie  niemand  heraus  bekommen  konnte;  mit  einer  Kanone  wurde  sie  zurück- 
geschleudert und  schlug  dem  König  beim  Mittagsmahl  den  Becher  aus  der 
Hand.  In  der  2.  kleinruss.  soll  das  Glas  des  Zauberers  mit  einer  Kanonen- 
kugel getroffen  werden,  eben  wenn  er  am  Ostersonntag  aus  der  Kirche  zu- 
rückgekehrt Thee  zu  trinken  anfängt.  Aehnlich,  aber  viel  einfacher  in  der 
2.  rumän.,  vom  Wegschlagen  des  Bechers  ist  keine  Rede,  dafür  aber,  dass 
er  den  fremden  Kaiser  selbst  verwundete.  Die  zweite  polnische  Version 
schliesst  nach  der  zweiten  Aufgabe:  der  König  erfährt,  wie  der  eingemauerte 
Jüngling  weise  gerathen  hat,  befreit  ihn  und  gibt  ihm  seine  Tochter  zur  Frau 
mit  dem  halben  Königreich  als  Angebinde.  Gänzlich  wurde  sie  auch  vom 
grossrussischen  Erzähler  vergessen,  wie  überhaupt  im  weiteren  Verlauf  der 
Stoff  von  ihm  gänzlich  umgearbeitet  wurde.  In  dem  walach.  am  ausführlich- 
sten: es  soll  dem  rothen  Kaiser  vom  weissen  Kaiser  zu  wissen  gegeben  wer- 
den, um  welche  Stunde  er  am  Ostersonntag  aus  dem  Bette  steigt,  um  welche 
Stunde  er  in  die  Kirche  geht,  wann  er  bei  seiner  Tafel  den  ersten  Becher  zum 
Munde  führen  werde.  Wenn  der  weisse  Kaiser  das  alles  weiss,  mag  er  selbst 
am  Ostersonntag  in  der  Burg  des  rothen  Kaisers  erscheinen,  oder  einen  Ge- 
sandten schicken,  um  ihm  den  Pokal,  aus  dem  er  trinken  will,  aus  der  Hand 
zu  schlagen.  In  der  armen,  schickt  der  König  des  Abendlandes  einen  stähler- 
nen Spiess  und  ein  stählernes  Schild;  das  Schild  soll  mit  dem  Spiesse  durch- 
bohrt werden;  trifft  er  es,  so  gibt  er  dessen  Sohn  seine  Tochter  zur  Frau, 
wenn  nicht,  so  muss  er  die  Tochter  seinem  Sohne  schicken.  Nun  wurde  der 
Jüngling  aus  seinem  Gefängniss  befreit,  und  vollführt  diese  Aufgabe.  Der 
Emir  nimmt  nun  ihn  als  Sohn  an  und  schickt  ihn  zu  dem  König  des  Abend- 
landes, um  dessen  Tochter  zu  freien.  Hieran  wird  der  Stoff  von  den  sechs 
wunderbaren  Gefährten  angeknüpft,  die  alle  die  übernatürlichen  Aufgaben 
lösen,  und  alle  Anschläge  des  Vaters  der  Schönen  zu  nichte  machen,  und  ihm 
zur  Schönen  verhelfen.  So  kehrte  der  Held  mit  der  Tochter  des  Königs  des 
Abendlandes  heim,  und  als  er  nach  Hause  kam,  hat  ihm  auch  die  erste  Ge- 
liebte einen  Sohn  geboren,  und  so  heirathete  er  auch  sie. 

Diese  Aufgabe  kann  nur  der  Jüngling  selbst  lösen,  und  so  liess  der 
König  den  Thurm  niederreissen  und  befreite  den  Jüngling.  In  der  kroat.- 
slavon.  Version  gab  der  König  dem  Jüngling  einige  Soldaten,  ein  Fernrohr 
und  eine  Keule;  als  der  zum  Palaste  des  Sultans  kam,  schlug  er  mit  dem 
Fernrohr  das  Fenster  durch  und  schlug  ihm  das  Glas  mit  dem  Stock  aus  der 
Hand.  —  Bei  Valjavec  ist  weiter  ausgeführt,  wie  der  Jüngling  aus  der  Ver- 
mauerung  befreit  nach  und  nach  zu  Kräften  kam,  und  ganz  kurz  erzählt,  wie 
er  mit  der  drei  Zentner  schweren  Keule  dem  König  den  Löffel  aus  dem 
Munde  schlug.  Einfach  M-ird  es  erzählt  gleichfalls  im  2.  magyar.,  im  1.  und 
2.  kleinruss.,  im  1.  poln. 

Ausführlicher  ist  hier  die  1.  rumän.  Version:  Petru,  aus  den  Ruinen  der 


620  Kleine  Mittheilungen. 

weissen  Burg  befreit,  verlangt,  es  soll  in  der  Nähe  des  Schlosses,  in  welchem 
der  rothe  Kaiser  wohnt,  eine  hohe  Warte  aufgebaut  werden,  und  für  ihn  ein 
gutes  Fernrohr  gemacht  werden.  Am  Ostersonntag  stand  Petru  auf  der 
Warte,  beobachtete  mit  dem  Fernrohr,  wenn  der  rothe  Kaiser  aufstand,  Hess 
dies  von  den  anwesenden  kaiserlichen  Käthen  anmerken,  Hess  ihm  auch 
sagen,  dass  er  eine  Schar  ausgewählter  Krieger  unter  der  Führung  eines  ver- 
trauten Hauptmannes  vorbereite,  die  ihn  zum  Schloss  begleiten  und  in  dessen 
Nähe  sich  in  ein  Versteck  legen  sollten.  Weiter  beobachtete  er  durch  das 
Fernrohr,  wann  der  rothe  Kaiser  in  die  Kirche  ging,  Hess  es  anmerken  und 
schickte  zugleich  um  das  flüchtigste  Pferd.  Als  sie  nach  dem  Gottesdienste 
sich  zur  Tafel  setzten,  bestieg  Petru  das  Pferd,  flog  zum  Palast,  trat  in  das 
Gemach  in  demselben  Augenblick  ein,  als  der  Kaiser  den  Befehl  ertheilte, 
den  Festpokal  mit  Wein  zu  füllen.  Als  er  ihn  dann  zum  Munde  führte,  riss 
Petru  einem  der  Bewaffneten  die  Lanze  aus  der  Hand  und  stiess  dem  rothen 
Kaiser  den  Pokal  vom  Munde.  Hier  weicht  also  die  rumäu.  Version  ab,  indem 
da  nicht  der  Held  dem  feindlichen  Herrscher  den  Becher  mit  einem  Geschosse 
aus  der  Ferne  aus  der  Hand,  vom  Munde  weg  schiesst.  Nur  die  kroat.-slavon. 
Version  stimmt  da  überein.  Das  Motiv  mit  dem  Fernrohr  ist  natürlich  ver- 
dorben, denn  es  war  gewiss  zu  anderen  Zwecken  bestimmt,  als  das  Fenster 
durchzuschlagen.  Es  ist  also  ein  näherer  Zusammenhang  dieser  beiden  Er- 
zählungen anzunehmen. 

Das  indische  Märchen  hat  statt  dieser  dritten  Aufgabe  eine  andere:  der 
König  von  Balkh  hat  einen  Allen,  der  weiser  ist  als  alles  in  der  Welt;  wenn 
der  Kaiser  von  Koum  niemanden  findet,  der  ihn  überwinden  könnte,  wird  er 
sein  Diener.  Der  Jüngling  wird  nun  hingeschickt,  der  Affe  erklärt  sich  für 
überwunden,  der  König  ist  von  ihm  so  bezaubert,  dass  er  ihm  seine  Tochter 
zur  Frau  i^iht.  —  Im  hürkan.  ist  die  dritte  Aufgabe  ausgefallen. 

In  dem  mingrelischen  Märchen  sind  alle  drei  Aufgaben  andere  und  auch 
der  weitere  Verlauf  der  Erzählung  bis  zum  Schlussmotiv  anders.  Der  Sultan 
hat  zu  entscheiden:  1)  welche  von  den  zwei  vom  englischen  König  geschick- 
ten Tauben  dem  König  und  welche  dem  Bauer  gehöre ;  der  Jüngling  Gultaazri 
sagt,  die  Taube,  welche  vor  dem  Rauche  umfällt,  gehört  dem  König;  2)  wel- 
cher von  den  zwei  sich  ganz  gleichen  Knaben  des  Königs  Sohn  und  welcher 
des  Bauern  Sohn  ist;  der  sich  im  Schlafe  ganz  ausstreckt,  ist  der  Königs- 
sohn, und  der  die  Füsse  zusammenbiegt,  der  ßauernsohn;  3)  der  Sultan  soll 
dem  König  einen  solchen  Stier  schicken,  der  weder  schwarz  noch  roth,  noch 
weiss,  noch  anders  gefärbt  sei.  Gultaazri  stellt  dagegen  eine  andere  Auf- 
gabe: der  König  soll  ihnen  jemanden  schicken,  aber  weder  Früh,  noch 
Abends,  noch  Mittage,  noch  Mitteruachts,  weder  bei  Licht,  noch  bei  Finster- 
niss.  Diese  Aufgabe  konnte  der  König  nicht  lösen,  wollte  aber  nicht  den 
Kopf  verlieren  und  erklärte  daher  dem  Sultan  den  Krieg.  Während  der 
Schlacht  erschienen  plötzlich  in  der  Luft  zwei  kämpfende  Menschenköpfe. 
Die  Feinde  stellten  sogleich  den  Kampf  ein,  als  sie  die  wunderbare  Erschei- 
nung erblickten.  Der  englische  König  versprach  seine  Tochter  demjenigen 
zur  Frau,  welcher  diese  Erscheinung  erklärt.  Es  meldete  sich  Gultaazri  und 
erzählte  die  Geschichte  zweier  Brüder,  die  sich  verfeindeten,  die  Köpfe  sich 


I 


Kleine  Mittheilungen.  621 

abschlugen,  und  daher  von  Gott  verurtheilt  wurden,  in  der  Welt  herurazu- 
irren;  nun  erschienen  sie  und  kämpfen,  um  den  beiden  feindlichen  Herrschern 
zu  zeigen,  dass  Gott  auch  mit  ihnen  gleich  verfahren  wird  wie  mit  den  zwei 
Brüdern.  So  versöhnten  sie  sich,  und  Gultaazri  bekam  nicht  bloss  die  Toch- 
ter des  Königs  von  England,  sondern  auch  die  Tochter  des  Sultans,  der  stolz 
war,  in  seinem  Heere  einen  solchen  Weisen  zu  haben. 

Bei  der  Lösung  der  dritten  Aufgabe  erscheint  also  im  1.  rumän.  und 
kroat.-slavon.  Märchen  der  weise  Jüngling  zugleich  im  Palaste  des  feindlichen 
Herrschers.  Aehnlich  im  hürkan. :  nachdem  auch  die  zweite  Frage  glücklich 
beantwortet  worden  war,  sandte  der  Sultan  ein  Schreiben  an  den  Schah,  er 
solle  ihm  den  Menschen  schicken,  der  seine  Fragen  beantwortet  hatte.  Als 
der  Jüngling  kam,  sagte  ihm  der  Sultan:  Aus  dem  grossen  Stein  nähe  mir 
ein  Kleid.  Der  Jüngling  ging  hinaus,  grub  und  brachte  Sand  herbei  und  gab 
ihn  dem  Sultan:  Mache  du  Zwirn,  sagend.  Der  Sultan  sagte:  kann  man 
denn  solchen  Zwirn  machen?  Solche  Kleidung  kann  man  nur  mit  solchem 
Zwirn  nähen,  sagte  der  Jüngling.  Der  Sultan  wollte  ihn  früher  tödten,  aber 
nun  verzieh  er  ihm,  gab  ihm  seine  Tochter  zur  Frau  und  entliess  ihn. —  Diese 
Aufgabe  »aus  dem  grossen  Stein  ein  Kleid  zu  nähen«  und  »aus  Sand  Zwirn 
zu  machen«  erinnert  lebhaft  an  die  zuletzt  Haikar  auferlegte  Aufgabe,  die 
sich  dann  vielfach  in  einer  Eeihe  von  Erzählungen  verschiedenst  variirt 
wiederholt,  vgl.  Bece.iOBCKiü  CüaB.  CKasaiilK  o  CojroMOiii  ii  Kuionpaci  34S  f. 
Lidzbarski  Geschichten  .  .  aus  neu-aram.  Hss.  33,  Meissner  in  der  Zs.  deutsch, 
morg.  Ges.  XL VIII,  175,  195.  Chauvin  Bibliographie  des  ouvrages  arabes 
VI,  40.  Wenn  im  hürkan.  Märchen  der  Jüngling  »  aus  dem  grossen  Stein  ein 
Kleid  nähen  soll«,  so  ist  wohl  die  Haikar  auferlegte  Aufgabe  »einen  zer- 
brochenen Mühlstein  zusammenzunähen«  verderbt.  In  anderen  Versionen 
schickt  der  feindliche  Herrscher  erst  nach  der  glücklichen  Lösung  der  dritten 
Aufgabe  nach  dem  weisen  Jüngling,  um  ihn  kennen  zu  lernen,  denn  er  weiss, 
dass  der  König  nicht  aus  eigenem  Kopfe  diese  Aufgaben  gelöst  hatte.  So 
bei  Valjavec,  im  2.magyar.,  l.kleinruss.,  1.  poln.,  im  2.  rumän.,  im  1.  magyar. 
erfährt  es  der  Sultan  von  seiner  Tante-Hexe;  im  2.  kleinruss.  geht  der  Zau- 
berer selbst  zum  Kaiser  nachfragen,  wer  ihm  gerathen  habe,  und  nimmt  den 
Jüngling  mit.  Hier  knüpft  wieder  das  lettische  Märchen  an:  Der  König  ruft 
vor  sein  Gericht  den  Helden,  der  aus  seinem  Königreiche  die  Blume,  die 
Schöne,  und  das  Kästchen  mit  dem  Kleide  gestohlen  hatte. 

