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Full text of "Archiv für slavische philologie ... 1.-42 bd.; 1875-1929"

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-1  ^lün/    *^-'/Cy 


HARVARD 
COLLEGE 
LIBRARY 


,v  ARCHIV 


F^ 


SLAYISCHE  PHILOLOGIE. 

UNTER  HITWIRKUNG 


VON 


A.BRÜCKKER,     A.  LESKIEN,     W.NEHMG,     F.  FORTÜNATOV, 

BBHIiIll,  LEIPZIG,  BRESLAU.  ST.  PETERSBURG, 

CJIRECEK,    ST.  NOVAKOVid,    A.  SOBOLEVSKÜ, 

WIEN,  BELGRAD,  ST.  PETERSBURG. 

HERAUSGEGEBEN 


TOM 


V.  J  A  G I  C. 


NEimUNDZWANZIOSTER  BAND. 


*•» 


BERLIN, 

WEIDMANNSGHE  BUCHHANDLUNG. 

1907. 


P  Sla^  iS.  70 


Inhalt. 


Abhandluigtii.  s«iu 

Kritische  Bemarkimgen  zum  nrBlavischen  Entnasaliernngsgesetz  in 

Areh.  f.  sL  Phfl.  XXVin,  1  ff.,  von  Jarl  Gharpentier.  ...  1 

UnlavisclieB  Entnasalierongsgesets,  Antikritik  and  Nachträge  von 

Norbert  Jokl 11 

Pruiier  M^tim^'s  Mystifikation  kroatischer  Volkslieder  (Schloß),  von 

T.Matiö 49 

Ifie  man  Blavische  Mythologie  macht,  von  Ivan  Franko 97 

Za  Prokop  Sediv:^s  Büchlein  über  das  Theater  (1793),  von  Franz 

Spina 105 

Der  Spirant  v  vor  o  ans  idg.  9  im  Urslavischen,  von  G.  Iljinskij  .   .  161 

QiuiqaeB  remarques  snr  la  langne  polabe,  par  Oasimir  Nitsch.  .         169 
PhMo^Bsches  nnd  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben,  mit  besonderer 
Berficksiohtignng  des  Gedichtes  >Z&hofovo  loie«  (Schloß),  von 

Jaroslav  Sotnar 184 

Bendnmgen  der  okrainischen  historischen  Lieder,  resp.  »Domen«, 

cnrnsüdslavischenVolksepos,  von  Michajlo  Teräakoveö  .         221 
Drei  Fragen  ans  der  Taofe  des  heiligen  Vladimir,  von  Stjepan 

Srkolj 246 

BeitrSge  sor  Qodlenkritik  einiger   altnuBischer  Denkmäler,    von 

Ivan  Franko 282 

BeitrSge  aar  serbokroatischen  Dialektologie,  von  Franjo  Fancev         305 
Beiträge  zur  Koltorgeschichte  des  serbischen  Volkes,  I.,  ü.,  von 

Aleksa  Iviö 390,511 

Der  Reflex  des  indogermanischen  Diphthongs  eo  im  ürslavischen, 

von  G.  Iljinskij 481 

DerDialektvonMostar,  von  Vladimir  Öoroviö 497 

£UikaKrisnohorsk&,  von  Jaromir  K.Doleial 517 

&  Broehstttok  von  Moliöres  George  Dandin  in  der  Übersetzong 

F.  K.  Frankopans,  von  T.  Matiö 529 

Die  Nomenklator  in  den  kroatisch-glagolitischen  litnrgischen  Bü« 

ehern,  von  Jos.  Vajs 550 


Krititeher  Anzeiger. 

yoadrik,V«r^slav.  Grammatik,  angez.  von  A.  Brückner  .  ...  HO 

Boguodsiea  (oiniat's  Schrift  o.  a.),  angez.  von  A.  Brückner  ...  121 

Giaabel,  Die  alovakische  Sprache,  angez.  von  Fr.  Pastrnek  ...  135 


TV  Inhalt. 

Seit« 

Ear&sek,  SUv.  Literaturgeschichte ,  angez.  von  L  Grafenauer,  D. 

Prohaska  und  J.  Satnar 140,581 

njinsldji  Urkonde  des  bosn.  Banns  Knlin,  angez.  von  M.  Beietar  .  149 

Vondr&k,  Yergl.  slav.  Grammatik,  angez.  von  V.  Porzezii&ski    .  .  411 

Schiader,  Sprachvergl.  nnd  Urgeschichte,  angez.  von  A.  Brttcknei  429 

Brückner,  Geschichte  der  poln.  Sprache,  angez.  von  EL  Uiaszyn.  .  440 
Zum  slavischen  Folklor: 

Federowski,  Folkloristisches  ans  Weißmßland,  angez.  von  G. 

Polivka 445 

Romanov,  Weißruss.  ErzShlnngen,  angez.  von  G.  Polivka  .  .  454 

Medvecky,  Monographie  über  Gyetva,  angez.  von  G.  Polivka  458 

Speranskij,  Ans  Altägypten,  angez.  von  G.  Polivka 461 

Gavrilovid,  20  serb.  Yolkserzählnngen,  angez.  von  G.  Polivka  469 
Baudonin  de  Conrtenay,  Slavisches  ans  Korditalien,  angez.  von 

G.  Polivka 473 

äa&elj,  Ans  dem  Volksleben  in  Adle6i6i,  angez.  von  Iv.  Grafenaner  475 
Ostojiö,  Dosithens  Obradoviö  im  Kloster  Opovo,  angez.  von  D.  Pro- 

haska 610 

Dr.  Cinov,  Urheimat  n.  Ursprache  der  Bulgaren,  angez.  von  S.  Mla- 

denov 613 

Croiset  van  der  Eop,  De  morte  prologus,  angez.  von  W.  Nehring  .  615 

Kleine  Mittheilttngen. 

Johannes  U£evi6  nnd  seine  Grammatik,  von  y.Jagiö 154 

Einige  serbokroatische  Lehnwörter,  von  P.  Skok 477 

Jngendprozessionen  zn  Ostern  in  Lnbom  im  Kreise  Batibor  nnd  eine 

Urkunde  darüber  aus  dem  J.  1672,  von  W.  Nehring 618 

Die  visio  mortis  des  Polykarp  in  einer  Prager  Handschrift,  von  W. 

Nehring 621 

Oyji^HÄSp — «rwÄjyi'a^w»',  par  St  Novakoviö 622 

Eine  glagolitische  Inschrift,  von  Jos.  äum an 623 

Ein  Beitrag  zur  Biographie  Arsenius'  IV.  Jovanoviö,  von  Vladimir 

Öorovid 624 

Zur  Etymologie  von  asl.  oi^«,  von  A.  Musiö 825 

Eine  kroat  Privaturkunde  (Pfandbrief)  vom  J.  1663,  von  V.  Jagid  .  625 

Pola,  von  Kappus 626 

Nekrologe: 

f  Jan  Gebauer,  von  V.  Jagic 629 

f  Alezander  Ko6ubinskij,  von  Fr.  Kidr  16 633 

Zur  Entgegnung,  von  A.  Brückner 637 

Sach-,  Namen- und  Wortregister,  von  A.  Brückner 639 


ARCHIV 


FÜR 


SLAYISCHE  PHILOLOGIE. 


UNTER  MITWIRKUNG 


VON 


A.  brOgkmr,   a.  leshen,    w.  nehmg,  f.  FORTÜNATOV, 

BBKI^H,                         LEIPZia,                      BBESLAÜ,  8T.  PETERSBURG, 

J.  GEBAUER,   C.  JIRECEK,    ST.  NOVAKOVIC,  A.  SOBOLEVSKU, 

WIEN.                          BELGRAD,  8t.  PETERSBURG. 

HERAUSGEGEBEN 
VON 


V.   JAGIC 


NEÜNUNDZWANZIGSTER  BAND 

.  EK8TES  HEFT. 


-•«^^N««- 


BERLIN  1907. 

WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNG. 
S.  W.  ZIMMEHSTRASSE  94. 

ST.  PETERSBURG,  K.  L.  RICEER. 


INHALT. 


Abhandlungen.  ^^.^ 

Kritische  Bemerkungen  zum  urslavischen  EntnasalierungsgeBetz  in  Aich.  f.  gl. 

Phil.  XXVIII,  Iflf.,  von  Jarl  Charpentier 1 

UrslayiBohes  Entpaealierungsgesets,  Antikritik  und  Naohtrfige  von  Norbert  Jokl'  11 

Prosper  M^rimße's  Mystifikation  kroatischer  Volkslieder  (Schluß},  von  T.  Matid  49 

Wie  man  slavische  Mythologie  macht,  von  Ivan  Franko •   .   .  97 

Zu  Prokop  äediv^s  Büchlein  über  das  Theater  (1793),  von  Franz  Spina.   .    .  106 

Kritischer  Anzeiger. 

Vondr&k,  Vergl.  slay.  Grammatik,  angez.  von  A.  Brückner 110 

Bogurodzica,  (§curat^s  Schrift  u.a.),  angez.  von  A.  Brückner 121 

Csambel,  Die  slovakische  Spache,  angez.  von  Fr.  Pastrnek 136 

Kar^ek,  Slav.  literaturgeschiohte,  angez.  von  I.  Qiafenaueru.  D.  Prohaska  140 

Iljinskij,  Urkunde  des  bosnischen  Banus  Kulin,  angez.  von  M.  ReSetar  .   .    .  149 

Kleine  Mittheilungen. 

Johannes  Ulsevic  und  seine  Grammatik  von  V.  Jagid 164 


Alle  Einsendungen  fui  das  b  Archiv  fax  slavische  Philologie  c  sind 
an  mich  nach  Wien  VIII.  Kochgasse  15,  eu  richten. 

y.  Jagic. 


Das  Archiv  für  slavische  Philologie  erscheint  in  Heften  zu 
10  Bogen  oder  Doppelheften  zu  20  Bogen,  je  vier  Hefte  bilden  einen 
Jahrgang.    Preis  für  den  Band  20  ul^,  für  einzelne  Hefte  6  jM, 

Der  Ladenpreis  für  die  bis  jetzt  erschienenen  Bände  I — XXVHI 
beträgt  561  •#.  Dazu  gehört:  Supplementband  zum  Archiv  für 
slavische  Philologie,  enthaltend:  Bibliographische  Übersicht 
über  die  slavische  Philologie  1876 — 1891,  zugleich  General- 
register zu  Band  I — XITT  von  Fr.  Pastrnek.  gr.  8.  (VUI  u.  415  S.) 
15  uT. 

Berlin.  Weidmannsche  Buchhandlung. 


Kritische  Bemerknngeii  zum  nrslayischeii  £iitiiasalie- 
nmgsgesetz  in  Arch.  f.  sL  Phil.  XXYin,  1  ff. 


Im  Arch.  f.  sl.  Phil.  XXVni,  1  ff.  hat  N.  Jokl  ein  neues  nrslavisoheg 
LantgesetE  zu  begrOnden  gesucht,  das  so  lautet  (ib.  S.  16) :  »idg.  n,  bezw. 
aL  Ml  ging  vor  sL  s^  z,  insofern  diese  Laute  idg.  Sy  z  entsprechen,  femer 
Tor  cA  in  a  Aber«.    Schon  von  vornherein,  falls  man  auch  nicht  die  Bei- 
spiele des  Verf.  geprüft  hat,  stellt  man  sich  wohl  diesem  Lautgesetz  etwas 
zweifebd  gegenflber,  und  dies  aus  folgenden  Grflnden.    Die  slavischen 
Spneheo  haben  ja  in  der  geschichtlichen  Überlieferung  den  Quantit&ts- 
noteneliied  der  Vokale  weggeworfen.    Aber  das  kann  im  Urslavischen 
nieM  so  gewesen  sein:  denn  wie  Ejretschmer  Arch.f.  sl.Ph.XXyU,  228 
dargeUn  hat,  was  ja  flbrigens  jedem  ohne  weiteres  klar  sein  muB,  hat 
sieh  idg.  a,  o  im  Urslayischen  zu  a  entwickelt,  was  dann  ^  slav.  o  ge- 
worden ist.    Aber  idg.  ä,  o  gab  urslavisches  ä,  was  lang  gewesen  sein 
muß,  denn  man  kann  sonst  nicht  fassen,  warum  nicht  auch  dies  ein  slay. 
0  geben  wUrde.   Idg.  ^  gab  slav.  hn^  daran  kann  man  ebensowenig  zwei- 
fein:  aber  b  war  hier  wie  immer  kurz,  und  man  fragt  sich,  wie  w&re  es 
möglich,  daß  dieses  kurze  h  schon  urslavisch  zu  a  geworden  wäre,  das 
jedoch  dort  lang  war.   Von  einer  Entnasalierung  im  eigentlichsten  Sinne, 
was  hier  dasselbe  wäre  wie  ein  Übergang  von  h^^a^  kann  natürlich  keine 
Bede  sein  ^].    Man  fragt  sich:  was  ist  dann  übrig?  Nichts  anderes  als 
^tfio  zu  denken,  daß  h  durch  eine  durch  die  Entnasalierung  bewirkte 
Enatzdehnung  zu  a  geworden  wäre.    Jetzt  ist  es  ja  eine  allzu  bekannte 
Tatsache,  um  hier  genannt  zu  werden  zu  brauchen,  daß  eine  Lautgruppe 
buzer  Vokal  +  Nasal  -{-  Sibilant  in  mehreren  Sprachen  den  Nasal  ver- 
fiert,  wodurch  den  Vokal  Ersatzdehnung  traf,  es  ist  aber  ebenso  wohl 
bekannt,  daß  diese  Ersatzdehnung  immer  nur  die  Quantität,  nie  die 
OnsUtät  des  gedehnten  Vokals  verändert.    Man  ist  somit  hier  in  der- 
selbeD  schlechten  Stellung  wie  vorher,  denn  man  kann  kaum  eine  Aus- 

>]  Es  hilft  uns  gar  nichts  anzunehmen,  worüber  wir  übrigens  gar  nichts 
keaneii,  daß  &  hier  eine  mehr  volare  Aussprache  hatte,  wie  es  Jokl  annimmt 

iitki?  fii  lUTiMk«  Pkflologi«.  XXIX.  i 


2  J*  Gharpentier, 

nähme  von  dieser  Erscheinung  annehmen,  ohne  sich  anfs  gröbste  gegen 
alle  laatgeschichüiohe  Methode  zu  versündigen. 

Schon  gegenüber  diesen  Bemerkungen,  die  doch  wohl  jedem  Unbe- 
fangenen ganz  klar  scheinen  müssen,  scheint  mir  das  neue  Lautgesetz 
nündestens  zweifelhaft.  Noch  schlechter  wird  es  aber,  falls  man  eine 
genaue  Durchmusterung  der  Beispiele,  aus  denen  der  Verf.  die  eigent- 
liche Stütze  seiner  Behauptung  nimmt,  veranstaltet.  Denn  erstens,  falls 
hier  wirklich  ein  Lautgesetz  vorliegen  sollte,  was  mir  ja  gar  nicht  glaub- 
lich ist,  so  ist  es  nicht  ausnahmslos,  und  —  das  ist  zu  beachten  —  die 
Ausnahmen  sind  nicht  nur  solche,  in  denen  möglicherweise  Analogie- 
bildung und  Systemzwang  eingewirkt  haben  können,  sondern  auch  ver- 
einzelte Fälle,  die  wegzuerkl&ren  dem  Verf.  nicht  gelungen  ist. 

Der  Verf.  stellt  drei  Gruppen  auf,  in  denen  ^  vor  8,  z,  ch  geblieben 
ist.  Die  erste  umfaßt  Ffille,  in  denen  8  und  z  <I  idg.  ^,  g{h)  entstanden 
sein  sollen.   Aber  hier  steht  es  nicht  so  gut,  wie  man  sich  auf  den  ersten 
Blick  denken  könnte.    Von  den  angeführten  Beispielen  scheint  mir  nur 
ganz  einwandsfrei  p.  toiqz,  russ.  vjcurb  'Ulme' :  alb.  md,  ags.  tciie  u.s.w.  ^) ; 
auch  ab.  j^zyhh  'lingua'  scheint  ziemlich  sicher  ein  §h  zu  enthalten,  ob- 
wohl die  innere  Verwandtschaft  der  schwierigen  Wortgruppe  völlig  un- 
klar ist  (vgl.  die  ausführliche  Behandlung  bei  Johansson  IF.  2,  1  ff.). 
v^aii  'ligare'  :  gr.  lyyi^  scheint  mindestens  unsicher  zu  sein  (vgl.  über 
lyyi)^  zuletzt  Prellwitz  E.W.^  125)^).  Sicher  unrichtig  gedeutet  scheinen 
mir  ab.  6q8th  'densus'  :  lit.  kimsztasj  kemszü  'stopfen'  und  p.  kl^snqö 
'hinsinken'  :  lit.  klenuzioti  'ungeschickt  gehen'  zu  sein,    d^stb  ist  sicher 
mit  kimszta8  identisch,  das  bezweifle  ich  nicht;  aber  es  findet  sich  nicht 
der  geringste  Grund  dafür,  eine  Erweiterung  *kem-k-  anzunehmen:  die 
Grundform  der  Wörter  ist  schlechthin  *k^8',  vgl.  Znpitza  Gutt.  108. 
Was  p.  klqsnqd  betrifft,  so  ist  es  sehr  schwierig  zu  ersehen,  warum  es 
gerade  mit  lit.  klemszidti^  ein  scherzhaftes  Wort  (Eurschat  LDW.  190), 
verglichen  werden  soll;  vielleicht  gehört  dieses  Wort  zur  Sippe  des  slav. 
Wortes,  seine  nächsten  Verwandten  hat  aber  klqsnqd  natürlich  in  lit. 
klimpstüj  klimpti  'beim  Gehen  über  morastigen  und  sumpfigen  Boden 
mit  den  Füßen  einsinken',  klampoti  'fortgesetzt  über  einen  Sumpf  immer 


1)  Die  Wortgmppe  ist  zuletzt  von  Hoops,  Waldbäume  und  Kulturpflanzen 
S.  261  behandelt  worden. 

2)  An  der  von  Jokl  angeführten  Stelle  —  Walde  EuZ.  34,  518  —  findet 
sich  diese  wunderliehe  Kombination  nicht,  wohl  aber  eine  andere  und  bessere. 
Vgl.  auch  Nehring  IF.  4,  400. 


KritiBche  Bemerkangen  zum  urelaviBchen  Entnualierangsgesetz.        3 

eilifilikeiid  gehend  klampüa  'sumpfig'  (wo  man  darüber  gehend  leicht 
einamkt  Korsohat  LDW.  188)  n.s.w.,  nnd  ioh  möchte  somit  für  ilqsnqi 
dne  Omndform  *klfii{p)9'nq-ti  ansetzen. 

Die  sweite  Grnppe  behandelt  Fälle,  in  denen  z  erst  slavisch  ent- 
sttaden  isl  Gegen  diese  habe  ioh  nichts  einsawenden,  sie  ist  anoh  hier 
BÖnder  wichtig. 

In  der  dritten  Abteünng  stellt  der  Verf.  Fälle  snsammen,  in  denen 
die  Lantgnippen  -f«-^  -^z-  ein  idg.  en  enthalten  sollen  i).  Ab.  tr^q  ist 
nsttriich  schwierig  zu  beurteilen;  mir  ist  es  aber  wahrscheinlich,  daß 
das  Wort  nicht  eine  Kombination  ans  *trefn-'  nnd  *tres''  darstellt,  wie 
eiPersson  Studien  S.  153,  Jokl  8.  9  will,  sondern  <[  *trfpr^~  zn  erklären 
iiL  Ab.  pl^ati  'saltare'  scheint  mir  schwierig  zn  beurteilen ;  jedenfalls 
bleibt  die  Kombination  mit  gr.  Ttlaxayii  besser  bei  Seite ;  man  vergleiche 
nur  das  gleichbedentende  nauayog  bei  Homer  (s.  PreUwitz  E.W.^  373). 
In  der  Auseinandersetzung  über  russ.  drjazffbj  die  vielleicht  im  Grunde 
richtig  ist^  finden  sich  mehrere  Sachen,  die  einer  genaueren  Prüfung  be- 
dOrfen.  Zuerst  ist  es  ja  gerade  nicht  unmöglich,  daß  das  Wort  in  der 
Bedeutung  'Binholz'  wirklich  zu  drjagüth  ^zucken'  gehört;  jedoch  ist  die 
Parallele,  die  Jokl  in  ab.  vStvh  'Ramus'  findet,  wenig  wert,  denn  vitvh 
gehört  unzweifelhaft  zusammen  mit  vSja  ^xXddog^  (:  ai.  vaya  'zweig',  air. 
fi  *mte,  zweig')  nicht  zu  *^efr  'winden,  wehen',  sondern  zu  ^f^-,  *^i- 
'nrei'  (vgL  für  die  Bedeutung  nhd.  Ztoeig :  zwei  u.s.w ).  Weiter  fahrt 
JoU  hierher  ab.  dr^(e)h  'morosus',  drqchh  'tristis'  und  deren  Sippe, 
was  mir  aber  gar  nicht  überzeugend  scheint.  Die  Wörter  gehören  wohl 
jedoch,  wie  es  Osthoff  EtPar.  I,  163  Fußn.,  Walde  E.W.  637  wollen, 
nt  lat  trxstis  <C  *dr%n$tir  zusammen,  und  somit  ist  eine  Grundform 
Vrwu(e)/a-  anzusetzen^).  Weiter  gehört  Ut.  drugys  'Fieber'  (S.  13) 
neher  nicht  hierher,  was  übrigens  lautlich  nicht  zu  rechtfertigen  wäre, 
Kadern  ist  mit  aisl.  draugr  'Gespenst,  bes.  ein  Verstorbener,  der  in  sei- 
aem  Grabe  keine  Ruhe  findet,  auch  Werwolf ',  cymr.  drwg  'schlecht'  und 
Heiter  av.  dny^  'Lüge,  Trug',  als  däeva  'der  Lüge'  u.s.w.  (Bartholomae 
iir.W.  778  ff.)  am  nächsten  verwandt  Schließlich  ist  es  mir  wenigstens 
iveifdhafly  ob  wir  wirklich  ab.  drqffb  'Stange'  ^)  unmittelbar  mit  russ. 

^)  Was  ab.  m^so  betrifft,  so  bemerke  ich  nur,  daß  es  wahrscheinlich  » 
aLniofiMS-  ist  und  somit  ursprüngliches  e  enthält 

^  Pedersen  IF.  5,  56  f.  überzeugt  mich  nicht 

';  Zu  aisL  drangr  *Fels\  drmgr  'Stock,  großer  Aal,  junger  Mann*  u.s.w. 
Jobnason  SLZ.  36,  374. 


1 


4  J«  Charpentier, 

drjagäth  'zacken,  zappeln'  vereinen  können.  Die  Bedeutungen  seheinen 
mir  besonders  wegen  der  evidenten  Etymologie  von  drqg^  zu  viel  aus- 
einander zu  gehen. 

Esl.  chr^sthkb  ^cartilago'  u.s.w.  gehören  wohl  zu  lit.  kremsle  'Eaior- 
pel\  wie  es  Miklosich  E.W.  S.  90,  Pedersen  KZ.  38,  394  i),  Jokl  8.  14 
wollen.  kretnsU  kann  man  aber  weder  von  kremblys  'eine  eßbare  Pilz- 
art, Pfefferling',  noch  von  kremtü,  kremsti  'Bröckeliges  nagen'  scheiden. 
kremsU  und  kremtü  stehen  somit  für  ^krempsle  und  *kremptü  und  ge- 
hören weiter  zu  russ.  korobith  'krflmmen'  <[  *kor-b'^  gr.  nQdfißog 
'trocken,  dürr'  «  *krmbo',  wozu  vielleicht  unmittelbar  chrqstbkb  <^ 
*8[k)pn[by8to-ko-)  u.s.w.,  vgl.  Fick  Wb.«  I  567,  Zupitza  Gutt.  115  und 
PreUwiteE.W.2  241. 

br^zdatt,  brqznqii  scheinen  mir  wahrscheinlich  richtig  von  Nehring 
erklärt  zu  sein.  Mit  hX.  fremere^  gr.  ß^ifua^  ahd.  breman  haben  sie 
nichts  zu  tun,  da  diese  Wörter  nicht  insgesamt  verbunden  werden  kön- 
nen, obwohl  Walde  E.W.  243  so  tut  ^).  fremere^  breman  und  andere 
germanische  Wörter,  sowie  poln.  brzemieö  (Bezzenberger  BB.  27,  183) 
und  ai.  bhramaron  'Biene'  u.s.w.  gehören  zusammen,  unter  einem  An- 
laute *JÄr-;  dagegen  gehört  gr.  ßQefiWj  ßgöfiog  entweder  als  *^rem- 
zu  akslv.  ^rom«  'Donner'  (Prellwitz  E.W.^  84)  oder  als  ^mrem-^  zu  arm. 
vnrmram  'brflUe'  u.s.w. 

^,')a.jezgra  enthält  eher  ^  als  en^  denn  9lkA.jqdro  gehört  nicht 
zu  andä-^  arufä-  'Ei,  Hoden'  (ttber  dieses  Wort  s.  Lid^n  Studien  S.  82  ff.), 
sondern  zu  ai.  ddri-  'Stern'  (worüber  weiter  Johansson  IF.  3,  235  f.) 
<  *i%dri somit y^c^ro  <C  ^ndro-^  was  lett.  Idrs  'Kem^  nicht  wider- 
spricht —  und  air.  ond  'Stein'  <  *ond-^6-  (Lid^n  ib.  56  ff.). 

AkaLp^sth  'pugnus'  können  wir  sicher  mit  ahd-ßist  identifizieren'), 
was  über  ugm.  *fu^hstin  auf  idg.  *pnkstir'  hinzeigt;  f^ovoMpqath  <i  ursL 
*phn(s)8ih-.  Ai.  pankti-,  das  ja  übrigens  nicht  <!  ^pcmk^ti-  entstan- 
den sein  kann,  ist  mit  aksl.  p^th  identisch. 

Aksl.  ö^stb  'pars'  ist  zweifelhaft.  Jedenfalls  gehört  es  eher  zu  lat 
scindere  —  also  etwa  ^qhndr-th  —  u.s.w.  (Miklosich  Lex.  1131,  Walde 
E,W.  552)  als  zu  lit.  kandüj  aksl.  kqsi. 

Schließlich  bemerke  ich,  was  die  Infinitive  wie  tr^sti  u.s.w.  betrifft. 


^)  Wo  über  den  Anlaut  der  Wörter  sich  höchst  Zweifelhaftes  findet 

^)  Es  scheint  mir  nämlich  unzweifelhaft,  daß  mr  >  lat.  br,  nicht /r,  wird. 

3)  Brugmann  Grdr.  II.  288. 


EritiBche  Bemerkungen  znm  nrslayiBchen  Entnasalierangsgesetz.        5 

daß  Leskien  freilich  nicht  ganz  überzengend  dargelegt  hat,  daß  hier 
Tlefstofe  Yorliege;  aber  jedoch  sind  so  gnte  Gründe  vorhanden,  daß  eine 
eddie  Annahme  nicht  als  nnberechlagt  bezeichnet  werden  kann. 

Nach  dieser  Mnstemng  scheint  mir  soviel  klar,  daß  man  nicht  mit 
Jokl  alle  FUle  wegrftsonnieren  kann,  in  denen  ein  -^-,  -^z-  anf  idg.  -^-, 
-nz'  deuten.  Ich  gehe  jetzt  znr  Untersnchnng  der  Beispiele,  mit  denen 
Jokl  sein  Lautgesetz  zn  beweisen  sncht,  über. 

Kai.  blazm  'error,  scandalnm^  blaznh  dss.,  mss.  blazenh  'Spaß- 
macher' n.8.w.  fiElhrt  Jokl  mit  ksl.  bl^dq  'errare'  zusammen.  Aber  die 
Bedentnngsfthnlichkeit  reicht  hier  nicht  zn.  Unzweifelhaft  dürfen  wir  mit 
IGklosich  Lex.  8.  30,  J.  Schmidt  Vokalismns  2,  117  blazm  mit  mss. 
liagoj\  wross.  blctgij  'dumm',  lit.  biogas  'kraftlos,  schwach',  lett  blägs 
das.  Tereinen,  wozu  weiter  die  Wortgruppe  gehört,  die  u.  a.  bei  Johansson 
IF.  2,  37  ff.,  Walde  E.W.  227  und  z.  T.  bei  PreUwitz  E.W.2  78,  ühlen- 
beek  AL  £.  W.  228  behandelt  ist.  Wut  haben  somit  hier  eine  Wurzel 
*mlä-  mit  verschiedenen  k-  und  ^-Elementen  erweitert.  Dagegen  gehört 
BstAriieh  bl^dq  zu  got.  blinds  'blind',  blandan  u.s.w.,  lit.  blandyti  'die 
Ang^  niederschlagen',  pri-blista  'es  wird  finster'  u.s.w.  Vgl.  z.  B.  Mi- 
kkffich  Lex.  33,  Tamm  Et.  ordb.  42  u.s.w. 

Boss,  fflazb  'Auge'  stellt  Jokl  mit  ksl.  glqdati,  glqdSti  zusammen, 
waa  eben  denselben  Einwand  veranlaßt  wie  das  vorige  Beispiel.  Die 
richtige  Etymologie  von  glazh  findet  sich  an  den  vom  Verf.  angeftihrten 
Stella,  Nehring  W.  4, 402  i)  und  Zupitza  KZ.  37,  398.  Was  glqdati  be- 
trifft, so  gehört  es  zu  der  Wortsippe,  die  bei  Zupitza  Gutt  174,  wo  die 
änseUägige  Literatur,  angeführt  ist. 

81av.  tax-  in  mss.  lazina  'lichte  Stelle  im  Walde',  p.  lazy  'Sumpf- 
&lie',  2.  laz  'Lehde,  Bergfläche'  u.s.w.  führt  Jokl  mit  ksl.  l^dina  'terra 
iocolta'  und  dessen  Sippe  zusammen,  laz-  <^  *lö§h-  gehört  wohl  zu  lett. 
'(A)  l^fm  'flach',  Ufa  'Sandbank  in  Flüssen',  aisl.  lägr  'niedrig',  gr. 
UxBia  'flach'  [vfiaog,  Od.  9,  1 16.  10,  509)  2);  diese  Wörter  findet  man 
naammengesteUt  bei  Prellwitz  EW.  M  7 7.  2  262  und  Walde  E.W.  330, 
wo  dch  aber  die  slavischen  nicht  finden  ').  Iqdina  dagegen  gehört  ja  wie 
^^^lumnt  in  einiger  Weise  mit  got.  land  und  dessen  Sippe  zusammen  (über 

^1  Der  jedoch,  ich  weiß  nicht  aus  welchen  Gründen,  glavh  als  Lehnwort 
l^tttraehtet  Richtig  beurteilt  die  Wörter  Zupitza  a.  a.  0, 

^  unzweifelhaft  Unrichtiges  bietet  Nehring  IF.  4,  401. 

1  Dazu  vielleicht  noch  razura^y  razurä-  'Wald,  Fanggrube*  (Bartholomae 
Air.W.  1515  f.). 


6  J-  Oharpentier, 

usl.  lundr  'Hain',  das  Jokl  in  diesem  Znsammenhange  nennt,  vgl.  auch 
Lid^n  PBB.  15,  521  f.  nnd  Brngmann  Oriech.  Gramm. '  8.  39). 

EsL  naprastno  'subito,  i§alg)vr]g\  naprashm  'snbitus,  vehemens, 
prsceps,  severas^  ross.  napräsno  'nnnfltz,  umsonst ;  unerwartet,  plötzlich' 
verbindet  Jokl  mit  ksl.  na-prqdati  'insilire',  was  ja  nicht  übel  scheint. 
Ich  möchte  aber  dies  sehr  bezweifeln.  Das  slay./>r^  verbindet  man  ein- 
leuchtend mit  aisl.  spretta  <^  ugm.  ^sprintana-  'springen,  hervorsprießen', 
J.  Schmidt  Vokalismus  1,  57.  2,  231,  Fick  Wb.«  H.  502.  689.  HL 
356,  Osthoff  Et.  Par.  1,  356  f.^J,  welche  Wörter  ein  *(«)/>re-«-rf-  reprä- 
sentieren und  wohl  zuletzt  mit  ai.  spdrdhate  'wetteifert'  u.s.w.  zusammen- 
gehören. Dagegen  möchte  ich  fflr  na-prastr-no  folgenden  Ursprung  ver- 
muten. Slav.  ^prös-h-no-  verbinde  ich  mit  dem  unerklärten  ai.  Adv. 
prctsabham  'mit  Gewalt,  ungestfim,  heftig'  ep.  kl.  lex.,  z.  B.  yan  mäm 
bravisi  prasabham  sakhä  te  '*ham  MBh.  1,  5137,  indriyäni  pramä- 
thini  haranti  prasabham  manaJ^  Bhag.  2,  60,  upUya  prasabham 
däityarh  raiiäyähvayate  sma  tarn  Eathäs.  11,  68  u.s.w.  (Boethlingk- 
Both  gr.  Aufl.  4,  1093).  Das  Wort  ist  deutlich  mprasorbham  zu  zer- 
legen und  in  seinem  Ausgange  wohl  mit  den  gotischen  Adverbia  auf -5a, 
z.  B.  ubilaba  :  ubilo  u.s.w.,  vielleicht  auch  mit  gr.  xQvq>a  <^  ^^qv-^fp, 
zu  vergleichen.  Die  Bedeutungen  fügen  sich  gut  zu  einander:  naprasbno 
'subito' :  prasabham  'mit  Gewalt,  heftig,  plötzlich'. 

6.  tasiti  'ziehen,  zücken,  schwingen,  stoßen',  russ.  tdska  'das 
Ziehen'  u.s.w.  —  wozu  auch  russ.  taiöitb  'ziehen,  schleppen'  —  passen 
in  ihrer  Bedeutung  ziemlich  gut  zu  *ten-  'strecken,  spannen'.  Eine  an- 
dere Etymologie  hat  jedoch  Uhlenbeck  Ai.  E.W.  1 1 1  versucht. 

C.  hasdle  'Sense'  stellt  Jokl  zu  ksl.  ihnjqy  iqti  'demetere',  was  ja 
einleuchtend  wäre,  faUs  man  andere  einwandsfreie  Beispiele  der  in  Frage 
stehenden  Lautflbergftnge  finden  könnte.  Allein  kann  es  aber  kein  Laut- 
gesetz stützen.  Wohin  man  es  übrigens  stellen  soll,  weiß  ich  nicht 
Ebensowenig  dürfte  russ.  gasdth  'ein  Pferd  tummeln'  zu  gnaih  gehören, 
obwohl  die  Geschichte  des  Wortes  dunkel  ist. 

Buss.  (veraltet  u.  dial.)  pas^  'ausgetretene  Spur  (des  Wildes)'  ver- 
einigt Jokl  mit  nTUÄf^,  pjatnikh  <[  *pqt--  'Spur,  Fährte',  peitb  'Hasenspur' 
(nach  J.  <[  */>M}t»),  pnuthy  pindth  'einen  Fußtritt  geben,  mit  Füßen  treten', 
und  zieht  die  ganze  Sippe  zu  slav.  pqtb^  gr.  nixog  u.s.w.  pasn)  wäre 
somit  <^  '^'/^^^-f-o-  entstanden,  was  ziemlich  wunderlich  aussieht  Meines 


1)  Vgl.  auch  Falk-Torp  Et  ordb.  11.  273. 


EiitiBche  Bemerknngen  zum  unlaTiflchen  EntnaBaüenrngsgesetz.         7 

Snehtens  haben  wir  es  hier  mit  unverwandten  Wörtern  zu  ton,  die  unter 
cmeB  znsammengeworfen  sind:  pasz  ist  wohl  ganz  einfach  nnr  ein 
^pöd-so-  SU  *pe/od-  *Puß'  {*pdd-  liegt  vor  n.  a.  in  nmbr.  dupursus  'bi- 
pediboa^  ^ot  fotus  n.8.w.),  vgl  für  die  Bedeutung  das  hierhergehörige 
ann.  het  (gen-  het-oy)  'Fußspur',  ai.  pada-  'Tritt',  lit.  pidd  'Fußspur' 
u.  a.  pifainikb  <^  *p^t''nirko-  gehört  wohl  zu  *per^~  'gehen'  in  got. 
fif^Pan^  ahd.  fendo  'FußgÄnger',  ir.  connetat  «  *pent')  'assequuntur' 
u-w.  Was  penh  'Hasenspur'  betrifft,  so  kann  es  ja  ebensowohl  aus 
<C  *penbj  als  aus  <^  *phnh  entstanden  sein:  im  ersteren  Falle  gehört  es 
als  *ped~ni-  zu  *ped~  'Fuß',  im  letzteren  zu  pnuth.  Was  wieder  dieses 
Wort  angeht,  so  ist  es  ziemlich  sioher  von  den  oben  behandelten  zu  schei- 
den und  gehört  ohne  weiteres  zu  *pe%d-s-j  *j9»(n)«6-  treten,  stoßen'  in 
hLptiq  ^stoßen',  phieno  'Mehl',  Ski.pinästt  'zerstampft'  u.s.w.  Denn  es 
dfirfte  nieht  unmöglich  sein,  zwei  ursprflngliche  Wurzeln  au&ustellen, 
*pi^  und  *pin-j  die  dann  kombiniert  worden  sind  m  pindafij  lat.  pinso 

U.8.W. 

KsL  irasmb  'pulcher,  fonnosus',  irasa  'venüstus,  pulchritudo', 
irasoia  dss.,  russ.  krasd  'Schönheit,  Zierde,  Schmuck',  Jcrdsnyj  'rot' 
Sdiören  nach  Jokl  mit  krqnqti  'deflectere',  krqtiti  'torquere'  zusammen. 
Jedem  Unbefangenen  mag  wohl  dieses  Beispiel  eines  ganz  absonderlichen 
Bedeutungawechsels  und  -wandeis,  der  nicht  im  geringsten  Maße  von 
einer  Menge  mit  denselben  Präpositionen  gebildeten  Wörtern  der  völlig 
Tenchiedenen  Sippen,  die  Jokl  hervorzieht,  gestützt  wird,  ganz  befrem- 
dend scheinen.  Es  mag  richtig  sein,  daß  kr^nqti  zu  ai.  krndtti  gehört  — 
dies  maeht  die  Sache  nicht  besser,  eher  schlechter.  Denn  krcisa  kann 
doch  nimmer  von  einer  Wurzel  'drehen,  flechten'  entstanden  sein.  Wir 
haben  zwei  gute  Etymologien  des  Wortes,  unter  denen  zu  scheiden 
Mhwierig  ist:  Bezzenberger  E2.  22,  478  f.,  dem  Bechtel  Hauptprobl. 
209,  Pedersen  0^.  5,  58  und  Zupitza  Outt.  127  folgen,  erklärt  das  Wort 
<^  *krdt-sä  und  verbindet  es  mit  got  hröpeigs  'ruhmreich',  aisl.  hröfir^ 
kras  'Ruhm',  ags.  hr6dor^  hrid^  ahd.  hntod  dss.,  u.  kirtir  'Lob'  u.s.w., 
was  der  Bedeutung  wegen  sehr  wohl  passend  scheint.  Man  braucht  nur 
aa  lat  hoM>r  zu  erinnern,  das  freilich  gewöhnlich  'Ehre,  Ruhm'  bedeutet, 
iber  an  solchen  Stellen,  wie  z.  B.  Yg.  Aen.  L  591  laetos  ocülis  adfiarat 
honaresj  Hör.  Od.  ü,  1 1,  9  f.  non  semper  idemjloribus  est  honor  \  ver- 
ni$  oder  Tac.  Germ.  5  ne  armentU  quidem  suus  honor  et  glofia  frontis 
(wo  auch  gloria  'Schönheit'  bedeutet)  die  Bedeutung  'Schönheit'  hat 
Bne  vielleioht  noch  bessere  Etymologie  von  krasa^  die  von  Jokl  nicht 


8  J-  Charpentier, 

beachtet  worden  ist,  gibt  Johansson  IF.  19, 124.  Er  verbindet  das  Wort 
mit  verschiedenen  Worten,  die  eine  Bedentang  'Flamme,  Fener'  zeigen, 
z.  B.  aksl.  krada  ^/tvQd,  7L&^iV0Q\  ags.  heord^  lett.  karset  'erhitzen* 
n.s.w.,  nnd  gibt  folgende  Bedentnngsentwicklnng  an:  'Brand,  Flamme'  — 
'rote  Farbe'  (kräsnyj  'rot')  —  'Farbe'  —  'Schönheit'.  Wohin  wir  somit 
auch  krasa  ftthren,  soviel  bleibt  sicher,  daß  das  Wort  nichts  mit  kr^nqti 
zn  schaffen  hat. 

Weiter  stellt  Jokl  mss.  nMchnüib  'eilig  wohin  reisen',  smachätb^ 
stnachnüth  'schnell  hinlanfen'  mit  ksl.  mbriq,  m^ti  'comprimere',  mss. 
mjäth  'kneten',  lit.  minü  'treten'  zusammen.  Jedoch  scheint  diese  Zn- 
sammenstellnng  der  Bedeutung  wegen  kaum  besonders  überzeugend. 
Man  möchte  wohl  aus  guten  Gründen  neben  (symachdih  ein  *tnajq  an- 
setzen, was  aus  *mö[y^)fft  entstanden  sein  kann ;  dies  möchte  man  dann 
mit  der  Sippe  von  lat.  movere  verbinden  (diese  findet  man  bei  Walde 
E.W.  395  u.  400),  was  hinsichtlich  der  Bedeutung  nicht  unpaasend  wäre. 
Jedoch  bleibt  natürlich  dies  ein  wenig  unsicher. 

Russ.  zapdaka  'Frauenschürze'  gehört  nach  Jokl  wegen  zapom  dss. 
mit  pqti  'spannen'  zusammen,  zapaska  gehört  natürlich  zusammen  mit 
verschiedenen  anderen  Worten,  die  Jokl  ib.  hervorzieht,  wie  russ. 
za-pachnüth  ^)  'einen  Schoß  des  Rockes  über  den  andern  legen',  otpächi»^ 
'das  Zurückschlagen',  raspdSka  'Aufschlagen  der  Kleider'  u.s.w.,  ent- 
weder, wie  man  früher  vermutete,  zu  ahd.ya«o  'Faser',  ags.  f<B8  dss.'), 
oder  —  da  man  vermuten  könnte,  daß  ch  nach  Analogie  anderer  Verba 
in  za-^achnütb  eingekommen  wäre  und  sich  dann  weiter  verbreitet  hätte 
-—  wir  können  eine  Wurzel  *päh-  ansetzen.  Dann  gehört  das  Wort  zu 
ai.  pagor  'Schlinge,  Fessel,  Strick',  pä^  'Strick',  pdd-blga^  pad-mga-- 
'Schlinge,  Fessel'  u.s.w.  (s.  z.  B.  Uhlenbeck  Ai.  E.W.  164)  zusammen. 
Vergleiche  dann  mit  gem.-sl.  pasmo  'Garn,  Gebinde,  Kette'  für  die  Bil- 
dung besonders  av.  afsman-  'Verszeile',  eig.  'Bindung'  (mit  unregel- 
mäßigem 8  statt  /,  vgl.  Bartholomae  Ai.W.  103). 

Russ.  su-räzina  'gute  Ordnung,  guter  Fortgang',  su-rdznjf/  'an- 
sehnlich, stattlich'  hat  wahrscheinlich  nichts  weder  mit  ksl.  r^d^  'ordo' 
noch  mit  russ.  rachoväihsja  'Übereinkommen'  zu  tun,  sondern  gehört 
wohl  als  *rd§'  zu  lat.  reffo^  regula  u.s.w. 


i)  Unwahrscheinliches  über  diese  Wörter  bei  Pedersen  KZ.  38,  345. 
2)  Wozu  auch  gr.  nr^yo^,  dor.  nävo^  'Einschlagfäden,  Gewebe' <  *na<r'yo' 
nach  Lagercrantz  Z.  griech.  Lautgesch.  S.  70. 


Kriluehe  Bemerkungen  zum  nrelavischen  Entnaealierangsgesetz.         9 

Rnss.  prazgä  Tacht,  Arrende'  kann  natürlich  nichts  mit  pr^gq  'in- 
tendere'  u.s.w.  zn  schaffen  haben,  da  dieses  Wort  höchstens  mit  slav. 
^preff^j  ^prqff"  'springen,  spannen'  identisch  ist,  s.  Osthoff  Et.  Par.  1, 
356,  Znpitz«  Ontt.  180. 

Boss,  rachdthj  rachnüth  'schlendern,  werfen'  vergleicht  Jokl  mit 
ksL  trbgq^  trSiti  ^^Ijctsiv,  iacere',  ai.  vrndkti  'wendet,  dreht',  nhd. 
werfen  (Kluge  E.W.«  421,  ühlenbeck  Got.P.W.  165);  znerst  gehört 
natflrlich  das  letztgenannte  Wort  gar  nicht  hierher,  sondern  zu  lat.  ver- 
heror  (Noreen  ügm.  Itl.  121,  Znpitza  Gatt.  30).  Weiter  ist  wohl  rnss. 
rachdtb  am  ehesten  <[  *wdk'S-  <C  "^wog-s-  zn  erklären  und  gehört  zn 
Wurzel  *f^rl^-,  *%krog-  'stoßen,  treiben'  in  ksl.  vrag^  *Peind',  got.  wri- 
hm  n.s.w.  (s.  die  Zusammenstellungen  bei  Pick  Wb.  ^1555,  Znpitza  Gntt. 
170  n.s.w.). 

Rnss.  strasth  'Schrecken',  ksl.  airackb  'tremor,  timor',  das  natflrlich 
mchts  mit  ir^q  zn  schaffen  haben  könnte,  falls  man  nicht  ein  lang- 
Tokalisehes  *trds  ansetzt,  wof&r  aber  jede  Stütze  fehlt,  hat  Pedersen  IP. 
5,  49,  dem  anch  Walde  E.W.  599  folgt,  sicher  richtig  mit  lat.  sträges 
Wedersinken,  Yerwüstnng'  verbunden;  wir  haben  somit  von  einem 
*8träg^o-  auszugehen. 

Schließfich  führt  auch  Jokl  einige  Bildungen  hervor,  die  er  mijqti 
zosammenhalten  will.  Zuerst  ein  Wort  najaznh  'praeceptum',  worin 
das/ hiatustUgend  sein  soll.  Das  ließe  sich  ja  wohl  sagen,  aber  schl&gt 
man  bei  Miklosich  das  Wort  nach,  heißt  es  Lex.  palaeoslov.  S.  418  so: 
i^najaznh  f.  praeceptnm,  ut  videtur  bljtidi  ubo  sui  starhdhsky  najazni 
svjat:  vocabulum  dubiam«.  Man  fragt  sich  unwiUkflrlich,  inwieweit  sich 
ein  solches  Wort  brauchen  Iftßt,  wenn  es  sich  um  die  Gründung  emes 
neuen  Lautgesetzes  handelt.  Weiter  sollte  hierher  [zTij^ti)  gehören  rnss. 
hazlo  %ehle,  Schlund,  Rachen',  dessen  ganze  Erklämng  jedoch  allzuviel 
in  der  Luft  schwebt.  Eher  könnte  man  das  Wort  als  *bhä{^)g{h]lom  zu 
laLfaux  'Schlund,  Kehle'  ziehen,  das  wahrscheinlich  bh  enthält  (vgl. 
ndetzt  Walde  E.W.  213).  Schließlich  schlägt  Jokl  vor,  auch  ksl.  u.s.w. 
jazh  (auch  Szb^  ^zh)  'stomachus,  canalis'  n.s.w.,  jazf>a  'foramen'  wiijqti 
sosammenzufOhren,  unter  Yergleichung  von  5.  jimka  'Fanggrube,  Not- 
danmi'  \  Besser  ist  jedoch  natürlich  die  von  Jokl  genannte  Etjmologie 
Pedersens,  KZ.  38,  312,  der  lit.  aiiyti  'aushöhlen,  aushülsen'  hierher- 
aeht^). 

1)  Wohl  zu  ksl.  jama  *fovea'. 

^  Schon  Miklosich  Lex.  1144  setzt  unter ^a-za  *cf.  lett.  aiza  spalte'. 


10     J.  Gharpentier,  Sunt  Bemerkongen  zum  urslav.  EntnAsalienrngsgesetz. 

Das  letzte  Beispiel  Jokls  ist  rnss.  ulaznyj  in  u.  med^  'Jnngfem- 
honig':  ksl.  ulij  'alveus',  rass.  ulej  'Bienenstock'  n.s.w.  und  er  ftl^ 
wörtlich  hinzu:  »die  'nasalis  sonans\  als  deren  Reflex  wir  das  a  an- 
sprechen, zeigt  sich  noch  in  pr.  aulinis  'Stiefelschaft'c.  Zuerst  gehört 
das  letztgenannte  Wort  natürlich  gar  nicht  hierher,  sondern  zn  lit.  aunü, 
aüti  'Foßbekleidang  tragen',  aukU  'eine  lange  Fußbinde',  lett.  aut^  ksl. 
ob^'q  'anziehen',  av.  aodra-  'Schuhwerk,  Schuhzeug'  (Bartholomae  Air. 
W.  42]  U.S.W. ;  weiter  enthält  auUinris  gar  keinen  nasalis  sonans,  son- 
dern ist  natürlich  eine  -t^-Ableitung,  deren  sich  ja  im  Baltisch-Slarischen 
unzählige  finden.  Fflr  uKj  hat  schon  Miklosich  Lex.  1049  die  richtige 
Etymologie  gesehen,  wenn  er  es  mit  lit.  uli  'Höhle'  (<[  *ö[yl)l^a\  wei- 
teres ttber  dieses  Wort  bei  Lid^n  Studien  82,  Göteborgs  högsk.  ärskr. 
1904, 1,  S.  14,  dessen  Erklärung  mir  jedoch  zweifelhaft  scheint),  apilys, 
aulys  'Bienenkorb'  verbindet.  Fernere  Verwandte  finden  sich  in  (mög- 
licherweise) ai.  ära-  'Höhle'  <  *5(ff)/o-  (so  Lid^n  a.a.O.),  und  weiter  in 
ir.  uam  'Höhle',  gr.  eDvr]  'Lager',  eig.  'Höhle,  Behausung',  av.  unä- 
'Loch,  Grube  im  Erdboden'  (Air.W.  401)  u.s.w. 

Somit  finde  ich  nach  Abschließung  dieser  kleinen  Untersuchung  kein 
einziges  sicheres  Beispiel,  das  für  das  von  Jokl  aufgestellte  Lautgesetz 
sprechen  kann;  dagegen  finden  sich  aber  unzweifelhaft  Beispiele,  in 
denen  sich  ^  <C  9  ^or  einem  idg.  8  oder  z  findet,  und  das  sind  solche,  in 
denen  man  keine  analogischen  Einwirkungen  vermuten  kann.  Somit,  da 
auch,  wie  ich  anfangs  zu  beweisen  gesucht  habe,  die  Ratio  dieses  Laut- 
wandels eine  vollständig  alleinstehende  und  bisher  ungehörte  wäre,  finde 
ich  es  besser,  bei  der  von  Lorenz  Aroh.  f.  sl.  Ph.  XYUI,  86  ff.  gegebenen 
und  von  Brugmann  Grdr.  I^,  S.  390  f.,  Ez.  vgl.  Gr.  116  und  Osthoff  Et. 
Par.  1,  353  Fußn.  aufgenommenen  Formulierung  der  Gesetze  über  die 
Vertretung  der  Nasalis  sonans  vor  Konsonanz  im  Slavischen  stehen  zu 
bleiben,  zumal  da  ich  wirklich  glaube,  daß  dies  Gesetz  ausnahmslos  alle 
Fälle,  die  dahin  gehören  können,  erklärt. 

üpsala  im  April  1906.  Jarl  Charpentier. 


11 


Ein  nrslayisches  Entnasaliemngsgesetz. 

Antikritik  und  NachtrSg^e. 


Die  folgenden  Ansflllinu^en  werden  znnftehst  die  Art  aufzuzeigen 
raehen,  wie  J.  Charpentier  bei  Prflfong  des  das  Gesetz  stützenden  Mate- 
rials zu  seinem  statistischen  Schlnßergebnis  gelangt  ist.  Bei  Besprechung 
der  Kritik  der  einzelnen  Wortgrnppen  wird  sich  die  willkommene  Gfe- 
If^^enheit  bieten,  neue,  denselben  Sippen  angehörende  Fälle  aus  modernen 
daYischen  Sprachen  dem  Leser  YorzufQhren,  somit  das  Aroh.XXVIU,  1  ff. 
gegebene  Material  zu  ergänzen.  Eine  ganze  Reihe  neuer,  das  Gesetz 
belegender  Etymologien  aus  bisher  nicht  besprochenen  Gruppen  wird 
sich  anschließen.  Über  die  Erwägungen  allgemeiner  Natur,  aus  denen 
Chaipentier  nach  eigenem  Geständnis  ein  Recht  auf  aprioristische  Skepsis 
ableiten  zu  können  glaubt,  wird  zum  Schlüsse  gehandelt  werden. 

Bei  blaznb  u.s.w.  begnügt  sich  Oharpentier  mit  der  bloßen  Negation, 
indem  er  die  »Bedeutungsähnlichkeit«  mit  bl^sti  nicht  ausreichend  findet, 
die  Ton  mir  angefElhrte  ältere  Zusammenstellung  mit  r.  blofföj  aber  >un- 
sweifelhaftc  nennt.  Die  YoUständige  und  durchgehende  Bedeutungs- 
flberemstiinmung  zwischen  ksL  blazm  Irrtum  und  blqsti  irren,  i.  bläzen, 
r.  blazent  Spaßmacher  und  ksL  bl^sti  Spaße  machen,  ksl.  blazniti  täu- 
schen und  h  oblouditi  (in  Mähren  das  Simplex  biüdif :  Bartos,  Dialekt. 
sloTnfk  moravsk;^,  S.  19)  täuschen,  6.  (mähr.)  biazny  dSiaf  Scherze, 
Spaße  machen  (L  c.  S.  18}  und  r.  blüdni  Schelmenstreiche  ist  demnach 
ftr  Gharpentier  Zufall,  freilich  ein  Zufall,  der  in  zahlreichen  lautlich 
analogen  Fällen  in  genau  gleicher  Weise  auftritt.  Von  entscheidender 
Widitigkeit  ist  jedoch  r.  blaih\  es  heißt  außer  Ausgelassenheit,  Toll- 
heit, YerrflekÜidt,  Bedeutungen,  welche  das  Wort  natürlich  zu  blazent 
iteQen,  auch  ungeheuere  Menschenmenge  (ParloTskij;  Akad.  slov.  I, 
8p.  205,  nach  der  letzteren  Quelle  in  Sibirien  volkstttmlich)  und  stellt 
ndi  somit  auch  in  dieser  Anwendung  zur  Sippe  von  bl^ti^  die  hier  die- 
lelbe  Bedeutung  erkennen  läßt,  welche  der  lit.  Entsprechung:  blisti 
ittster  werden  und  innerhalb  des  sl.  selbst  dem  o.-l.-s.  bhiki  trflb,  dunkel 
(gegenflber:  p.  blqkad  =  biqdzid  irren,  A:-suff.)  noch  zukommt.  (Über 
die  Verbreitung  der  Sippe  s.  Lid6n,  Stud.  z.  ai.  und  vergL  Sprachgesch. 


12  Norbert  Jokl, 

S.  77  f.)  Die  Bedeatnngsentwicklung  für  r.  hlaih  nngeheaere  Menschen- 
menge ist  genau  die  gleiche  wie  in  r.  twia  Finsternis,  ungeheuere  Menge^ 
^mt^<5y  unzählig,  ebenso  wr.  tma^  imuiSij,  L  tem  Legion  (Eott  4,  52). 
unter  bl^sti  vereinigen  sich  somit  alle  Bedeutungen  Yon  r.  blaih,  u.  zw. 
stellt  die  Bedeutung  ungeheuere  Menschenmenge  das  Substantiv  notwen- 
dig zu  bl^sii,  ebenso  wie  diese  Bedeutung  eine  Verknüpfung  mit  r.  blagöj 
völlig  ausschließt.  Aber  diese  semasiologisch  —  sogar  abgesehen  von 
blaih  ungeheuere  Menge  —  nichts  weniger  als  zwingende  Zusammen- 
stellung hat  auch  ihre  lautlichen  Schwierigkeiten.  Denn  alle,  welche  an 
dieser  Etymologie  festhalten  —  man  sehe  außer  Miklosich,  E.W.  8. 1 3, 1 5, 
Petr,  BB.  18, 284,  der  auch  lBX,ß<ig%tium  Schande,  Schändlichkeit  heran- 
zieht (gegen  letztere  Yergleichung  jetzt  Walde,  IF.  19,  105  wegen  der 
ältesten  Bedeutung  Yonßaffitium:  »öffentliche  Ausscheltung«)  —  sehen 
sich  gezwungen,  in  blaznb  palatales,  in  blagoy  velares  g  anzusetzen,  in 
Wahrheit  eine  ad  hoc  gemachte  Annahme,  die  innerhalb  dieser  Gruppe 
durch  keinen  einzigen  sichern  Beleg  gestützt  wird.  Diese  Schwierigkeit 
etwa  dadurch  zu  beheben,  daß  man  auch  ein  *blag-znh  ansetzt,  geht 
nicht  an  und  wurde  bisher  auch  gar  nicht  versucht.  Vom  Standpunkte 
dieser  Etymologie  mit  Grund.  Denn  die  Subst.  auf  -znh  sind  (s.  Meillet, 
£tudes  sur  l'^tym.  II.  456]  verbale  Ableitungen^);  eine  solche  ist  aber 
natürlich  blaznh  bei  Zusammenstellung  mit  blagöj  nicht,  ist  es  aber  bei 
Verknüpfung  mit  bl^sti.  Und  auf  verbalen  Ursprung  weist  ja  nicht  nur 
die  Analogie  der  andern  Bildungen  mit  -zuh^  sondern  auch  die  Bedeu- 
tung: Verführung  (russ.),  Ärgernis  (ksL).  In  summa  ist  also  die  von 
Gharpentier  als  »unzweifelhaft«  bezeichnete  Etymologie  von  blazm 
semasiologisch  unzulänglich,  lautlich  unmöglich  und  morphologisch  un- 
wahrscheinlich; letzteres  für  den  Fall  eines  Ansatzes  ^blag-znh,  — 
Zweierlei  bleibt  des  weiteren  noch  zu  besprechen:  1)  das  Verhältnis  von 
blazm  m.,  r.  blazenh  m.  zu  blaznh  f.  Bedeutung  und  Morphologie  wei- 
sen blaznh  den  übrigen  fem.  auf  ~znh  zu.  K  blazenh  Spaßmacher  weist 
demnach  denselben  Genuswechsel  und  dieselbe  Bedeutungsnuancienmg 
auf  wie  ksl.  neprijaznh  m.  TtovrjQÖg:  prijaznh  f.  Freundschaft  (Meillet, 
£tudes  sur  IMtym.  11,  S.  456).  Neben  einem  solchen  masc.  konnte  dann 
leicht  auch  ein  blazm  m.  entstehen,  ähnlich  wie  S.  stin  m.  Schatten  neben 
slovak.  sttfi  m.  f.,  S.  stfen  Mark  neben  stfeA  steht;  2)  der  ursprüngliche 
Lautwert  von  z  im  suff.  -znh,    Brugmann  vergleicht  Gr.^,  11/ 1,  S.  512 


1)  Zur  Ansicht  Brugmanns  hierüber  (Gr.^  U/l,  S.  512)  vgl.  weiter  tmten. 


Ein  nralaviBches  EntnasaiieningBgesetz.  13 

(tlbrigeiiB  nicht  ohne  einer  andern  Yermntong  Baum  zu  geben)  unsere 
dnbst.  auf  -znh  mit  iat.  auf  -äffo,  -inis,  -iffOy  -iginis,  wie  plantügo 
Wegerich,  surdigo  Taubheit,  die  ihrerseits  wieder  zu  adjekt.  auf -ä:?, 
-^eusj  "Ichs  gehören.   Es  handle  sich  also  um  eine  Erweiterung  der  -k-, 
-^-Formantien  mit  n-Formans  im  Lt.  und  Balt.-sl.    Daraus  würde  sich 
abo  ergeben,  daß  z  in  -znh  nicht  spirantischen  Ursprungs  sei,  sondern 
pal&t.  Guttural  darstelle.    Dagegen  spricht  aber  folgendes:  Nach  Brug- 
mann  gehören  die  erwähnten  lt.  subst.  zu  adj.  auf  -^x,  -äceus,  -Icus, 
Die  alaT.  Parallelen  dieser  suff.  sind  -akb  [novakh)  und  -^kb  (r.  novikh) 
Brugmann,  a.  a.  0.  S.  501  u.  497).    Diese  weisen  aber  auf  yelaren  Gut- 
tural, während  -znh  nur  auf  palatalen  Guttural  zurückgeführt  werden 
kann.    Also  kann  man  nicht  gleichzeitig  die  lt.  subst.  mit  den  genannten 
adjekt  (zu  denen  sie  aber  unzweifelhaft  gehören)  und  mit  den  sl.  subst. 
auf  "znh  vereinigen.   Übrigens  stimmt  auch  die  Verwendung  von  lt.  -ago^ 
-%go  wenig  zu  der  you  sl.  -znh :  dort  nominale  Grundlage,  Bezeichnung 
von  Pflanzennamen  und  körperlichen  Gebrechen,  hier  durchaus  primäre 
Ableitung,  wie  Brugmann  selbst  lehrt;  und  seine  Vermutung,  daß  auch 
die  Grundlage  der  sl.  subst.  eine  nominale  gewesen  sein  könne,  ist  durch 
Beispiele  nicht  zu  belegen.  —  In  positiver  Hinsicht  ist  für  die  Erklärung 
des  suff.  -^snh  zu  beachten,  daß  ein  r.  u.  s.  w.  bojaznh  das  adj.  bojazlivyj\ 
c.  bdzlivyj  8.-kr.  bojäzljiv  neben  sich  hat.    Ebenso  steht  neben  r.  pri- 
jaznh  prij'äzlivyj.    Darin  ist  -livh  dasselbe  Element,  das  wir  in  S.  hör- 
Hü^j  p.  gor-Utog  wiederfinden.   Femer  steht  einem  slov.  Ijubezen  liiebe 
r.  Ijubia  gegenüber ;  und  ebenso  steht  neben  blaznh  r.  blazh.  Suff,  -znh 
erweist  sich  also  als  Conglutinat  aus  -z-  -\-  nh  (wie  ja  auch  -Bnh  durch 
Zusammenrückung  entstand:  basnh\  ksl.  bajati  und  r.  basith  (cf.  Pe- 
dersen  IF.  5,  51),  somit  bc^&-nh).    Nun  werden  im  Folgenden  Beispiele 
au%ex&hlt  werden,  die  -8-  und  -s^-Suffix  nebeneinander,  in  parallelen  zu 
einer  Sippe  gehörigen  Wörtern  zeigen  und  wo  s  sicher  idg.  s  ist.  In  die- 
sen Fällen  tritt  auch  vor  dem  parallelen  z  die  gleiche  lautliche  Behand- 
lung des  Nasals  ein  wie  vor  «,  und  daraus  ergibt  sich  der  Schluß,  daß 
aach  z  ursprünglich  spirans  ist.    Und  ein  dem  -z^  von  blaih^  blaznh  pa- 
ralleles 8  zeigt  sich  auch  in  dieser  Gruppe :  kasub.  biq8ie6  =  poln.  biq- 
dzid  (Earlowicz,  Slown.  gw.-p.  I.  91  nach  Poblocki).    Eine  Erklärung 
für  dieses  Nebeneinander  von  8  und  z  gab  Zupitza,  KZ.  37,  396  ff.   Wie 
immer  man  sich  zu  Zupitza's  Regel  stellt  (cf.  jetzt  auch  ühlenbeck,  EZ. 
39,  599  und  Pedersen,  EZ.  40,  179),  die  spirantische  Natur  des  -Z'  in 
ooserem  Suffix  steht  nach  dem  obigen  fest.    Zu  dem  Nebeneinander  von 


14  Norbert  Jokl, 

"Sn-  nnd  -^sfi-Suff.  vgl.  man  noch  pr.  biäsnä  Fnrobt  mit  sl.  bojcuaih.  Das 
pr.  Wort  ist  mit  dem  sl.  wmzelyerwandt  und  hat  auch  nach  Bmgmann 
(a.  a.  0.  S.  513)  im  Soff,  wahisoheinlioher  idg.  s. 

Auch  bei  ross.  fflazb  das  Auge :  ksl.  glqdati  sehen  wiederholt  Char- 
pentier  die  ältere,  von  mir  erwähnte  ErklArnng,  den  der  Altemation 
bl^tir-blaznb  genan  entsprechenden  Wechsel  glazb-^l^dati  dem  baren 
Zufall  flberweisend  ^).  Ein  zwingender  Beweis  fOr  die  Entnasalierung  in 
russ.  gUun»  ist  aber  i.  (mfthr.)  hidaaV  s=  hlfdati  (=  ksL  gl^dati),  pozor 
dävati  na  n^  (Bartos,  Dial.  slovn.  mor.  S.  94,  wo  als  Beispiele  angefahrt 
werden:  hlasat'  ovoce  =  hlfdati  ovoce,  Uasat'  kury,  yranj  =  odhin^ti 
od  skody).  Das  mähr.  Yerbum  zeigt  somit,  daß  r.  glazb  innerhalb  des 
Slav.  nicht  isoliert  dasteht,  wie  man  bisher  annahm.  Nun  ist  aber  mähr. 
hläsat  schon  seiner  Bedeutung  nach  ein  Intensiyum,  das  sich  morpholo- 
gisch von  den  mit  -^a  gebildeten  slay.  Intensiven,  wie  i.  drdsati :  drdti^ 
hnisaU :  hniti  (cf.  Prusik,  KZ.  35,  600)  gar  nicht  trennen  läßt,  enthält 
also  urspr.  «.  Daraus  wird  aber  auch  ftlr  das  z  von  glcun  spirantischer 
Ursprung  wahrscheinlich.  —  Wollte  man  aber  einwenden,  hiäsaf  gehöre 
zwar  zu  r.  glaz^f  beide  aber  seien  mit  glcßsi  u.s.w.  unmittelbar  zu  ver- 
einigen, so  ergäbe  sich  eine  ganz  verkehrte  Eonsequenz.  Denn  die  slav. 
Intensiva  auf  -satt  wie  6.  hnüati^  misatiy  dräsatij  öichati^  slov.  p/a- 
satij  p.  d<i8a6  stehen  neben  den  slav.  Verben:  i.  mt/etiy  hnitij  drdtij 
ütiy  ksl.  planqtiy  p.  d(i6,  hiäsaV  ist  nun  ein  ebensolches  Intensivum. 
Ein  zugehöriges  Yerbum  mit  a  in  der  Wurzel  gibt  es  aber  nicht.  Das 
zugehörige  Yerbum  ist  eben  h  hUditiy  zu  dem  sich  hidsaf  semasiolo- 
gisch  verhält  wie  misati  :  mijeti.  —  Zu  glqditi  gehört  weiter  das  mit 
hlidka  synonyme  mähr,  hiäska  (Bartos,  1.  c.  S.  94,  femer  Kott  I,  432 
sub  hlidka).  Daraus  folgt  aber,  daß  das  bereits  altböhm.  hläaka  Nacht- 
wache (Gebauer,  Slovnfk  staroieski^  I,  421  und  Kott  I,  424)  zu  g^diti 


^)  Daß  Matzenauer  und  Nehring  r.  glash  als  Fremdwort  betrachten,  be- 
greift Charpentier  nicht,  was  viel  unbegreiflicher  ist  Denn  Urverwandtschaft 
zwischen  glaren  und  gUm  setzt  lautgesetzliche  Entwicklung  von  sl.  z  ans  % 
voraus,  eine  Annahme,  die  vor  Zupitza  nicht  gemacht  wurde.  —  Ich  benutze 
die  Gelegenheit  gerne,  um  ein  Yersehen  zu  berichtigen,  dessen  Feststellung 
ich  der  Güte  des  Herrn  Prof.  Lid^n  verdanke :  glctai  splendor  (nicht  glaezi)  ist 
neuisL,  nicht  altnord.  --  Statt  mhd.  glaren  soll  es  richtig  heißen:  mnd.  — 
Gleichzeitig  seien  ein  paar  Druckfehler  richtiggestellt.  Das  —  übrigens  von 
Gharp.  im  Ms.  übernommene  —  Ta&o^veao)  (S.  13)  soll  natürlich  xoi&o^vac» 
heißen.  S.  16,  Z.  1  v.  ob.  ist  mit  dem  Zitat  Lange  Yoc.  S.  55  Miklosichs  Ab- 
handlung gemeint 


Ein  nralaviBches  EntnMalienmgsgesetz.  1 5 

md  Bidit  zu  glcLgh  Stimnie  zn  stellen  ist,  wie  ja  denn  auch  i.  hlidad 
Widiter  und  kläsn^  sich  in  der  Bedeutung  vollkommen  deeken.  Denn 
eineneits  k^tainen  diese  Bnbstantiya  von  dem  erwähnten  hidsat\  bezw. 
kkdSii  nicht  getrennt  werden,  andererseits  hat  hidsaf,  wie  schon  der 
au  den  Bdspielen  Bartos'  (siehe  oben)  sich  ergebende  Gebrauch  beweist, 
mit  kku  niehts  zu  schaffen. 