Der  Jüngling  wählt  sich  auf  diesem  Wege  eine  Anzahl  von  ganz  ähn- 
lichen Jünglingen,  lässt  sie  ganz  gleich  anziehen  und  bewaffnen,  und  legt 
ihnen  auf,  sich  ganz  gleich  zu  benehmen,  beim  Anrufen  alle  in  einem  Augen- 
blick sich  zu  melden  u.  s.  w.,  sodass  der  wahre  Held  nicht  herausgefunden 
werden  kann.  Als  der  König  nicht  erkennen  konnte,  nimmt  er  Hilfe  zu 
einer  dritten  Person,  lässt  sie  geheim  in  der  Nacht  beobachten  und  hierbei 
den  wahren  Helden  geheim  bezeichnen.  Gewöhnlich  durch  eine  verwandte 
Frauensperson,  oder  eine  Hexe  —  dies  führte  in  der  1.  magyar.  Version  zu 
einer  weiteren  Ausstaffierung),  bei  Valjavec  durch  seinen  Diener. 

In  der  kroat.-slavon.  Version  sprachen  die  Kameraden  zuerst,  wieso  das 
Brod  des  Sultans  so  süss  sei,  und. der  Held  erklärt  dies,  weil  die  Köchin  — 


622  Kleine  Mittheilungen. 

eine  Christin  —  in  den  Teig  gewisse  Kräuter  mische.  Eine  verderbte  Erklä- 
rung anstatt  der  gewöhnlichen,  dass  weibliche  Milch  in  dem  Brode  sei,  wie 
im  2.  magyar.  und  1.  poln.  Dann  sprachen  sie,  wieso  der  Wein  so  süss  wäre: 
vom  menschlichen  Blut  erklärt  der  Held  im  2.  magyar.  und  1.  poln.  In  dem 
von  Klimo  übersetzten  ungar.  Märchen  folgt  noch  3,  dass  das  Bett  so  ausge- 
zeichnet war,  weil  es  ein  vom  Teufel  besessenes  Weib  machte;  im  2.  magyar., 
dass  der  Tartaren-Herrscher  ein  Bastard  sei. 

Die  versteckte  Person  macht  an  dem  weisen  Jüngling  gewisse  Zeichen, 
verschiedene  in  den  verschiedenen  Versionen:  in  der  kroat.-slavon.  am  Rock, 
bei  Valjavec  an  der  Ferse  des  Stiefels,  in  der  1.  magyar.  am  Hemdkragen,  in 
der  2.  magyar.  schnitt  die  Mutter  des  tartarischen  Herrschers  ihm  eine  Haar- 
locke ab,  die  zweite  Nacht  ein  Ende  des  Schnurrbartes,  die  dritte  Nacht 
kratzte  sie  ein  Zeichen  am  Visire  des  Helmes  aus;  bei  Klimo  wurde  nur  das 
erste  Zeichen  gemacht;  in  der  1.  kleinruss.  nahm  ihm  die  Mutter  des  Heiden 
das  Hütchen  weg;  in  der  2.  kleinruss.  riss  ihm  die  Tochter  des  Zauberers 
einen  Knopf  ab,  in  der  zweiten  Nacht  schnitt  sie  ihm  ein  Stück  der  Unter- 
hosen ab;  in  der  1.  poln.  schnitt  ihm  das  Weib  Haar  hinter  einem  Ohr  ab, 
beim  Mittagsmahle  gab  er  sich  selbst  zu  erkennen,  indem  ihm  nach  der  Ver- 
abredung die  Kameraden  den  goldenen  Becher  Hessen.  —  Wie  diese  Episode 
im  2.  rumän.  Märchen  erzählt  wird,  konnten  wir  nicht  erfahren. 

Zum  Schlüsse  kommt  es  gewöhnlich  zu  einem  Kampf,  da  der  Herrscher 
den  weisen  Jüngling  verderben  will.  Nur  die  kroat.-slavon.  Version  schliesst 
ganz  friedlich:  der  Sultan  bekennt,  dass  der  Jüngling  ihn  überwunden  hat 
und  entlässt  ihn  mit  Geschenken. 

Da  es  also  zum  Kampfe  kommt,  bereitet  sich  der  weise  Jüngling  hiezu 
schon  vorhinein  vor.  Die  von  Valjavec  aufgezeichnete  Version  ist  hier  mär- 
chenhaft ausgeschmückt;  der  Jüngling,  Milutin  genannt,  belehrt  seine  Ka- 
meraden, wie  sie  sich  zu  verhalten  haben.  Der  König  hatte  sie  bereits  nach 
Haus  geschickt,  aber  da  erkannte  er  den  Helden  nach  dem  Pferde,  und  jagte 
ihm  nach.  Dem  Befehle  gemäss  knieten  die  Kameraden  nieder,  und  die  bei- 
den kämpften,  bis  die  Erde  unter  ihnen  bebte.  Der  König  Hess  dann  Flam- 
men aus  den  Zähnen  und  spie  lauter  Feuer  gegen  Milutin,  aber  auch  der  spie 
Feuer;  endlich  überwand  Milutin  den  König  und  hieb  ihm  den  Kopf  ab.  — 

In  der  1.  magyar.  Erzählung  wurde  der  Held  mit  seinen  Kameraden 
nach  Hause  gelassen,  als  er  nicht  erkannt  werden  konnte.  Nach  einiger  Zeit 
musste  der  König  den  Jüngling  allein  dem  Sultan  schicken.  Als  er  die 
Schwelle  übertrat,  griffen  ihn  fünfzehn  bewaffnete  Türken  an.  Da  kam  das 
wunderbare  Schwert  zur  Geltung,  es  sprang  aus  der  Scheide  und  zerhackte 
die  Türken  zu  Brei.  Umsonst  versuchte  die  Hexe  in  der  Nacht  das  Schwert 
zu  stehlen,  ja  das  Schwert  hieb  noch  ihre  eiserne  Nase  weg.  Den  nächsten 
Morgen  arbeitete  das  Schwert  gegen  eine  enorme  Armee,  die  der  Sultan  gegen 
den  Jüngling  aufstellte.  Ihm  zu  Hilfe  eilte  eine  Armee  des  ungar.  Königs  mit 
der  ungar.  Königstochter.  Doch  war  sie  kaum  eine  Meile  marschirt,  als  der 
Jüngling  bereits  auf  dem  Heimwege  war.  So  kehrte  er  mit  der  Armee  um, 
und  wurde  zum  Vicekönig  proklamirt. 

Viel  kürzer  ist  die  zweite  magyar.  Version :  der  König  sprang  dem  Jung- 


Kleine  Mittheilungen.  623 

ling  mit  dem  Schwerte  entgegen,  glitt  aber  unglücklicher  Weise  aus,  so 
dass  er  leicht  überwunden  werden  konnte  und  den  Kopf  verlor.  Bei  Klimo 
forderte  der  Tartarenherrselior  den  Jüngling  auf  zum  Kampfe,  und  in  dem 
geeigneten  Augenblick  durchbolirte  ihm  der  Jüngling  das  Herz.  Ebenso 
schlug  der  Held  in  der  l.kleinruss.  Version  dem  Heiden  listig  alle  seine  zwölf 
Köpfe  ab. 

Mit  dieser  Schlussscene  verbanden  sich  Reminiscenzen  aus  der  Salo- 
monssage.  In  der  1.  poln.  nahm  der  Jüngling  ausser  den  ihm  ganz  gleichen 
Kameraden  noch  einige  Bewaffnete  mit.  Unweit  von  des  Königs  Burg  war 
ein  Galgen,  zu  dessen  rechter  Seite  stellte  er  weiss  angezogene  Leute,  zur 
linken  schwarz  angezogene  an.  Als  ihn  der  König  erkannte,  wollte  er  ihn 
hängen  lassen;  setzte  sich  mit  ihm  zu  seiner  rechten  Hand  in  einen  Wagen, 
und  als  sie  in  die  Nähe  des  Galgens  kamen,  sprangen  die  Leute  hervor.  Der 
Jüngling  sagte,  jene  schwarzen  warten  auf  den  König,  die  weissen  auf  ihn 
selbst.  So  kehrte  der  König  um. 

In  der  lettischen  Version  nahm  der  Held  ausser  fünfzehn  ganz  gleichen 
Jünglingen  noch  drei  Regimenter  mit,  eines  auf  weissen,  das  zweite  auf 
schwarzen,  das  dritte  auf  rothbraunen  Pferden:  die  sollen  sich  bereit  halten, 
bis  er  ihnen  das  Signal  «'Schlacht«  gibt.  Wenn  er  zum  Galgen  verurtheilt 
sein  wird,  bittet  er  sich  aus,  drei  Wörter  zu  sprechen:  «weisse-Tod,  schwarze- 
Heer,  rothe-Schlacht ! «  Das  Heer  erschlägt  dann  den  König.  —  Gleicherweise 
stürzte  auch  in  der  1.  rumän.  Erzählung  das  Heer  aus  dem  Verstecke  hervor, 
als  der  Jüngling  zum  Galgen  geführt  wurde;  ein  Pfeil  traf  den  rothen  Kaiser, 
Petru  zerhaut  ihm  noch  den  Kopf,  führt  das  Heer  gegen  die  Stadt,  erobert 
sie,  und  begrüsst  dort  bald  den  weissen  Kaiser  im  Palast  des  rothen  Kaisers ; 
wird  aber  selbst  zum  Herrscher  über  das  rothe  Reich  eingesetzt.  Im  2.  rumän. 
Märchen  bat  Zefirin  —  so  hiess  der  Jüngling —  seinen  Kaiser  »den  Grünen 
Kaiser«  um  Hilfe,  da  ihn  der  Rothe  Kaiser  an  den  Pfahl  aufspiessen  wollte, 
und  zwar  so,  dass  die  ihm  helfenden  Soldaten  in  drei  verschieden  gekleideten 
Theilen  geschickt  werden;  der  eine  ist  roth,  der  zweite  schwarz,  der  dritte 
weiss  gekleidet.  Zuerst  kommen  die  roth  gekleideten  Soldaten  soeben,  als 
Zefirin  zum  Pfahl  geführt  wird.  Das  hier  wichtigste  Motiv  vom  Verstecke 
wurde  vergessen.  Die  2.  kleinruss.  Version  schliesst  geradezu  mit  der  be- 
kannten Schlussscene  der  Salomonssage. 

Statt  allem  dem  wird  in  den  grossrussisehen  Versionen  ein  fremder  Stoff 
angeknüpft:  der  Kaiser  zieht  auf  Brautschau  aus,  seine  zurückgebliebene 
Schwester  ruft  den  eingekerkerten  Jüngling  zu  Hilfe,  als  sie  schon  längere 
Zeit  keine  Nachricht  von  ihrem  Bruder  hat,  oder  der  Jüngling  bietet  sich 
selbst  an,  als  er  die  Prinzessin  aus  dem  Fenster  seines  Kerkers  erblickt, 
ersteres  bei  Chudjakov,  letzteres  in  den  anderen  Versionen.  Bei  Rybnikov 
verlangt  der  Jüngling  vorhinein  von  der  Prinzessin,  dass  sie  sein  Weib  werde. 
Gleichfalls  wie  in  unserem  Märchen  der  Held  eine  Schaar  ganz  gleicher  Ka- 
meraden zu  dem  fremden  Herrscher  mitnimmt,  thut  es  auch  der  Held  der 
grossrussischen  Versionen.  Bei  Athanasjev  sucht  sich  Ivan  des  Kaufmanns 
Sohn,  bei  Chudjakov  Mikita  zwölf  ganz  gleiche  Genossen,  bei  Cudinskij 
Grisa  zweihundert.  Bloss  bei  Rybnikov  ist  dies  vergessen.  Der  Held  bestieg 


624  Kleine  Mittheilungen. 

nun  mit.  seinen  Kameraden  das  Schiif  und  erreichte  glücklich  das  Land,  in 
welchem  der  Kaiser  um  die  Braut  warb.  So  bei  Chudjakov,  ähnlich  auch  im 
Liede.  Grösstentheils  stattete  er  sich  am  Wege  noch  mit  den  Wunschdingen 
aus,  die  er  den  um  sie  streitenden  Brüdern,  (/esellen  abnahm,  bei  Athanasjev 
die  Tarrenkappe,  den  selbstfliegenden  Teppich,  die  Siebenmeilenstiefeln 
drei  alten  Männern,  bei  Cudinskij  bei  ersteren  zwei  Teufeln,  bei  Rybnikov 
ausser  diesen  zwei  Dingen  noch  das  Tischlein-deck-dich  vierzig  Räubern. 
Bei  Chudjakov  fehlt  diese  ganz  unnütze  Amplification.  Der  Jüngling  hilft  nun 
verschiedene  schwierige  Aufgaben  lösen.  Bei  Chudjakov  erkennt  der  Kaiser 
seine  Braut  unter  zwölf  Schwestern  erst  nach  der  Weisung  Mikita's.  Mit 
seiner  Hilfe  kann  er  die  eine  Hälfte  des  Mantels,  den  einen  Schuh  der  Braut 
vorlegen,  die  vollständig  zu  den  von  ihrem  Vater  gebrachten  passen.  Bei 
Athanasjev  den  Schuh,  einen  Enterich,  goldene  und  silberne  Haare  des  Gross- 
vaters der  Braut,  gleichfalls  bei  Cudinskij.  In  diesen  zwei  Versionen  muss 
der  Jüngling  mit  Hilfe  seiner  Wuuschdinge  ausforschen,  was  eigentlich  die 
Braut  wünscht,  da  die  Sachen  nicht  genannt  werden.  Bei  Chudjakov  stellt 
diese  Aufgaben  der  Vater  der  Braut,  ebenso  im  Liede  bei  Eybnikov:  Saffian- 
schuhe, einen  Pelz  aus  schwarzen  Zobeln,  und  drei  vergoldete  Haare  mit 
Perlen. 