Zufall  ist  es  fUr  Chaipentier  natürlich  auch,  wenn  5.  laz  mit  lado  <i 
*I^  auch  in  der  speziellen  Bedeutung  —  was  zu  beachten  ist  —  so 
voUsOndig  fibereinstimmt,  daß  in  Eott's  Wörterbuch  (I,  871  und  883) 
von  einem  Worte  auf  das  andere  verwiesen  wird,  wenn  slovak.  laz  un- 
geackerter  Platz  genau  die  gleiche  Bedeutung  aufweist  wie  ksl.  l^dina 
imd  wenn  slov.  laz  Neubruch,  Rodeland  und  russ.  Ijädä  Neubruch,  Rode- 
land äch  semasiologisch  vollstftndig  decken,  und  dies  alles,  trotzdem  auch 
in  diesem  Falle  genau  der  gleiche  Wechsel  von  ^  und  a  in  gleicher 
SteUiing  wiederkehrt. 

Die  EtTmologie  ksl.  naprastno  subitus,  praeceps  u.s.w.:  napr^ati 
insilire  scheint  Gharpentier  zwar  nicht  Übel;  dennoch  möchte  er  sie  sebr 
bezweifeln  und  stellt  ihr  eine  andere,  nämlich:  ai.  prasabkam  mit  Ge- 
walt, ungestfim,  heftig  entgegen.  Gharpentier  irrt  jedoch  sehr,  wenn  er 
diese  Ejfymologie  für  neu  hält.  Sie  wurde  vielmeht  bereits  im  J.  1884 
n.  zw.  von  Matzenauer,  Listy  fil.  11,  176  aufgestellt,  allerdings  mit  weit 
größerer  Reserve,  als  sie  Gharpentier  übt.  Matzenauer  fdgt  nämlich 
sdner  Deutung  hinzu:  falls  die  Wurzel  pras  ist  {jeBirlipras  kofenem], 
«n  Vorbehalt,  der  in  der  Tat  nur  allzu  begrOndet  ist  (so  begründet,  daß 
die  Erklärung  auch  nicht  von  Miklosich,  dem  die  Abhandlungen  der 
Listf  fiL  natürlich  wohlbekannt  waren,  in  sein  E.W.  aufgenommen  wurde). 
Gharpentier  setzt  hingegen  getrost  eine  Grundform  *pröS'fyno  an,  ohne 
flieh  im  mindesten  daran  zu  kehren,  daß  hierbei  jede  Anknüpfung  an 
ixgend  eine  namengebende  Basis  fehlt.  Allein  nicht  genug  daran.  Zwar 
ist  das  von  Gharpentier  angesetzte  Simplex  *prd8-fMio  eine  im  ganzen  slav. 
Sprachschatz  völlig  unbekannte  Größe;  dennoch  soll  dieses  aus  femer  Yor- 
leit  überkommene  Wort  sich  gerade  in  der  Komposition  (mit  na  und 
wohl  auch  za  :  russ.  zaprdsnyj  aufrichtig,  Dopotn.  S.  61)  und  nur  in 
dieser  erhalten  haben.  In  Wahrheit  zeigt  aber  gerade  die  Tatsache  der 
Komposition,  daß  auch  der  zweite  Bestandteil  von  naprastno^  zaprdsnyj 
an  einen  im  Slav.  lebenden  Stamm  anzuknüpfen  ist,  während  Gharpen- 
tier's  Erklärung  notwendig  zu  der  Annahme  führt,  daß  der  zweite  Be- 
Btosdt^  zur  Zeit  der  Zusammensetzung  bei  den  Slaven  vorhanden  war. 


16  Norbert  Jokl, 

später  aber  Überall  spurlos,  ohne  Hmterlassimg  irgendwelcher  Wurzel- 
verwandten,  wieder  verloren  ging.  Aufs  klarste  wird  die  Entstehung  von 
naprashno  schnell,  plötzlich  der  Wurzel  und  Bedeutung  nach  illnstriert 
durch  poln.  na  prqdce^  das  mit  naprashno  in  der  Bedeutung  überein- 
stimmt.   Oder  wieder  Zufall?    Der  verbale  Ursprung,  nämlich  von  nc^ 
prqdatij  wird  erwiesen  durch  russ.  ?laprds^,  naprdslina  fälschliche  Be- 
schuldigung, naprdslivyj  verleumderisch.  Denn  die  gleiche  Bedentangs- 
entwicklung liegt  vor  in  ai.  langhatiy  langhayati  springt  auf,  verletst, 
beleidigt,  dazu  gr.  iXiyx^  werfe  vor,  überftthre  (Prellwitz,  Et.W.  der 
gr,  Spr.^,  S.  136)  und  besonders  deutlich  in  lt.  insultare  verhöhnen  :  in- 
silire.    Morphologisch  aber  verhält  sich  napräs^  zu  naprqdati  wie  ksL 
öas^  :  öajati^  enthält  also  «o-Suff.    Zu  napräsz  wird  naprashno  gebildet 
wie  h  öasnj  zeitlich  zu  das.  Eine  Weiterbildung  mit  -livb  ist  naprdsli- 
vyj) das  neben  naprqdati  ähnlich  steht  wie  das  erwähnte  r.  bojazKvyj 
neben  bojdtbsja. 

Die  Zusammenstellung  6.  tasiti  ziehen,  zücken,  r.  tdska  das  Ziehen 
U.S.W. :  gr.  relvü),  ai.  tdnoti  dehnt,  spannt  findet  Charpentier  semasiolo- 
gisch  nicht  einwandfrei,  eine  Behauptung,  deren  völlige  Unrichtigkeit 
in  die  Augen  springt.  Denn  einmal  bedeutet  ja  das  Arch.  XXYIU,  2 
bereits  angeführte  lit.  tlsis :  Zug,  was  von  Charpentier  einfach  ignoriert 
wird.  Und  ferner,  um  bei  derselben  Sippe  zu  bleiben,  heißt  ahd.  d^nen^ 
dünnen  außer  dehnen,  spannen  nicht  auch  ziehen?  Ahd.  dinsan  (:lit. 
t^sti  dehnen)  bedeutet  ziehen,  ebenso  got.  atpinsan  herziehen.  Und  diese 
germ.  Verba  stimmen  mit  tasiti  auch  in  der  ^-Erweiterung  ttberein. 
Übrigens  liegt  das  semasiologische  Verhältnis  dehnen-ziehen  so  deutlich 
zutage,  daß  Walde  Et.lt.W.  s.  v.  temo  für  die  den  eben  erwähnten 
Verben  zugrunde  zu  legende  idg.  Wurzel  *ten''S  (^-Determ.)  die  Be- 
deutung > ziehen«  ansetzt.  Es  muß  verzweifelt  schlecht  um  eine  Sache 
stehen,  wenn  man  genötigt  ist,  so  offensichtliche  Dinge  zu  leugnen.  Eine 
semasiologische  Parallele  aus  einer  andern  Sippe:  i.  tdhnouti  dehnen, 
ziehen.  —  Als  Beleg  für  die  Entnasalierung  in  der  Sippe  von  *ten-  ist 
noch  hervorzuheben:  russ.  tazdthsja  sich  balgen.  Zur  Bedeutung  vgl. 
man  i,  tdhanice  Balgerei:  tdhdnouti  ziehen,  dehnen.  Buss.  tazdthsja  <^ 
*t^Z'  und  l,  tasiti  <^  *t^S'-  zeigen  also  dasselbe  Nebeneinander  von 
-s-  und  -JT-Suff.  wie  russ.  glazh  und  L  (mähr.)  hidsat\  b.  tasiti  enthält 
aber  in  seinem  s  nach  Ausweis  der  verwandten  Sprachen  urspr.  s, 

Oegen  die  beiden  folgenden  Gruppen  weiß  Charpentier  überhaupt 
nichts  vorzubringen;  ja  die  Beweiskraft  von  £.  hasdk  Sense:  ksl.  iqti 


Ein  oTBlayischeB  EntnaBalienmgsgesetz.  17 

Bihen  muß  er  sogar  zugestehen.  Zn  i^ti  gehört  femer  p.  gas  cios,  raz^ 
nderzenie  na  kogo,  zguba  das  Hauen,  Schlagen,  der  Untergang,  ffoiba 
pobicie,  zgnba,  imier<S  pewna  das  Schlagen,  der  Untergang,  der  sichere 
Tod  (Slown.  j^.  polsk.  p.  r.  Karlowicza,  I,  808  n.  809).  Alle  angeführ- 
ten Bedeutungen  der  p.  Wörter  vereinigen  sich  unter  einer  Grundbedeu- 
tDBg  »sehlagen,  hauen«,  p.  ffaiba  yerhftlt  sich  seiner  Bedeutung  nach 
SQ  dem  zugrundeliegenden  Yerbum  wie  mhd.  alahte^  ahd.  slahta  Tötung, 
Sehlaehtung,  Schlacht  zu  mhd.  slahen^  ahd.  slahan. 

RusB.  gasäth  ein  Pferd  tummeln,  6.  haiati  sich  herumtummeln,  ha- 
Mok  der  Unb&ndige,  hastroi  Vogelscheuche,  Schreckbild:  ffnatij  ienq 
pellrae.  6.  hastroi  Scheuche  zeigt  zwar  den  Zusammenhang  mit  ffnati 
jagen  in  geradezu  zwingender  Weise,  dennoch  ignoriert  es  Gharpentier 
▼oUstftndig.  Man  vergleiche  das  zu  derselben  Wurzel  gehörige  r.  gonjUka 
Vogeteehenehe  :  gonitb  treiben,  jagen  (nach  Gharpentier  wohl  Zufall), 
ferner  mhd.  schiuhe  SchreckbUd,  nhd.  Scheuche  :  mhd.  schiuhen^  nhd. 
Scheuchen  =  verjagen,  lit  gandykle  Scheuche  :  gandaUj  -yti  (Nessel- 
mannj,  gaRdinu  tr.  schrecken,  diese  wieder  zu  genü  jagen. 

An  5.  haairoi  Scheuche  fflgt  sich  wr.  has  Schrecken.    Die  Beden- 
tongseDtwicklnng  ist  dieselbe  wie  in  gr.  q>6ßog  Schrecken  :  q>ißo(iat 
ffiehen  (ist  doch  auch  böhm.  hndti  nicht  nur  transit  s=  jagen,  sondern 
auch  intr.  =  laufen:  Qebauer,  Slovn.  staroS.  I,  435,  ebenso  p.  gna6\ 
lit  iszngandimas  das  in  Schrecken  Geraten  mittelbar:   genü  jagen. 
(So  erklärt  sich  denn  auch  das  bei  Leskien,  Abi.  d.  Wurzelsilben  im  Lit. 
S.  112  und  bei  Johansson,  EZ,  32,  489  ohne  Verwandte  dastehende  lit. 
gtfsiüj  gqsti  erschrecken  intr.    Es  handelt  sich  um  eine  nach  der  ata- 
Klasse  erfolgte  Umbildung  eines  ursprünglichen  »a-Verbo<  ganr-d'  [noch 
in  dem  erwähnten  gandyti]  nach  Art  der  von  Johansson,  KZ.  32,  484, 
485  und  von  Wiedemann,  Lit  Prftt.  67  erörterten.    Nesselmann  ver- 
zeicfanet  außer  dem  prfts.  gqstü  auch  gandu,)    Es  verhält  sich  weiter  S. 
hastroi  Scheuche  :  wr.  has  Schrecken  ähnlich  wie  6.  straidk  Scheuche, 
stov.  straiilo  idem :  gem.-sl.  strach  Schrecken.  —  Den  Zusammenhang 
zwischen  r.  gasdtb  ein  Pferd  tummeln  und  gnati  jagen  zeigt  noch  deut- 
lich klr.  zahasdty  sich  flbertreiben,  sich  müde  treiben  (vom  Pferde). 
Buss.  gasdtb  zeigt  gegenüber  gnati  Litensivbedeutung,  wobei  das  Gbjekt 
»Pferde  Bubintelligiert  ist.  Dieselbe  Ellipse  des  Objektes  >Pferd<  finden 
wir  in  russ.  gonitva  Pferderennen,  p.  goniec  Beiter,  Bitter,  femer  in 
deutsch:  traben  (eig.  ein  Pferd  treiben),  sprengen  (eig.  ein  Pferd  springen 
machen).    Gf.  Kluge,  E.W.^,  s.  v.  —  Ö.  hasati  sich  herumtummeln,  um- 

litkiT  ftr  BlftTiMli«  Philologie.  XXIX.  2 


18  Norbert  Jokl, 

herlaufen  ist  verbnm  intr.,  wie  es  ja  auch  —  und  dies  wnrde  bereits  her- 
YOi^ehoben  —  6.  hnätiy  p.  gnaö  sind.    Pohl,  hasaö  zeigt  nicht  bloß  die 
Bedeutung  von  l.  hasati  und  r.  gasdth  (laufen,  ein  Pferd  tummeln : 
Slown.  JQE.  p.  pod  red.  Karlowicza  U,  21),  also  dieselbe  Vereinigung 
von  transit.  und  intransit.  Gebrauch  wie  gnad^  sondern  auch  die  Bedeu- 
tungen schütteln,  schwingen,  tanzen.  In  der  Bedeutung  schwingen  summt 
es  Tollkommen  zu  i.  rozhäniti  se  (rukama)  (mit  den  Händen)  schwingen, 
rozehnäti  se  rukou  den  Arm  schwingen.   Die  Präposition  roz  zeigt  ja  in 
der  Komposition  steigernde  Bedeutung,  z.  B.  i.  rozmüj  sehr  lieb  :  mü^ 
Heb,  russ.  razmüovdthsja  auf  das  zärtlichste  liebkosen  :  milovdtb  lieb- 
kosen U.S.W.    In   haBa6  (gegenflber  S.  rozehnäti  Se)  fällt  nun  diese 
Funktion  dem  ^-Determ.  zu,  dessen  Verwendung  zur  IntensivbUdung 
Arch.  XXVin,  3  erörtert  wurde.    Die  Bedeutung  tanzen,  die  dem  p.  ha- 
Saö  gleichfalls  zukommt,  teilt  es  mit  dem  sippenverwandten  slovak. 
haitrif.  Die  Bedeutungsentwicklung  von  rasch  laufen  zu  tanzen  ist  die- 
selbe wie  in  got.  läiks  Tanz  :  lit.  Idigyti  wild  umherlaufen.    Elr.  hasdty 
bedeutet  außer  herumstreifen  noch  springen;  die  letztere  Bedeutung  ist 
sekundär.    Man  vgl  die  Bedeutungen  von  5.  skoöUi  springen,  hüpfen, 
tanzen,  eilen.    Durch  den  Anlaut  h  wird  das  p.  Verb  als  Lehnwort  aus 
einem  slar.  Nachbardialekt  charakterisiert,  der  den  Wandel  g-h  kennt 
(also  c.-slovak.,  klr.  oder  wr.  Entlehnungen  aus  diesen  Sprachen  sind 
ja  im  Poln.  nicht  gerade  selten.  Of.  smutny,  hik,  ohyda). 

Russ.  pai^  ausgetretene  Spur  des  Wildes,  nordr.  pjatnikb  Spur, 
Fährte,  penb  Hasenspur,  pnutt,  pindtb  einen  Fußtritt  geben,  mit  Füßen 
treten.  Charpentier  sucht  die  angeftlhrten,  in  der  Bedeutung  sich  yoU- 
kommen  deckenden  Substantira  von  einander  zu  trennen  und  leitet  j9a^ 
aus  *pöd^o-  her,  es  zu  htpidä  Fußstapfe  stellend.  Die  entfernte  Mög- 
lichkeit dieser  Deutung  mag  zugegeben  werden.  Ganz  anders  aber  steht 
es  mit  der  Wahrscheinlichkeit.  Denn  bei  einem  Ansatz  *pdd'SO'  bleibt 
die  Weiterbildung  mit  -50-  ganz  unverständlich.  Die  mit  -so-  gebildeten 
slav.  Substantiya  sind  nämlich  entweder:  Umbildungen  altüberkommener 
neutraler  -^«-Stämme.  Für  ein  Neutrum  *pdde8,  *pödos  bieten  aber  die 
verwandten  Sprachen  gar  keinen  Beleg,  ja  auch  nicht  den  geringsten 
Anhaltspunkt.  (Wohl  aber  bleibt  auch  diese  morphologische  Erklärungs- 
mögHchkeit  des  ^o-Suff.  bei  dem  für  Charpentier  so  »wunderlichen« 
p^t^so-  gewahrt  —  außer  der  Arch.  XXVIII,  3  bereits  genannten  — , 
da  ein  alter  e«-Stamm  im  ai.  pathas  Stelle,  Platz,  Ort  vorliegt.  Solche 
Umbildungen  kennt  das  Slav.  oft  genug,  z.B.  p.  ^ocA Lumpen,  Fetzen :  gr. 


Ein  unlaviflches  EntnasalieningsgeBetz.  19 

Idxog  IL  idem,  Solmsen,  EZ.  37, 580).   Es  bleibt  also  für  *pdd~8o  nnr  noch 
die  zweite  Möglichkeit,  es  als  eine  anf  slav.  Boden  erwachsene  Bildung 
mit  "SO  anzusehen,  nach  Art  von  gem.-sl.  Ja««,  5.  hm's  Eiter,  p.  dqs  Zorn. 
Diese  Bildnngen  stehen  aber  neben  slav.  Verben,  öajatiy  h  hniti,  p.  dqö. 
An  welches  Yerbom  will  man  aber  pas^  <^  *pdd'So  anknüpfen  ?    Etwa 
SB  padati?    Allein  dieses  Verb  heißt  im  ganzen  Bereich  des  Slav.  aos- 
schfießlidh  fallen;  fär  eine  dem  ai.  padyate  [geht  entsprechende  Beden- 
toDg  bieten  sich  keinerlei  Belege  und  doch  müßte  eine  solche  Bedentang, 
da  es  sich  bei  *pdd-80-y  wie  gezeigt,  nur  um  eine  sl.  Bildung  handeln 
kfiante,  itlr  das  Slav.,  n.  zw.  ad  hoc  für  das  einzige  r.  pas^  als  vorhan- 
den und  dann  wieder  als  spurlos  verschwunden  postuliert  werden  ^) !   So 
gnt  es  also  in  morphologischer  Hinsicht  um  die  Deutung  pas  <^  p^t-ao- 
steht,  ao  sehleoht  ist  es  in  diesem  Punkte  um  ein  pöd^sch-  bestellt.   Zu 
demselben  Ergebnis  führt  auch  die  morphologische  Analyse  von  r.  pa- 
chäth  gehen,  schreiten.  Wie  Pedersen,  IF.  5,  5 1  wahrscheinlich  gemacht 
hat,  sind  diese  Verba  auf  -chati  relativ  jung,  da  es  sich  hierbei  um  neben 
sL  Verben  stehende  Deverbative  handelt:  i.  diti^  dtchati,  ksl.  majati^ 
maehaU  n.s.w.    Bei  r.  pachdth  müßte  man  also  ohne  Zuhilfenahme  des 
Entnasalierangsvorganges  auf  padati  fallen  greifen,  was  semasiologisch 
imwahischeinlich  ist,  da  Grundverb  und  Deverbativ  dann  in  der  Bedeu- 
timg völlig  auseinandergingen,  während  die  bereits  oben  gegebene  Auf- 
ilhfamg  beiderseitigen    durchgehenden  Bedeutungsparallelismus   zeigt. 
Hingegen  ist  alles  in  Ordnung,  wenn  man  von  ^p^tr^h"  ausgeht.   Denn 
als  Verbum  findet  sich  die  Wz.  *p^t'^  wie  im  ersten  Aufsatz  dargetan, 
in  roBS.  pnuth^  zapjdstb.    Die  Bedeutung  von  pachdth  gehen,  schrei- 
ten ist  also   ganz  ähnlich  wie  die  von  gr.  Ttaxiia  treten,  schreiten. 
—  Allerdings  mOchte  Charpentier  auch  die  Verknüpfdng  des  Verbums 
/Mitf/6,  pmatb  mit  der  Wz.  p^t-  leugnen.    Allein  seine  eigene  Erklärung 
dieses  Verbums,  nämlich  Verbindung  mit  lt.  pinso  klein  stampfen,  zer- 
stoßen, isLpbiqj  phchati  ferire,  si.ptnd{ti  zerstampft  durch  Aufstellung 
emer  Wz.  *pinr-  neben  der  den  genannten  Verben  zugrunde  liegenden 
Wl  pu-  ist  der  typische  Fall  einer  Konstruktion  ad  hoc.    Denn  eine 


1)  Ein  #0-Suff.  steckt  auch  nicht  in  dem  kslpichota  Fußvolk  und  pih  zu 
hB  zognindeli^enden  *pJkhz,  Denn  *ped'8o  (so  Miklosich,  E.W.  245)  konnte 
m  *pln  ergeben.  Also  müßte  man  analogische  Umbildung  annehmen,  in 
Wiliriieit  eine  flberflüssige  Annahme.  Denn  das  Richtige  sah  Pedersen,  IF. 
S,  52;  darnach  ist  *pich^  der  substantivierte  Lokativ  des  idg.  Wortes  für  Fuß, 
was  ja  aoch  zu  der  Bedeutung  (»zu  Fuß«)  vortrefflich  stimmt 

2* 


20  Norbert  Jokl, 

solche  Wz.  *p%n''  ist  in  der  Tat  ans  keiner  einzigen  idg.  Sprache  zu  be- 
legen. Irgendwelche  Wahrscheinlichkeit  ist  daher  Charpentiers  Erkiftnmg' 
von  pnuthy  pinath  nicht  beizumessen.  —  Der  Ansatz  *phnh  für  mss.p^n^ 
Hasenspnr  empfiehlt  sich  schon  wegen  des  gen.  pnja.  Denn  bei  einer 
Grundform  pem^  die  Charpentier  aus  ^ped^nh  herleitet,  müßte  man  fflr 
die  Oas.  obL  analogische  Übertragung  annehmen,  mflßte  femer  das  Wort 
nicht  nur  von  dem  Arch.  XXVIII,  3  angefthrten  gleichbedeutenden  pjat- 
nikbj  sondern  auch  von  dem  ebenfalls  synonymen  r.  pütikb  Spur,  Fährte 
(kleiner  Tiere  und  Vögel)  trennen. 

Die  Deutung  krasa  Schmuck  etc. :  kr^nqti  winden  findet  Charpen* 
tier  »ganz  absonderlich«  und  »ganz  befremdend«.  Die  Arch.  XXVUI,  4 
angefahrten  Bedeutungen:  r.  krutä  Verzierung,  krutitb  neben  drehen, 
winden  auch  ankleiden,  aufputzen,  krudilhiöina  die  »Schmückerin«  — 
semasiologische  Tatsachen^  die  Gharpentier,  wie  so  viele  andere  ihm  un- 
bequeme, einfach  ignoriert  —  könnten  zwar  jede  eingehendere  Wider- 
legung ttberflttssig  machen,  dennoch  sei  der  Vollst&ndigkeit  halber  folgen- 
des hervorgehoben:  Ein  Bedentungsttbergang  wie  der  in  Rede  stehende 
ist  nichts  weniger  als  absonderlich,  sondern  höchst  natürlich,  wofern  man 
nur  gewohnt  ist,  bei  Aufstelliing  von  Etymologien  außer  den  Lauten  und 
Formen  auch  die  Sachen  zu  befragen.  Diese  aber,  vertreten  durch  die 
Prähistorie,  lehren,  daß  Schmuckgegenstände  vorwiegend  Halsbänder, 
Armbänder,  Spangen,  Ringe  waren  (cf.  Rauber,  ürgesch.  des  Menschen 
I,  S.  167);  und  für  diesen  Schmuck  ist  eine  Namengebung,  die  auf  »win- 
den«, »drehen«  beruht,  geradezu  selbstverständlich.  Man  vergl.  auch 
ags.  wir  gewundener  Schmuck  :  anord.  virr  Spirale,  lt.  viriae  armiUa 
(Schrader,  Real-Lex.  S.  729).  Daß  also  kr^nqti^  krqtitij  r.  irutä  und 
seine  Sippe  mit  den  Angehörigen  von  krasa^  wie  Arch.  XXVIU,  4  ge- 
zeigt, in  der  Bedeutung  übereinstimmen  und  daß  die  letzteren  hierbei 
den  gleichen  Lautwandel  aufweisen,  wie  ihn  auch  hastroi^  hasäk,  tasiti^ 
bhznh  U.S.W,  durchgemacht  haben,  dies  muß  Charpentier  natürlich  wie- 
der dem  von  ihm  mit  solcher  Eonsequenz  angerufenen  Zufall  zuschreiben. 
Schlagend  wird  endlich  die  Verknüpfung  von  krasa  mit  kr^nqti  noch 
bestätigt  durch:  big.  krasa  Schlange,  das  sich  zu  ^^^m^^i  winden,  drehen 
semasiologisch  genau  so  verhält  wie  deutsch  Schlange  zu  schlmgen, 
(Nach  dem  s.-kr.  Volksglauben  hieß  die  Schlange  krasa  vor  der  Verlei- 
tung der  Eva.  Das  ist  also,  wie  das  big.  Wort,  das  Schlange  schlechtweg 
bedeutet,  und  sein  Etymon  zeigen,  eine  volksetymologische  ümdeutung.) 
Ebenso  spricht  für  die  vorgetragene  Etymologie  p.  krasa^  okrasa  Dicke, 


Ein  nnlayisclieB  Entnasaliernngsgesets.  21 

Fettigkeit  des  Leibes  (Trotz,  Nowy  Dykc,  Slow.  j^z.  p.  p.  r.  Earlowicza), 
kragny  =  tiusty  dick,  fett  ^).   Die  angeftthrten  p.  Wörter  stimmen  näm- 
fich  YoUkommeii  zu  B.-kr.  krüt  dick,  r.  okruiStb  dick,  hart  werden.    So- 
wohl für  p.  krasny  =  Üusty  wie  für  s.-kr.  krüt  ist  die  Gnmdbedeatnng 
»fest  gedreht«,  also  der  Bedentnngsttbergang  genau  der  gleiche  wie  fflr 
deotseh  drall  =  dick,  eigentlich  fest  gedreht  (Klnge,  Et.W.^  81,  82). 
Man  vergl.  femer  lt.  crassus  dick,  eig.  > zusammengeballt«  (Walde,  Lt. 
£t.W.  148).    Kach  Charpentier  treibt  aber  auch  hier  der  blinde  Zufall 
sein  hartnackig  gleiches  Spiel.  Von  den  beiden  von  Charpentier  gebillig- 
ten Etymologien  vermag  keine  sämtliche  Bedeutungen  der  Sippe  zu  er- 
klären.   Denn  wie  will  man  anord.  hrös  Buhm  mit  big.  krdsa  Schlange 
oder  mit  p.  krasa  Dicke,  Fettigkeit  des  Leibes  vermitteln?    Man  müBte 
also  das  big.  Wort  und  das  poln.  in  der  angeführten  Bedeutung  von  r. 
krasd  Schmuck  etc.  trennen,  die  beiden  erstgenannten  etwa  zu  crassus 
stellen  und  fElr  sie  etwa  von  *krät'Sa  ausgehen.   Allein  dann  würde  man 
Begriffe,  die  sich,  wie  gezeigt,  vortrefflich  vereinigen  lassen  (r.  krutiih 
sehmfleken,  s.-kr.  kr£^  dick,  r.  krüient  dicke  Grtltze)  und  deren  Bezeich- 
nung iden^ch  ist,  völlig  willkürlich  auseinanderreißen.    Man  würde 
femer  mit  *irät'  eine  Wurzelform  einführen,  die  selbst  für  das  Idg. 
durch  kein  einziges  unzweifelhaftes  Beispiel  gestützt  wird.    (Denn  der 
Ansatz  gerät  neben  qert-  stützt  sich  eben  nur  auf  lt.  crassus^  crätes^ 
die  aber  wohl  eher  als  qft-  erklärt  werden:  so  Brugmann  Qx,\  I,  479 
imd  Walde,  E.W.  148.)   Gewiß  aber  ist  ein  solches  *krät'  im  Slav.  nicht 
nachweisbar,  während  die  nasalierte  Form  kr^t-  im  Slav.  sehr  produktiv 
ist    Das  zuletzt  erwähnte  Bedenken  würde  natürlich  auch  gegen  die 
weitere  Annahme  gelten,  daß  zwar  krasa  mit  s.-kr.  krüt  u.s.w.  wurzel- 
verwandt sei,  krasa  von  einem  nasallosen  *krät-j  krüt  von  der  nasalier- 
ten Form  herkomme.  —  Der  gleiche  Einwand  der  Unvereinbarkeit  von 
p.  krasa  Dicke,  Fettigkeit  des  Leibes,  big.  krasa  Schlange  mit  r.  krasa 


1}  Ein  aus  dem  Poln.  stammendes  Lehnwort  ist  ht  krisnas  dick  am  Leibe. 
Dts  Wort  fehlt  zwar  bei  Brückner,  Die  slav.  Lehnwörter  im  Litauischen,  seine 
flliy.  Herkunft  wurde  jedoch  bereits  von  Matzenauer,  Listy  fil.9,  4  konstatiert 
Über  das  Verhältnis  des  e  des  lit.  Wortes  zum  a  von  p.  krasny  cf  Brückner, 
L  e.  8. 43,  Anm.  30  ff.  und  S.  26,  Anm.  22.  —  Zu  den  angeführten  p.  Wörtern 
gebM  auch  big.  krdmik  die  Wassersucht,  von  Gerov  im  Rö6n.  richtig  erklärt 
ab  Krankheit,  durch  die  der  Mensch  dick  wird.  Nach  Lidön,  IF.  19,  363  f. 
vude  dasselbe  Moment  auch  bei  der  neuisL  Bezeichnung  dieser  Krankheit 
Btmenbildend :  pembtngur  Wassersucht  :  awn.  [pttmbr],  fem.  p^h  aufge- 
MhvoUen,  dick. 


22  Norbert  Jokl, 

m 

Schmuck  n.8.w.,  der  gegen  die  Verbindung  mit  anord.  hrös  zu  erheben, 
ist,  gilt  auch  ge^en  die  Etymologie  Johanssons  (IF.  19,  124),  der  irasa 
zu  aksl.  krada  TtvQd,  ags.  heord^  lett.  karset  erhitzen  stellt  und  Air 
krasa  eine  Bedeutungsentwicklung  Brand,  Flamme,  rote  Farbe,  Farbe, 
Schönheit  annimmt,  eine  Erklärung,  die  überdies  an  dem  Gebrechen 
leidet,  daß  die  angebliche  Grundbedeutung  Brand,  Flamme  Oberhaupt 
nicht  erweisbar,  sondern  bloß  postuliert  ist.  Nun  noch  ein  Wort  zu  Char- 
pentiers  Vorwurf,  ich  hätte  diese  Etymologie  Johanssons  nicht  beachtet 
Loyaler  wäre  es  jedenfalls  gewesen ,  statt  des  Kichtbeachtens  die  Un- 
möglichkeit des  Beachtens  hervorzuheben.  Denn  das  Heft  [der  D^.,  in 
dem  Johanssons  Etymologie  veröffentlicht  ist,  wurde,  wie  der  Umschlag- 
titel  besagt,  am  3.  März  1906  ausgegeben  (und  traf  laut  amtlichem  Ver- 
merk an  der  hiesigen  Universitätsbibliothek  am  9.  März  1906  ein),  wäh- 
rend mein  Aufsatz  bereits  am  28.  November  im  Manuskript  zum  Druck 
eingeliefert  wurde  und  bereits  Ende  März  1906,  also  wenige  Tage  nach 
Johanssons  Aufsatz,  erschien.  —  Einer  ergänzenden  Bemerkung  bedarf 
schließlich  noch  r.  krasä  =  Böte.  Arch.  XXVJJI,  5  wurde  hierftir  der 
Bedeutungsttbergang  Schmuck,  Schminke,  Böte  vermutet.  Doch  ist  eine 
solche  Annahme  nicht  nötig.  Erosa  Farbe  (so  p.;  klr.,  wr.,  r.  hräska 
Farbe)  kann  vielmehr  auch  unmittelbar  an  kr^nqti,  r.  krutitb  angeknüpft 
werden ,  zu  dem  es  sich  ebenso  verhält  wie  ai.  vamas  Farbe  :  vmöti 
umschließt,  umringt,  verhüllt.  Der  weitere  Übergang  von  »Farbe«  zu 
»rote  Farbe«  ist  kulturgeschichtlich  ohne  weiteres  verständlich. 

Russ.  machnutb  eilig  wohin  reisen,  smachnütfb  schnell  hinlaufen : 
ksl.  mqti  comprimere,  r.  mjat/b  kneten,  treten  ist  eine  für  Gharpentier 
wenig  überzeugende  Etymologie,  bei  welchem  Urteil  die  angeführte 
semasiologische  Parallele  mhd.  trotten  =  laufen  zu  treten  ignoriert 
werden  mußte.  Aber  auch  abgesehen  von  diesem  ganz  analogen  Be- 
deutungsübergang aus  dem  Deutschen,  der  des  weiteren  auch  in  r.  slu- 
pdtb  treten  und  gehen,  atupaj!  vorwärts!,  gr.  Ttariio  treten,  gehen 
wiederkehrt,  spricht  das  Slov.  und  Pob.  für  den  Unbefangenen  deutlich 
genug.  So  heißt  slov.  m^ti,  mdnem  neben  reiben,  austreten  noch:  mit 
kleinen  Schritten  gehen;  p.  macfiaö  (Slown.  j. p.  p. r.  Karlowicza  11,  s.  v.) 
bedeutet  außer  eilen  noch  coire  cum  femina,  deckt  sich  sonach  mit  dem 
unzweifelhaft  zu  ksl.  m^ti  gehörigen  p.  mi^tosiö  8%^  in  der  Bedeutung  voll- 
ständig. (Über  dieses  letztere  Verbum  cf.  Matzenauer,  Listy  fil.  10,  323.) 
Die  Entstehung  dieser  Bedeutung  beleuchtet  das  gleichbedeutende  lt. 
premere^  comprimere  feminam.    Zu  p.  machaö  in  dieser  Bedeutung 


Em  uTBlayiBcheB  Entnasalienmgsgesetz.  23 

gehört    des  weiteren  p.  mainica  padendom  mnliebre  (mit  z-vuS,).    Die 
Beuehung  zwiaehen  r.  machnuib  und  ksl.  m^tij  r.  mjaib  zeigt  ferner  r. 
vymacÄnutfofa  sich  verrenken.    Of.  firz.  se  fauler  le  pied  sich  den  Fuß 
Ter8taiiehen:/bt</(^  treten.    Die  von  Charpentier  versnchte  Zosammen* 
steDnng  von  macknutb  eilen  mit  It.movere  mnß  den  Bedentnngsparallelis*- 
mua  zwischen  r.  tnachnüth  und  slov.  m^ti^  p.  machaö  nnd  mi^tosiö  siq 
irieder  dem  Zn£iül  zuschreiben;  sie  ist  des  weiteren  morphologisch  nn- 
wihrBeheinlich.   Denn  machnütb  eilig  wohin  reisen  ist  schon  seiner  Be- 
dentimg  nach  ein  Intensiynm  nnd  darum  ebenso  zu  beurteilen  wie  die 
llbrigen  sL  Yerba  sjd-chati^  die,  relativ  junge  Bildungen,  neben  sl.  Verben 
stehen.   Neben  welches  sLVerbum  will  man  aber  dieses  *fnö{^)chati  stel- 
len? Charpentier  ist  freilich  nicht  verlegen;  da  es  ein  so  gebautes  Grund- 
verb  nicht  gibt,  konstruiert  er  eben  ad  hoc  ein  mit  *  versehenes  majati\ 
Znm  dritten  aber  ist  die  lautliche  Berechtigung  des   Ansatzes  *mö^ 
im  höchsten  Grade  problematisch.    Nach  dem  Zeugnis  der  verwandten 
Sprachen  vereinigen  sich  die  zur  Sippe  von  moveo  gehörigen  Wörter  unter 
einer  Basis  *metß-j  *mie^ä''  (Walde,  Lt.  E.W.  S.  395,  Fick,  Vergl.W. 
I^  286)  oder  *movie  (Hirt,  Abi.  8.  105 ;  cf.  auch  Eretschmer,  KZ.  31,  453, 
Osthoff,  Perfectnm  263).    Ob  man  von  einer  solchen  Basis  zu  dem  von 
Charpentier  benötigten  *rnö[^)  —  man  beachte  die  Stellung  des  ff  —  ge- 
langen kann,  das  ist  noch  sehr  die  Frage.   Scheinbar  vielmehr  berechtigt 
als  diese  Deutung  Charpentiers  wäre  die  Ansicht,  die  die  Bedeutungs- 
verwandtschafl  von  r.  tnachnüth^  p.  machaö  mit  m^ti  zwar  gelten  ließe, 
jedoch  ftr  das  r.  und  p.  Verb  von  einer  Wz.  *mäk-  ausginge.  Eine  solche 
Wuizel  wird  auch  für  das  Slav.  von  Walde,  Lt.  E.  W.  357,  358  (wohl 
nach  Mikiosich,  E.W.  1 79,  denn  an  der  von  Walde  zitierten  Stelle:  Fick 
n^,  196  finden  sich  die  gleich  anzufahrenden  sl.  Verba  nicht)  wegen 
c.  madkati  quetschen,  big.  maökam  knete  als  Parallelwurzel  zu  menh- 
angesetat,  das  ja  seinerseits  wieder  Erweiterung  von  men-  ist  (Persson 
Wurzeierweit.  S.  75).   Allein  weder  i.  madkati  noch  das  big.  Verb  ver- 
mögen eine  solche  Annahme  zu  rechtfertigen.    Denn  geht  man  mit  Mi- 
kiosich, L  c,  und  Matzenauer,  Listy  fil.  10,  57,  fOr  h.  maökati  von  einer 
Wz.  mäk-  aus,  so  muß  1)  das  gleichbedeutende  und  völlig  eindeutige  r. 
mjaökatb  <I  menk^j  femer    slov.  meikati  davon  getrennt  werden; 
2)  aber,  und  dies  ist  entscheidend,  ist  das  a  der  ersten  Silbe  im  schrift- 
spnchl.  i.  maökati  lautlich  doppeldeutig,  wird  aber  eindeutig  bestinmit 
dueh  das  danebenstehende  dialekt  (sttdostmAhr.)  fha6kat\  wie  es  der 
Sdireiber  dieser  Zeilen  unzähligemal  aus  dem  Munde  des  Volkes  gehört. 
Auch  bei  Bartos,  Dial.  slovn.  mor.  S.  189  findet  sich  madigat  =  schrifb- 


24  Norbert  Jokl, 

spracU.  maSkatij  hnisti  als  valach.  nnd  lach,  yerzeiolmet.  (Die  Erwei- 
chung des  k  zn  g^  die  wieder  die  Assimilation  des  6  zur  Folge  hatte,  ist 
eine  spezielle  Eigenheit  der  genannten  Dialekte:  Bartos,  Dialektologie 
I,  65  n.  1 10.)  Das  mähr.  madkaV  erweist  also  anch  für  das  sohriftspr. 
h  madkati  dieselbe  Grundform  *m^k'j  von  der  fflr  das  rnss.  mjadkaf 
auszugehen  ist.  Aber  auch  big.  madkam  braucht  nicht  auf  *mäk  zurück- 
zugehen, da  im  Bulg.  Schwankungen  zwischen  e  und  a  f%lr  altes  ^  zu 
beobachten  sind,  so  ksl.m^  =  nhlg.me  und  ma  (Jagiö  im  Arch.HI,  349; 
cf.  auch  Miklosich,  Gesch.  der  Lautbezeichn.  im  Bulg.,  S.  19  des  SA.  = 
Wiener  Denkschr.  Bd.  34).  Die  Annahme  einer  zu  menk-  parallelen 
Wz.  mäk'  ist  somit  für  das  Slav.  unzulässig,  da  ja  Parallelwurzeln  rich- 
tiger Weise  erst  dann  anzusetzen  sind,  wenn  die  historisch  überkomme 
nen  Formen  sich  nicht  auf  eine  einzige  Wurzel  zurückführen  lassen.  — 
Weitere  Belege  für  den  Entnasalierungsvorgang  in  dieser  Sippe  seien  im 
folgenden  aufgezählt  Hierbei  wird  sich  oft  gar  nicht  entscheiden  lassen, 
ob  von  der  Wz.  *men-  oder  von  ihrer  Erweiterung  *menk-  auszugehen 

• 

ist.  —  0.-1.-S.  mastwic  ist  synonym  mit  mjaadid  (Pfuhl,  S.  355  u.  363) 
und  bedeutet  (in  der  Ölmühle  auf  dem  Roste  den  gestampften  und  ge- 
metzten)  Leinsamen  umrühren  und  zerdrücken  und  zur  Presse  zurecht- 
machen, ist  daher  von  ksl.  mqti  nicht  zu  trennen.  Der  Unterschied  im 
Yokalismus  dieser  zwei  synonymen  Verba  erklärt  sich  aus  dem  Ablauta- 
verhältnis:  masttoiö  zeigt  n,  mjasöiö  en.  In  Bildung  und  Bedeutung 
stimmt  mit  dem  zuletzt  genannten  o.-l.-s.  Verb  überein:  slov.  mestiti 
(mit  halbvokal.  e\  daneben  mastiti  keltern,  treten.  Durch  das  morpho- 
logisch völlig  gleiche  o.-L-s.  Wort  wird  das  vom  Standpunkt  des  Slov. 
lautlich  mehrdeutige  mastiti^  mestiti  eindeutig  als  *m^tiii  bestimmt 
Miklosich  (E.W.  207)  war  daher  vollkommen  im  Rechte,  wenn  er  Zu- 
sammenhang von  slov.  maiöina,  izmaideno  grozdje  mit  ksl.  tmath  Most 
ablehnte.  (Diese  Verknüpfung  war  von  Erjavec,  Letopis  matice  slov., 
Jahrg.  1882  u.  1883,  S.  236  versucht  worden.)  Neben  mestiti^  mastiti 
steht  im  Slov.  das  gleichbedeutende  meiiti,  Matzenauer,  Listy  fil.  10, 
322  wollte  hierfür  eine  eigene  Wz.  *mSg-  aufstellen.  Allein  slov.  meiiti 
verhält  sich  zu  mestiti  genau  so  wie  slov.  drastiti  \)iA\.  u.s.w.  draiiti; 
meiiti  und  mestiti  sind  demnach  wurzelverwandt  und  nur  im  »Determi- 
nativ« verschieden.  Slov.  meiiti  vermag  aber  wieder  auf  das  gleichbe- 
deutende big.  maia  quetschen,  drücken  (bei  Miklosich,  E.W.  unter  einer 
Grundform  maza-)  Licht  zu  werfen.  Zwar  könnte  man  versucht  sein,  das 
big.  Wort  mit  Entnasalierung  aus  mf^-Z'-  zu  erklären.   Allein,  wie  bereita 


Ein  tuslayischeB  EntnasalienmgsgeBetz.  25 

erwShnt,  ist  auch  das  big.  a  nicht  eindeutig,  nnd  das  gleichgebildete  slov. 
meüti  macht  fOr  big.  maia  eine  Vorstnfe  *menrz-  zomindest  ebenso 
wahrscheinlidi  wie  eine  Onmdfonn  *m^z^.  S.-kr.  mähati  lan  stimmt 
out  r.  mjath  I^nb  Flacbis  brechen,  p.  mi^dliS  len,  lit.  Itnüs  m\ti  in  der 
Bedentnng  yollkommen  flberein,  demnach  <^  *m^b-s-,  *mhnk'S-,  Aus 
dem  Enas.  geh(^rt  noch  hierher:  mächalhy  mdchahka  Flachsfaser.  Wie 
man  sieht,  kommt  man  fOr  alle  besprochenen  Wörter  mit  einer  Wz. 
*men(k),  ^m^{k)  aus,  ohne  zu  dem  Notbehelf  von  Parallelwurzeln  greifen 
zu  mllsaen.  Nun  könnte  man  auch  versucht  sein,  ksl.  u.s.w.  mazati  aus 
^8if  (it)-z-  zu  erklären  und  so  das  Wort  mit  gr.  fxdaacjy  zu  dem  es  z.  B. 
von  Schrader,  KZ.  30,  477  (und  sp&ter  von  anderen)  gestellt  wurde, 
auch  lantiich  restlos  zu  Tcreinigen.  Walde,  E.W.S.  358  nimmt  auch  hier 
eine  weitere  Parallelwurzel  zu  *meni'j  n&mlich  *mag'  an;  allein  es  fragt 
äeh,  ob  m€izatiy  für  das  ja  im  Slav.  nur  die  Bedeutung  schmieren  be- 
zeugt ist,  überhaupt  zu  dieser  Gruppe  gehört.  Und  in  der  Tat  findet 
es  an  gr.  a/ia^^cü  schmieren,  streichen  eine  sowohl  lautlich  als  semasio- 
logisch  aufs  genaueste  stimmende  Entsprechung,    mazati  sonach  aus 

*(«)l»Ö</Ä-. 

Roas.  zapäska  Frauenschtirze,  naotpaih  aufgeknöpft  (gegenüber  c. 
odepnouü  aufknöpfen),  r.  naraspdiku  auf-,  losgeknöpfl;  (gegenfiber  2. 
rozepnouii  aufknöpfen)  sollen  nach  Charpentier  nicht  zu  ksl.j^^^i  u.s.w., 
sondern  zn  ai  pagas  Schlinge,  Fessel  gehören.  (Dies  ist  wenigstens  das 
eine  Glied  der  von  ihm  aufgestellten  Alternative.)  Also  die  russ.  Wörter 
stimm^i  mit  den  ihnen  gegenübergestellten  in  Bedeutung  und  Art  der 
Komposition  au&  genaueste  überein;  sollen  aber  trotz  dieser  doppelten 
Obereinstimmung,  die  somit  wie  viele  andere  von  gleicher  lautlicher  Be- 
lebaffenheit  dem  baren  Zufall  zu  überantworten  w&re,  nicht  dem  gleichen 
Stamm  zuzuweisen  sein  wie  die  £ech.,  sondern  einem  ganz  andern  Ver- 
bum!  Nun  kommt  aber  ein  solches  Verbum  —  natürlich  wieder  ZufaU  — 
als  Simplex  im  Slav.  gar  nicht  vor,  muß  aber,  da  die  Komposition  in 
aiav.  Zeit  fiUlt,  als  hier  einmal  vorhanden  und  weiterhin  als  sp&ter  ver- 
loren gegangen  angenommen  werden.  Endlich  soll,  und  dies  ist  der 
dritte  Zufall,  fDr  das  5,  das  man  im  Slav.  nach  ai.  pägas  erwarten  würde, 
in  den  genannten  russ.  Wörtern,  femer  in  r.  zapachnütt  u.s.w.  ein  ch 
eingedrungen  sein.  Man  fragt  natürUch  sofort,  warum  gerade  hier  das  s 
anaiogiseh  verdrängt  worden  sein  soll,  während  doch  Yerba  mit  s  im 
Stammanslaut  im  Slav.  in  Menge  vorkommen.  Und  eine  solche  Häufung 
von  ganz  willkürlichen  und  unwahrscheinlichen  Annahmen  sollte  eine 


26  Norbert  Jokl, 

etymologische  Erklärung  sein  ?  Es  bleibt  also  fttr  Ghaipentier  nur  noeh 
das  2.  Glied  seiner  Alternative:  deutsch  Faser,  Aber  wie  weit  liegen 
die  Bedeutungen  von  r.  zapdska  Frauensohflrze  u.s.w.  und  deutsch  Faser 
auseinander!  Vollends  versagen  aber  die  von  Gharpentier  versuchten 
Erklärungen  fttr  Wörter,  die  hiermit  hinzugefügt  seien:  r.  opdiina  un- 
tere Spreize  zwischen  Ständern:  6.  roxpinka^  rozpSndk  (in  Mähren 
rozpon)  Leiterspreize,  Sperrleiste,  r.  pjdio  Reckholz,  Spreize,  opnüthsja 
sich  mit  den  FttBen  wogegen  stemmen,  spreizen.  Nach  Gharpentier  soll 
vielleicht  r.  opdiina  von  den  genannten,  in.  der  Bedeutung  vollkommen 
übereinstimmenden,  zu  p^ti  gehörigen  Wörtern  getrennt  und  irgend  einem 
andern,  nicht  vorhandenen  Yerbum  zugewiesen  werden.  Femer:  klr. 
rozpachnüty  aufreiJßen,  h  (mähr.)  rozpaiif  heftig  aufreißen  (Bartos, 
Dial.  sl.  mor.  364)  gegenttber  r.  raspjatt  ausspannen,  ksl.  rasp^ti  cru- 
cifigere  (eig.  auseinanderreiBen,  aufspannen),  r.  (dialekt.  PskorB,  Tverb: 
Dopoln.  \li)pazith  =  rast^kivatB,  taskitB  gegenttber  5.  pnouti  span- 
nen, strecken,  dehnen  (Jungmann,  s.  v.  3,  132).  Elr.  rozpachnüty  zeigt 
gegenttber  jOf^t  Intensivbedeutung;  es  ist  mit  dem  »Determinativ«  ch 
gebildet  (cf.  Pedersen,  IF.  5,  51),  während  das  angeführte  mähr.  Verb 
mit  z  weitergebildet,  demnach  eine  dem  oben  erwähnten  slov.  tneiiti 
ganz  analoge  Bildung  ist.  Eine  andere  Weiterbildung  zu  pqti  ist  mähr. 
napaSiV  =  napnouti  (Bartos,  1.  c.  220).  Mähr,  rozpaitf  verhält  sich 
somit  zu  napaöif  ähnlich  wie  slov.  meiiti  :  meikati. 

Russ.  surdzina  gute  Ordnung,  guter  Fortgang,  r.  surdznyj  ansehn- 
lich, stattlich  will  Gharpentier  nicht  zu  rqdb  Reihe,  Ordnung,  sondern 
zu  It  rego  geraderichten,  lenken,  herrschen  (die  Bedeutungen  nach  Walde, 
Lt.  E.W.  520)  als  *rö^-  gestellt  wissen.  Nun  kommt  aber  die  Ent- 
sprechung von  lt.  rego  im  gesamten  slav.  Wortschatz  ttberhaupt  nicht 
vor,  im  lit  als  rdiiaus  sich  recken  bloß  in  der  ursprttnglichen  konkreten 
Bedeutung.  Über  die  Verbreitung  der  Sippe  wie  ttber  die  Verteilung  der 
Grundbedeutung  und  der  abgeleiteten  s.  Eretschmer,  Einleitung  in  die 
Gesch.  d.  gr.  Spr.,  S.  126,  127.  und  da  soll  plötzlich  die  Wz.,  die  im 
Slav.  unbekannt  ist,  in  einem  russ.  Kompositum  und  noch  dazu  in  ab- 
geleiteter Bedeutung  auftauchen!  Das  glaube,  wer  will.  Zum  Überfluß 
deckt  sich  das  Arch.  XXVm,  6  angefahrte  r.  surdzica  der  mit  einem 
andern  ein  Paar  ausmachende  Gegenstand  mit  r.  rJad^  Gleiches,  Ähn- 
liches, Passendes,  das  Seitenstttck  in  der  Bedeutung  vollkommen,  läßt 
sich  hingegen  von  einem  angeblichen  sl.  *rdg'  semasiologisch  nicht  be- 
greifen.   Hierher  gehört  femer :  mähr.  pordchaC  =  poklidüi  abräumen 


Ein  onlayiflcheB  EntnMaUenrngsgesetz.  27 

(Bartos,  Diai.  sl.  mor.  S.  316);  das  Verb  stimmt  demnach  in  der  Beden- 
tong  mit  ^.  parzqdiotoaö  flberein  und  verhAlt  sich  zn  r^d^  wie  l.pokli- 
diii  :  r.  kljudb  Ordnung.  —  Der  nachtr&glichen  Erwähnung  bedarf  noch 
die  nrsprOngliche  Laa^estalt  von  ksl.  r^%,    Arch.  XäYUI,  6  wurde 
hieirfttr  nach  Pedersen,  KZ.  33,  53  und  KZ.  38,  310  *n^d'  angesetzt. 
EZ.  38,  317,  318  hält  aber  Pedersen  die  Ableitung:  r^^  <  *{o)^9nd' 
(cf.  wrqzije)  ftr  empfehlenswerter,  wobei  9  den  slav.  Svarabhakti- Vokal 
beaeiehnet    Da  nun  nach  der  an  derselben  Stelle  vorgetragenen  Lehre 
Pedersens  r0  zart  wird,  r^d-j  wie  oben  gezeigt,  gleichfalls  zunächst  in 
*nnd-  Hbd^ing,  so  ist  es  ftir  das  in  Bede  stehende  Thema  belanglos, 
f^  welche  von  den  beiden  Grundformen  man  sich  entscheidet.    Vondräk 
seist  —  und  auch  dies  macht  natflrlich  fflr  dieses  Thema  keinen  ünter- 
adiied  aus  —  BB.  29,  216  eine  Grundform  *r^-  (mit  f-Färbung)  Schef- 
telowitz  ebenda  S.  29  *rend{h)  an.    Abzulehnen  ist  hingegen  eine  Vor- 
stufe ^rmd'  (so  Walde,  Lt.E.W.  s.  v.  ordo),  da  nach  den  durchaus  über- 
sengenden  Ausführungen  Pedersens  in  Materyaly  i  prace  kom.  jfz.  I, 
166  £  und  Vondriks  BB.  29,  201  f.  tn  im  Slav.  im  allgemeinen  kein  ^ 
eigab  (abgesehen  von  spezifisch  gearteten  Fällen:  Vondräk,  I.e.  S.  203). 
Die  Etymologie  r.  prazgä  Pacht,  Arrende:  ksl.  pr^gq  intendere, 
lungere  glaubt  Ghaipentier  mit  der  Bemerkung  abtun  zu  können,  daß 
>die8e8  Wort  mit  sL  *pr^g-y  *prqff'  springen,  spannen  identisch  ist«. 
Zuvörderst  wird  man  einen  Unterschied  zwischen  intendere  und  spannen 
natOrfich  nicht  finden  können.    Und  wenn  die  von  Charpentier  behaup- 
tete Identität  der  Wörter  fOr  springen  und  spannen  es  nicht  verhindert 
hat,  daß  sich  die  Bedeutung  »spannen«  —  und  einzig  und  allein  diese  — 
in  ksl.  sqprciffh^  o.-L-s.  pfah  Joch,  r.  suprügb  Gatte,  S.  (mähr.)  spfai- 
nii  =  spoleinfk  Genosse  (Bartos,  I.e.  S.  392),  ksL  raspr^iti  disjungere, 
i.  zapfdhnouti  einspannen  u.s.w.  äußert,  so  ist  logischer  Weise  auch 
gar  nicht  einzusehen,  was  diese  Identität,  ihre  Richtigkeit  selbst  ange- 
nommen, der  Herleitung  von  r.  prazgä  aus  prqgq  anhaben  kann.  Wollte 
man  aber  unter  Berufung  auf  die  von  Charpentier  angeführte  Stelle  aus 
Osthoff,  EtParei^a  I,  356  f.  fflr  sl.  prqg-  ein  voraufgehendes  ^prufig- 
aosetzen,  demnach  das  Verbum  der  t/-Reihe  zuweisen  und  darum  die 
Arch.  XXVin,  6  ftlr  prazgä  aufgestellte  Grundform  *pr^g-zga  ver- 
werfen, so  wäre  auf  die  bereits  zitierten  AusfOhrungen  Pedersens  und 
Vondräks  zn  verweisen.  —  Zur  Bildung  von  prazgä  <C  prt^g-zgä  vgl. 
man  ksL  muzga  <C  maud-zgä  :  üt.  mdudyti  baden  (Johansson,  IF. 
19,  121). 


28  Norbert  Jokl, 

Der  semasiologisch  schlfissigen  Etymologie  r.  rachdth^  rachnütb 
schlendern,  werfen :  ksl.  vrSiti^  vrhffq  idem,  ai.  rrna^^t  stellt  Chaipentier 
eine  andere  entgegen :  ksl.  vraff^  inimicns,  got.  torikan  verfolgen,  pei- 
nigen, indem  er  fttr  rachdth  eine  Vorstufe  ^vrög^s-  annimmt.  Daß  diese 
Dentnng  von  Seite  der  Bedeutung  irgendwie  ttberzengend  sei,  wird  Char- 
pentier  selbst  wohl  nicht  behaupten  können.  Sie  ist  aber  auch  lautlich 
zu  verwerfen.  Denn  die  mit  ksl.  vrag^  sicher  zu  einer  Sippe  gehörigen. 
Wörter  wie  got.  vmkan^  lit.  vafgas  Not,  Elend,  lt.  urgeo  lassen  sich 
nur  unter  einer  Basis  *vereg  vereinigen  (Hirt,  Ablaut,  S.  127,  Walde, 
LtE.W.  S.  691,  der  ftlr  idg.  ^vereg  die  Bedeutungen  »stoßen,  drängen, 
puffen,  feindlich  verfolgen«  ansetzt).  Eine  Form  mit  langem  Vokal  (also 
eine  »schwere«  Basis)  lilßt  sich  für  diese  Gruppe  in  keinem  einzigen 
Falle  aus  den  verwandten  Sprachen  belegen,  ist  somit  völlig  willkürlich 
ad  hoc  konstruiert. 

Bei  r.  strasth  Schrecken,  ksl.  u.s.w.  strach%  entscheidet  sich  Ghar- 
pentier  fttr  die  Etymologie  :  *sträg-s<h-  :  lt.  sträges  (Erweiterung  zu 
*8tero  in  ksl.  strSti^  lt.  stemo  etc.)  Diese  von  Pedersen,  IF.  5,  49  ge- 
gebene Deutung  ist  in  lautlicher  Hinsicht  natflrlich  vollkommen  ein- 
wandfrei. Dennoch  schienen  und  scheinen  mir  semasiologisohe  Er- 
wägungen die  Verknttpfung  der  genannten  zwei  slav.  Substantiva  mit 
ksl.  tr^q  wahrscheinlicher  zu  machen.  Denn  nicht  nur,  daß  sich  strasth, 
strcuikb^  wie  man  wohl  zugeben  wird,  der  Bedeutung  nach  zu  trqsq  besser 
fttgen  als  zu  sträges  das  Niederwerfen,  Niederschlagen,  ist  eine  solche 
Erweiterung  der  Basis  *sterö  im  Slav.  sonst  nicht  nachweisbar;  die 
beiden  Substantive,  deren  Bedeutung  spezifisch  slavisch  ist  und  sich  von 
der  ursprünglichen  Bedeutung  der  Basis  recht  weit  entfernt,  bleiben 
somit  innerhalb  des  Slav.  ohne  Anknüpfung.  (Bei  lit.  sträges  liegt  die 
Sache  anders,  sowohl  semasiologisch  als  morphologisch:  strägülus). 

Von  den  bei  der  Gruppe /(^^t  (Arch.XXVDI,  7  ff.)  aufgezählten  Bei- 
spielen ist  najaznh,  wie  ich  jetzt  nach  Einsicht  der  photographischen 
Reproduktion  des  Izbom.  Svjatosl.  (herausgeg.  von  der  Russ.  Bibliogr. 
Gesellschaft)  sehe,  als  unrichtige  Lesung  zu  streichen.  Diese  Ausgabe 
des  Codex  fehlt  den  hiesigen  Bibliotheken  und  wurde  mir  nur  durch  die 
Güte  des  hochverehrten  Herausgebers  dieser  Zeitschrift  zugänglich  ge- 
macht. Najaznh  findet  sich  übrigens  auch  noch  in  Sreznevskijs  Mate- 
rialy.  Durch  die  Eliminierung  dieses  einen  Beispieles  gewinnt  natürlich 
die  Fundiemng  des  Lautgesetzes  an  Festigkeit,  ein  Verdienst  der  Kritik 
Gharpentiers,  das  hiermit  festgestellt  sei. 


Ein  üTBlavisches  EntnasalienmgsgeBetz.  29 

Die  Dentang  von  r.  bazlö  Kehle,  Sehinnd,  Rachen  erklärt  Char- 
penti»,  YÖllig  nnbekttmmert  um   die  Ittckenlose   morphologische  nnd 
semasiologische  Erklftnmg  (i.jicen  Kehle,  Schlund  illustriert  Stamm  und 
Bedeutung,  die  zahlreichen  angeführten  Beispiele  stfltzen  die  Erklärung 
des  anlautenden  b)  als  »in  der  Luft  schwebend«,  allerdings  ohne  sich 
auf  eine  n&here  Begründung  dieses  Urteües  einzulassen.   Wie  man  sieht, 
^e  zwar  bequeme,  aber  nichts  weniger  als  wissenschaftliche  Argumen- 
tation. —  Prüfen  wir  nun  die  von  ihm  selbst  versuchte  Erklärung  Ton 
iazlo  <C  *bhä{^)g{h)lom  :  Itfaux,  das  nach  Charpentier  »wahrschein- 
lich« bh  enthält,  wobei  er  sich  auf  Walde,  Lt.E.W.  213  beruft.  Was  die 
Berufung  auf  Walde  soll,  ist  schwer  einzusehen.   Denn  dort  finden  sich  in 
Wahrheit  ftir  die  Erklärung  Yon/auz  zwei  Möglichkeiten  verzeichnet:  ent- 
weder zu  einer  Wz.  *§heu-  (gr.  x^l^V^  ^*  Gaumen  und  vielleicht  sL  zStybj 
für  das  letztere  Petr.  BB.  21,214).    Dann  stimmt  natürlich  der  Anlaut 
bh  mcht  und  das  Slav.  hat  eventuell  obendrein  noch  eine  andere  Ent- 
sprechung. Oder  aber  zu  ai.  bhükas  Loch,  öffiiung,  aisl.  bauka  wühlen, 
graben.    Hiervon  ist  bL  bhükas  ein  unbelegtes  und  zweifelhaftes  Wort. 
Von  Seite  der  Bedeutung  ist  diese  Erklärung  Yon  fatix,  das  ja  keine  Be- 
ziehung mehr  auf  Wühlen,  Graben  enthält,  entschieden  weniger  an- 
sprechend als  die  erst  angeführte  (cf.  mhd.  goume  auch  Kehle,  Bachen). 
Und  doch  steht  und  fällt  das  anlautende  bhy  das  für  Charpentiers  Er- 
klärung von  r.  bazU  notwendig  ist,  gerade  mit  dieser  zweifelhaften  Er- 
klämng  von  faux,  —  Zu  den  bereits  angeführten  Fällen  von  anlauten- 
dem b  =  ob  seien  noch  folgende  hinzugefügt:  wr.  böloki  =  oblaka^ 
r.  böhkofm  =  obolokorm  (Ak.  Sl.  I,  235),  klr.  badä  Hindernis :  vd- 
dyiy  hindern,  im  Wege  stehen. 

Wenn  Charpentier  endlich  meint,  ich  wollte  die  von  Pedersen  KZ. 
38,  312  gegebene  Zusammenstellung  von  ^Ljazh  stomachus,  canalis 
U.8.W.  mit  lit.  aii^ti  durch  eine  andere  Etymologie  ersetzen,  so  wird  ihn 
jeder  aufinerksame  Leser  der  Stelle  (S.  8)  sofort  eines  Andern  belehren. 
Im  Gfegenteil,  diese  Deutung  wurde  von  mir  ausdrücklich  gebilligt  (Z.  19 
u.  20  V.  o. :  »wohl  mit  Recht  zu  aiiytU).  Wohl  aber  schlug  ich  für  die 
von  Pedersen,  Fortunatov  und  Bezzenberger  vermutete  Vermischung  der 
Sippe  mit  lit.  eie  Feldrain  aus  semasiologischen  Gründen  Vermischung 
mit  der  Sippe  Yonj^tt :  hj'imka  Fanggrube,  Notdamm  vor,  und  daran 
vermag  Charpentiers  Widerspruch,  der  jimka  unmittelbar  mit  jdma 
Grube  verbindet,  nichts  zu  ändern.  Denn  bei  unmittelbarer  Verknüpfong 
You  Jimka  xmäjama  könnte  das  erstere  nur  das  Deminutiv  zu  letzterem 


30  Norbert  Jokl, 

sein  nnd  nur  Qrflbchen,  nicht  aber  Fanggrabe,  Notdamm  bedeuten.  Und 
in  der  Tat  existiert  ein  solches  Deminntiv  mit  dieser  Bedeutong  aneh, 
heißt  aber  freilich  nicht /«VTi^a,  sondern /am^a.  Znm  Überfluß  aber  ge- 
hört ydma  selbst  züj^ti  (Gebauer,  Hist.  ml.  I,  611],  ist  also  mt  jimAa 
sippenverwandt,  wenn  auch  nicht  sein  Stammwort;  Charpentiers  Deu- 
tung Yon  jimka  ist  also  auch  darum  ohne  Belang. 

Den  folgenden  Fall:  russ.  ulaznyj  :  ksl.  tdij  alveus  etc.,  pr.  auUnis 
Stiefelschaft  sucht  Charpentier  dadurch  zu  beseitigen,  daß  er  den  Zu- 
sammenhang von  pr.  aulinis  mit  ulij  und  damit  mit  ulaznyj  bestreitet 
und  hierftlr  pr.  aulinis  zu  lit  auntt,  aüti  Schuhe  anziehen  stellt.   Letz- 
teres ist  ja  natttrlich  sehr  richtig,  nur  gehört  eben  ksL  ulij  u.8.w.  gleich- 
falls zu  Ut.  aüti^  somit  gleichfalls  zu  pr.  aulinis  (Bemeker,  Pr.  Spr. 
S.  282,  Walde,  LiE.W.  S.  22,  Meringer,  IF.  16,  160).    Es  ist  also  gar 
nicht  einzusehen,  was  durch  Hervorhebung  des  Zusammenhanges  von 
pr.  aulinis  mit  lit.  aüti  gewonnen  sein  soll.    Zweitens  bestreitet  Char- 
pentier sehr  apodiktisch  das  Vorhandensein  von  nas.  son.  in  aulinis,  in- 
dem er  hierin  m-Ableitung  erblickt.    FUr  die  Möglichkeit  der  Deutung 
von  halt.  -tVaa-,  sl.  -b»o-,  als  idg.  -^no-  sei  zunächst  auf  Brugmann,  Or. 
n,  S.  140  verwiesen.    Im  übrigen  wäre  es  ziemlich  müßig,  darüber  zu 
rechten,  ob  in  aulinis  und  in  uiaznyj  ^  oder  in  anzusetzen  ist.    Denn 
daß  ^  sl.  bn  ergab,  gibt  ja  auch  Charpentier  gleich  einleitend  zu.    Nun 
zeigt  aber  ksL  uly  innerhalb  des  Slav.  selbst  nasale  Weiterbildung: 
slov.  ulnjah,  klr.  ulenb,  beide  <:^  *ul%n.  —  Dies  spricht  somit  aufs  deut- 
lichste ftlr  den  Ursprung  von  r.  ulaznyj  <^  *uhnrzn,  das  an  das  dem 
slov.  und  klr.  Wort  zugrundeliegende  *ulhn'-  ein  -zn-Bnß.  hat  antreten 
lassen.    Ob  aber  in  dem  zugrundeliegenden  *uhnrzn-  sL  hn  auf  ^  oder 
tVi  zurückgeht,  ist  bei  dem  Alter  der  Weiterbildung  mit  -zn"  unentschei- 
dend, ja  unentscheidbar.    Denn  Suff,  -zn-  ist  ja  erst  spezifisch  slavisch. 
Wäre  *ulinzn-'  fertig  aus  proethnischer  Zeit  überkommen  (woran  jedoch 
bei  dem  Stande  der  Dinge  gar  nicht  zu  denken  ist),  so  hätten  wir  im 
Slav.  nur  *ulizn-.    Mit  andern  Worten:  Will  man  -hn-  in  *ulhnr'  aus  in 
herleiten,  so  ergibt  sich,  daß  ulaznyj  <C  *ülhn-zn-  aus  einer  Zeit  staomit, 
da  in  bereits  zu  hn  geworden  war.   Und  daß  dieses  Ergebnis  auch  durch 
andere  Tatsachen  gestützt  wird,  wird  sich  weiter  unten  zeigen.  —  Die 
Zerlegung  ul-azn-  wäre  ganz  willkürlich  und  ohne  Beispiel. 

Im  folgenden  seien  weitere  FäUe  der  urslav.  Entnasalierung  aufge- 
zählt: i.  (mähr.)  hästor  =  städo  husf,  zästup  lidi  Herde  Gänse,  Haufe 
Menschen  (Bartos,  Dial.  slovn.  mor.  S.  91).    Das  Wort  stinmit  demnach 


Ein  nnlaviBches  EntDaBaliemngsgesetz.  3 1 

in  der  Bedentong  yollkommen  zu  p.  g^sttoa  Hanfe,  Menge,  Schwann, 
r.  güSöa  Mensohenhanfe  :  ksl.  n.B.w.  gc^tt  dicht.    Alle  drei  Snbstantiva 
gehören  zugleich  mit  ksl.  gomolja  maza,  sIot.  gomolja  Elnmpen,  go- 
molja  ptiSev  dichte  Schar  Vögel,  i.  homule  Mehlbrei,  p.  gomoika  Qnark, 
o.*l.'a.  homola  Klumpen,  r.  gotnöla  Masse  znr  Sippe  von  ksl.  ihrnq,  iqti 
comprimere,   gr.  ysiio}  bin  voll,  strotze,  yd^og  Fracht,  Last,  yi^oq 
(neiitr.),  lett  gumstu  senke  mich  langsam  auf  einen,  It  gemo  (vgl.  über 
diese  Sippe  W.Meyer,  KZ.  28,  174,  Bmgmann,  IF.  13,  88,  Miklosich, 
SLW.  408  und  über  die  Trennung  dieser  Sippe  von  einer  andern  Walde, 
Lt£.W.  262  gegen  Prellwitz,  Et.W.  d.  gr.  Spr.3  92,  wo  weitere  Lite- 
Tataraogaben).    Die  Bedeutnngsentwicklung,  die  5.  hdstor^  p.  gqstwa^ 
r.  guiSa  gegenüber  ksl.  gomolja^  o.-l.-s.  hotnola  Klumpen  aufweisen, 
s^gt  sich  ja  auch  im  slov.  gamoljCL  ptidev  dichte  Schar  Vögel  gegenüber 
gomolja  Klumpen,  sie  ist  femer  genau  dieselbe,  die  deutsch  Masse^ 
mhd.  mässe  ungestalteter  Stoff,  Metallklumpen,  dann  Menge  (aus  lt. 
massa)  durchgemacht  hat,  und  ist  des  weiteren  identisch  mit  der  Be- 
deutnngsentwicklung von  r.  gromada^  i.  hromada  Haufe  :  engl,  to  cram 
voQatopfen,  anfüllen,  ahd.  krimman  drücken  (Zupitza,  Gutt  149,  Lid^n, 
Stud.  z.  ai.  u.  ygL  Sprachgesch.  S.  1 5).  Lautlich  ist  hdstor  <C  gi^-s^tor^ 
gun-^-toVy  zeigt  also  dieselbe  Stufe  wie  ihmq  und  bestätigt  somit  die 
Chronologie,  fOr  die  in  i,  hasdk^  hastroi  bereits  Belege  geliefert  wurden. 
In  morphologischer  Hinsicht  ist  das  -s-  der  Rest  des  alten  «-Stammes, 
der  noch  in  gr.  yi^og  erscheint.    Da  nun  -orb  ein  auch  sonst  im  Slav. 
nachweisbares  Suffix  ist  (Miklosich,  Gr.  II,  S.  91  ff.:  S.  sochor  Hebel, 
akfv.  grahor  Wicke  u.s.w.),  so  erhalten  wir  für  hdstor  eine  Vorstufe 
*gfan-s-t-  und  damit  eine  Bildung,  die  den  Weiterbildungen  von  «-Stäm- 
men: Wi,  Auksztas^  aüksztas^  lt.  crti-s-ta,  augusius,  angusttiSy  honestus^ 
mhd.  wul'S't :  gr.  eiAo;  (Persson,  BB.  19,  271  f.)  yollkommen  entspricht. 
Formantisch  nicht  anders  beschaffen  ist  ksl.  gqstb  dicht,  über  dessen  In- 
lantenden  Vokal  (q  —  Vollstufe,  nicht  etwa  Schwundstufe  ip)  Pedersen, 
KZ.  38,  396  f.   gehandelt  hat.     Da  es  sich  nun  nach  dem  Obigen  um 
einen  alten  «-Stamm  handelt,  so\st  q<C.  om  ebenso  zu  erklären  wie  in 
sL  kolo  (ygL  pr.  kelan  Rad),  gr.  Sxsa  neben  älterem  ex^atpiv^  d.  kalb 
(ef-Flexion  yon  *g^elbhe8''  m  gr.  &d€lq)€(a)6g  Bmder,  a  yon  a^olbho- 
in  ai.  garbhor  Mutterleib,  gr.  doX(p6g)  (Meillet,  Et.  s.  T^t.  U,  357,  358, 
Brugmann,  Or.^,  II/i,  S.  521,  523,  524),  d.  h.  o  in  gqstb  ist  yon  Fällen 
wie  gomolja  eingedrungen.    Daß  in  der  hdstor  zugrundeliegenden  Form 
^gf^rS^t-oTj  *ghm'S*t'0r  sowohl  die  Wurzelsilbe  als  das  Ableitungssuffix 


32  Norbert  Jokl, 

auf  der  Tiefstufe  erscheinen,  ist  nach  den  Beobachtungen  J.  Bchnoadts 
(Pluralbildungen  d.  Neutr.  S.  148  u.  379)  durchaus  begreiflich;  vgl.  gr. 
a§-lr7j :  rai^a-i^xi}^,  aL  ruAs-d^  :  röcis  u.8.w.  Was  endlich  die  Betonung 
von  r.  gusiöj  anbelangt,  derentwegen  Pedersen,  EZ.  38,  373  in  dem 
Wort  ein  Partiz.  yermutet  hat,  so  ist  es  nicht  weiter  auffallend,  daß  diese 
^a-Bildung  dem  Betonungsschema  der  Bildungen  mit  part.-suff.  -to^ 
folgte.  —  Nur  nebstbei  sei  in  diesem  Zusammenhange  noch  l.  hmota, 
älter  homota  Eiter,  Materie,  Stoff  erwähnt.   Schon  Matzenauer,  Listy  fil. 
7,  215  stellte  dieses  Wort  zu  gr.  yi^og^  yöfiog  u.s.w.    Und  diese  Deu- 
tung scheint  in  der  Tat  wahrscheinlicher  zu  sein  als  die  jetzt  yon  Qe- 
bauer,  Slovn.  staro£.  1, 434  gegebene,  wonach  das  Wort  aus  lt.  humectus 
entlehnt  wäre.    Denn  wenn  sich  Gebauer  zur  Erklärung  der  Bedeutung : 
Eiter-Materie  auf  mhd.  maVsrje  Stoff,  Flüssigkeit  im  Körper,  Eiter  be- 
ruft, so  kann  dieses  Wort  ebensogut  die  umgekehrte  Bedeutungsentwick- 
lung erweisen,  nämlich  1)  Materie,  Stoff,  2)  Eiter,  Flflssigkeit  un  Körper. 
Die  Bedeutung  Materie  aber,  die  homota  hat,  vergleicht  sich  der  von  r. 
gomolja  Masse,  von  dem  das  i.  Wort  nur  im  Suff,  verschieden  ist.    Zu- 
dem wäre  bei  Entlehnung  aus  humectus  das  o  der  2.  Silbe  von  homota 
schwer  verständlich. 

Wr.  maienne  Einbildung  :  ksl.  mhniti  putare,  mhniti  s^  videri,  i. 
mnStty  mniti  meinen,  wähnen,  glauben,  dünken,  demnach  <[  mtn-z-. 
Die  Weiterbildung  ist  dieselbe  wie  in  dem  oben  erwähnten  5.  (mähr.) 
rozpaiiti  :  ksl.  pqti  und  im  slov.  meiitü  Die  Bedeutung  des  weißruss. 
Wortes  ist  g^enüber  der  von  ksl.  mhniti,  (.  mniti  ^ur  ganz  leicht  spe- 
zialisiert, eine  Nuance,  für  die  übrigens  zahlreiche  Parallelen  angefahrt 
werden  können.  Man  vgl.  lt.  commentus  ersonnen,  commentum  Erdich- 
tung, d.  denken  (im  Mhd.  auch  a  ersinnen),  h  mysliti  neben  denken 
auch  sich  einbilden,  d.  Dünkel :  dünken  (eigtl.  erscheinen,  also  =  mh- 
niti 8^),  Nun  ist  hn  in  ksl.  mhn/q  =  idg.  ^  (Brugmann,  Gr.^,  I,  398). 
Der  Fall  zeigt  also  aufs  deutlichste  die  slav.  Entwicklung  des  ^  in  dieser 
Stellung.  —  Zur  Wz.  men-  gehört  femer  r.  mainyj  mutig,  fröhlich,  das 
sich  der  Bedeutung  nach  mit  gr.  [livoq  Mut,  Kraft,  Streben  vergleicht, 

Russ.  savrdska  1)  hellbraunes  Pferd,  2)  Art  Meth  mit  Hopfen, 
savräsyj,  soträsyj  rehhaaren  (Farbenbezeichn.),  insb.  savräsaja  löiadh 
=  savräska.  Den  Schlüssel  zur  Analyse  dieser  Wörter  bietet  r.  sükrasnh 
das  Rötliche,  die  rötliche  Farbe  <C  su-,  ursl.  sq-  +  hrämyj  rot.  Andere 
mit  %q  zusammengesetzte  Farbenadjectiva  zur  Bezeichnung  von  Nuancen 
9.  bei  Löwenthal,  Die  slav.  Farbenbezeichnungen  (Diss.),  S.  46.  Soträsyj 


Ein  onlayischeB  EntnaflalierangsgeBetz.  33 

cndiilt  sOj  nrsl.  s^J  also  die  Donblette  von  sq  -{-  voronoj  schwarz  (vo- 
nmdja  loiadh  der  Bappe],  ursl.  *vom-  4-  S^^-  *^~     Brann  also  eigenfl. 
»mitaehwarz,  beischwarz«.    Daß  Farbenbezeichnimgen  für  brann  in  der 
Tal  anch  sonst  von  schwarz  hergenommen  sind,  darüber  vgl.  man  Schra- 
der,  Beal-Lex.  8. 109.  Verwendung  von  Suff,  -«o-  in  Farbenbenennnngen 
ist  gleichfailB  nachweisbar :  ksl.  rusz^  rys^  <C  *rud-az,  ^ryd-s^  neben 
ndrb  und  ryidb  <C  *rydrj%^  lt.  russus  <  rtsdhsos  neben  rüfus^  rüber ^ 
Sofansen,  KZ.  38,  441  ff.    Demnach  würden  wir  *80t>oräsyj  erwarten. 
Daß  sieh  die  Schreibart  aovrdsyj  findet,  ist  bei  der  stark  reduzierten 
Aassprache  der  unbetonten  Vokale  im  Rnss.  und  bei  dem  durch  den 
Lautwandel  geschwundenen  GefOhl  des  Zusammenhangs  mit  f>orma  ge- 
wiß nicht  befremdlich.    Man  vgl.  übrigens  den  ganz  analogen  Fall  von 
r.  prüami/j  widerlich  sflß,  fade  <[  -toron-  nach  Ausweis  von  ksl.  pri- 
tranb  (IGklosich,   £.W.  359),   r.  blond  Haut  neben   bolond.    Auch 
weist  ja,   da   das  Wort,    wie  gezeigt,   mit  sz  zusammengesetzt  ist, 
Lid^  Gesetz  darauf  hin,  daß  in  -vras-  die  Gruppe  vr  nicht  ursprüng- 
lich ist    Die  Schreibung  savrdsyjj  neben  der  sich  sovrdsyj  findet,  ist 
akavistisch.  —  Auch  die  zweite  Bedeutung,  die  savrdska  hat :  Meth  mit 
Hopfen  zeigt  aufs  deutlichste  den  Zusammenhang  mit  vorona^   ursl. 
^wma  :  russ.  vorondkb  der  Meth.    Das  Getränk  hat  also  seinen  Namen 
von  der  Farbe;  man  vgl.  das  heutige  deutsche:  »die  kühle  Blonde«  für 
das  helle  Pilsner  Bier.    Da  nun  in  ursl.  *vorn-  das  n  konsonantisch  ist, 
80  wird  durch  sov(o)rdsn/  zun&chst  eine  Zwischenstufe  *t?(7r^-£-  und 
weiterhin  *vorbnr'8  reflektiert.    Femer  liefert  sovrdsyj  auch  einen  An- 
haltspunkt für  die  chronologische  Fixierung  des  urslav.  Entnasalierungs- 
voigangs.    Dieser  fUlt  nämlich  vor  die  einzeldialektisch  gesonderte  Be- 
kandhing  der  Gruppe  torU    Dies  stimmt  natürlich  sehr  gut  zu  dem  Cha- 
rakter der  Entnasalierung  als  einer  urslavischen  und  fügt  sich  ebenso  gut 
zu  dem  durch  i.  haadh^  hastroi^  hdsior  etc.  für  die  relative  Chronologie 
gewonnenen  Datum.    Denn  wenn  die  Entnasalierung  vor  die  Zeit  des 
ersten  Palatalismus,  der  ja  aUen  slav.  Sprachen  gemeinsam  ist,  fWt,  so 
ftnt  sie  um  so  mehr  vor  die  Veränderung  der  ^or^-Gruppe,  die  ja  nicht 
m^  gemeinslav.,  daher  jünger  als  der  erste  Palatalismus  ist.  —  Ganz 
verkehrt  wäre  die  Ansicht,  die  für  aotrdsyj  zwar  Verwandtschaft  mit 
^oom  annähme,  das  -o«-  aber  als  einheitliches  Suffix  auffassen  wollte; 
somit  -^or-aS"  zerlegte.    Denn  die  slav.  Farbenbezeichnungen  mit  Suff. 
-n-  und  dem  nach  -ao-  erst  aus  -e«-  umgebildeten  -a«-,  wie  r.  bSlisyj^ 
p.  bialasy  weiBlich  (das  poln.  Wort  nach  lialawy)^  klr.  8yni8eAkyj\ 

IrehiT  fix  sUtImIi«  Pkiloloffi«.   XXIX.  3 


1 


34  Norbert  Jokl, 

recht  blau,    p.  iattasi/j    die    auch   durchwegs  dieselbe  Bedeutungs- 
naancienmg  enthalten  wie  sovrasf/i/j    stehen  ja  neben  slav.  Farben- 
adj.,  r.  hSIu/y  p.  iöity,  sind  also  anf  slav.  Boden  erwachsen  (Bolmaen, 
KZ.  38,  442).    Ein  *vor-j  von  dem  man  bei  dem  Ansätze  *vor'a8''  aus- 
gehen müßte,  ist  aber  im  Slav.  in  der  Bedeutung  schwarz,  die  zugrunde 
zu  legen  wäre,  nicht  nachweisbar.   Es  bleibt  also  nur  noch  die  Möglich- 
keit, *vor-as-  als  eine  alt  überkommene,  mit  *vom'  parallele  (n&mlieh 
wurzelverwandte,  aber  im  Suffix  verschiedene)  Bildung  anzusehen,  was 
ja  für  dieses,  eine  Farbennuance  bezeichnende  Adjektiv  schon  an  sich 
unwahrscheinlich  wäre  (cf.  Löwenthal,  a.  a.  0.  8.  44).  Doch  könnte  man 
sich  hierfür  scheinbar  auf  ksl.pß/^%  grau  berufen,  das  Bolmsen,  1.  c.  mit 
lit.  pälszaSy  lt.  *palloSj  puUus  vergleicht  (also  pel-es-).  Allein  ganz  ab- 
gesehen davon,  daß  Solmsen  selbst  die  Möglichkeit  zugibt,  in  ksl.  pelesh 
eine  Bildung  mit  Deminutiv-Suff.  -ko^  zu  sehen  (so  Löwenthal,  1.  c.  S.  20), 
so  müßte  man  bei  einer  Grundform  *vor-as-  erst  Umbildung  aus  vorweg- 
annehmen  —  denn  ursprünglich  ist  eben  nur  dieses  Suffix  (Solmsen,  I.e.) 
— ,  ohne  daß  man  einzusehen  vermöchte,  nach  welchem  Muster  sich  diese 
vollzogen  haben  sollte.  Denn  ein  *vor'-av^  gibt  es  nicht.  Ist  aber  *vor^es 
isoliert,  dann  ist  Umbildung  nicht  wahrscheinlich,  wie  ja  auch  pelen  ge- 
blieben ist.    Die  ganze  Unwahrscheinlichkeit  einer  Grundform  *vor'HiS'' 
ergibt  sich  aber  —  und  daraufist  besonderes  Gewicht  zu  legen  —  daraus, 
daß  diese  angeblich  aus  proethnischer  Zeit  überkommene  Bildung  sieh 
bloß  in  dem  erst  slav.  Kompositum  mit  sh  erhalten  haben  soll,  ohne  daß 
ein  zugrunde  liegendes  simplex  *voraS''  vorhanden  wäre,  während  doch 
die  übrigen,  Farbennuancen  bezeichnenden  Adjektiva,  die  mit  Präpo- 
sitionen zusammengesetzt  sind  [sq^  na^  pri)  neben  Farbena^jectiva  (sim- 
plida)  stehen  (Löwenthal,  1.  c.  S.  45  f.).   Sehr  begreiflich;  denn  das  zu- 
gehörige Simplex  ist  eben  in  Wahrheit  *vorn'. 

Apoln.  poch  miejsce  w  lesie,  gdze  wyr^buj^  drzewa  (Slown.  j.  p.  p. 
red.  Earlowicza  Bd.  4,  S.  2),  das  Wort  stimmt  in  der  Bedeutung  voll- 
kommen zu  r.  penhe  ausgerodeter  Platz  im  Walde  (eig.  ein  CoUectivum 
»die  Baumstümpfe«,  was  es  gleichfalls  bedeutet)  stellt  sich  somit  deutlich 
zu  p.  piei^,  r.  penbj  pnj'a,  s.-kr.  pänj  u.s.w.  Baumstumpf,  Stock  als 
*phn''ch^.  Vergleicht  man  diese  Grundform  mit  dem  gleichbedeutenden 
russ.  penhe,  so  ergibt  sich  für  das  cA-Suff.  EoUektivbedeutung.  Und  in 
der  Tat  finden  wir  eine  solche  auch  sonst  ftlr  dieses  Suffix:  r.  6truch^  = 
dem  plur.  ötrubi  die  Kleie.  —  So  erklärt  sich  denn  auch:  p.  pasza  (Sk, 
j.  p.  Bd.  4,  81)  =  knieja  Waldung.  Dazu  vgl.  man  p.  napni  wyjeohad 


Ein  mslavisohes  EntnaBalierongsgesetz.  35 

=  do  lasu  w.  in  den  Wald  fahren.  Im  Rnss.  bedeutet  penh  auch  noch 
Waldbienenstock,  Bienenstock;  diese  Bedentang  zeigt  sich  auch  dentiich 
iB  r.  pdinja  Bienenarbeit  —  Femer  geh(^rt  wohl  hierher :  i.  pazattch 
I)  Nebeiisehoß,  Schößling;  2)  Hirschhomzinke,  r.  pazffdth  aufschießen, 
schnell  wachsen.  FQr  das  Sech.  Wort  wird  ein  bereits  nrslav.  a  durch  das 
niB8.yerb  gesichert;  pazouch<Cphfk'Z'^uch^,  ZurBedeutungsentwicklung 
N^mnaehoß-Baumstumpf  ist  zu  vergleichen :  klr./?«92(;t^Ät  Wurzeltriebe : 
penh  (Mlklosich,  Gr.  n,  290),  frz.  ecot  Baumstrunk  (Lehnwort  aus  dem 
deutsehen  Schoß,  Kluge,  E.W.<^,  352).  Die  Bedeutung  von  t.  pazgätb 
gegenftber  c.  pazouch  Schoß  findet  an  d.  Schoß^schießen  ihre  Parallele. 
Aber  auch  die  zweite  Bedeutung  von  6.  pazouch  Hirschhomzinke  (konec 
u  parohft)  findet  ihre  Erklärung  aus  5.  peA  =  dolnl  iist'  parohu. 

Boss,  pazgäia  lang  aufgeschossener  Mensch,  das  natflrlich  zu  paz- 
gdi%  gehört,  yerhillt  sich  zu  h  pazouch  Schoß  semasiologisch  genau  so 
wie  gr.  ^daX6g  aufgeschossen,  schlank  :  ^Adafivog  junger  Zweig.  — 
Man  veigleioht  ursl.  jobnt»  gewöhnlich  mit  ^X.pinäkam  Stab,  Stock,  Keule 
(ühlenbed:,  £.W.  d.  ai.  Spr.  S.  166),  gr.  TtLva^  Brett,  Schreibtafel  (Prell- 
wits,£.W.  d.  gr.  Spr«',  S.  369);  und  in  der  Tat  hat  der  Bedeutungs- 
nterschied  zwischen  dem  griecL  und  slav.  Wort  nichts  Befremdendes, 
wenn  man  sich  die  Bedeutungen  von  It  caudex^  codex  Baumstamm, 
Ekrti,  Sefareibtafel  (Walde,  Lt.£.W.  106)  vor  Augen  hält. 

Somit  wäre  für  das  ursl.  wi  von  in  auszugehen  und  die  eben  be- 
sprochenen Wörter  sind  Weiterbildungen  mit  -z^  und  -cA-Suff.,  die  auf 
slaT.  Boden  zu  einer  Zeit  erwuchsen,  als  in  bereits  zu  hn  geworden  war  ^), 

Boss.  Boläzki  kleiner  HandschUtten.  Das  Wort  stellt  sich  zu  s.-kr. 
Ȋoni  der  Schlitten.  Da  nun  dieses  aus  *8alhni  entstanden  ist,  so  ergibt 
sidi  flbr  saläzki  die  Qrundform  ^salhf^-z-ki.  (Ober  das  Verhältnis  von 
8.-kr.  säoni  zu  i.  sdnS^  r.  sani  u.s.w.  wird  bei  anderer  Qelegenheit  ge- 
handelt werden.  Miklosich  [E.W.  sub  8ani\  steltt  s.-kr.  s&oni  ohne  Er- 
klinmg  zu  sani^  während  Matzenauer  [Listy  fil.  19,  245,  246]  beide 
Wörter  von  einander  trennt).  *sahni  als  Vorstufe  von  skr.  sUoni  wird 
iriedemm   durch  s.-kr.  salinac  Schlittenkufe  <C  ^saUinrhch  gestfltzt. 


1]  Wiedemann  identifiziert  (BB.  27,  257)  6.  pazouch  Nebenschoß  mit  h, 
tu.w.)  pawaeha  Achsel  <  *pök  mit  s-Snff.,  was  semasiologisch  durchaus  nicht 
so  befiiemdlich  ist,  wie  es  auf  den  ersten  Blick  erscheinen  könnte.  Allein  in 
dieeem  Falle  mtlßte  Lpazoueh  Schoß  von  t. pazgätb  schießen  getrennt  werden, 
WB8  wohl  nicht  angeht.  Auch  reicht  diese  Deutung  fUr  die  zweite  Bedeutung 
ro«  L  pazaueh  nicht  zu. 

3* 


36  Norbert  Jokl, 

*salr'hni  und  ^sdlrin-hcb  zeigen  also  das  Nebeneinander  der  im  Ablaats- 
verhftltnis  stehenden  Suffixe  sl.  -hnr  und  -in-  <^  -iV  und  -if^.     Bei 
r.'  saldzki  handelt  es  sich  gleichfalls  um  Weitersuffigierung  eines  -^n- 
auf  slav.  Boden  durch  sl.  -zr-,  —  Den  Zusammenhang  von  s.-kr.  8aont\ 
salinacj  r.  saldzki  erkannte  bereits  Matzenauer,  a.  a.O.  8. 246,  allerdings 
ohne  diesen  Zusammenhang  morphologisch  zu  erklftren.    Seine  Ansicht, 
daß  s.-kr.  säoni  aus  *8<ilni  entstand,  ergäbe  als  erste  Vorstufe  fOr  saldzki 
*sal^Z'j  woraus  dann  ^sahn-Z".    Der  Unterschied  von  der  obigen  Auf- 
stellung ist  minimal.  Doch  vgl.  man  aalinac  ^).  —  Das  Nebeneinander  der 
Suffixe  -in-  und  -Inr  ist  auch  sonst  zu  erweisen.   Cf.  Osthoff,  MorphoL 
Unters.  4,  357  Anm.  1)  und  S.  196  [fst.ifdiv'tvog)  und  fttr  das  Slav.  Mi- 
klosich,  Or.  ü,  S.  146  (ksl.  razliSinb  neben  razlOhnb).  Ein  weiteres  Bei- 
spiel aus  der  Ortsnamengebung  sei  hinzugefllgt :  &.  Bzenec  (Stadt  in  Mähren) 
zu  5.  (u.s.w.)  bez  HoUunder  (liCklosich,  SLOrtsn.  aus  Appellativen,  Tl.  2, 
S.  1 1  des  SA. ;  Wr.  Denkschr.  23)  hat  neben  sich  Bzinek  (Ortsteil  und  Flur- 
name in  der  genannten  Stadt).  Bzenec  <^  *Bhz^hnrhch^  gen.  *B^z•hn''hca. 
Die  bekannte  Schablone  in  der  Behandlung  der  Halbvokale  würde  ein 
Paradigma  *Beznec^   Bzence   erwarten  lassen;    durch  Ausgleichung 
entstand  Bzenec,  Bzence,    Man  vgl.  dialekt.  (mähr.)  ievc,  ievce  fOr 
schriftsprachL  ivecy  ievce,  Bzinek  stimmt  vollkommen  zu  p.  bzina  Hol- 
lundergesträuch,  6.  (diaL)  hzejna  <[  b%zina^  bzina,  bz^na,  woraus  end- 
lich bzejna  (Flajshans,  Listy  fiL  23,  S.  160  und  22,  S.  74). 

£ech.  (mähr.)  zatasene  zuby  =  zafaie  zuby  (Bartos,  Dial.  sl.  mor. 
S.  531).  Die  mit  8  erweiterte  Form  ist  also  mit  zafat^  (:  ursl.  t^ti)  voll- 
kommen synonym  und  bezeugt  durch  ihre  Vorstufe  ^trpnS',  tbtnrs^  den 
Entnasalierungsvorgang  auf  das  schlagendste.  So  erklärt  sich  auch  klr. 
idska  Schlag  ins  Genick,  wie  ja  denn  klr.  tjdty  außer  schneiden  auch 
hauen,  schlagen  bedeutet  Zu  ursl.  tqti  gehört  femer  r.  (VoroneH)  tdika 
die  Achselhöhle.  Die  Bedeutungsentwicklung  ist  die  gleiche  wie  in  deutsch 
Schulter'.  Wz.  skel  spalten  und  ähnlich  wie  in  gr.  ^laaxA^  Achselhohle, 
dessen  zweiter  Teil  zu  axctllg  Gabel  gehOrt  (Prellwitz,  E.W.  d.  gr.  Spr.>, 
S.  283).  —  Gleichfalls  hierher  gehOrt:  r.  tdika  Tasche,  5.  idem  (hier 
aber  noch  in  anderen  Bedeutungen,  s.  unten),  ap.  taszka  Behälter  (foru- 
lus:  Brflckner,  Prace  fil.  5, 48),  slov.  taika^  Ur.  tdika  Tasche.  Auf  den 
ersten  Blick  könnte  es  scheinen,  daß  dieses  Wort  aus  dem  Deutschen 

1)  Da  iäoni  und  aalinac  sich  gegenseitig  stützen,  ist  in  slov.  saninee  das 
erste  n  als  durch  Assimilation  entstanden  zu  erklären;  hierbei  wirkte  auch 
«ont  ein. 


Ein  üTBlaviBches  Entnasalierangsgesetz.  37 

entlehnt  ist,  wie  dies  Miklosich,  Fremdw.  S.  60  des  SA.  auch  wirklieb 
annahm.  Allein  bei  Entscheidung  dieser  Frage  ist  vor  aUem  zn  erwägen, 
daß  Tasche  innerhalb  des  Oerm.  in  älterer  Zeit  nur  dem  Deutsch,  bekannt 
(ahd.  tascUj  tascha,  dascüj  dasga)  nnd  hier  selbst  dunklen  Ursprunges 
ist  (ao  Eloge,  E.W.^,  390  und  Heyne,  Deutsches  Wb.^,  Bd.  3,  Sp.  938, 
939).  Ins  Mnd.  [taske^  tauche)  und  Anord.  (taaka)  ist  das  Wort  erst  aus 
dem  Hd.  aufgenommen  worden,  ebenso  ins  Italien.  (Heyne,  L  c).  Die 
bei  Kluge,  1.  c.  erwähnte  Ableitung  aus  rom.  taxare  über  *taxicaref  wo- 
nadk  Tasche  eigentlich  »Taglohn,  was  man  im  Säckel  trägt«  bedeuten 
soll,  befriedigt  wenig.  (Ober  ältere,  und,  wie  die  angeführten  Stellen  aus 
Eloge  und  Heyne  lehren,  heute  nicht  mehr  gebilligte  Erklärungsversuche 
8.  Dies,  Et.W.  d.  rom.,Spr.^,  S.  317.  Abgelehnt  wurden  diese  Erklä- 
nmgen  auch  schon  von  Weigand,  D.Wb.  *,  H,  S.  878).  —  Im  Slav.  hin- 
gegen ist  dieses  Wort  weder  isoliert  —  man  halte  sich  die  oben  ange- 
Alhrte  Bedeutung  von  r.  tdika  Achselhöhle  und  die  weite  Verbreitung 
▼on  taiia  Tasche  gegenwärtig  —  noch  dunkel.  Denn  stellt  man  es  zu 
f^  so  erhält  man  für  Tasche  die  Grundbedeutung  »Spalt«,  was  sema- 
dologiseh  sehr  wohl  zu  begreifen  ist.  Man  vgl.  d.  Schlitze  =  Spalt  und 
Tasche  (Sanders,  D.Wb.  s.  v.).  Daß  das  sl.  /  von  taSka  als  9  in  ahd. 
iMca  erscheint,  ist  bei  der  /-artigen  Natur  des  ahd.  s  verständlich 
(Braune,  IF.  4,  343  Anm.  und  Beitr.  z.  Gesch.  d.  deutsch.  Spr.  1,  530). 
Oans  besonders  aber  sprechen  fOr  die  Ableitung  taika  :  tqti  die  Bedeu- 
tungen, die  S.  taika  des  weiteren  hat:  Dachziegel.  Dies  verhält  sich  zu 
t^ti  hanen,  spalten  genau  so  wie  got.  akalja  Dachziegel :  lit.  skSlti  spal- 
ten, anord.  skUja  spalten,  got.  skilja  Fleischer^  gr.  ayiAXXfa  hacke  (Fick, 
I^,  S.  566,  Zupitza,  Gutt.  S.  151,  Walde,  Lt.Et.W.  S.  549),  wie  lt.  scann 
dula  Daehschindel :  9i.8khadate  spaltet  (Walde,  I.e.  550),  gr. (T^ti^da^- 
u6g  Sehindel  :  oxi^o)  spalte  (Prellwitz,  E.W.  d.  gr.  Spr.',  446).  Auch 
in  dieser  Bedeutung  ging  das  slav.  Wort  ins  Deutsche,  u.  zw.  in  den 
bair.-dsterr.  Dialekt  über  (Schmeller,  Bayer.  Wb.',  I,  627)  i).  Eine  wei- 
tere Instanz  ffir  den  Ursprung  von  taika  aus  t^ti  spalten  ist  5.  taika  = 
Scbreibtafel.  Das  Bedeutungsverhältnis  ist  genau  dasselbe  wie  in  got. 
ipilda  Schreibtafel  gegenüber  ahd.  spaltan^  nhd.  spalten.    Ebenso  ge- 

1)  Da  t^i  im  Slav.  zumeist  vom  Holzspalten  gebraucht  wird  (cf.  die  Zu- 
gammenstellungen  bei  Osthoff,  IF.  5,  323  Anm.],  so  ist  es  möglich,  wenn  auch 
im  Hinblick  auf  got  akalja  nicht  unbedingt  nötig,  daß  iaika  ursprüngl.  Dach- 
Behindel  bedeutete,  ein  Ergebnis,  das  zu  kulturhistorischen  Erwägungen 
itimmt  (Heyne,  Deutsches  Wohnungsw.  89,  Schrader,  Beal.-Lex.  S.  987,  988J. 


38  Norbert  Jokl, 

hören  gr.  axidr]  Tafel,  Blatt,  lt.  scheda  zur  Sippe  von  sdndo^  <^X^^^ 
(Prellwitz,  E.W.  d.  gr.  Spr.*,  145,  Walde,  Lt.E.W.  550). 

In  t^tij  tbnq  ging  das  n  ans  mn  hervor  (:  gr.  Täfiro),  J.  Schmidt, 
Kritik  der  Sonantentheorie,  S.  138,  Osthoff,  IF.  5,  323  Anm.,  Pedersen, 
ElZ.  38,  351).  Für  täika  erhalten  wir  also  eine  Omndform  ^twir-ch. 
Der  nrsprflngliche  Verbalstamm  zeigt  sieh  noch  in  p.  (diaL)  ömachnqö  = 
nder2y6  schlagen.  (Verzeichnet  ist  dieses  Wort  bei  Z.Ologer,  Prace  fil.  4, 
808  nnd  darnach  im  SJ:own.  j.  p.  snb  y.).  Dieses  poln.  Verbnm  stimmt 
sonach  in  der  Bedeutung  vollkommen  zu  r.  tnuth  schlagen.  Es  w&re  ver- 
lockend, auch  das  -ach--  ans  dem  nrsprOnglichen  Pr&sensstamm  von  t^ti 
zn  erklären,  somit  *tbm^^h'.  Doch  könnte  das  -acA-  von  ömachaö 
schließlich  anch  auf  nrsprttnglichem  ö  beruhen^  da  ja  die  Wnrzelform 
*teme  durch  die  verwandten  Sprachen  bezeugt  ist  (Hirt,  Ablaut  S.  96). 
Indes  ist  die  letztere  Ansicht  minder  wahrscheinlich,  da  die  Verba  de- 
verbativa  auf  "ckati  relativ  jungen  Ursprungs  sind  (Pedersen,  IF.  5,  51), 
ein  Verbalstamm  *thmö  im  Slav.  aber  nicht  vorkommt.  Jedenfalls  spricht 
das  inlautende  m  des  p.  ömachaö  neben  dem  sonstigen  p.  tn^  und  naci- 
naö  für  die  Altertümlichkeit  des  Wortes  innerhalb  des  Poln.  und  zdgt, 
daß  J.  Schmidts  Ansicht  (Kritik  d.  Sonantentheorie  S.  138),  wonach  das 
im  Präs.  von  t^ti  entstandene  n  auch  alle  wurzelverwandten  Bildungen 
des  Slav.  durchziehe,  den  Tatsachen  nicht  völlig  entspricht. 

Poln.  ffrasica  Brustdrüse,  Thymusdrüse  :  ksl.  ffrqdhy  r.  ffrudhy  c. 
hrtid^  Brust  und  diese  (Wiedemann,  BB.  13, 310)  zu  gr.  ßqivd-og^  ß^Bv- 
^iead-ai  sich  brüsten,  lt.  grandis  (Wz.  g^rendh-).  Die  Grundform  von 
p.  ffrasica  ist  ^gr^d-s-y  ffrhnd-s-.  (Die  Brustdrüse  ist  eine  lange, 
schmale,  hinter  dem  Brustbein  liegende,  bei  Embryonen  und  Kindern 
selbst  über  diese  hinausragende  Drüse.  Im  spätem  Alter  nimmt  sie  an 
Oröße  allmählich  ab).  Die  6-Stufe  zeigt  das  zu  grqdh  sich  semasiologisch 
gut  ftlgende  p.  grz^zy  Euter  des  Elenweibchens,  der  Hindin,  Rehgeis. 
Zum  Begriff  »schwellen«,  den  die  Vergleichung  für  die  Wz.  g^rendh- 
ergibt,  verhält  sich  p.  grz^zy  wie  ksl.  vymq  Euter  :  r.  uditb  anschwellen. 
(Über  diese  beiden  zuletzt  angefahrten  Wörter:  Johansson,  Beitr.  S.  1). 
In  morphologischer  Hinsicht  zeigt  grzqzy  <[  *grend-z-  das  Suffix  -z, 
grzqzy  und  grasica  weisen  also  dasselbe  Nebenetnander  der  Suffixe  -z- 
und  -5-  auf,  das  schon  des  öfteren,  so  bei  r.  glazb,  i.  hläsati  u.  a.,  zu 
beobachten  war. 

Klr.  tächnuty  langsam  verlöschen,  trocknen,  am  Leibe  vergehen. 
Daß  hier  ein  Nasal  im  Spiele  ist,  zeigen  deutlich  die  folgenden  mit  dem 


Ein  urslaTiBehes  EntnasalienmgageBetK.  39 

angefUiTien  Bynonymen  Yerba:  klr.  potuchäty  erlöschen,  wr.  tüchnud^ 
T.  tuehnuih^  -^.przyt^chnqö.    Diese  zuletzt  erwähnten  Yerba  wurden  von 
Miklosich,  E.W.  358  unter  tonch-l  angeftlhrt.  Klr.  tdchnuty  ist  an  dieser 
Stelle  ebenso  libergangen  wie  bei  Osthoff,  Etymol.  Parerga  I,  B.  354  Anm. 
Bnaa.  tüehnuth  u.s.w.  fügt  sich  semasiologisch  sehr  wohl  zur  Sippe 
▼OB  lit.  iamsä  Unstemis,  Dunkel,  tSmti  finster  werden,  lt.  teneh'oe 
1I.S.W.,  wie  dies  schon  Brandt,  Bussk.  fil.  Y^tn.  25,  30  und  Pedersen, 
IF.  5,  57  Anm.  2  gelehrt  haben.  Man  vgl.  mhd.  dampfen  =  (das  Feuer) 
entieken:  dumpf,  das  mit  dunkel  verwandt  ist  (Kluge,  E.W.<^,  S.  71) 
mit  r.  iuMt  das  Feuer  ersticken,  welches  Yerbum  Faktitiv  zu  tüehnuth 
erlöschen  ist  EJr.  tdchnuty  steht  nun  zu  r.  tüehnuth  u.s.w.  im  Ablauts- 
▼«MltniSy  demnach:  ^tf^h^,  thm-ch-,  weist  also  dieselbe  Yokalstufe 
wie  thma  Finsternis  [fpm:  Brugmann  Gr. 2, 1,  B.417)  und  wie  lit.  timsras 
anl  Osthoff  a.  a.  0.  sucht  nach  Lorentz'  Gesetz  r.  tüehnuth  aus  ^tufich" 
hersnkiten.  Wie  man  sieht,  spricht,  abgesehen  von  allem  andern,  auch  klr. 
tdckmUy  dagegen.  —  Aber  auch  die  von  Miklosich,  E.W.  358  unter 
i4mch'2  angefahrten  Wörter  wie  slov.  otöhniti  se  dumpfig  werden,  zof 
idhel  dumpfig,  i.  tuehnouti  dumpfig,  muffig  werden,  p.  tqehnqd  idem, 
r.  tucAnuth  faulen  gehören  zur  Sippe  von  thma.    Als  Beispiel  fOr  die 
Eotnasalienmg  in  ^eser  semasiologischen  Gruppe  ist  Ish.potachdiy  kre- 
pieren (also  eigenÜ.  verwesen)  anzufahren.    Für  die  Yerwandtschaft  der 
Begriffe  »finster«  und  »dumpf«  bietet  das  deutsche  dumpf  neben  ndl. 
dcmpiff  feucht,  finster,  engl,  dank  feucht,  dumpfig  zu  d.  dunkel  eine  Pa- 
raflele  (Kluge,  E.W.^,  S.  85).    Noch  deutlicher  aber  wird  die  Zugehörig- 
keit der  angefahrten  slav.  Yerba  zur  Sippe  von  thma  durch  S.  potuehl^ 
erwiestti,  das  einerseits  dumpf,  muffig,  andererseits  dttster  bedeutet,  dem- 
nach mit  temn^  synonym  ist.  —  Ob  auch  das  mit  u  aberlieferte  ksl.  po- 
iuehnqti  qniescere  einen  Nasal  (also  eigti.  potqehnqti),  wie  Miklosich, 
E.W.  1.  c.  und  Osthoff  a.  a.  0.  lehren,  enthält  oder  ob  das  u  etymologisch 
berechtigt  ist  (so  Miklosich  im  Lex.  Pal.-sl.,  Bemeker,  Preuß.  Spr.  S.  328 : 
pr.  tusHse  er  schweige  und  jetzt  Lid6n,  IF.  19,  339)  ist  nicht  leicht  zu 
entschdden.    Doch  hat  die  letztere  Ansicht  die  größere  Wahrscheinlich- 
keit tOr  sich.    Denn  für  sie  spricht  slov.  potuhnoti  stille  werden,  das 
Miklosich  im  E.W.  unter  toneh  nur  mit  einem  »Ygl.«  unterzubringen  ver- 
mag.  Im  Slov.  trat  Obrigens  Yermischung  beider  Sippen  ein.  Man  vergl. 
potuhniti  neben  »stille  werden«  auch  »verlöschen«  mit  tohniti  im  Yer- 
lOschen  begriffen  sein.  —  Auf  einem  andern  Brette  steht  wohl  r.  toehnuth 
abstehen  (von  Fischen),  krepieren.    Denn  dieses  Yerb  steht  neben  einem 


40  Norbert  Jokl, 

synonymen  döchnuih  <C  dzch-  =  i.  zdechnauti.  In  Fällen  wie  dbchn^ 
ergab  sieb  lantgesetzlich  dchnUy  was  phonetiscb  =  tchnu  ist;  nnd  dieses 
findet  sieb  ancb  tats&cblieb  (Dalb).  Cf.  h  dehne  (Gebaner,  Hist.  ml.  I, 
169).  Doreb  Kontamination  von  tchnu  und  dem  analogiscben  dochnzt 
(von  Fallen  wie  snbst.  doch^  <^  d^ch^J  cf.  l.  dechnouti)  konnte  sich  ein 
töchnutb  ergeben.  Die  Ansiebt,  daß  r.  tochnuth  eine  Eontaminations- 
form  ans  einem  einst  ancb  im  Rnss.  —  wie  im  Elmss.  —  vorbandenen 
*tachnuth  mit  döchnuth  darstelle,  ist  zwar  gleichfalls  möglich,  jedoch 
wohl  besser  zn  meiden. 

SloY.  hrasati  beschmntzen,  brazdaii  idem,  r.  brazddthsja  sich  be- 
schmutzen. Die  Yerba  sind  sippenyerwandt  mit  ksl.  brhnie  Intnm  (Jagiö^ 
Codex  Mar.,  Index  verb.  8.  481).   Wie  nun  das  mit  ksl.  brhnie^  r.  brenie 
gleichbedeutende  r.  brodnica  zeigt,  gehört  brhnie  zur  Sippe  von  bresti^ 
broditi  waten.   Nach  Ausweis  von  lett.  brenn  (aus  *br'ednu^  *brendnu) 
fOr  Älteres  bredu  (dialekt.)  =  lit  brendü  (dial.,  Szirwyd  brindu)  (Wiede- 
mann,  Lit.  Präterit.  S.  56  und  S.  11)  hatten  diese  Verba  ursprünglich 
Nasalinfix.    Da  nun  die  Verba  auf  -sati  hauptsächlich  slav.  Deverbativa 
sind,  so  erhalten  wir  als  Grundform  ^brhnd-sati  (mit  verallgemeinertem 
Nasal).    Man  vergleiche  r.  rachätb  (Arch.  XXYIII,  7).    Für  ksl.  brhnie 
kann  ebensowohl  *brhd-n-  als  ^brhnd-n  angesetzt  werden.    Die  Be- 
deutungsidentität von  slov.  zabroditi  beschmutzen,  r.  v^brodith,  slov. 
zabrazdattj  zabrasati  erklärt  sich  also  aus  ursprfingUcher  Wurzelver- 
wandtschaft.   Ftlr  die  Durchfdbrung  des  Nasals  in  dieser  Sippe  scheint 
das  Slav.  auch  sonst  noch  Belege  zu  bieten :  klr.  nabrudnyty  schmutzig 
machen,  vybrudok  kotiger  Bodensatz,  c.  bruditi  beschmutzen  zeigen 
gegenüber  klr.  zbrid*,  zbrody  Schlamm,  Hefe,  r.  brodnica  Kot,  vybrodüh 
beschmutzen  ursprüngliches  q.    Poln.  bnid  wäre  dann  zu  beurteilen  wie 
smutny  etc.,  demnach  nicht  echt  polnisch.    Lit.  braid^ti,  Iterativ  zu 
bristi  waten,  welches  Verb  der  e-Reibe  angehört  (Wiedemann,  Lit.  Prät 
S.  9)  ist  eine  analogische  Bildung  nach  dem  altererbten  Ablaut  i :  ai 
(ebenda,  S.  48).  —  Verfehlt  wäre  es  hingegen,  slov.  brctsati,  r.  braz- 
däthsja  zwar  zu  broditi  zu  stellen,  es  aber  unter  Berufung  auf  r.  brd- 
iivath  aus  einer  Form  ^bröd-s--  herzuleiten.    Denn  gegen  eine  solche 
Form  würde  eben  das  Slov.  mit  seinen  Verben:  brasati^  brazdati  Ein- 
spruch erheben,    broditi  gehört  nämlich  keineswegs  zu  jenen  Verben 
(Typus  choditi),  die  von  dieser  Stufe  bereits  im  Urslav.  durch  Dehnung 
des  Stammvokals  Deverbativa  bilden ;  brdiivafh  ist  vielmehr  spezifisch 
russisch,  das  ja  derartige  Iterativa  mit  Vorliebe  bildet,  z.  B.  bdlivait : 


Ein  urslayisclieB  EntnaBalienrngsgesetz.  4 1 

Metb  (cf.  Miklosich,  Or.  4,  326).  Im  Slov.  aber  und  den  andern  slav. 
Spracheii  ist  ein  derartiges  Iterativ  von  broditi  unbekannt.  Man  wflrde 
also  bei  der  Herleitong  von  brasati  ans  *brdd-8  eine  erst  im  Sonder- 
lebea  des  Bnss.  entstandene  Form  znr  Erklämng  einer  Wortgmppe 
benlltKen,  die  nach  dem  Zeugnis  der  Tatsachen  bereits  in  nrslav.  Zeit 
binanfreielit. 

Eb  bleiben  noch  die  Fälle,  in  denen  ^-{■-  s,  z,  ch  vorliegt,  zn  be- 
spreehen,  vor  allem  Gruppe  I,  in  der  sl.  s,  z  sIb  k^  §  gedeutet  wurde. 
CharpentierB  Angriff  richtet  sich  in  erster  Linie  gegen  ksl.  ^^sth^  dessen 
s  er  auf  idg.  s  zurfiokftthren  will  (kf^-s-).    Daß  d^stb  in  seinem  8  k  ent- 
halte, lehrt  ausdrücklich  Pedersen,  KZ.  38,  387,  während  die  bei  Zn- 
pitza,  Gatt  1 08  zu  ksL  dqsth  —  und  ausschließlich  zu  diesem,  nicht  auch 
zn  den  lit  Formen,  angesetzte  Grundform  k^msto  — ,  nicht  besagen 
kann,  daß  es  sich  um  vorslav.  s  handelt.    Und  in  der  Tat  kann  die  An- 
sicht, daß  es  sich  bei  ö^stb  um  vorslav.  s  handelt,  einer  Prflfung  nicht 
standhalten.    Denn  es  heißt  lit.  nicht  bloß  kimsztaSj  kimszti^  sondern 
aaeh  kemszü^  kimszdinu^  femer  kamszä  Damm,  das  gleichfalls  zur 
Sippe  gehört  (Zupitza,  1.  c).  Somit  finden  wir  überall  lit.  sZj  nirgends  s. 
Geht  man  also,  wie  Charpentier  dies  will,  von  idg.  $  aus,  so  führt  dies 
zu  der  Annahme,  daß  in  der  lit.  Wortsippe  zwar  8  einmal  vorhanden  war, 
dann  aber  durchgehends  durch  sz  verdrängt  wurde,  was  natürlich  eine 
ganz  willkürliche  Fiktion  wäre.    Denn  in  solchem  Falle  müßte  ja  das  8z 
in  irgend  einer  Stellung  lautgesetzlich  aus  s  entstanden  und  dann  verall- 
gemeinert worden  sein,  u.  zw.  nicht  nur  im  Verbalsystem,  sondern  auch 
im  subst.  kamszä.    Welche  Stellung  will  man  aber  für  einen  solchen 
Wandel  s'^sz  verantwortlich  machen  ?  Etwa  mst  in  kiimztas  ?   Aber 
das  Lit  bietet  ja  grimsiü,  krimstus,  grufhstas^  dim8tt8j  dimsta^ 
amstiSf  drumsias^  lamstai  etc.  Oder  die  Stellung  m8  in  kemszüy  kamszä  ? 
Auch  in  dieser  Stellung  ist  s  erhalten,  denn  es  heißt  lit.  tamsä.    Die 
sonatigen  allgemeinen  Bedingungen  fUr  die  Entstehung  von  lit.  sz  aus 
idg.«  (Brugmann,  Gr.  P,  785  f.]  kommen  für  den  vorliegenden  Fall  nicht 
in  Betracht.   Somit  ist  lit.  sz  vollständig  eindeutig  bestimmt  (nämlich  als 
£*),  sl.  8  zweideutig.    Also  ist  es  das  einzig  Richtige,  das  eindeutige  lit. 
8z  zur  Deutung  des  zweideutigen  sl.  s  zu  verwenden,  verfehlt,  den  ent- 
gegengesetzten Weg  einzuschlagen.    Welchen  Wert  demnach  die  von 
Charpentier,  allerdings  ohne  jede  nähere  Begründung,  aufgestellte  Be- 
liauptung,  die  Grundform  *kfp'S'  für  S^stb  sei  »schlechthin  sicher«  hat, 
kann  nieht  zweifelhaft  sein.  —  Poln.  kl^snqö,  i.  klesnouti  wurde  Arch. 


42  Norbert  Joki, 

XXYin,  9  mit  lit.  klemsziöti  ungeschickt  gehen  verglichen,  eine  Zusam- 
menstellung, die  Miklosich,  E.W.  118  entnommen  nnd  schon  vor  Miklo- 
sichs  E.W.  von  Matzenaner,  Listy  fil.  8,  183  vertreten  wurde.    Char- 
pentier  bestreitet  die  Richtigkeit  dieser  Gleichung  und  stellt  die  slav. 
Verba  zu  lit.  klimpstü  in  den  Schlamm  sinken,  wobei  er  sie  auf  *klrgtps 
zurttckfahrt.    Zur  Entscheidung  dieser  Frage  wird  es  notwendig  sein, 
sich  die  Bedeutungen  der  slav.  Verba  in  möglichster  Vollständigkeit  sn 
verg^enwärtigen.  Im  Ö.  bedeutet  klesnouti  stolpern,  fehlen,  fallen,  ver- 
fallen, sinken.    Wie  man  sieht,  vereinigt  sich  die  Bedeutung  »stolpern« 
sehr  wohl  mit  lit.  klemsziöti  ungeschickt  gehen.    Daß  sich  weiterhin 
auch  die  Bedeutungen  »fallen,  sinken«  mit  der  Bedeutung  »ungeschickt 
gehen,  stolpern  c  vermitteln  lassen,  beweist  lt.  laboy  -äre  wanken,  dem 
Falle  nahe  sein  :  labor^  labi  verfallen.    Vollends  gesichert  wird  aber  die 
Vergleichung  mit  lit.  klemsziöti  durch  slov.  kleitrati  ungeschickt  gehen, 
das  also  mit  dem  lit.  Verb  synonym  ist.    Matzenauers  und  MiklosioliB 
Etymologie  von  klesnouti  ist  also  semasiologisch  und  lautlich  völlig  ein- 
wandfreL    Aber  selbst  wenn  man  die  tlbrigens  nur  fflr  die  Bedeutung 
»sinken«  passende  Etymologie  Oharpentiers  fdr  klesnouti  billigt,  so  folgt 
aus  lit.  klimpstü  noch  gar  nichts  fOr  die  von  ihm  angesetzte  slav.  Grund- 
form *kl7pp-S',    Denn  daß  die  lit.  Intransitivar-Inchoativa  einen  sichern 
Schluß  auch  auf  die  Lautstufe  der  wurzelverwandten  slav.  Inchoativa  zu- 
lassen, ist  gänzlich  unerweisbar.   So  entspricht  einem  lit.  ffestü  erlöschen 
ein  ksl.  gasnqti^  dem  lit.  ffehtü  gelb  werden  i,  ilutnouti  (^],  lit.  silpstu 
schwach  werden  (.  släbnouti  u.s.w.  Gegen  die  übrigen  in  dieser  Gruppe 
angeführten  Beispiele  bringt  Charpentier  nichts  Wesentliches  vor  ^).   Die 


i)  Zu  vfzati,  für  das  Arch.XXVüI,  9  unter  Berufung  auf  Walde,  KZ.  34, 
518  eine  Grundform  *ymg  angesetzt  wurde,  macht  Charpentier  die  Anmerkung, 
es  finde  sich  an  der  zit  Stelle  nicht  die  »wunderliche«  Kombination  (mit  ly^ 
yvs\  sondern  eine  andere  und  bessere.  Allein  das  Zitat  aus  Waldes  Auf- 
satz wurde  eben  ausschließlich  zur  Erhärtung  einer  Grundform  mit  §  —  denn 
auf  die  Natur  des  z  kam  es  ja  an  —  herangezogen,  und  diese  Grundform  findet 
sich  a.a.O.  auch  tatsächlich.  Daß  das  Zitat  nur  diesen  Sinn  hat,  lehrt  übrigens 
sein  Wortlaut  ebenso  wie  der  Gegenstand  des  Beweisthemas.  Die  Charpentier 
so  »wunderliche  scheinende  Kombination  mit  lyyvg  steht  bei  Vondr&k,  Ksl. 
Gr.  S.  71.  —  Im  Lt.  E.W.  (S.  30)  vergleicht  Walde  (nach  Miklosich,  E.W.  S.56) 
vfzaii  mit  \i.ango^  gr.  ayyta^  was  von  Vondri^k,  Ksl.  Gr.  S.  71  abgelehnt  wurde. 
Ähnlich  wie  Walde  im  EW.  auch  Meillet,  MSL.  8,  236  (Kontamination  von 
*^zaii  und  *vzzati).  Wie  immer  man  sich  zu  v^zati  stellt,  stets  ist  darin  z  =  ^, 
nnd  das  ist  entscheidend.  —  Verzeichnet  sei  noch  die  Ansicht  Brandts  (Russk. 


Em  unlayiflches  Entnasalieniii^sgesetz.  43 

«Bgebliehea  Anaiuihmen  vom  Entnasalienmgsgesetz,  die  Charpentier  in 
dieser  Orappe  sich  zn  finden  bemflht  hat  nnd  auf  die  er,  nach  seiner 
Mihißbemerkiing  zu  schließen,  besonderes  Gewicht  legt,  erwiesen  sich 
also  bei  näherer  Prflfnng  als  nicht  vorhanden. 

Nicht  anders  steht  es  in  der  Qmppe^  in  der  ^  vor  «,  z,  ch  als  an,  em 
gedeutet  wurde.  Ob  ksl.  mqso  ^,  wie  dies  Aroh.  XXYIU,  1 1  nach  Yon- 
drik,  Ksl.  Or.  8.  72  angenommen  wurde,  oder  en,  wie  es  fflr  Charpentier 
»wahrBcheinlieh«  ist,  enth&lt,  ist  fOr  das  in  Rede  stehende  Thema  irrele- 
▼ait.  Der  sachUchen  Bichtigkeit  und  Vollständigkeit  halber  sei  nur  be- 
mrakty  daß  sich  die  Frage  gar  nicht  mit  Sicherheit  entscheiden  Iftßt. 
Denn  spricht  flBr  en  das  von  Charpentier  angeftlhrte  ai.  mqsamj  so  läßt 
akh  für  ^  -H  Nasal  got.  tnimzj  alb.  mü  <[  *mem8o  (Brugmann,  Or.^,  I, 
365)  anftlhren.  —  Fflr  tr^q  ist  Charpentier  eine  Grundform  trip-8- 
» wahrscheinlich«,  eine  Wahrscheinlichkeit,  die  man  ihm  wohl  aufs  Wort 
f^anben  muß,  da  er  auch  nicht  einmal  versucht,  sie  zu  begrflnden.  In 
Wahrheit  spricht  fDr  *trefns-  als  Kontamination  ^)  von  trem-  und  ires- 
(so  Pensen,  Wurzelerwdter.  8.  153,  Walde,  LtE.W.  625)  lt.  tremo,  gr. 
tQifiOf  und  TQi(a)iOy  ai.  trasati^  as.  tkrimma.  Die  8tufe  irtp^-  liegt 
gWy,hfi^fi  vor,  u.  zw.  in  sirasit.  —  Fflr  pl^aii  wird  ursprüngliches  e 
—  und  nur  darauf  kommt  es  hier  an  —  durch  das  gleichbedeutende 
pleuUi  plandere,  saltare  gesichert  Gr.  TtXarayifi  klatschen  will  Char- 
pentier wegen  des  gleichbedeutenden  TtArayog  fernhalten.  Allein  Ttdza^ 
yog  ist  nur  der  Bildung  nach  mit  TtXaTayTfj  gleich  (und  nur  von  Bil- 
dung^eichheit  ist  bei  Prellwitz,  E.W.  d.  gr.  Spr.^  an  der  von  Charpen- 
tier zitierten  8telle  8.  373  die  Rede],  im  übrigen  eine  onomatopoetische 
Bfldung  (ebenda,  8.  354),  was  natürlich  nicht  hindert,  daß  TtkaTayiij 
aach  eine  ist.  Was  also  das  Nebeneinander  von  Ttürayog  und  Tvlatay^ 
gegen  den  e-Vokal  von  plqsati  beweisen  soll,  ist  nicht  einzusehen. 

Die  Bemerkungen  Charpentiers  flber  die  Darstellung  der  8ippe  von 
r.  drjiizffh  u.s.w.  betreffen  nicht  das  Hauptthema,  sondern  sind  periphe- 
rischer Natur.  Dennoch  sei  der  Vollständigkeit  wegen  auf  sie  einge- 
giogen.  Hier  findet  Charpentier  die  Erklärung  von  ksl.  vilvh  ramus, 
welcheB  Wort  als  semasiologische  Parallele  herangezogen  wurde,  zu  be- 


£Lv6stn.  22, 116),  der  sich  für  Verknüpfung  mit  got  windan  entscheidet  z  sei 
saeh  qxa  eingedrungen.  Nach  dieser  Ansicht  hätte  das  Wort  bei  Erörterung 
miserer  Frage  überhaupt  auszuscheiden. 

<)  Cf.  Brugmann,  Gr.S  H,  1004, 1026,  der  neben  dieser  Erklärung  auch 
(r-^^  mit  Nasalinfix  für  mOglich  hält  Auch  in  diesem  Falle  ist  fs  »  ens. 


44  Norbert  Jokl, 

m&ngeln.    Für  ihn  ist  Zusammenhang  mit  *i^et-,  *fft-  zwei  ganz   un- 
zweifelhaft. Viel  weniger  unzweifelhaft  ist  aber  diese  Zasammenstellnn^ 
für  Walde  (Lt.E.W.  s.  v.  mginti  nnd  mrga)  nnd  für  Uhlenbeck,  E.W.  der 
ai.  Spr.  8.  272.    Übrigens  IftBt  sich  sogar  das  Gfegenteil,  nämlich   die 
Nicht-Zugehörigkeit  zn  ^eir^  ^i"  sehr  wahrscheinlich  machen.    Denn  die 
snbstant.  mit  BoS.^tvh  sind,  wie  die  Sammlung  bei  Miklosich,  Or.  EL,  1 82 
lehrt,  durchwegs  yon  Verben  abgeleitete  nomina  actionis  und  es  gibt 
keinen  Grund,  warum  ksl.  vitvhj  l.  vitev  anders  zu  beurteilen  sein  sollte 
als  i.  pletev  Zaunrute  (:  plesti),  slov.  obutev  calcei  (:  obuii),  britev  no- 
yacula  (:  briti),  ietev  messis  {}ieti)  u.s.w.    Ist  also  an  dem  verbalen  Ur- 
sprung von  nStvh  ramus  festzuhalten,  so  könnte  es  andererseits  zweifelhaft 
sein,  welchem  Verb  das  Wort  zuzuweisen  ist.   Zugehörigkeit  zu  ai.  vayati 
flicht,  ksl.  viti  circumvolvere  findet  sich  bei  Uhlenbeck  (E.W.  d.  ai.  Spr. 
272)  und  Erusevskij  (Russ.  fil.  v^stn.  5, 92),  Zugehörigkeit  zu  ksL  vSjattj 
i.  viti^  väti  wehen,  die  Arch.  XXVm,  1 1  angenommen  wurde,  jetzt  bei 
Vondräk,  VergLsl.  Gr.  1,399,  wo  als  weitere  Parallele  s.-kr.Avq/a  Zweig 
U.S.W. :  böhm.  chvSti,  chviti  wallen,  erzittern  angeführt  wird.    Man  vgl. 
noch  frz.  brandons  grflne  Beiser  :  brandir  schwingen.    Daß  vitvh  — 
und  nur  von  diesem  war  Arch.  XXVm,  11  die  Rede  —  ein  gleichbe- 
deutendes vSja  neben  sich  hat,  spricht  natürlich  nicht  für  die  Ableitung 
beider  von  ^et-,  ^i^'  zwei  (wiewohl  Charpentier  diesen  Grund  fttr  dnrch- 
schlagend  zu  halten  scheint).    Denn  ist  vStvh,  wie  gezeigt,  an  einen 
Verbalstamm  anzuknüpfen,  so  ist  es  andererseits  möglich,  dies  auch  für 
vSJa  zu  tun;  so  jetzt  auch  tatsächlich  Vondräk,  1.  c. 

Gegenüber  der  Archiv  XXVni,  11,  12  gegebenen  Erklärung  von 
ksl.  drqchh  morosus,  tristis,  languidus,  klr.  drjdchlyj  zitternd,  ksl.  c&*f- 
seh^  dr^shkb  beruft  sich  Charpentier  auf  Osthoff,  Etym.  Parerga  I,  163 
Anm.,  der  diese  Wörter  zu  lt.  tristis  stellt,  setzt  somit  eine  Grundform 
*drtns(e)l-  (t-Reihe)  an.  Allein  bei  dieser  Etymologie  bleibt  das  gleich- 
bedeutende ar.  druchh  yöllig  unerklärt,  ja  unerklärlich.  Femer  erheben 
sich  gegen  sie  die  gleichen  Einwendungen  wie  die  Arch.  1.  c.  gegen  die 
Zusammenstellung  mit  d-qaaig  geltend  gemachten.  Man  begreift  erstens 
in  lautlicher  Hinsicht  gar  nicht,  warum  die  Gruppe  nsl  einmal  ihr  s  be- 
hielt, das  andere  mal  in  ch  übergehen  läßt,  begreift  femer  nicht  das 
morphologische  Verhältnis  von  drqseh^  drqchh  zu  drqen>kb,  —  Die  bd 
den  bisherigen  Erklärungen  bestehende  lautliche  Schwierigkeit,  drqchh 
und  drqseh  zu  vereinigen,  sah  auch  Meillet,  £tud.  s.T^tym.  11,412,  und 
suchte  sie  dadurch  zu  beseitigen,  daß  er  für  drqseh  eine  Grundform 


Ein  nrslaTiBcbes  Entnasaiienrngsgesetz.  45 

*dr^Aoh  anziuetzen  versnchte,  welche  Form  dann  nach  Bandonins  Ge- 
sete  za  dr^eh  geworden  wäre.  Doch  ergibt  sich  hierbei  die  nene 
Schwier^keit^  daß  snff.  -^/o-  sonst  nicht  nachweisbar  ist,  was  übrigens 
Mdllet  aelbst  hervorhebt.  Alle  diese  Schwierigkeiten  schwinden  bei  ver- 
baler Ableitong  (an  r.  drjagdtb  zncken).  Unrichtig  ist  die  Behauptung 
GiaipentierSy  daß  lit.  drugys  Fieber  mit  der  nasallosen  Form  von  sl. 
dreng^^  also  r.  drognuih  zittern,  5.  drhati  beben  lautlich  nicht  zu  ver- 
einbaren sei.  Die  Fälle,  wo  der  reduzierte  Vokal  im  Lit.  durch  u  ver- 
treten ist,  sind  vielmehr  bekannt  und  zahlreich  genug  (Jagi6,  Arch.  X,  1 94, 
Wiedemann,  Lit  Präterit.  8.  12  f.,  Handbuch  der  lit.  Spr.  S.  11).  Die 
ZnammmenBiellung  von  lit.  drugya  und  r.  drognuih  u.s.w.  findet  sich 
dernn  auch  bei  Fick  I^,  468,  Gebauer,  Hist.  mluvn.  I,  63,  Zupitza,  Gutt. 
169.  Semasiologisch  ist  sie  der  Verbindung  von  drugys  mit  anord. 
draugr  Gespenst,  Wehrwolf  (so  zuerst  Zubat^,  BB.  17,  324),  wie  man 
irobl  zugeben  wird,  vorzuziehen.  Ganz  anders  als  Zubat^  urteilen  über 
anord.  draugr  Kluge,  E.W.«,  s.  v.  Tnig,  Fick  I^  75,  ühlenbeck,  E.W. 
d.  «L  8pr.  8.  ▼.  dhruk. 

Daß  ksL  chrqsthkb  cartilago  zwar  zu  lit.  kremsU  Knorpel  gehören 
aofl,  wie  dies  auch  Oharpenlier  zugibt,  trotzdem  aber  und  trotz  &.,  r. 
chnuÜ^)  Knorpel  nicht  ursprüngliches  ß,  sondern  fgk  enthalten,  ist  natfir- 
fieli  imerweisbar. 

Für  welche  von  den  beiden  Arch.  XXVIII,  14  für  br^zdatij  br^znqti 

aonsre  angeführten  ErklärungsmOglichkeiten  man  sich  entscheidet,  ist 

für  die  Frage  des  §  vor  s,  z  unentscheidend;  bei  beiden  ergibt  sich  ur- 

spvHiigficbes  ein  ^^).  Wenn  aber  Charpentier  gegen  die  Verbindung  der 

genannton  sL  Verba  mit  Itfremerej  gr.  ßQifjiWy  ahd.  bräman,  p.  brzmiec 

geltend  machen  zu  können  glaubt,  daß  It  mr  ^  ir,  nicht  fr  wird,  so  ist 

dnfaeh  zu  erwidern,  daß  ein  solcher  lat.  Lautwandel  bei  dieser  Zusam- 

menstellnng  (die  der  von  Walde,  Li  E.W.  8.  244  angefahrten  zweiten 

Mögliebkeit  entspricht),  Oberhaupt  nicht  in  Betracht  kommt.  —  Hingegen 

kat  Nehiing,  IF.  4,  400  hrqzdati  mit  lett.  brüsu  verglichen,  was  fttr  das 

dav.  Verbnm  eine  dazu  im  Ablautverhältnis  stehende  Grundform  mit  e 

ergibt,  somit  *brenzdatu    Gestützt  wird  diese  Erklärung,  wie  bei  dieser 

Gelegenheit  bemerkt  sei,  durch  p.  brazg  8chall.  S.-kr.jSzgra  Kern  wurde 


1)  Die  Vergleichung  von  br^idati  mit  lit  brizdSti  riihrt  nicht  von  Nehring, 
wie  es  Arch.  XXViii,  14  infolge  eines  sehr  bedauerlichen  Versehens  heißt, 
Mmdeni  von  Walde  (KZ.  34, 509)  her. 


46  Norbert  Jokl, 

Arch.  XXVin,  15  za  JsBhj^dro  idem  gestellt,  das  Uhlenbeck,  B.W.  der  al. 
Spr.  8.  5  und  Thnmb,  Handbuch  des  Sanskrit  S.  91  mit  ai.  antfam  ver- 
gleichen. Charpentier  will  hingegen  (mit  Lid^n,  Stadien  zur  ai.  und  Ver^ 
Sprachgesoh.  S.  56  u.  S2)j^dro  mit  ai.  ddrt"  Stein  verbinden,  somit  so- 
wohl ffirj^dro  als  ttlrjezffra  eine  Grundform  ^cf-  ansetzen.  Eine  Instanz 
gegen  die  ursl.  Entnasalierung  vor  z  ist  aber  auch  dann  nicht  gegeben, 
wenn  man  diese  Etymologie  annimmt.  Denn  es  wäre  ein  Irrtum,  zn 
glauben,  daß  jizgra  eindeutig  eine  Vorstufe  *jqzgra  <^  ^d-zffra  reflek- 
tiere, somit  gegen  die  Entnasalierung  des  Beflexes  von  ^  vor  z  etwas  be- 
weise. Vielmehr  kann  das  s.*kr.  Wort  sehr  wohl  auch  auf  ein  ursL 
*jazffra  (die  dann  mit  Entnasalierung  aus  ^-zgra)  weisen.  Denn  wie 
Pedersen,  EZ.  38,  312  durch  zahlreiche  Beispiele  dargetan  hat,  wechselt 
im  slav.  Anlaut /a,  gleichviel  welchen  Ursprungs,  mity^.  Man  vgl.  z.  B. 
^.'kr,jlisti^jSm  und  kAhjasti  essen,  B.-la.jdzditi  fahren  und  jachatij 
kfH,jazdüi^jachati^  ksl.,  x,jadh  Qift  und  s.-kr./ife/  Gilt, /Sc/  Kummer, 
slov.  jed  U.S.W.  —  Nachzutragen  ist  die  Deutung,  die  Brandt,  Bussk.  fiL 
vistn.  22, 133,  dem  ^.-Yx.jezgra  gegeben  hat.  Er  verknüpft  dieses  Wort 
(jedoch  nicht  y^pefro)  mit  ai.  ar^dam^  dessen  Zerebrallaute  auf  *enzdo-' 
(oder  *onzd(h)  weisen.  Dem  entspreche  das  s.-kr.  Wort,  das  über  *j^z^ 
gra  aus  *endzghra  entstanden  sei.  Auch  diese  Etymologie  stimmt  zn 
der  Ansicht,  daß  ^z  aus  enz  entstanden  sei.  —  Man  vergl.  voLj^zgra^ 
j'qdro  jetzt  Iljinskij,  Arch.  XXVIU,  453. 

Zu  ksl.  pqstb  bemerkt  Charpentier  sehr  apodiktisch,  daß  das  zum 
Vergleich  herangezogene  ai.  panktis  nicht  auch  auf  *penkst%s  zurück- 
gehen könne,  wie  dies  Arch.  XXVIU,  15  nach  Saussure,  MSL.  7,  93 
alternativ  angesetzt  wurde.  Diese  Behauptung  Charpentiers  ist  zwar  für 
die  historische  Grammatik  des  Altindischen  völlig  neu,  aber  auch  völlig 
unrichtig.  Die  bei  Bmgmann,  Gr.',  I,  S.  733,  734  zahlreich  angeftlhrten 
Beispiele  erweisen  ai.  Ausdr&ngung  von  s  und  i  zwischen  Verschloß- 
lauten.  Diese  Ausdrängung  trat  ausnahmslos  ein.  —  Die  Verwandtschaft 
der  Begriffe  »fünf«  und  »Faust«  wurde  von  Saussure,  1.  c.  hervorgehoben 
und  ist  kulturgeschichtlich  einleuchtend.  Die  Identität  von  sL  panktis  <^ 
penktis  mit  ksl.  p^ih  —  die  übrigens  nie  bestritten  wurde  —  besagt 
natürlich  nichts  gegen  ein  *penkstis  als  Vorstufe  von  p^sib.  Was  im 
Slav.  geschieden  blieb,  konnte  im  Ai.  eben  infolge  des  erwfthnten  Laut- 
gesetzes zusammenfließen. 