Der  weitere  Verlauf  der  Erzählung  ist  verschieden.  Bei  Cudinskij 
kommt  es  nach  der  glücklichen  Lösung  dieser  Aufgaben  gleich  zum  Hoch- 
zeitsschmaus, ebenso  im  Liede  Rybnikov's.  Bei  Chudjakov  geht  der  Kaiser 
nach  Mikita's  Rath  nicht  zum  Festschmaus  nach  der  Trauung,  sondern  so- 
gleich auf  das  Schiff.  Durch  drei  Nächte,  wird  da  weiter  erzählt,  würgte  die 
Braut  ihren  Bräutigam,  und  erst  die  auf  den  Ruf  »Mikita!  Mikital«  zueilen- 
den zwölf  Kameraden  retteten  ihren  Herrn  und  bezähmten  die  Frau,  nachdem 
sie  drei  eiserne,  drei  kupferne  und  drei  stählerne  Stäbe  an  ihr  zerschlagen 
hatten.  Bei  Athanasjev  hat  sich  hier  noch  eine  Reminiscenz  aus  unserem 
Märchen  erhalten.  Die  Braut  » Jelena  die  wunderschöne«  erfährt  aus  ihrem 
Zauberbuch,  dass  nicht  der  Prinz,  sondern  sein  Diener,  Ivan  der  Kaufmanns- 
sohn, so  klug  ist,  und  verlangt  nun  den  Prinzen,  dass  er  ihr  den  Diener 
schicke.  Er  schickt  alle  zwölf  Ivan'en.  Jelena  nun  sucht  den  wahren  Ivan 
unter  ihnen  herauszufinden.  Nachdem  alle  ihre  Versuche  fehlschlugen,  geht 
sie  selbst  in  das  Zimmer,  wo  die  zwölf  Ivanen  schlafen,  erkennt  mit  Hilfe 
ihres  Zauberbuches,  also  anders  als  in  unserem  Märchen,  den  wahren  Ivan, 
und  um  ihn  am  Tage  zu  erkennen,  schnitt  sie  ihm  die  Haare  an  der  Schläfe 
ab.  Doch  als  Ivan  aufwachte  und  das  Zeichen  entdeckte,  scheerten  sich  alle 
anderen  die  Haare  an  derselben  Stelle  ab,  und  so  konnte  sie  wieder  nicht  den 
wahren  Ivan  entdecken.  Zornig  warf  sie  nun  das  Zauberbuch  ins  Feuer.  Nun 
musste  sie  den  Prinzen  heirathen. 

Bei  Cudinskij  wurde  Grisa  mit  einem  Briefe  an  die  Schwester  des  Prin- 
zen vorausgeschickt,  worin  in  seine  Heirath  mit  ihr  eingewilligt  wurde.  Auch 
bei  Athanasjev  flogen  die  zwölf  Kameraden  auf  ihrem  selbstfliegenden  Tep- 
pich voraus,  Ivan  kehrt  aber  trotz  der  Bitten  der  Prinzessin  in  seinen  Kerker 
zurück.  Ebenso  Mikita,  der  zugleich  mit  seinem  Herrn  zurückkehrte.  In  bei- 
den befreite  ihn  nun  der  Kaiser  (Prinz)  aus  dem  Gefängniss.    Bei  Chudjakov 


Kleine  Mittheilungen.  625 

vermählte  er  ihn  noch  mit  seiner  Schwester  und  beschenkte  ihn  mit  der 
Hälfte  des  Reiches. 

Mit  diesem  grossrussischen  Märchen,  besonders  mit  der  Chudjakov'schen 
Version,  ist  enger  verwandt  noch  ein  weissrussisches  Märchen  aus  dem 
Gouv.  Mogilev  bei  Romanov  Belorusskij  Sbornik  VI,  S.  440  f. :  hier  erzählt 
Mikita,  der  dritte  Sohn,  seinen  Traum,  dass  der  Vater  das  Wasser,  in  wel- 
chem er  seine  Füsse  gewaschen,  getrunken  habe.  Der  Vater  hält  ihn  für  einen 
Dummkopf,  verfolgt  ihn  daher  nicht.  Dann  kommt  Mikita  zu  Kauf  leuten,  die 
lassen  den  König  wissen,  Mikita  hätte  geprahlt,  er  könne  ihm  die  wun- 
derschöne Königstochter  Maria  Pavlovna  verschaffen.  Der  weitere  Verlauf 
der  Geschichte  ist  verschieden.  Aehnlich  ist  nur,  dass  er  mit  elf  anderen 
gleichen  Mikita's  fortzieht;  später  nimmt  er  nur  noch  vier  gleiche  Mikita's 
mit,  doch  meldet  er  sich  bald  als  der  wahre  Mikita. 

Das  Märchen  wird  nun  mit  der  Enthilllung  des  Traumes  geschlossen, 
nachdem  er  nun  in  Erfüllung  gegangen  war.  So  zog  in  der  1.  magyar.  der 
Held  in  seine  Heimat  mit  einigen  tausend  Soldaten  zur  Mutter,  und  erzählte 
ihr,  er  habe  geträumt,  dass  er  König  von  Ungarn  wird,  und  der  Traum  sei 
nun  zur  Wahrheit  geworden.  Auch  in  der  2.  magyar.  sagte  er,  sein  Traum 
habe  sich  erfüllt;  früher  hätte  er  ihn  nicht  enthüllen  können,  denn  er  wäre 
dann  nicht  in  Erfüllung  gegangen.  Aehnlich  schliesst  die  1.  kleinruss.  Ver- 
sion. Der  Held  des  grossruss.  Märchens  bei  Chudjakov  hat  den  Traum,  wel- 
cher ein  integrirender  Bestandtheil  eines  anderen  Märchenstoffes  ist:  der 
Vater  nämlich  trinkt  das  Wasser,  in  welchem  sich  der  Sohn  die  Füsse  ge- 
waschen hat.  Vgl.  Hb.  SCAanoB-L  PyccKiH  öwjieBofi  anoci.  S.  152  ff.  In  einer  von 
Athanasjev  in  der  Anmerkung  angeführten  Variante  (II,  S.  114)  verstand  der 
Knabe  so  die  Prophezeiung  eines  Vogels,  womit  sich  dieses  Märchen  näher 
an  einen  grossen  alten  Märchenstoflf  angliedert,  den  er  eben  in  seinem  Werke 
untersuchte.  In  dem  Märchen  Athanasjev's  sagt  Ivan  zum  Schlüsse  dem 
Prinzen,  dass  er  im  Traume  voraussah,  was  mit  ihm  geschehen  wird,  und 
deshalb  wollte  er  den  Traum  nicht  verrathen  (!). 

Etwas  weichen  die  armen.,  mingrel.,  hürkan.  und  indische  Version  ab. 

In  der  armen,  träumte  der  Held,  er  hätte  zu  der  einen  Seite  eine  Sonne, 
zur  anderen  eine  Sonne  gehabt,  und  auf  der  Brust  spielte  ihm  ein  heller  Stern: 
seine  zwei  Frauen  und  ein  Sohn. —  In  dem  mingrel.  Märchen  laclite  Gultaazri 
voll  des  Farailienglückes  hell  auf,  als  er  im  Palaste  des  Sultans  auf  einem 
Teppich  sich  ausstreckend  sein  Kind  auf  den  Händen  hielt,  die  eine  Frau 
zum  Kopfe,  die  andere  zu  Füssen  hatte,  und  erzählte  dann  seinen  Traum:  er 
lag  am  Teppich,  zu  Köpfen  die  Sonne,  zu  Füssen  den  Mond,  und  vom  Himmel 
fiel  ein  Stern,  fing  ihm  in  seine  Hand  und  freute  sich  über  ihn.  So  hat  sich 
nun  der  Traum  erfüllt.  So  ziemlich  gleich  erzählt  auch  die  hürkan.  Version. 
Mit  der  gleichen  Scene  schliesst  auch  die  indische  Version,  nur  lautete  der 
Traum  etwas  anders:  die  Tochter  des  Königs  von  Balkh  rieb  ihm  die  Füsse, 
und  die  Tochter  des  Kaisers  von  Roum  hielt  dabei  eine  goldene  Schüssel  mit 
Wasser;  benahmen  sich  also  fast  so  wie  die  Eltern  des  Helden  in  dem  alten 
Märchen  vom  verschwiegenen  Traum,  vom  Vaticinium,  von  der  Prophezeiung 
der  Vögel. 

Archiv  für  slavische  Philologie.   XXVII.  40 


626  Kleine  Mittheilungen. 

Von  Benfey  wurde  bereits  gezeigt,  dass  einige  in  unserem  Märchen 
gelöste  Räthselaufgaben  in  einigen  orientalischen  Erzählungen  vorkommen, 
in  alten  indischen  Erzählungen,  im  Qukasaptati  und  von  da  in  buddhistischen 
Uebersetzungen  nach  Tibet  und  zu  den  Mongolen  drangen.  Mehr  oder  we- 
niger gleich  sind  zwei  Räthsel:  Ij  welche  von  den  zwei  Stuten  die  Mutter, 
welche  die  Tochter  ist,  und  2)  welches  von  den  Enden  des  Stabes  die  Wurzel 
und  welches  die  Spitze  ist.  Das  letztere  wird  durchwegs  gleich  gelöst:  der 
Stab  wird  ins  Wasser  geworfen,  das  schwerere  Wurzelende  sinkt  unter,  wie 
in  der  Mehrzahl  der  westeuropäischen  Versionen  und  in  der  armen,  unseres 
Märchens.  Das  erste  Räthsel  wird  verschieden  gelöst:  in  Qukasaptati  wer- 
den die  Stuten  frei  laufen  gelassen,  das  Füllen  läuft  zu  der  Zitze  der  Mutter, 
die  Mutter  leckt  das  Füllen  (Benfey  op.  c.  165),  im  Kandjur  werden  beiden 
gleiche  Theile  Nahrung  vorgesetzt,  das  Füllen  verzehrt  seinen  Theil  und 
greift  sogar  den  der  Mutter  an  (ib.  171),  im  Dsanglun  wird  die  Stute  das  beste 
im  Gras  mit  der  Schnauze  ihrer  Tochter  zuschieben  [ib.  173).  In  den  west- 
europäischen Versionen  wie  auch  in  der  armen,  dieses  Märchens  ist  dieses 
Räthsel  stark  variirt  und  dessen  Lösung  ziemlich  erkünstelt,  ja  unwahr- 
scheinlich, unnatürlich,  bei  weitem  nicht  so  einfach  und  natürlich  wie  in  den 
asiatischen  Erzählungen. 

Ausser  diesen  zwei  Räthseln  haben  die  Versionen  unseres  Märchens  fast 
gar  nichts  gemein  mit  den  alten  asiatischen,  indischen  und  den  mit  diesen 
enge  zusammenhängenden  Erzählungen.  Diese  zwei  Räthsel,  besonders  das 
zweite,  stimmen  freilich  so  stark  überein,  dass  ein  engerer,  genereller  Zu- 
sammenhang gewiss  anzunehmen  ist.  Das  wichtigste  Motiv  neben  den  Räthsel- 
aufgaben ist  in  der  Einführung  des  Märchens,  der  verheimlichte  Traum.  Und 
dieses  Motiv,  dieses  die  Handlung  treibende  Motiv  ist  den  erwähnten  asiati- 
schen Erzählungen  fremd.  In  diesen  werden  die  Räthsel  von  einem  fremden 
(feindlichen)  König  gestellt,  um  die  Gewissheit  zu  bekommen,  ob  der  weise 
erste  Minister  des  andern  Königs  wirklich  todt  sei  wie  in  der  Qukasaptati, 
oder  ob  der  andere  König  einen  weisen  und  scharfsinnigen  Minister  besitze. 
Benfey  glaubte  wohl  mit  Recht  annehmen  zu  dürfen,  dass  derartige  königliche 
Räthselaufgaben  in  Indien  noch  in  grösserer  Anzahl  existirten  (op.  c.  177), 
aber  der  Gedanke,  »die  Macht  der  Könige  durch  Räthselaufgaben  zu  prüfen, 
aus  der  Auflösung  oder  Nichtauflösung  der  Aufgabe  auf  die  zu  ihrer  Ver- 
fügung stehende  Weisheit  zu  schliessen  und  davon  den  Beginn  von  Feind- 
seligkeiten abhängig  zu  machen«,  kann  kaum  als  so  »sonderbar«  betrachtet 
werden,  dass  man  gezwungen  wäre  vorauszusetzen,  dass  er  nur  einmal  an 
einem  gewissen  Ort  entstanden  sein  musste  (vgl.  op.  c.  179  f.).  Entscheidend 
bei  der  Frage  nach  der  Verwandtschaft  von  Erzählungen  dieses  Inhaltes  ist 
nur  die  mehr  oder  weniger  innige  Verwandtschaft  der  Räthselaufgaben  selbst. 
Unser  Märchen  gehört  aber  überhaupt  nicht  zum  Stoffe  vom  »weisen  Mi- 
nister«, dessen  selbständige  frühe  Existenz  in  Indien  neben  dem  Stoffe  vom 
»weisen  Mädchen«  (»der  klugen  Dirne«)  Benfey  wohl  mit  Recht  voraussetzte 
(op.  c.  176  f.). 

Benfey  bereits  hat  noch  eine  andere  Erzählung  vom  »weisen  Minister« 
herangezogen,  die  arabisch-syrische  vom  weisen  Heykar,  Haikar,  Ahihar,  Akir 


Kleine  Mittheilungen.  627 

(op.  c.  ISl  f.),  und  eine  Reihe  von  Gelehrten,  zuletzt  besonders  Em.  Cosquin, 
hat  diese  Sage  eingehender  untersucht  und  deren  ursprüngliche  Heimat  fest- 
zusetzen versucht  (Revue  biblique  VIII,  1899,  S.  50  flf.).  Unser  Märchen 
scheint  mit  dieser  gar  nicht  zusammenzuhängen,  es  kennt  nicht  einmal  die 
Räthselaufgaben  dieser  Sage.  Wenn  die  kroat.-slavon.  und  rumän.  Version 
des  Märchens  den  Jüngling  die  dritte  Aufgabe  im  Palaste  des  feindlichen 
Herrschers  lösen  lassen,  wird  ebenfalls  nicht  ein  Einfluss  dieser  Sage  anzu- 
nehmen sein.  Ahikar  (Chikar)  verleugnet  anfänglich  vor  Pharao  seinen  Na- 
men, legt  sich  einen  anderen  Namen  bei  —  Abikäm  (Zs.  deutsch,  morgenländ. 
Ges.  48,  174,  Lidzbarski  Geschichten  aus  neu-aramäischen  Hss.  26,  Chauvin 
Bibliographie  des  ouvrages  arabes  VI,  39),  aber  bald,  von  Pharao  gedrängt, 
bekennt  er  seinen  wahren  Namen,  und  so  ist  Pharao  gar  nicht  gezwungen, 
auf  listige  Weise  den  weisen  Mann  entlarven  zu  suchen.  Also  auch  da  hängt 
nicht  das  Märchen  zusammen. 

Wenn  im  Märchen  der  weise  Jüngling  mit  seinen  Kameraden  auf  ihrem 
Nachtlager  scharfsinnig  erklärt,  warum  das  Brod  so  süss,  der  Wein  so  süss, 
das  Bett  so  ausgezeichnet  sei,  der  Herrscher  ein  Bastard  sei,  so  ist  hier  Ein- 
fluss eines  weit  verbreiteten  Stoffes  mit  Gewissheit  anzunehmen.  Vgl.  die 
Anmerkungen  von  Johannss  Bolte  zu  der  Neuausgabe  Der  Reise  der  Söhne 
Giaffers  aus  dem  Italienischen  des  Christoforo  Armeno,  übersetzt  durch 
Johann  Wetzel  1583  (Bibliothek  des  literar.  Vereins  in  Stuttgart  (CG VIII) 
S.  201  f.,  Friedrich  von  der  Leyen  Das  Märchen  in  den  Göttersagen  der  Edda 
S.  71  ff.  —  Freilich  kommt  diese  Episode  nur  in  einigen  wenigen  Versionen 
vor  und  wird  wahrscheinlich  später  in  das  Märchen  eingeflochten  worden  sein. 

Näher  hängt  unser  Märchen  mit  einem  andern  alten  Märchenstoffe  vom 
Vaticinium  zusammen,  über  welchen  R.  Köhler  einige  Bemerkungen  nieder- 
schrieb, jetzt  Kleinere  Schriften  I,  145  f.,  und  welchen  besonders  Zdanov  in 
seinem  genannten  Buche  untersuchte.  Freilich  legt  er  hier  gewöhnlich  die 
Vogelsprache  aus  als  Prophezeiung,  dass  die  Eltern  ihm  das  Wasser  bringen 
werden,  mit  dem  er  sich  die  Hände  waschen  wird,  sein  Vater  das  Wasser 
trinken  wird,  in  dem  er  seine  Füsse  gewaschen  u.  a.  Doch  manchmal  träumt 
so  und  ähnlich  der  Knabe,  wohl  unter  dem  Einfluss  unseres  Märchens  ist 
diese  Umänderung  eingetreten.  So  träumte  der  jüngste  Prinz  im  bosnischen 
Märchen:  Bosanske  nar.  pripovjedke  I.  Skupio  . . .  Zbor  redovn.  omladine  bo- 
sanske  S.  26  ff.,  Nr.  6.  Mijatovics  Serbian  fulklore  S.  248  f.,  Nr.  23.  Bosanska 
Vila  XV,  S.  127  f.,  nur  folgt  hier  eigentlich  eine  andere  Geschichte.  Vgl. 
Archiv  f.  slav.  Phil.  V,  20  f.  R.  Köhler  Kleine  Schriften  I,  432  f.  Cöophhkt, 
MHH.  6x.ir.  XVIII,  Abth.  2,  S.  633  zu  Sapkarev  Nr.  240 ;  gleichfalls  im  griechi- 
schen: Geldart  Folk-Lore  of  Modern  Greece  S.  154f  Mitsotakis  Griech.VM. 
S.71  ff.,  und  hier  verheimlicht  der  Prinz  diesen  seinen  Traum,  soll  daher  vom 
Diener  seines  königlichen  Vaters  getödtet  werden,  ähnlich  im  kroatischen  aus 
der  Umgebung  von  Warasdin  Valjavec  54  f.,  Nr.  17.  Verwandt  ist  noch  ein 
griechisches  Märchen  aus  Epirus  bei  Hahn  Griech.  u.alban.  M.  I,  258  f.,  Nr.45, 
und  ein  slovenisches  in  Kres  V,  1885,  S.  506  f.,  Nr.  63. 

Dieser  Traum,  resp.  dessen  Verheimlichung  ist  noch  Einleitung  anderer 
Märchen,  so  eines  kleinrussischen  bei  Sadok  Bar^cz  Bajki,  Fraszki  etc.  2, 

40* 


628  Kleine  Mittheilungen. 

S.  209  f.:  den  vom  Vater  vertriebenen  Knaben  findet  ein  Minister  auf  der 
Jagd,  bringt  ihn  zum  Kaiser;  der  Knabe  erwirbt  die  Gunst  seines  Pflegevaters 
und  die  Liebe  der  kaiserlichen  Prinzessin.  Ein  anderes  Märchen  wird  mit 
diesem  Traum  eingeleitet  bei  M.Federowski  Lud  biatoruski  I,  S.  2 14  f.,  Nr.  343, 
ein  anderes  bei  Leskien  und  Brugmann  Litauische  Volkslieder  und  Märchen 
S.  457  f.,  Nr.  27,  wo  eigentlich  der  Vater  träumte,  der  Mond  hätte  sich  vor 
den  Sternen  verneigt,  welchen  Traum  der  Sohn  dann  deutete,  dass  sich  der- 
einst der  Vater  vor  ihm  verneigen  wird.  Mit  diesen  Formen  ist  auch  ein 
estnisches  Märchen  eingeleitet  bei  Oskar  Kallas  Achtzig  Märchen  derLjutziner 
Esten  S.  124  f.,  Nr.  13,  der  Junge  wird  auf  andere  Weise  wieder  Schwieger- 
sohn des  Königs. 

EiniViel  grösserer  Theil  unseres  Märchens  ausser  dem  einführenden 
Traummotiv  hat  sich  in  einer  serbischen  Erzählung  erhalten,  nur  ist  da  eigen- 
thümlicher  Weise  dieselbe  näher  der  armenischen,  mingrelischen  und  hürka- 
nischen  Version,  als  den  aus  westlicheren  Ländern  bisher  bekannten.  Dieses 
serbische  Märchen  »vom  kaiserlichen  Eidam  und  dem  geflügelten  alten  Weibe« 
(ByK  Cie*.  KapauHh  CpncKe  iiap.  npiinoB.2,  1870,  S.  267  f.,  Nr.  19;  /IpacaBHO  uaa. 
1897,  S.  273  f.,  Nr.  69,  deutsch  bei  Krauss  S.  u.  M.  der  Südslaven  II,  S.  290  f., 
Nr.  129,  im  Auszuge  Archiv  II,  638  f.  mit  den  Anm.  R.  Köhler's,  nun  Klein. 
Schrift.  I,  430)  erzählt  von  einem  Jüngling,  der  gleichfalls  seinen  Eltern  ver- 
weigerte den  Traum  und  daher  weggejagt  wurde.  Den  auf  der  Strasse  wei- 
nenden Jüngling  traf  der  kaiserliche  Tartar  (Courier),  drang  ebenfalls  ohne 
Erfolg  in  ihn,  den  Traum  zu  sagen,  und  erzählte  davon  dem  Kaiser.  Der  lässt 
ihn  durch  einen  anderen  Diener  bringen  und  sperrt  den  Starrkopf  in  ein 
Zimmer  ein,  neben  welchem  ein  grösseres  Zimmer  war,  wo  des  Kaisers  Toch- 
ter im  » Käfig  1)«  war.  Abends  hörte  er  Gabeln  und  Löffel  klirren,  bricht  die 
Wand  durch,  und  erblickt  dort  die  Prinzessin  mit  ihren  Dienerinnen  schlafen, 
und  einen  Tisch  voll  Speisen.  Er  kroch  nun  durch  die  Wand  zum  Tisch,  und 
als  er  sich  satt  gegessen,  verwechselte  er  die  Kerzen,  kroch  zurück  und  ver- 
mauerte das  Loch  so,  dass  nichts  zu  merken  war.  Als  die  Prinzessin  be- 
merkte, dass  jemand  in  ihrem  Gemache  war,  schlug  sie  Lärm  und  liess  es 
ihren  Vater  wissen.  Um  sich  zu  überzeugen,  wer  zu  ihr  eindringt,  und  den 
auch  im  Schlafe  zu  sehen,  beschmierte  sie  ihre  Augen  mit  einem  Grase,  wel- 
ches im  Schlafe  Sehenskraft  verleiht.  Und  so  fing  sie  wirklich  den  Jüngling, 
wie  er  wieder  in  ihr  Zimmer  eindrang,  entbrannte  aber  sogleich  in  Liebe  zu 
ihm,  liess  fortab  noch  einmal  soviel  Speise  und  Trank  senden,  vorgeblich  für 
ihre  hungrigen  Dienerinnen.  So  konnte  sich  nun  der  Jüngling  ungestört  des 
schönen  Mädchens  freuen,  bis  ein  kaiserlicher  Erlass  die  Prinzessin  als  voll- 
jährig und  heirathsfähig  erklärte.  Da  liess  die  Prinzessin  wissen,  sie  nehme 
nur  den  Helden  zum  Manne,  der  seinen  Wurfstab  über  die  Zinnen  ihrer  Burg 
hinüberwirft.  Als  das  niemand  treffen  konnte,  liess  der  Kaiser  auf  die  Bitte 
seiner  Tochter  jenen  Jüngling  holen,  den  er  vor  drei  Jahren  eingesperrt,  auf 


1;  In  den  serbischen  Volksliedern  und  Märchen  werden  die  Mädchen  in 
mit  Gittern  verschlossenen  Zimmern  gehalten,  dass  sie  niemand  sieht.  Vgl- 
Rjecnik  hrvat.  ili  srpskoga  jezika  IV,  s.  v.  kafez,  kavez. 


Kleine  Mittheilungen.  (329 

welchen  er  ganz  vergessen  hatte,  und  von  dem  er  glaubte,  er  wäre  schon 
längst  verwest.  Der  Jüngling  trifft  das  zur  grossten  Verwunderung  aller, 
ähnlich  wie  der  Held  einiger  Versionen  unseres  Märchens  die  Keule  in  das 
Gemach  des  fremden  Königs  schleudert  und  damit  ihm  das  Glas  vom  Munde 
wegreisst,  die  Keule,  die  sich  so  tief  in  den  Grund  einbohrte,  dass  sie  nie- 
mand herausbekommen  konnte  u.  ä.  Was  weiter  in  dem  serbischen  Märchen 
erzählt  wird,  gehört  in  einen  anderen  Märchenstoff;  es  sind  das  weitere 
Wettkämpfe  mit  den  anderen  Freiern,  welche  die  Gefährten  mit  den  wunder- 
baren Eigenschaften  zu  Gunsten  des  Erwählten  der  Prinzessin  entscheiden. 


Unser  Märchen  ist  in  einem  verhältnissmässig  engen  Raum  verbreitet, 
hauptsächlich  in  Kroatien,  Ungarn,  Moldau  und  Galizien.  Ausserdem  fanden 
wir  es  noch  in  den  kaukasischen  und  diesen  nahen  Ländern:  doch  die  da 
aufgezeichneten  Versionen  weichen  stark  von  jenen  ab,  so  dass  ein  engerer, 
direkter  Zusammenhang  beider  Gruppen  kaum  anzunehmen  ist.  Dagegen 
sind  sie  gewiss  nahe  verwandt  mit  den  indischen  Versionen.  Am  ähnlichsten 
ist  ihnen  theilweise  das  eben  erwähnte  serbische  Märchen,  soweit  es  diesen 
Stoff  erhalten  hat. 

Es  wurde  schon  hie  und  da  auf  einen  engeren  Zusammenhang  der  am 
Balkan  und  in  den  kaukasischen  Ländern  aufgezeichneten  Versionen  hinge- 
wiesen. Er  mag  wohl  jüngeren  Datums  sein  und  auf  die  aus  den  kaukasi- 
schen Ländern  in  die  Balkanländer  auswandernden  Volkselemente  zurück- 
zuführen sein. 