Daß  die  Infinitive  tr^sti^  pr^ti  nicht  die  Tiefstufe  darstellen,  wurde 
Arch.  XXVni,  16  nicht  behauptet.    Im  Verbalsystem  und  daher  unter 


Ein  mslayisches  EntnasalieningsgeBetz.  47 

QyBtemzvang  stehende  Formen  yermögen  aber  nichts  gegen  einen  Lant- 
wandel  zu  beweisen.  —  Anch  in  dieser  Orappe  hat  also  Charpentier 
keinen  einzigen  Fall  nachgewiesen,  wo  ^  -1'  ^)  ^  aIs  sl.  ^s,  ^z  erscheint. 

Was  nun  die  Fassung  des  Gesetzes  angeht,  so  ergibt  die  Rekapitn- 
lation:  1)  Von  den  Fällen,  wo  die  Lantfolge  sl.  ^,  ^z,  qch  vorliegt,  wider- 
streitet kein  einziger  der  Analyse  ensj  enZj  ench,  bezw.  Nasalyokal  -j-  k,  §. 
2)  Yon  den  Fällen  der  ein  a  enthaltenden  Wörter,  die  Sippenyerwandte 
mit  Nasalvokal  znr  Seite  haben  und  der  ^•o-Reihe  angehören,  wider- 
streitet keiner  der  Annahme  des  ursprflnglichen  Tiefstafenvokalismos. 
S)  T.  nardzma^  suräzica  stehen  neben  ksL  r^d^,  das  sicher  auf  nrsl. 
^rtnd-  weist.  Bnss.  aovrdsyj  geht  auf  *vorpr8-j  *vortn8-  zurttck. 
4}  Worden  einige  FÜle  namhaft  gemacht,  in  denen  dem  ach-j  az-  sl. 
ftü-cA,  Wh<i  zugrunde  liegt.  Hier  ist  zwar  sl.  hn  aus  vorsl.  in  hervorge- 
gangen,  nicht  aber  hnz(ch)  aus  vorsl.  inz[ch)j  da  diese  Lautfolge  nicht 
ans  proethnischer  Zeit  ererbt  ist,  es  sich  vielmehr  um  slav.  Weiterbil- 
dnngeQ  handelt.  Nun  ist  auch  die  Tiefstufe  der  einen  Vokal  •+'  Nasal 
enthaltenden  Wörter  im  Slav.  tn^  hm.  Und  da  die  unter  2)  zusammen- 
gefaßten F&Ile  zum  gleichen  Ergebnis  fOhren  wie  die  unter  3)  und  4) 
ehankterisierten,  so  wird  das  vorhin  für  2)  nur  negativ  Fixierte  auch 
podtiv  fixiert,  d.  h.  aus  dem  gleichen  Ergebnis  der  FäUe  2),  3),  4)  folgt 
Uar,  daß  auch  in  2)  ^  (welches  nach  der  besonderen  Lage  dieser  Gruppe 
nur  ^  s^  kann)  zugrunde  liegt  In  sl.  hn  coincidieren  also  alle  Fälle  der 
Ent&asafierung  und  daraus  ergibt  sich  die  Bichtigkeit  der  Arch.  XXYIII, 
16  gegebenen  Fassung  des  Gesetzes.  —  Für  eine  solche  Entnasalierung 
worden  a.a.O.  Parallelen  aus  verwandten  Sprachen  angeführt.  In  diesen 
trat  sie  nach  vorhergehender  Ersatzdehnung  ein.  Wegen  der  Länge  des 
slav.  a  ist  es  durchaus  begründet,  eine  solche  Ersatzdehnung  auch  fürs 
Slav.  anznnehmen.  (Dies  wurde  Arch.  XXYm,  16  zwar  nicht  ausdrflck- 
fieh  hervorgehoben,  ergab  sich  aber  aus  den  angeführten  parallelen  Yor- 
giQgen  der  verwandten  Sprachen  und  sei  hiermit  auch  expressis  verbis 
fainzugefUgt).  Notwendig  ist  jedoch  eine  solche  Annahme  nur  dort,  wo 
£e  zognindeliegenden,  einen  Nasal  enthaltenden  Formen  ftir  die  Erklä- 
nmg  der  Länge  keinen  Anhalt  bieten.  Doch  wird  eme  schon  den  For- 
nen  mit  Nasal  eignende  Länge  für  zahlreiche  der  angeführten  Gruppen 
durch  die  modernen  slav.  Sprachen  bezeugt  (cf.  Miklosich,  Lange  Yok. 
51  £,  Yondräk,  BB.  29,  216,  Yergl.  Gr.  I,  335  ff.),  u.  zw.:  slov.  bUsti 
(Pfetersnik),  s.-kr.  gVidati^  iSit-iänjem,  kritatij  slov.  m^ti-mänemj  wk, 
pietij  8.-kr.  rSrf,  zapreöi,  iresti^  wk^^iett^  s.-kr.  fiti-imSm  (Yuk),  pUmSty 


48  Norbert  JoU, 

a5.  (ieti.  In  diesen  Fällen  kann  also  bereits  langer  Nasalvokal,  hervor- 
gegangen ans  fp,  ^f  hf^j  h^j  zugrunde  gelegt  werden.  Das  Resultat  des 
EntnasalierungSYorganges  von  BLhns  u.8.w.  ist  as.  Dieses  Resultat  ist  von 
ens  verschieden.  Die  Natur  des  durch  h  bezeichneten  Lautes  ist  nicht 
näher  bekannt.  Den  Zusammenhang  zwischen  hns  und  o«  lehrt  die  Er- 
fahrung, d.  h.  die  angefahrten  Etymologien,  die  nicht  widerlegt  wurden. 
Es  ist  somit  durchaus  berechtigt,  aus  dem  Resultat  auf  den  vorhergehen- 
den Zustand,  d.  h.  die  Natur  des  t>  zu  schließen.  Dies  und  nichts  an- 
deres geschah.  Da  nun  1)  des  Resultat  ein  velarer  Vokal  ist,  da  2)  em- 
pirisch, nämlich  durch  eine  andere,  Entnasalierungsvorgänge  aufweisende 
Sprache,  die  französische,  feststeht,  daß  velare  Vokale  derEntnasalierung 
leichter  unterliegen  als  palatale,  isL  3)  e  +  ns  auch  im  Slav.  nicht  ent- 
nasaliert wird,  da  4)  dieser  Unterschied  in  der  Behandlung  der  pala- 
talen  und  volaren  Vokale  lautphysiologisch  erklärlich  ist,  so  wurde  Arch. 
XXVin,  16  der  Schluß  gezogen,  daß  in  hns  ein  velarerer  Vokal  steckte 
als  in  em ;  ein  Ergebnis,  das  somit  logisch  und  empirisch  vollständig  fun- 
diert ist.  —  Dieses  die  Horizontallage  der  Artikulationsstelle  des  h  in  hns 
relativ,  nämlich  im  Vergleich  zu  enSj  feststellende  Ergebnis  ist  mit  andern 
aus  der  Sprachgeschichte  etwa  erschließbaren  Merkmalen  des  h  phone- 
tisch sehr  wohl  zu  vereinigen.  —  Der  Zusammenfall  von  en  und  hn  in 
6inen  Nasalvokal  fällt  in  spätere  Zeit.  —  Jene  Fälle,  in  denen  nach 
der  Lehre  Meillets,  Pedersens,  Vondräks  für  die  Vertretung  der  Nas. 
son.  bereits  ftlr  das  ürsL  das  nasale  Element  fehlt  (^to,  hghkh),  werden 
durch  die  hier  behandelte  Erscheinung  natürlich  nicht  berührt.  Denn 
diese  setzt  schon  wegen  der  Ersatzdehnung  und  des  alleinigen  Auf- 
tretens vor  Spiranten  den  Bestand  des  nasalen  Elementes  für  das  ürslav. 
voraus,  bezieht  sich  also  nur  auf  solche  Fälle,  wo  der  Reflex  von  ^,  ^ 
im  Urslav.  noch  den  Nasal  hatte.  — 

Gharpentier  wendet  ein,  daß  Ersatzdehnung  nur  die  Quantität,  nicht 
aber  die  Qualität  des  Vokals  alterieren  könne,  und  daß  darum  aus  tns 
nicht  as  geworden  sein  könne.  Zwar  meint  er  selbst,  daß  wir  über  die 
Aussprache  des  t»  nichts  wissen.  Und  darin  verdient  er  in  der  Tat  volle 
Zustimmung.  Was  aber  ist  es  anderes  als  eine  —  nicht  etwa  aus  Tat- 
sachen geschöpfte,  sondern  a  priori  fixierte  —  Ansicht  über  diese  unbe- 
kannte Aussprache  des  ^,  wenn  er  die  Möglichkeit  des  Obergangs  von  hns 
in  as  (nach  eingetretener  Ersatzdehnung)  leugnet?  Mit  anderen  Worten: 
Charpentier  erklärt,  über  die  Aussprache  des  hns  nichts  zu  wissen;  auf 
keinen  Fall  könne  aber  hns  zaas  geworden  sein.   Das  weiß  er  also  doch. 


Ein  nnlaviBches  EntnasalienuigsgeBetK.  49 

Wie  num  sieht,  der  krasse  Apriorismus  gepaart  mit  dem  logisohen  Wider- 
sprach. Kicht  a  priori  ist  in  Wahrheit  etwas  über  die  Nator  des  h  zu 
ermitteln,  sondern  a  posteriori,  mit  Hilfe  unzweifelhafter  sprachlicher 
Tatsachen.  Gharpentier  aber  verfUirt  anders:  Erst  stellt  er  a  priori 
irgend  eine  Ansicht  anf,  nicht  ohne  sich  dabei,  wie  gezeigt,  in  einen 
iogisehen  Widersprach  za  verwickeln;  dann  sacht  er  sich  die  anbe- 
quemen Tatsachen  hierza  zorechtzamachen.  Nor  so  vermag  man  sich 
das  vergebliche  Leognen  ganz  offenkondiger  semasiologischer  Zasammen- 
hftnge  (iasiti  ziehen,  lit.  t^sis  Zag),  nar  so  die  Unterdrflckong  einer  als 
beweiakrftftig  zagegebenen  Etymologie  wie  hasdk  Sense  :  i^ii  mähen  im 
Sehloßresom^,  nar  so  die  völlige  Ignorienmg  eines  so  zwingenden  Falles 
wie  hasiroi  Seheache  :  ienq  jagen,  scheachen,  nar  so  die  wiederholten 
Konstroktionen  ad  hoc  za  erklären.  —  Immer  aber  maß  Charpentler  als 
baren  Zafall  eine  laatliche  Altemation  betrachten,  die  in  zahlreichen, 
semasiologiseh  vereinbaren  Wortgrappen  anter  stets  gleichen  Bedingangen 
aoffaretend,  zu  stets  gleichem  Ergebnis  führt.  Eine  solche  Altemation  ist 
in  Wahrheit  nicht  Zafaü,  sie  ist  ein  Lautgesetz.  — 

Wien.  Norbert  Jokl. 


PiOBper  Mörimöe's  Mystifikation  kroatischer  Volkslieder. 

Von  T.  Matiö. 


(Schloß.)*) 

Sehr  viele  von  den  Gedichten  M6rim6es  behandeln  die  Yampirsage. 
Um  dem  französischen  Leser  das  Verständnis  za  erleichtem,  schrieb 
M€rim^  anter  dem  Titel  Sur  le  vampirisme  eine  14  Seiten  (222 — 236) 
omfasaende  Einleitang  za  den  betreffenden  Qedichten  and  schaltete  sie 
zwischen  den  Balladen  Le  combat  de  Zenitza-Velika  and  La  belle 
Sophie  ein.  Der  Vampir  werde,  nach  M^rim^e,  im  Dlyrischen  vudkodlak 
genannt,  mit  welchem  Namen  man  einen  Toten  bezeichne,  der  in  der 
Begei  znr  Nachtzeit  seinem  Qrabe  entsteige  and  Menschen  plage.  Oft 
saoge  er  ihnen  Blat  am  Halse  oder  packe  sie  an  der  Kehle  so  stark,  daß 


♦)  Yeigi  Archiv  XXVm,  S.  321—350. 

Aichiv  Ar  0]»TiflGli«  Pkilologi«.   TTTT. 


50  T.  Matiö, 

er  sie  beinahe  erwflrge.  Wer  yon  einem  Vampir  yerfolgt  und  geplagt 
sterben  BoUtei  werde  seinerseits  anch  zn  einem  Vampir.  Die  einen  glanben, 
daß  das  Vampirwerden  eine  Strafe  Gottes  sei,  die  anderen  wieder,  daß 
es  das  Sehioksal  mit  sich  bringe,  doch  die  am  meisten  verbreitete  Ansicht 
sei,  daß  die  in  der  eingesegneten  Erde  begrabenen  Schismatiker  und  Ex-, 
kommunizierten  dort  keine  Rnhe  finden  könnten  und  sich  deswegen  an 
den  Lebenden  rächen  wollten.  Die  Anzeichen  des  Vampirismns  seien: 
die  Leiche  könne  im  Orabe  nicht  verwesen,  das  Blut  bleibe  rot  nnd  flflssig, 
die  Eörpeiglieder  behielten  ihre  Beweglichkeit,  die  Augen  seien  auf- 
gemacht, die  Nagel  und  die  Haare  wüchsen  und  manchmal  höre  man  aus 
dem  Grabe  eines  solchen  Vampirs  ein  Geräusch,  welches  daher  konmie,  daß 
der  Tote  im  Grabe  die  Erde  und  alles  um  sich,  oft  auch  das  eigene  Fleisch 
fresse.  AU  das  erfolgreichste  Mittel  gegen  die  Verfolgungen  der  Vampire 
empfehle  man,  den  Toten  zu  enthaupten  und  dann  zu  verbrennen.  Wenn 
der  Vampir  jemanden  schon  am  Halse  gebissen  und  Blut  gesogen  haben 
sollte,  dann  sei  es  am  besten,  den  ganzen  Körper  und  insbesondere  die 
Wunde  mit  der  Mischung  des  Blutes  des  Vampirs  nnd  der  Erde  aus  seinem 
Grabe  zu  reiben.  —  Nach*  diesen  allgemeinen  Angaben  folgen  nun  bei 
M^rim6e  »quelques  histoires  de  vampires  rapport^es  par  Dom  Calmet 
dans  son  Tratte  9ur  les  appariiions  des  esprtis  et  sur  les  vampires  o^ 
(p.  221).  Um  auch  seinerseits  zu  diesen  haarsträubenden  Geschichten  bei- 
zusteuern, erzählt  unser  Dichter  eine  recht  sonderbare  Geschichte,  die  er 
in  Varboska  bei  Vorgoraz  selbst  erlebt  haben  soll.  Ein  junges  Mädchen 
namens  Ehava  sei  in  der  Nacht  von  einem  Vampir  am  Halse  gebissen 
worden;  alle  angewendeten  Mittel  hätten  nichts  geholfen:  umsonst  habe 
man  den  Eöiper  des  Vampirs  verbrannt  und  mit  dem  Blute  aus  seinem 
Sarge  den  Hals  Ehavas  gerieben,  umsonst  ihr  um  den  Hals  Amuletten 
gehängt.  M^rim^e  habe  sich  nun  selbst  als  Erankenwärter  angeboten, 
in  der  Hoffnung,  daß  die  Eranke  am  sichersten  genesen  würde,  wenn  sie 
von  ihrer  fixen  Idee  geheilt  werden  könnte.  Er  habe  sich  —  fährt  er 
fort  —  so  gestellt,  wie  wenn  er  ihren  Glauben  an  die  Verfolgungen  der 
Vampire  teilen  würde,  und  dem  Mädchen  versprochen,  durch  seine  Zauber- 
künste ihrem  Übel  abzuhelfen.  Er  habe  den  Hals  des  Mädchens  mit  den 
Fingern  stark  gerieben,  dabei  Verse  Racines,  die  er  auswendig  konnte, 
gesprochen  und  endlich  dem  Mädchen  einen  kleinen  Achatstein,  den  er 
zwischen  seinen  Fingern  versteckt  hatte,  gezeigt,  indem  er  ihr  versicherte, 
daß  er  dieses  Ding  aus  ihrem  Halse  herausgenommen  und  sie  dadurch 
gerettet  habe.    Die  Eranke  habe  ihm  aber  ganz  traurig  erwidert:  »Tu 


ProBper  Mdrim^'s  Mystifikation  kroat  Volkslieder.  5 1 

me  trompes;  ta  avais  oette  pierre  dkns  nne  petite  botte^  je  te  l'ai  vue.  Tu 
n^es  pas  un  magicien.  c  Knrz  nachher  sei  Ehava  ihrem  Leiden  unterlegen. 
Oegenüber  dieser  umfangreichen  Einleitung  über  die  Vampire  finden 
wir  In  Fortis  Viaggio  darfiber  nnr  einige  Zeilen:  »Credono  anche  verissima 
reaistenza  dei  Vampiri;  e  loro  attribniscono,  come  in  Transilvaniai  il  8a&- 
ehiamento  del  sangne  dei  fancinlli.  Aller  che  mnore  nn  nemo  sospetto  di 
poter  divenire  Vampiro,  0  Vnkodlak,  com'  essi  dicono,  nsano  di  taglairli 
i  gaietti,  e  pnngerlo  tntto  coUe  spille,  pretendendo  che  dopo  queste  dne 
operazioni  egli  non  possa  piü  andar  girando.  Accade  talvolta,  che  prima 
di  morire  qnalche  Morlacco  preghi  gli  Eredi  suoi,  e  gli  obblighi  a  trattarlo 
eome  Vampire,  prima  che  sia  posto  in  sepoltora  il  sno  cadavere,  preve- 
dendo  di  dover  avere  gran  sete  di  sangne  fancinllescoa^).  M^rim^e  hatte 
nun  Aber  diesen  Gegenstand  andere  Quellen,  die  er  in  seinen  Balladen 
bentttzte.  Es  gelang  mir,  das  von  ihm  erwähnte  Werk  Calmets  zu 
bekommen^].  Der  Autor  schrieb  Aber  diese  Erscheinungen  im  Glauben 
an  ihre  Existenz  und  brachte  eine  stattliche  Sammlung  von  verschiedensten 
Bdspiden  dieser  Art  zu  stände.  »Dans  ce  si^le  une  nouvelle  sc^ne  s'offre 
i  noB  yeuz  depuis  environ  soixante  ans  dans  la  Hongrie,  la  Moravie,  la 
SilMe,  la  Pologne:  on  voit,  dit-on,  des  hommes  morts  depuis  plusieurs 
moia  Tevenir,  parier,  marcher,  infester  les  villages,  maltraiter  les  hommes 
et  lea  animaux,  sucer  le  sang  de  leurs  proches,  les  rendre  malades  et  enfin 
leor  eauser  la  mort;  en  sorte  qu'on  ne  peut  se  d^livrer  de  leurs  dange- 
renaea  viaitea  et  de  leurs  infestations,  qu'en  les  ezhumant,  les  empalant, 
lenr  coupant  la  t6te,  leur  arrachant  le  cceur  ou  les  brülant  On  donne  2t 
C60  Bevenants  le  nom  d'Oupires  ou  Vampires«  ').  Auch  der  in  der  Ballade 
Jeannoi  fttr  die  Bezeichnung  der  Vampire  vorkommende  Name  bmco- 
lague  und  der  Glaube,  daß  die  Schismatiker  in  einem  rechtgläubigen 
Friedhofe  nicht  verwesen  könnten,  wird  von  Calmet  erwähnt:  >La 
er^anee  des  nouveaux  Grecs,  qui  veulent  que  les  corps  des  excommuni^s 
ne  pourriaaent  point  dans  leurs  tombeaux,  est  une  opinion  qui  n'a  nul 
fondement .  .  .  .c*}.  »Les  Brucolaques  de  la  Gr^ce  et  de  rArchipel  sont 
eneore  des  Revenants  d'une  nouvelle  esp^ce  ....  mächent  dans  leurs 
tombeaux  et  fönt  un  bruit  ä  peu  pr^s  semblable  ä  celui  que  les  porcs  fönt 


«)  Viaggio,  p.  64. 

s)  Dom  Augnstin  Calmet,  Trait^  sur  les  apparitions  des  esprits  et  sur  les 
vampires  ou  les  revenants  de  Hongrie,  Moravie  etc.  Paris  1751  (2  Bände;  in 
der  k.  k.  Hofbibliothek  lu  Wien). 

3)  Calmet,  o.  0.,  t  II,  p.  V.  «)  Ib.,  t  n,  p.  Vm. 

4* 


52  '^'  l^tiö, 

en  mangeant^).  Derselbe  GUnbe  boU  auch  in  DeatschlaBd  yerbreitet 
sein').  Alle  Zeiohen  des  yampirismns  werden  da  regutriert:  ». . . .  quand 
on  les  a  tir^s  de  terre,  ils  ont  pam  vermeilB,  ayant  les  membres  sonples 
et  maniables,  Bans  vers  et  sans  ponrritare«  ')  —  nnd  weiter:  »la  mobilit^, 
la  sonplesBe  dans  les  membres,  la  flnidit^  dans  le  sang,  Tincomiption 
dans  les  chairsf  ^)  ....  »cadayres  pleins  d'nn  sang  fluide  dont  la  barbe, 
les  chevenx  et  les  ongles  se  renonvellentc^).  Das  in  der  Ballade  La 
ßamme  de  Perruasich  vorkommende  Irrlicht  als  ein  Zeichen  der  An- 
wesenheit des  Verstorbenen,  folglich  anch  eine  Art  Vampirismas,  wird 
ebenfalls  von  Calmet  erwähnt:  »U  7  avait  environ  trois  ans  qn'il 
6tait  enterr6;  Ton  vit  snr  son  tombean  nne  Inenr  semblable  k  celle  d*nne 
lampe,  mais  moins  vive«^)  —  als  man  das  Grab  aufmachte,  konnte  man 
alle  Anzeichen  des  Yampirismus  konstatieren.  Diese  Yampiromanie  war 
zu  Ende  des  XYIL  Jhs.  so  groß,  daß  man  sich  nach  Calmet  sogar  an  die 
Pariser  Sorbonne  gewendet  haben  soll,  sie  möge  über  diese  ErBcheinungen 
ihre  Ansicht  ftußem.  AResolutio  Doctorum  Sorbonaec  erschien  1693  im 
Anschluß  an  einen  Fall  in  Polen,  wo  eine  Mutter  als  Yampir  ihre  leibliche 
Tochter  plagte  —  sie  wurde  natürlich  ausgegraben  und  enthauptet.  Die 
Sorbonne  entschied  folgendermaßen:  ».  .  .  .  ad  vitandam  vexationem 
Daemonis,  et  recuperandam  salutem  ....  manducatur  pams  cum  illo 
sanguine  factus,  qui  defluit  ex  cadaveribus,  vel  dum  computatur  caput 
defancto  in  sepulchro  jacenti.  Unde  ratio  praesumenda  est,  quod  hoc  fiat 
per  pactum  cum  Daemone,  et  unum  maleficium  expellitnr  alio,  quia  ille 
panis  sanguine  mixtus,  sicut  etiam  amputatio  capitis,  naturaliter  non 
possunt  restituere  sanitatem  personae  morti  proximae,  et  expellere  Daemo- 
nem  eam  vexantem.  Non  potest  etiam  dici,  quod  tunc  fiat  a  Deo  mira- 
culum  ....  Haec  cum  ita  sint  non  licet  unum  maleficium  pellere  alios^). 
Im  Werke  Galmets  hatte  also  M^rim^e  Gelegenheit  genug,  sich  Aber 
die  Erscheinungen  der  Yampire  und  über  alles,  was  damit  im  Zusammen- 
hange steht,  zu  unterrichten.  Die  paar  Zeilen,  die  er  Aber  denselben 
Gegenstand  bei  Fortis  fand,  genügten  ihm  vollkommen,  um  die  Qe- 
schichten  Galmets  auf  die  Morlaken  zu  übertragen.  Ohne  zu  wissen,  hatte 
er  auf  diese  Weise  das  Richtige  getroffen,  denn  die  Ansichten  der  dalma- 
tinischen Landbevölkerung  Aber  die  Yampire  entsprechen  in  der  Tat  fast 
dnrchwegB  den  Schilderungen  Galmets.   Yon  den  ältesten  Zeiten  an  hatte 


^)  Calmet,  o.  c,  t  II,  p.  IX.         ^  Ib.,  t  II,  p.  213.       s;  Ib.,  t  II.  p.  35. 

*)  Ib.,  t  n,  p.  36,    5)  Ib.,  t  n,  p.  57.    «)  ib-,  t  n,  p-  ee.    z  ib.,  t  n,  p.  308. 


Prosper  M^rim^'s  Mystifikation  kroat  Yolkfllieder.  53 

dieser  Aberglaube  in  Dahnatien  feste  Wurzeln  gefaßt,  und  schon  vor 
Jahrhunderten  finden  wir  es  im  Volke  belegt  Lucius  (De  regno  Dal- 
fhaiiae  et  Oroatuie)  erwähnt  einen  gewissen  Pavao  Payloviö,  der  zu 
Anfang  des  XV.  Jhs.  Bürgermeister  von  Zara  war  und  in  seinem  Memo- 
riale  erzählt,  im  Juni  1403  habe  auf  der  Insel  Pasman  eine  Frau  als 
Vampir  die  Bevölkerung  geplagt,  und  er  habe  als  Bürgermeister  endlich 
exianben  mllssen,  daß  man  ihr  Grab  öffiie.  Als  das  einzige  Rettungsmittel 
sei  beschlossen  worden:  »infigere  cugnum  in  pectus  eins«  i).  Ja,  bis  in  die 
neueste  Zeit  hat  sich  dieser  Aberglaube  im  Klistenlande  in  voller  Kraft 
erbalten.  Die  Zeitschrift  für  österreichische  Volkskunde  ^)  teilt  eine 
merkwUrdige  mit  »v.  P.c  unterzeichnete  Notiz  Zur  Van^r-Sctge  (I.  Jg., 
Heft  10)  mit  Im  Herbst  1888  fand  man  in  der  Nähe  von  Abbazia  einen 
alten  Sonderling  am  Tage  nach  seinem  Tode  mit  durchbohrter  Zunge, 
HSade  und  Fflße  mit  großen  Nägeln  an  den  Sarg  genagelt.  Trotzdem 
man  den  Täter  wegen  Leichenschändung  bestrafte,  wurde  einige  Wochen 
nach  der  Tat  auf  dem  Friedhofe  nachts  ein  Grab  geöffiset,  der  Tote  aus 
dem  Saige  gerissen,  an  ein  mit  Steinen  beschwertes  Brett  gebunden  und 
ins  Meer  versenkt.  Alles  das  geschah  bloß  darum,  weil  der  Volksglaube 
die  Betreffenden  als  Vampire  bezeichnete,  sodaß  die  Öffentliche  Meinung 
für  die  Verbrecher  Partei  nahm.  Nicht  genug  also,  daß  einzelne  an  die 
Vampire  so  wie  an  manche  andere  Überlieferungen  der  Väter  glauben, 
ohne  daraus  die  äußersten  Eonsequenzen  zu  ziehen,  hier  begegnen  wir 
einem  unüberwindlichen  Eigensinn,  der  sich  vor  den  verwerflichsten 
Handlungen  nicht  scheut  —  was  jedenfaUs  ein  Beweis  ist,  daß  dieser 
Aberglaube  die  ganze  Seele  dieser  einzelnen  Individuen  durchdrungen  hat 
In  einem  ziemlich  nahen  Verhältnisse  mit  den  Vampiren  steht  der 
Glaube  an  die  verderblichen  Wirkungen  eines  bösen  Auges.  Diesen  Aber- 
glauben hat  M^rim^  in  Maxime  und  Zoe^  einer  von  seinen  schönsten 
Balladen,  als  Grundmotiv  genommen.  Auch  da  hat  er  eine  Art  Einleitung 
▼oraosgeschickt,  in  der  er  erzählt,  daß  flberhaupt  im  Osten  und  besonders 
in  Dalmatien  der  Aberglaube  verbreitet  ist  »que  certaines  personnes  ont 
le  pouvoir  de  jeter  un  sort  par  leurs  regards  ....  souvent  le  malheureux 
lasdn^  s'6vanouit,  tombe  malade  et  meurt  6tique  en  peu  de  tempsa'). 


<)  Zbomlk  za  narodni  iivot  i  obi&ige  juinih  Slavena  (utd.  Jugosl.  akade- 
WM»  !>  224. 

>)  Ober  einen  ähnlichen,  im  Juli  1882  ebenfalls  in  Abbazia  vorgekomme- 
FaD  c£  Arohiv  fllr  slav.  PhD.  VI.  618. 
^  Gnzia,  p.  196. 


54  T.  Hatiö, 

M^rim^e  selbst  habe  einmal  zu  Enin  ein' jnnges  Mädchen  gesehen,  das 
Tom  bösen  Blicke  getroffen  bewußtlos  zn  Boden  gestürzt  sei  —  ein  anderes 
Mal  sei  dasselbe  mit  einem  jnngen  Manne  im  DorfePoghosciamj  geschehen. 
Man  erzähle  sogar  von  Leuten,  die  zwei  Pupillen  in  einem  Auge  haben 
—  die  seien  schon  gar  gefährlich.  Als  Gegenmittel  gelten  unter  anderen 
Homer  von  Tieren  und  Reliquien,  die  man  immer  bei  sich  tragen 
mflsse.  Eine  andere  Art  «de  jeter  un  sort  consiste  k  louer  beaucoup  une 
personne  ou  une  chose.«  In  einem  Dorfe  am  Flusse  Trebignizza  soll 
M4rim^  die  Schönheit  eines  Kindes  gepriesen  haben.  Die  Mutter  habe 
sich  dadurch  gar  nicht  geschmeichelt  gefühlt,  sondern  habe  ihn  ganz 
ernst  gebeten  »de  cracher  au  front  de  son  enfantc  —  das  soll  als  ein 
Gegenmittel  gelten.  Der  letztere  Aberglaube  (urok)  ist  flberall  bei  den 
Kroaten  und  Serben  bekannt,  während  der  vom  bösen  Auge  nicht  so  all- 
gemein ist,  aber  doch  besteht.  In  der  Ausgabe  1827  (später  ausgelassen) 
sagt  M^rim^e,  er  habe  bei  Jean-Baptiste  Porta  gefunden,  daß  Isigone  bei 
den  »Ulyriens  ou  Sdavons«  zwei  Pupillen  erwähne.  Außerdem  hat  unser 
Dichter  auch  bei  Calmet  Aber  die  bösen  Augen  lesen  können:  »11  7  a  une 
autre  Sorte  de  fascination,  qui  consiste  en  ce  que  la  yuc  d'une  personne 
ou  dWe  chose,  la  louange  qu'on  lui  donne,  Tenvie  qu'on  lui  porte^  pro- 
duisent  dans  l'objet  certains  mauvais  effetsa^].  In  der  neueren  Zeit  (nach 
der  Erscheinung  von  M^rim6es  Guzla)  hat  Ida  Düringsfeld  den  Glauben 
an  den  bösen  Blick  in  den  Vorstädten  von  Spalato  konstatiert^)  und  auch 
in  der  erwähnten  Zeitschrift  für  österreichische  Volkskunde  wird  der 
böse  Blick  erwähnt'}. 

Das  Irrlicht  ist  ebenfalls  den  Sfldslaven  bekannt  Diesen  Aber- 
glauben hat  M^rim^e  in  der  Ballade  La  flamme  de  Perrassich  mit  dem 
Motive  der  Wahlbruderschaft  yerknüpft.  um  in  seiner  Mystifikation  alle 
Spuren  zu  verwischen,  die  ihn  vieUeicht  verraten  könnten,  hat  der  Dichter 
vielfach  in  seinen  aufklärenden  Notizen  auf  ähnliche  Motive  in  anderen 
Literaturen  aufmerksam  gemacht  —  Motive,  die  natttrlich  ihm  selbst  vor 
Augen  schwebten,  als  er  die  betreffenden  Balladen  schrieb.  Im  Gedichte 
Maxime  et  Zoi  bittet  das  Mädchen  den  Geliebten,  er  möge  doch  einmal 
seinen  Blick  zu  ihr  wenden  und  sie  umarmen,  und  M^rim^e  bemerkt 
darauf:  »Qu  voit  ici  comment  la  fable  d'0rph6e  et  d'Eurydice  a  ^t^  tra- 
vestie  par  le  po^te  illyrien,  qui,  j'en  suis  sür,  n'a  jamais  lu  Virgilec^). 

1)  Calmet,  o.  c,  t  II,  p.  261. 

s)  Ida  Dflringsfeld,  Aus  Dalmatien.  Prag  1857  (Bd.  I,  p.  92). 

»)  Jg.  VI,  H.  1.  *)  Guzla,  p.  206. 


Prosper  Mdrim^'s  Myetifikation  kroat  YolkBlieder.  55 

Das  Höehate  aber  in  dieser  Beziehung  hat  er  wohl  in  seiner  Anmerkung 
mr  Ballade  Les  pohratimi  geleistet:  »Je  snppose  qne  oette  chanson,  dont 
on  a  donn^  nn  extrait  dans  une  revne  anglaise,  a  foumi  ä  Faatenr  da 
Thed^e  de  Clara  Gazul  l'id^  de  L'amour  africatn^  i)  sagt  M6rimtfe, 
und  man  muß  bedenken,  daß  eben  dieses  Theä^re  de  Clara  Gazulj 
eomedienne  espagnole  ebenfalls  seine  eigene,  zwei  Jahre  ror  der  Cfuzla 
(1825]  erschienene  Mystifikation  ist. 

JSonst  begegnet  man  in  der.  Guzla  recht  sonderbaren  MotiTen,  die 
bald  an  Orient,  bald  an  den  mittelalterlichen  Okzident  erinnern.  Sehr 
interessant  ist  die  Ballade  La  belle  Helene.  Die  sonderbare  Schwanger- 
schaft Habens,  die  vorang^angenen  Zaubereien  mit  der  Kröte,  sowie 
der  tote  Kopf,  der  spricht  und  Bösewichte  yerr&t,  sind  lauter  Motive, 
die  dnem,  der  etwas  aus  den  orientalischen  und  mittelalterlichen  Mftrchen 
gelesen  hat,  als  alte  Bekannte  begegnen.  Oder  wenn  in  Seigneur  Mer^ 
eure  eine  Ambraschnur  dem  Manne  als  ein  Beweis  der  ehelichen  Treue 
seiner  Gattin  gelten  soll,  und  in  der  Ballade  Vamant  en  bouteäle  die 
schöne  Eliaya  ihren  Geliebten  in  einem  Flftschchen  eingesperrt  hXlt  — 
atmet  man  da  etwa  nicht  die  reinste  Luft  aus  Tausend  und  einer  Nacht  f 
Auch  dem  bekannten  Calmet  verdankt  M^rim^  vielfach  Anregungen  zu 
ähnlichen  Geschichten.  In  seinem  Traiti  (IL  152]  wird  erzählt,  ein  ge- 
wisser Polycrites  aus  Aetolien  sei  nach  seinem  Tode  als  Gespenst  zurflck- 
gekommen,  habe  sein  eigenes  mißgestaltetes  Kind  angefressen  und  nur 
den  Kopf  gelassen:  >.  .  .  .  mais  la  t6te  de  Tenfuit  commen9a  ä  parier  et 
k  lenr  pr^dire  les  malheurs  qui  devaient  arriver  ä  lenr  patrie  et  ä  sa 
propre  m^re.c  Ganz  analog  ist  die  darauffolgende  Erzählung  (IL  153) 
von  einem  Soldaten  des  Augustus,  mit  dem  Namen  Gabinius,  der  im  S^riege 
mh  Seztos  Pompeius  soll  enthauptet  worden  sein  »en  sorte  que  la  t6te 
tenait  an  cou  par  un  petit  filet.«  Gegen  Abend  hörte  man  ein  Ächzen 
und  Stöhnen:  »On  accourut;  il  dit  qu'il  ^tait  retoum^  des  enfers  pour 
d^eonvrir  k  Pomp^  des  choses  tr^s  importantes  ....  que  les  Dieux  d'en 
haot  avaient  exauc6  les  destins  de  Pomp^e;  qu'il  r^ussirait  dans  ses  des- 
seins.  Aussitöt  qu'il  eut  ainsi  parl^,  il  tomba  raide  mort.«  —  Nach  der 
erwähnten  Ballade  Vamant  en  bauteüle  sagt  M^rim^  selbst,  daß  bei 
B.  Bekker')  Aber  einen  ähnlichen,  angeblich  in  Polen  1597  vorgekomme- 
aen  Fall  berichtet  wird,  und  veröffentlicht  worttreu  diese  Erzählung  als 

1)  Nur  in  der  Ausgabe  1827;  in  der  neuen  ausgelassen. 

2)  B.Bekker,  Le  monde  enchant^.  Trad.  du  hoUandais.  Amsterdam  1694. 
4  Bda  (k.  n.  k.  Hof  bibliothek  in  Wien). 


56  T.  Matiö, 

ein  Pendant  zu  seiner  Ballade.  Bei  demselben  Antor,  der  im  Gegensatz 
2a  Galmet  ähnliche  Märchen  entschieden  bekämpfte,  konnte  M^rim^  noch 
einen  Bericht  ttber  einen  solchen  zu  Gneldre  1548  mit  einem  Ringe  vor- 
gekommenen Fall  finden. 

Von  ganz  besonderem  Interesse  sind  die  drei  historischen  Balladen 
ans  den  letzten  Tagen  der  bosnischen  Freiheit.  Das  sind  Gedichte  ans 
ganz  anderen  Kreisen  nnd  ich  will  sie  hier  am  Ende  unserer  Betrachtnngen 
der  M^rim^eschen  Balladen  besprechen,  weil  sie  einigermaßen  schon  den 
Übergang  zn  EaSids  Müoi  Kohiliö  nnd  der  bekannten  Volksballade 
Ha&anraginica  bilden.  Es  sind  drei  Gedichte  da :  La  mort  de  Thomas  11^ 
rai  de  Bosnie  (Nr.  2),  La  vmon  de  Thomas  11^  roi  de  Bosnie  (Nr.  3) 
nnd  Le  cheval  de  Thomas  II  —  wohl  dr^i  von  den  interessantesten 
Gedichten  der  Sammlung.  Was  ich  im  allgemeinen  über  die  Ansf&hmng 
der  Balladen  M^rim^es  gesagt  habe,  gilt  natürlich  auch  vom  bosnischen 
Zyklus,  denn  diese  Gedichte  sind  ganz  in  derselben  Richtung  gehalten 
wie  die  übrigen  der  Ouzla.  Nur  einen  Punkt  möchte  ich  hier  speziell 
berühren,  wo  der  französische  Dichter  —  man  möchte  beinahe  sagen  — 
eine  divinatorische  Kraft  bekundete  und  eines  der  schönsten  Motive 
unserer  Volkspoesie  in  Le  cheval  de  Thomas  II  im  Rahmen  einer  kurzen 
aber  ausdrucksvollen  Ballade  behandelte.  Ich  lasse  das  ganze  Gedicht 
folgen:  «Pourquoi  pleures-tu,  mon  beau  cheval  blanc?  pourquoi  hennis-tu 
si  douloureusement?  N'es-tn  pas  hamach^  assez  richement  k  ton  gr€? 
n'as-tu  pas  des  fers  d'ai^ent  avec  des  dous  d'or  ?  n'as-tu  pas  des  sonnet- 
tes  d'argent  k  ton  cou,  et  ne  portes-tn  pas  le  roi  de  la  fertile  Bosnie?  c  — 
>  Je  pleure,  mon  mattre,  parce  que  l'infidMe  m'ötera  mes  fers  d'argent,  et 
mes  dous  d'or  et  mes  sonnettes  d'argent.  Et  je  hennis,  mon  maltre,  parce 
que  avec  la  peau  du  roi  de  Bosnie  le  m^cr^nt  doit  me  faire  une  sellec^). 


1)  Guzla,  p.  292.  In  der  deutschen  Übersetzung  Gerhardts  lautet  das  Ge- 
dicht: »Warum  weinst,  mein  schöner  Schimmel? 

Warum  wieherst  du  so  kläglich? 
Bist  du  denn  nicht  reich  und  prächtig, 
Wie  du  wünschen  magst,  geschirret? 
Hast  du  Eisen  nicht  von  Silber, 
In  dem  Hufe  goldne  NSgel, 
Und  am  Halse  Silberglöckchen? 
Tragest  du  nicht  des  fruchtbaren 
Bosniens  gepriesnen  König?« 
»Ach  ich  weine,  mein  Grcbieter! 
WeU  die  silberblanken  Eisen, 


ProBper  M6iim6e^s  Mystifikation  kroat  Volkalieder.  57 

Ich  branche  nicht  an  das  Volkslied  Smrt  Kraljemda  Marka  erst  zu  er- 
innem ;  die  Ähnlichkeit  ist  zn  auffällig  nnd  wird  gleich  bemerkt.  Natflr- 
lieh,  anch  diese  Erscheinnng  hat  ihre  Erklftning.  Vom  Achilles,  dem  in 
Dias  (XiX,  404 — 424)  sein  Roß  Xanthos  den  Tod  voraussagt,  vom  Bayard 
Renand  de  Montanbans  nnd  dem  Babie^a  Cids  bis  auf  den  äarac  nnseres 
Volkes  —  llberall  nnd  zn  allen  Zeiten  hat  in  der  Phantasie  des  Volkes 
das  Pferd  des  Helden  eine  besondere  Stelle  eingenommen  nnd  als  eine 
Art  Frennd  nnd  OefUirte  seines  Herrn  gegolten.  Das  ist  also  ein  all- 
gemein Yolkatflmliches  Motiv  nnd  M^rim^e  konnte  es  in  seinen  Gnmd- 
zflgen  llberall  finden,  es  ist  aber  doch  beachtenswert,  daß  M^rim^e  unter 
anderen  gerade  dieses  Motiv  gewählt  hatte,  das  in  unserer  Volkspoesie 
so  schöne  Frllchte  getragen,  nnd  daß  er  in  der  Behandlungsweise  nnd 
Anafiihnuig  des  Motivs  unserem  Volke  nahe  kam. 

Die  anderen  zwei  Balladen  des  bosnischen  Zyklus  hat  M^rim^e  reich- 
Heh  mit  geschichtlichen  Anmerkungen  versehen.  Im  Anschluß  an  La 
mort  de  Thomas  II  erzählt  er  folgendes:  i» Thomas  I*',  roi  de  Bosnie, 
fbt  aasassin6  secr^tement  en  1460,  par  ses  deux  fils  ^Stienne  et  RadivoT. 
Le  Premier  fiit  couronn6  sous  le  nom  d'£tienne-Thomas  II;  c'est  le  h^os 
de  cette  ballade.  Radivol,  furieux  de  se  voir  exdu  du  tröne,  r^v^la  le 
erime  d'£tienne  et  le  sien,  et  alla  ensuite  ohercher  un  asile  aupr^  de 
Maliomet  L'^v^ue  de  Modrussa,  l^gat  du  pape  en  Bosnie,  persuada  ä 
Thomas  n  que  le  meilleur  moyen  de  se  racheter  de  son  parricide  6tait 
de  Caire  la  gnerre  aux  Turcs.  Elle  fnt  fatale  aux  chr6tiens:  Mahomet 
rmvagea  le  royaume  et  assi^ea  Thomas  II  dans  le  chäteau  de  Eloutch 
en  Croatie,  oü  il  s'^tait  r^fugi^.  Trouvant  que  la  force  ouverte  ne  le 
menait  pas  assez  promptement  ä  son  but,  le  sultan  offirit  ä  Thomas  de  lui 
acGorder  la  paix,  sous  la  condition  pourtant  quHl  lui  paierait  seulement 
l'anden  tribnt  Thomas  n,  d^jä  r^duit  ä  l'extr^mit^,  accepta  ces  con- 
ditions  et  se  rendit  au  camp  des  infiddes.  II  fat  aussitdt  arr6t6,  et,  sur 
son  refns  de  se  faire  circoncire,  son  barbare  vainqueur  le  fit  ^corcher  vif, 


Meines  Hufes  goldne  Nägel, 
Und  des  Halses  Silberglöckchen 
Mir  der  Türke  wird  entreißen. 
Und  ich  wiehere,  Herr,  darüber, 
Daß  mir  der  verwünschte  Türke 
Aus  der  Haut  des  Bosnier  EOnigs 
Einen  Sattel  soll  bereiten«. 

(Gerhard  o.  c.  H.  184.) 


58  T.  Matid, 

et  aohever  k  conps  de  fl^hesa^).  Wenn  wir  das  mit  der  Oeschichte  des 
Falles  des  bosnischen  Königreiches  vergleichen,  kommen  wir  za  dem 
Resnltate,  daß  die  Angaben  M^rim^es  im  ganzen  and  großen  den  ge- 
schichtlichen Tatsachen  entsprechen.  S^epan  Toma  Ostojid  (Thomas  I.) 
verschied  mitten  im  Kampfe  mit  dem  kroatischen  Banns  Speraniid  auf 
eine  Weise,  die  der  Yolksphantasie  nicht  nnr  freie  Hände  ließ,  sondern 
sogar  für  sie  sehr  verlockend  war.  In  der  Tat  hieß  es  bald,  er  sei  vom 
Brnder  Radivoj  nnd  vom  eigenen  Sohne  S^epan,  der  noch  an  demselben 
Tage  znm  König  proklamiert  wurde,  ermordet  worden ').  Der  Bischof 
von  Modms  Nikola  war  zur  Zeit  Stjepans  päpstlicher  Legat  in  Bosnien; 
sich  auf  das  Übereinkommen  mit  Mathias  Gorvinns  nnd  auf  das  Ver- 
sprechen des  Bischöfe  Nikola  verlassend,  verweigerte  Sljepan  Tomasevic 
(bei  M^rim^e  ]^1ienne-Thomas  II  oder  einfach  Thomas  11)  den  Tribut, 
welchen  er  dem  Sultan  bisher  zahlte.  Die  letzte  Zufluchtsstätte  des  nn- 
glttcklichen  Königs  war  in  der  Tat  die  Burg  K)uS:  Stjepan  übergab  sich 
dem  türkischen  Feldherm  auf  das  Versprechen  hin,  daß  man  sein  Leben 
schonen  werde.   Trotzdem  ließ  der  Sultan  den  König  enthaupten. 

M^rim^e  hatte  also  eine  uns  unbekannte  Quelle  vor  sich  und  schöpfte 
aus  ihr  Material  ftlr  seine  Gedichte  über  den  Fall  des  bosnischen  König- 
reiches. Vielleicht  war  es  die  im  Briefe  an  Sobolevskij  erwähnte  ipetite 
brochure  dW  consul  de  France  k  Banialoukacc  —  jedenfalls  aber  waren 
in  dieser  Quelle  die  geschichtlichen  Tatsachen  mit  der  volkstttmlichen 
Tradition  stark  vermischt.  Der  angebliche  Verrat  Radivojs  ist  eine  schöne 
Parallele  zu  Vuk  Brankoviö  in  der  serbischen  Geschichte.  Der  Onkel 
(nicht  Bruder!)  des  Stjepan  Tomasevii^,  Radivoj,  wurde  zusammen  mit 
ihm  vom  Sultan  hingerichtet,  eben  weil  er  bis  zum  letzten  Momente  seinem 
König  treu  blieb.  Die  Entstehung  der  Verratsage  kann  dadurch  erklärt 
werden,  daß  sich  das  Volk  daran  erinnerte,  wie  derselbe  Radivoj  einst, 
um  den  König  S^epan  Tvrtkovic  (1421 — 1443)  zu  stfirzen,  wirklich  die 
Tflrken  ins  Land  rief.  Als  später  der  wahre  Zusammenhang  der  ge- 
schichtlichen Tatsachen  aus  dem  Gedächtnisse  des  Volkes  allmählich  zu 
schwinden  begann,  wurden,  dem  bekannten  Streben  des  Volkes,  jedes 
nationale  Unglück  auf  einen  Verrat  in  der  allernächsten  Umgebung  des 
Königs  zurflckzuftlhren,  vollkommen  entsprechend,  die  während  der 
Regierung  des  Stjepan  Tvrtkovid  auf  Veranlassung  Radivojs  stattgefnn- 


1)  Guzla,  p.  155—156. 

^  Klaiö,  Povjest  Bosne  do  propasti  kraljestva.  Zagreb  1882  (p.  320  ff.}. 


Prosper  M^rim^e's  Mystifikation  kroat  VoDulieder.  59 

denen  Einfillle  der  Türken  mit  dem  Falle  des  bosnischen  Königreiches  in 
einen  unmittelbaren  Znsammenhang  gebracht. 

IT. 

Wie  verhlüt  es  sich  mit  den  Gedichten  der  M^rim^eschen  Sammlang, 
£e  tats&düich  —  wenn  anch  nicht  unmittelbar  —  anf  einem  kroatischen 
Ori^nal  beruhen?  Da  kommen  die  zwei  schon  erwfthnten  Gedichte: 
Triste  balhde  de  la  noble  ipotise  (TAsan-Affa  (Nr.  31)  und  Milosch 
Sobihch  (Nr.  32)  in  Betracht.  M^rim^e  hat  den  kroatischen  Original- 
text nicht  benutzen  können,  denn  nach  eigener  Aussage  in  der  Vorrede 
lor  zweiten  Ausgabe  konnte  er  nicht  kroatisch.  Wenn  wir  das  auch 
nicht  von  ihm  erfahren  hätten,  so  wären  wir  wohl  selbst  schon  weg^i  der 
Wahl  der  Gedichte  darauf  gekommen,  denn  es  ist  kein  bloßer  Zufall,  daß 
Mdrim^  gerade  jene  Gedichte  ins  Französische  llbertrug,  die  schon  vor- 
her in  den  westeuropäischen  Literaturen  bekannt  waren.  Milosch  Kobp- 
lichj  ein  Gedicht  des  kroatischen  Dichters  Andrija  EaSi6-Miosi6,  wurde 
Ton  Alberto  Fortis  in  Saggio  cf  osservazioni  sopra  T  isola  di  Cherso 
edOsero  (Venezia  1771)  ins  Italienische  übersetzt  und  später  (1778)  yon 
Herder  in  seine  Volkslieder  (Stimmen  der  Völker  in  Liedern)  aufge- 
nommen. Chronologisch  steht  es  also  vor  der  Hasan-aginica^  die  erst 
1774  in  Viaggio  in  italienischer  Übersetzung  erschien.  Von  Milosch 
Eohilich  haben  wir  folglich  drei  Übersetzungen  vor  uns  (Fortis,  Herder, 
M6iim^),  und  wenn  man  sie  unter  einander  genau  vergleicht,  so  ergibt 
uch,  daß,  während  die  Abhängigkeit  Herders  von  Fortis  unzweifelhaft 
ist,  die  Übersetzung  M^rim^es  gegenüber  Fortis  und  Herder 
▼iele  Abweichungen  aufweist,  die  dem  kroatischen  Originale 
näher  stehen  als  der  italienische  und  der  deutsche  Text. 
Die  französische  Übersetzung  kann  also  nicht  ohne  weiteres  bloß  auf  die 
italienische  oder  deutsche  Vermittiung  zurttckgefOhrt  werden.  Aus  der 
Veigleichung  der  drei  Übersetzungen  mit  dem  Originale  werden  wir  es 
sIlBogleich  ersehen: 

K:  Ve^  SU  ono  6en  Lazarove,  Od  Servie  ravne  gospodara,  Od  sta- 
tine rnteza  i  bona,  —  F:  Ma  di  Lazaro  son  le  belle  figlie,  Sir  della 
piana  Senria,  a  lui  trasmessa  Da'  Bani  antichi.  —  H:  Sind  die  schönen 
Tochter  des  Lazaro,  Des  Gebieters  Aber  Servjas  Ebenen,  Von  den  alten 
Basen  ihm  vererbet.  —  M :  Ge  sont  les  fiUettes  de  Lazare,  le  Seigneur 
de  Seme  aux  vastes  plaines,  le  hiros,  le  prince  d*  antique  race, 

E:  Koji  no  jejunak  odjunaka  (sc.  Milos),  Porodiga  Hercegovka 


60  T.  Mati<5, 

majka.  —  F :  Ch'  h  gnerrier  prode  e  del  gaerriero  sangae,  D^  Eroego- 
vina  h  nato.  —  H :  ....  der  ein  stolzer  Krieger  Selbst  ist  nnd  von  stolzer 
Krieger  Blute  Ans  Erzegovina.  —  M:  C'est  un  brave^ßU  de  brave^  enr- 
fanti  par  uns  mkre  de  V Herzigotoine. 

K :  Da  ti  nisi  plemiö  od  plemida^  Nego  rda  od  rdäkoviöa.  —  F : 
Che  ta  non  sei  Di  nobil  sangue,  e  gli  avi  taoi  nol  furo,  Ma  ehe  nn  car- 
eame  sei  fetido  e  sozzo,  Nato  d'  a  Te  simili  altri  carcami.  —  H:  Du 
seiest  nicht  von  edlem  Blute,  Noch  daß  je  es  deine  Väter  waren.  Seist 
ein  faules  Aas,  und  faulen  Aases  Sei  dein  Ursprung.  —  M :  que  tu  n'  es 
pas  noble  JUs  de  noble^  mais  vaurienßls  de  vaurien, 

K:  Zasto  nisi  desnom  rukomjunak.  —  F:  . . .  in  la  destra  mano 
Forza  o  yalor  non  ki.  —  H:  ...  denn  es  sei  deine  Rechte  schwach  und 
kraftlos.  —  M:  . . .  car  tu  n'  es  pas  brave  de  la  main  droite, 

K:  Ter  se  skaSe  na  noge  junaike,  |I  poside  koiia  od  mejdana.  — 
F:  Ei  su'  robusti  piedi  Balza  sdegnoso  e  il  suo  destrier  insella  De'  sin- 
golar  certami.  —  H:  Auf  die  tapferen  Füße  Sprang  er  zornig,  sattelt 
schnell  sein  Roß  ihm  Aus  zum  Zweikampf.  —  M :  ü  saute  sur  ses  pieds 
de  brave,  11  s^ilance  sur  son  cheval  de  bataille. 

K:  Ako  teje  porodüa  maJka.  —  F:  Se  1'  onor  ti  cale  Della  tua 
genitrice.  —  H :  ...  wenn  deiner  Mutter  Ehre  Dir  noch  lieb  ist  —  M : 
. . ,  si  uns  mire  i  a  enfante, 

K:  Y^posida  konja  od  mejdana.  —  F:  . . .  la  sella  Pose  al'ca- 
yaUo  da  duello.  —  H :  ...  sein  Roß  zum  Zweikampf  auch  zu  satteln,  — 
M:  n  s^Slance  sur  son  cheval  de  bataille. 

K:  Buzdovanom  perje  politaie.  —  F:  .  .  .  si  spiccö  dall'  una  e 
r  altra  ü  pome.  —  H :  Und  von  dem  und  jenem  (sc.  Kolben)  springt 
der  Enopf  ab.  —  M :  ...  et  les  plumes  des  masses  s^  envol^ent. 

K:  Pohvali  se  virnoj^ubi  svojoj.  —  F :  ...  altrui  di.  —  H:  Prahle 
nun  zu  anderen.  —  M:  Va  te  vanter  ä  tafidhU  epouse. 

K:  Na  Lazara  Turci  udarise.  —  F:  Prombaro  i  Turchi  su  la 
Servia.  —  H:  Und  die  Ttirken  stürzen  ein  in  Serbien.  —  M:  ....  et  les 
Tnrcs  viennent  assaillir  Lazare. 

K:  Gospodski  je  sobet  uSinio,  Gospodu  je  na  sobet  pozrao.  —  F: 
Sederon  tutti  a  lauta  mensa  i  duci.  —  H:  Saßen  alle  an  der  reichen 
Tafel  Alle  Kriegsfahrer.  —  M:  II  pr^pare  un  festin  de  princes,  car  prin- 
oes  Bont  conyi^s  du  festin. 

K:  Boje  ga  se  Turci  i  kriöani;  On  <5e  hiü  prid  vojskom  yojyoda, 
A  za  Äime  Brankovi6u  Vuie.  —  F :  ...  teme  D'  esso  al  pari  il  Serviano 


Prosper  M^iim^e's  Mystifikation  kroat  Volkslieder.  6 1 

e  7  Ttarco,  Qnesti  sia  dnnqae  il  primo  duce  e  sotto  Di  lai  Ynko  di 
Branco.  —  E:  Vor  ihm  zittern  Serbier  und  Türken,  Er  sei  erster  Feld- 
hoT,  nach  ilun  folge  Vnko  Brankowich.  —  M:  Turcs  et  chriHens  le 
i^ontent;  il  sera  le  volevode  devant  Varmee\  et  aprös  loi,  Ynk  Bran- 
covioL 

K:  Jer  Ifilosa  tddit  ne  tnogaie.  —  F:  .. .  T  pro  Milosso  odiava. — 
H: . . .  haßt  den  tapferen  Milos.  —  M:  . . .  il  n^  peutplue  toir  Ifilosch. 

K:  Koji  me  je  izdat  namislio,  Kano  Juda  svoga  stvoritefa.  — 
F:  Che  a  tradirmi  pensö.  —  H:  ...  der  mich  zn  yerraten  denket.  —  M: 
. . .  qni  veut  me  trahir,  comme  Judas  a  trahi  son  Oreateur. 

K:  Do  po  no<5i  saze  prolivase,  Od  po  no6i  Boga  vapijaie,  —  F: 
...  im  finme  di  lagrime  spargea  Sino  alla  mezza  notte,  alzossi  allora,  Ed 
in  ajnto  il  sommo  Dio  chiamava.  —  H:  Und  vergoß  da  einen  Strom  von 
Trinen  Bis  imi  Mittemacht.  Da  hob  er  anf  sich,  Rief  zu  Hilfe  sich  den 
Qott  Yom  Himmel.  —  M:  Jnsqn'ä  minnit  il  plenre;  apr^s  minuit  üfait 
sa  prüfe  ä  Dieu. 

K :  On  poside  dobra  ko£a  svoga.  —  F :  ...  pose  al  destrier  Var- 
nese,  —  H:  Da  legt  Milos  Rüstung  an  sein  Pferd.  —  M :  .  .  .  il  monte 
rar  son  meilleur  cheval. 

K:  IzÜB&UL  mn  vojsku  Lazarovu,  A  Lazara  fiva  nhyatiti.  —  F: 
...  10  tntto  L'  esercito  di  Servia  e  '1  rege  istesso  Vivo  in  man  gli  darö. 
—  H:  ...  ich  konmie,  Ihm  das  Heer  von  Serbien  nnd  den  König, 
Lebend  in  die  Hand  zn  geben.  —  M:  Je  Ini  liyrerai  Varmee  de  Lazare] 
je  remettrai  Laxare  entre  vos  mains. 

K:  ]^nbl  carn  skuta  i  kolina.  —  F:  ...  alle  Czar  bacia  la  destra 
e  Hmanto.  —  H:  Küßt  dem  Czar  die  Hechte  und  den  Mantel,  —  M: 
. . .  Q  buse  le  pan  de  la  robe  dn  snltan,  il  baise  ses  genoux, 

K:  Jer  ga  Tnrci  na  sab^  raznUe.  —  F:  Poich^  trinciato  in  mille 
pe&d  ei  cadde  Sotto  le  sciable.  —  H:  Fiel  zerhackt  in  tausend  Stflcke 
nieder  Über  seinen  Sftbel.  —  M:  Car  les  Tnrcs  le  dispersirent  sur 
kitrs  sabres. 

K:  äto  uSiniy  Vu6e  Brankoviöu,  Sto  uSinif  da  od  Boga  na^ 
iei!  —  F:  Abbia  mereede  condegna  All'  empia  frode  sna  Vnko  di 
Branco.  —  H:  Habe  dessen  Rechten  Lohn  dir,  Vnko  du  Verleumder.  — 
M:  Ce  queßt  Vuk  Brancotich,  ce  qtCilßty  qu^ü  en  reponde  devant 
Dieu. 

M^rim^  übersetzt  also  das  Original  treu  auch  dort,  wo  Fortis  und 


62  T.  Matiö, 

nach  ihm  Herder  etwas  freier  sich  bewegen  oder  gar  den  Sinn  des  Ori- 
ginals falsch  wiedergeben. 

Vor  dem  Gedichte  findet  sich  bei  MMm^e  eine  Notiz  über  die  Art 
nnd  Weise,  wie  das  Oedicht  in  seine  Hände  kam:  »/<?  dois  le  podme 
suivant  ä  Vobligeance  de  feu  M.  le  comte  de  SorgOy  qni  arait  tronv6 
V original  serbe  dans  un  manuscrit  de  la  hibliotheque  de  r Arsenal  ä 
Paris,  n  croyait  ce  po^me  6crit  par  nn  contemporain  de  Milosch.  La 
quereile  des  fiUes  de  Lazare,  le  dnel  de  ses  deox  gendres,  la  trahison  de 
Vnk  Brancovich  et  le  d^vonement  de  Milosch  y  sont  racont^s  avec  des 
d^tails  enti^rement  conformes  k  l'histoirea  i). 

Es  ist  hervorzuheben,  daß  das  Gedicht  Milosch  Kobilich  erst  in 
der  zweiten  Ausgabe  der  Ouzla  vorkommt  und  in  der  ersten  gar  nicht 
enthalten  war.  Wahrscheinlich  wurde  der  Ragusaner  Anton  de  Sorgo, 
der  damals  in  Paris  weilte,  durch  die  1827  erschienene  Mystifikation 
M^rim6es  auf  ihn  aufmerksam  gemacht  und  teilte  ihm  gelegentlich  mit, 
daß  sich  in  der  Pariser  Biblioth^que  de  TArsenal  ein  Manuskript  eines 
kroatischen  Gedichtes  über  den  Helden  Milos  Eobilid  befindet,  weil  Sorgo 
voraussetzen  durfte,  daß  es  M^rim^e  interessieren  wird,  ein  echtes  volks- 
tttmliches  Gedicht  kennen  zu  lernen,  welches  aus  der  Gegend  stanmit,  die 
der  französische  Dichter  zum  Schauplatze  seiner  in  der  Guzla  veröffent- 
lichten Balladen  gewählt  hatte.  Das  Interesse,  welches  M^rim^  dem 
Gedichte  entgegenbrachte,  ging  nun  so  weit,  daß  er  es  ins  Französische 
übertrug  und  in  der  zweiten  Ausgabe  der  Ouzla  veröffentlichte,  wo  er 
bekanntlich  die  Maske  weggeworfen  und  seme  Mystifikation  offen  ge- 
standen hatte. 

Auf  die  Handschrift  in  der  Biblioth^ue  de  T  Arsenal  hat  im  Archiv 
für  slavische  Philologie  (Bd.  VI)  Th.  Vetter  aufinerksam  gemacht 
Dieselbe  enthält  Gunduli6s  Osman  und  als  Anhang  dazu  neun  Blätter  in 
unbedeutend  größerem  Format,  auf  welchen  von  einer  anderen  Hand 
aber  sehr  sorgfältig  der  kroatische  Text  des  Gedichtes  Müoi  KobiliS 
nebst  einer  italienischen  Übersetzung  desselben  niedergeschrieben  ist 
Vetter  hat  im  Archiv  sowohl  den  ganzen  kroatischen  Text  als  auch  den 
Anfang  der  italienischen  Obersetzung  mitgeteilt.  Der  von  Vetter  abge- 
druckte kroatische  Text  stimmt  mit  dem  Texte  EaSiös  wörtlich  überein, 
es  konmien  nur  hier  und  da  einige  ganz  belanglose  Abweichungen  vor: 
Pohvali  sc  vimoj  ^ubi  svojoj  —  Vetter:  tvojoj\  oder :  Pak  otide  u  carevu 


1)  Guzla,  p.  312. 


ProBper  H^rim^e'B  Mystifikatioii  kroat  Yolkslieder.  63 

vojsku  —  Vetter:  u  vojsku  carevu.  BloJß  an  zwei  Stellen  ist  im  Texte 
Yetten  der  Sinn  etwas  gestört,  nnd  auch  da  sind  die  Fehler  —  wie  ich 
mich  ans  der  Handschrift  selbst  flberzengt  habe  —  auf  die  Rechnung 
VetterB  au  setzen: 

Ye6  hvaHte  Milos  Koblüda 

Od  Lazara  Novoga  plemii^a  . . . 
in  der  Handschrift  richtig:  Od  Pazara  . . .,  und 

Eako  je  je  tako  adarila 

Iz  nosa  joj  knroa  izvirala  . . . 
in  der  Handschrift  dagegen:  Kako  je  je  lako  ndarila  . . . 

Yon  der  italienischen  Übersetzung  hat  Yetter  bloß  22  Yerse  abge- 
druckt, nnd  diese  sind  mit  dem  Texte  in  Fortis'  Saggio  d*  osservazioni 
sojpra  r  isola  dt  Cherso  ed  Osero  identisch.  Auch  den  noch  übrig 
bleibenden  italienischen  Text  der  Handschrift  habe  ich  mit  der  Über- 
setzung Fortis' yerglichen  und  bin  auch  in  dieser  Beziehung  zu  demselben 
Besnltate  wie  hinsichtlich  der  ersten  22  Yerse  gekommen. 

Die  Yorlage  Mdrim^es  ist  uns  also  bekannt  —  es  ist  aber  höchst 
merkwürdig,  was  M^rim^  seinem  Mentor,  dem  Bagusaner  Sorgo,  nach- 
sagt :  dieser  sei  nftmlich  der  Ansicht  gewesen,  das  Gedicht  stamme  von 
einem  Zeitgenossen  Kobiliös  aus  dem  XIY.  Jahrh.  Es  ist  vielleicht  doch 
wahrsehdnlicher,  daß  Sorgo  dem  französischen  Dichter  nur  so  viel  ge- 
sagt hat,  daß  das  historische  Faktum,  auf  welches  sich  die  Erzählung 
Ka2iäi  bezieht  —  nftmlich  die  Schlacht  am  Kosovo  —  ins  XIY.  Jahrh. 
fimt,  und  daß  dann  M^rim^,  der  in  dieser  Hinsicht  gewiß  nicht  so  sehr 
gewissenhaft  war,  dasselbe  auch  fOr  die  Entstehung  des  Gedichtes  selbst 
gelten  ließ.  Der  Herausgeber  des  kroatischen  Textes  der  Pariser  Hand- 
sehrift  im  Archiv  für  slavische  Philologie  scheint  auch  selbst  über  den 
Ursprang  des  Gedichtes  nicht  unterrichtet  gewesen  zu  sein,  denn  in  sei- 
nem am  3.  Juli  1881  datierten  und  der  Handschrift  beigeleg^n  Briefe, 
meint  er,  dies  sei  »une  des  nombreuses  pönales  6piques  populaires  serbes. 
J'ignore  si  ce  chant  soit  d^jä  imprim^,  mais  j'en  doute  fort;  du  moins 
dans  la  coUection  la  plus  compl^te,  celle  de  Yuk  Stefanovi6  Karad&6  (en 
5  vols.),  il  ne  se  trouve  pasc.  Interessanter  wäre  es  zu  wissen,  ob  Yetter 
ftr  seine  in  diesem  Briefe  allerdings  nur  als  wahrscheinlich  ausge- 
qiroehene  Meinung,  die  Handschrift  Osmans,  in  welcher  sich  —  wie 
gesagt  —  das  Gedicht  Miloi  Eobiliö  als  Anhang  befindet,  sei  durch 
den  bekannten  ragusanischen  Dichter  Bru^re-D^rivaux  in  die  Biblio- 
tiMqiie  de  TArsenal  gekommen,  irgendwelche  Anhaltspunkte  hatte  —  er 


64  T.  Matiö, 

selbst  sagt  nichts  weiter  als:  »C'est  probablement  de  lui  qne  la  Biblio- 
th^qae  de  TArsenal  a  re^u  le  manoscrit  Nr.  8700 :  Osman  par 
Qondiilidff. 

Nim  kann  die  Tatsache,  daß  M^rim^e  an  einzelnen  Stellen  das 
Original  des  Gedichtes  Miloi  Kobiliö  besser  nnd  treuer  wiedergegeben 
hatte  als  Fortis  nnd  nach  ihm  Herder,  gar  nicht  auffallen,  denn  durch 
die  Bekanntschaffc  M6rim6es  mit  Sorgo  ist  sie  hinreichend  erklärt  Auch 
die  Bemerkung  M^rim^es,  der  Streit  der  Töchter  Lazars,  der  Zweikampf 
der  Schwiegersöhne,  der  Verrat  Yuks  und  die  Heldentat  Miloss  seien  im 
Qedichte  in  allen  Details  treu  nach  der  Geschichte  erzählt,  ist  ohne 
Zweifel  auf  Sorgo  zurflckzuftlhren,  der  als  Ragusaner  seine  Kenntnisse 
über  die  Vergangenheit  der  Slaven  auf  der  Balkanhalbinsel  hauptsächlich 
aus  Orbini  geschöpft  haben  wird.  Im  Gegenteil,  die  als  Anhang  zur  Über- 
setzung des  Miloi  Kobüiö  von  M^rim6e  erzählte  Variante,  nach  welcher 
der  Sultan,  nachdem  die  Schlacht  mit  einer  vollständigen  Niederlage  der 
Serben  geendet  und  der  ELampf  schon  aufgehört  hatte,  von  einem  Serben, 
der  auf  dem  Schlachtfelde  verwundet  lag,  erkannt  und  ermordet  wurde, 
weist  auf  türkische  Quellen  zurück. 