Vielfach  verfloss  unser  Märchen  vom  Traum  mit  anderen  Märchen- 
stoffen, besonders  mit  den  mannigfaltigen  Erzählungen  von  der  Gewinnung 
der  schönen  Prinzessin  durch  Lösung  übermenschlicher  Aufgaben  mit  der 
Hilfe  von  Gefährten,  die  mit  übermenschlichen,  übernatürlichen  Kräften  aus- 
gestattet sind.  Von  unserem  Märchen  hat  sich  in  diesen  Versionen  ein 
grösserer  oder  kleinerer  Theil  erhalten.  In  der  armenischen  Version  knüpft 
der  fremde  Stoff  an,  nachdem  bereits  die  Räthselaufgaben  gelöst  waren.  In 
den  grossrussischen  Versionen  fügt  sicli  viel  früher,  bereits  nach  der  Ein- 
kerkerung des  starrköpfigen  Knaben,  ein  theilweise  anderer  Stoff  an,  wie  er 
bei  Athanasjev  Nr.  1 16  erzählt  wird,  was  Athanasjev  im  Commcntar  zu  Nr.  133 
bereits  bemerkte  (vgl.  A.  H.  Bece^ioucKift  oaMiiKu  no  .iiiTeparypi  u  napo;iHoft 
/:ji0BecH0CTH  I,  67).  In  dem  lettischen  Märchen  aus  dem  Gouv.  Kovno  wurde 
an  den  alten  Stoff  bald  nach  der  Lösung  einer  einzigen  Räthselaufgabe  ein 
anderer  Stoff  angeknüpft,  wie  schon  oben  bemerkt  und  angegeben  wurde. 

Mit  der  geographischen  Bestimmung  der  Verbreitung  des  hier  unter- 
suchten Märchens,  resp.  seiner  beiden  scharf  sich  unterscheidenden  Gruppen, 
wollen  wir  uns  begnügen,  ohne  uns  um  eine  Lösung  der  weiteren  Frage  nach 
dem  Ursprünge  und  den  Wegen  seiner  Verbreitung  zu  versuchen. 

G.  PoUvka. 


630  Kleine  Mittheilungen. 

Nekrologe. 

Binnen  Jahresfrist  hat  die  slavische  Philologie  und  Geschichtsforschung 
grosse  Verluste  erlitten.  Namhafte  aufdem  von  unserer  Zeitschrift  gepflegten 
Wissensgebiete  thätig  gewesene  Forscher  sind  durch  den  Tod  abgegangen, 
der  auch  unser  Organ,  das  mit  allen  slavischen  Sprachforschem,  Literatur- 
historikern und  Ethnographen  in  Fühlung  zu  bleiben  bestrebt  ist,  schmerz- 
lich berührt.  Einige  Worte  dankbarer  Erinnerung  mögen  daher  am  Platze 
sein. 

Alexander  Nikolajeyic  Pypin. 

Diesem  bedeutenden  Vertreter  der  russischen  Aufklärungsbestrebungen 
in  der  zweiten  Hälfte  des  XIX.  Jahrhunderts  widmete  ich  in  der  Neuen 
Freien  Presse  vom  12.  Dez.  1904  (Nr.  14477)  einen  kurzen  Nachruf,  worin  ich 
unter  Anderem  sagte :  Der  Tod  Pypin's  (er  starb  am  9.  Dec.  1904  in  StPeters- 
burg)  ist  ein  grosser  Verlust  für  Russland.  Ich  wüsste  keinen  Zweiten  zu 
nennen,  der  gleich  Pypin  das  gesammte  geistige  Leben  Russlands  in  grossen 
Zügen  zusammenzufassen,  es  kritisch  zu  beleuchten  und  in  den  entsprechen- 
den Zusammenhang  vnit  den  Bedürfnissen  des  Kulturfortschrittes  zu  bringen 
verstünde.  Pypin  war  ein  Encyklopädiker  im  edelsten  Sinne  des  Wortes. 
Etwas  weitläuög  in  der  Darstellung,  doch  frei  von  falschem  Pathos  und  wort- 
reicher Oberflächlichkeit.  Nach  seineu  eigenen  Angaben  wusste  ich  schon 
1903,  dass  er  die  letzten  zwei  Jahre  vor  seinem  Tode  neben  der  grossen,  ihm 
von  der  Academie  anvertrauten  Aufgabe,  die  Werke  der  Kaiserin  Katharina II. 
herauszugeben,  noch  mit  der  Abfassung  der  Erinnerungen  aus  seinem  Leben, 
seinem  lebhaften  Verkehr  mit  den  führenden  Geistern  Russlands  seit  den 
vierziger  Jahren,  beschäftigt  war.  Leider  nur  weniges  davon  war  ihm  be- 
schieden niederzuschreiben.  Einen  Theil  seiner  Erinnerungen  verarbeitete 
er  in  dem  letzten  von  ihm  herausgegebenen  Werke  über  N.  A.  Nekrasov  (1904;. 
Der  Rest  erschien  nach  seinem  Tode  in  BicxiiHKt  EuponLi,  im  Februar-  und 
Märzheft  1905  (herausgegeben  von  seiner  talentvollen  Tochter  Vjera  Ljad- 
skaja).  Man  findet  in  diesem  Bruchstück  sehr  hübsche  Mittheilungen  aus  den 
Jugendjahren  und  der  Studentenzeit  Pypin's.  Doch  über  die  wichtigsten  Ab- 
schnitte seines  späteren  Lebens  fehlen  persönliche  Aufzeichnungen.  Zur  all- 
gemeinen Charakteristik  Pypin's  kann  man  sagen,  dass  der  Realismus  Gogoljs 
und  der  Kriticismus  Bielinski's  zwei  Grundpfeiler  abgeben,  auf  denen  die 
Ausbildung  seiner  geistigen  Individualität  beruht.  Sie  bilden,  neben  seiner 
philologischen  Vorbereitung,  bei  welcher  ihm  theils  Slavistik  im  Sinne  Srez- 
nevski's,  theils  die  vergleichende  Literaturgeschichte  vorschwebte,  die  Grund- 
stimmung seiner  Leistungen.  In  allen  seinen  literaturgeschichtlichen  und 
kritischen  Studien  legte  er  das  Hauptgewicht  auf  die  den  Erscheinungen  zu 
Grunde  liegenden  Ideen,  auf  ihren  Zusammenhang  mit  dem  Leben.  Nur  dort 
fühlte  sich  sein  wissenschaftlicher  Eifer  befriedigt,  wo  die  ans  Licht  gezoge- 
nen Thatsachen  die  Förderung  der  kulturellen  Bedürfnisse,  die  Befreiung  des 
russischen  Geistes  von  den  Fesseln  der  Unwissenheit  bezeugten.  Seine  tiefen 
Blicke  in  das  geistige  Leben  Russlands  durch  viele  Jahrhunderte  führten  ihn 
zur  begeisterten  Verehrung  des  Europäismus,  dessen  mächtigen  Einfluss  auf 


Kleine  Mittheilungen.  631 

Russland  er  sehnlichst  herbeiwünschte.  Er  theilte  nicht  die  Angst  kleinlicher 
Geister,  die  von  den  europäischen  Einflüssen  den  Verlust  un  russischer  Origi- 
nalität befürchteten.  Wie  Turgenjev,  so  war  es  Pypin  nie  davor  bange,  dasa 
Russland  durch  die  Aufnahme  europäischer  Kulturinstitutionen  seinen  natio- 
nalen Typus  einbüssen  künnte.  Arinuth  und  Unwissenheit,  Stumpfsinn  und 
Aberglauben  sollten  doch  keine  Nationaltugenden  der  Russen  sein,  selbst  wenn 
man  sie  mit  dem  Deckmantel  der  angeblich  nationalen  Urwüchsigkeit  umhängt. 

Pypin  blieb  trotz  seiner  liberalen  Gesinnung  ein  echter  Russe  vom 
Scheitel  bis  zur  Sohle.  Seine  Vorliebe  für  das  russische  Nationalwesen  (z.B. 
auf  dem  Gebiete  der  Musik,  der  bildenden  Kunst)  artete  nie  in  die  bornirte 
Geringschätzung  des  Fremden  aus.  Darum  war  er  auch  Feind  jener  kultur- 
politischen Richtung  der  Slavophilen,  die  allen  slavischen  Völkern  die  Vor- 
mundschhft  Russlands  auf  den  Hals  werfen  wollte,  um  sie  in  dem  russischen 
Meere  aufgehen  zu  lassen.  Dagegen  hielt  er  das  Studium  der  Beziehungen 
Russlands  zu  dem  übrigen  Slaventhum  für  wichtig  genug,  um  diesem  Thema 
volle  Beachtung  zu  schenken.  Dadurch  unterschied  er  sich  grundsätzlich  von 
den  russischen  liberalen  Doktrinären,  die  von  den  »Brüdern  Slaven«  nichts 
wissen  wollten.  Merkwürdiger  Weise  wurde  diese  Seite  der  Bedeutung 
Pypin's  bei  den  Süd-  und  Westslaven  ganz  verkannt.  Uebrigens  nicht  die 
Slavistik  war  die  Hauptaufgabe  Pypin's.  Es  wäre  einseitig  und  verfehlt,  seine 
wissenschaftliche  Grösse  an  seiner  slavischen  Literaturgeschichte  zu  messen, 
mag  auch  dieses  Werk  gerade  im  Auslande  eine  gewisse  Popularität  erlangt 
haben.  In  Russland  erschien  es  in  zwei  Auflagen,  für  die  dritte  wurden  Vor- 
bereitungen getroflfen.  Das  Hauptgewicht  der  Forschungen  Pypin's  liegt  in 
dem  russischen  literarischen  Altertum,  in  seiner  kritischen  Analyse  der  alt- 
russischen  Erzählungen  (18.57),  in  seiner  grossen  vierbändigen  russischen 
Literaturgeschichte  (in  zweiter  Auflage  1902 — 3  erschienen),  in  seiner  Ge- 
schichte der  russischen  Ethnographie  (vier  Bände  1890—92),  in  seiner  Cha- 
rakteristik der  socialen  Evolution  unter  Alexander  dem  Ersten  (in  drei  Auf- 
lagen erschienen)  und  unter  Nikolaus  dem  Ersten  (zwei  Mal  herausgegeben). 
Hervorragende  Repräsentanten  der  neueren  russischen  Literatur  zogen  ihn 
an  zur  monographischen  Behandlung:  Bielinskij,  Lermontov,  Gogolj,  Salty- 
kov,  Nekrasov.  In  seiner  Jugend  sorgte  er  auch  dafür,  dass  der  Gesellschaft 
die  Waffe  des  Wissens  in  die  Hand  gegeben  werde  durch  die  Uebersetzung 
ins  Russische  solcher  bedeutenden  Werke,  wie  Hettner's  Literaturgeschichte 
des  achtzehnten  Jahrhunderts  (in  neuer  Aufl.  1896 — 7  erschienen),  Scblosser's 
Geschichte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  (1868 — 7i;,  Draper's  Geschichte  der 
geistigen  Entwickeluug  Europas  (1866),  Whewell's  Geschichte  der  induct. 
Wiss.  (1867)  u.  a.  Schon  diese  Auswahl  ist  ein  beredtes  Programm.  Noch 
mehr  charakterisirte  seine  Richtung  die  durch  mehrere  Decennieu  fortge- 
setzte treue  Mitarbeiterschaft  bei  der  liberalen  Zeitschrift  BtcTHUKi.  Eßponti, 
in  welcher  jede  bedeutende  literarische  Erscheinung,  jede  neue  Richtung  mit 
dem  scharfen  Blicke  eines  Kritikers  der  Bielinski'schen Schule  beurtheiltund 
besprochen  wurde. 

A.  N.  Pypin  verdient  mehr  als  eine  monographische  Behandlung.  So- 
eben ist  eine  sehr  fleissige  Darstellung  seiner  Wirksamkeit  im  XXXII.  Band 


632  Kleine  Mittheilungen. 

der  »Filologicke  Listy«  in  Prag  von  Prof.  J.  Polivka  erschienen,  unter  dem 
Titel  »Alexander  NikolajevicPypin  1833^1904,  Nästin  jeho  zivota  a  präce«, 
im  SA.  52  Seiten  umfassend.  V.  J. 

Milivoj  Srepel. 

Am  23.  Febr.  1905  starb  in  jungen  Jahren  (42)  in  Agram  der  ord.  üni- 
versitätsprofessor  M.  Srepel,  der  zwar  für  die  lateinische  Philologie  angestellt 
war,  doch  daneben  mit  Vorliebe  die  slavischen  Literaturen,  zumal  die  serbo- 
kroatische, pflegte.  Seine  officielle  Stellung  als  Vertreter  der  klassischen 
Philologie  führte  ihn  u.  a.  dazu,  die  einheimischen  Latinisten  zu  studiren. 
So  entstanden  seine  in  dem  akademischen  Organ  »Rad«  erschienenen  Studien 
über  die  Poetik  des  Francesco  Patrici  (Patricius  soll  eigentlich  Petris  geheissen 
haben  und  aus  Dalmazien  oder  der  Insel  Cherso  stammen)  im  B.  108,  üeber 
die  lat.  Gedichte  des  Eagusaners  Junius  Resti  im  B.  114,  über  den  aus  Kattaro 
stammenden  lat.  Dichter  Ivan  Bolica  im  B.  118,  über  das  Verhältniss  des  Ea- 
gusaners Benedictus  Stay  zu  Lucretius  im  B.  124,  über  den  Humanisten  Sis- 
goreus  (Sizgoric)  aus  Sebenico  im  B.  138.  Er  gab  auch  heraus  in  der  akadem. 
Publikation  Gracta  die  lat.  Gedichte  des  Junius  Palmota  und  Junius  Resti 
(ß.  I),  lat.  Gedichte  des  Marcus  Marulus  (B.  II)  und  sein  Werk  »De  ultimo 
Christi  judicio«  (B.  III),  des  Georgius  Sisgorens  »De  situ  Illyriae  et  oivitate 
Sibenici  (B.  II)  und  zuletzt  nach  seinem  Tode  erschien  Marulic's  Davideis 
erster  Gesang  (Davideidos  Über  I,  im  IV.  B.  derselben  Grada).  Eine  Berüh- 
rung der  serbokroat.  Literatur  mit  der  römischen  zeigt  die  Abhandlung  im 
B.  99  des  »Rad«  über  das  Verhältniss  des  Drzid'schen  »Skup«  (Avarus)  zu 
Plautus  Aulularia.  Aehnlich  ist  im  B.  102  des  »Rad«  dieillyrische  Grammatik 
B.  Kasid's  auf  ihre  lateinische  Vorlage  geprüft.  Im  B.  140  des  »Rad«  ist  eine 
Studie  dem  ersten  italienischen  Grammatiker  Gianfrancesco  Fortunio  gewid- 
met, hauptsächlich  aus  dem  Grund,  weil  er  ein  Schiavone,  d.  h.  ein  Kroate 
aus  Dalmazien  war,  obschon  man  bei  ihm  das  Bewusstsein  seiner  slavischen 
Abstammung  nicht  nachweisen  kann.  Die  intensive  Beschäftigung  mit  der 
kroatischen  Literatur  brachte  Studien  zu  Stande,  wie  über  die  Suze  (Thranen) 
des  Verlorenen  Sohnes  von  Gundulic  in  Bezug  auf  italienische  Vorbilder  (Rad, 
B.  127),  über  Marulid  und  seine  Judita  (Rad,  B.  146,,  über  die  Verherrlichung 
des  Helden  von  Siget,  N.  Zrinski,  in  der  kroatischen  Dichtung  (Rad,  B.  148) 
und  in  der  unter  seiner  Redaction  gestandenen  Grada  druckte  er  viel  wich- 
tiges Material  für  die  neuere  Literaturgeschichte  ab  (aus  der  Periode  des 
Illyrismus).  Er  war  auch  in  der  belletristischen  Zeitschrift  »Vienac«  und  im 
Verein  »Matica  Hrvatska«  thätig,  für  welchen  er  u.A.  in  der  Serie  »Bilder  aus 
der  Weltliteratur«  die  russischen  Erzähler  behandelte  (1894).  Speciell  über 
Puskin  in  der  kroat.  Literatur  schrieb  er  kroatisch  (Letopis  1899)  und  russisch 
(unter  meiner  Redaction).  Es  seien  noch  seine  Beiträge  über  die  Kritik  St. 
Vraz's  (1892)  und  über  das  Leben  und  die  Wirksamkeit  Preradovic's,  Bogo- 
viö's,  Anton  Nemcic's  (1898)  erwähnt.  Man  sieht  aus  dieser  trockenen  Aufzäh- 
lung seiner  Leistungen,  wie  schmerzlich  die  Agramer  südslavische  Academie 
der  Verlust  eines  so  rührigen  Mitgliedes  berühren  muss.  Eingehend  behandelt 


Kleine  Mittheilungen.  633 

seine  Wirksamkeit  Prof.  Murko  im  Laibacher  »Zvon«  (1905)  unter  der  Ueber- 
schrift  »Milivoj  Srepel.  Spisal  M.  Murko«.    SA.  22  S.  V.J. 

Ivan  Tkalcic. 

Der  Verstorbene  (-{•  11.  Mai  1905  im  66.  Lebensjahre'  war  von  seiner 
frühesten  Jugend  an  —  als  Theolog  und  Priester  der  Agramer  Diöcese  —  ein 
enthusiastischer  Verehrer  des  Glagolismus.  Er  stand  unter  dem  Einfluss  der 
durch  Safarik,  Racki  und  Bercic  inaugurirten  Begeisterung  für  den  Glagolis- 
mus in  Kroazien.  Bei  der  ersten,  mit  glagolitischer  Schrift  gedruckten  Aus- 
gabe der  kroatischen  Urkunden  (unter  der  Redaction  I.  Kukuljevic  s)  hat  er 
durch  sorgfältige  Mithilfe  bei  den  Korrekturen  wesentlich  zur  Brauchbarkeit 
jener  Ausgabe  beigetragen.  Aus  derselben  Zeit  stammt  auch  sein  populär 
gehaltenes  Büchlein:  Na  uspomenu  tisucugodisnjice  sv.  Cyrilla  i  Metboda 
slovjenskih  apostolah  (U  Zagrebu  1863).  Als  Archivar  des  Agramer  Dom- 
kapitels gab  er  1873 — 4  sehr  wichtige  Urkunden  »Monumenta  historica  episco- 
patus  Zagrebiensis«  in  zwei  Bänden  heraus.  Auch  der  Domkirche  und  dem 
Collegium  der  Agramer  Präbendäre  widmete  er  besondere  Schriften  (Prvo- 
stolna  crkva  zagrebacka  nekoc  i  sada  1885,  Sbor  prebendara  prvostolne  crkve 
zagrebacke  1884).  Seit  1889  war  er  mit  der  Ausgabe  der  Urkunden  der  Stadt 
Agram  betraut;  als  »Monumenta  historica  lib.  reg.  civitatis  Zagrabiae«  sind 
unter  seiner  Redaktion  11  Bände  dieser  politisch  und  kulturgeschichtlich 
wichtigen  Publikation  erschienen.  An  dem  literarischen  Organ  der  Agramer 
Diöcese  »Katolicki  List«  betheiligte  sich  Tkalcic  mit  vielen  Beiträgen  be- 
treffs verschiedener  kirchlicher  und  kulturpolitischer  Fragen  seiner  Heimat, 
deren  Gesammtausgabe  nicht  überflüssig  wäre.  Ebenso  sind  in  dem  Organ 
des  Agramer  Landesarchivs  »Vjestnik«  mehrere  Beiträge  von  ihm  erschienen. 
Zuletzt  gab  er  (1904)  in  eigener  Schrift  »Slavensko  Bogosluzje  u  Hrvatskoj« 
als  das  Resultat  seiner  vieljährigen  Nachforschungen  eine  Zusammenstellung 
aller  Nachrichten,  die  sich  auf  das  Vorhandengewesensein  der  Glagoliten  in 
Kroatien  bezieben.  Das  Büchlein  enthält  viele  werthvolle  Angaben  im  ein- 
zelnen, aber  in  der  geschichtlichen  Einleitung  ist  es  nicht  immer  kritisch. 
Aus  den  Vorstudien  zu  diesem  Werke  wurde  schon  im  Archiv  f.  sl.  Phil.  IV. 
433—441  einiges  mitgetheilt.  V.  J. 

Gregor  Krek. 

Im  August  1905  starb  zu  Graz  infolge  einer  Operation)  der  gewesene 
Professor  der  slavischen  Sprachwissenschaft  an  der  Grazer  Universität,  Gre- 
gor Krek  (geb.  1840,  an  der  Universität  seit  1870  als  ausserord.,  seit  1875  als 
ord.  Professor  thätig  gewesen).  Die  letzten  Jahre  seines  Lebens  hat  er  in 
Laibach  zugebracht.  Krek  ist  in  der  slav.  Philologie  namentlich  durch  seine 
»Einleitung  in  die  slavische  Literaturgeschichte«  'die  erste  Auflage  erschien 
1874)  wohlbekannt.  Das  Werk  erfuhr  in  der  zweiten  Auflage  (1887)  eine 
gründliche  Umarbeitung,  bei  welcher  namentlich  die  reichhaltigen  bibliogra- 
phischen Angaben  hervorzuheben  sind.  Die  Darstellung  der  vom  Verfasser 
vertretenen  Gedanken  nimmt  jedoch  selten  auf  den  vollen,  in  den  Anmer- 


634  Kleine  Mittheilungen. 

kungen  zusammengestellten  Inhalt  fremder  Forschungen  Rücksicht.  Dadurch 
blieb  das  Werk  schon  bei  seinem  Erscheinen  hinter  dem  neuesten  Stand- 
punkt hie  und  da  zurück.  Krek,  der  in  seinen  jungen  Jahren  als  slovenischer 
Dichter  auftrat  (1862),  gab  später  eine  Anthologie  aus  slavischen  Dichtungen 
in  deutscher  Uebersetzung  (Slavische  Anthologie  in  deutschen  Uebersetzun- 
gen.  Mit  Einleitung  von  Gregor  Krek.  Stuttgart  s.  a.)  heraus.  Er  war  aus 
wissenschaftlicher  Ueberzeugung  ein  grosser  Verehrer  der  slav.  Mythologie, 
diese  ging  bei  ihm  so  weit,  dass  er  selbst  mit  unserer  Zeitschrift  die  Be- 
ziehungen abgebrochen  hatte,  als  er  durch  AI.  Wesselofsky,  A.  Brückner  und 
mich  die  antimythologische  Richtung  in  derselben  vertreten  sah.  Dafür  Hess 
er  sich  dann  und  wann  in  den  Göttinger  Gelehrten  Anzeigen,  in  der  Zeitschrift 
für  öster. Gymnasien  u.a.  hören.  In  slovenischer  Sprache  lieferte  er  Beiträge 
für  die  Zeitschrift  »Kres«.  V.  J. 

Ilarion  Ruvarac. 

In  einsamer  Zelle  des  orthodoxen  Klosters  Gergeteg  in  der  romantischen 
FruskaGora,  dem  Frankochorion  des  Mittelalters,  verstarb  am  8/21.  Aug.  d.J. 
ein  Mönch,  der  in  seiner  irdischen  Laufbahn  leicht  die  hohe  geistliche  Würde 
eines  Bischofs  hätte  ersteigen  können,  wenn  er  nicht  die  auf  ihn  gefallene 
Wahl  seinerzeit  abgewiesen  hätte.  Sein  Ehrgeiz  bestand  eben  nicht  in  hohen 
Kirchenämtern,  die  mehr  oder  weniger  einen  bestimmten  politischen  Hinter- 
grund voraussetzen,  sondern  in  der  Liebe  zur  Wissenschaft  flammte  seine 
Seele.  Darin  erzielte  er  die  glänzendsten  Resultate,  er  war  anerkannt  durch 
viele  Dezennien  der  bedeutendste,  kritischeste,  gelehrtoste  serbische  Histo- 
riker, er  war  Oberhaupt  der  serbischen  Geschichtsschreibung  während  der 
zweiten  Hälfte  des  neunzehnten  Jahrhunderts.  Wie  ein  absolvirter  Jurist 
der  Wiener  Universität  (zwischen  1S52  und  1856)  dazu  kam,  Theologe  in 
Karlowitz  und  dann  Professor  am  dortigen  Gymnasium  zu  werden,  ist  uns 
nicht  näher  bekannt,  noch  unbekannter  die  Gründe,  die  ihn  im  J.  1861  be- 
stimmten, Mönch  zu  werden.  Als  solcher  lebte  er  bis  zum  J.  1874  zumeist  in 
I^arlowitz,  in  der  Kanzlei  des  Patriarchen,  bei  der  Archidiöcesanverwaltung 
und  in  der  dortigen  theologischen  Anstalt  beschäftigt.  Vom  besagten  Jahre 
an  stand  er  bis  an  sein  Lebensende  als  Archimandrit  an  der  Spitze  des 
Klosters  Gergeteg.  Auch  als  solcher  übte  er  anfangs  grossen  Einfluss  in 
Karlowitz  aus,  aber  dem  Patriarchen  German  Angjeliö  [1879)  sagte  sein  un- 
beugsamer Charakter  nicht  zu.  Er  trachtete  ihn  fern  zu  halten.  Doch  einen 
solchen  Mann  konnte  man  zwar  unter  dem  Befehl  des  Gehorsams  ins  Kloster 
schicken,  aber  nicht  seiner  Bedeutung  als  Gelehrter  entkleiden.  Das  ver- 
mochte selbst  ein  Patriarch  nicht.  Ruvarac  blieb  auch  in  Gergeteg  eine 
Leuchte  der  Gelehrsamkeit  und  die  grösste  Zierde  seines  Standes  unter  allen 
Zeitgenossen  bis  an  sein  Ende.  Wie  er  durch  Musterverwaltung  und  Kunst- 
sinn das  seiner  Obhut  anvertraute  Kloster  gehoben,  davon  soll  dieses  selbst 
der  Nachwelt  erzählen.  Wir  verehren  in  Ruvarac  den  grossen  kritischen  For- 
scher auf  dem  Gebiete  der  serbischen  Geschichte.  Es  bleibt  uns  fast  ein 
Räthsel,  wie  ein  absolvirter  Jurist  und  Theologe,  ohne  methodische  Anleitung 
und  Schulung  zur  Geschichtsschreibung  in  seiner  Studienzeit  sich  angeeignet 


Kleine  Mittheilungen.  635 

zu  haben,  so  treffend  die  Aufgabe  eines  kritischen  Geschichtsforschers  zu  er- 
fassen, so  hohe  Anforderungen  strenger  methodischer  Behandlung  des  Gegen- 
standes an  sich  selbst  7Ai  stellen  und  mit  eiserner  Konsequenz  durchzuführen 
verstand.  Offenbar  verdankt  er  das  in  erster  Linie  seinem  mit  den  schönsten 
Anlagen  ausgestatteten  Geist,  seinem  Scharfsinn  und  durchdringenden  Ver- 
stand, seinem  in  Liebe  zur  Wahrheit  unerschütterlichen  Charakter.  Der  Au- 
todidakt kehrt  nach  meinem  Dafiirlialten  nur  in  der  besonderen  Form  der 
Darstellung  seiner  vielen  kritischen  Beiträge  zur  serbischen  Geschichte  her- 
vor. Diese  war  in  der  Regel  polemisch.  Er  konnte  nämlich  nicht  umhin,  fast 
immer  eine  polemische  Feder  zu  führen,  weil  er  auf  dem  ganzen  Gebiete  der 
serb.  Geschichte  Schritt  für  Schritt  unerwiesenen  Behauptungen  entgegen- 
treten musste,  die  geschichtlich  unbeglaubigt  waren  und  beseitigt,  d.  h.  durch 
beglaubigte  Mittheilungen  ersetzt  werden  mussten.  Wen  er  bei  einem  solchen 
Anlass  zur  Zielscheibe  seiner  Angriffe  wählte,  dem  erging  es  allerdings 
schlecht.  Er  zerfaserte  ihn  ordentlich,  nicht  als  seinen  persönlichen  Gegner, 
sondern  als  Vertreter  einer  anderen,  geschichtlich  unbeglaubigten  Ansicht. 
Dieser  persönlich-polemische  Ton,  diese  übermässigen  und  wohl  auch  über- 
flüssigen Digressionen  sind  zum  Theil  vielleicht  durch  seine  klösterliche  Ab- 
geschlossenheit bedingt.  Er  suchte  dadurch  den  Gegenstand  selbst  und  seine 
Einsamkeit  zu  beleben  —  freilich  nicht  immer  zu  Gunsten  der  Popularität. 
Doch  wer  hinter  der  mitunter  rauhen  Form  die  echten  Perlen  seines  kritischen 
Wissens  zu  finden  verstand  —  und  das  gilt  doch  für  die  massgebendsten 
Vertreter  der  serbischen  Intelligenz  — ,  musste  diesen  originellen  Mann  hoch- 
schätzen. Mit  welcher  Treue  er  diese  Anhänglichkeit  erwiderte,  davon 
könnte  der  Schreiber  dieser  Zeilen  rührende  Beweise  erzählen. 