V. 

Obwohl  bisher  noch  niemand  die  BaUade  von  der  Gattin  Hasan-Agas 
im  Volke  gehört  hat,  so  wird  ihr  doch  der  Charakter  eines  Volksliedes 
von  niemanden  abgesprochen.  Die  letzte  für  uns  erreichbare  Quelle  des 
Gedichtes  ist  die  bekannte  Spalatiner  Handschrift,  aus  der  nach  der  An- 
nahme Miklosichs  —  die  in  der  neueren  Zeit  allerdings  sowohl  von  Bogisid 
(Srd,  Jg.  1905,  Nr.  1 1/12)  als  auch  von  Öuriin  (o.  c.  43)  in  Zweifel  ge- 
zogen wird  —  der  Text  Fortis'  direkt  stammen  würde,  auf  welchem 
seinerseits  der  Vuksche  beruht  Vuk  nahm  das  Gedicht  in  die  erste 
Ausgabe  seiner  Volkslieder  auf,  ließ  es  aber  in  der  zweiten  aus,  um  es 
wieder  in  die  dritte  Ausgabe  au&unehmen.  Dieses  Schwanken  ist  darauf 
zurückzuführen,  daß  Vuk  trotz  seiner  Bemühungen  nie  in  die  Gelegenheit 
gekommen  war,  diese  Ballade  aus  dem  Voiksmunde  zu  hören.  In  ihrer 
unlängst  erschienenen  Abhandlung  Die  südslavische  Ballade  von  Asan 
Agas  Gattin  und  ihre  Nachbildung  durch  Ooethe  (Berlin  1905)  wies 
Frl.  Kamilla  Lucema  auf  manche  in  der  Volkspoesie  der  Kroaten  und 
Serben  vorkommenden  Anklänge  an  diese  Ballade  hin,  was  alles  natür- 
lich fflr  den  volkstümlichen  Ursprung  dieses  Gedichtes  sprechen  würde. 
Meinerseits  möchte  ich  insbesondere  auf  das  in  der  Zaratiner  Zeitschrift 


ProBper  H6rim6e*8  HjBtifik&tion  kroat.  Yolkfllieder.  65 

IdBra  {Jg.  III,  Kr.  15/16)  von  AbduBselam  Beg  Hrasnica  mitgeteilte 
Volkslied  JBCasan^aginica.  Narodna  pjesma  iz  Bome  anfmerkaam 
machen.  Der  Inhalt  dieses  Gedichtes  wäre  in  kurzen  Zflgen  folgender : 
Hasan- A^a  heiratete  neben  seiner  ersten  Gattin  noch  eine  zweite  Fran. 
Die  beiden  Frauen  gerieten  einmal  in  Streit,  nnd  Hasan- Aga  schickte 
seine  erste  Gattin  zn  ihrem  Bruder  zurück.  Die  geschiedene  Hasan- 
Aginica  heiratete  bald  darauf  Ali-Pasa,  und  als  die  Hochzeitsschaar 
andern  Hanse  Hasan-Agas  vorüberging,  kam  Hasan-Aga  mit 
seinem  kleinen  Sohne  und  fragte  den  svatski  starjeiina^  ob  es 
erlaubt  "«rftre,  die  Braut  anzusprechen.  Nachdem  man  es  ihm  erlaubt 
hatte,  trat  er  xu  Hasan-Aginica  und  wollte  ihr  ihren  Sohn  übergeben, 
aber  >Na  to  ona  ni  gledati  ne  öe, 

Ved  pro^'era  pretila  dogata; 

Ead  to  Yidje  aga  Hasan-aga, 

I  u  &emu  £iyo  srce  puie«. 

£a  folgen  noch  ungefilhr  20  Verse,  die  für  uns  ohne  weiteres  In- 
teresse sind.    Wir  werden  gewiß  nicht  fehlgehen,  wenn  wir  annehmen, 
daft  das  Gnindmotiy  dieses  Volksliedes  mit  dem  Motire  der  von  Fortis 
nutgeteUten  Ballade  ursprünglich  identisch  war  —  daß  also  in  diesem 
Volksliede  eine  wenn  auch  YoUständig  entstellte  und  ein  befremdendes, 
ja  sogar  unnatürliches  Gepräge  tragende  Variante  der  Ballade  von  der 
Gattin  Hasan-Agas  vorliegt.    Am  nächsten  liegt  ja  die  Annahme  einer 
Kontinuität  der  Existenz  und  der  Umwandlungen  dieses  Motives  in  der 
Tradition  unseres  Volkes,  obwohl  auch  die  von  Frl.  Lucema  ^)  im  allge- 
meinen angedeutete  Mdglichkeit,  die  BaUade  hätte  in  neuerer  Zeit  auf 
literarischem  Wege  wieder  zum  Volke  kommen  und  entstellt  werden 
können,   nicht  von  vornherein  ausgeschlossen  erscheint,   wenn  auch 
speziell  in  unserem  Falle  keine  besonderen  Gründe  für  diese  Annahme 
vorhanden  sind. 

In  der  bekannten  Abhandlung  Über  Goethes  Klaggesang  von  der 
edlen  Frau  des  Asan^Aga  ^)  druckte  Miklosich  einen  Teil  der  französi- 
schen Übersetzung  der  Hasan-agintca^  die  1778  in  der  zu  Bern  anonym 
erschienenen  französischen  Übersetzung  des  Vtaggio  Fortis'  veröffent- 
licht wurde  (p.  449).    Von  M^rim^es  Guzla  wird  etwas  weiter  (p.  461) 


*)  o.  o.,  p-  53. 

3)  Sitsungsberichte  der  kais.  Akademie  der  Wiss.,  philos.-histor.  Klasse, 
ein.  Bd.,  IL  Heft. 

Axtkir  f&r  sUTifche  Phflologie.   XXIX.  5 


66  T.  Matid, 

als  von  einer  für  die  Kenntnis  der  nationalen  Eigentflmlichkeiten  und  der 
Dichtung  der  Morlaken  wertlosen  Mystifikation  gesprochen,  so  daß  ich 
glanbe,  die  in  der  Cruzla  enthaltenen  Übersetzungen  von  Miloi  Kohilid 
und  HcLsanraginica  seien  Miklosich  nicht  bekannt  gewesen.  Im  Ab- 
schnitte über  »andere  Übersetzungen  er  (p.  459}  erwähnt  Miklosich  (nach 
Pypin  und  SpasoviS)  eine  Übersetzung  dieser  Ballade  von  Nodier,  fDgt 
aber  hinzu,  daß  diese  nicht  zu  existieren  scheint:  in  dessen  Werken  sei 
sie  nicht  zu  finden.  Diese  Übersetzung  wird  sowohl  von  M^rim^e  in 
einer  in  der  späteren  Ausgabe  der  Guzla  eingeschalteten  Notiz  ^)  als  auch 
in  der  von  der  serbischen  Akademie  herausgegebenen  Bibliographie  der 
französischen  Werke  über  Serben  und  Kroaten  von  N.  S.  Petrovid  >)  unter 
dem  Jahre  1821  erwähnt  In  der  noch  zu  Lebzeiten  Nodiers  1832  er- 
schienenen Ausgabe  seiner  Werke  ')  findet  sich  in  der  Tat  eine  Über- 
setzung unserer  Ballade.  In  dem  bereits  zitierten,  in  GpncKH  kh>h- 
xeBHH  rjacHHK  (IV,  5)  veröffentlichten  Aufsatze  erwähnt  Dr.  Skerlid 
(p.  356)  noch  drei  französische  Übersetzungen  der  HasanHJtginica^  deren 
Entstehung  in  die  Zeit  vor  der  Erscheinung  von  M^rimdes  Guzla  fidlen 
würde.  Die  älteste  unter  diesen  drei  Übersetzungen  wäre  von  der  Über- 
setzerin Goethes  M™®  E.  Panckoucke  —  die  zwei  jüngeren  von  Baton 
Eckstein  in  der  Zeitschrift  Le  Catholique  (Jahrgang  1826)  und  von  M"** 
Belloc  im  Hauptorgan  der  französischen  Romantiker  Le  Globe  (Jahrgang 
1827).  Im  Jahrgange  1826  des  Catholique  zitiertauch  Petrovid  in  seiner 
Bibliographie  ChanU  dupeuple  serbe  von  Eckstein  (t.  I,  p.  243 — 269; 
t.  II,  p.  373— 410)  und  im  Globe  vom  Jahre  1827  Traduction  inSdite 
de  poisieB  serviennes  tirees  du  Recueil  de  M.  Vuk  Stiphanowitch 
Karadjitoh  von  M^  Belloc  (t.  V,  p.  322,  334,  345  und  356). 

In  der  Pariser  Biblioth^ue  Nationale  habe  ich  den  von  M"^*  E. 
Panckoucke  stammenden  französischen  Text  der  Hasan^niginica  im 
kleinen  Bändchen  ihrer  Übersetzungen  aus  Goethe  Poesiea  de  Goethe^ 
auteur  de  Werther ^  traduites  pour  la  premiere  fois  de  Pallemand 
par  M^  E,  Panckoucke  (Paris  1825)  gefunden  und  als  Anhang  zu 
dieser  Abhandlung  mitgeteilt    In  der  Zeitschrift  Le  Catholique  *)  habe 


1)  Guzla,  p.  310. 

S)  OvÄQA  »paHnycKe  6H6jinorpa*HJe  o  GpÖHMa  h  XpaaruMa  1544 — 1900. 
UpHÖpao  H  cpeAHO  HnKoia  G.  nerpoBEh.  EeorpaA  1900. 

9)  Oeuvres  de  Nodier,  Paris  1832,  t.  m,  p.  149. 

*)  Le  Catholique.  Publik  sous  la  direotion  de  M.  le  baron  d'Eckstein. 
Paris  1826. 


Prosper  M^rim^e's  Mystifikation  kroat  Yolkalieder.  57 

ich  aowoU  den  Aufsatz  Chants  du  peuple  serbe  als  anch  den  ganzen 
Jalnf^g  1826  dnrohgesehen,  nirgends  aber  eine  Übersetzung  der  £fa- 
9€Oh-aginica  finden  können.  Der  in  diesem  Jahrgange  enthaltene  Auf- 
satz Chants  du  peuple  serhe  erschien  ohne  Unterschrift  des  Verfassers 
nnd  war  dazu  bestimmt,  das  französische  Publikum  der  damaligen  Zeit 
auf  unsere  Yolkspoesie  aufrnerksam  zu  machen.  Der  Aufsatz  enthält 
aneh  einige  Übersetzungen  von  kleineren  Volksliedern  und  eine  ausf)Üu> 
liehe  Analyse  des  Qedichtes  Zenidba  Maksima  Cmojeviöa.  In  Tra- 
ductian  inidite  von  M"*  Belloc  in  Le  Globe  vom  Jahre  1827  sind 
etliehe  kleinere  und  größere  Volkslieder  übersetzt  —  bezüglich  der  Ballade 
von  der  Oattin  Hasan-Agas  aber  habe  ich  auch  mit  Globe  kein  besseres 
GlUek  gehabt  als  mit  Catholique  ^), 

Nach  der  Zeit  ihrer  Entstehung  wftre  die  jflngste  Übersetzung  der 
Hoean-aginica  diejenige  von  Dozon  in  Poesies  populatres  serbes  tra- 
duUes  sur  les  originauz  par  Auguste  Dozon,  chancelier  du  consulat 
fS^iml  de  France  ä  Belgrad  (Paris  1859).  Unter  allen  bisher  erwähn- 
ten franaösischen  Übersetzungen  ist  das  die  einzige,  die  ohne  Vermittlung 
Fortis'  zustande  kam  und  direkt  auf  dem  Original  beruht. 

Im  ganzen  wären  mir  also  bisher  fänf  französische  Texte  der  Ballade 
Ton  der  Oattin  des  Hasan-Aga  bekannt:  die  Übersetzung  aus  dem  Jahre 
1778  im  anonymen  Bemer  Voyage^  dann  die  Übersetzungen  Nodiers 
(1821),  Panckouckes  (1825),  M^rim^es  (1827)  und  Dozons  (1859). 

£s  wurde  schon  gelegentlich  hervorgehoben,  daß  Dr.  ÖurSin  in 
seiner  bereits  zitierten  Monographie  geneigt  ist,  die  Bemer  französische 
Übersetzung  Yon  Fortis'  Viaggio  aus  dem  Jahre  1778  hauptsächlich  auf 
die  deutsche,  1776  erschienene  Übersetzung  desselben  Werkes  zurflck- 
zuftbren.  Was  speziell  Hasan-aginica  anbelangt,  so  habe  ich  den 
Bemer  französischen  Text  mit  der  Übersetzung  Fortis'  und  mit  der  bei 
IGklofiich  abgedmckten  deutschen  Übersetzung  vom  J.  1775  (die  nach 
IGklofiiehs  Aussage  mit  dem  in  der  deutschen  Übersetzung  des  Fortis'schen 
Werkes  vom  J.  1776  enthaltenen  Texte  identisch  ist)  verglichen  und 
eigentlieh  wenig  Momente  gefunden,  die  direkt  auf  die  deutsche  Vorlage 
würden,  keineswegs  aber  absolut  überzeugend  sind: 


1)  Die  knapp  bemessene  Zeit  meines  Aufenthaltes  zu  Paris  gestattete  mir 
■iehty  weitergehende  Forschungen  anzustellen,  um  diese  Übersetzungen  un- 
serer Ballade  ausfindig  zu  machen  —  falls  sie  überhaupt  bestehen. 

5* 


68  '^-  ^ti<^) 

.  . .  del  genitore  Aaano 
Non  h  giä  qnesto  il  calpestio 

Es  sind  nioht  unsers  Vaters, 
nicht  Asans  Rosse 

...  068  chevauz  ne  sont  pas  ceux  de  notre 
p^re  Asan 

oder 
A  te  Salute 
Invia  la  giovineita  . . . 

Dich  grüßt  iie  junge  Wittib  .... 
. . .  liLjeune  veuve  te  salue. 
Vielleicht  dind  die  im  kroatischen  Texte  der  Hasan-aginica  im 
Bemer  Voyage  vorkommenden  Abweichungen  in  der  Schreibart  einzel- 
ner kroatischer  Worte  auf  die  deutsche  Bemer  Ausgabe  zurUckzufilhren, 
z.  B.  dworu,  welike  sramote.  Da  die  letztere  Ausgabe  mir  nicht  zugäng- 
lich war,  so  fehlt  mir  jeder  Anhaltspunkt  zur  Kontrolle  meiner  Ver- 
mutung. 

Es  gibt  dagegen  in  der  Bemer  französischen  Übersetzung  solche 
Stellen,  die  ganz  entschieden  auf  den  italienischen  Text  Fortis'  als  Vor- 
lage hinweisen :  Anche  la  sposa 

Sarebbev'  ita,  ma  rossor  trattienla. 
Die  Gattin  säumt  aus  Scham  zu  ihm  zu  kommen. 
.  .  son  6pouse  seroit  venue,  mais  la  pudeur 
la  retient 

oder 
Ma  %  di  lei  passi  frettolose,  ansanti 
Le  due  figlie  seguir  . . . 

Aber  ängstlich  folgten 
zwo  zarte  Töchter  ihrer  raschen  Mutter 
Ses  deux  filles  ^pouvant^es  suivent  ses  pas 
incertains 

oder 
Felicemente  giunsero  gli  Svati 
Sino  alla  casa  della  Sposa 
Zum  Haus  der  jungen  Fürstin  kamen  glücklich 
die  Suaten 

Les  Syati  arrivent  heureusement  ä  la 
maison  de  Vipouse, 


Prosper  M^rim^e'B  Mystifikation  kroat.  Volkslieder.  69 

Sonst  aber  geht  die  Bemer  firanzösische  Übersetzung  sehr  oft  eigene 
Wege,  so  daß  die  Fälle  gar  nicht  selten  vorkommen,  die  weder  anf  die 
italieniflche  noch  auf  die  dentsche  Vorlage  znrflckznfQhren  sind. 

Was  H.  Petrovid  nach  den  Informationen  A.  d'Avrils  in  seiner 
Bibliographie  sagt,  daß  die  Übersetzung  der  Hasan-aginica  von  Kodier 
kdneswegB  Beprodnktion  der  französischen  Übersetznng  Fortis'  sei  (es 
ist  darunter  offenbar  die  vom  Jahre  1778  zu  verstehen),  sondern  daß 
Nodier  wahrscheinlich  den  Originaltext  des  Gedichtes  in  den  Händen 
gehabt  habe,  ist  kaum  gerechtfertigt  Daß  der  Text  Nodiers  von  dem 
ans  dem  Jahre  1778  grundverschieden  ist,  ergibt  sich  schon  bei  der 
fiflehtigen  Liektfire  der  beiden  Texte,  und  daß  Nodier  auch  das  Original 
der  Ballade  vor  sich  hatte,  gebe  ich  gerne  zu,  denn  sowohl  in  der  Italic- 
nisehen  als  auch  in  der  französischen  Ausgabe  des  Vioffffio  war  der 
kroatische  Text  nebenan  abgedruckt  —  soviel  ist  aber  sicher,  daß  Nodier 
seine  etwaigen  Kenntnisse  des  Kroatischen  (die  übrigens  mindestens  sehr 
zweifelhaft  sind)  gar  nicht  dazu  benutzte,  die  Übersetzung  Fortis'  in  Bezug 
auf  die  treue  Wiedei^abe  des  Originals  zu  prüfen.  Im  Gegenteil,  an 
manchen  Stellen  erlaubte  er  sich  etwas  hinzuzufügen  oder  wegzulassen, 
ja  sogar  scheute  sich  nicht,  solche  Änderungen  vorzunehmen,  die  den 
Sinn  des  Gedichtes  bedeutend  ändern.  Im  Original  schreibt  der  Beg 
Pintorovid  auf  Wunsch  seiner  Schwester  einen  Brief  an  den  Kar- 
dija  von  Lnotski,  in  welchem  er  ihn  im  Namen  der  Hasan-Aginica 
bittet,  er  möge  ihr  einen  langen  Schleier  mitbringen,  damit  sie 
sich  verschleiern  könne,  um  am  Hause  des  früheren  Gemahls  vorüber- 
gehend, ihre  Waisen  nicht  zu  sehen.  Das  gefiel  nun  Nodier  nicht  und 
er  fühlte  sich  veranlaßt,  diese  Stelle  insofern  zu  ändern,  daß  bei  ihm  die 
Hasan-Aginica  ihren  Bruder  zwar  bittet,  er  möge  dem  Ka- 
dija  vom  Schleier  schreiben,  aber  er  soll  ihm  sagen,  daß  er 
dies  ohne  ihr  Wissen  tue.  Offenbar  war  es  Nodier  unbegreiflich,  daß 
die  Braut  am  Hochzeitstage  selbst  auf  irgend  eine  Weise  dem  Bräutigam 
leigoi  dürfte,  daß  sie  an  die  mit  einem  anderen  Gemahl  zugebrachten 
Tage  und  an  die  Kinder  aus  dieser  Ehe  so  sehr  denke.  Demgem&ß  wird 
von  Nodier  im  Briefe  des  Beg  Pintorovid  an  den  Kadija  von  Imotski  als 
der  erste  Grund,  aus  welchem  der  Beg  für  seine  Schwester  einen  langen 
Sehleier  verlangt,  nur  das  angegeben,  daß  sich  die  Braut  dadurch  über- 
haopt  den  Blicken  der  Neugierigen  entziehen  wolle.  Erst  an  der  zweiten 
Stelle  —  also  als  minderwertig  —  folgt  die  Bitte,  der  Kadija  möge  die 
Hoehzeitsgäste  aufrnerksam  machen,  gelegentlich  der  Rückkehr  einen 


70  T.  Matid, 

anderen  Weg  zu  wählen,  um  am  Hanse  des  Hasan-Aga  nicht  vorbeigehen 
zn  müssen,  damit  auf  diese  Weise  das  peinliche  Wiedersehen  der  Matter 
und  ihrer  Kinder  vermieden  werde.  Der  Bräutigam  willigte  ein  und  lud 
eine  Menge  vornehmer  Qäste  zur  Hochzeit.  Auf  dem  Rflckwege  aber 
verfehlten  die  Führer  der  Svati  den  Weg  (I?I)  und  kamen 
gegen  ihren  Willen  vor  das  Haus  des  Hasan-Aga.  Die  Kinder 
bemerkten  ihre  Mutter,  liefen  ihr  entgegen  —  und  jetzt  folgt  die  er- 
schütternde Schlußszene  ungefähr  so,  wie  sie  im  Original  erzählt  wird. 
Ob  dadurch  die  »Übersetzung«  wirklich  besser  und  schöner  geworden  ^), 
bezweifle  ich  sehr.  Die  Änderungen,  die  Nodier  auch  sonst  vornahm, 
sind  im  allgemeinen  von  sehr  problematischem  Werte,  so  daß  ich  seine 
Femme  d*Asan  vielmehr  fOr  eine  freie,  aber  mißlungene  Bearbeitung 
des  Textes  Fortis'  halte. 

Die  von  Nodier  vorgenommenen  Abänderungen  fallen  umsomehr 
auf,  als  in  der  bereits  erwähnten  Analyse  unserer  Ballade,  die  1813  im 
TiUgraphe  officiel  erschien,  gerade  der  Umstand,  daß  die  Hasan- 
Agmica  ihren  Bruder  bittet,  er  möge  für  sie  vom  Bräutigam  einen  langen 
Schleier  verlangen,  sehr  lobend  hervorgehoben  und  als  eine  Idee,  die 
eines  Yergil  oder  eines  Racine  würdig  wäre,  gepriesen  wird:  »Le  Beg 
ordonne  et  eile  ob^it;  mais  eile  met  ä  sa  d6f6rence  une  condition  admi- 
rablement  sentie,  et  teile  que  Yirgile  et  Racine  n'en  auroit  pas  d^daign^ 
Tidöe,  si  eile  s'6toit  pr^sent6e  ä  eux  dans  quelque  ciroonstance  analogue: 
£cris  au  juge  dlmoski,  dit-elle  ä  son  fr^re,  fais-lui  parvenir  ma  priäre; 

Lorsqu'il  viendra  me  chercher  pour  ^pouse, 

Accompagnd  du  peuple  et  des  seigneurs, 

Qu'il  sou&e  au  moins  que  je  reste  voil^, 

Pour  qu'en  passant  sous  la  maison  d^Asan, 

Je  me  d6guise  aux  yeux  de  ma  famille 

Qui  me  demande  et  qui  n'a  plus  de  m^rec. 

[Tel.  off.  1813,  p.  135.] 

Es  ist  zu  beachten,  daß  im  Oegensatze  zur  Übersetzung  in  Prosa  in 
der  Ausgabe  von  Nodiers  Werken  aus  dem  Jahre  1832  die  in  der  er- 
wähnten Analyse  vorkommenden  Zitate  aus  der  Hasan^aginica  in  zehn- 
silbigen  Versen  (»pentam^tres  blaues  c]  verfaßt  sind  und  daß  in  denselben 
der  Einschnitt  nach  der  vierten  Silbe  genau  beobachtet  und  sogar  theo- 
retisch hervorgehoben  wird:  »Quoique  la  c^sure  soit  g^neralement  peu 


1)  Cf.  Petrovids  Bibliographie,  p.  32. 


Prosper  M^iim^e^B  Mystifikatioii  kroat.  VolkBlieder.  ^  1 

Duiiqn^e  äans  la  pönale  myrique,  eile  est  id  fixäe  par  la  mesure  et  par 
le  ehant  apr^  le  deuxi^me  pied  comme  dans  notre  pentam^tre  frangoiB, 
et  il  n'j  a  paa  dans  tont  le  po^me  nn  seul  enjambemeiit  qni  contrarie 
eette  hypothöse«  (ib.  p.'  130).  Über  das  Zustandekommen  dieser  Über- 
setKong  selbst  wird  folgendes  gesagt:  tOomme  je  n'ai  point  entre  les 
inains  la  traduction  de  Fortis  qid  a  recneilli  ee  po^me,  j'y  suppl^rai,  non 
Sans  aide,  mala  par  nne  traduction  qui  sera  peut-^tre  plus  litt^rale,  oar 
je  eonaulte  pour  T^crire  une  personne  simple,  et  qui  rend  le  mot  pour 
mot  avec  une  verit^  dnergique  et  naivec  (ib.  p.  127). 

Auch  wenn  die  Complainte  de  la  noble  femme  cCAzan^Aga  von 
j^me  g  Panckouoke  nicht  unter  ihren  Übersetzungen  aus  Goethe  erschie- 
nen wftre,  würde  schon  der  Titel  des  Gedichtes  auf  den  Elaggeeang  von 
der  edeln  Frauen  des  Äsan  Aga  als  Quelle  hinweisen.  Überhaupt  — 
abgesehen  Yon  Dozon  —  sind  alle  französischen  Texte  dieser  Balladen 
Übersetsungen  aus  zweiter  Hand,  da  keine  einzige  unter  ihnen  unmittel- 
bar aufs  Original  zurflckgeftlhrt  werden  kann,  Torzugsweise  aber  gilt  dies 
Yom  Texte  der  Complainte^  die  eigentlich  eine  Übersetzung  aus  vierter 
Hand  wäre  (Fortis — Werthes — Goethe — Panckoucke).  Die  Übersetzerin 
gab  den  KJaggesang  frei  wieder,  dabei  aber  zeigte  sie  flir  das  Gedicht 
wQo^  Verständnis  und  kam  auf  den  unglllcklichen  Gedanken,  an  den 
SteQen,  die  ihr  in  Goethes  Klaggesang  unklar  oder  befremdend  yor- 
kamen,  erlftutemde  Zusätze  im  Texte  der  Ballade  selbst  hinzuzufflgen, 
beziehungsweise  Änderungen  Torzunehmen: 

Goethe :  Schamhaft  säumt  sein  Weib  zu  ihm  zu  kommen. 

Panckoucke:  Sa  femme,  retenue  par  une  timiditi  excesstve^ 

tarde  k  se  rendre  pr^s  de  loi. 

Goethe :  Stand  die  Treue  starr  und  voller  Schmerzen, 

Hört  der  Pferde  Stampfen  vor  der  Türe  . . . 

Panckoucke:  . . .  eile  tombe  ivanoute  de  doüleur,  Le 

bruit  d^un  cheval  qu'eUe  entend  luitfait 
recouvrer  Vusage  de  ses  sens  . . . 

Goethe :  Schweigt  der  Bruder,  ziehet  aus  der  Tasche, 

Eingehflllet  in  hochrote  Seide, 
Ausgefertiget  den  Brief  der  Scheidung  . . . 

Panckoucke:  Le  fr^re  se  tait  et  concentre  sa  fareur.  Pour  comble 

d*humiliat%onj  c^est  lui-mSme  qu^Azan^Aga 
a  Charge  de  la  lettre  de  Separation, 


72  T.  Mati6, 

Goefhe :         Das  beiseit  sah  Vater  Asan  Aga, 

Rief  gar  traurig  seinen  lieben  Kindern  . . . 

Panokoneke:  Azan-Aga,  qni  6tait  cach^,  ne  put  voir 

cette  sc^ne  tauchante  sans  en  etre  aUendri.   H 
commence  ä  se  repenür  de  Voutruge  qü*il  a 
faxt  ä  San  epause.  U  rappelle  ses  enfants: 
malgri  lux  sa  voxx  est  emue\  il  lenr  dit :  . . . 

Das  Yon  Goethe  beibehaltene  kroatische  Wort  »Snatena  (svati  = 
Hochzeitsgäste)  gibt  M*"*  Panckoncke  konsequent,  aber  dnrchans  falsch 
dnrch  vesclayesc  wieder  —  die  stolzen  Hochzeitsgftste  des  Kadija  von 
Imotski  sind  also  bei  ihr  zn  einer  Sklayenschar  geworden  [cf.  »les  sdg- 
nenrs  Svatic  in  Voyage  und  «tes  (sc«  ELadijas)  amist  oder  »les  Svati  qui 
condnisent  le  cort^e  nnptial«  bei  Nodier]. 

Schon  in  der  ersten  Ausgabe  der  Gmla  rflhmt  M€rim6e  seiner 
Triste  btülade  de  la  noble  Spouse  d^AsanrAga  ^)  Treue  in  der  Wieder- 
gabe des  Originals  nach :  » Yenant  apr^s  lui  (sc.  Fortis)  je  n'ai  pas  U 
Prätention  d'avoir  fait  aussi  bien;  mais  seulement  j'ai  fait  antrement. 
Ma  traduction  est  litt^rale,  et  c'est  lä  son  seul  m^rite«  ').  In  der  späteren 
Ausgabe  hebt  der  Autor  gegenüber  der  offenherzig  zugegebenen  Unecht- 
heit  der  flbrigen  Gedichte  der  Guzla  die  Echtheit  der  Triste  bailade 
hervor:  »Cette  bailade,  si  remarquable  par  la  d^licatesse  des  senliments, 
est  v^ritablement  traduite.  L'abb^  Fortis  en  a  publik  ^original,  aecom- 
pagn6  d'une  traduction,  ou  plutöt  d'une  Imitation  en  vers  Italiens.  Je 
crois  ma  version  litt^rale  et  exacte,  ayant  6t6  faite  sous  les  yeux  d'nn 
Busse  qui  m'en  a  donn^  le  mot  ä  mot«  ^). 

Um  die  Stelle,  welche  Mdrim^  Triste  bailade  unter  den  ihr  yor- 
ausgegangenen  französischen  Obersetzungen  und  Bearbeitungen  dieses 
Gedichtes  einnimmt,  zu  präzisieren,  werde  ich  die  markantesten  von  mir 
wahrgenommenen  Stellen  im  Texte  M^rim^  (M)  und  die  entsprechen- 
den bei  Fortis  (F)  und  dem  anonymen  französischen  Übersetzer  des 
Viaggio  (A)  parallel  anführen  und  mit  dem  Original  vergleichen.  Ich 
habe  mich  dabei  unter  den  französischen  Texten  bloß  auf  Bemer  Voyage 
deshalb  beschränkt,  weil  nur  dieser  Text  als  eine^  Übersetzung  Fortis' 


1)  Der  Anfang  dieser  BaUade  wurde  auch  von  Puikin  übersetzt  (bloß  die 
ersten  13  Verse),  diese  Übersetzung  aber  ist  entschieden  nicht  auf  M^rim^e, 
sondern  vielmehr  aufs  Original  zurückzufahren. 

>)  Guzla,  p.  307.  1  Ib ,  p.  309—310. 


ProBper  M6rim6e'6  Mystifikation  kroat.  Volkslieder.  73 

gelten  kann  nnd  die  übrigen  zwei  Texte  (die  Bearbeitnng  des  Fortis'Bclien 
Textes  Ton  Nodier  nnd  die  freie  Wiedergabe  des  Klaggeaanges  von 
Panekoneke)  ftir  unseren  Zweck  ohne  besondere  Bedentong  sind.  Nun 
Usae  ich  die  Parallelstellen  folgen : 

1.  Ne  öekaj  me  n  dvom  bilomn. 

F:   Non  aspettarmi  nel  mio  bianco  cortil. 

A:  Ke  m'  attends  pas  dans  ma  maison  blanche. 

M:  Ne  me  regarde  pas  dans  ma  maison  blanche. 

2.  A  dve  <5ere  n  mmena  Kca. 

F:  E  delle  dne  fancinlle  i  rosei  volti. 
A:  Et  leBjaues  de  rose  de  ses  denx  filles. 
M:  Et  la  bouche  vermeiUe  de  ses  denx  filles. 

3.  Ali  heie  ne  hajase  nista. 

F:  n  begh  non  bada  alle  sne  yooi. 

A:  Le  Beg  ne  fait  point  attention  ä  ses  priores. 

M:  Ali-bey  ne  l'^conte  point. 

4.  Za  &om  trin  dve  dere  diyojke. 

F:  Ma  i  di  lei  pasüfrettolosej  amanti  le  dne  figlie  segnir. 
A:  Les  denx  filles  epouvanties  snivent  ses  pas  incertains. 
M:  Mais  ses  denx  filles  ont  snivi  ses  pas. 

5.  Nije  ovo  babo  Asan-ago, 
Ye6  daiga  Pintorovic^beie. 

F: del  genitore  Asano 

Non  h  giA  qnesto  il  calpe8tio\  ne  viene 

n  tuofratelloj  di  Pintoro  il  figlio. 
A:  Ces  chetaux  ne  sont  point  cenx  de  notre 

pere  Asan\  c'est  ton  frhre^  le  Beg  Pintorovich 

qni  yient  te  voir. 
M:  Co  n'est  point  noite  phre  Asan-Aga, 

c'est  notre  ancle  Pintorovich-bey. 

6.  Kaduna  sc  bratn  S7omn  moli. 
F:  Fregti  piagnendo  ella  il  fratel 

A:  D'nne  vaix  plaintive  eile  dit  alors  ä  son  fröre. 
M:  La  dorne  implore  son  fröre. 

7.  Jos  kadnna  bratn  se  mo}ase, 
Da  Aoj  piie  listak  bile  k£ige, 
Da  Je  iafe  imoskom  kadiji: 
»DiTOJka  te  lipo  pozdravlase 


74  T.  Matid, 

F:  Allor  di  nnovo  ellapregö:  »Deh  almeno 
j{Poichd pur  cosi  vuoi)  manda  d'  Imoski 
,A1  oadi  un  bianoo  foglio.   A  te  salute 
,  In  via  la  giovinetta  .... 

A:  Alors  eile  prie  de  nonvean:  Puisque  tu 
veux  absolument  me  marier^  envoie 
au  moins  une  lettre  en  mon  nom  an 
kadi,  et  dia-lui:  la  jenne  yenve  te  salne  . . . 

M:  Elle  Ini  fait  eneore  une  demi^re  priöre: 
qü^il  envoie  au  moins  une  blanche  lettre 
au  cadi  dlmoski,  et  qu'il  lui  dise: 
»La  jeune  dame  te  salue  .... 

8.  Oospodu  je  svate  pokupio, 
Svate  kupi,  grede  po  diyojku. 

F: ei  raccolse 

Tutti  gli  svati,  e  pella  sposa  andiede, 
H  lungo  velo  cui  chiedea  portando. 

A:  Le  kadi  assemble  sur-le-champ  ses 
seigneurs  Svati  pour  chercher  son 
6pou8e  et  pour  lui  porter  le  long 
voile  qtCelle  demande. 

M:  II  rassembla  les  nobles  Svati. 

9.  Svoju  dien  lipo  darovala. 

F:  Ed  ella  porse  alla  diletta  prole 

I  doni  suoiy  scesa  di  sella] 
A:  Elle  descend  et  offire  des  pr^sens  ä  ses  enfans. 
M:  Et  eile  donna  des  cadeaux  ä  ses  enfants. 
10.       Da  uzim}e  potpuno  vinSa&e 

Da  gre  s  Atme  maj'ci  u  zatrage. 
F: ond'  eUa 

Ricoronarsi  pienamente  possa, 

Dopo  che  avrä  con  luifatto  ritomo 

Alla  casa  tnatema, 
A:  .  .  .  qui  pennet  k  sosur  de  se  couronner 

pour  un  nouveau  mari,  apres  qu^elle 

sera  retournee  dans  la  maison  de  ses 

pires. 
M:  Maintenant  eile  pourra  reprendre  la 


ProBper  H4rim6e's  Mystifikation  kroftt  VolkBlieder.  75 

Gonroime  de  mari6e;  aussitöt  qu^elle 
aura  revu  la  demeure  de  sa  m^e. 

1 1.  Ye6  je  bratac  sa  rnke  üzeo. 
I  jedva  je  sinkom  rastavio. 

F: Seoo  la  trasse 

H  sißvero  fratello  a  viva/orza, 
A:  Le  sev^e  Beg  l'en  arraehe,  rentratne 

avecyarce. 
M:  ^nfr^e  sanspitU  l'arrache  ayee  peine 

ä  Bon  enfanl 

12.  Dag  potk|nvac  nosi  na  divojka; 
Kada  bnde  agi  mimo  dvora, 
Nek  se  vidi  Birotice  syoje. 

F:  Un  longo  yelo  tn  le  rechi,  ond'eüa 

Passa  da  capo  appid  tuita  ccprirn, 

Qnando  dinanzi  alla  magion  d'Asano 

Passar  d'  nopo  le  sia,  n^  veder  deggia 

I  cari  figli  abbandonati. 
A:  ...  de  Ini  apporter  nn  volle,  avec  lequel 

eUepuisse  se  cauvrtr,  afin  qn'en  passant 

deyant  la  maison  d^Asan,  eile  ne  yoie 

pas  ses  enfans  oiphelins. 
M:  Apporte  k  ta  fianc^e  nn  long  yoile  qui  la 

cauvre  iout  entüre^  afin  qn'en  pasBant 

deyant  la  maison  de  l'aga,  eile  ne 

yoie  pas  bob  orphelinB. 

13.  A  to  gleda  jnnak  Asan-ago. 

F:  Tntto  in  disparte  il  dnce  ABan  yedea. 
A:  Asaa  yojant  €le  hin  eette  Bo^ne. 
M:  Asan-Aga  a  tont  yn,  retire  ä  rScart 

Es  ^  alBo  Stellen,  wo  die  Überaetznng  M^rim^B  Abweiohnngen  yom 
Originale  anfweist,  die  schon  bei  FortiB  (nnd  dem  AnonymnB]  zn  konBtatie- 
len  Bind  (cf.  1 0 — 1 3)  —  was  für  ans  gar  nicht  befremdend  ist,  da  wir  wissen, 
daß  Fortis  anch  sonst  yon  Mdrim^  als  Qnelle  benutzt  wnrde.  Es  kommen 
lue  imd  da  FftUe  yor,  daß  Fortis  (nnd  der  Anonymas)  dem  Originale  tren 
bleiben,  M6rim^  dagegen  ganz  falsch  übersetzt  (cf.  1 — 3).  Im  Briefe 
des  Hasan-Aga  heißt  es  »ne  Sekaj  mec,  Fortis  nnd  der  Anonymos  haben 
gaas  richtig  »non  aspettarmi«  nnd  »ne  m'attends  pas«,  M^rim^  dagegen 


76  T.  Matiö, 

»ne  me  regarde  pas«.  Diese  Stelle  ist  meines  Eraehtens  auf  M^rim6es 
lückenhafte  Kenntnisse  des  Italienischen  zorttckzuführen :  er  hat  oflfenbar 
das  italienische  aspettar  (warten)  mit  dem  französischen  Worte  aspect 
(der  Anblick)  in  Znsammenhang  gebracht  nnd  folglich  dnrch  regarder 
(schauen)  übersetzt.  Als  Hasan- Aginica  beim  Abschiede  ihre  Töchter 
küßt,  heiJßt  es  im  E^roatischen  »u  mmena  lica«;  M^rim^e  übersetzt 
»bonchevermeilleff,  obwohl  Fortis  nnd  der  Anonymus  ganz  richtig  »i  rosei 
Yolti«  bezw.  »les  joues  de  rose«  haben.  Das  ist  jedenfalls  eine  willkürliche 
ümftndemng,  die  dem  Übersetzer  vielleicht  in  die  ganze  Situation  besser 
zu  passen  schien.  Ein  Mißverständnis  dagegen  ist  es,  wenn  Märim^  den 
kroatischen  Vers  »Ali  beie  ne  hajase  nistacr  —  "»Ali-hey  ne  l'6coute 
pointff  übersetzt  (F:  II  begh  non  bada.  A:  Le  Beg  ne  fait  point  d'atten- 
tion).  M6rim^  hielt  also  in  dem  bei  Fortis  nebenan  abgedruckten  Ori- 
ginaltexte das  kroatische  Wörtchen  ali  (aber),  das  am  Anfange  des  Verses 
mit  einem  großen  Buchstaben  geschrieben  ist,  fOr  den  muhammedanischen 
Personennamen  Ali  i). 

Was  ist  aber  mit  den  Fftllen  (4 — 9),  wo  M^rim^e  trotz  der  unrich- 
tigen Übersetzung  Fortis^  und  des  Anonymus  dennoch  dem  Originale 
treu  bleibt?  Darf  man  da  M6rim6es  Worten  in  der  zweiten  Ausgabe 
seiner  Guzla  Glauben  schenken  und  annehmen,  daß  ihm  bei  der  Über- 
setzung ein  Russe  behilflich  war,  der  ihm  den  kroatischen  Text  Wort 
für  Wort  erklärte  (»qui  m'en  a  donn6  le  mot  ä  mota)  ?  Aus  dem  voran- 
gehenden Vergleich  des  Originals  mit  Fortis,  dem  Anonymus  und  M6rim6e 
ergibt  sich  meines  Eraehtens  mit  Bestimmtheit,  daß  der  vorauszusetzende 
Gewährsmann  M^rim^es  die  kroatische  Sprache  nicht  vollkommen  be- 
herrschte. Das  tritt  noch  deutlicher  hervor,  wenn  man  M^rim^es  Über- 
setzung der  Triste  hailade  mit  der  Wiedergabe  von  EaSi<58  Mihi  Ko- 
biliö  yergleicht,  wo  man  Sorgo,  also  einen  guten  Kenner  der  kroatischen 
Sprache,  als  Batgeber  M^rim^s  anzunehmen  berechtigt  ist:  in  ISiloi 
Kobiliö  sind  für  die  treuere  Übersetzung  des  Originals  im  Vergleich  mit 
Fortis  und  Herder  zahlreiche  und  augenscheinliche  Beweise  da,  während 
wir  in  der  Triste  Ballade  nur  hier  und  da  mehr  oder  weniger  stichhaltige 
Anhaltspunkte  dafür  haben.  Dieser  umstand  würde  also  mit  der  Angabe 
Mörim^,  sein  Gewährsmann  sei  ein  Russe,  also  ein  Slave  gewesen,  der 

1)  Diese  Lesart  wäre  nicht  an  und  für  sich  absolut  unmöglich,  aber  da 
müßte  man  annehmen,  daß  der  Bruder  der  Hasan-Aginica,  während  er  sonst 
immer  Pintoroviö-Beg  heißt,  einzig  und  allein  an  einer  Stelle  auf  einmal  Ali- 
Beg  genannt  würde. 


Prosper  M^rim^e's  Mystifikation  kroat.  Volkslieder.  77 

ohne  Yorangegangene  besondere  Studien  mit  Hilfe  seiner  Muttersprache 
den  kroatiBchen  Text  der  Ballade  nur  halbwegs  verstehen  konnte,  voll- 
kommen übereinstimmen.   Ein  solcher  Gewährsmann  hätte  M6rim6e  leicht 
iirefilhren  können,  sich  von  Fortis  und  Anonymus  auch  dort  zu  ent- 
fernen, wo  diese  das  Original  treu  wiedergegeben  hatten  —  was  M^rim^e 
an  zwei  oder  drei  Stellen  wirklich  getan  hat.    Ich  möchte  aber  noch  auf 
eine  in  dem  bekannten  Briefe  Mdrim^es  an  Sobolevskij  enthaltene  und 
von  der  Darstellung  in  der  Vorrede  zur  zweiten  Ausgabe  der  Chizla 
etwas  abweichende   Äußerung  M6rim^  über  die   Entstehung  seiner 
Triste  bdllade  aufinerksam  machen,  durch  welche  sich  die  in  Bezug  auf 
M^inm^s  Obersetzung  dieser  Ballade  soeben  hervorgehobenen  Tatsachen 
Tieüeicht  noch  besser  erklären  ließen.    M^rim^e  äußert  sich  im  Briefe 
folgendermaiSen :  »Je  me  donnai  une  peine  infinie  pour  avoir  une  tra- 
duetion  litt^rale  en  comparant  les  mots  du  texte,  qui  6taient  r6p6t^s, 
ivec  l'interpr^tion  de  l'abb^  Fortis.    A  force  de  patience,  j'obtins  le 
mot  i  moty   mais  j'^tais  embarrass^  encore  sur  quelques  points.    Je 
nCadressai  ä  tm  de  mes  amü^  qui  sait  le  russe.    Je  lui  lisais  le  texte 
en  le  pronon9ant  ä  Titalienne,  et  il  le  comprit  presque  enti^ementa 
£s  ist  leicht  möglich,  d&ß  dieser  Freund  Jean-Jacques  Ampere  war.    In 
der  Vorrede  znr  zweiten  Ausgabe  der  Guzla  bezeichnet  M^rimöe  gerade 
Ampere  als  denjen^en,  der  gemeinsam  mit  ihm  auf  den  Gedanken  unserer 
Mystifikation  kam:   zuerst  wollte  man  eine  Beschreibung  einer  nur  in 
Phantasie  unternommenen  Reise  von  Venedig  über  Triest  und  dann  längs 
der  adriatischen  Küste  bis  Ragnsa  schreiben,  später  aber  ließ  man  diesen 
Plan  fallen,    und  Ampere   soll  M^rim^  übertragen  haben  (»m'avait 
eharg^a),  ülyrische  Volkslieder  niederzuschreiben  und  herauszugeben.  Im 
Briefe  an  Sobolevskij  nun,   wo  M6rim6e  von  diesem  phantastischen 
Reiseplan  erzählt,  erwähnt  er  Ampere  nicht  mit  dem  Namen,  sondern 
8^;t  bloß  »un  de  mes  amis  et  moi  avions  formd  le  projet  de  faire  un 
Toyage  ...c  —  bezeichnet  also  Ampere  als  >un  de  mes  amis«  und  gerade 
80  nennt  er  in  demselben  Briefe  einige  Zeilen  weiter  auch  seinen  Ge- 
währsmann, der  ihm  bei  der  Übersetzung  der  Triste  baUade  behilflich 
war.  Diese  Übereinstimmung,  an  und  fiir  sich  genommen,  würde  nichts 
sagen,  wenn  wir  aber  die  engen  Beziehungen,  in  welchen  Ampere  über- 
luiupt  zur  Entstehung  der  Gtula  stand,  in  Betracht  ziehen,  so  kann 
imsere  Vermutung  jedenfalls  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit  für  sich  in 
Anspruch  nehmen.   Daß  anderseits  Ampere  unter  »un  de  mes  amis  qui 
uit  le  russe«  gemeint  werden  konnte,  ergibt  sich  auch  aus  der  Be- 


78  T.  Matid, 

leiohnimg,  die  M€rim6e  ebenfalls  in  der  Vorrede  der  zweiten  Ausgabe 
der  Guzla  im  engsten  Zusammenhange  mit  der  Erzählung  Aber  das  Zu- 
standekonmien  der  Mystifikation  seiner  illyrischen  Volkslieder  ftir  seinen 
Freund  verwendet:  »...Ampere  qui  sait  toules  les  langnes  de  TEurope...« 

Tomo  Matid. 

Nachtrag.  Als  die  vorliegende  Abhandlung  bereits  im  Drucke 
war,  erhielt  ich  durch  einen  glflcklichen  Zufall  das  Buch:  »Voyage  en 
Bosnie  dans  les  anndes  1807  et  1808.  Par  M.  Am6d^  Chaumette-des- 
Foss^Sy  membre  de  plusieurs  acad^ie  et  sociöt^s  savantes;  Chevalier 
de  Tötoile  polaire;  ancien  consul  de  France  en  Norv^,  Su^de,  Prusse, 
Turquie;  ancien  redacteur  au  dipartemeni  des  affaires  etrang^es; 
autrefois^  chancelier  du  consulai-giniral  de  Bosnie^  etc.  ete.  Paris 
1822 f.  Das  Buch  zerfiült  in  drei  Teile:  £tat  physique  (physikalische 
Geographie  Bosniens;  p.  1 — 17),  £tat  politique  (Geschichte,  Altertümer, 
politische  Geographie,  Bevölkerung,  Sitten  und  Verwaltung  Bosniens; 
p.  19—124)  und  Commerce  (p.  125 — 142). 

Wie  bereits  erwähnt  wurde,  hat  M^rim^e  im  Briefe  an  Sobolevsky 
als  seine  Quelle  neben  Fortis  »une  petite  brochure  d^un  consul  de 
France  ä  Banialoukaa.  angegeben.  Wenn  man  nun  den  an  der  Spitze 
des  zweiten  TeUes  des  Voyage  en  Bosnie  sich  befindenden  kurzen  Über- 
blick der  bosnischen  Geschichte  (Precis  de  Vhistoire  de  Bosnie)  mit  der 
Erzählung  M6rim6es  Aber  den  Fall  des  bosnischen  Königreiches  (im  An- 
hange zur  Ballade  La  mort  de  Thomas  II,  roi  de  Bosnie,  Guzla  p.  1 5  5 ; 
cf.  auch  Archiv  fOr  slav.  Phil.  XXVUI,  p.  348)  vergleicht,  so  ergibt  sich 
wohl  mit  Bestimmtheit,  daß  M^rim^e  seine  Kenntnisse  Aber  die  letzten 
Tage  der  bosnischen  Freiheit  aus  diesem  Buche  schöpfte.  Bei  Ohaumette 
heißt  es:  i.  . .  Thomas  fut  assassin6e  par  ses  deux  fils  naturels,  £tieniie 
et  RadivoY.  £tienne fut  couronn^  sous  le  nom  d'£tienne  Tho- 
mas II RadivoY,  se  voyant  exdu  du  tröne,  r^v61a  le  crime  du  roi 

et  le  sien L'^v^que  de  Modrussa,  l^gat  apostolique  de  la  coiir 

de  Rome  en  Bosnie,  persuada  k  Thomas  11  qu'il  devait  cesser  de  payer 

aux  Turcs  le  tribut Le  roi,  contraint  k  se  r^fagier  dans  la  for- 

teresse  de  Kloutch,  y  fut  assi^g^ II  ötait  räduit  k  reztr^mit^, 

lorsque  Mahomet  lui  offrit  la  paix  .  .  .  sous  la  condition  de  lui  prdter  le 
serment  de  fid^t^  et  de  lui  payer  l'ancien  tribut ....  Thomas  .  .  .  se 
rendit  au  camp  de  Tempereur  ottoman  ....  [Der  König  wollte  nicht 
zum  Islam  übertreten]  ....   Apr^s  avoir  6t6  ^corch^  vif,  on  le  lia  ii  nn 


Prosper  H6rim6e'8  Mystifikation  kroat.  VolkBÜeder.  79 

piea,  oü  il  servit  de  bat  aux  flaches  des  Tnrcs«.  Wie  man  sieht  (cf. 
Arddv  f.  alay.  PML  XXIX,  p.  57),  hat  M6rim^  nicht  bloß  einzehie 
Ansdraeke,  sondern  yielfach  selbst  ganze  Sfttze  ans  der  Erzählung  Chan- 
mettes  wortgetreu  fibemommen.  Anoh  M^rim^ee  »Bogon-Mili  (agrtebles 
ä  Dien) «  stammen  aas  dem  Voyage  en  Bosnie, 

Geograpiache  Daten  Aber  Kroatien  dagegen  hat  M^rim^e  aas  diesem 
Buche  nicht  schöpfen  können  (cf.  Archiv  f.  slav.  Phil.  XXVm,  p.  348). 


Beilagen. 
!• 

Le  ver  luisanL 

jy  Ignaiio  GiorgL 

[Tä^graphe  officiel,  No.  49,  dimanche  20  join  1813;  Po^sies  illyriennes, 

4earticle.]i) 

Tai  esaaj^  de  pronyer  qae  le  po^te  Dalmate  connoissoit  bien  les 
grands  ressorts  da  path^tiqae ;  je  montrerai  ane  aatre  fois  dans  l'examen 
de  la  belle  Osmanide  de  Gondola  qai  me  prendra  plasiears  artides, 
qn'il  n^ignore  pas  les  secrets  le  plas  heoreax,  les  combinaisons  les  plas 
ingdmeases  dont  ane  longae  habitade  et  goüt  exerc6  poissent  enseigner 
Tiuage,  et  qae  son  brillant  natarel,  favoris^  par  de  bonnes  Stades,  a  pa 
s'fleyer  k  toates  les  merveilles  de  l'£pop^e.  En  revanche,  on  n'attend 
gii^res  de  lai  peat-^tre,  les  graces  de  Vanacreontismej  ces  Images  fraf- 
ehes,  ces  peintares  d^licates,  cette  flear  exqaise  et  ind^finissable  de  sen- 
timent,  qai  semblent  exclnsivement  r^erv^  aax  lieax  oü  la  soci6t^ 
iioiit  avec  le  plas  d'6clat  et  aax  ^oqaes  les  plas  perfectionn^s  de  la 
civflisation.  Anssi  n'est-ce  point  parmi  les  po^tes  primitifs  de  la  nation 
qii^il  fant  chercher  des  exemples  de  ce  genre,  mais  chez  ceax  dont  le 
commerce  des  aatres  peaples  et  T^tade  des  littöratares  dassiqaes  ayoient 
enriehi  le  g6nie,  et  qai  semblent  n'avoir  ambitionn^  la  conqa^te  de  ce 
prMeax  batin  de  pens^  et  d'images  qai  oment  lears  po^sies  qae  poar 
en  faire  hommage  aax  mases  slaves.  De  ce  nombre  est  Ignazio  Giorgi, 
anteor  de  la  celebre  chanson  da  Ver-luisant.  II  est  probable  qae  la 
plnpart  de  mes  lectears  connoissent  d^jä  cette  jolie  ode  anacr^ontiqae, 
an  moins  sar  Td^ante  tradaction  italienne  de  M.  le  doctear  Stalli,  qai 
en  donne  ane  id^  fort  jnste,  qaoiqae  le  qaatrain  original  y  seit  delay^ 

1}  In  der  Lyieal-Bibliothek  za  Laibaoh. 


80  T.  Matic, 

en  six  Fers,  ce  qni  n'est  tontefois  pas  nn  d6fant  dans  cette  espäoe  de 
petit  po^me  qni  doit  Bon  charme  k  Tabondance  et  ä  ragr^ment  des  d6- 
tails  plntdt  qa'ä  lenr  pr^cision.  Je  ne  crois  pas  qn^elle  ait  €t6  jnsquHci 
tradnite  en  fran^ois,  et  il  7  a  de  bonnes  raisons  poor  qu'elle  seit  encore 
k  tradnire  apr^s  ma  tradnction.  Je  ne  me  dissimnle  pas  d'aillenrs  qn'on 
ne  pent,  sans  nnire  beanconp  k  l'effet  g^n^al  des  id^es  vives,  l^örea, 
gracienses,  dont  Tode  anaer^ontiqne  se  compose,  les  sonmettre  k  la 
marche  r^gnli^re,  k  la  constrnction  sans  monyement,  an  coloris  sans 
cbalenr  d'nne  prose  langnissante.  C'est  en  vers  qn'il  fant  tradnire  les 
po^tes  et  snrtont  les  poätes  de  ce  genre,  qnand  on  ose  les  tradnire.  Si  je 
hazarde  cette  foible  version  c'est  donc  dans  la  senle  esp^ranoe  qn'elle 
ponrra  procnrer  k  Glorgi  de  plns  henrenx  interpr^tes,  et  qnWe  voix 
mienz  inspir^e  Ini  prötera  nn  jonr,  dans  ma  langne,  des  accens  plna 
dignes  de  Ini. 

D6jä  Thnmide  nnit  ^tendoit  le  vaste  essor  de  ses  alles  silenoienses, 
et  les  ^tolles,  complices  de  l'amonr,  commen^oient  k  former  en  cercles 
Inminenx  le  choeur  de  lenrs  danses  divines. 


Je  conrs  k  la  demeure  de  la  belle  qne  j'aime.  Elle  m'entend,  mala, 
rebelle  k  mes  ycenx,  eile  se  contente  de  me  jeter  nn  billet,  trop  foible 
rem^de  k  Tardenr  qni  me  consnme. 


Mon  ame  impatiente  d6sire  en  vain  de  connottre  le  coenr  et  les  pro- 
jets  de  ma  bien-aim^e;  j'erre  au  milien  des  horrenrs  de  la  nnit,  et 
l'avengle  et  cmelle  obscnrit6  me  d^fend  cette  consolation. 


Qnel  seconrs  pnis-je,  b^las,  esp^rer?  Cinthie  n'a  pas  encore  d^ 
ploy^  sa  brillante  chevelnre  d'argent  snr  le  sommet  des  rochers  voisins. 
Les  astres  dn  ciel  brillent  trop  61oign^  de  mes  yenx. 


Le  d6sir  de  lire  ces  chiffres  myst^rienz  de  Tamonr  me  brüle  d'nne 
ardenr  si  d^vorante  qne  j'implore  ponr  les  6clairer  jnsqn'anx  triples  fenx 
de  la  fondrel 

Qni  le  croira?  Entre  qnelqnes  foibles  brins  d'herbe,  monill^s  du 
bronillard  de  la  nnit,  s^offre  k  mes  yenx  nn  petit  insecte  ail6,  snr  qni 
tremble  nne  donce  Inmi^re  qni  le  convre  tont  entier  de  reflets  dor^s. 


ProBper  M^rim^e's  Mystifikation  kroat  Volkslieder.  81 

Je  saiais  d'ime  maiii  avide  rinsecte  qni  m'est  si  pr^ieux,  et  dana 
lequel  l'amour  fayorable  me  fait  tronver  le  flambeau  qn'imploroit  mon 
impatieiice. 

Les  blancs  rayons,  semblables  k  la  petite  laeur  d'an  cr^puscnle  qni 
a'^tomt,  ^elairent  tour-ä-tonr  chaque  ligne  da  billet  de  ma  belle,  et  aaenn 
des  traits  d^cats  qne  ses  doigts  ont  form^  n'öchappe  k  mes  yeuz  ravis. 


Graees  soient  rendnes  k  ta  bienfaiBante  favenr,  Atolle  amie  des  pr68, 
tendre  et  brillante  Ittciole,  de  tons  les  animanx  le  plus  ddlicat  et  le  plus 
gracienx,  viye,  Celeste,  ineztingüible  ^tmcelle  des  flambeanx  de  l'amonr. 


Gomment  contenir  ma  joie  et  cacber  tes  bienfaits,  charmante  laciole 
ul6e^  qni  n'as  pas  mepris6  ma  donlenr,  et  qni  as  rendn  le  repos  a  nn 
amant  agit^? 

Lorsque  le  soleil  se  conche,  o  luciole  honneur  de  V6i6j  U  te  laisse 
derri^re  lui;  ta  es  nn  atome  de  son  immortel  ^clat;  tu  es  Tamonr  de 
tootes  les  plantes  et  les  d^ces  de  tontes  les  flenrs. 


La  splendenr  de  Por  est  anpr^s  de  toi  pdle  et  n^bnleuse.  üne  ^tin- 
Celle  tr^viye  est  enfermde  dans  ton  sein,  et  brille  an  dehors  d'nne  In- 
mi^re  diaphane  et  flottante  semblable  anx  fenx  des  escarbonoles  de  l'Inde, 


Omement  noctnme  des  fratcbes  vall^es,  tn  yoles  qnand  le  jonr 
s'enfoit^  Image  d'nne  yierge  amonrense,  qni  marche  et  briUe  k  trayers  les 
t^^bres  Sans  yoile  et  sans  omemens. 


Ah  pnisses-tn  jonir  de  tontes  les  yolnpt^s  qne  la  natnre  te  doit  et 
qne  ta  pr^f^res  parmi  les  antres !  En  r6compense  dn  bien  qne  tn  m'as 
fait,  pnissent  les  prairies  et  le  ciel  ne  manqner  jamais  ponr  toi  de  miel 
et  de  roB^! 

2. 

La  Luciole.  Idylle  de  Oiorgi. 
[Oenyres  de  Charles  Kodier,  Paris  1832;  t  m,  p.  163.] 

Le  po^me  est  intitnl^  dans  original:  Syjetgnack,  nom  illyrien  de 
la  Ladole,  oa  yer-lnisant  ail^,  qni  y  est  d^rite,  seien  moi,  ayeo  an 
ehanne  ineomparable. 

IrehiT  Ar  «laTMeke  Philologie.    XXIX.  6 


82  T.  Matid, 

Oiorgi  est  l'Anaor^on  des  Morlaqnes.  La  lectnre  des  clasBiqnes  et 
la  fr^qnentation  des  villes  ont  imprim^  k  son  style  qaelqne  chose  de  la 
recherohe  brillante,  de  l'enthonsiasme  hyperboliqne  des  Italiens  ses 
Foisins.  C'est  ce  qne  je  n'ai  pas  vonln  dissimnler  dans  ma  foible  imita^ 
tion.  Teile  qn'elle  est,  la  Lnoiole  de  Oiorgi  me  parott  digne  cependant 
de  sontenir  la  comparaison  avec  le  Sphinx  de  Madame  de  EJrndener  et  la 
Violette  de  Goethe. 

L'original,  qne  j'ai  tir6  des  savans  M^moires  d'Appendini  snr  les 
antiqnit^  de  Ragnse  et  la  litt^ratnre  illyrienne  est  sonvent  cit^  comme 
antorit^  classiqne  dans  rnlile  dictionnaire  italien-iUyriqne  du  P.  Ardelio 
della  Bella.  Voy.  Lucciole  o  Lncciola,  pag.  80,  tom.  2. 

Le  po^me  slave  est  divis^  en  qnatrains,  la  senle  tradaction  ita- 
lienne  qne  je  connoisse,  en  sixains.  J'ai  marqn6  par  nn  filet  la  division 
des  strophes. 

La  Luciole. 

D6jä  l'hnmide  nnit  d^ploie  le  vol  immense  de  ses  alles  silencienaes, 
et  le  choBur  myst^rienx  des  astres,  eomplices  des  tendres  larcins  de 
Tamonr,  commence  nne  danse  magiqne  dans  les  plaines  da  ciel. 


Moi  qni  ne  pense  qn'ä  ma  belle,  je  profite  de  robscnrit^  nuBsante 
ponr  me  glisser  k  travers  les  ombres  de  la  maison  qn'elle  habite.  De 
son  balcon,  descend  k  l'eztr^it^  d'nn  fil  de  soie  nne  fenille  blanche  qne 
le  yent  balance.   H61as!  j'esp^rois  davantage. 

L'impatience  de  reconnottre  an  moins  dans  ce  bUlet  les  pens^  de 
Celle  qne  j'aime  fait  palpiter  et  fr^mir  mon  ccsnr ;  mais  la  nnit  s'est  ob- 
Bcnrcie  de  plns  en  plns,  et  dans  la  profondenr  de  ses  t^öbres,  je  de- 
mande  en  vain  an  message  secret  de  ma  belle  le  signe  invisible  qn'elle 
Ini  a  eonfi^. 

Efforts  impnissants  I  plaJntes  inntües!  La  chevelnre  ^clatante  de  la 
Inne  ne  flotte  pas  encore  en  ondes  argent^es  snr  le  sommet  des  montagnes 
oü  oette  nymphe  assied  son  trdne.  Les  flambeanx  dn  ciel  brillent  trop 
doign^B  de  mes  yenx. 

Je  m'emporte  en  reproches  contre  la  nnit  dont  qnelqnes  moments 
anparavant  j'aconsois  follement  la  lentenrl  Je  m'indigne  da  repos  des 
^Uments  qni  me  reftisent  jnsqa'ä  la  lamiöre  des  temp^tesl  . . . 


Prosper  H6rim6e'8  Mystifikation  kroat  Volkslieder.  83 

Je  Yondrois  Foir  s'allumer  les  orages,  et  lixe  aux  triples  fenx  de  la 
foudre  balancde  snr  ma  t^te  les  earact^es  ador^  qn'a  trac^s  la  main 
de  ma  belle  . . . 

Qni  le  croiroit!  parmi  quelques  tonffes  6parses  d'ime  herbe  sterile 
qae  j'^tois  pr^s  de  fouler,  6tincelle  tont-^h-coup  une  mouche  ^)  briUante 
qni  Yole  en  cercles  rapides  et  miiltipli6s  k  la  pointe  des  fenilles  qn'elle 
earesse  et  qa^elle  6claire. 

Le  foyer  dWe  flamme  vive  et  mobile  qni  brüle  dans  son  sein, 
s'6teDd  et  rayonne  snr  ses  ailes  agitdes,  il  s'^panche  en  traits  ardents  de 
tovs  les  anneanx  de  son  corps  flexible,  et  l'illnmine  d'nne  anr^le  de 
oUrt^  dbloaissantes. 

Je  saiais  d'nne  main  avide  l'insecte  favorable  k  mes  FCdnx,  l'in- 
Beete  k  qni  Tamonr  protectenr  a  oonfi6  qne  Inmi^e  faeUe  k  caoher,  et 
tonr  k  tonr  tot^laire  et  discräte,  ponr  embellir  les  ^eilles  des  amants. 


Je  le  rapproche  de  la  lettre  eh^rie,  en  faisant  passer  snr  chaqne 
figne  tons  les  points  de  l'insecte  agile  oü  s'dgare  en  trembUmt  sa  Inmi^re 
e^rriciense.  Anenn  de  ses  jets  radienx  n'est  perdn  ponr  mes  regards ; 
uenne  des  donces  oonfidences  de  la  bien-anim6e  ne  sera  perdne  ponr 
BKHi  ecenr. 

Oräees  soient  rendnes  k  ton  henrenz  seconrs,  o  bienfaisante  6toile 
dos  prairies,  tendre  Lneiole  anx  ailes  de  fen,  toi,  le  plns  bean  et  le  plns 
imioeent  de  tons  les  animanx  de  la  terre  et  du  eiel,  rayon  imp^rissable 
d'imonr. 

Comment  exprimerai-je  le  bonhenr  qne  je  te  dois  I  oomment  peindre 
ton  Charme  et  la  grftee,  jolie  Lneiole,  le  plns  ravissant  des  myst^rea 
dW  heile  nnit,  toi  qni  rends  des  esp^ranoes  k  l'amonr  inqniet,  qni 
prttes  des  eonaolations  k  l'amonr  jalonx ! 


Qoand  le  soleil  deseend  dans  ses  magnifiqnes  palais  de  TOcoident, 
3  te  laisse  deiritee  Ini  ponr  Tenehantement  des  nnits  d'^t^.    H  te  laisse 


<)  Bans  roiiginal,  osa,  nne  gndpe. 

6* 


84  T.  Maü6, 

oomme  an  atome  de  sa  splendenr  immense,  et  11  te  confie  k  la  proteetion 
de  la  verdore  et  k  Tamonr  des  flenrs. 


Aupr^s  de  ton  6clat  celni  de  l'or  pälit,  celoi  des  perles  s'^teint;  k 
peine  pent-on  Ini  comparer  ce  feu  Tainqueor  des  t^n^bres  qni  s'allnme, 
p6tille  et  jaillit,  dans  la  nuit  profonde,  da  sein  de  resoarboncle  Orientale. 


Tn  es,  dans  la  d^licatesse  de  ta  beant^,  astre  modeste  des  baissons, 
l'image  d'ane  vierge  timide  qai  ^claire  malgr6  elles  les  secrets  de  la 
nnit,  dn  fen  de  ses  regards,  en  cherchant  la  trace  de  Tami  qn'elle  aime. 


Ah!  püisses-tn,  channante  Lnciole,  recueillir  le  prix  de  ce  que  ta 
as  fait  ponr  moi!  pnissent  les  prairies  te  prodiguer  en  tout  temps,  Lu- 
ciole  bienfaisante,  le  neetar  embanm^  de  leors  fleurs,  et  le  ciel,  les  dou- 
cenxs  in^poisables  de  sa  ros^e! 

3. 

Chanson  sur  la  mort  de  Fülustre  epouse  cCAsan-Aga. 

[Voyage  en  Dahnatie  par  M.  Tabb^  Fortis.   Tradnit  de  Titalien.   Berne  1778. 

T.  I,  p.  143.] 

Quelle  blancbenr  brille  dans  ces  for^ts  vertes  ?  Sont-ce  des  neiges, 
ou  des  cygnes  ?  Les  neiges  seroient  fondues  aujonrd'hni,  et  les  oygnes 
se  seroient  envol^s.  Ce  ne  sont  ni  des  neiges  ni  des  cygnes,  mais  les 
tentes  dn  gnerrier  Asan-Aga.  II  y  demenre  bless^  et  se  plaignant  am^re- 
ment.  Sa  m^re  et  sa  scBur  sont  all^es  le  visiter:  son  Epouse  seroit 
venue  anssi,  mais  la  pndenr  la  retient. 

Qnand  la  donlenr  de  ses  blessnres  s'appaisa,  il  manda  k  sa  femme 
fidelle:  »Ne  m'attends  pas  ni  dans  ma  maison  blanche,  ni  dans  ma  conr, 
ni  panni  mes  parens«.  En  recevant  ces  dnres  paroles  cette  malhenrense 
reste  triste  et  afflig^.  Dans  la  maison  de  son  6poux,  eile  entend  les  pas 
des  chevanx,  et  d^sesp^r^e  eile  court  snr  nne  tonr  ponr  finir  ses  jonrs  en 
se  jettant  par  les  fen6tres.  Ses  denx  fiUes  6ponvant^es,  solvent  ses  pas 
incertains,  en  Ini  criant:  Ah,  ch^re  m^re,  ah!  ne  fais  pas:  ces  chevanx, 
ne  sont  pas  cenx  de  notre  p^re  Asan]  c'est  ton  fr^re,  le  Beg  Pintoro^ 
vich  qni  vient  de  voir. 

A  ces  voix  l'^ponse  A^Asan  tonme  ses  pas,  et  conrant  les  bras  ^ten- 
dns  vers  son  fr^re,  eile  Ini  dit:  »Ah,  mon  fr^re!  vois  ma  honte  extreme! 