Ruvarac  begann,  bezeichnend  genug,  seine  literarische  Thätigkeit  mit 
einem  Aufsatz  |1S56)  »Uebersicht  der  einheimischen  Quellen  zur  serbischen 
Geschichte«.  Das  kritische  Studium  der  Quellen  zu  jeder  einzelnen  von  ihm 
behandelten  Frage  bildet  den  rothen  Faden,  der  sich  durch  alle  seine  Ab- 
handlungen zieht.  Diese  sind  in  grosser  Zahl  in  dem  .leronuc  der  serbischen 
Matica,  im  Belgrader  FjacHHK,  im  Agramer  Rad,  im  FoÄHiufbuua,  Ciapuuap, 
neuerdings  im  Belgrader  akademischen  Fjiac  und  CnoMCiiuK,  im  Sarajever 
r.!iacHHK,  dann  in  den  belletristischen  Zeitschriften  Biua,  Mamua,  Crpa/KH- 
jioBo,  Kojio,  EpaHKOBO  Ko-io  u.  a.  erschienen  feine  genaue  Aufzählung  findet 
man  in  der  serb.  Zeitschrift  CpncKu  Ciioh  Jahrg.  15,  Nr.  17  von  seinem  Bruder 
D.  Ruvarac).  Eine  Gesammtausgabe  dieser  Perlen  zur  kritischen  Geschichte 
des  serbischen  Volkes  wäre  dringend  zu  wünschen.  Ruvarac  war  ein  unver- 
gleichlicher Miniaturmaler,  grössere  zusammenfassende  Darstellung  ganzer 
Epochen  hatte  für  ihn  keinen  Reiz.  Nur  wo  etwas  Neues  zu  sagen  oder 
irgend  ein  Irrthum  zu  berichtigen  war,  da  fühlte  er  sich  wohl,  da  Hess  er 
seine  ungeheure  Belesenheit,  seinen  kritischen  Scharfsinn  glänzen.  Der 
Verlust,  den  die  serbische  Geschichtsforschung  durch  den  Tod  Ruvarac's 
erlitten,  ist  sehr  gross,  ja  augenblicklich  geradezu  unersetzlich.  Nicht  Jeder 
hat  den  Muth,  in  seine  Fussstapfen  zu  treten,  denn  das  serbische  Sprichwort 
sagt :  Ko  hcthhy  ryan,  r^^Äa^iOM  ra  no  npcxuMa  unjy !  V.  J. 


636  Kleine  Mittheilungen. 

Polychronios  Agapjevic  Syrku. 

Von  verschiedenen  Seiten  wird  mir  bestätigt,  dass  während  des  ver- 
flossenen Sommers  P.  A.  Syrku,  dessen  Name  häufig  in  der  Slavistik  genannt 
wird,  das  Zeitliche  gesegnet.  Die  letzten  Monate  seines  Lebens  sollen  sehr 
traurig  gewesen  sein.  Mit  umdüstertem  Geiste  musste  er  seine  Thätigkeit 
an  der  Petersburger  Universität  aufgeben  und  in  einer  Heilanstalt  Obdach 
finden.  Wenig  angenehmes  war  ihm  auf  dieser  Welt  beschieden,  zum  Theil 
durch  eigenes  Verschulden,  zum  Theil  durch  Ungunst  der  Verhältnisse.  Man 
sah  ihm  immer  die  mangelnde  Bildung  eines  gewesenen  Seminaristen  an, 
dessen  nachträgliche  Belesenheit  im  Fach  nicht  auf  der  Erziehung  zur  Hu- 
manität beruhte.  Als  Sohn  eines  Geistlichen  aus  Bessarabien  stammend,  hielt 
er  sich  selbst  oft  für  einen  Rumänen,  leider  verstand  er  seine  Kenntniss 
des  Rumänischen  nicht  zum  Vortheii  der  Slavistik  zu  verwerthen.  Als  ich  im 
Jahre  18S0  nach  Petersburg  kam,  fand  ich  ihn  bereits  als  Kandidaten  vor,  be- 
lassen bei  der  Universität  mit  der  Anwartschaft  auf  Dozentur  und  Professur, 
die  er  auch  nach  schweren  Mühen  erlangte.  Mit  grossem  Eifer  hatte  er  sich 
auf  die  Slavistik  gevorfen,  doch  ohne  gute  systematische  Vorbildung,  bei 
gänzlichem  Mangel  an  Methode  für  kritische  Forschungen.  Er  sammelte 
fleissig  Texte  und  Handschriften,  gab  aber  nur  weniges  davon  heraus.  Eine 
Biographie  des  bulgarischen  Lokalheiligen,  Nikolaus  von  Sophia,  war  schon 
zu  Anfang  der  80er  Jahre  gedruckt,  erschien  aber  erst  1901.  Seine  Haupt- 
leistung konzentrirte  sich  auf  die  Frage  über  die  im  XIV.  Jahrh.  gemachten 
ßücherreformversuche,  als  deren  Zentrum  der  Trnover  Patriarch  Euthymius 
galt.  Die  zwei  erschienenen  Theile  erschöpfen  den  Gegenstand  nicht,  haben 
auch  keine  Lösung  gebracht.  Die  vielen  kleineren  Beiträge  und  Anzeigen, 
die  sich  hauptsächlich  mit  den  Fragen  der  kirchenslavischen  Literatur  be- 
fassen, zeichnen  sich  mehr  durch  reichliche  bibliographische  Angaben  als 
durch  Verarbeitung  des  Gegenstandes  aus.  Der  Verstorbene  hat  sich  auch 
an  unserer  Zeitschrift  betheiligt  (vergl.  Archiv  B.  VI.  VII.  IX.  XXI].       V.  J. 

Alexander  Ivanovic  SmirnoT. 

Am  20.  Juli  d.  J.  verstarb  in  Odessa  der  langjährige  Herausgeber  des 
Warschauer  russischen  $u.iojioruqecKiir  BicTUHKi.,  A.  I.  Smirnov,  im  Alter  von 
63  Jahren.  Er  war  anfangs  einige  Jahre  in  Odessa  an  Mittelschulen  beschäf- 
tigt, schrieb  nachher  eine  Magisterdissertation  über  das  Igorlied  (1879]  und 
kam  bald  darauf  als  Nachfolger  Kolosov's,  in  der  Eigenschaft  eines  ausserord. 
Professors  der  russischen  Sprache  und  Literatur  nach  Warschau.  Hier  ver- 
blieb er  (seit  1883  als  ord.  Professor)  bis  kurz  vor  seinem  Tode,  der  ihn  von 
einer  langwierigen  schweren  Krankheit  erlöste.  Smirnov  war  ein  sympathi- 
scher, humaner  Mann,  ein  guter  Erzieher  und  Lehrer,  ein  gewissenhafter  und 
liebenswürdiger  Redakteur,  aber  schüchtern  von  Natur,  die  ihm  nicht  ge- 
stattete, mit  seinem  Wissen  selbständig  aufzutreten.  Auch  seine  Betheiligung 
an  der  von  ihm  redigirten  Zeitschrift  beschränkte  sich  zumeist  auf  Anzeigen, 
Referate  und  Nekrologe.  Im  Journal  des  russ.  Ministeriums  der  Volksauf  klä- 
rung  1905,  Oktoberheft,  widmete  ihm  Prof.  Karskij,  sein  Nachfolger  in  der  Re- 
daktion des  $ii.!ioji.  BicTHHKt,  einen  kurzen  Nachruf  mit  genauer  Aufzählung 
seiner  literarischen  und  wissenschaftlichen  Leistungen.  V.  J. 


Sachregister. 


Accent,  s.  Böhmisch;  Dialekte;  kir- 
chenslav.  Accentzeichen,  ihre  Her- 
kunft 441  flf. 

Altbosnische  Inschrift  258—265. 

Böhmisch,  Accent,  Prosodie  u.  Metrik, 
527  ff.,  alter  Zustand  229,  Reform 
durch  Dobrovsky  530  ff.,  durch  Sa- 
fai-ik  u.  Palacky  536  ff.,  der  Stand- 
punkt Erben's  541  ff.;  böhm.-mäh- 
rische  Dialekte  586  f. 

Clemens  von  Bulgarien,  seine  literari- 
sche Thätigkeit  350  ff. ;  Text  zweier 
Lobreden  373 — 383;  stammt  von 
ihm  die  pannon.  Legende?  384  ff.; 
benützte  er  die  Freisinger  Denk- 
mäler? 395  ff. 

Cyrill  von  Turov,  seine  Mönchspre- 
digten  181 — 195,  deren  Echtheit. 

Cyrillische  Fragmente  aus  Einbänden 
85  ff. 

Daniel,  Buch  des  Propheten,  die  sla- 
vische  Uebersetzung,  ihre  Redak- 
tionen, der  zu  Grunde  liegende  grie- 
chische Text  447  ff. 

Declination,  zur  Geschichte  der  serbi- 
schen, Anhängepartikel  und  deren 
Erklärung  73  ff. 

Dialectologie,  die  grossrussische,  de- 
ren Publikationen  von  1897 — 1901, 
91  ff.;  kleinrussische,  Texte  aus 
Uherci  und  Glossar,  513 — 526;  vgl. 
böhmisch;  slovenische,  ausPolstrau 
(Steiermark)  139,  aus  dem  Gailthal 
1 95—228  (Accentlehre) ;  Darstellung 
des  Kajdialektcs,  über  dessen  Gren- 
zen, Gliederung,  Geschichte,  Zuge- 
hörigkeit, Formen  578  ff. 

Feuerstätten  u.  ihr  Kult  126  ff. 
Freisinger  Denkmäler  395  ff. 

Glagolitische  Schrift,   Bestandtheile, 

161—168. 
Griechisch -slavische  Inschrift  258 — 

265. 

Halbvokale,  deren  Geltung  u.  Anwen- 
dung, im  Savaevangelium,  1 — 30; 
im  Euchologium  des  Sinai  31 — 40; 
im  Zographiensis  u.  Marianus  321  — 
349;  im  Suprasliensis  481 — 512. 


lluculen,  Beiträge  zur  Literatur  über 

diese,  269  ff. 
Hypocoristica,  Bildung  ders.  47. 

Illyrismus,  zur  Geschichte  desselben 
133—138. 

Katharina  II.  u.  ihre  Komödien,  deren 
Ziel  U.Mittel,  Verhältniss  zu  Gel- 
iert 563  ff. 

Kerbholz,  dessen  Geschichte  170  ff., 
320. 

Kiever  Blätter,  neue  Publikationen 
darüber  441  ff,  457,  vgl.  141  f. 

Klagenfurt,  Etymologie  des  Namens 
146  ff.;  412  ff. 

Kleinrussisch,  s.  Huculen;  Dialektolo- 
gie; die  Publikationen  der  Sev- 
cenko-Gesellschaft,  angez.von  Hru- 
sevskij  270—299 ;  Sonnwendlieder 
in  Westgalizien  273—278. 

Kreuzauffindungslegende  256. 

Kroatisch  s.  Serbokroatisch. 

Lehnwörter,  Allgemeines  414  f.,  Be- 
handlung des  st  bei  den  Polen  und 
Böhmen  62. 

Materialien  zur  Geschichte  der  slavi- 
schen  Philolos^ie;  Briefe  von  Vuk 
304  ff.;  SafaHk  476;  Oblak  477  ff.; 
zur  Universitätsfrage  in  Deutsch- 
land 609  f. 

Menaeum  von  Grigorovic,  Blatt,  neu 
herausgegeben  425  ff. 

Method  s.  Vita. 

Monatsnamen,  slavische,  143  f.  (slova- 
kische  u.  südslavische);  huculische 
269—273;  slavische  bei  Jermolov 
607. 

Ortsnamenforschung  412  ff. 

Palaea,  der  Ursprung  ihrer  jüdischen 

Polemik  360. 
Palatalisirung.  von  rtci,  142. 
Polnisch,  juridische  Glossen  des  XV. 

Jahrh.  26.i— 268. 
Pra?er  Fragmente  446. 
Präfixe,  zur  Wurzel  geschlagen  70. 
Preussische    Bevölkerung    auf   dem 

linken  WeichseUifer  470  ff. 

Russisch,  s.  Dialektologie;  Altrussi- 
sche Schrift  168—172;  vgl.  Katha- 
rina II.  u.  a. 


638 


Sachregister. 


Sarmatisch  u.  skythiscb,  sprachliches 
24Ü— 245. 