Prosper  M^rim^e's  Mystifikaüon  kroat  Volkslieder.  85 

n  me  r^pudie,  moi  qni  Im  ai  donn^  cinq  enfanslc  Le  Beg  se  tait  et  ne 
räpond  rien :  mais  il  tire  d'une  bonrse  de  soye  yermeille,  nne  feuille  de 
papier,  qui  permet  k  sa  soenr  de  se  conronner  ponr  uq  noavean  man, 
apr^  qn'elle  sera  retoani6e  dans  la  maison  de  ses  p6res.  La  dame 
afiflig^e  Yoyant  ce  triste  6crit,  baise  le  front  de  ses  fils  et  les  joues  de 
rose  de  aes  deux  filles.  Mais  eile  ne  pent  pas  se  s^parer  de  Tenfant  an 
bercean.  Le  s^v^re  Beg  Pen  arrache,  l'entraine  avec  force,  la  met  k 
cheTal,  et  la  ram^ne  dans  la  maison  paternelle. 

Pen  de  tems  apr^s  son  arriv^,  le  pen  de  tems  de  sept  jonrs  k  peine 
^nl6,  de  tonte  part  on  demande  en  manage  la  jenne  et  charmante 
veuve,  isane  d'nn  sang  illnstre.  Parmi  les  nobles  pr^tendants  se  distingne 
la  kadi  ä^Imoski,  D'nne  voix  plaintive  eile  dit  alors  k  son  fr^re :  »ne 
me  donne  pas  k  nn  antre  mari,  mon  eher  fr^re:  mon  coBnr  se  briseroit 
dans  ma  poitrine^  si  je  revoyois  mes  enfans  abandonn^s«. 

Le  Beff  ne  fait  point  d'attention  k  ses  priores,  et  s' obstine  k  la 
domier  an  JSjadi  d^Imoski.  Alors  eile  le  prie  de  nonyeau :  poisqne  tn 
Tenx  absolmnent  me  marier,  envois  an  moins  nne  lettre  en  mon  nom  an 
Kadi,  et  dis-lni:  la  jenne  venve  te  salne  et  te  prie  par  cet  6crit,  qne 
qnand  tn  Tiendras  la  chercher,  accompagn6  des  seignenrs  Svati^  de  Ini 
apporter  nn  Yoile,  avec  leqnel  eile  puisse  se  convrir,  afin  qn'en  passant 
devant  la  maison  SAsan^  eile  ne  voie  pas  ses  enfans  orpbelins. 

Apr^s  avoir  regn  la  lettre,  le  Kadi  assemble  snr  le  cbamp  les  seig- 
neiirs  Statt  ponr  chercher  son  ^ponse,  et  ponr  lui  porter  le  long  voile 
qn'elle  demande.  Les  Svati  arrivent  henrensement  k  la  maison  de 
r^ponse,  et  la  condnisent  avec  le  m^me  bonhenr  vers  la  demenre  de  son 
^ponx. 

Arriv^,  chemin  faisant,  devant  la  maison  ÜAsan^  ses  denx  filles 
la  Yoyent  d'nn  balcon,  et  ses  denx  fils  conrent  k  sa  rencontre,  en  criant : 
iCh^  m^re,  reste  avec  nons;  prens  chez  nons  des  rafralchissemensc 

La  triste  venve  ^Asan^  entendant  les  cris  de  ses  enfans,  se  tonme 
Ters  le  premier  Svati:  »Ponr  l'amonr  de  Dien,  eher  et  v^n^rable,  arr^te 
les  ehevanx  pr^s  de  cette  maison,  afin  qne  je  donne  k  ces  orphelins  qnel- 
que  gage  de  ma  tendresse«.  Les  chevanx  s'arrStent  devant  la  porte,  eile 
deaeend  et  oflGre  des  pr^sens  k  ses  enfans :  eile  donne  anx  fils  des  brode- 
qmns  dW,  et  de  beanx  volles  anx  filles.  An  peüt  inocent,  qni  conche 
dans  le  berceanx,  eile  envoit  nne  Bebe. 


86  T.  M&tid, 

Asan  Toyant  de  loin  cette  sc^ne,  rappelle  ses  fils:  »Reyenez  k  moi, 
mes  enfans;  laissez  cette  craelle  m^re,  qui  a  nn  coenr  d'airain,  et  qui  ne 
ressent  plus  pour  vons  aucnne  piü^c 

Entendant  ces  paroles,  cette  afflig^e  venve  pälit  et  tombe  par  terre. 
Son  ame  qnitte  son  corps  an  moment  qu'elle  Toit  paiidr  ses  enfans. 

La  femme  cPAsan. 

[Oeuvres  de  Charles  Nodier.  Paris  t832.  T.  m,  p.  149.] 

Palestna  pjezanza  plemenite  Asan-Aghinize,  litt^ralement,  la  com- 
plainte  de  la  noble  ^ponse  d'Asan-Aga,  est  nn  des  po^mes  le  plus  c^- 
l^bres  de  la  litt^ratnre  morlaque.  n  me  parott  sup^rienr  ä  tous  cenx  qui 
me  sont  connus  par  la  v^rit^  des  mcBurs  et  le  pathdtique  des  sentiments. 
Je  ne  crois  pas  qu'il  en  existe  d'autre  traduction  que  celle  de  Fortis  dans 
le  Yiaggio  in  DaLmazia. 

La  femme  d^Asan. 

Quelle  blancheur  6blouissante  6clate  au  loin  sur  la  verdure  immense 
des  plaines  et  des  bocages  ? 

Est-ce  la  neige  ou  le  cygne,  ce  brillant  oiseau  des  fleuves  qui  Tefface 
en  blancbeur? 

Mais  les  neiges  ont  disparu,  mais  le  cygne  a  repris  son  vol  vers  les 
froides  r^ons  du  nord. 

Ce  n'est  ni  la  neige,  ni  le  cygne ;  c'est  le  pavülon  d'Asan,  du  brave 
Asan  qui  est  douloureusement  bless6y  et  qui  pleure  de  sa  col^re  encore 
plus  que  de  sa  blessure. 

Car  voici  ce  qui  est  arriv6«  Sa  m^re  et  sa  soeur  l'ont  visit^  dans  sa 
tente,  et  son  ^pouse  qui  les  avoit  suivies,  retenue  par  la  pudeur  du  de- 
voir  ^)j  s'est  arr^tde  au-dehors  parce  qu'l  ne  Tavait  point  mandöe  vers 
luL   C'est  ce  qui  cause  la  peine  d'Asan. 

Cependant  quand  la  douleur  de  sa  blessure  sVst  calm^,  11  ^crit 
ainsi  ä  sa  triste  et  fidMe  amie:  »Fille  de  Pintor,  vous  ne  vous  pr^senterez 
plus  dans  ma  maison  blanche^);  ni  dans  ma  maison,  je  vous  le  dis,  ni 
dans  Celle  de  mes  parentsa^).  A  la  lecture  de  cet  an*6t  terrible,  Tinfor^ 
tun^e  demeure  accabl^e. 


Prosper  HMm^e*fl  Mystifikatioii  kroat  Volkslieder.  87 

Depuis  ce  jonr  de  foseste  memoire,  nn  jonr  ....  pr^occnp^e  des 
pens^es  du  bonheur  perdn,  eile  ^contoit:  son  oreille  est  frapp^e  da  re- 
tentissement  de  la  terre  sons  les  pas  des  chevanx. 

Elle  s'^lance  d^sesp^r^e  vers  la  tonr,  et  cherche  k  gagner  son 
sommet  d'oü  die  pent  embrasser  une  mort  certaine;  car  eile  pense  qne 
e'est  Asan  qni  vient  la  ponrsniyre  de  ses  reproehes:  mus  ses  petites 
fiUes  tremblantes  se  sont  attach^es  ä  ses  pas.  »0  ma  m^re,  s'^crient- 
eUes,  d  ma  m^re!  cesse  de  fair,  car  ce  n'est  point  notre  p^re  bien-aim^; 
e'est  ton  fr^re,  le  bey  Pintorovich.« 

Ainsi  rassar^e,  eile  descend,  et  jette  ses  bras  aa  coa  da  pradent 
▼ieOlard:  »H^lasl  dit-elle,  voas  le  savez  et  voas  connoissez  ma  honte  et 
Celle  de  notre  race!  H  a  r^padi^  Tdpoase  qai  lai  a  donn^  cinq  enfantsla 

Le  bey  se  tait,  il  ne  r^pond  point  ^) ;  mais  11  tire  d'nne  boorse  de 
Boie  yermeiUe  le  titre  solennel  qoi  pennet  ä  sa  soenr  de  se  coaronner  de 
nouvean  des  flears  et  des  gairlandes  de  l'^poas^,  apr^s  qa'elle  aara 
foal^,  BOT  le  seail  de  la  maison  natale,  la  trace  des  pas  de  sa  m^re  ^), 

A  peine  la  malhearease  femme  d'Asan  a  laiss^  tomber  ses  yeax  sar 
cet  6crit,  eile  regarde,  eile  h^site,  eile  attend,  et  pais  eile  se  soamet;  car 
l'aacendant  de  son  fr^re  la  domine. 

Pr^te  k  les  qnitter,  eile  baise  ayec  ardeor  le  lEront  de  ces  deax  jeanes 
fils.  Elle  presse  de  ses  l^vres  les  jenes  fratcbes  et  color^s  des  petites 
filles  qoi  pleorent  sans  comprendre  tont-^fait  le  sajet  de  lear  doalear; 
mala  eile  ne  pent  se  d^tacher  da  beroeaa  oü  repose  le  demier  n^  de  ses 
enfants.   Elle  s'y  fixe  comme  poar  Tentratner  aveo  eile  ^). 

Son  fr^e  la  saisit  d'ane  main  s^v^re,  la  ponsse  vers  le  ooarsier 
rapide,  et  vole  ayec  eile  k  la  maison  de  Pintor. 

Elle  n'y  demeara  pas  long-temps.  La  semaine  6tait  k  peine  achev^, 
qn^one  femme  si  belle  et  de  si  noble  race  fdt  recherch^e  poar  ^poase  par 
ruinstre  jage  d'Lnoski  ^.  Elle  tombe  ^plor^e  anx  pieds  de  son  fr^re,  eile 
g^mity  eile  prie:  »H^las!  dit-elle,  ne  me  donne  plns  poar  ^poase  k  per- 
sonne,  je  t'en  eonjnre  par  ta  vie,  je  te  le  demande  k  genoax!  mon  coenr 
^datera  de  doalear,  s'il  faat  qae  je  renonce  k  embrasser  encore  mes 
paovres  enfants  1« 

Le  bey,  sonrd  k  sa  voix,  a  r^sola  de  l'anir  an  noble  Kadi.  D^vonte, 

eile  prie  encore:  >Da  moins,  reprend-elle,  6cri8  en  ces  termes  k  l'^poax 

qne  tn  m'aa  choisi.   ^coatebienlc 


88  T.  Matiö, 

»Kadi,  je  te  salae.  Je  t'^ris  sans  avoir  conBult^  ma  so&nr,  pour 
obtenir  de  toi  en  sa  favenr  deux  gräces  qui  Ini  seront  ch^res :  la  pre- 
mi^re,  c'est  de  Ini  apporter,  lorsque  ta  viendras  avec  tes  amis,  an  long 
Yoile  qni  pnisBe  la  caoher  ä  tons  les  yenx;  la  seconde,  c'est  dMviter,  en 
la  condnisant  dans  ta  maison,  de  passer  devant  celle  d^Asan,  afin  qn'elle 
n'ait  pas  la  donlenr  de  voir  les  chers  enfants  qn'elle  doit  renoncer  ä  voir 
Jamals.« 

A  peine  la  lettre  est  pairenne  an  ELadi,  celni*ci  r^nnit  ses  amis  ponr 
6tre  t^moins  de  cette  föte.  US  yiennent,  et  pr^sentent  k  la  fiane^e,  an 
nom  de  son  nonvel  öponz,  le  long  voile  qn'elle  a  demand^;  eile  s'en 
conyre  et  les  accompagne,  henrense  au  moins  de  cacher  ses  larmes,  qnand 
des  cris  qni  partent  dn  devant  de  la  maison  d'Asan  l'avertissent  qne  les 
Svati  qni  oondnisent  le  cort^e  nnplial  se  sont  tromp^s  de  chemin,  car 
ses  enfants  Tont  aper^ne  et  se  sont  ^lanc^  snr  son  passage. 

»0  m^re  bien-aim^e,  s'^rient-ils !  reviens  k  tes  panvres  petits  en- 
fants, pnisqne  voil^  Thenre  dn  repas  oü  tn  nons  appelois  tons  le  jonrs  b).« 

A  la  Yoix  de  ses  enfants,  l'^ponse  infortnn^e  d'Asan  se  retonme 
vers  le  vienx  bey:  »0  mon  fr^re,  Ini  dit-elle,  permets  qne  tes  chevanx 
s'arr^tent  ponr  nn  moment  devant  cette  maison,  afin  qne  je  pnisse  donner 
encore  qnelqnes  gages  d'amonr  ä  ces  innocents  orphelins,  d^plorables 
frnits  de  ma  premi^re  nnion«. 

Les  conrsiers  restent  immobiles,'  pendant  qn'elle  va  partager  k  sa 
£amille  ch^rie  qnelqnes  bijonx  on  qnelqnes  v^tements,  demiers  t^moignages 
de  sa  tendresse :  de  beanx  cothnmes  k  tresse  d'or  ponr  les  jennes  gar- 
90ns ;  ponr  les  jennes  filles,  des  tnniqnes  longnes  et  flottantes,  et  une 
petite  robe  an  plus  petit  qni  dort  dans  un  bercean,  mais  eile  n'ose  l'^veiller 
d'un  baiser  ^). 

Tont  k  conp  nne  voix  6clate  dans  Tappartement  voisin,  oelle  d'Asan 
qni  rappelle  ses  enfants:  »Kevenez  k  moi,  mes  chers  orphelins,  revenes 
k  moi !  le  coenr  de  fer  de  la  cmelle  qne  vons  embrassez  ne  s'attendrira 
plns  ponr  vons,  eUe  est  la  femme  d'nn  antrea.  —  Elle  pr6te  Toreille,  son 
sang  se  glace,  eile  tombe,  et  sa  tßte,  converte  d'nne  mortelle  pälenr,  va 
frapper  la  terre  retentissante ;  an  mSme  instant,  sa  ccenr  se  brise,  et  son 
&me  s'envole  snr  les  pas  de  ses  enfants. 


1)  Une  femme  morlaqne  ne  pent  entrer  dans  la  tente  on  la  chambre  de 
son  man  sans  y  §tre  appeUe. 


Prosper  M^rim^e's  Mystifikation  kroat  Volkslieder.  S9 

^  Esfr-ce  nne  ^pith^te  speciale»  propre  a  la  maison  d^Asan?  Est-oe,  comme 
je  le  pense,  nne  des  fignres  si  commimes  dans  la  langae  slave  qni  exprime 
Bon  illuBtration?  Fortis,  qn'nn  plus  long  usage  devoit  avoir  initi^  aox  finesses 
de  eette  litt^rature  originale,  tradnit  cependant:  cortile  bianco. 

^  Foimnle  de  röpudiation. 

*)  Bexe  mnci:  ne  govori  nista.  Fortis  tradnit:  U  Begh  nnlla  risponde, 
poor  6yiter  le  pl^onasme;  mais  le  pl6onasme  est  nn  des  caracteres  distinctifs 
des  litt^ratores  primitives. 

^  Da  gre  s'  gnime  majci  n  zatraghe.  Cette  condition  dn  diyorce  chez 
les  penples  qne  nons  appelons  Barbares,  a  qnelqne  chose  de  sublime.  Elle 
anppose  Tinfortane  non  m^rit^e  d'nne  femme  qni  a  enconm  la  disgrace  de  son 
man,  sans  cesser  d'ltre  digne  de  sa  möre. 

^  üne  femme  r6pndi6e  qni  se  remarie  n'a  pas  le  droit  de  revoir  les  en- 
fimts  n^  de  son  premier  manage. 

^  Imoski  est  TEmota  des  petits  g^ographes  grecs. 

^  L'original  dit:  uxinati,  d^jenner,  expression  naYve  qni  convient  anx 
mflsnis  de  ce  penple  et  4  la  simplicit6  de  son  langage  po^tiqne,  mais  qne  nons 
n'osons  tradnire  qne  par  nne  Periphrase,  parce  qne  nons  sommes  tradnctenrs. 
Nons  prions  les  po^tes  de  dire  sans  fa^on:  parce  qn'il  est  temps  de  d6jenner. 

^  Cette  le^on  n'est  pas  tont-a-fait  la  mdme  qne  celle  de  Fortis,  mais  je 
Tai  recneillie  plns  commnn^ment  de  la  bonche  des  Dalmates,  et  je  la  tronve 
bien  pr6f6rable. 

5. 

Complainie  de  la  noble  femme  d^Azan  Aga, 

Tradnite  da  slave. 

[Po^sies  de  Goethe,  antenr  de  Werther,  tradnites  ponr  la  premiöre  fois  de 
Tallemand  par  M°^«  E.  Panckoncke.  Paris  1825.] 

Qn'aper^oit-on  de  blanc  dans  cette  vaste  fordt?  est-ce  de  la  neige, 
on  sont-ee  des  cygnes?  8i  c'^tait  de  la  neige,  eile  serait  fondue;  si 
c*^taient  des  cygnes,  ils  s'envoleraient.  Ce  n'est  pas  de  la  neige,  ce  ne 
sont  pas  des  cygnes,  c'est  T^clat  des  tentes  dn  fier  Azan  Aga.  Sons  l'nne 
d'elles  11  est  conch6,  dompt6  par  ses  blessures;  sa  m^re  et  sa  soenr  vien- 
nent  le  viaiter  sonvent.  Sa  femme,  retenne  par  nne  timidit^  excessive, 
tarde  k  se  rendre  pr^s  de  Ini. 

Alors,  dans  sa  col^re  injnste,  il  fait  dire  k  son  ^ponse,  qn'il  croit 
eonpable. 

»N'attonds  plns  ma  pr^sence;  tn  ne  me  verras  plus  ä  ma  conr,  tu 
ne  me  verras  plns  parmi  les  miens.« 

Lorsqne  la  tendre  ^ponse  re9oit  ce  terrible  message,  eile  tombe  ^va- 
nonie  de  donlenr.    Le  bmit  d'nn  cheval  qn'elle  entend  Ini  fait  reconvrer 


90  T.  Hatiö, 

l'üBage  de  ses  Bens;  eile  eroit  qne  c'est  son  ^poux  farieiix  qni  la  ponr- 
suit:  alors  eile  s'^lance  vers  la  tour  pour  se  pr^cipiter  et  ^chapper  ainBi 
au  conrronx  d' Azan ;  mais  ses  fiUes  la  snivent,  la  retiennent,  r^pandent 
avec  eile  des  plenrs  amers,  et  la  rassnrent:  »Ce  n'est  point  notre  p^re 
Azan,  disent-elles,  c'est  ton  fr^re  Pintorowich«. 

L'^pouse  d'Azan  revient;  eile  616ve  ses  bras  en  g^missant  vers  son 
fr^re,  et  loi  dit:  »Vois,  mon  fr^re,  la  honte  ä  laquelle  ta  pauvre  soenr  est 
r^dnite!  M'abandonner  amsi!  et  cependant  je  suis  möre  de  einq  enfanslc 

Le  fr^re  se  tait  et  concentre  sa  fureur.  Ponr  comble  d'hnmiliation, 
c'est  Ini-m^me  qn'Azan  Aga  a  charg^  de  la  lettre  de  Separation,  n  la 
remet  ä  sa  soenr.  Azan  Ini  ordonne  de  retonmer  che  sa  m^re,  et  Ini 
laisse  la  libert^  de  contracter  d'antres  liens. 

L'^ponse  se  soomet  ä  la  volonte  de  r^poax,  qni  la  d^ponille  de  tons 
ses  droits.  Elle  embrasse  ses  deux  fils,  presse  ses  fiUes  tendrement 
contre  son  sein;  mais  son  coeur  se  d^bire  quand  eile  doit  se  s^parer  de 
son  demier  enfant,  qn'elle  allaite  encore. 

Le  fir^re,  bonillant  dHmpatienee  et  de  col^re,  l'enl^ve,  la  place  en 
cronpe  derri^re  Ini :  11  arrive  avec  cette  femme  eplor6e  k  l'habitation  de 
ses  p^res. 

n  s'etait  passe  pen  de  temps;  pas  encore  sept  jonrs  (c'etait  bien 
assez),  qne  pinsienrs  grands  seignenrs  se  present^rent  ponr  consoler  la 
yenve  et  ponr  demander  sa  main. 

Le  parti  le  plns  pnissant  qni  s'ofirait  etait  le  cadi  d'Imosld.  La 
fenune  abandonn^e  d'Azan  alla  tronver  son  fr^re,  et  lui  dit:  «Je  t'en 
conjnre,  par  ce  qne  tn  as  de  plns  eher  an  monde,  ne  dispose  plns  de 
moi,  cela  serait  contre  ma  Tolonte;  car  mon  sonvenir  est  encore  tont 
rempli  de  mon  ingrat  ^ponz  et  de  mes  chers  enfans«. 

Ces  paroles  n'attendrirent  pas  Pintorowich,  d^cidd  k  la  donner  an 
cadi  d'Imoski.  Qnand  eile  vit  qne  tonte  pri^re  dtait  inntile,  eile  Ini  de- 
manda  ponr  tonte  gräce  d'envoyer  an  cadi  la  lettre  snivante :  »La  jenne 
venye  te  salne  amicalement,  et  te  prie  avec  respect,  lorsqne  tn  Tiendras, 
accompagne  de  tes  esdaves,  de  lui  apporter  nn  long  volle  dont  eile 
puisse  s^envelopper,  pour  ne  pas  voir  la  maison  d'Azan,  devant  laquelle  il 
faut  absolument  passer,  et  surtout  pour  lui  d^rober  les  regards  de  ses 
enfans,  qni  lui  d6chireraient  le  coeurcr. 

A  peine  le  cadi  ent-il  re9u  cette  lettre,  qu'il  assembla  ses  esclareB; 


FtOBper  M^rim6e*B  Mystifikation  kroat.  Yolkidieder.  91 

IIa  aD^rent  oheroher  la  princesse,  Ini  offirirent  des  präsenB  magnifiqaes, 
ainai  qne  le  voile  qn^elle  avait  demand6. 

Ha  amyent  henreoBement  au  palaiB  de  Pintorowioh:  la  princesse  en 
Bort  arec  pompe;  sa  beant^  ravit  touB  leB  yeuz.  Comme  eile  approche 
de  la  maiaon  d'Aaan  Aga,  eile  B'enveloppe  de  son  volle;  mais  le  eonrage 
rabandonne,  qnand  eile  entend  seB  enfanB  qui  Tappellent  et  Ini  disent: 

»RevieoB  danB  ta  maiBon,  m^re  ador^e ;  revienB  manger  le  pain  du 
sdr  avee  tes  enfansc.  Son  ocBur  matemel  Be  brise;  eile  se  tonrne  yers 
le  prince,  et  le  supplie  de  permettre  qne  ses  esclaves  et  lenr  brillant  oor- 
t^  s'arr^tent  nn  instant  devant  cette  porte  ch^rie:  »Pennets,  ö  prince! 
qne  j'embrasse  encore  nne  fois  mes  enfans  et  qne  je  partage  avec  enx 
leB  riehes  pr^sens  qne  tu  m'as  faitB«. 

Elle  s'arr^te  deyant  eette  porte  ch^rie;  eile  donne  k  ses  fils  de  jolies 
botünes  brod^  en  or;  anx  filles,  de  brillantes  pamres;  et  nn  habille- 
ment  eomplet  k  celni  qn^elle  ayait  arrach^  de  son  sein. 

Azan  Aga,  qni  6tait  cacb6,  ne  put  yoir  cette  sc^ne  toncbante  sans 
en  6tre  attendri.  IL  conunenee  k  se  repentir  de  l'ontrage  qn'il  a  £ait  k 
Bon  ^ponfle.  H  rappelle  ses  enfans:  malgr^  Ini  sa  yoix  est  ämne;  il  lenr 
dit:  »Bevenez  yers  moi,  mes  chers  et  panyres  enfans!  le  coenr  de  yotre 
m^re  c'est  endnrci,  il  est  ferm6  ponr  nons;  eile  ne  pent  m^me  comp&tir 
k  noB  peines!« 

L'6ponse  d^Azan  entend  ces  paroles:  eile  pftlit,  tombe  sans  monye- 
ment,  et  Bon  äme  Ta  abandonn^e  au  moment  oü  eile  a  yu  ses  enfans 
B'äoigner. 

6. 

Triste  baUade  de  la  noble  epouse  d^Asan-Aga  ^). 

(Gnzla,  p.  307.) 
QuV  a-t-il  de  blanc  snr  ces  coUines  yerdoyantes?  Sont-ce  des 
neiges?  soni-ce  des  cygnes?  Des  neiges?  elles  seraient  fondues.  Des 
cygnes?  ils  se  seraient  enyol^s.  Ce  ne  sont  point  des  neiges,  ce  ne  sont 
point  des  cygnes:  ce  sont  les  tentes  de  Taga  Asan-Aga.  H  se  lamente 
de  sea  blessures  cmelles.  Pour  le  soigner,  sont  yennes  et  sa  m^re  et  sa 
Bceor;   aa  femme  cb^rici  retenue  par  la  timidit^,  n'est  point  aupr^s 

de  In!  >). 

Quand  la  donleur  s'est  apais^e,  il  fut  dire  k  sa  fidMe  Epouse: 

—  »Ne  me  regarde  pas  dans  ma  maison  blancbe,  ni  dans  ma  mai- 

BOD,  ni  devant  mes  parents.« 


92  T.  Matid, 

La  dame,  en  entendant*)  ces  paroles,  se  renferme  dans  son  ap- 
partement  toute  triste  et  accabl^.  Yoilli  qne  des  pas  de  chevanx  reten- 
tUsent  pr6s  de  sa  maison,  et  la  pauvre  femme  d^Asan-Aga,  oonrt**)  k 
son  balcon  ponr  se  pr^eipiter.   Mais  ses  deux  filles  ont  suivi  ses  pas: 

—  lAxr^te,  märe  oh^rie!  ce  n'est  point  notre  päre  Asan-Aga,  c'est 
notre  onde  Pintorovich-Bey.« 

L'iiifortim6e  s'arr^te;  eile  serre  dans  ses  bras  son  bhre  ch^ri. 

—  >Ah!  mon  fräre,  grande  honte!  il  me  r^pndie,  moi  qni  Ini  ai 
donn6  cinq  enfants!« 

Le  bey  garde  nn  mome  silence ;  il  tire  d'nne  bonrse  de  soie  ronge 
nn  ^crit  qni  Ini  rend  sa  libert^ ').  Maintenant  eile  ponrra  reprendre  la 
conronne  de  marine,  anssitdt  qn^elle  anra  revn  la  demenre  de  sa  märe. 

La  dame  a  In  cet  ^erit:  eile  baise  le  front  de  ses  denx  fils  et  la  bonche 
venneille  de  ses  denx  filles;  mais  eile  ne  pent  se  s^parer  de  son  demier 
enfant,  encore  an  bercean.  Son  frhre,  sans  piti^,  rarrache  a^ee  peine  k 
son  enfant,  et,  la  pla^ant  sur  son  cheval,  il  rentre  avec  eile  dans  sa  mai- 
son  blanche.  Elle  resta  pen  de  temps  dans  la  maison  de  ses  päres. 
Belle,  de  hant  lignage,  eile  fdt  recherch6e  bientöt  par  les  nobles  seignenrs 
dn  pays.   Entre  tons  se  distingnait  le  cadi  d'Imoski. 

La  dame  implore  son  fräre: 

—  »Ahl  mon  fthre,  pniss6-je  ne  te  pas  srnrivre!  Ne  me  donne  4 
personne,  je  t'en  conjnre^];  mon  coenr  se  briserait  en  voyant  mes  enfants 
orphelins.a 

Ali-bey  ne  T^conte  point ;  il  la  destine  an  cadi  d^Imoski. 

Elle  Ini  fait  encore  nne  demiäre  priäre:  qn'il  envoie  an  moins  nne 
blanche  lettre  an  cadi  d'Lnoski,  et  qn'il  Ini  dise: 

—  La  jenne  dame  te  salne,  et,  par  cette  lettre,  eile  te  fait  cette 
priäre:  Qnand  tn  yiendras  avec  les  nobles  svati,  apporte  k  ta  fianc^  nn 
long  Yoile  qni  la  convre  tont  entiäre,  afin  qn'en  passant  devant  la  maison 
de  Taga,  eile  ne  voie  pas  ses  orphelins. 

Qnand  le  cadi  ent  In  cette  blanche  lettre,  il  rassembla  les  nobles 
svati.  Les  svati  allärent  chercher  la  marine,  et,  de  sa  maison,  ils  parti- 
rent  avec  eile  tont  remplis  d'all^gresse. 


*)  In  der  Ausgabe  1827  »en  entendant«,  sp&ter  nnr  »entendant«. 
**)  In  der  späteren  Ausgabe:  croyant  qne  son  man  s'approche,  conrt.... 


Prosper  M^rim^e's  Mystifikation  kroat.  VolkBlieder.  93 

Hs  paasärent  devant  la  maison  de  l'aga;  ses  denx  filles,  du  hant  du 
balcon,  out  reconnu  leur  m^re;  ses  denx  fils  sortent  k  sa  rencontre,  et 
appeüent  ainsi  leur  m^re: 

—  »Airlte,  notre  mhre  cWrie*)!  viens  goüter  avec  nonsla 
La  malheiirenBe  m^re  crie  au  stari*Byat: 

—  xAn  nom  da  ciel!  mon  fr^re  stari-svat,  fais  arr^ter  les  cheraux 
pr^  de  cette  maison,  que  je  pnisse  donner  qnelqne  chose  k  mes 
OTpheüns.« 

Les  cheyanx  s'arr^tärent  prös  de  la  maison,  et  eile  donna  des  ca- 
deanx  ä  ses  enfants.  A  ses  denx  fils  eile  donne  des  sonliers  brod^s  d'or; 
a  ses  denx  filles  des  robes  bigarr^es;  et  an  petit  enfant  qui  ^tait  encore 
au  bercaan,  eile  envoie  une  petite  tnniqne  **). 

Asan-Aga  a  tont  vn,  retir^  k  l^^cart;  il  appeUe  ses  denx  fils: 

—  Yenez  k  moi,  mes  oipbeUns :  laissez  \k  cette  m^re  sans  coanr  qni 
Yons  a  abandonn^s! 

La  panvre  m^re  pMit,  sa  t§te  frappa  la  terre,  et  eile  cessa  de  vivre 
anasitdt,  de  donlenr  de  voir  ses  enfants  orphelins. 


1}  On  sait  qne  le  c^l^bre  abb6  Foiüs  a  tradnit  en  vers  Italiens  cette  belle 
baflade.  Yenant  apres  Ini,  je  n'ai  pas  la  Prätention  d^avoir  fait  anssi  bien; 
mala  senlement  j'ai  fait  antrement.  Ma  tradnction  est  litt^rale,  et  c'est  la  son 
seol  m^rite. 

Le  scöne  est  en  Bosnie,  et  les  personnages  sont  mosnlmans,  comme  le 
pronTent  les  mots  d'aga,  de  cadi,  etc. 

s)  n  nons  est  difficile  de  comprendre  co'mment  la  timidit^  empSche  nne 
bonne  öponse  de  soigner  nn  rnari  malade.  La  femme  d Asan-Aga  est  mnsnl- 
mane,  et,  snivant  ses  id^es  de  d^cence,  eile  ne  doit  jamais  se  präsenter  devant 
son  rnari  sans  Stre  appel^e.  II  paratt  cependant  qne  cette  pndenr  est  ontr^e, 
ear  Asan-Aga  s'en  est  irrit^  ***).  Les  denx  vers  illyriqnes  sont  remarqnable- 
ment  concis,  et  par  cela  m^me  an  pen  obscars: 

Oblaziga  mater  i  sestriza 
A  gliabovza  od  stida  ne  mogla. 
Yinrent  la  möre  et  la  sceor, 
Mais  la  bien-aim6e  par  honte  ne  put  t). 
9)  Koign  oprochienja.   Mot  a  mot,  an  papier  de  libert^;  c'est  Facte  da 
dhrorce. 


*)  In  der  späteren  Aasgabe:  i»Arr6te,  m6re  ch^rie  . . .« 
**)  Später:  ane  Chemisette. 
**=*)  In  der  späteren  Ansgabe:  s'en  irrite. 
f)  In  der  Ausgabe  vom  J.1827  kommen  die  zwei  letzten  Yerse  nicht  vor. 


94  T.  Matid, 

^  Pintorovich-Bey,  cornme  chef  de  famille,  diBpose  de  sa  BCdor,  comme 
fl  pourrait  le  faire  d'un  cheval  oa  d^nn  menble. 

Gette  bailade,  bi  remarquable  par  la  dölicatesse  des  sentiments,  est  Y^ri- 
tablement  tradnite.  L'abb6  Fortis  en  a  pabliö  roriginal,  accompagn^  d'une 
traductioiLy  ou  platöt  d^nne  Imitation  en  vers  ItalienB.  Je  croia  ma  version. 
litt^rale  et  ezacte,  ayant  6t6  falte  boob  les  yenx  d^nn  RuBse  qni  m'en  a  donn6 
le  mot  k  mot. 

M.  Oh.  Nodier  a  publik  ^galement  nne  tradnction  de  cette  bailade,  &  la 
snite  de  Bon  charmant  po^me  de  Smarra*). 


*)  Von  »Gette  ballade,  bI  remarqnable«  iBt  weiter  die  ganze  Anmerkung 
erst  Bpäter  hinzngefUgt  worden  und  kommt  in  der  AuBgabe  1827  nicht  vor. 

7. 

La/emme  de  HagannAga, 
(A.  Dozon,  Po6BieB  popnlaireB  BerbeB  tradniteB  Bur  leB  originanx,  Paria  1859.) 
Qne  voit-on  de  blanc  dans  la  verte  montagne? 
Eat-ce  de  la  neige,  oü  Bont-ce  des  cygnea  ? 
Si  c'^tait  de  la  neige,  eile  serait  d^jä  fondne, 
(si  o'^taient)  dea  cygnes,  ils  aoraient  pris  lenr  vol. 
Ge  n'est  ni  de  la  neige,  ni  des  oygnes, 
mala  la  tente  de  l'aga  Ha9an-Aga. 
Ha9an  a  re^n  de  cmelles  bleaanrea; 
aa  m^re  et  aa  aoenr  aont  vennes  le  viaiter, 
maia  aa  femme,  par  pndenr,  ne  ponvalt  le  faire. 
Qoand  11  fnt  ga6ri  de  aes  bleaanres, 
fl  fit  dire  ä  sa  fidMe  ^pouse: 
»Ne  m'attends  plns  dans  ma  blanche  maiaon^ 
»ni  dana  ma  maiaon,  ni  dana  ma  famille.« 
La  Tnrqne  venait  d'entendre  cea  parolea, 
et  eile  demeorait  encore  dana  la  pena^  de  aa  mia^re, 
qnand  le  paa  d'nn  cheval  a'arr^ta  devant  la  maiaon. 
Ha9an-Agnlnitza  alora  a'enfnit, 
pour  ae  briaer  le  con  en  ae  jetant  de  la  fen^tre. 
Apr^a  eile  conrent  aea  denx  petitea  fiUea : 
»Reviena-t'en,  ch^re  maman, 
»ce  n'eat  paa  notre  p^re,  Ha^an-Aga, 
»maia  notre  oncle,  PintoroTiteh-Bey.c 
Et  Ha^an-Agoinitza  revint  anr  aes  paa, 


Proeper  MMmöe'B  Mystifikation  kroat  VolkBlieder.  95 

et  ae  pendant  au  oou  de  son  fr^re: 

sLa  grande  honte,  mon  fröre,  (dit-elle) 

i»de  me  s^parer  de  cinq  enfants.c 

Le  bey  garde  le  süence,  11  ne  dit  mot, 

nais  fonillant  dans  sa  poche  de  soie, 

il  en  tire  (et  Ini  remet)  la  lettre  de  r^pndiation, 

afin  qu'eUe  reprenne  son  donaire  entier, 

et  qu'elle  revienne  avec  lui  chez  sa  möre. 

Quand  la  Tnrque  eut  In  la  lettre, 

die  baisa  ses  denx  fils  an  front, 

ses  denx  filles  snr  lenrs  jenes  vermeilles, 

mais  ponr  le  petit  enfan^on  an  bercean, 

eile  ne  ponvait  dn  tont  s'en  s^parer. 

Bon  fröre,  la  prenant  par  la  main, 

ä  grand'  peine  Tdoigna  de  l'enfant, 

pnis,  la  plagant  derriöre  Ini  snr  son  cheval, 

partit  avec  eile  ponr  sa  blanche  maison. 

Chez  ses  parents  eile  ne  demenra  qne  pen  de  temps, 

pen  de  temps,  pas  m^me  nne  semaine. 

La  Tnrqne  6iait  belle  et  de  bonne  famiUe, 

ponr  sa  beant^  on  la  demanda  de  tontes  parts, 

et  avec  le  plns  d'instance,  le  kadi  d'Imoski. 

La  dame  snpplie  son  fröre : 

•Venille  ne  me  donner  ä  personne, 

»de  penr  qne  mon  panvre  c<enr  ne  se  brise, 

»par  piti6  de  mes  petits  orphelinsc 

Mais  le  bey  de  cela  n'ent  point  sonci, 

et  l'aocorda  an  kadi  d'Imoski. 

La  Tnrqne  snpplia  encore  son  fröre, 

d'torire  snr  nne  fenille  de  blanc  papier, 

ponr  l'enYoyer  an  kadi  d'Imoski: 

»L'accord^e  (disait-elle)  te  salne  conrtoisement, 

»et  conrtoisement  te  demande  par  cette  lettre, 

»qnand  tn  rassembleras  les  nobles  svats, 

»  et  qne  tn  viendras  la  ohercher  dans  la  blanche  maison, 

»d'apporter  nne  longne  convertnre  (volle)  ponr  eile 

»afin  qn'en  passant  devant  la  demenre  de  l'aga, 

»eile  ne  voie  point  ses  petits  orphelins.« 


96         T.  Matid,  Prosper  M6rim6e'8  MystifikAtion  kroat  Volksiieder. 

D6b  que  la  lettre  parvint  au  kadi, 

il  raasembla  de  nobles  svats, 

et  partit  poar  chercher  l'accord^e. 

Ghez  eile  le  cort^e  arriva  k  bon  port, 

et  Sans  encombre  arec  eile  repartit. 

Mais  comme  on  passait  derant  la  maison  de  l'aga, 

les  deox  filles  virent  lenr  m^re  de  la  fen^tre, 

et  ses  denx  fils  aa  devant  d'elles  sortirent : 

»Reviens  avec  nons,  ch^re  maman,  Ini  dirent-ils, 

»qne  nous  te  donnions  k  diner.a 

A  ces  paroles,  Ha^an-Agninitza  dit  au  stari  STat : 

»Stari  svat,  mon  trhre  en  Dieul 

»fais  arrSter  les  chevaux  präs  de  la  maison, 

»que  je  donne  quelqne  cbose  k  mes  orphelins.« 

On  arr^ta  les  chevanx  präs  de  la  maison. 

A  ses  enfants  eile  fit  de  beaux  cadeaux: 

k  cbaque  gar^on,  des  couteaux  dor^s, 

k  ohaque  fille,  une  longne  robe  de  drap; 

pour  l'enfan9on  au  berceau, 

eile  Ini  envoya  des  habits  dHndigent  (d'orphelin). 

Le  cavalier  Ha9an-Aga  avait  tont  vu; 

11  appela  ses  deux  fils : 

»Venez  ici,  mes  orphelins, 

spuisqu'elle  ne  veut  pas  avoir  piti6  de  yous, 

»Yotre  m^re  au  cceur  de  pierre.« 

En  entendant  ces  mots,  Ha^an-Aguinitza 

frappa  contre  terre  de  son  blanc  visage 

et  k  rinstant  rendit  Täme, 

de  douleur  et  de  souci  pour  ses  orphelins. 


97 


Wie  man  Blayische  Mythologie  macht. 


loh  mOehte  die  folgende  Bemerkung  dem  Andenken  des  verstorbenen 
Akademikers  AI.  Wesselo&kj  widmen  als  Ansdmek  meiner  aofrichügen 
Yerehrnug  fllr  sein  eminentes  Talent  nnd  das  großartige  Arbeitsfeld, 
welches  er  bebant  hat  nnd  wo  er  noch  fttr  lange  Zeit  allen  Mitstrebenden 
ein  Fohrer  und  eine  Fnndgmbe  von  Informationen  bleiben  wird.  Auch 
persönlich  bewahre  ich  ihm  das  wärmste  Angedenken,  denn  obwohl  ich 
nie  das  Glflck  hatte,  ihn  persönlich  kennen  zn  lernen,  hat  er  mich  doch 
mit  einigen  sehr  liebenswflrdigen  Briefen  beehrt,  welche  ich  in  schweren 
Aogenblicken  als  Ermnntemng  und  Stärkung  empfunden  habe  nnd  immer 
dankbar  bewahren  werde.  Wenn  trotzdem  meine  Bemerkung  den  Zweck 
hat,  eine  vom  verewigten  Meister  vorgebrachte  Behauptung  richtigzu- 
stellen, so  soll  es  nicht  sein  Andenken  und  seine  Autorität  irgendwie 
sdimAlem,  sondern  nur  zum  besseren  Fortgang  der  Studien  dienen,  denen 
er  sein  arbeits-  und  fruchtreiches  Leben  gewidmet  hat. 

Die  Sache  verhält  sich  so.  Im  Jahre  1885  hat  der  Pfarrer  Michael 
Zubryökyj,  jskm  Schulkamerad  und  verdienter  Erforscher  des  Bauem- 
iebens, im  Dorfe  Msanec,  im  karpatischen  Oebirge  das  folgende  Weih- 
nachtdied  angezeichnet: 

1.  A  n^o  HaM  6uäo  3  ndjswsj  cnira  — 

CjaBOH  6CH  Eose 

no  nycTM  cbItT  i  na  seäeoax  (Befrain) 

2.  Oh  He  6huo  s  nair,  xo6a  CHHa  no^a, 

3.  CHHafl  BOAa  thh  6L1HH  KamiHL. 

4.  A  npHKpHB  rocnoAB  cnpoB  senJon^eB, 

5.  Bspocio  Ha  hTh  Ke^poBe  ApeBO 

6.  £ap3  BHcoqeHKe  i  tfapa  cjtKneHKe. 

7.  BncHOTpKKa  ro  npecsATa  A^sa, 

8.  3i3Ba.ia  a  HOMy  oopoK  peMicHmciB: 

9.  »Oh  BHAHTe  x.  bh,  peiiicHH^eHKH? 

10.  A  aiTHTTe  X  bh  Ke/qpoBe  ap^bo, 

11.  SöyAyHTe  da  H&oro  cBÄxy  Co«iH), 

12.  GBflTy  Go«iH)  b  CBHTiM  EiSoBi, 

13.  Eu  Ha  hTS  6Uxo  cTHAecflTL  BepxiB, 

liekiT  flUr  lUTiBch«  Philolofit.  TXTT.  7 


98  Ivan  Franko, 

14.  GTMAecflTB  BopxiB,  cTmabchtb  KpHXiB, 

15.  Genepo  ABepiiS,  a  «ahh  nij^oni«. 

16.  JSfiBh  ÖyxyBajra,  b  ho^h  BxTKajB, 

17.   B  HO^H  BTTRajra,  B  AOHB  npHÖUBaxH. 

18.  A  sicjiaB  TocnoAB  aHrejia  3  He6a. 

19.  »He  BJiARaHTe  ch,  peidcHH^enKH! 

20.  JlfiB  BSM  To  TocnoAB  BeAJT^r'  chjohkh. 

21.  KpHxi  po($iTe,  BepxH  sboaTto«. 

22.  Bßfiu  BepmeEKO  (iaps  bhco^ohko, 

23.  Eaps  BHCO^eHKO  i  tfaps  oiTqHeHKO, 

24.  A  B  tIm  BopmeHKy  sojiothh  npeciü, 

25.  3a  THM  npecTOjiOM  caM  mhjihh  FocnoAb 

26.  CijXBT  cjrjnK^OHiry  cyÖopoByH), 

27.  CyÖopoByK),  sasAopoByH), 

28.  I  sa  SAopoBfl  Hamoro  6paTa, 

29.  Hamoro  6paTa  i  bcTx  xphctUh. 

30.  TaMTyxH  jiexHT  3  xftBHy  cTesemca, 

31.  GTexKOH)  i^e  noiBCBKa  sinoHKa, 

32.  MexH  HHMH  H^e  nojncoBHiraeHKO. 

33.  GTajia  BisoHKa  b  Kpiiad  cTpluTH. 

34.  Peqe  cjobohko  nojKOBHmoHKO : 

35.  »A  He  cTpuAHTe  x  b  cbatIT  Kpicsi, 

36.  £o  cnycTHT  FocnoAi»  ofhjihhh  xoxaxhRi 

37.  OiHAHHH  AOXA^KHK,  rpoMosi  KyjiT, 

38.  SaTOüHT  FocnoAB  noja»ci»Ky  Bisomcy«. 

39.  Ah  TaK  ca  cTaio,  ioc  bIh  roBopsB: 

40.  IcnycTHB  Fochoab  orHAnnä  xoxakhk, 

41.  OrHAHHH  ßf}7Biß;SXR,   rpoMOBi  KyjT, 

42.  SaTOHHB  FocnoAB  nojTLCBKy  bIhohky, 

43.  Xo6a  HaM  3icTaB  nojKOBHHqeHKO, 

44.  HoJKOBHH^eHKO,  TOH  Ham  6paTeHK0. 

45.  Eu  Ha  3AopoBH,  na  MHora  JiTra, 

46.  FeH  Ham  naHemcy,  Ta  nam  6paT0HKy, 

47.  He  caM  is  coäoB,  a  3  hhjhm  EoroM, 

48.  Is  mhihm  EoroM,  3  rocnoAHHeHKOB, 

49.  3  rocnoAHHeHKOB  i  3  ^ejin^OHKOB. 

loh  habe  den  Text  dieses  bisher  nnbekannten  Weihnaohtsiiedes  dem 
verst.  M.  Dragomanoy  mitgeteUt,  welcher  mir  in  einem  Briefe  antwortete, 


Wie  man  Blavische  Mythologie  macht  99 

das  Lied  g^ehöre  za  jenen,  welche  er  »bogomilischec  genannt  hat,  und 
fflUsae  im  Zmaammenhang  mit  grieohiBohen,  bnlgarisohen  und  nuntoisehen 
gortliehen  Gesfingen  stadiert  werden.    Der  bogomiliache  Charakter  des 
Liedes  wollte  mir  aber  gar  nicht  einleuchten,  und  ich  publizierte  den 
Text  des  Liiedes  im  J.  1S89  in  der  »EijeTskiya  Starina«  (Januarheft 
8.  231 — 232)  mit  einer  kleinen  Bemerkung,  worin  ich  den  kompilatiyen 
Charakter  des  Liedes  hervorhob  und  drei  Teile  unterschied:  der  erste 
Tdl  ist  eine  Nachbildung  des  alten  Weihnachtsiiedes  über  die  Welt- 
Mhdpfnng,    welches  aus  der  Sammlung  des  Holorackij  (IKche  rax.  h 
Yr.  Pycn  Bd.  ü,  5,  Nr.  7)  bekannt  und  von  Potebnja  {O&hOßBemsi  n, 
619 — 620)   kommentiert  wurde.    Das  zweite  Motiv  ist  das  auch  aus 
Wdhnmehtsliedem  bekannte  Motiv  vom  Tempelbau  (vgl.  üoTetfEs, 
(MxflCHeHiA  n,  619 — 620),  welches  hier  aber  (Verse  16 — 21)  in  die 
etwas  unklare  Ersfthlung  von  der  periodischen  Arbeit  und  Flucht  der 
Bauleate  ausklingt.    Die  Motive,  weshalb  sie  bei  Nacht  flohen  und  am 
Tage  zurückkehrten,  sind  nicht  angegeben;  die  Verse  tlber  die  Ersohei- 
nuMg  des  Engels,  welcher  sie  beruhigt  mit  den  Worten,  Gott  habe  es 
iknen  »nach  ihrer  Kraft«  gegeben,  schienen  mir  auf  dnen  Zusammen- 
hang dieser  Episode  mit  der  mir  aus  einem  polnischen  Gedicht  des 
Boman  Zmorski  bekannten  Sage  llber  den  Turm  der  sieben  Heerführer 
Idnzudenten.    Dort  wird  der  Turm  auch  am  Tage  gebaut,  sinkt  aber  in 
der  Nacht  in  die  Erde  hinab,  bis  der  Bau  vollendet  wird,  und  steigt  dann 
durch  die  Zauberkraft  des  Gesanges  jener  sieben  Heerführer  aus  dem 
Boden  bis  an  die  Sterne  empor.   Die  dritte  Episode  tlber  die  wunderbare 
Bestrafung  des  polnischen  Heeres  führte  ich  auf  irgend  eine  apokryphe 
ESnihlung  zurOck,  ohne  dnen  bestimmten  Text  zitieren  zu  können. 

Durch  den  Moskauer  Gelehrten  V.  Kallas  wurde  auf  dieses  Lied 
die  Anfinerksamkeit  Wesselofsky's  gelenkt,  welcher  demselben  in  den 
NaehtrSgen  zu  seinen  9Fa8UCKaHifl  b%  o6j[acTH  pyccKHX'B  xy^OBHUX'L 
CTKZOBT«  den  bekannten  »Exkurs  tlber  den  Yggdrasil«  widmete.  Wes- 
selofisky  stellt  hier  unser  Lied  mit  dem  des  Holovackij  zusanmien  und 
schreibt  so:  »Diese  Variante  geht  von  demselben  BUd  des  Baumes  aus, 
stellt  aber  anstatt  der  WeltschOpfnng  das  aus  anderen  Weihnachtsliedem 
bekannte  Motiv  des  Kirchenbaues  ein;  whr  erinnern  an  die  »HoBiieTfc 
TphM;ak  lepycaxmia«  —  die  Cypresse  —  Sophia,  die  Weisheit  Gottes  mit 
siebzig  Gipfeln;  im  Weihnachtslied  steht  dafür  die  »heilige  Sophia  im 
heilten  Kijev«.  Interessant  sind  noch  die  folgenden  Details :  die  Bau- 
arbeiter >bauten  am  Tage,  flohen  in  der  Nacht«,  bis  Gott  durch  den 

7* 


IQQ  '  Ivan  Franko, 

Engel  ihnen  befahl  nicht  zn  fürchten.  »Gott  hat  es  ench  nach  eurer 
Kraft  gegeben«,  and  sie  voUfQhren  ihr  Werk.  Herr  Miron^)  vermntet 
hier  einen  Nachhall  eines  Motivs  von  der  Art  des  in  der  polnischen  Le- 
gende »Tnrm  der  sieben  Heerftlhrer«  bekannten:  was  am  Tage  gebaut 
wird,  sinkt  in  der  Nacht  in  die  Erde  hinab,  und  als  schließlich  der 
Gipfel  des  Tnrmes  vollendet  wnrde,  erhoben  sich  seine  Wftnde  wander- 
bar aas  dem  Erdboden.  Fitr  solche  Yermatang  gibt  das  Weihnachtslied 
kdnen  Grand,  im  Gegenteil,  man  darf  vermuten,  daß  das  Motiv  des 
Schreckens  der  Bauleute  mit  den  Details  der  Schlußepisode  verbunden 
ist :  es  kommt  das  polnische  Heer,  der  Hauptmann  läßt  seine  Leute  auf 
Kreuze  nicht  schießen,  sie  tun  es  aber  doch  und  werden  von  Gott  ge- 
straft.   Das  sind  die  Feinde,  welche  den  Bauleuten  Furcht  eiiyagen«. 

Nun  formuliert  Wesseloftky  seine  eigene  Ansicht  folgendermaßen: 
»Ich  denke,  das  Original  dieses  Weihnachtsliedes  habe  dem  Bau  jener 
apokryphen  Erzählung  entsprochen,  welche  die  Grundlage  slavisoher 
Legenden  Aber  die  WeltschOpfung  geworden  ist :  am  Anfang  die  Welt- 
schöpfnng  auf  dem  blauen  Meer,  am  Schluß  der  Kampf  der  Engel  mit 
unreinen  Geistern;  Michael  fOrchtet  auch  den  Satan,  Gott  aber  gibt  ihm 
Kraft,  und  er  wirft  den  Satan  und  seine  Heerscharen  vom  Himmel  zur 
Erde  und  in  den  Höllenpfuhl  (Gbetoitb  Öcxoctb.  khetb).  Interessant, 
daß  die  nordische  Legende  die  Absicht  Satans,  »seinen  Thron  Aber  den 
Sternen  zu  errichten«  als  einen  wirklichen  Bau  verstanden  hat:  »Zebaoth 
baute  den  Himmel,  der  Satan  einen  anderen,  höheren;  Zebaoth  baute 
noch  einen  Himmel  und  Satan  einen  noch  höheren,  und  so  bauten  sie 
sieben  Himmel«.  Vergleiche  im  Weihnachtsliede  die  Kirche  mit  siebaig 
Gipfeln.  Sowohl  im  galizischen,  als  auch  in  unserem  (?)  Weihnachtsliede 
bleibt  unklar,  vom  Standpunkt  des  »Gbetoitb«,  das  Bild  des  Baumes  in 
dem  Weltschöpfungsmythos.  Der  Baum  erscheint  aus  dem  Meer,  oder 
auf  dem  Meer  steht  ein  Stein,  auf  diesem  der  Baum.  In  slavischen  und 
westlichen  Frage-  und  Antwort-Apokryphen  ist  die  Eiche  eine  Grund- 
lage der  Welt,  darauf  liegen  schichtenweise  Feuer,  Stein,  Wasser,  Erde. 
Diese  Eiche  steht  auf  göttlicher  Kraft;  arbor,  quae  ab  initio  posita  est, 
ipse  est  Dominus  Jesus  Christus;  es  ist  der  Kreuzbaum,  zugleich  der 
Paradiesbaum  und  der  Weltbaum.  Als  Weltbaum  ist  er  an  seinem  Platz 
in  Weihnachtsliedem  über  die  Weltschöpfung,  dagegen  werden  in  an- 


^)  Unter  diesem  Pseudonym  wurde  meine  Mitteilung  in  der  K^evski^a 
Starina  gedruckt. 


Wie  man  slavische  Mythologie  maoht  101 

deren  ans  dem  Erenzbanme  oder  ans  drei  Bäumen  Kreuze  gemacht,  eine 
Kirche  gebaut  mit  drei  Altären,  drei  Türen,  drei  Gipfeln  =  Himmeln, 
imd  durch  eine  tritt  Gott  selbst  ein.  Wie  hier  das  Bild  des  Kreuzholzes 
^  der  Kirche  zum  kosmischen  erweitert  wurde,  so  erklärt  auch  in  un- 
serem Weihnachtsliede  das  Bild  des  Weltbaumes  den  Obergang  von  der 
Weltschöpfung  zum  Kirchenbau.  Bei  der  Kirche  erschienen  statt  Engel 
die  Bauleute  und  die  alten  Feinde  sind  als  eine  Abteilung  polnischer 
Krieger  gezeichnet.  Das  Weümachtslied  wird  auch  dem  Hauptmann  zu 
Ehren  gesnngenc. 

Das  letztere  ist  unrichtig;  das  Weihnachtslied  wird  zu  Ehren  des 
jeweiligen  Vorgesetzten  der  Kirchenbrflderschaft  (cTapmHH  6paT)  ge- 
simgen,  welcher  kraft  des  in  allen  Weihnachtsliedem  flblichen  Nexus 
gleich  mit  dem  Helden  des  Liedes  identifiziert  wird.  Grundlos  ist  die 
Identifizierung  des  Cedembaumes  in  unserem  Liede  mit  dem  Kreuzholz 
und  gar  mit  der  Weltesche;  dieser  Baum  hat  mit  der  Weltschöpfnng 
nichts  gemein,  da  er  ja  nicht  als  Anfang,  sondern  als  Schluß  dieser 
Schöpfung  dargestellt  wird.  Und  überhaupt  hat  das  ganze  Lied,  wie 
wir  gleich  sehen  werden,  gar  nichts  Mytholo^ches  oder  Bogomilisches 
an  sich,  sondern  ist  aus  K^jever  Lokalsagen,  freilich  im  Stil  der  alter- 
tümlichen Weihnachtslieder,  in  einer  ziemlich  genau  zu  bestimmenden 
hiBtorischen.  Zeit  entstanden. 

In  dem  in  ganz  Stldrußland  und  auch  in  Galizien  seinerzeit  sehr 
populären  und  vielfach,  auch  in  Lemberg  gedruckten  Werke  des  Joan- 
nicios  GalatOYsky  »KjnoTB  pasyM^niA«  finden  wir  am  Schluß  eine  kleine 
Sammlung  von  Wundergeschichten  der  Muttergottes,  und  lesen  dort  als 
IStes  Wunder  die  folgende  Geschichte:  Im  Jahre  1630,  als  einmal  das 
polnische  Heer  zum  Pe^erskij-Kloster  herantrat  und  dasselbe  zerstören 
wollte,  da  es  gehört  hatte,  dort  befinde  sich  der  KosakenfDhrer  äulha  mit 
Zaporoger-Kriegem,  damals  schützte  die  heilige  Gottgebftrerin  ihr  Kloster 
Tor  Gefahr,  denn  auf  ihre  Bitte  fiel  ein  feuriger  Regen  auf  das  Heer  und 
trieb  es  weg  vom  Höhlenkloster,  was  später  auch  die  Polen  und  Deut- 
Bchen  selbst  erzählten,  welche  dabei  waren.  HeerfOhrer  in  diesem  Heere 
waren  ButÜer  und  j^oltowski«. 

GalatoYskij  zitiert  keine  Quelle  für  seinen  Wunderbericht,  und  er 
brauchte  es  auch  nicht  zu  tun,  da  die  Sache  in  Kijey  und  auch  in  ganz 
Sfldroßland  ohnedies  ziemlich  bekannt  war.  Wir  haben  darüber  einen 
snafllhrlichen  Bericht  eines  Augenzeugen,  des  Höhlenkloster-Mönches 
Kahofojskij,  welcher  in  seinem  1638  polnisch  herausgegebenen  Buche 


1 02  Ivan  Franko, 

»Theratnrgema«  die  Geschichte  erzählt.  Ich  will  seinen  Bericht  nicht 
zitieren,  da  er  im  Grunde  mit  dem  Galatovskijs  zusammenstimmt,  nnd 
will  nnr  die  Darstellnng  des  Wnnders  mit  dem  Fenerregen  in  wörtlicher 
Übersetzung  mitteilen.  Nachdem  er  die  Ursache  des  Überfalls  (einen  un- 
motivierten Verdacht  der  Polen,  das  Höhlenkloster  beherberge  die  Za- 
poroger,  welche  tatsächlich  anf  einer  nahegelegenen  Dnieprinsel  lagerten) 
dargelegt  nnd  die  ersten  Bewegongen  der  nahezn  6000  Mann  zählenden 
Heeresabteilnng  gegen  das  Kloster  geschildert  hatte,  fährt  er  folgender- 
maßen fort:  »Siehe  aber,  da  begann  der  bisher  heiterklare  (slicznopo- 
godne)  Himmel  seine  Pracht  zn  ändern,  als  gehe  er  ans  der  Heiterkeit  in 
arge  Traner  über,  hüllte  seine  frenndliche  Röte  mit  emer  ungemein  dunklen 
Wolke  und  begann  allmählich  einen  aus  so  heißen  Tropfen  bestehenden 
Regen  auszugießen,  daß  sobald  irgendwo  ein  Tropfen  auf  ein  Pferd, 
einen  Reiter  oder  einen  FuBgänger  fiel,  derselbe  wie  durch  siedendes 
Wasser  versengt  wurde«.  Durch  diese,  in  einer  Steppenlandschaft  an 
h^en  Sommertagen  gar  nicht  ungewöhnliche  Erscheinung  wurden  die 
Truppen  zerstreut  und  mußten  sich  in  umherliegenden  Hütten  verbergen; 
die  von  ihnen  gemachten  Anzündungsversuche  blieben  auch  erfolglos, 
und  sie  zogen  ab;  die  Angelegenheit  wurde  übrigens  noch  an  demselben 
Tage  durch  eine  Verständigung  zwischen  dem  Arohimandriten  des 
Klosters  und  dem  polnischen  Kommando  friedlich  beigelegt.  Das  ist  der 
historische  Kern  der  Lokalsage,  welche  dank  den  Bemühungen  der 
Mönche  sofort  popularisiert  und  mit  fabelhaften  Zügen  geschmückt 
wurde.  Kalnofojskij  macht  zu  seiner  Erzählung  noch  eine  lakonische 
Bemerkung:  »Zur  Erinnerung  an  dieses  Wunder  wird  jährlich  um  das 
Kloster  und  die  Stadt  eine  Prozession  yeranstaltet«.  Natürlich  war  eine 
solche  Prozession  auch  mit  entsprechenden  Predigten  verbunden,  und  so 
wundem  wir  uns  nicht,  daß  der  an  sich  bedeutungslose  Vorfall  vom 
J.  1630  auch  ungeachtet  der  schriftlichen  Quellen  mündlich  bis  ins  kar- 
patische  Gebirge  gelangen  und  hier  Thema  des  Weihnachtsliedes  wer- 
den konnte. 

Noch  ein  interessantes  Detail.  Die  wunderbare  Kirche  in  Kijev 
heißt  im  Liede  Sophia,  während  das  eben  erwähnte  Faktum  eine  andere, 
die  Höhlenklosterkirche  betrifft.  Die  Verwechslung  ist  an  sich  nicht 
wichtig;  wichtiger  ist  aber  ein  Detail,  welches  der  yerst.  Wesselo&ky 
auch  mythologisch  zu  deuten  versuchte.  In  der  Beschreibung  der  So- 
phienkirche im  Liede  heißt  es  nämlich,  in  einem  besonders  prachtvollen 
Gipfel  dieser  Kirche  stehe  ein  goldener  Altar,  und  bei  diesem  Altar  ver- 


f 


Wie  man  slayische  Mythologie  macht.  103 

richtet  der  liebe  Gott  selbst  einen  Gottesdienst.  Das  ist  keine  Mythologie 
md  kdne  Allegorie;  es  ist  nur,  durch  verwunderte  Banemangen  ge- 
sehen, eine  Beschreibung  der  wirklich  im  Gewölbe  des  Hauptschiffes  der 
Kijever  Sophienkathedrale  befindlichen  wundervollen  Mosaikdarstellung, 
wo  auf  goldenem  Grunde  Christus  in  pontificalibus  dargestellt  ist.  Diese 
Mosaik  war  lange  Zeit,  seit  der  zweiten  Hftlfte  des  ÄVii.  Jahrb.  vor- 
sehoUen,  wurde  bei  irgend  einer  Reparatur  mit  Kalk  flbertflneht,  und 
erat  dem  Bajever  Professor  PrachoT  verdanken  wir  ihre  Entdeckung. 
Wer  die  Hberlebensgioßen,  farbenglllhenden  Darstellungen  dieser  Mo* 
ulken  einmal  betrachtet  hat,  der  wird  es  erklärlich  finden,  daß  ibr  In- 
liilt  dem  erstaunten  Auge  eines  frommen  Baucmpilgers  als  lebendige 
Szene  des  den  Gottesdienst  verrichtenden  Christus  erscheinen  mußte. 
Übrigens  ist  dieselbe  Figur  Christus  in  pontificalibus  dne  feststehende 
und  offiziell  bestimmte  Figur  im  Zentrum  jedes  sogenannten  Ikonostas 
(Ddsiis),  welcher  sich  in  jeder  russischen  Kirche  befindet. 

Auch  die  zweite  Episode  unseres  WeibnacbtsUedes,  die  vom  wunder- 
baren Eirchenbau,  hat  nichts  Mythologisches  an  sich,  sondern  ist  wieder 
ms  einer  Lokalsage,  und  zwar  aus  einer  dieselbe  HOhlenklosterkirche  in 
Kijev  betreffenden  entstanden.  Ich  habe  erst  unlängst  das  ziemlich  seltene 
Gedieht  des  Roman  ZmorsM  »Wieia  siedmiu  wodzöw«  in  einer  Separat- 
losgabe  bekommen  und  ersehe  aus  dem  Nachwort  des  Verf.,  er  habe  die 
Sage  zwar  in  seiner  Kindheit  in  Masovien  gehdrt,  konnte  aber  später  keine 
Spur  derselben  in  jener  Gegend  finden.  Dagegen  traf  er  sie  in  der  Ukraine, 
zwischen  Janov  und  Terespol,  wo  ihm  ein  Mäher  erzXhlte,  es  wären  einst 
sieben  Brftder,  weise  Fürsten  gewesen,  welche  vor  ihrem  Tode  einen  Turm 
bauen  ließen,  worin  sie  begraben  werden  wollten.  Was  aber  die  Maurer 
am  Tage  erbauten,  das  versank  in  der  Nacht  unter  die  Erde.  Dies  dauerte 
volle  drei  Jahre.  Nach  dieser  Zeit  ließ  der  älteste  Bruder  eine  goldene 
Engel  bauen,  in  welcher  ein  lebendiger  Hahn  verschlossen  wurde.  Die 
Kugel  wurde  nun  an  der  Spitze  des  Turmes  befestigt,  und  als  der  Hahn 
in  der  Kugel  krähte,  ging  der  Turm  von  selbst  aus  dem  Boden  hervor, 
bis  er  den  Hinmiel  berOhrte.  Ich  lasse  den  Schluß  dieser  Erzfthlung 
beiseite  und  füge  noch  hinzu,  derselbe  Verfasser  habe  noch  eine  Version 
dieser  Sage  zitiert,  welche  direkt  an  die  Erbauung  der  Kijever  Höhlen- 
klosterkirohe  anknilpfk.  Zehn  heilige  Brflder  sollen  diese  Kirche  erbaut 
haben;  was  am  Tage  erbaut  wurde,  versank  in  der  Nacht  im  Boden;  so 
dauerte  es  dreißig  Jahre.  Am  Schluß  des  dreißigsten  Jahres  erschien 
ihnen  ein  Engel  und  befahl  ihnen  das  Dach  zu  bauen  und  ein  Kreuz 


104  Ivftn  Franko, 

diurauf  aufenrichten.  Man  machte  ein  Kreuz,  welches,  da  es  spät  abends 
aufgerichtet  wurde,  etwas  schief  stand.  Dann  gingen  sie  zur  Ruhe  und 
erwachten  nicht  mehr.  Am  andern  Morgen  aber  tauchte  aus  dem  Erd- 
boden der  Eirchenturm  so  hoch  empor,  daß  er  auf  die  Entfernung  yon 
sieben  Meilen  sichtbar  war.  Zmorski  beruft  sich  bei  dieser  Erzflhlung 
auf  den  polnisch-ukrainischen  Schriftsteller  Alexander  Groza,  dessen 
Werkchen  »Wladyslaw,  wyci^  z  pamiftniköw  nie  bardzo  staryohc  ich 
nicht  einsehen  konnte.  Die  moderne  ethnographische  Forschung  in  der 
Ukraine  hat  bisher,  so  viel  ich  weiß,  im  Yolksmunde  eine  solche  Sage 
nicht  gefunden,  aber  ich  muß  sogleich  beifügen,  daß  fOr  die  Sagen-  und 
Lokalgeschichte  der  Ukraine,  besonders  am  rechten  Dnieprufer  bisher 
sehr  wenig  geleistet  wurde.  Jedenfalls  wird  das  bisher  Gesagte  genügen, 
den  betreffenden  Worten  unseres  Weihnachtsliedes  jeden  mythologischen 
Anstrich  zu  benehmen. 

Und  noch  eine  Bemerkung.  Die  Ausfflhrungen  des  yerst  Wesse- 
lofsky  Aber  die  WeltschOpfung  in  dem  oben  angeftihrten  Zitat  mögen 
sehr  scharfsinnig  sein,  —  daß  sie  klar  und  flberzeugend  wären,  wflrde 
ich  nicht  sagen.  Die  Verquickung  des  skandinavischen  Weltbaumes  mit 
dem  altchristlichen  &euzholze  scheint  mir  ganz  willkürlich  zu  sein  und 
wird  durch  kein  bekanntes  Material  gefordert.  Die  vom  verst.  Wesselof- 
sky  herbeigezogenen  BonpocooTB^TU  und  der  auf  ihrer  Grundlage  ge- 
machte spätrussische  Gbhtoitb  sind  ein  zu  dunkles  und  erforschungs- 
bedflrftiges  Gebiet,  als  daß  wir  ohne  neues  Material  hier  zu  irgendwel- 
chen bindenden  Schlflssen  berechtigt  wären.  Vielleicht  wird  es  hier  am 
Platze  sein,  auf  den  von  mir  gefundenen  und  im  lY.  Bande  meiner  Apo- 
kryphensammlung  (üaMATicH  IV,  S.  420 — 428)  publizierten  Text  eines 
derartigen  Apokryphums  hinzuweisen,  welches  mir  den  Abklatsch  der 
ältesten,  uns  bisher  bekannten  Redaktion  der  sogen.  £ec%A&  Tpexx 
CBATHTaieH  darzustellen  scheint.  Wie  hier  die  Weltschöpftmg  erzählt 
wird,  mögen  die  ersten  ffinf  Fragen  und  Antworten  in  wortgetreuer  Über- 
setzung illustrieren,  mit  welchen  ich  diese  Ausftlhrung  schließe : 

Am  Anfang  schuf  Gott  Himmel  und  Erde,  die  Erde  aber 
war  unsichtbar  und  ungescbmttckt  und  Finsternis  war  Aber 
dem  Abgrunde. 

1.  Frage:  Wer  ist  älter  als  Gott? 

Antwort:  Die  Höhe  und  die  Breite  und  die  Tiefe  und  die  Steine. 

2.  Frage:  Wer  ist  der  Stein? 

Antwort:  Der  Stein  ist  die  Mutter  des  Alls. 


Wie  man  slavische  Mythologie  macht  1 05 

3.  Frage :  Wie  ist  er  die  Matter  des  Alls  ? 
Antwort:  Als  noch  die  Welt  nicht  war,  war  eine  Finsternis  und 
ein  Stein  über  dem  Abgmnd,  nnterstfltzt  vom  heiligen  Qdst, 
nnd  ans  demselben  sproßte  Gott  hervor. 
4. Frage:  Wie  sproßte  Gott  hervor? 
Antwort:  Nor  der  einzige  Geist  begann  damals  zn  existieren,  ein 
grfinfarbiger  Stein,  der  heißt  Afranikr,  nnd  von  Ansehen  war 
er  klarer  als  Sonnenlicht,  wo  auch  die  Qnelle  der  Gewässer  ist. 
Der  heilige  Geist  [entstand]  ans  dem  Ranchgewölk;  er  ranchte 
auf  nnd  wnrde  Fener,  nnd  wnrde  Gott,  fenrig  von  Gestalt  nnd 
einem  Menschen  ähnlich,  von  ihm  aber  kam  das  Licht. 
5.  Frage:  Was  ist  am  ältesten  in  aller  Schöpfnng? 
Antwort:  Das  Wort  wnrde  gesprochen:    »Am  Anfang  war  das 
Wort  nnd  das  Wort  war  von  Gott  nnd  Gott  war  das  Wort«. 
Und  als  er  anf leuchtete,  sprach  er:  »Es  werde  Licht!«  nnd  so 
wnrde  es,  nnd  Gott  sah,  daß  es  wohlgetan  ist. 

Dr.  Ivan  Franko, 


Zu  Prokop  SediT^s  Büchlein  über  das  Theater  (1793). 


Der  Schauspieler  Prokop  äediv^  (1764  bis  gegen  1810},  i^herecky 
WerfTowec  v  wlaftenfk^o  Praisk^ho  diwadla«,  als  Dramatiker  wie  als 
Enihler  ohne  Originalität,  aber  als  Übersetzer  ein  frnchtbarer  Vermittler 
deutscher  Einflilsse  ^)  nnd  eine  Hanptstfltze  der  popularisierenden  Tätig- 


1)  Er  ttbersetzte  Bitterromane  von  Chr.  H.  Spieß,  der  selbst  als  Schan- 
Bpieler  in  Prag  nnd  später  als  Güterverwalter  bei  Klattan  lebte ;  Wiener  Possen 
vonHensler,  Ziegler,  Friedl,  femer  Vnlpins,  Soden,  den  Lear,  den  Goethischen 
ClftTigo,  Bürgers  Lenore  n.  a. 

Eine  genaue  üntersnchnng  des  mächtigen  Einflosses  der  zeitgenössischen 
Wiener  Dramatik  anf  das  Drama  der  tschech.  Wiedergeburt  ist  eine  sehr  dank- 
bare An^be.  J.Mdchal  berechnet  im  »Obzor  literami  a  nm^leck;^«  II,  S.  119, 
daß  bis  znm  Jahre  1810  folgende  Wiener  Dramatiker  in  der  tschech.  Literatur 
▼eitreten  sind:  Ayrenhoff  durch  eine  Übersetzung,  Weidmann  durch  vier, 
Km-Bemardon  (2),   Schikaneder  (6),   Hensler(6),   Perinet  (2),   Friedl  (2), 


106  Franz  Spina, 

keit  des  Aufklärers  V.  M.  Eramerins,  hat  1793  ein  theoretisches  Büch- 
lein üher  den  Wert  des  Theaters  herausgegeben:  >Krdike  Pogednänj 
0  viitku^  ktere  vstawiönS  stogjc^  a  dobfe  apofädani  diwadlo  puso^ 
hiti  muie.  Sepsiino,  a  wssem,  kterj  na  oswjcenj  lidsk^ho  rozumu^  a  na 
zsslechtSnj  sv^^ch  kraganö  podjl  mjti  chtSgj,  ob^towäno«. 

Der  Forschung  gilt  das  Büchlein  als  eine  Originalarbeit.  Sie  findet 
in  ihm  —  nicht  mit  Unrecht  —  die  echten  aufklärerischen  Züge  der 
tschechischen  Wiedergeburt. 

F.  A.  Subert  schätzt  im  Obzor  literätnl  a  umilecky  I,  S.  57,  und 
OsY^ta  XXIX,  43  ff.,  131  ff.  äedivys  Bedeutung  ungemein  hoch  ein. 
Dieser  ist  ihm  durch  seine  beiden  Originalstficke:  »Praifcstf  slädci«  und 
»Masn6  krämy«  (die  übrigens  völlig  unter  dem  Einfluß  der  Wiener  Posse 
stehen),  der  erste  Realist  und  der  Begründer  des  Prager  Lokalstücks  — 
—  ein  enthusiastisches  Urteil,  das  J.  Mächal  im  Obzor  II,  113  ff.  kühl 
korrigiert.  In  der  »Osv^ta«  a.  a.  0.  133  ff.  analysiert  Hubert  das  Theater- 
büchlein  Sediy^s  eingehend  und  preist  das  Werkchen  geradezu  panegy- 
risch als  Produkt  eines  originellen  führenden  Geistes  der  aufklärenden 
nationalen  Wiedergeburt.  Schon  in  der  Widmung  und  nicht  minder  in 
der  begeisterten  Erwähnung  Josefs  U.  zeige  sich  der  echte  Parteigänger 
der  Wiedergeburt.  Als  Beispiel  für  die  Wirkung  des  Büchleins  auf  die 
Zeitgenossen  verzeichnet  Subert,  daß  E.  J.  Thäm  in  der  Vorrede  zu  sei- 
nem »Neuesten  böhmisch-deutschen  Nazionallexikonc  (1805)  vom  tsche- 
chischen Theater  ähnliche  Ausdrücke  gebrauche :  »Was  eine  wohleinge- 
richtete stehende  Bühne  wirken  könne«  etc.  Als  Vorläufer  und  teilweise 
Muster  des  Theaterbüchleins  betrachtet  Subert,  Osv^a  XXIX,  137  ge- 
lehrte Abhandlungen  von  E.  J.  Thäm  (Obrany  jazyka  Sesk^ho)  und  Fr. 
H.  Pelzel  (Akadem.  Antrittsrede  über  den  Nutzen  und  die  Wichtigkeit 
der  Böhmischen  Sprache).  — 

J.  Mächal  behandelt  Sediv^  a.  a.  0.  und  in  der  Literatura  Seskä 
XIX.  stoletf  (Laichter),  I.  Bd.  Auf  S.  261  f.  gibt  er  hier  den  Inhalt  des 
Theaterbüchleins  an,  das  auch  er  für  ein  Originalwerk  hält,  und  sagt, 
daß  die  zahlreichen  Belege  §edivys  aus  Euripides,  Shakespeare,  Cor- 
neille, Moli^re,  Lessing,  Schiller,  Törring  u.  a.  für  seine  Eenntnis  der 
dramatischen  Weltliteratur  zeugen.  Ähnlich  der  Artikel  Pr.  Sediv^  in 
Ottos  Slovnik  nauSn^. 

femer  Ziegler,  Fuß,  Heubel,  Weißkem,  Eberle,  Mayer,  Waldvogel,  Pelzel 
u.  a.  wenigstens  mit  einer  Obersetzung.  Gewiß  ist  die  Zahl  noch  größer,  viel- 
fach sind  aber  nur  Titel  erhalten. 


Zu  Prokop  äediT^s  Bttchlein  über  das  Theater  (1793). 


107 


Jar.  VlSek  gibt  in  den  »D&jiny  Seskd  literatoiy«  EL,  1,  8. 251  f.  den 
Gedankengang  des  Btlchleins  an  und  sagt,  ohne  Näheres  mitEUteilen,  der 
Yerfuser  sei  durch  eine  deutsche  Vorlage  aus  dem  Jahre  1787  angeregt 
worden.  Meint  er  d^mit  die  von  Subert,  Osv^ta  a.  a.  0.  S.  137  ange- 
fiüirten  »Beobachtungen  in  und  ttber  Prag  von  einem  reisenden  Auslän- 
dort,  Prag,  bei  Wolfg.  Oerle,  1787  ?  In  dem  von  äubert  zitierten  10. 
Kapitel  der  »Beobachtungen  c  vermag  ich  keine  Beziehung  zu  entdecken. 

Die  Quelle  ist  eine  andere:  Sediyys  Büchlein  ist  eine  ziemlich  ge- 
treue —  durch  weite  Absätze  wörtliche  —  in  den  Hauptsachen  gute 
Übersetzung  der  Schillerschen  Abhandlung:  *Dte  Schaubühne  ah 
eme  maralische  Anstalt  betrachtet*^  durch  die  der  Dichter  1784  die 
Aufrahme  in  die  Kurpfälzische  Deutsche  Gesellschaft  zu  Manheim  er- 
warb und  mit  der  er  seine  »Thalia«  erOffiiete. 

Sedivys  Schriftchen  umfaßt  mit  dem  Titelblatt  22  Seiten.  Die  Vor- 
rede (8.  3 — 7)  scheint  eigene  Arbeit  zu  sein,  von  der  7.,  bezw.  8.  Seite 
an  beginnt  die  gegen  das  Ende  freier  werdende  Übersetzung. 

Eine  Stichprobe  möge  die  Art  der  Abhängigkeit  zeigen : 


äediv^,  8.  9f.: 

Mwo  diwadla  teprw  se  za6jn&  tu, 
kde  priwa  sv^tskä  konec  swfig  berau. 
Kdyi  sprawedlnost  pen^zy  zaslepend 
od  neprawosti  auplatky  b4re,  kdyi  se 
sbftgigcj  mocnähmi  sw^  z  gich  ne- 
moenosti  posmjwÄgj,  gdyi  b&zeii 
üdBki  wrchnosti  mce  w&ie,  tu  teprw 
diwadlo  8  meiern  a  s  wähau  na  sw6 
itnmliw^  stolicy  neprawost  sanditi 
poijaa.  Na  g^ho  kynntj  gsau  mu  roz- 
tm  j  wBsickni  pHb^how6  minul^ch 
y  lmdauc^eh'6as&  k  sluibim  poho- 
tow^  Opowailiwj  a  ukrutnj  zlo6incy, 
befj  gii  däwno  sprdchniwdii,  mus^ 
aynj  ua  wssemohauc^  b&snjkü  kynutj 
wystaapiti,  a  k  strassliwö  weystraze 
potomitwa  Bw6  hanebn^  iiwobytj 
opakowatL  Jako  w  n6gak6m  zrcadle 
widjme  nynj  ten  strach,  kter^  tito 
besboftiycy  tehdegssjm  obywateltbn 
iwita  pibobili,  a  s  wigthy  rozkossi 


Schiller,  Sämtl. Werke,  herausg.  von 
Karl  Goedeke,  Stuttgart  1881,  9.  Bd., 

S.  58  f.: 

Die  Gerichtsbarkeit  der  Bühne 
fangt  an,  wo  das  Gebiet  der  weltlichen 
Gesetze  sich  endigt.  Wenn  die  Ge- 
rechtigkeit für  Gold  verblindet  und  im 
Solde  der  Laster  schwelgt,  wenn  die 
Frevel  der  M&chtigen  ihrer  Ohnmacht 
spotten  und  Menschenfurcht  den  Arm 
der  Obrigkeit  bindet,  übernimmt  die 
Schaubühne  Schwert  Und  Wage  und 
reißt  die  Laster  vor  einen  schreck- 
lichen Richterstuhl.  Das  ganze  Beich 
der  Geschichte,  Vergangenheit  und 
Zukunft  stehen  ihrem  Wink  zu  Gtobot 
Kühne  Verbrecher,  die  längst  schon 
im  Staub  vermodern,  werden  durch 
den  allmächtigen  Buf  der  Dichtkunst 
jetzt  vorgeladen  und  wiederholen  zum 
Bchauervollen  Unterricht  der  Nachwelt 
ein  schändliches  Leben.  Ohnmächtig, 
gleich  den  Schatten  in  einem  Hohl- 
spiegel, wandeln  die  Schrecken  ihres 


108 


Franz  Spina, 


prokljnime  w  srdc^ch  nassjch  gjch 
OBskliwan  pamitku. 

(10)  Wssak  j  tenkrÄte,  kdyiby  ikd- 
n^ho  mrawn6ho  u6enj,  ani  gak^ho  n&- 
boienstwj  mezy  lidmi  wjce  nebylo,  a 
kdyby  wBseckÄ  pr4wa  BwÖtskÄ  byla 
zahynula,  hr&za  gen  pi^edc  pogme 
srdce  nass^,  kdyi  spatirjme  Meden, 
ana  po  s^delnjch  stupnjch  krä6j,  a  nad 
djtkami  ew^mi  wraidy  se  dopaosstj. 
Spasytedlnj^  strach  obklj6j  mysl  nassi, 
a  geden  kaid^  bade  sw^domj  sw^  w 
tichoBti  achwalowat,  kdyi  Btrassliwi 
palno6njce  L6dy  Macbet  wystanpj,  a 
Bwau  nad  Kr&lem  sp&chanau  wrid^du 
8  tau  neydraisBJ  w4ni  z  mkan  Bw^ch 
Bmeyti  nemftie. 
S.  18: 
Dfjw6  geBBtö,  uei  Nathan  iid,  a 
Salad^  Saracensk;^  nis  pfjkladem 
Bw^m  a6ili,  co  oprawdiwä  l&ska  k 
bljinjmu  gest  —  dfjw6  geBBt6,  nei  Jo- 
zsf  Druh^  nad  8traBBliw;^m  hadern 
n&boin6  nen&wisti  Bwjt^zyl,  wBBtjpilo 
gü  diwadlo  antrpnoBt  a  prawan  c^- 
tedlnost  w  srdoe  nass^.  Hanebnj  obra- 
zow6  wzteklosti  pohansk^ch  kn6ij 
a6ili  n&B,  kterak  Be  näboin^  zÄBStj,  w 
kter6  ki-esfanatwo  bw^  poBskwrny 
zmeywalo,  warowati  m&me. 


Jahrhunderts  vor  unseren  Aogen  vor- 
bei und  mit  wollüstigem  Entsetsen 
verflachen  wir  ihr  GedächtniB. 

Wenn  keine  Moral  mehr  gelehrt 
wird,  keine  Religion  mehr  Glauben 
findet,  wenn  kein  Gesetz  mehr  vor- 
handen ist,  wird  uns  Medea  noch  an- 
schauem,  wenn  sie  die  Treppen  des 
Palastes  herunter  wankt  und  der  ELin- 
dermord  jetzt  geschehen  ist.  Heilsame 
Schauer  werden  die  Menschheit  er- 
greifen, und  in  der  Stille  wird  jeder 
seih  gutes  Gewissen  preisen,  wenn 
Lady  Macbeth,  eine  schreckliche 
Nachtwandlerin,  ihre  Hände  wäscht 
und  alle  Wohlgerüche  Arabiens  her- 
beiruft, den  häßlichen  Mordgeruch  zu 
vertilgen. 

Noch  ehe  uns  Nathan  der  Jude  und 
Saladin  der  Sarazene  beschämten  und 
die  göttiiche  Lehre  uns  predigten,  daß 
Ergebenheit  in  Gott  von  unserem 
Wähnen  über  Gott  so  gar  nicht  ab- 
hängig sei  —  ehe  noch  Josef  der 
Zweite  die  fürchterliche  Hyder  des 
frommen  Hasses  bekämpfte,  pflanzte 
die  Schaubühne  Menschlichkeit  und 
Sanftmut  in  unser  Herz,  die  abscheu- 
lichen Gemälde  heidnischer  Pfaffen- 
wut lehrten  uns  Religionshaß  vermei- 
den —  in  diesem  schrecklichen  Spiegel 
wusch  das  Christentum  seine  Flecken 
ab. 

An  Sediv^s  Übersetzung  läßt  sich  gut  beobachten ,  wie  eine  eben 
wieder  flügge  werdende  Sprache  mit  den  chiirakteristischen  Eigenschaften 
Sohillerscher  Diktion:  dem  begeisterten  und  machtvoll  hinströmenden 
Fluß,  dem  rhetorischen  Periodenbau  ringt.  Insbesondere  im  Ausdruck 
der  fein  abgeschliffenen  Abstrakta  bleibt  sie  zurück.  Vergl.  den  Abschnitt 
bei  Schiller,  S.  64 :  »Mit  eben  so  glücklichem  Erfolge syste- 
matisch zugrunde  richten«  und  Sediv]^  S.  18  :  »Bowni  tjmto  sslastnym 
au^inkem  ....  pichlaw^  diwadlo  neyprjhodn^gssj«  und  andere  Stellen. 
Einen  größeren  selbständigen  Einschub  hat  äediv^  S.  10:  »Eohoi 
nepodgalo  w^el6  tau&enj  po  ctnosti gako  z  hrobu  powstane«. 


Zn  Prokop  äedivys  Büchlein  über  das  Theater  (1793).  ]  09 

Einige  Stellen  hat  er  mißverstanden.  Yergl.  oben  am  Beginn  des 
Zitates:  »Wenn  die  Frevel  der  Mflchtigen  ihrer  (der  Gerechtigkeit]  Ohn- 
macht [spotten«  =  »Edy&  se  zbignjoj  mocni^Am  swym  z  gich  nemoc- 
nosti  posmjwigj«.  —  Schüler  8. 60 :  »Auch  da,  wo  Religion  nnd  Gesetze 
es  unter  ihrer  Würde  achten,  Menschenempfindnngen  zu  begleiten«  = 
6ediv^  8.  12:  »Tak^  y  tu,  kde  näboienstwj  a  präwa  za  dobr^  vznä- 
wagj,  c^tedlnosti  lidsk^  doprowäzeti«  nnd  andere  Fftlle. 

Wo  es  angeht,  färbt  Sediv^  Schillers  Ansftthrungen  fttr  die  Zwecke 
der  tschechischen  Anfklftrong.  Schiller  65 :  »Mit  einem  Wort,  wenn  wir 
es  erleben,  eine  Nationalbflhne  zn  haben,  so  würden  wir  anch  eine 
Nation«  =  »ediv^  S.  20:  »slowem,  kdybychom  se  toho  do&ekali,  i^e- 
byehom  nstawi&n^  Cieske  diwadlo  mili,  tenkrätebychom  tak^  geden 
niiod  byli«.  —  S.  17 :  »Tak  smeysslj  nynj  obecnj  lid  w  Oiechäch,  tak 
ameyssQ  nynj  sandcow^  nassj,  tak  smeyss^  y  neywysssj  wrchnosti 
uss^«.  —  Oder  S.  10  der  Bericht  über  die  Anfftlhmng  der  »Ränber«: 
>Lanpeinjcy  w  Gl^esköm  gazykn  gen  nikolikrät  na  weregn6m  diwadle 
piedstawowani  byli,  a  gä  mohn  ngistiti,  co  sem  na  m6  wlastnj  nssi  slys- 
sei,  kterak  gisty  prost^  £lowik,  chtiw  osskliwost  swan  nad  gedigm  bez- 
bobjkem  wygädHti,  tato  slowa  promlnwil:  Tento  Slow^k  gest  cel^ 
Franc  Mör!«  — 

Von  einer  originellen  Leistung  Sedivys  kann  also  keine  Rede  sein. 
Die  begeisterte  Apologie  der  stehenden  Bühne,  die  im  Charakter  des 
Zeitalters  liegende  Yerqnicknng  von  Ennst  nnd  Moral,  der  aufklärende, 
popularisierende  Zug,  die  umfassende  Belesenheit,  das  geradezu  drama- 
tiaehe  Hinarbeiten  auf  den  Hauptzweck  —  das  alles  kommt  auf  Schülers 
Konto.  Trotzdem  ist  Sedivys  Büchlein,  obgleich  eine  pia  frans,  die  ihren 
Zweck  bei  den  Zeitgenossen  gewiß  erreicht  hat,  ein  nicht  uninteressantes 
Glied  in  der  Kette  der  deutsch-tschechischen  Beziehungen  in  der  Literatur 
der  Wiedergeburt  Interessant  auch  durch  die  Bewertung  seitens  der 
Fonchung,  die  in  einer  Schillerschen  Abhandlung  den  echten  Geist  jener 
merkwürdigsten  Periode  tschechischen  Schrifttums  fand  —  eine  Parallele 
iwiachen  deutscher  und  tschechischer  Aufklärung  (das  Wort  im  weitesten 
Bimie  gebraucht),  die  eines  sozusagen  geschichtsphilosophischen  Inter- 
esses nicht  entbehrt. 

Kgl.  Weinberge.  Franz  »^na. 


Kritischer  Anzeiger. 


Göttinger  Sammlang  indogermaniseher  Grammatiken.    Verglei- 
chende slayische  Grammatik  von  Dr.  W.  Vondr&k.    I.  Lautlehre 
und  Stammbildnngslehre.  Göttingen  1906.  X  n.  532  S.  S^. 

Die  Anlage  des  Werkes  bereitet  eine  willkommene  Überraschiing;  es  ist 
wirklich  eine  vergleichende  Grammatik  und  nicht,  wie  beiMikloBich  oderFlo- 
rinskij,  eine  Sammlang  von  Einzelgrammatiken  mit  den  onvermeidlichen 
Wiederholangen.  Allerdings  ist  es  im  Grande  kirchenslavische  Grammatik, 
mit  Einschaltang  von  Exkarsen  über  den  Wandel  von  f ,  q,  S  n.s.w.  in  den 
lebenden  Sprachen:  für  die  Laat-  and  Formenlehre,  sogar  für  Syntax,  ist  dies 
die  einzig  mögliche,  wissenschaftliche,  einheitliche  Behandlang  des  spröden 
Stoffes.  Er  ist  kritisch  and  erschöpfend  (bis  aaf  weniges,  s.  o.)  dargestellt  and 
die  Zwecke  eines  Handbaches  sind  trefflich  erfÜUt;  änßerst  übersichtlich  ist 
zasammengefaßt,  was  bisher  erreicht  ist;  ja,  der  Verf.  gewährt  hie  and  da 
weitere  Aasblicke;  das  Bach  ist  wohl  angetan,  slavistische  Stadien  za  fordern, 
ihnen  neae  Freande  za  werben. 

Die  folgende  Besprechang  läßt  ganze  Partien  des  Baches  anberührt,  so 
die  Über  Akzent  nnd  Qaantität  oder  die  über  die  Verhältnisse  in  den  modernen 
Sprachen,  wo,  z.  B.  im  Polnischen,  manches,  nicht  nar  bei  der  Darstellang  der 
Nasalvokale,  za  berichtigen  wäre.  So  sei  aas  der  LaaÜehre  nar  folgendes 
heransgegriffen.  Hier  kommt  es  bekanntlich  aaf  richtiges  Ablesen  der  Tat- 
sachen an,  die  für  Wnrzelsilben  die  Etymologie,  für  die  Endangen  deren  Ana- 
lyse liefert,  wenn  wir  von  der  Beobachtang  der  einfachsten  Vorgänge  in  der 
Sprache  selbst,  wie  des  Wandels  pekq-^eieÜ  n.s.w.,  als  von  etwas  selbstrer- 
stJindlichem  absehen;  falsche  Etymologien  and  irrige  Analysen  müssen  daher 
große  Verwirrnng  anrichten. 

In  diesem  Pankte  ist  Vondr&ks  Werk  nicht  einwandsfrei.  Ich  sehe  von 
preußischen  and  litaaischen  Deatangen  ab ;  noch  immer  figurieren  hier  preaß. 
masi,  lazint  [palazinina  Elapitel]  als  Belege  für  abweichende  Behandlang  der 
Gattarale,  and  doch  sind  es  nar  poln.LehnwOrter  {poioiente  Capitolam,  häafig 
im  XV.  and  XVI.  Jahrh.),  die  nichts  besagen  [S.  347),  oder  es  werden  litaaisehe 
künstiiche  Wörter,  wie  kaina  Preis,  das  za  elna  erfanden  w^rde,  oder  b4ti  ge- 
nannt, das  vom  slay.  Lehnwort  {dbaii)  herstammt;  ich  beschränke  mich  aaf 
slavisches.   So  wird  noch  immer  kniga  aas  dem  nordischen  kenning^  das  ganz 


YondrÄk,  Yergl.  slav.  Grammatik,  anges.  von  Brückner.  Hl 

etwas  anderes  bedeutet  nnd  wegen  des  Alters  des  slavischen  Wortes  gar 
flicht  herangezogen  werden  darf^  hergeleitet,  obgleich  längst  eine  ziemlich 
einwandfreie  Erklämng  ans  dem  Slavischen  gegeben  ist,  nnd  ist  diese  falsch, 
10  ist  die  ans  kenning  doch  hnndertfach  falscher.  Slavisches  ch  soll  ans  p  ent- 
stehen, das  beweise  ckrqitb  s  pramstei  (S.  261  n.  ö.),  aber  wie  kann  dies  ein 
Böhme  schreiben,  der  in  seiner  eigenen  Sprache  brouk  Käfer  hat  (zn  brfk' 
rammen,  wie  ekrqüb  zn  ehrest-  snmmen)!  Natürlich  fällt  damit  anch  die  Her- 
leitmig  des  vlwhvh  ans  *vöipva,  völva.  Ebenso  soll  ehorqgy  ein  deutsches,  in 
diesem  Sinne  nie  gebrauchtes  hrugga  sein,  obwohl  Melioranskij  längst  eine 
ragleieh  überzeugendere  Entlehnung  aus  einem  mongolischen  (h)or<mga  vor- 
geechlagen  hat  Ein  »Lautgesetze  der  Dissimilation  wird  aus  tuidb  fremd, 
itait  Hfudj'a-  «s  deutsch  fiuda-  Volk  gefolgert,  aber  wie  ist  eine  solche  Ety- 
mologie nur  denkbar!  Beide  Worte  bedeuten  ja  völUg  verschiedenes,  unver- 
ehibares.  Es  hängt  tuidb  eher  vielleicht  mit  Cudb  Finnen  zusammen,  wie  nSrm 
mit  Nknbcb,  und  in  Öudb  könnte  ich  sogar  »Skythen«  (trotz  des  Yokalunter- 
Behiedes)  erkennen ;  der  Wechsel  im  Anlaute  wäre  derselbe  wie  in  siinb,  »Snby 
ihh.  Der  Verf.  bestreitet  freilich  deren  Zusammengehörigkeit;  ihm  geht  shtb 
uf  ih-  zurück  (<rxta},  tinb  auf  *iem-nb  zu  ibmaj  wie  zatom  Sonnenuntergang 
SOI  *tcm^wb  (!).  Aber  es  gibt  keinerlei  Ersatzdehnung,  am  wenigsten  bei  *temnb 
;vgl  ja  gleich  *tamnh  ohne  solche !  doch  ist  dieses  gleich  top^qti)  und  tJ^b 
wie  itddb  gehen  auf  einen  «^-Anlaut  zurück;  die  Dissimilation  erkenne  ich 
Uer  ebensowenig  an  wie  in  gqn  gegenüber  iatuis,  vgl.  goizda  gegenüber 
hßoigtdi  nnd  feguie  gegenüber  zezitya. 

Vonja  und  qchati  werden  zu  an-  gezogen,  seit  wann  ist  denn  vor  o  ein 
p-Yoischlag  Bändig?  vof^a,  lit  Udliu  usti  riechen,  gehört  zu  vod-  riechen 
(9ke  %qh^  svodethTj,  Poln.  wtsznia  und  lit.  toinkstne,  ein  ganz  anderer  Baum- 
ntme,  haben  nichts  gemeinsam,  es  war  wohl  Utw^szne  gemeint,  denn  winkszne 
tft  poln.  vnqx  (derselbe  Baum !).  Yerf.  übernimmt  die  falschen  Etymologien 
lefflets,  die  dieser  selbst  wieder  aufgegeben  hat,  womach  in  nejfsyU  und 
^ifeirbf  mit  wiederholter  Negation,  *j^8gtbf  *jqvSrb  Nimmersatt,  Nimmerglaub 
stecke,  aber  es  sind  dies  Bildungen  wie  prlj^8lav%  (Pereftulavh  =»  Prenzlau), 
9^Uaüh  u.  a.  Oolotb  glacies,  stellt  Yerf.  zu  gelu  und  iUdica ;  es  gehört  zu  goh 
Bsckt,  vgl.  poln.  goioledi  Glatteis.  Es  g^bt  kein  leso  See,  nur  ein  pUso ;  mss. 
fMioj  schlecht  ist  nicht  aus  deutsch ^acA  entlehnt  Yerf.  (S.  355)  beruft  sich 
auf  Ifiklosich,  der  nur  das  lit.j)/aÄra«ausj>/ocAof  entlehnt  sein  läßt  —  Unbe- 
gründet ist  die  Trennung  von  l%eh%  Xel%pavop  und  lichb  böse  =  lit.  Usqb  mager 
[S.  26  und  357).  Daß  gotpodb  aus  ^gastifaps  entlehnt  sein  soll,  wozu  tischt  uns 
Yaf.  dieses  Märchen  auf? 

Das  ist  ein  Bündel  unbedingt  irriger  Etymologien;  dazu  kämen  nicht 
wenige  andere,  die  ich  für  ebenso  fah9ch  halte,  von  denen  ich  dies  aber  nicht 
vät  gleicher  Sicherheit  erweisen  kann,  z.  B.  Bmgmanns  Herleitung  von  iupa 
US  gopaya-,  die  mehr  Yerwirrung  in  den  Köpfen  der  Historiker  (Peisker  u.  a.) 
angerichtet  hat,  als  sie  hätte  nützen  können,  wenn  sie  wahr  wäre.  Anderes 
unten. 

Neben  inigen  Etymologien  muß  besonders  irrige  Chronologie  in  der 
ABietnmg  von  Lautprozessen  beanstandet  werden.  So  behauptet  Yerf.,  daß 


112  ErltiBcher  Anzeiger. 

am  za  ehm  verhaacht  würde  und  beruft  sich  dafür  auf  nus.  Büdangen,  wie 
suehmenh,  gluchmenhy  späte  Ableitungen,  die  nichts  beweisen,  an  denen  das 
BnsB.  und  Poln.  reich  sind,  z.  B.  mss.  nizmenh  Niederung,  poln.  toyimien'  Hohe 
in  wyimieniiy^  urspr.  excelsior,  dann  excellens  u.  a.  Das  Streben  wissen- 
schaftlicher Lautlehre  muß  ja  in  erster  Linie  dahin  gehen,  nicht  nur  die  Pro- 
zesse, sondern  auch  deren  Aufeinanderfolge  zu  ergründen.  Wir  haben  be- 
kanntlich im  Slavischen  mehrfach  Anhaltspunkte  für  Periodisierungen;  so 
wissen  wir  z.  B.,  daß  etwa  im  Jahre  500  t.  Chr.  b  zu  cA,  unter  bestimmten  Be- 
dingungen, wurde ;  daß  300  y.  Ohr.  A;,^,  eh  vor  e,  e,  »,y,  zu  6^  i^  i\  100  y.  Chr.  ot,  ai 
zu  hellen  Monophthongen;  100  n.  Chr.  k,  g^  ch  yor  diesen  Monophthongen  zu 
c,  dz^  8  wurden.  Wer  diese  Aufeinanderfolge  (wobei  es  auf  die  Daten  nicht 
ankommt,  sie  sind  ungeföhr  gewählt  worden),  fest  im  Auge  behält,  dem  wird 
es  nicht  einfallen,  den  uralten  Wandel  yon  «  zu  ch^  den  ältesten,  den  wir  im 
Einzelleben  des  Slayischen  fixieren  können,  auf  so  junge  Bildungen  wie  weh- 
menh  auszudehnen.  Ich  glaube  ebensowenig  an  eine  Yerhauchung  yon  tn  zu 
chn  (ygl.  m^o^  ärfseh^  trqB^J  qn  etc.) ;  die  cAn-Bildungen,  9%ehnqt%,  ghchnqii 
U.S.W.,  sind  alle  jung,  und  in  drjachhp^  qchati,  Lfch  u.s.w.  spielen  Elemente 
herein,  die  nichts  mit  lautlichen  Prozessen  zu  tun  haben,  s.  u. 

Hier  sei  eine  Abschweifung  gestattet  Wenn  ich  zwischen  dem  Laat- 
wandel  dueh :  dwi«,  und  dueh :  dtm  Jahrhunderte  yerstreichen  lasse,  könnte 
man  mir  den  Wandel  ^fdo  aus  Kind^  SrSsnJa  aus  Kirsay  die  ungeHUir  gleich- 
zeitig mit  cfia  und  cfsar  »aus  Kintus  und  Kaisar  entlehnt  sein  dürften,  ent- 
gegenhalten. Der  Einwand  ist  nicht  stichhaltig,  denn  solche  Rückschläge  za 
längst  yerwundenen  Erscheinungen,  solche  Atavismen,  sind  auch  sonst  za 
beobachten.  Ich  werde  dafür  nicht  böhm.  iirfaXk  nennen,  weü  dies  wohl 
direkt  aus  dem  italienischen  girfaUo^  nicht  aus  dem  deutschen  Oirfaüc 
stammt;  da  ist  schon  bOhm.  Hie^  lokiuie  zu  Beich,  Lakentuch,  interessanter. 
So  wird  kirchenslay.  SrSmiga  aus  xi^afios  stammen;  so  kann  man  südslay. 
rttsag  Beich  aus  ung.  orazdg  dass.  vergleichen;  mramor  aus  Marmor^  sra- 
cinim  aus  caqaxrivos,  Miecz  hat  bekanntlich  nirgends  im  Slav.  eine  A^Fonn 
zur  Seite,  und  doch  bildete  das  Poln.  die  Verächtlichkeitsform  dazu  mtekotosko 
bei  M.  Bielski  um  15.'S6,  Powodowski  1578,  miekowako  und  miekowisko  im 
Zwrocenie  Matjasza  z  PodoU  um  1620.  Derselbe  Bielski  bildet  auch  zupianez 
ein  piachowsko  und  gibt  uns  so  die  Möglichkeit,  piaekta  Lacken  mit  pia$zez 
zu  vereinen;  denn  daß  piacTUa  entlehnt  sein  soll,  bestreite  ich  entschieden  — 
es  gibt  keine  deutsche  Bildung  mit  t  dazu,  soviel  ich  sehe.  Doch  kehren  wir 
von  diesen  Bückschlägen,  Rückbildungen  (man  hat  auch  russ.  pickta  aus 
>Fichte<  verglichen;  andere  Beispiele  s.  u.)  zur  Chronologisierung  derLaut- 
prozesse  zurück. 

Als  einen  der  allerältesten  Prozesse  sieht  nämlich  Vondr&k  den  Umlaut 
jo  zu  je  an;  er  begannt  im  grauesten  Altertum  und  dauert  noch  bis  in  histo- 
rische Zeiten!  aber  schon  diese  Dauer  erweckt  prinzipielle  Bedenken.  Nach 
VondrÄk  z.  B.  ist  das  i  in  kraß  anderen  Ursprunges  als  das  in  rabi;  in  rabi 
ist  t  aus  rahoi  monophthongiert,  krajoi  dagegen  wurde  erst  zu  krajei  und  et 
zu »',  wie  jedes  andere  ei.  Ich  bestreite  dieses  hohe  Alter  des  Wandels  jo^'e 
entschieden ;  dUajqita  beweist  ja  evident,  daß  der  Wandel  jo-je  jünger  ist, 


Yondrik,  Veigl.  slay.  Grammatik,  angez.  von  Brückner.  113 

als  die  üntoteliang  der  Nasale  im  Inlante,  die  ihrerseits  wieder  gar  nicht  zu 
den  Xlteeten  Prozessen  gehört. 

An  diiajqÜa,  ans  dilajontja-j  knüpft nnn  diloj'f  an;  raby-honj^^  idy-dllaff 
bOden  fl5rmlich  eine  Anomalie;  wir  hätten  ja  nach  nom.  akk.  sing.,  gen.  plnr. 
robn-kanfh  eher  ein  rahy^*koni%  (akk.),  %dy-*dÜaj%  erwartet.   Was  ist  nnn  von 
den  anslantenden  Nasalverbindnngen  zn  halten?  Ein  on,  ön,  <m«,  bnt  (falls  es 
diesen  Fall  gab),  ont  ergab  nie  einen  Nasalvokal;  das  o  verdnmpfte  zn  u,  in 
«M,  üR,  IM,  fn  (anch  im  Inlante,  vgl.  noch  ans  später  Zeit  8ud%  Snnd,  pUta  Flinta, 
I^on  Ingrar,  liera  Inger(mann)land;  das  konnte  anch  zn  den  »Bttckbildnngen« 
—  8. 0.  —  gezählt  werden,  da  es  kanm  über  das  VII.  Jahrh.  n.  Chr.  zurück- 
geht, vgl.  Vesb  ans  WepsenV),  schwand  einfach  der  Nasal  (oder  der  nasale  Bei* 
Uaqg).  Die  dritte  aor.  plnr.  idq  kann  natürlich  nicht  dagegen  angeführt  wer- 
den, sie  lantete  ursprünglich  wie  die  erste  (vgl.  griech.  iXinoy),  nnd  bekam  ihr 
q  nach  einer  Anlehnung  an  die  dritte  Sing.,  lüs  dieser  sonst  unerhörte  Zu- 
«ammenfitll  von  1.  Sing,  und  3.  Plur.  lästig  wurde  (t^ :  idqU  =s  %de :  ideth), 
R^  gehört  gar  nicht  hierher,  denn  es  beruht  ja  auf  keinem  p,  sondern  ist  q 
(öN,  nicht  das  poln.  ^!);  das  Slavische  hatte  ja  ursprünglich  doch  wohl  drei 
Kasalvokale,  q  im  Anslaute,  f  im  Auslaute,  An-  und  im  Inlaute,  q  nur  im 
blaate  (und  Anlaute);  erst  später  fielen  q  und  q  zusammen,  gab  es  zwei,  nicht 
mebr  drei  Nasalvokale.    Die  erste  Sing,  idq  ist  wohl  wie  ryhq  zu  beurteilen, 
doch  warum  ist  der  gen.  plur.  oder  warum  kamy  anders  behandelt?  Jeden- 
fsfis  scheint  der  Übergang  a  zu  o,  ö  zu  ä  (wenigstens  im  Inlaute),  älter  als  die 
Efttstehung  der  Nasalvokale.  Bei  dem  Fall  konjf^  dilajf  gewinnt  man  den  Ein- 
dniek,  als  würde  das/  +  « in  -Jons  die  Verdumpfong  des  o,  die  doch  in  -ons 
emtrat,  angehalten  haben;  •;;<m«  Überdauerte  sie,  wurde  dann  -jensy  und  ergab 

«ebfießliehjV- 

Dem  Yerf.  wirkt  nicht  nur  das  n  (m),  sondern  auch  das  a  verdumpfend ; 
^ttboa  ist  ihm  zu  *rabus  geworden,  *8lovo8  zu  *8lovu9,  ebenso  wie  akk.  *rabum, 
^dihiMj  die  dann  zu  rabz  *8hvit,  rdlrb  *dih  wurden,  worauf  to  aus  iod  (ich 
möchte  sagen,  auchjo  aus  jW),  die  Revolution  im  Neutrum  verursachte,  das 
tlovo  nnd  dülo.  Dem  gegenüber  halte  ich  an  der  älteren  Anschauung  fest: 
«foro,  to,  *jo  sind  die  Grundformen,  die  *morjo,  dilo  hervorriefen,  statt  morjh 
dehf  als  der  alte  akk.  rab%j  *krajz  ebenfalls  Nominativfunktion  übernommen 
hatte  und  beide  Kasus  zusammengefallen  waren,  wie  in  aym  und  gosth.  Man 
lieht,  wie  wichtig  es  wird,  die  Lautprozesse  chronologisch  auseinander  zu 
halten.  Jedenfalls  hat  nch  der  Verf  dies  z.  B.  bei  der  Erkläning  von  kamy 
gar  nicht  klar  gemacht  Was  ist  nämlich  älter,  Yerdumpfung  des  5n  zäun 
oder  Wandel  des  ö  zn  ä  auch  im  Auslaute?  Wäre  letzteres  der  Fall,  so  konnte 
iamy  gar  nicht  auf  *kamön,  sondern  müßte,  wie  raby,  idy,  auf  kamons,  raboru, 
idoHs  zurückgehen. 

Eine  Erklärung  wendet  der  Yerf.  mehrfach  an,  die  ich  mir  nicht  aneignen 
konnte:  ein  beabsichtigtes  Ausweichen  den  Lautgesetzen,  um  Zusammenfallen 
B.dg^  zn  vermeiden.  So  ist  nach  ihm  das  -ön  im  gen.  plur.  zu  -on  differenziert 
worden,  weU  man  sonst  das  mehrfach  bereits  vorhandene  y  bekommen  hätte! 
Wo  war  denn  dieses  y  damals  mehrfach  vorhanden?  Wir  wissen  ja  noch  gar 
ikht,  wann  das  schließende  «  abfiel  und  damit  entfällt  der  Grund,  den  der 

AiekiT  fbr  lUTisohe  Philologi«.    XXIX.  g 


114  Kritischer  Anzeiger. 

Yerf.  angibt,  vollständig.  Es  gab  ja  im  Nentnun  keine  einzige  y-Endnng  (instr. 
plnr.  ys);  im  fem.  ebensowenig,  denn  wober  weiß  der  Verf.,  daß  das  jedenfaUa 
aof  Formenttbertragongen  vom  mask.  her  benihende  ry&y  schon  vor  dem  gen. 
plnr.  anf  %  aller  Geschlechter  da  war?  Ja  auch  im  mask.  gab  es  nichts,  denn 
der  instr.  plnr.  auf  -y(«),  die  akk.  'on{8)  and  -y'Mit)  waren  vielleicht  noch  mit 
dem  Anslant  des  gen.  plnr.  gleichzeitig,  also  kein  Znsammenfall  möglich, 
jümlich  meint  der  Verf.  S.  351,  daß  das  s  in  dusUi  geblieben  ist,  nm  es  nicht 
mit  duchz  zusammenfallen  zu  lassen,  als  ob  sich  die  Sprache  je  an  derartige 
Eautelen  kehrte!  Das  poln.-bOhm.  dtuiti  ist  von  einem  neuen  dtts  abgeleitet« 
mit  dem  man  z.  B.  poln.  dqay  Launen  (zu  dwn  blasen],  gniu»  u.  a.  vergleiche. 
Doch  nm  zu  jenem  y  des  akk.  plur.  zurückzukehren,  daß  rdby-konj^^  ryhy^uif 
andere  Endungen  vertreten,  als  die  westslav.  und  russ.  raby-konje,  ryhy-duie^ 
vermag  ich  nicht  zu  glauben;  ja,  wenn  das  Westslav.-Russ.  ein  kar^f  hfttte, 
dann  würde  ich  wohl  seinem  duh  Beweiskraft  zuschreiben. 

Wiederum  gegen  jegliche  Chronologie  behauptet  der  Yerf.,  daß  slav. 
ehrhy  mit  seinem  y  entlehnt  wurde,  als  es  noch  im  deutschen  Auslaute  ein  -ö 
gab!  aber  €Mrky  ist  viel  zu  jung,  erst  aus  dem  YIII.  Jahrh.  nach  Chr.,  und  wo 
gab  es  da  ein  deutsches  -ö  im  Auslaute?  Bis  in  spute  Zeit  dauerte  dieselbe  Be- 
handlung der  Fremdworte,  rahy^  ja  sogar  noch  *draty  {dratew,  dratva  Draht), 
ebenso  stqgieWy  marchew  u.s.w.,  pam/y  rbd%ky  u.s.w.,  die  alle  kein  -o  mehr  vor- 
aussetzen. Hier  muß  schärfer  unterschieden  werden  zwischen  einer  uralten 
Entlehnung  und  den  jüngeren,  die  sie  nach  sich  gezogen  hat. 

Endlich  kann  ich  in  einer  Reihe  von  Fällen  die  Ansätze  des  Verf.,  wie 
er  die  lautlichen  Veränderungen  vor  sich  gehen  läßt,  nicht  billigen,  am  we- 
nigsten die  Darstellung  der  ort  oU,  fort  Mi^  tert  ^elt- Gruppen  (S.  294—313). 
Vondr&k  greift  schließlich  auf  die  Erklärungen  von  G eitler  und  Job. 
Schmidt,  mit  denen  sich  auch  die  von  Torbiörnsson  im  letzten  Grunde 
berührt,  zurück  —  mit  einigen  Modifikationen,  die  die  Sache  nicht  besser 
machen.  Und  nichts  fällt  leichter,  als  den  Verf.  strikte  zu  widerlegen.  Eine 
und  dieselbe  Form  muß  er  nämlich  grundverschieden,  doppelt  erklären,  west- 
slav.-mss.  radlo  ioketh  ist  nach  ihm  durch  bloße  Umstellung,  aber  südslav. 
raio  IdkUb  aus  *orolo  *olokhth  entstanden!  und  da  es  im  Südslav.  auch  noch 
ein  alkati  akUja'  gibt,  so  ist  auch  dieses  noch  aus  *olokaU  *olodffa-  entstan- 
den: in  lakati  hat  die  Dehnung  des  zweiten  Vokals,  in  alkati  die  des  ersten 
stattgefunden  (in  einer  Art  von  Ersatzdehnung  für  den  Schwund  der  Doppel- 
sübigkeit  des  oh) !  Nicht  einmal  das  Russische  mit  seinem  Volllaute  kennt 
olOf  orof  ere  im  Anlaut,  und  nun  wird  der  dem  Südslavischen  im  Inlaute  fremde 
VoUlaut  auch  noch  dem  Anlaut  angedichtet!  Ja,  meint  der  Verf.,  es  gibt 
solche  Volllautformen,  z.B.jelenby  olovo.  Hier  widerlegt  er  sich  ja  selbst,  denn 
wenn  olovo  Volllautform  (aus  *olvo)  ist,  so  beweist  die  Erhaltung  des  olo  (kein 
*lavo  und  kein  *alvo)y  daß  weder  ein  alkati  noch  ein  lakati  auf  ein  *olokati 
zurückgehen  kOnnen,  und  ähnliche  Deutungen,  eines  kamy  aus  *okomön,  eines 
na  aus  *ono,  eines  oto  u.s.w.,  weisen  wir  ebenso  zurück.  Nun  die  Erklärung 
des  russischen  VoUIautes:  weil  die  Russen  kein  t^t  dulden  (pervyj^  gordyfeicjiy 
so  mußten  sie  auch  ein  torot  vorziehen!  Aber  die  Polen  behandeln  i^  ebenso 
wie  die  Bussen  und  doch  haben  sie  anstandslos  ein  trotl  Im  Inlaute  (nicht  im 


Yondr&k,  V ergl.  alay.  Grammatik,  angez.  von  Brückner.  115 

Aidaute,  s.  o.],  nimmt  der  Verf.  überall  ein  wo  a.8.w.  an;  was  er  dadorch  ge- 
winnt, ist  nieht  einznseken,  denn  es  bleibt  doch  dieselbe  Dreifachheit  der 
Behandlung,  neben  ross.  twot  ergibt  aich  südslay.-bOhm.  t*tot  iröt  nnd  poln. 
(ohneLSngnng)  t^rot  irot:  da  fidure  ich  doch  jeden&llB  ungleich  sicherer,  wenn 
ich  poln.  iort  ebenso  za  iroi  werden  lasse,  durch  bloße  Umstellung,  ohne 
irgendwelche  Ghikanen,  wie  der  Verf.  im  Anlaute  poln.  roi  aus  ort,  ohne  Um- 
sehweife, durch  bloße  Umstellung,  hat  entstehen  lassen;  ebenso  ver&hre  ich 
mit  dem  Südslav.,  das  ort  und  tort  zu  art,  tari  gedehnt  und  teils  unverändert 
gelassen  [alkati  etc.),  teils  umsteUt  hat  Der  Verf.  fri&gt,  warum  die  Dehnung? 
Ebensogut  kOnnte  man  zurückfragen:  warum  ist  den  Slaven  die  so  bequeme 
und  schöne  Aussprache  tort,  die  ihre  nächsten  Brüder,  die  Litauer,  gewahrt 
haben,  die  uns  (mir  wenigstens)  bequemer  erscheint  als  die  Konsonanten- 
hfa^"g  im  Anlaute,  auf  einmal  unbequem  geworden?  Das  Fragen  nützt 
nichts,  die  Sache  ist  eben  da,  tortynaäe  torot  oder  irot  oder  trat — ohne  jeden 
TemUnfligen  Grund,  ebensogut  hätte  tort  bleiben  kOnnen. 

Ans  allen  den  Schwierigkeiten  findet  der  Verf.  schließlich  keinen  Aus- 
weg nnd  appelliert  an  den  großen  Unbekannten,  an  den  Einfluß  fremder 
Sprachen!  Wenn  wo  die  Slaven  ihre  eigenen  Wege  gegangen  sind,  so  ist  es 
sieherlicb  bei  der  Behandlung  dieser  Lautgruppen  gewesen;  hier  fremden 
Einfluß  anrufen,  heißt  nur,  eigene  Bat-  und  Qüflosigkeit  eingestehen.  Der 
ganze  Prozeß  ist  viel  zu  jung,  als  daß  er  solche  umständliche  Zwischenstufen 
lakati  ans  olokaU  dlkati  u.s.w.)  yertrüge.  Im  polabischen,  kaschubischen, 
ahpolnischen  gard  sehe  ich  dasselbe  gardh,  das  der  Südslave  und  Böhme  zu 
grad%  umgestellt  hat:  gord^  mußte  um  jeden  Preis  vermieden  werden,  durch 
gwrd  (daraus  grad)  oder  grod  oder  gorod;  bei  gold  gab  es  nur  südslav.-btfhm* 
dn  gald  (vgL  alkati  U.S.W,),  daraus  glad;  bei  Polaben  und  Polen  nur  giod; 
ebenso  bei  ihnen  nur  ein  breg  aus  herg,  neben  russ.  goiod,  bereg,  südslav.- 
bOhm.  hrJlg^. 

Die  Behandlung  dieses  Komplexes  von  Erscheinungen  reizt  nur  zu 
Widerspruch.  So  soll  z.  B.  die  Form  Slam  aus  SUm  entstanden  sein,  durch 
Einwirkung  des  weichen  l  auf  /,  was  in  Anbetracht  schon  des  poln.  enlon  aus 
*cMoin  eine  Fabel  ist;  ebenso  sind  neben  «/-  auch  o/-Urformen  anzusetzen  für 
HoUh-  (poln.  ziob)f  iold'  (poln.  iiodfj  und  hier  hilft  kein  Sträuben  des  Verfassers; 
in  der  Umgebung  von  S,  £  und  i  konnte  schon  urslavisch  e  zu  o  werden,  waren 
Doppelformen  da;  auch  für  Uovih»  könnte  man  eine  Urform  *6olvikh  er- 
schiieBen,  mit  einfacher  Metathese,  aber  auch  so  bleibt  das  Wort  dunkeL 
Jedenfalls  kann  ilan%  nicht  aus  l^m  entstanden  sein,  sondern  es  ist  ihm 
^iebaltrig,  gleichberechtigt,  mag  auch  dem  Verf.  die  Ansetzung  eines  urslav. 
io,  ioy  die  wir  für  *iolm,  *io^«  ohne  weiteres  annehmen,  wahnwitzig  er- 
seheinen. 

Es  ist  nun  interessant  zu  sehen,  wie  jung  noch  diese  ganze  Metathese 
auftritt  So  ist  vrSd%  Wert  wahrscheinlich  nur  südslavisch,  nicht  urslavisch, 
entlehnt  —  Miklosich  läßt  es  bekanntlich  seine  Wanderung  von  den  Slovenen 
her  durch  Pannonien  (lies  Mähren)  zu  den  Serben  antreten.  Noch  jünger  ist 
dieBeliandlnng  von  >Kerbel«.  Slovenisch  wird  es  zu  hrehulja  krobtUfica,  neben 
Ofa;  b<^hm.  tfebule^  poln.  trzebula  sind  vielleicht  auf  Serb-  zurückzuführen, 

8* 


\\Q  KritiBcher  Anzeiger. 

withrend  ich  einfaclies  Umspringen  von  kzutim  serb.  irMja  {%xa  dem  Sloven.?] 
flehen  möchte  (Miklosioh  unter  »krehuheb*,  einer  seiner  falsohen  Grond- 
fonnen).  Auch  Cres  aoB  Cherso,  kras  ans  Karst,  gehtfren  hierher  und  stützen, 
falls  dies  nOtig  w&re,  die  Herleitnng  von  kralf  ans  Karl:  einfache  Metathesen, 
keinerlei  ere  ara,  keinerlei  Weitläofigkeiten!  wie  sie  Vondr&k  und  Tor- 
biörnsson  voraussetzen  möchten;  vgl.  Kranj  s=  Camia,  Sridee  s=  *Serdica. 

Auch  in  anderen  Ausführungen  weichen  wir  vom  Verf.  ab.  So  erkl&rt  er 
z.  B.  Rinn  aus  ^Ityrrn  »  Müm  (der  bekannten  germanischen  u.  a.  Form),  and 
beruft  sich  auf  korüth  (poln.  korzyi^,  aus  kotystb,  für  den  Übergang  des  ty  zu 
ri]  er  müßte  freilich  erst  den  Beweis  liefern,  daß  A;om<6  jünger  ist!  (ein  poln. 
koryi6,  das  Miklosioh  nennt,  gibt  es  gar  nicht),  und  auch  dann  noch  wSre  der 
Fall  Rimh  nicht  ohne  weiteres  identisch,  weil  er  offenbar  ungleich  filter  ist  — 
warum  erwähnte  der  Verf.  nicht  die  längst  bekannte  parallele  Behandlung  von 
on  :  in  in  alten  Ortsnamen  (iVtn,  Labin,  auch  interessant  für  die  Behandlung 
von  oU !,  Skradin  ebenso  für  tort,  u.  a.).  Viel  zu  leicht  nimmt  er  Lautdeutungen, 
»Lautgesetze«  anderer  hin,  so  soll  z.  B.  nn  bei  umgebenden  Nasalen  im  Slav. 
zu  rv  werden ;  wohl  ließe  man  sich  dies  bei  mravij  aus  *mramij  {fiVQf^rf^  ge- 
fallen, das  als  ein&che  Dissimilation  (kein  Lautgesetz!),  so  häufig  bei  Slaven 
vorkommend,  aufzufassen  wäre,  aber  für  die  Entstehung  desselben  rv  iaprbv%, 
Srbmj  muß  man  schon  die  Hilfe  eines  späten  prhvhm  und  Srbvbm  anrufen,  was 
schlankweg  unmöglich  scheint  Böhmisches  hfibi  soll  aus  J^fM  entstanden 
sein,  ist  es  nicht  einfacher,  ^-Vorschlag  anzunehmen,  wie  in  hfefäb  hfize  hroh? 
Jazda  KOBjad-day  ohytda  aus  ogyd-da  {gidkij),  zu  erklären,  geht  nicht  an,  sie 
sind  viel  zu  jung  (Chronologie! !) ;  es  hätten  andere  zd  (böhm.  z<i  füri^  ist  nicht 
selten)  und  2^  für  ^  herangezogen  werden  sollen,  die  auf  ganz  andere  Aus- 
kunft weisen.  So  rächt  es  sich  auch,  daß  der  Verf.  nirgends  im  Zusammen- 
hange auf  die  Behandlung  des  konsonantischen  Anlautes,  der  «A;-,  «<-,  «p- 
z.  B.,  einging:  die  Verhältnisse  sind  bei  diesem  »beweglichen«  •  nichts  we- 
niger als  klar;  daß  tkora  Haut  und  kora  Rinde  identisch  sind,  weiß  jeder- 
mann, aber  man  vgl.  kra  E^lumpen  =  Mkra  gleba,  daneben  ikra;  krilo  und 
skrzydio;  cRO^axB  und  kieiza6;  skruUek  und  krzaUk  Schratt;  kHna  und 
tikrtynia  (hierher  auch  krzynow^)\  krzeetki  Hamster  und  skrzeezki  dass.  wech- 
seln innerhalb  weniger  Jahre;  ikrah^j  und  kragtff;  skfemen  und  kfemen;  skrzsU 
und  krtele  U.S.W.;  die  Sachen  verdienten  gar  sehr  eine  Zusammenfiusung,  d»- 
mit  es  nicht  z.  B.  heißt,  wie  bei  Miklosioh  Etym.  Wörterbuch  303  *9kra  aal., 
den  anderen  Sprachen  unbekannt«,  während  es  überall  als  kra  vorkommt; 
hierher  gehört  auch  der  Vorschlag  des  t  in  ikra,  poln.  liia  aus  l9lia  u.  a. 

Ob  die  Annahme  von  Ersatzdehnungen  für  einen  Silbenverlust  richtig  ist 
(z.  B.  in  dohrbjb),  ist  mir  außerordentlich  zweifelhaft;  man  findet  sie  ja  vor  > 
bekannüich  auch  dort,  wo  es  keinen  Silbenverlust  gibt.  Doch  will  ich  diese 
Litanei  abbrechen.  Man  mißverstehe  mich  nicht;  ich  hatte  hervorzuheben, 
worin  ich  dem  Verf.  nicht  folge,  nicht  das,  worin  wir  übereinstimmen,  und 
ich  bekenne  dankbar,  aus  seinem  Buche  vielen  Gewinn  gezogen  zu  haben. 

Dagegen  hat  der  zweite,  kleinere  Teil,  die  StammbUdungslehre,  mieh 
weniger  befriedigt  Einmal  ist  die  alte  Methode  oder  Unmethode  beibehalten; 
StammbUdungslehre  ist  Wörterbuch,  geordnet  nicht  nach  Wurzebi,  sondern 


Vondrik,  Vergl.  sl&v>  Grammatik,  Kogez.  von  Brückner.  117 

nach  Suffixen;  Stammbildnngslehren,  wie  sie  seit  einem  halben  Jahrhundert 
nnverSndert  geschrieben  werden,  erinnern  stets  an  Nesseimanns  litauisches 
Wörterbuch  unseligen  Angedenkens,  wo  auf  die  Vokale,  ky  y,  dann  t,  <l,  dann 
p,  h  n.8.w.  folgte  —  ebenso  die  k^  ^-Suffixe,  die  ty  (^-Suffixe,  und  Vondr4k 
hat  dies  System  geradezu  auf  die  Spitze  getrieben,  denn  er  ordnete  die  Suffixe 
sogar  nur  nach  dem  auslautenden  Vokal  ein,  zerreißt  somit  das  to-,  tb-  und 

-<«-Suffix  U.S.W. 

Die  mechanische  Aufzählung,  von  Suffix  -jucho  u.  dgl.,  macht  auf  mich 
den  Eindruck,  als  wenn  man  von  einem  arischen  Suffix-tionismus  ^n  Abolitio- 
niemus  u.s.w.)  spräche.  Hier  ilUshte  es  sich,  daß  der  Verf.  das  Eirchenslavische 
sngnmde  legte.  Nichts  ist  verkehrter;  er  hätte  vom  Böhmischen,  ein  anderer 
Forscher  vom  Bussischen  oder  Polnischen  oder  Serbischen  auszugehen;  das 
Knchenslavische  verdeckt  hier  nur  die  Aussicht,  statt  sie  zu  erleichtem,  zu 
ermöglichen ;  die  lebendige  Sprache  mit  ihren  eigenartigen  Bildungen  kommt 
ja  im  Eirchenslav.  gar  nicht  zur  Geltung;  wir  wissen  z.  B.,  von  welcher  Be- 
dentong  für  die  Slaven  das  patronjmische  Suffix  -tife  ist,  aber  aus  dem 
KirehenslaTischen  erfahren  wir  darüber  gar  nichts!  So  grundlegend  das 
Eirchenslavische  für  Lautr  und  Formenlehre,  ja  für  Syntax  ist,  so  überflüssig 
ist  es  für  die  Stammbfldung,  mit  seinem  beschränkten  Wortvorrat;  mit  seiner 
durch  die  Art  der  Quellen  bedingten  zimperlichen  Ausdrucksweise  —  man 
kann  es  nur  subsidiär  benutzen,  seines  hohen  Alters  wegen.  Wie  nichtssagend 
bei  der  Stammbildungslehre  es  oft  erscheint,  sei  an  einigen  Beispielen  gezeigt 

Nehmen  wir  z.  B.  ein  poln.  gach  Buhle.  Es  ist  weder  deutsch  »Gauch« 
noch  »Geck«,  wie  allgemein  behauptet  wird;  es  ist  =  gameratus  Buhle,  poln. 
gamrai  Buhle,  gamraofa  Buhlerei.  Wie  ist  nun  gach  aus  gofnrat  entstanden? 
Ebenso,  wie  zach  (vom  J.  1545]  für  zanius  Schandhaus,  wie  moeh  aus  Mbtkal, 
urie  hraeh  ans  brat,  twaeha  aus  avaUt,  weh  aus  zuehtoahf.  Natürlich  gibt  es  gar 
kein  Suffix  ^eh\  brach,  zach,  zueh  u.s.w.  sind  nur  nach  dem  Muster  des  ganz 
Boffixlosen  Stach:  Stanüiaio  gebildet,  d.  h.  Hypokoristika,  deren  der  Verf. 
£ut  gar  nicht  gedenkt,  spielen  eine  wichtigere  Rolle,  als  angebliche  Suffixe, 
md  Über  Hypokoristika,  über  Bildungen  wie  brach  u.  dgl.  erfahren  wir 
gerade  aus  dem  Kirchenslavischen  gar  nichts,  und  das  ist  nicht  der  einzige 
derartige  Fall  (vgL  Zusammensetzungen  wie  dwpivo  dybidzhan  u.  ä.),  eine  be- 
liebige lebende  Slavine  ist  wichtiger  und  lehrreicher.  Bildungen,  wie  drjachUfj 
(aeben  dr^H),  irjachnuih  (neben  tr^sq),  zeigen  dasselbe  und  dürfen  ja  nicht 
ftr  die  angebliche,  gar  nicht  existierende  Verhauchung  von  na  zu  nch  ange- 
sogen werden,  wie  es  der  Verf.  in  der  Lautlehre  tat!  Ebensowenig  ist  qhati 
ans  q»  (Oft-«}  entstanden,  wie  Hiklosich  annimmt;  das  zugrunde  liegende  No- 
men (poln.  wfch,  vgl.  Denominativ  u>f9zy6  spüren)  ist  wie  grich%,  spichh^ 
miek^  Gebildet  Wie  uralt  diese  Bildungen  sind,  beweisen  Völkemamen  wie 
IfcA»,  C»eA.  Hierher  gehören  bOhm.<«Aan  (dazu  tchynS)  zu  tbstb;  poln. tpiochatif 
lottig  [zu  tüios;  urslavische  Bfldung!);  piachy  Sandboden  zu  piaski;  bOhm. 
^oth  zu  hdamek  U.S.W.  ^  alles  wichtige  und  alte  Erscheinungen,  von  denen 
vor  das  Eirchenslavische  keinerlei  Notiz  nehmen  durfte.  Neben  uralten  Bil- 
dungen auf  -eA  kommen  ähnliche  auf  -«,  -i  vor  und  hätte  man  das  beachtet, 
liemals  hätte  man  z.  B.  poln.  miokos  aus  dem  mss.  moiokosoa  entlehnt,  vgl. 


118  Eritisoher  Anzeiger. 

brt/d,  d.  i.  bryian  Hofhund,  bast^  Prügel  {hafy\  ehiopes  für  Chiopecki  (Paprocki, 
Pabosza  1576)  oder  poln.  h§i  Bankert,  Cys  Zigeoner  xua.  Ein  Suffix  cA,  «  gSib^ 
es  nur  bei  rein  mechaniBcher  Abfertigung  des  GtogeuBtandes;  hypokoristischen 
Bildungen,  ohne  »Suffix«,  wie  z.  B.  Zyi  es  Sigmund,  Stad  neben  Staeh,  sind 
andere  gefolgt.  Es  handelt  sich  somit  gar  nicht  um  Auffindung  von  Suf- 
fixen, die  nichts  besagen  würde,  sondern  um  die  Bestimmung  der  Worte, 
die  yorbildlich  wurden;  bei  dqsy  dus{iti),  poln.  gqstaS  (auch  gqstolid  mwrren) 
U.S.W.,  würde  ich  mich  hüten,  von  Suffix  «,  t  (vor  dem  das  d  von  gqdq  zu  8  ge- 
worden wäre!!)  zu  handeln;  ich  habe  nur  die  fertigen  Worte  au&usuchen,  die 
nachgeahmt  wurden. 

Oder  ein  anderes  Beispiel.  Nehmen  wir  poln.  raehuba  Rechnung.  Bei  der 
beliebten  rein  mechanischen  Suffixablüsung  müßte  man  folgerichtig  ein  Suffix 
'uha  hier  ansetzen,  gerade  so  schOn  wie  die  -Juie-  u.  ä. ;  aus  kociuba  könnte 
man  dazu  auch  noch  ein  -juba  folgern!  Natürlich  ist  davon  gar  keine  Bede: 
liezba  hat  das  raehvha  hervorgerufen,  ohne  Uexha  wäre  raehuba  gar  nicht  auf- 
gekommen. Es  beruht  somit  die  Stammbildungslehre  nicht  auf  einer  bloßen 
Au£&8hlerei  der  »BUdungen«  nach  Suffixen,  aber  über  dieses  primitive  Sta- 
dium einer  bloßen  Materialiensammlung  hat  sie  sich  bis  dato  nicht  weit  er- 
hoben —  ich  will  daraus  V  ondrik  keinen  Vorwurf  machen,  ich  konstatiere 
nur  das  Faktum. 

Neben  dieser  prinzipiellen  Bemerkung  seien  auch  noch  andere  hervor- 
gehoben: auch  in  der  Stammbildung,  nicht  nur  bei  der  Lautlehre,  gibt  es  eine 
Chronologie  der  Prozesse,  die  nicht  übersehen  werden  darf  und  auch  hier 
muß  die  Forderung  (oder  Warnung)  gelten,  daß  man  nicht  Mücken  seihe,  aber 
Kameele  verschlucke.  Einen  besonders  eklatanten  Fall  hierfür  liefert  das  eben 
erwähnte  patronymische  -Ute-  (-iee  u.s.w.),  das  ja  schon  durch  das  grieoh.-«fi7f 
geschützt  sein  könnte,  um  von  anderen  zu  schweigen.  Vondr4k  erklärt  es 
(was  ja  ohne  weiteres  z.  B.  für  Suff,  ym,  aus  y+ni,  zugegeben  werden  muß], 
ebenfalls  aus  einer  Verschmelzung  von  in-\-tj08i  didiitb,  dziedzie,  wäre  didim 
-H  domaithm^  und  beruft  sich  (S.  453)  auf  barii  zu  barin,  auf  gospodikh  zu  gos^ 
podin  (da  es  ja  kein  HariniS,  ^gospodinÜtb  gäbe],  sowie  vafptiitb  zapta,  weil 
ja  die  a-Substantive  das  »n-Suffix  annähmen.  Er  vergißt  nur,  daß  bartn  und 
gospodin  ^unge,  späte  Bildungen  sind,  daß  dem  bariSmkd  goapodiith  unmittel- 
bar bqfare  und  gonpodh  (oder  gospoda)  zugrunde  liegen.  Hätte  er  an  das  Li- 
tauische gedacht,  trotz  der  geringen  Vokalabweichung  in  -aitis  (die  Funktion 
ist  ja  dieselbe  und  das  ist  ungleich  wichtiger!],  so  wäre  er  nie  auf  diesen  Ein- 
fall gekommen.  Ebensowenig  vermag  ich  seinen  anderen  Kombinationen  der 
Suffixe  beizustimmen.  Suffix  -isko  soll  aus  isto-^ko,  aus  -istkoj  entstanden 
sein,  vgl.  poln.  mrowiafy  ognUty  neben  mrowisko  ogni$ko  (wiederum  verkehrte 
Chronologie,  ognisko  ist  ja  viel  älter  als  ognistyl);  daraus  soll  nun  auf  rein 
lautlichem  Wege  ognUte  entstanden  sein,  wie  Uee  aus  */t%o,  was  schon  darum 
unmöglich  ist,  weil  ja  das  s  die  Wirkung  des  t  auf  h  aufhebt;  der  Fall  -iUe  ist 
eben  von  anderen  y-Erweiterungen  nicht  zu  trennen,  oder  ist  kräiovsM  auch 
auf  lautlichem  Wege  aus  krdlovstvo  entstanden?  Ebensowenig  würde  ich  zu- 
geben, daS  junostb  Ku£ ßinoia-^th  zurückgehe;  als  nämlich  juiio&i  seine  ur- 
sprüngliche abstrakte  Bedeutung  verloren  hätte,  hätte  man  ein  neues  Ab- 


YondrAk,  Yergl.  slav.  Grammatik,  angez.  von  Brückner.  119 

straktnm  anf  diese  Weise  erzielt:  ist  denn  das  Plus  eines  s  eine  so  vereinzelte 
Ersoheinimg  in  der  Stammbildnng? 