Serbokroatisch,  S.Dialektologie;  Illy- 
rismus;  Deklination;  Darstellung 
der  ragusäischen  Literatur,  Ab- 
druck einer  alten  Quelle  587  ff.; 
Beiträge  zu  Vetranid  596  ff. ;  Bei- 
träge aus  dem  Agramer  Landes- 
archiv 598  flf.;  zur  altserbischen  Ge- 
schichte, zum  Zakonik  des  Dusan 
(Getreidepreise  u.  soc)  173 — 180; 
Schreiben  des  Gennadios  an  Georg 
von  Serbien  um  1450  und  seine  Be- 
deutung 246 — 257;  s.  Sprichwörter. 

Slovaken,  zur  Geschichte  der  politi- 
schen Kämpte  (Kollär)  1848,  159 ff.; 
s.  Monatsnamen. 

Slovenen  im  Somogyer  Komitat  303. 


Sprichwörter  des  russischen  Volkes, 
für  Landwirthschaft  und  Kalender 
600  —  607;  Vergleich  kroatischer 
Kalendersprichwörter  605  f. 

Verbalformen,  bim  465  ff. 

Vita  Methodii  et  Cyrilli,  Erklärung 
eines  Ausdruckes  141;  über  den 
Verfasser  s.  Clemens;  Unterschied 
der  cyrillischen  u.  methodianischen 
Textrecension  449  ff. 

Vocale,  Vertretung  von  indoeuro- 
päisch 0  und  a  228 — 240;  or  zwi- 
schen Consonanten  475. 

Volksmärchen  vom  klugen  Knaben, 
kroatischer  Text  611  ff.;  Parallelen 
615  ff. 

Zakonnik  Dusan's  173  ff. 


Albert  542. 
Almazov  353. 
Amantos  234. 
Artemiev  107. 

Badalic  612. 

Balasoglo  95. 

Balov  98. 

Barvinskyj  286,  288. 

Baseljic  140. 

Baudouin  de  Courtenay 

52,  148,  412,  458  ff. 
Belic  73  ff. 
Beljavskij  107. 
Belmont  (Blumenthal) 

433  ff. 
Benesovsky  529. 
Benfey  611,  624. 
Benni  460  f. 
Berneker  65,  467. 
Blahoslav  529. 
Bogoraz  96,  118. 
Bojnicic  598  ff. 
Boninus  de  Boninis  140. 
Boskovic  140. 
Brandl 528  ff. 
Brcid  360. 
Breyer  140. 
Brlic  A.  I.  304  ff. 
Brlic  L  A.  304  ff. 
Brugmann  228,  610. 
Bucar  599. 
Budde  92  ff. 
Budilovic  445. 
Budmani  44,  608. 


Namenregister. 

Budzin.^ki  433. 
Bulic  9S. 

Cagliostro  565. 
Caplovic  157  ff. 
Cavcic  s.  Vetranic. 
Celevyc  288. 
Cernysov  94,  109  ff. 
ChmelnyckyJ  288  f. 
Ciszewski  126  ff. 
Coaquin  627. 
Cousin6ry  480. 
Orivellucci  81. 
Cupr  540. 
Czambel  145. 

Dainko  305. 
Daniele  175. 
Dezelic  463  f. 
Dilaktorskij  95. 
Dittel  97. 
Dobrovskij  94. 
Dobrovsky  314,  529. 
von  Dobschiitz  246—257. 
Dragomanov  296. 
Drzic  596  f. 
Durdik  527. 
Durnovo  91 — 125. 
Dykariv  286,  298. 
Dzydzora  289. 

Endzelin  474. 
Erben  527  ff. 
Evgenij  182  ff. 


Fed'kovyc  294. 
Feifalik  527. 
Filaret  183. 
Filatov  95,  105. 
Fomin  98. 
Fortunatov  121. 
Frähn  168  ff. 
Fraknoi  81. 
Franko  265,  290  ff. 


Gabriö  612  f. 
Gaj  135  f.,  464. 
Gardthausen  168—172. 
Gasparotti  580. 
Gebauer  41,  47,  61. 
Geliert  566  ff. 
Geizer  176. 
Gennadios  IL  247  ff. 
Georg  L  v.  Serbien  247  ff. 
Gerasimov  97. 
Giacomo  della  Marca  (D. 

Gangala)  79  f. 
Gjorgjic  587  ff. 
Goed'ecke  563. 
Goetz  181-195. 
Goll  527. 

Golubinskij  183  ff. 
Grafenauer    139,    195  — 

228. 
Grigoriev  116. 
Grimm  46. 
Grot  563  f. 
Gruber  599. 
Grunskij  441  ff. 


Namenregister. 


639 


Harkavy  172. 
Havlicek  15  i  f. 
Havlik  42. 
Kerbest  287. 
Hirt  55,  59 
Hnatiuk  292. 
Hnevkovsky  540. 
Holly  540. 
Hosek  586  f. 
Hostinsky  527. 
Hrusevskyj  278—299. 
Hurban  159  f. 

Jagic  1,  15,  77,  79,  85 — 
90,  91,  133—138,  141, 
151,  160,  162  f.,  246, 
278,  303,  313,  321  ff., 
360,384—412,  432,  441 
—463,  467,  477,  578— 
596,  598,  607,  609  f., 
611  ff.,  630—635. 

Jaksch  414. 

Jakubec  154  f. 

Jastrebov  132. 

Jermolov  600  ff. 

Jevsejev  447  ff. 

Jirecek  C.  80,  237  f. 

Jirecek  J.  527. 

Ilesic  142—145,  154. 

Iljin8kij73— 77,78,299f., 
424—431. 

Jungmann  536, 

Kaindl  264. 
Kalajdovic  182  ff. 
Kalmykov  106. 
Kaluiniacki  265—278. 
Karäsek  154—160. 
Karaulov  98. 
Karinskij  95,  115. 
Karskij  92,  119. 
Katbarina  II.  563  ff. 
Klemens  (Exarch)  350  ff. 
Köhler  612,  627. 
Kolendic  596  ff. 
Koh'ssa  292. 
Kollär  154  ff. 
Kopitar  305,  314. 
Korbut  60. 
Korduba  286. 
Kosvincev  95. 
Kotljarevskyj  294. 
Kotsmich  527. 
Kozariscuk  265. 
Kräl  527. 
Krebs  611. 
Krek  t  633  f. 


i  Kretschmer  228—240. 
Kristianovic  605  f. 
Krizko  155. 
Krsujavi  599. 
Krumbaoher  261  f. 
Kruszowski  459. 
Kuklin  95. 
Kulikovskij  97. 
Kuziela  286.  320. 

Lamanskij  354  ff. 

Lambl  145. 

Lang  30. 

Lanstjak  155. 

Lavrov  350—384;  384  ff. 

Leopardi  82. 

Leskien  1—40,161  —  168, 

321—349,481—512. 
Lessiak  412—424. 
Levstik  43,  56. 
Loewe  234. 
Loos  144  t'. 
Lorentz  465 — 476. 
Lukjanenko  578  ff. 
Lupus  433. 

Mahlow  229. 
Majewski  126. 
Makusev  82. 
Malinowski  320. 
Mares  541. 
Maretic  609. 
Marulid  634. 
Markov  96. 
Matuszewski  320. 
Matzenauer  46,  59, 
Mazuranic  A.  136. 
Mazuranic  Iv.  136. 
Medo  608. 
Metelko  305. 
Meyer  G.  233  f. 
Michajlov  454  ff. 
Mikkola468,  473,  474. 
Miklosich  52,  65  ff.,  143, 

154,  175,  233,  264,  272, 

314,  609. 
Milcetic  45 
Miliöevic  320. 
Miller  V.  Th.  121. 
Möhl  74. 
Müller  R.  146. 
Miiusterberg  259. 
Marko  464,  633. 

Nagy  596  ff. 
Nachtigall  451  ff.,  455. 
Nakonieczny  433 — 440. 


Xehring  300  ff.,  476  f. 
Neraanic  45. 
Nessehnaun  467. 
Nevostrujev  193. 
Nicolai  J'r.  564. 
Nicolai  Giac.  80. 
Nikolskij  104. 
Novakovic  173—181 ;  477 
—480. 

Oblak  45,    74  f.,    477  ff., 

579  ff. 
Ochrymovyc  298. 
Ohonovskyj  293. 
Ozvald  139! 

Palacky  530  f. 
Parczewski  168. 
Paroubek  527. 
Pelzel  529. 
Petretiö  581. 
Petrow  320. 
Petruszewicz  461  f. 
Pinelli  608. 
Pintar  148,  413  ff. 
Pirnat  156. 
Pivko  126—132. 
Pletersnik  56,  67. 
Plohl-Herdvigov  580  ff. 
Pokrovskij  9S,  116. 
Polivka  614—629,  632. 
Popovic  587  ff. 
Presern  137. 

Prohaska463f.,  563-577. 
Puchmajer  535  f. 
Puszkin  433  ff. 
Pypin  563  ff.,  j-  630  f. 

Quis  541. 

Raid  52, 

R.setar   73  f.,    140,    142, 
258—264,  299  f.,  608  f. 
Rezanov  95. 
Rogerius  580. 
Rosen  172. 
Rudnyckyj  288  f. 
Ruvarac246;  f  634  f. 

Sacharov  99. 
Sachmatov  92  ff.,  141. 
Sadovnikov  117  f. 
Safarik  233  ff.,  536  f. 
Säsinek  320. 
Scepkin  1  ff.,  445. 
Scheffer  96. 
Scheinigg  146 — 154,  414, 

420  ff. 
Schrader  54. 


640 


Wortregister. 


Schmidt  Job.  230. 
Sein  98,  117. 
Sevlakov  98. 
Sievers  142,  349. 
Sikorski  433. 
Simoni  92  ff. 
Skrabec  315,  584. 
Skultety  144  f. 
Smetanka  587. 
Smirnov  -j-  036. 
Sobolevskij  91  ff.,  241- 
,  245,  351. 
Sole  528. 
Solovjov  99,  106. 
Spasowicz  433. 
Spolari  (Spolarid)  313. 
Srepel t  632. 
Sreznevskij  J.  424  f. 
Sreznevskij  V.  172. 
Stephan  P.  580. 
Stojanoviö  89,  351. 
Stratimirovic  476. 


Barszcz  63. 

biuszcz  63. 

Brust  472  (Ortsname). 

6ach  und  6ech  244  f. 

Celövecl46ff.und412ff. 

chabati  44. 

chajati  44. 

cirkva  445. 

cketa  41  ff. 

cviliti  148. 

derjeryst  468. 

dobri,  231. 

diuvendija  480. 

gälte  44  f. 

glotun  45. 

gorazdT&  233. 

yqaßa  234. 

Hana  587. 

hoch  46  ff. 

holec  47  f. 

holomek  48  (Hallunke). 

host,  hust  49. 

Jenzidul  (Ortsname)  470. 

kalos  (kolos)  608. 

Klagenfurt  s.  Celovec. 

klamm  72. 

klanac  72. 

klasen  143. 

koka  51. 

kolos  8.  kalos. 


Strekelj  41—72. 
Studynskyj  291  ff. 
Stur  142  ff. 
Suchevyc  265. 
Surmin  133  ff.,  304  ff. 
Susko  287. 
Sutnar  527—562. 
Syrku  f  636. 

Talvj  308. 
Terledkyj  290  ff. 
Thallöczy  79—90. 
Theophylactus  252. 
Tkalcic  633. 
Touzil  562. 
Tomasivskyj  288  f. 
Trstenjak  151,  303. 
Trüber  315. 
Tunicki  351. 

Ulaszyn  300  f. 

Valjavec  455,  580  ff. 
Vdovcenko  118. 


Wortregister. 

korenittct  450. 
kralB  475. 
kurec  50  f. 
kuriti  se  52. 
liva  450. 
loza  52  ff. 
Morava  587. 
Mösland  473. 
moszcz  62. 
mozdanik  55  f. 
ny  445. 
ogavije  450. 
ornica  56. 
osaben  43. 
osajati  43. 
osib^  44. 
osinati  se  44. 
pica,  picka  51. 
piriti  56  f. 
praska  58. 
prehodi.  451. 
presustvo  314  ff. 
proboszcz  62. 
prousc  469. 
puriti  57. 
rujan  143. 
sajati  43. 
saka  67. 
savati  43. 
Schlanz  473. 


Weber  L.  471. 
Velycko  286. 
Veprek  527. 

Werchratskij  513—526. 
Vetranic  596  ff. 
Wieland  563. 
Volkov  282,  298. 
Voltaire  566. 
Voltiggi  140. 
Vondräk  351  ff.,   384  ff., 

441  ff. 
Vostokov  352. 
Vraz  136,  137. 
Vrchlicky  528. 
Vrhovac  463  f. 

Xanthopoulos  252. 

Zamotin  107. 
Zanovid  140. 
Zay  156. 
Zelenin  116. 
Zubaty  65. 
Zubryökyj  290  ff. 


secen  143. 
sep  67. 

setovati  se  42. 
sketiti  42  f. 
slik  61. 
Slovene  234. 
sokalnik  175—181. 
sokie  175 — 181. 
spiee  51. 
stabry  61. 
stap  65. 
stebel  61. 
stidlo  59  ff. 
stiglec  60  f. 
stpice  61. 
sut  319. 
szczebiel  61. 
szczudlo  59  ff. 
ternjak  68. 
tniti  450. 
trom  69. 
tvesti  70. 
wabbra  468. 
veljaca  144. 
wubri  467. 
vtsadi.  141. 
CdxKfoy  232. 
zär  609. 
zleb  71. 


Druck  von  Breitkopf  &  Härtel  in  Leipzig. 


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BmuiNG  SECI- 
'm  1  4  1976 


PG  Archiv  für  slavische  Philologie 

1 

A8 

Bd. 27 


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