In  tvjatoioy  ßsnoia  a.B.w.  gibt  es  kein  Snffiz  -ö/a  (oder  -^))  die  Eigen- 
namen i/ntjatoia  zu  Svjatoslav,  Ijuhoia  zn  Lfubamir  n.B.w.;  yuboia  ist  übrigens 
masL,  nicht  femin.),  haben  Bildungen  wiejunoia  hervorgerofen,  daher  steht 
jwtoch  neben  junoia^  wie  Swiftoeh  (vgl.  Stoiftoehotoski)  neben  Swi^ton  (poln. 
Swi^9zek  Tartoffe)  nnd  Swiftomui,  ebenso  natürlich  panoia  n.  a.  Von  Einzeln- 
heiten wäre  noch  manches  zn  nennen,  so  ist  berveno  falsch  zu  hru~  (Brücke) 
gestellt;  das  poln.  birzumo  beweist  evident,  daß  die  Grundform  *bhrvh  zn  her 
ist,  wie  vThvh  {vbrvh)  zn  o«r.  Die  Herleitong  der  Slovine  «■  Volksangehörige 
ans  *cXäf6g  Xao^,  seheitert  ja  an  dem  »topographischen«  SnfGz  n.  a.  Jutro 
soll  vaj'u  schon,  gehören;  ich  bleibe  bei  der  Zusammengehörigkeit  mit  otMsrd, 
es  gibt  ja  anch  Formen  meßtstro;  stado  soll  ahd.  atuoia  Gestüte  sein,  aber 
dsza  ist  es  mir  im  Slav.  viel  zu  alt  und  verbreitet,  seine  ursprüngüche  Bedeu^ 
taug,  nicht  Pferdeherde,  sondern  »Zusammenstehen«,  YghpoiiL  stado,  für  heid- 
aisdie  Opfer  schon  von  Dhigosz  genannt  NesUra  soll  (nach  Job. Schmidt), 
ans  lufU-^settra  verschränkt  sein;  ja,  wenn  es  ^neatra  hießet  ich  ziehe  die 
alte  Deutung  aus  nep{s)tera  vor,  trotz  nettj;  die  Sprache  ist  nie  auf  einen  ein- 
zigen Ausweg  angewiesen,  sie  ist  menschliche  Willkür,  nicht  unveränderliche 
Natur,  ^i^re*,  nicht  ipvaei.  Und  so  kommen  wir  wieder  zu  Etymologien  zurück, 
m  denen  wir  am  schärfsten  auseinandergehen;  Verf.  bestreitet  z.  B.  die  Ent- 
stehung eiBCs  ^t-  aus  o^;  jim  kann  ihm  nicht  aus  oinoSf  vSnasj  sondern  nur 
ans  einem  *hm,  *jbm  stammen,  und  den  Beweis  dafür  erblickt  er  in  jWbn«,  als 
ohjedhm  nicht  durch  die  zahllosen -%n%-Adjektiva  beeinflußt  wäre!;  er  läßt 
wujot-  nur  ein  ja-  werden  und  nennt  dafür  z.  B.j'adz  Gift  (aus  ot<2-,  Eiter),  be- 
streitet dessen  Zugehörigkeit  zu  ed  essen,  das  doch  nichts  »giftiges«  enthält, 
also  es  auch  nicht  anzeigen  kann;  aber  der  Fall  liegt  ebenso  in  ^ru^t  verzeh- 
len,  <rat7o  Futter,  die  auch  nichts  »giftiges«  enthalten  und  doch  Bezeichnungen 
ffir  Gifte  (poln.  inteizna  u.s.w.)  ohne  weiteres  wurden.  Die  ganze  Behandlung 
des  Anlautes  ya-  hat  mich  nicht  überzeugt;  bei  imzweideutigem  ^a-  (fitjöU 
fiüiien)  finden  wir  ja  seit  alter  Zeit  ein  /-,  was  nur  durch  die  Verhältnisse 
\mßid-  Ü^  Essen  hervorgerufen  sein  kann. 

Auf  die  Gefahr  hin,  wegen  »unmöglicher«  Anschauungen  verspottet  zu 
werden,  behaupte  ich,  daß  das  Slavische  vielförmiger  ist,  als  es  bei  Vondr&k 
erscheint,  d.  h.  daß  es  mit  der  Ausnahmslosigkeit  der  Lautgesetze,  die  Von- 
drik  und  mit  ihm  die  meisten  Forscher  stillschweigend  voraussetzen,  nicht 
allzu  weit  her  ist,  daß  die  Sprache  unter  denselben  Verhältnissen  mehrere 
Wege  einzuschlagen  vermag.  Nehmen  wir  z.  B.  das  Wort  fftuia  Birne,  aber 
daneben  muß  ja  uraltes  kruia  dass.,  angesetzt  werden,  das  im  ganzen  Nord- 
westen der  Slavenwelt  heimisch  war.  Oder  es  kommen  nebeneinander  die- 
selben Worte  in  Doppelformen  vor,  papraö  und  hdbra6,  drzazga  und  trzaska, 
dnagaö  {druzgota^  und  truskaö  U.S.W.,  also  der  strikte  Gegensatz  von  Gleich- 
fbimigkeit  Dasselbe  beobachten  wir  bei  der  Behandlung  von  Fremdwörtern : 
Gegenaatz  zwischen  <ffcfe,  irUr^a  und  cUarh,  cfto,  crhky\  deutsches/ (jiA)  wird 
ebfmso  bald  &,  bald|»:  bri$hy  (poln.  ^rsM^tma,  später  brzotkwinia^  nach  den 
andern  Substantiven  auf  ymfUry,  wie  piM/y-ni,  (opy-nt  u.s.w.),  aus  */^raX»; 


120  Kritischer  Anzeiger. 

*Jablo  aus  Apfel  (der  eßbare  Apfel  ist  nicht  der  Wildapfel,  sogar  die  beiden 
Bänme  ähneln  einander  nicht  besonders);  aber  pila  Feile ,  *pigy  (pigwa) 
Feige  n.8.w.  Ich  will  nicht  wiederholen,  was  ich  über  iart  neben  trot  im  Poln., 
Über  q  neben  u  dess.,  mehrfach  erörtert  habe,  wofür  stets  neue  Beispiele  sich 
nennen  ließen  (z.B.  eku6ha6  neben  ehqch-,  gqi  and  guz,  gnuiny  und  gnqrb  u.  a.). 
Von  der  bloßen  Möglichkeit  solcher  Schwankangen  erfährt  man  aber  ans 
Yondr&ks  Darstellung  zn  wenig.  Und  sie  gewähren  Rttckschltisse  auf  eine 
ungleich  entferntere  Vergangenheit;  ich  würde  z.B.  zvStda  gegenüber  gwiazda, 
wegen  des  lit.  iwaigzde,  kaum  auf  eine  Stofe  mit  vlbwi  stellen.  Vielleicht  sind 
auch  die  so  wirren  Verhältnisse  in  der  Behandlang  des  ön-Aaslaates  {ryh%, 
kamy,  idq)j  weniger  aaf  die  Bechnong  verschiedener  Intonation  n.  dgl.,  ak 
auf  ein  Schwanken  der  Sprache  selbst  zurückzuführen.  Für  mich  sind  wenig- 
stens die  im  IX.  oder  X.  Jahrh.  so  auffallenden  Formen:  alkaU,  aidija-,  alnya^^ 
die,  im  Gegensatze  von  Vondr&ks  Auffassung,  allerdings  g^en  jegliche 
Erwartung,  die  >litauische«  Lautfolge  bewahrt  haben,  ein  gar  beherzigens- 
wertes FiÜLtum,  dem  man  mit  bloßem  Ignorieren  (wie  es  bei  Torbiörnsson 
geschah),  gar  nicht  beikommen  kann.  Die  Sprache  mit  ihrem  unendlichen 
Reichtum  läßt  sich  einfach  nicht  immer  in  feste,  starre  Regeln  einschnüren; 
sie  bewahrt  sich  eine  gewisse  Bewegungsfreiheit  und  das  sollte  auch  in  einer 
Darstellung,  wie  die  Vondriks  ist,  zum  Ausdruck  gelangen. 

Man  fasse  nur  daraufhin  eine  beliebige  Erscheinung  ins  Auge,  z.  B.  die 
Behandlung  des  chw  im  Polnischen:  es  wurde  zu /vereinfacht  und  es  schien 
eine  Zeitlang,  als  sollten  die  ckw  überhaupt  aus  der  Sprache  verschwinden^ 
namentlich  um  die  Mitte  des  XV.  Jahrb.,  wo  wir  sogar  eaifyta  (kann  auch  für 
bloßes  ehfta  stehen),  faiei  {ehwaici),  faia  {chtcaia)  a.s.w.  finden  und  doch  ent- 
ledigte sich  die  Sprache  dieser /wieder  vollständig  (bis  auf  vereinzeltes,  kro- 
toßlny  u.  ä.),  aber  sie  hat  umgekehrt  ehvo  für  /  behalten  in  zttchtoafy  (dazu  Neu- 
bildung, s.  0.  gaeh  U.S.W.,  zuck  Prachtkerl)  aus  zufaiy  und  es  sogar  in  Fremd- 
worten, chwMek  viola  (allgemein  im  XVI.  Jahrb.,  heute  nur  dialektisch), 
eingeführt!  Wer  solches  im  Auge  behält,  wird  sich  auch  nicht  daran  stoßen, 
daß  aJkaU  neben  laJerufti  besteht,  daß  *akmy  za  kamy  wurde  (die  Herleitnng 
aus  *okomön  ist  ein  gar  zu  kläglicher  Einfall),  daß  gard  in  einer  und  derselben 
Sprache  sowohl  zu  gard  wie  zu  grod  führen  konnte,  u.s.w.;  man  wird  dann 
vielleicht  geneigter  sein,  ein  i  aus  o%  nicht  mit  einem  ^  »  e  nachy  zusammen- 
fidlen  zu  lassen,  trotz  eines  matt  im  Auslaute  und  eiikeBjazca  im  Anlaute,  das 
meinetwegen  aus  *q;'zva  umgestellt  sein  könnte,  wie  kamg  aus  *akmy,  Sprache 
läßt  sich  nicht  von  Lautgesetzlem  kommandieren;  sie  hat  selbständigeres 
Leben. 

So  bietet  Vondr&k  neben  reicher  Belehrang  auch  manchen  Anlaß  zm 
Einwänden  und  Bedenken,  sogar  prinzipieller  Art,  aber  diese  sollen  weder 
nns  noch  ihm  die  Freude  und  Genugtuung,  die  er  an  seinem  Buche  wohl 
empfinden  darf,  beeinträchtigen.  Das  Buch  ist  ein  tüchtiges  Handbuch,  eine 
zweite  Auflage  somit  nicht  ausgeschlossen;  da  ließen  sich  Irrtümer  und  Un- 
deutlichkeiten  (z.  B.  S.  350,  oder  wenn  auf  die  falsche  russ.  Schreibung  riUio 
gebaut  wird,  statt  reieio  u.  a.),  leicht  beseitigen.  Wir  wünschen  dem  Buche 
rascheste  und  weiteste  Verbreitung;  es  kann  viel  Nutzen  stiften.  A.  Brückner. 


Bogorodrica,  angez.  von  Brückner.  121 

Bogarodzlca. 

Unüte  Denkmäler  haben  schier  unwiderstehliche  Anziehungskraft,  bie- 
ten der  Forschung  stets  neue  Anhaltspunkte,  beschäftigen  die  Phantasie  so- 
gir,  reizen  sie  doch  zu  immer  neuen  Kombinationen,  Deutungen,  Folgerungen. 

Wie  knrs  ist  z.  B.der  Text  des  Hospodi(ne)  pomilyj  ny,  wie  knapp  seine 
lebende  Geschichte,  die  fast  schon  im  XV.  Jahrh.  erlischt,  und  doch,  welch 
rdehe  Literator,  welche  Fülle  von  Kontroversen,  bis  zu  der  letzten  Erwiihnung 
m  Archiv  XXVlli,618 :  man  kann  ohne  weiteres  zugestehen,  daß  »die  schöne 
Übeisetzuig  des  griechischen  Sufes  im  Anfange«  kirchenslavlsehen  Ur" 
gpnmges  ist,  nur  ist  damit  noch  kein  Präjudiz  für  die  folgenden  Zeilen  ge« 
schaffen,  die  nichts  E^irchenslavisches  mehr  verraten. 

Und  noch  interessanter  ist  die  Bogurodzica,  schon  wegen  ihres  üm- 
ianges;  wegen  ihrer  Bedeutung  als  katechetisches  Lied,  das  alle  Grundwahr* 
heilen  des  katholischen  Glaubens  enthält  und  darum  im  XVI.  Jahrh.  von  der 
gesamten  polnischen  Kirche  hoch  gehalten  ward;  wegen  ihres  Alters  endlich. 
Heute  wird  sie  nur  noch  im  Gnesener  Dome  von  den  Vikarien  an  Sonn-  und 
Feiertagen  vor  dem  Hochamt  gesungen ;  nicht  mehr  hängt  sie  aureis  literis 
deseripta  un»  cum  notula  in  templo  arcis  Cracoviensis  supra  tumbam  s.  Sta- 
lialai  in  ma^na  tabula,  wie  dies  noch  im  J.  1530  der  FaU  war;  die  Versuche, 
ne  zu  beleben,  im  Heere,  beim  Volke,  in  den  Schulen,  sind  schließlich  ge- 
Mheitert,  aber  sie  bleibt  fernerhin  das  ehrwürdigste  Zeugnis  polnischer  Ver- 
gangenheit, sie  eröffnet  die  gesamte  nationale  Literatur  und  leiht  ihr  weihe- 
▼ollen  Ausdruck:  wtlrdiger  ist  keine  Literatur  eingeläutet  worden. 

Es  ist  ein  Text  mit  sieben  Siegeln  —  gleich  über  sein  erstes  Wort 
konnte  man,  nicht  eine  Abhandlung,  sondern  ein  ganzes  Buch  schreiben. 
Denn  wie  Hospodine  pomiluj  ny  nicht  erst  eine  böhmische  Übersetzung  von 
Hiserere  Dominus  ist,  aus  dem  XXL  Jahrh.  etwa,  sondern  auf  den  kirchen- 
fllavischen  (natürlich  ritus  romani,  s.  Kiewer  Missal!)  Text  zurückgeht,  so  ist 
saeh  Bogurodzica  (dziewiea)  nicht  die  Übersetzung  erst  von  den  Eingangs- 
worten der  Antiphone,  Dei  genetrix  (virgo),  sondern  von  Sbotoxo^  niiqHvB ; 
Dei  genetrix  hätte  ja  nur  Boia  rodzici€l[k)o  oder  Boia  roduczko  übersetzt  wer- 
den können,  dagegen  ist  Bogurodzica  (warum  nicht  Bogorodxiea,  s.  u.),  das 
riebtige  Femininum  zu  d^eoToxoc  {*bogorod%)j  und  ich  habe  mich  schon  lange 
im  StUlen  gewundert,  warum  die  Verteidiger  einer  slavischen  Liturgie  in 
Polen  sich  nicht  auch  auf  dieses  so  machtvoll  einsetzende,  kirchenslavische 
Bogorodica,  ganz  im  Widerspruche  zur  katholischen  Übung,  berufen.  Man 
wende  ja  nicht  ein,  daß  man  in  den  Tausenden  lateinischer  Marienlieder  auch 
einmal  ein  deipara  auftreiben  kann,  d.  i.  die  Erfindung  des  betreffenden  Dich- 
ten; in  der  katholischen  Kirche  ist  dieser  Ausdruck  ebenso  wenig  üblich,  wie 
er  gerade  in  der  griechisch-slavischen  ständig  ist,  dogmatischen  Charakter 
trigt  Das  wußte  man  und  beachtete  diesen  Gegensatz  schon  im  XI. — ^XIII. 
Jafafh.:  unter  den  Anschuldigungen  des  Metropoliten  Nikephor  gegen  die 
Utemer  (und  diese  fehlt  gerade  in  seiner  Quelle,  beim  Metropoliten  Georg), 
fiaden  wir,  ich  zitiere  nach  Gdiubinskij,  preswiatjrja  vladyöicy  na&eja  Bogo- 
lodiey  ne  nazywig^^'  Bogorodioeju,  no  tolko  swiatoju  Maijeju,  czto  jest' 


]  22  Kritischer  Anzeiger. 

Nestorijewa  jeres'  etat,  o  Frjaziech  10) ;  dazu  fügt  Gohibinskij  die  bezeichnen- 
den Worte  hinzu:  >Sie  heißt  bei  den  Katholiken  wirklich  nicht  BogorodicEi 
sondern  heil.  Maria;  das  unserem  oder  dem  Gbotoxos  entsprechenden  Bogo- 
rodica  gibt  es  bei  ihnen  nicht  und  wenn  sie  es  ansdrttcken  wollen,  so  sagen 
sie  mater  Dei«.  So  konnte  anch  diese  Beschnldigong  der  Nestorianischen 
Häresie  (Maria  ist  nnr  die  Mntter  des  Menschen  Christus)  aufkommen;  so  ent- 
fernt sich  die  Bogurodzica  als  ein  ana^  siqijfiiyoy  von  dem  katholischen 
Sprachgebrauch  in  Polen  und  man  darf  dagegen  wieder  ein  einmaliges,  ge- 
legentliches Vorkommen  im  Altböhmischen  nicht  einwenden:  das  Anheben 
des  ältesten,  längere  Zeit  einzigen  nationalen  Kirchenliedes  mit  diesem  Ter- 
minus gerade,  fällt  ganz  anders  ins  Gewicht.  Und  bekanntlich  gibt  es  anch 
andere  &na^  ei^ijfiiya  in  diesem  Liede. 

Das  in  seiner  Urform  nur  aus  zwei  Strophen  bestehende  Lied  ist  erst 
spät  tiberliefert,  die  älteste  Aufzeichnung  stammt  von  1410,  was  natürlich 
nichts  beweist;  die  älteste  Aufzeichnung  der  polnischen  Hauptgebete  ist  auch 
nicht  älter  und  doch  waren  diese  Texte  schon  zu  Anfang  des  XI.  Jahrh.  vor- 
handen, betete  sie  ja  doch  Mieszkaü.  nach  dem  Zeugnis  der  Lothringerin 
(um  1028]!  Die  Predigtbände  des  XV.  Jahrh.  erwähnen  das  Lied  öfters,  leider 
begnügen  sie  sich  mit  dem  ersten  Worte,  z.  B.  in  einer  Breslauer  Handschr. 
vom  J.  1450  heißt  es  in  der  Weihnachtspredigt:  si  aliquid  volumus  audire  de 
dignitate  islius  diei  et  de  nativitate  filii  Dei,  dicamus  haue  orationem  devotls 
cordibus  bogarodzyca  etc.  —  gerade  nur  zur  Weihnachtszeit  wurde  die  Bogo- 
rodzica  noch  in  vielen  kujavischen  Kirchen  im  J.  1598  (Visitation  des  Bischofs 
Rozrazewski)  gesungen;  andere  Zitate  des  XV.  Jahrh.  übergehe  ich.  Ebenso 
erwähnen  die  Urkunden  nur  das  erste  Wort  (was  freilich  vollkommen  genügte, 
es  gab  ja  nirgends  ein  anderes  Lied  oder  Gebet  mit  diesem  Worte !),  z.B.  nach 
einem  (echten!)  Diplom  für  das  kleinpolnische  Städtchen  Biecz  vom  J.  1553  er- 
hielt der  Schulrektor  antiquos  proventus  für  das  Singen  der  Bogarodzica 
(und  Salve  regina)  in  der  Pfarrkirche.  Desto  zahlreicher  sind  bekanntlich 
Handschriften  des  XV.  und  Drucke  des  XVI.  und  XVH.  Jahrh.,  um  von  mo- 
dernen zu  schweigen;  desto  zahlreicher  sind  die  Erwähnungen  bei  Histo- 
rikern, Zeitgenossen  (des  XV.  und  XVI.  Jahrh.),  apologetische  und  polemische 
Kommentare  eines  Matthäus  von  Koscian  (1543),  Herbest,  Skarga,  Wiyek, 
Krai^ski  u.  a. 

Und  desto  zahlreicher  sind  Arbeiten  der  Modernen,  von  denen  ja  so 
manche,  z.  B.  die  von  Nehring  oder  von  Franko  gerade  das  Archiv  ge- 
bracht hat;  desto  größer  ist  unsere  Verpflichtung,  unsere  Leser  über  den 
Stand  der  Forschung  auch  auf  diesem  Gebiete  auf  dem  Laufenden  zu  erhal- 
ten. Mir,  als  dem  Spezialreferenten  für  polonica,  lag  diese  Pflicht  besonders 
ob;  ich  habe  sie  Archiv  XXVUI, 555  f.  nicht  ganz  erfüllt  und  trage  versäumtes 
nach.  Anknüpfend  an  die  treffliche  Deutung,  die  der  lange  völlig  verkannte 
Anfangsvers  der  zweiten  Strophe  durch  Dr.  Franko  im  Archiv  gefunden 
hatte,  hatte  ich  in  BibL  Warsz.  1901,  Okt.,  S.  81—106,  und  in  Literatura  reli- 
gijna  I.  (Warschauer  christiiche  Bibliothek,  Juni  1902),  S.  144—178,  eine  neue 
Lösung  des  Problems  gegeben,  den  Beichtvater  der  Krakauer  Fürstin,  der 
heil.  Kinga,  den  Franziskanermönch  Boguchwal,  in  ihrem  Kloster  von  Alt- 


Bogarodziea,  angez.  von  Brückner.  123 

Saadez  {gest.  beide  1292),  für  sie  oder  richtiger  für  ihre  Nonnen,  die  Kl&ris- 
Binen  Yon  Alt-Sandes,  die  Bogarodziea  abfassen  lassen.  Meine  Annahme  wnrde 
▼iel&eh,  oft  mit  geradezu  kindischen  Mitteln,  bekämpft  —  was  halte  ich 
heute,  nach  Jahren,  Ton  ihr?  Ich  sprach  es  1904  ans:  Den  Hanptteil  halte  ich 
vODig  anfrecht  nnd  bin  heute,  noch  mehr  als  1901,  von  der  Richtigkeit  mei- 
ner AnsfUhrongen  ttberzengt,  aber  diese  gipfeln  gar  nicht  in  den  Namen  Bo- 
gnehwai,  Alt-Sandez,  Kinga  (obwohl  ich  auch  diese  Einzelnheiten  vorläufig 
gar  nicht  preiszugeben  gedenke !).  Meine  HanptausfÜhrungen  wandten  sich  ja 
g^en  die  spSte  Ansetzung  des  Liedes  (nach  1350!),  und  gegen  seine  Herlei- 
tong  aus  Böhmen  —  alles  andere  mag  man  als  romantisches  Beiwerk  bei  Seite 
achieben,  ich  habe  bewiesen,  daß  das  Lied  aus  dem  XIIL  Jahrh.  stammt  und 
Original  ist  So  hat  man  z.  B.  die  beiden  Formen  der  ersten  Strophe  8iaunena, 
zwolena  als  Bohemismen  bezeichnet  und  darin  die  Spur  der  böhmischen  Vor- 
lage erkannt  Leider  kommt  in  dem  ganzen  Text  kein  weiterer  Bohemismus 
▼or;  alles,  die  Nasale  z.  B.,  oder  <f,  d£,  oder  ^o,  ro,  oder  g  ist  tadellos  polnisch 
—  es  ist  einfach  undenkbar,  daß  der  polnische  Bearbeiter  alles  aufs  beste  än- 
derte, gioty,  naiwieeie,  modiitwf  U.S.W.  sagte,  aber  ohne  jeden  Grund  nur  sla- 
vfena  awoüna  unveriindert  beließ  —  die  Erfahrung  lehrt  uns,  daß,  wo  Bohe- 
miamen  in  einem  polnischen  Texte  vorkommen,  sie  sich  nie  auf  eine  einzige 
lautliche  Erscheinung  beschränken  (z.  B.  im  Flor.  Psalter,  in  der  Dorotheen- 
legende,  beimPizeworszczyk,  in  der  Sophienbibel  u.s.w.).  Zudem,  wo  ist  auch 
nur  die  geringste  Spur  eines  solchen  böhmischen  Textes  aufrotreiben?  oder 
ist  etwa  dzUla  der  zweiten  Stiophe  (düja,  für  dla\  oder  hoiyc  (allerdings  ein- 
mal im  Böhmischen  belegt,  s.  Gebauer),  so  besonders  böhmisch  ? 

Den  Beweis,  daß  das  Lied  dem  Xin.  Jahrb.,  nicht  etwa  nach  1350  ge- 
hört, erbrachte  gleich  derselbe  Vers :  twtgo  dzUla  krzeieUlaj  boiyce  »Um  deines 
Täufers  willen,  Gottessohn!«,  denn  die  nächste  Strophe  (eines  später  der  eig. 
Bog.  Bodz.  angefügten  Osterliedes  des  XIV.  Jahrh.)  beginnt:  Naa  dla  %o$ial  z 
marUcyeh  gyn  hoiy,  was  ja  in  der  Sprache  der  vorangehenden  Strophe  lauten 
müßte;  Nas  dziela  tottai  z  marttoych  hohye:  so  sehr  entfernt  sich  das  dem 
XIV.  Jahrh.  angehörende  Osterlied  von  der  eigentlichen  Bogurodzica  (d.i. von 
den  beiden  Anfangsstrophen).  In  Anbetracht  dieser  außerordentlichen  Alter- 
tümlichkeit,  die  von  der  sonstigen  Art  der  Kirchenlieder,  die  stets  die  neueste 
Sprache  bieten,  ganz  abweicht,  könnte  ich  das  Alter  der  Bogurodzica  eher 
noch  höher  hinauMcken:  ich  hätte  nichts  dagegen,  wenn  man  schon  das 
krUsz  pqfuszeze  (von  den  Polen  im  J.  1245,  in  der  Wolhynischen  Chronik)  auf 
die  Bogarodziea  (wegen  ihres  krlesz-Refrains)  bezöge  —  auch  in  diesem  Falle 
wäre  sie  ja  noch  immer  ein  Jahrhundert  jünger,  als  Hospodine  pomiluj,  was 
zur  Jugend  der  pohiischen  Literatur  (gegenüber  der  böhmischen),  wohl  passen 
könnte. 

Daß  sie  auch  ein  Kriegslied  werden  konnte,  beweist  wieder  ihr  hohes 
Alter.  An  sich  enthält  sie  ja  auch  nicht  den  geringsten  Bezug  auf  Kriegen 
und  Morden,  ist  nur  ein  frommes  Kirchenlied,  Qebet  an  den  Heiland  und 
nichts  weiter,  genau  wie  Hospodine  pomiluj,  das  ja  nur  Bitten  um  Frieden 
nnd  Fruchtbarkeit  enthält;  beide  Lieder  wurden  auch  zu  Kriegsliedem,  nur 
weil  sie  längere  Zeit  eben  die  einzigen  Lieder  waren,  es  keine  anderen  natio- 


124  Kritischer  Anzeiger. 

nalen  Lieder  (religi($Be)  neben  ihnen  gab,  sie  allein  somit  die  Erregung  ond 
Anspannung  des  Gefühles  auslösten.  Kyrie  eleison  hat  ja  ebensowenig  etwas 
vom  Morden  an  sich  und  doch  ist  es  auch  Eriegsruf  gewesen!  Es  wäre  ganz 
falsch,  in  dem  Liede  wegen  dieser  seiner  Geltung  irgend  etwas  besonderes, 
eine  Eriegerrolle  der  Jungfrau  und  des  heil.  Johannes,  suchen  zu  wollen,  wie 
gefaselt  wurde. 

Man  könnte  sich  z.B. gleich  auch  über  die  Nominative  Bogurodtica  dzie- 
wica,  statt  der  zu  erwartenden  Vokative  wundem,  aber  darum  ist  der  Verfitsser 
des  Liedes  noch  kein  Großrusse  gewesen:  er  wollte  Maria,  die  lateinische 
Form,  behalten,  er  ging  ja  der  volkstümlichen  absichtlich  aus  dem  Wege  — 
diese  lautete  Marza,  Pirzwa  iwifta  Mona  nannte  das  Yolk  noch  im  XY. 
Jahrh.  den  Tag  Marift  Himmelfahrt,  hoifta  Marza  heißen  noch  heute  Orte  (mit 
Marienkirchen),  Marza  auch  Marienblumen;  einem  Bogurodzie«  dziewiee  hätte 
ja  auch  ein  Marije  entsprochen  und  das  mied  er  eben  —  den  Vokativ  brauchte 
er  in  matko  dagegen;  ein  späterer  Dichter  fand  hier  keinen  Anstoß  und  verband 
ruhig  Maria  dziewiee.  In  Bogu  rodzica  femer  und  Bogiem  eiawiena  wählte  der- 
selbe Verfasser  absichtiich  je  zwei  Worte,  statt  je  eines:  Bogorodziea  und 
hogosiatüiena  (oder  biogosiafciena,  benedicta;  beide  Ausdrücke  wechselten 
mit  einander  noch  im  XVI.  Jahrh.) ;  -iena  kommt  auch  anderswo  vor. 

Wir  sehen  somit  überall  deutliche  Beweise  des  hohen  Alters  des  Liedes, 
iiatoiena  und  zwolena  ist  es  ebenso  wie  dziela  und  BoitfCy  und  über  die  Be- 
hauptung von  Nejedl^  z.  B.,  daß  das  Lied  erst  aus  dem  Anfange  des  XV. 
Jahrh.  stamme,  daß  die  Polen  im  XIIL  und  XIV.  kein  eigenes  nationales 
besessen  hätten,  gehen  wir  einfach  zur  Tagesordnung  über. 

Die  Arbeit  von  Aleks.  Polin ski,  Piei&n  Bogarodzica  pod  wzgl^dem 
mnzycznym,  Warschau  1903  und  deren  bitterböse  E^ritik  im  Warschauer  Lut- 
nista  1906,  Nr.  1,  4,  5,  von  einem  jungen  Musikhistoriker,  Adolf  Chybi^ ski 
(Z  badaÄ  nad  >Bogurodzic4«),  übergehen  wir,  weil  sie  nur  die  Melodie  betrifft 
und  der  Kritiker  sich  speziell  über  ungenaue  Terminologie,  Verwechslungen, 
Irrtümer  ausließ,  was  im  einzelnen  auch  schon  Prof.  Dr.  J.  Fijaiek  getan  hat 

Fijaiek  ist  unter  allen  polnischen  Eirehenhistorikem  der  rührigste, 
unparteiischeste,  von  großem  Wissen,  eine  gewandte  Feder  zugleich;  als 
Geistlicher  gerade  die  Seiten,  z.  B.  die  liturgische  betonend,  die  uns  Philologen 
fremd  sind.  In  einer  gediegenen  Abhandlung  »Bogurodzica«  im  Lembeiger 
Pami^tnik  Literacki  II,  1903,  S.  1—27, 163^191,  353—378,  bespricht  er  znent 
die  Geschichte  des  Liedes  nach  seinen  drei  Phasen,  der  vorhistorischen,  der 
historischen  oder  Blütezeit  und  dem  VerfaU;  die  Geschichte  der  Forschung; 
die  nationale  Sprache  in  der  lateinischen  Liturgie  der  polnischen  Kirche  (bis 
zum  Tridentinum);  Ursprang  und  Anwendung  polnischer  Kirchenlieder,  spe* 
ziell  der  Oster-  und  Marienlieder.  Bei  der  groß  angelegten  Arbeit,  die  überall 
auf  die  letzten  Anfänge  zurückspürt,  fällt  vieles  auch  für  andere  Fragen  ab; 
so  hat  z.  B.  Fijaiek  erst  die  ein  wandsfreie  Erklärung  der  Worte  in  dem 
Briefe  der  Lotiiringerin  an  König  Mieszka  n.  (cum  in  propria  et  in  latina 
Deum  digne  venerari  posses,  graecam  super  addere  maluisti),  die  noch 
Sicz^ftniak  vergebens  gesucht  hat,  obwohl  Dr.  Kidri^  (Archiv  XXVO,  621) 
sich  mit  dessen  Ausführungen  zufrieden  erklärte;  Szcz^iniak  nahm  ja  an 


Bognrodzica,  angez.  von  Brückner.  125 

(S.  163),  daß  es  Mieszka  aUein  war,  der  die  drei  Sprachen  kannte.  Richtiger 
deutet  ea  Fijalek,  daß  MicBzka,  d.  i.  seine  Kirche,  Gott  in  zwei  Sprachen 
pries,  lateinisch  nnd  polnisch  (Credo  n.B.w.  waren  ja  polnisch  vorhanden, 
worden  dem  Volke  in  der  Kirche  gelehrt),  nnd  dazu  (snperaddere)  nahm 
seme  Kirche  noch  griechische  Antiphonen  nnd  Akklamationen  in  der  Litnrg^e 
anf^  das  ist  etwa  das  Kyrie,  Gloria,  namentlich  aber  das  Trisagion,  das  ja 
noch  heute  beim  Volke  (übersetzt)  fortlebt;  er  ve^leicht  passend  die  griechi- 
schen Worte  des  Prager  Klerikers  beim  Leichenbegängnis  des  Br^cislav 
(iaehiroB  ii.8.w.  bei  Cosmas).  Er  erklärt  weiter  n.a.,  warum  piti  fUr  das  dicere 
der  Gebete  gebraucht  wird;  erklärt  die  Herkunft  und  Bedeutung  der  alten 
Osteilieder:  ChrysUu  zmartwyeh  wstalje-ist}  und  Przez  twe  ätvifte  zmaritoj/ch- 
wstanü;  eiidärt  die  weiteren  Strophen  der  Bogurodzica,  die  suffragia  de  pa- 
tronia  namentlich  u.  a.  Allerdings  kommen  die  beiden  ersten  Strophen,  um 
die  es  uns  sich  namentlich  handelt,  weniger  zu  ihrem  Rechte;  außerdem 
mochte  ich  fragen,  ob  die  Rolle  der  Volkssprache  (in  der  Liturgie)  nicht  etwas 
allen  optimistisch  aufgefaßt  wird.  Vergebens  suchte  ich  hier  Erwähnung  von 
Sachen,  die  doch  Nejedl^  anführt,  z.  B.  ein  Verbot  an  die  Laien  aus  dem 
EL  Jahrh.  (Harzheim,  concil.  germ.  H.  500),  si  quis  cantare  desideret,  Kyrie 
EleiBon  cantet;  sin  aliter,  omnino  taceat;  das  Verbot  der  »Volkslieder«  durch 
das  Baseler  Konzil  u.  a.  Dafür  ist  sehr  richtig  die  einseitige  Ableitung  polni- 
scher Ejrchenlieder  aus  böhmischen  abgelehnt.  Dem  Verfasser  handelt  es 
sieh  vor  allem  darum,  den  Hintergrund  zu  zeichnen,  von  dem  sich  die  Bogu- 
rodxiea  abheben  sollte. 

Dagegen  muß  ich  die  Arbeiten  von  Prof.  Wilhelm  Bruchnalski  vor- 
fibifig  ausschalten:  er  gab  nämlich  bisher  nur  einen  Vorbericht  darüber  (in 
den  Sitsungsberichten  der  Krakauer  Akademie),  und  eine  knappe,  populäre 
Darstellung  in  dem  Sammelwerke  Ksi^ga  pami^tkowa  Marya^ska  1905,  hat 
aber  sein  Beweismaterial  nicht  veröffentlicht  Während  wir  die  Bogurodzica 
nur  auf  die  zwei  ersten  Strophen  beschränken  und  die  weiteren  Strophen 
(eines  Osterliedes)  erst  spät  hinzukommen  lassen  (wie  dies  geschehen  konnte, 
ja  nicht  durch  bloßen  Zufkll,  deutete  Fijaiek  an),  ist  ihm  gerade  die  weiteste 
Fassung  des  Liedes  die  ursprünglichste,  sieht  er  darin  ein  Krakauer  Franzis- 
kaneilied  an  alle  Heiligen  ans  dem  XIV.  Jahrh. :  gegen  die  Annahme  eines 
derartigen,  besonderen  Liedes  hatte  sich  schon  Fijaiek  S.378  gewendet.  Ich 
lehne  diese,  dem  allerausgeprägtesten  Ostercharakter  von  Strophe  3  und  folg. 
widerstreitenden  Aufstellungen  völlig  ab,  aber  ich  vermag  sie  nicht  zu  be- 
kämpfen, so  lange  ihre  eingehende  Begründung  nicht  nachgeliefert  ist  —  ich 
laaae  somit  diesen  Punkt  vorläufig  offen. 

Der  Arbeit  von  Prof  Korneli  Heck  habe  ich  bereits  Archiv  XXVin, 
S.  550  gedacht;  ich  füge  nur  hinzu,  daß  ich  die  Datierung  und  Entstehung  der 
zwei  ersten  Strophen  (nach  1350  um  Gnesen,  wegen  der  ältesten  Erwähnungen 
und  Texte  auf  großpolnischem  Boden),  sowie  die  Erklärung  der  folgenden 
Strophen,  ihres  Zosammenhanges,  Aufeinanderfolge,  Textes  als  völlig  ver- 
fehlt abiebne.  Ich  hebe  aus  diesen  folgenden  Strophen  (des  Osterliedes)  zuerst 
ein  nnieum  hervor:  die  Behandlung  des  heiligen  Stoffes  ganz  nach  der  polni- 
sehen  ataatiioben  Terminologie  des  XIV.  Jahrh.;  es  wird  nämlich  gesprochen 


1 26  EritiBcher  Anzeiger. 

yom  göttlichen  toieeef  vom  staroitapkielny  (genau  wie  die  böhmischen  General- 
BtaroBten,  die  die  Praemysliden  in  Polen  nach  1300  einführten);  vom  bozy 
hmU6  (Adam,  förmlich  baro,  weil  er  im  wieee  =  coUoqniom  der  Himmeli- 
großen  sitzt  —  nebenbei  bemerkt,  verteidigt  und  erläutert  Hatthäos  von 
Eoician  in  seinem  Kommentar  zor  Bogorodzica  vom  J.  1543  gerade  die  Nen- 
nung des  Adam  als  eines  Heiligen  am  ausführlichsten,  man  muß  sich  offen- 
bar später  daran  gestoßen  haben);  von  der  djabla  stroia  (stroia  war  der  Ter- 
minus technicus  in  Polen  für  das  Servitut  der  custodia  arcium).  Dann  will  ich 
auch  über  Sinn  und  Bedeutung  dieser  Strophen,  die  von  allen  bisherigen  Er- 
klären! (Pilat,  Heck  u.  a.)  verkannt  wird,  mich  hier  äußern. 

Den  Text  dieses  Osterliedes  (Strophe  3—13)  gibt  die  zweite  Erakauer 
Handschrift  in  einer  Niederschrift  von  circa  1420 — 1430  sehr  genau  wieder; 
Heck  hat  ihn  sorgfältig  abgedruckt,  doch  steht  in  der  Handschrift  przesz, 
nicht  |9rzc  in  Strophe  3  und  odyal,  nicht  odi/el;  in  Strophe  4  ßopomonal;  cha- 
rakteristisch ist  die  Schreibung  moyczq,  grzeyßney  peyetq  (neben  peczq).  Und 
nun  der  Sinn :  Strophe  3  ist  klar,  der  Gottessohn  ist  auferstanden,  hat  durch 
seine  Qual  sein  Volk  dem  Teufel  entrissen.  Strophe  4:  Przydal  nam  zdrowia 
wiecznego  (in  der  Osterpraefatio  heißt  es :  vitam  reparavit),  starost^  skowat 
pkielnego  (hat  den  Generalstarosten  der  Hölle  gefesselt  —  nach  dem  evang. 
Nicodemi);  das  folgende  imierö poc[fqi,  hat  den  Tod  erlitten,  ist  dagegen  ein- 
fach unmöglich;  wie  kann  ja  der  Heiland  erst  den  Teufel  fessehi  und  dann 
den  Tod  erleiden ;  als  er  den  Teufel  fesselte,  war  ja  sein  Tod  auf  dem  Elreuzes- 
holze  bereits  längst  vorüber  und  kann  nicht  darnach  erst  genannt  werden; 
wir  dürfen  den  mittelalterlichen  Dichter,  der  seine  Worte  wohl  abwog,  nicht 
ohne  weiteres  eines  logischen  Widersinnes  bezichtigen.  Der  Sinn  verlangt 
und  die  Aufeinanderfolge  der  Tatsachen  im  evangel.  Nicodemi  beweist  es 
evident:  Christus  fesselte  den  Teufel,  besiegte  (aber  nicht:  erlitt!)  den  Tod 
und  gedachte  des  ersten  Mensehen;  in  der  Osterpraefatio  heißt  es  auch:  Qui 
(Chrietus)  mortem  desintxit;  im%er6  podjqi  muß  daher  heißen:  hob  auf  den  Tod 
(oder  pojqi  fesselte?).  Die  »Erwähnung  des  ersten  Menschen«  (an  dessen  Stelle 
nach  dem  evang.  Nicodem.  der  Gtoneralstarosta  gefesselt  wird),  wird  nun  in 
Str.  5  ausgeführt:  Welcher  wahrlich  Mühe  litt,  »in  seiner  Demut  [zadmürtne) 
noch  nicht  ausgestritten  hatte«,  bis  Gott  selbst  auferstand;  an  denselben  wen- 
det sich  Str.  6  (Adam,  du  baro  Gottes,  sitzest  beim  Herrn  im  colloquium, 
schaffe  deine  Elinder  dorthin,  wo  die  Engel  thronen,  was  Str.  7  als  Bitte  an 
Christus  wiederholt:  dasselbe  schaffe  uns  Jesu),  aber  beide  lose  Strophen 
(6  und  7)  unterbrechen  nur  den  Zusanmienhang,  denn  es  heißt  in  Str.  S,  als 
Fortsetzung  von  5:  byfy  radoici  byfy  miioäci  (ich  vermutete,  daß  dies  plur. 
taut  wären,  wie  kleinruss.radoszczy  u.a.,  deliciae  u.s.w.),  bylo  widxenie  ttoorea 
angielikie  bezkonca,  tu6  sie  nam  swidziaio  (vgl.  serbokroat  svt^fatise;  spätere 
Texte  haben  zjawiio)  djable  potfpienie.  Gerade  der  Text  dieser  Strophe  ist 
bisher  falsch  verstanden.  So  sagte  z.  B.  Pilat  (S.  68,  Anm.):  Liebe,  Freude, 
endloses  Sehen  des  Schöpfers  durch  Engel  war  da  (vor  Adams  SündenfUl, 
also  im  Himmel),  aber  im  Jammertal  (auf  Erden)  erschien  den  Menschen  (uns) 
die  Verdammung  des  Teufels.  Bei  Heck  (S.  27)  heißt  es  sogar:  Adam  genoß 
die  Freuden  (des  Paradieses)  und  Gottes  Anblick,  aber  auf  Erden  die  Men- 


Bognrodsioa,  angez,  yon  Brückner.  127 

sehen  lagen  noch  in  ewiger  VerdammniB,  bis  ChriBtoB  anf erstand:  Heck 
aeheint  somit  dem  Dichter  die  dogmatische  Unmöglichkeit  zuzumuten,  als  ob 
Adam  schon  yor  Christi  Auferstehung  im  Paradiese  hätte  sein  können  —  er 
war  ja  doch  in  der  Hölle  und  litt  da  trudy !!  Der  Sinn  der  8.  Strophe  bezieht 
sieh  nur  auf  die  Vorhöllenszene :  im  evangel.  Nicodemi  sagt  ja  Christus  zu 
den  Heiligen:  gehet  aUe  zu  mir,  ihr  habt  gesehen  den  besiegten  und  verdamm- 
ten Teufel  —  iu6  »i^  nam  ztüidziaio  djable  poifpiente !  Es  war  somil^  eitel  Jubel 
imd  Freude  und  endloses  Betrachten  des  Herrn,  den  ja  11000  vom  Ölberge 
her  besangen  und  Engel  umstanden,  und  gleichzeitig  erschien  des  Teufels 
VerdammniB.  Also  Strophe  6  und  7  zerreißen  den  Zusammenhang  von  Strophe 
6  und  8,  die  eng  zusammengehören,  dieselbe  Situation  (des  triumphierenden 
Christus  in  der  Yorhölle,  oder  nach  dem  Osterresponsorium :  Cum  rez  gloriae 
Christus  infemum  debeUaturus  intraret  etc.)  ausmalen;  aber  daraus  folgt 
noch  durchaus  nicht,  daß  man  etwa  ihre  Stellen  vertauschen  müsse,  daß  auf 
Strophe  5  die  8.  folgen  solle :  denn  die  Aufeinanderfolge  dieser  polnischen 
Tropen,  die  man  sich  zwischen  den  Zeilen  der  lateinischen  Ostersequenz  ge- 
BOBgen  denken  muß,  war  eine  völlig  lose;  das  Lose  des  Zusammenhanges  be- 
sengen  dann  die  folgenden,  völlig  losen  Strophen  (9 — 12)  zur  Genüge.   Erst 
die  sp&tere  Zeit  (Mitte  des  XV.  Jahrh.)  stieß  sich  an  dieser  Losigkeit:  um 
einen  ordentlichen  Zusammenhang  zu  schaffen,  änderte  man  das  Byia-hyia 
von  Strophe  8  zu  Tom- tarn  und  gewann  einen  sehr  guten  Gegensatz  (schaffe 
ims  Jesu  ins  Himmelreich  —  dort  ist  lauter  Lust  und  Freude,  hier  —  auf  £r- 
dea  —  Teufels  Verdammnis);  noch  später  traf  man  eine  viel  einschneidendere 
Änderung,  änderte  Nas  dla  waiai  z  martwych  von  Strophe  4  zu  Narodzii  sif 
ttta  na».  Wie  eben  erwähnt,  die  folgenden,  ganz  losen  Strophen  (9—12)  bieten 
keinerlei  Schwierigkeit  mehr,  dafür  spricht  man  in  Strophe  9  von  einer  Über- 
letsuDg  aus  dem  Böhmischen,  dai  Bog  przekio6  sohle  r^ce  nodze  ohie  na  zbawie- 
UM  tobte  soll  aus  dem  böhmischen  dal  proklaii  sobi  rtiei  nozi  obi  na  spasente 
iobi  entlehnt  sein.   Das  ist  grundfalsch,  richtig  hat  FijaHk  bewiesen,  daß 
der  polnische  und  böhmische  Text  unabhängig  von  einander  auf  die  2.  Strophe 
des  lateinischen  Osterliedes  Dens  omnipotens  zurückgehen:  pedes  manus  la- 
tus dedit  perforare  volens  nos  salvare.    Auf  dasselbe  lateinische  Osterlied 
geht  dann  das  älteste  polnische  und  deutsche  Osterlied  [Chrystus  zmartwych 
wtiaije  etc.,  Text  schon  von  1364  und  »Christ  ist  erstanden«)  zurück. 

In  einer  völlig  anderen  Richtung  bewegten  sich  Kombinationen  über 
Muster  und  Anstoß  zur  ältesten  Bogurodzica,  die  ich  in  meinem  Buche,  Dzieje 
i^ka  polskiego  (Lemberg  1906,  S.  23),  notierte,  kurz  und  unvollständig,  was 
ich  hier  ergänzend  ausführe.  Es  fielen  mir  nämlich  seit  jeher  »russische«  Re- 
mimszenzen  in  der  Bogurodzica,  mit  Recht  oder  Unrecht,  lasse  ich  es  dahin- 
gestellt, auf.  Eine,  die  Bogurodzica  =  Bogorodiea  der  russischen  Kirche,  habe 
ieh  bereits  oben  erwähnt  und  zu  ihrer  Erklärung  reicht  mir  nicht  hin,  daß  die 
Krakauer  Kirche  noch  bis  ins  XVI.  Jahrh.  die  Mutter  GU)ttes  ^bojoxos^  (mit 
diesem  griechischen  Ausdrucke,  s.  Fijatek  S.  186),  mit  Vorliebe  bezeichnete. 
Hieizu  kommt  anderes.  Wie  bekannt,  rufen  die  beiden  Strophen  des  Liedes 
Maria  und  Johannes  den  Täufer  als  Fürbitter  bei  dem  Heiland  an.  Mich  frap- 
pierte nun  gerade  diese  Verbindung;  ich  üeuid  für  sie  in  der  Legende  von  der 


1 28  Eritisoher  Anzeiger. 

heil  Einga,  die  in  entscheidenden  Augenblicken  ihres  Lebens  die  Hilfe  von 
Maria  und  dem  Tänfer  erflehte  und  erhielt,  die  nötige  Erklärung  und  gründete, 
unter  anderem,  auch  darauf  meine  Eombination  (oder,  falls  es  jemand  vor- 
zieht, meinen  Roman)  von  dem  Beichtvater  Bognchwat  und  der  heil.  Einga. 
Die  Verbindung  von  Maria  und  dem  Täufer  gewährt  aber  auch  einen  anderen 
Ausblick.  Ich  berufe  mich  auf  die  Ausfuhrungen  von  Groiubinskij  I,  2, 195 
und  212:  >die  hauptsächlichste  und  ursprünglichste  ikona,  ohne  die  die  ortho- 
doxe Eüirche  nicht  denkbar  ist,  ist  das  rqifjLoqtpiov  bei  den  Griechen,  dBims  bei 
den  Russen,  d.  i.  der  Heiland  zwischen  Muttergottes  und  Täufer;  der  Name 
deitw  ist  vielleicht  griech.  ^irjais  molenije,  weil  die  Mutter  Grottes  und  der 
Täufer  auf  der  ikona  w  molitwiennom  po  otnoszenija  k  spasitielu  poloienii 
dargestellt  werden«.  Spiegelt  sich  nicht  der  deiaua  in  dieser  Zusammenstellung 
der  Bogurodzicastrophen  wieder  ?  Hierzu  kommt  noch  eines.  Der  Biograph  der 
heil.  Einga  berichtet  von  ihrer  Gewohnheit,  quod  ob  reverentiam  resurrectio- 
nis  dominicae  semper  die  dominico  primam  sororem,  quam  sibi  obviam  habuit 
(im  Sandezer  Eloster),  affabatur  ei,  dicens,  Surrezit  Christus  vere,  respondente 
sorore,  Vere  surrexit,  et  felix  domina  nimio  gaudio  respersa  sorori  osoulum 
affectuose  praebebat:  wer  erinnert  sich  da  nicht  des  Osterkusses  und  des  Yo 
istinu  voskrese  der  Russen,  mag  es  auch  nicht  jeden  Sonntag,  sondern  nur 
am  Ostersonntag  Statt  haben,  mag  auch  Fijalek  (S.  373}  für  ältere  Zeiten 
auch  in  der  römischen  Eirche  ähnlichen  Brauch  (auch  nur  für  den  Ostertag) 
belegen. 

Ich  nenne  dies  alles  russische  Reminiszenzen  oder  Einflüsse  oder  Muster, 
fOr  die  in  Eleinpolen  und  speziell  im  Elarissinenkloster  zu  Sandez  es  vollauf 
Gelegenheit  gab,  schon  durch  die  engen  Verwandtschaftsverhältnisse  der 
polnischen  und  Haliczer  Fürsten :  die  eigene  Schwester  der  heil.  Einga  war 
ja  Gemahlin  des  Haliczer  Lew  (Sohn  des  Danilo) ;  die  Tochter  dieses  Lew  ist 
ja  als  Elarissin  im  Eloster  ihrer  Tante  gestorben  (Swiatoslawa,  gest  1302; 
deren  Geschwister,  Jurij  u.  a.,  waren  polnisch  verheiratet,  und  Marja,  die 
Tochter  des  Jurij,  heiratete  wieder  einen  maso vischen  Fürsten) :  von  einem 
Glaubenshaß  kann  keine  Rede  sein  —  nicht  umsonst  kam  denn  auch  schließ- 
lich der  Masovier,  der  Sohn  der  Marja,  auf  den  Haliczer  Fürstenstuhl.  Also 
russische  Vorbilder  und  Muster  sind  für  Elinga  und  die  Bogurodzica  nicht  un- 
denkbar —  aber  ich  will  nicht  streiten,  vielleicht  sind  dies  nur  Irrlichter,  halt- 
lose Eombinationen. 

Auf  diese,  richtige  oder  unrichtige,  fedenfalls  ernste  und  gewissenhafte 
Studien  folgte,  wie  auf  die  Tragödie  das  Satyrspiel,  das  Buch  von  Dr.  W. 
Szc zurät,  Grunwaldska  pünia  (Bogurodzica),  pamiatka  zapadnoru&koi  lite- 
ratury  XIV  w.,  Zowkwa  1906,  52  S.  Sein  Verfasser  hatte  den  Gegenstand  in 
einem  Lemberger  Vortrag  behandelt;  ein  kurzer  Zeitungsbericht  (aus  dem 
Duo)  kam  mir  zu  Händen  und  darauf  erstattete  ich  eine  vorläufige  Anzeige 
im  Archiv  XXVÜI,  556;  ich  hatte  angenommen,  daß  der  Verf  in  jenen  Ge- 
dankenkreisen sich  bewegen  werde,  die  ich  oben  ausführte.  Statt  dessen  be- 
hauptete er,  der  älteste  Text  der  polnischen  Bogurodzica  wäre  nur  eine  skla- 
visch genaue  Transkription  des  originalen  russischen;  dieses  Original  ent- 
stamme dem  XrV.  Jahrb.,  weißrussischen  gebildeten  Ereisen  (es  wird  anf 


Bognrodiiea.,  anges.  von  Brückner.  129 

Poiozk  etwa  hingewiesen);  die  Polen  haben  das  nusische  Lied  dnrch  WJa- 
dyilaw  Jagello  nnd  seinen  mssischen  Hof,  namentlich  aber  erst  am  Tage  der 
Schlacht  von  Gmnwald-Tannenberg  (15.  Juli  1410),  recht  kennen  nnd  lieben 
gelernt;  erst  seitdem,  geweiht  förmlich  dnrch  den  Erfolg  dieses  Tages,  wäre 
dieser  rosaische  Text  polnisches  Eigentum  geworden. 

Papier  erträgt  geduldig  alles,  somit  auch  die  »Entdeckung«  des  Dr. 
Sxczurat;  ungewöhnlich  dabei  war  nur,  daß  wissenschaftlich  gebildete 
Klehinusen  sich  fangen  ließen;  Dr.  Eopacz  z.  B.,  ein  klassischer  Philologe, 
fragte  im  Ernst,  was  die  polnische  Wissenschaft  zu  dieser  »Sensationellen 
Behaiqitnng«  (Feuilleton  des  Dilo  1906)  sagen  werde  —  ich  gab  die  prompte 
Antwort  u.  d.  T.  »Die  Neueste  Mystifikation«  (im  Lemberger  Siowo);  ich  be- 
haadelte  die  Sache  nur  als  einen  yerfrtlhten  Fastnachtsscherz;  nach  gleichem 
Besepte  würde  bewiesen,  daß  auch  der  Pan  Tadeusz  aus  dem  Russischen 
fibersetzt  wäre.  Auf  diesen  Spott  reagierte  Szc zurät,  da  er  nichts  einzu- 
wenden hatte,  im  Duo  mit  Schimpfen  und  es  sekundierten  ihm  treulich  die 
»Hajdamaken«  (eine  andere  Zeitung,  »Mordbrenner«).  Ich  gab  nun  fürs  Archiv 
eaen  knappen  Bericht  darttber,  aber  ich  zog  ihn  zurück,  weil  er  sich  für 
Fernerstehende  als  zu  knapp  erwies,  und  trage  nun  die  Sache  etwas  ausführ- 
licher vor,  zumal  ich  hOre,  daß  Szcaurat  eine  Antwort  vorbereite;  so  werde 
ich  zu  ihm  nicht  mehr  zurückzukehren  brauchen. 

Das  Faktum  ist  folgendes:  die  polnische  Provenienz  resp.  Geltung  der 
Bognrodiica  ist  durch  Hunderte  von  Zeugnissen  und  Texten  vom  XV.— XX. 
Jahrh.  über  aJle  Zweifel  erwiesen;  für  die  russische  Provenienz  ist  auf  der 
guoen  Welt,  nie  und  nirgends,  auch  nur  der  Schatten  eines  Zeugnisses  oder 
Textes  aofnitreiben.  Durch  welche  Erfindungen  hat  nun  Szczurat  diese 
russische  Provenienz  möglich  machen  wollen? 

Ich  erwühne  zuerst  seine  historische  Erfindung,  obwohl  schon  ein  Klein- 
lOBse  selbst,  empört  über  die  »Methode«  Szczurats,  sie  beleuchtet  hat  (Bo- 
furodzic^  Dzewica  und  die  historischen  Folgerungen  des  Dr.  S.,  im  Interesse 
historisoker  Wahrheit,  von  B.  Barwinskij,  Lemberg  1906,  40  S.,  kl.-80). 
SKcsurat  konnte  nur  6in  einziges  historisches  »Zeugnis«  erfinden,  aus  dem 
Berichte  nSmlieh  Über  die  Grunwaldschlacht  des  Dhigosz.  Dhigosz  war  über 
den  Verlauf  des  Tages  auf  das  beste  unterrichtet;  sein  eigener  Vater  kämpfte 
ja  dort  mit  und  der  Mann,  als  dessen  Intimus  Dingosz  viele  Jahre  gelebt  und 
n  dessen  Auftrage  und  Sinn  er  seine  Geschichte  geschrieben  hat,  Olesnicki, 
wtr  eine  Hauptfigur  jenes  Tages,  stellte  er  sich  ja  vor  den  dort  bedrohten 
KOnig.  Die  Darstellung  des  Dlugosz  ist  eine  ausgezeichnete  und  als  solche 
von  aUen  Historikern  anerkannt  (vgl.  zuletzt  eine  Berliner  Doktordissertation 
von  1906  über  diesen  Tag,  die  Perlbach  in  der  Deutschen  Literaturzeitung 
lUsn  nngünsUg  beurteilt  hat).  Dhigosz  erzählt  nun :  Signis  canere  incipienti- 
Iras  regius  universus  exerciius  patrium  Carmen  Boga  Rodtieza  sonora  voce  voci- 
fentas  est,  deinde  hastis  vibratis  in  proelium  prorupit.  Sxereitus  tarnen  Li- 
thuametis . . .  prior  ad  congressum  venit  etc.  Wie  man  sich  aus  vielen  Stellen 
fibeizengen  kann,  versteht  Dhigosz  unter  dem  regius  exerciius  immer  nur  das 
polnische  Heer  (unter  Zyndram  von  Maszkowice  oder  unter  dem  KOnig 
lelbst);  das  litauisch-russische  Heer  nennt  er  dagegen  immer  exercitus  ducis 

inUT  ftr  sUTueh«  PUlologi«.    XUX.  9 


130  Eritisofaer  Anzeiger. 

Alexandri  oder  Withaadi  oder  lithaamcuB,  z.B.  (eine  Stelle  von  vielen): 
universus  regius  exereitue  Zindramo  ..  dirigente,  IMiumicus  vero  solo  dnce 
magno  Alexandro  ordinante  a.8.w. ;  exerciiuttmregis  et  c^uet«  Alexandri  scheidet 
er  immer.  Wenn  somit  DhigoBz  ansdrücklich  angibt,  daß  das  königliche  Heer 
die  Nationalhymne  Bogarodzica  sang,  aber  das  litanische  Heer  früher  angriff, 
so  kann  niemand  zweifeln,  daß  es  nnr  die  Polen  des  Königs  waren,  die  die 
Bogarodzica,  ihr  carmen  patriom,  sangen :  hätten  die  Polen  des  Königs  zn- 
sammen  mit  den  Bnssen  (Litauern,  Tataren)  des  Witowt  die  Bogorodzica)  ge- 
sungen, so  hätte  Dhigosz  gesagt:  exercitns  regius  et  lithnanicus  carmen  pa- 
trium  etc.,  was  ihm  nicht  im  Traume  eingefallen  ist;  dem  Dhigosz,  yergease 
man  nicht,  waren  ja  die  Schismatiker  und  Heiden  (Tataren)  ein  Gräuel,  ihm, 
dem  starrsten  Römling  des  XV.  Jahrh.  in  Polen.  Schon  am  9.  Juli,  als  zum 
ersten  Male  die  Fahnen  auf  preußischem  Boden  entfaltet  wurden,  hatte  ja  der 
universus  exercüus  patrium  carmen  Boga  Hodzicza  coepit  vociferari  —  auch 
hier  ist  unter  universus  exercitus  das  polnische  zu  verstehen,  wie  in  dem 
Kapitel  »von  der  Predigt  des  Plozker  E^schofs  an  die  Polen*  es  heißt:  epis- 
copus  sermonem  in  vtUgari  polonico  apud  Universum  exereüum  habnit;  vom 
patrium  carmen  brauchte  ja  Dhigosz  das  in  vulgari  polonico  nicht  anzuführen, 
weil  das  Zitat  Boga  R.  hinlänglich  über  die  Sprache  orientierte. 

Das  ist  somit  der  einzige  Beweis  des  Dr.  Szczurat  dafür,  daß  nicht 
die  Polen,  sondern  die  Russen  und  Tataren  und  heidnischen  Litauer,  denn 
aus  ihnen  bestand  ja  das  litauisch-russische  Heer,  die  Bogarodzica  als  ihr 
patrium  Carmen  angestimmt  haben!!  Er  nahm  einen  erlogenen  Bericht  aus 
der  Chronik  des  Bychowiec  (2.  Hälfte  des  XYI.  Jahrh.)  hinzu,  um  zu  beweisen, 
daß  die  Litauer  früher  angegriffen  haben  (aber  das  sagt  ja  schon  Dhigoss  aus- 
drücklich und  es  war  nicht  nötig,  die  Lügen  des  Bychowiec  dafür  aufzu- 
rühren!), folglich  auch  —  gesungen  haben ;  der  König  hörte  ja  die  Messe,  statt 
in  den  Ejunpf  zu  gehen  u.s.w.  Die  ganze  Mühe  Szczurats  mit  Bychowiec 
war  völlig  unnütz,  denn  Bychowiec  erzählt  ja  gar  nichts  von  dem  Liedsingen, 
worauf  allein  es  ankäme;  er  erzählt  nur,  daß  die  Litauer  zuerst  angegriffen 
haben  (wie  Dhigosz),  und  lügt  dann  auf  eigene  Faust  weiter.  Sollte  sich  je- 
mand daran  stoßen,  daß  ich  so  ungeniert  von  »Lügen«  des  Bychowiec  spreche 
(russische  Historiker  sprechen  bei  ihm  von  »Entstellungen  und  Erfindungen« 
—  mnoiestwo  legend  iskaiennych  wymyslami  sammelte  er,  sagte  Antono- 
wicz),  so  kann  ich  vieUeicht  sogar  den  Grund  angeben,  warum  »Bychowiec« 
die  ganze  Darstellung  (Fortsetzung  des  Kampf  berichtes]  erlogen  hat  Am 
Tage  von  Grunwald  nämlich  haben  die  Litauer-Russen  schrecklich  schlecht 
abgeschnitten :  wohl  griff  zuerst  ihr  Flügel  an,  aber  er  wurde  im  ersten  Anlauf 
so  von  dem  Ordensflügel  zersprengt,  daß  er  in  wildester  Auflösung  —  nnr 
300  Smolensker  schlugen  sich  zu  den  Polen  durch  —  geflohen  ist  bis  nach 
Litauen  hinein!  Diese  schmähliche  Flucht  der  Russen  an  dem  entscheidend- 
sten Tage  hat  man  in  Polen  nicht  vergessen.  Als  nun  eines  schönen  Tages, 
auf  dem  Reichsrat  von  1563,  der  Wojewode  von  Wilno,  Mikohy  Radziwü,  ein 
grimmer  Feind  der  Union,  wie  alle  litauische  Magnaten  (schon  weil  sie  den 
mittieren  und  kleinen  Adel  gegen  sie  aufkommen  ließ),  eine  seiner  hoch- 
trabenden Reden  hielt,  die  alte  Waffengenossenschaft  der  Polen  und  Litauer 


Bogurodziea,  angez.  von  Brückner.  131 

pries  und  sich  dafttr  anf  die  mittelalterliche  »preußische  Hymne«  berief^  wo 
es  heiße,  Htj  Polanie  z  Bogiem  na  nie  Bo  nam  Litwy  nü  doatanie  (Hei  Polen, 
mit  Gott  auf  den  Orden  los,  denn  schon  läßt  uns  Litauen  im  Stich),  da  warf 
ihm  mit  Becht  der  Krakauer  Kastellan,  Martin  Zborowski,  ein,  Ba,  Litwy  nie 
deglawa,  bo  hyla  ueieklal  Der  schmählich  blamierte  Wojewode  schimpfte  nun 
weidlich  auf  die  —  verlogenen  Historiker,  auf  den  Kromer!  aber  seitdem  hat 
er  die  »preußische  Hymne«  nie  wieder  zitiert  Das  verschnupfte  nun  stark  in 
Utanen,  diese  fatale  Erinnerung  an  die  schmähliche  Flucht,  und  darum  ist  im 
»Byohowiec«  das  Blaue  vom  Himmel  heruntergelogen  worden:  wie  die  Li- 
tauer allein  gekämpft,  die  meisten  Polen  nur  ganz  untätig  zugesehen  hätten 
1L8.W.  An  diese  Lügen  des  »Bychowiec«  hat  sich  nun  würdig  die  »Erfindung« 
des  Dr.  Saczuiat  angeschlossen. 

Ebenso  schön  wie  sein  historischer  Beweis  ist  sein  philologischer,  nur 
kami  ich  mich  hierbei  kürzer  fassen,  weil  hier  die  Verkehrtheit  rascher  zu 
greifen  ist  Der  polnische  Text  von  1410  ist  nach  ihm  wOrtlich  aus  dem  russi- 
schen abgeschrieben,  daher  sein  napUn  (erfülle)  aus  russ.  naplini  —  wie  reimt 
neh  damit,  daß  der  ganze  Text  das  reinste  Altpolnisch  bietet?  naplen  ist 
Sehreibfehler  für  napeln,  wie  es  in  diesem  Texte  auch  noch  andere  Schreib- 
fehler gibt,  z.  B.  eptDcsi  für  spttiei.  Noch  schtfner  ist  der  russische  Text  Szczu- 
rats:  er  bot  neben  einem  starren  kirchenslavischen  naphnh  (unmöglicher  Im- 
perativ, nebenbei  gesagt)  ein  hogurodzieoj  womit  der  intelligente,  d.  h.  kirchen- 
davisch  geschalte  Weißmsse  das  bog&rodice  ersetzt  hat:  sein  akanje  erklärt 
nämlich  das  n  für  e,  sein  dzekaiye  erklärt  das  dz  für  d,  and  das  ukanje  —  den 
Tenninns  setze  ich  hinzu  —  das  u  für  o ;  es  hat  somit  einen  (intelligenten) 
Weißrussen  im  XIV.  JahrL  geben  können,  der  statt  des  dogmatischen  Bogo- 
lodice  ein  bogurodzica  schreiben  konnte!  Genug  des  Unsinnes. 

leh  benutze  die  Gelegenheit,  um  etwas  zur  Sprache  zu  bringen,  was  der 
Bogorodzica  fem  liegt,  aber  fürs  Archiv  interessant  ist  Der  von  Szczurat 
>erfandene«  russische  Text  wimmelt  nämlich  trotz  aller  Präparierung  von 
Polonismen  gröbster  Art  (im  XIV.  Jahrb.,  in  Polozk,  wohin  noch  nichts  pol- 
idsehes  damals  gedrangen  war!)  und  Szczurat  ging  auf  die  Suche  nach  einem 
rassischen  Text,  der  auch  solche  Polonismen  [matkof  przebyt  Weilen  u.  a.)  ent- 
halten würde,  ohne  die  sich  seine  »Erfindung«  nicht  halten  könnte.  Er  fand 
wirklich  einen  solchen  Text  —  die  Dreikönigslegende,  die  »weißrussische« ; 
er  verschwieg  aber  wohlweislich  seinen  unkritischen  Lesern,  daß  diese  Le- 
gende aus  dem  Anfange  des  XVI.  (oder  Ende  des  XV.)  Jahrh.  nur  eine  wört- 
liche Abschrift  aus  dem  Polnischen  darstellt,  somit  für  einen  Polozker  Text 
des  XIV.  Jahrh.  gar  nicht  verwendet  werden  darf.  Dazu  will  ich  nun  eine  Be- 
merkong  machen. 

Bekanntlich  ist  die  »weißrussische«  Handschrift  (Petersburg,  Öff.  Bibl, 
Slavisch  Quarte  I,  Nr.  391)  unlängst  herausgegeben,  ihre  »Strasti  Christowy« 
TOB  Tupikow-SobolewskiJ,  1901,  ihre  »Powiesf  o  trech  korolach-wol- 
chwach«  von  Peretc  1903  (Nr.  140  and  150  der  Pamiatniki  des  OLDP);  ihre 
Alexioslegende ,  Schluß  der  Handschrift,  hatte  schon  Wladimirow  im 
älNP.  1887,  Oktober,  abgedruckt  Ober  die  Sprache  der  Handschrift  han- 
delte £.  Karskij  in  den  Izwiestija  etc.  1897  (11),  4,  S.  964—1036;  leider  ist 

9* 


152  Kritischer  Anzeiger. 

seine  Abhandlung  nnvollstiindig,  sie  überging  das  interessanteste  and  ent- 
scheidendste. Karskij  konnte  sich  kein  ürteU  über  die  Provenienz  des  weiß- 
mssischen  Textes  formnlieren ;  S.  994  kam  er  zn  der  Folgerung,  daß  derselbe 
direkt  aus  dem  Lateinischen  übersetzt  ist  von  einem  Weißrussen,  der  auch 
polnisch  gut  kannte  (daher  die  Polonismen)  —  könnte  man  nicht  dasselbe  von 
dem  Strasti  annehmen,  ja  vielleicht  seien  diese  letzteren  gar  nicht  ttbersetst, 
sondern  (fremden  Vorlagen)  frei  nacherzählt  Man  kann  nun  nachweisen,  daß 
der  Text  (aller  drei  Schriften!)  wörtlich  aus  poln.  Vorlagen  umgesetzt  ist  — 
man  liest  ja  in  der  Dreikönigslegende :  ropa  . . .  cRaj^aMH  h  suwjim  h  xep&BBßM'B 
yKpameHa,  sbiwjiH  ist  natürlich  poln.  zyoliy  d.  h.  zioiy !  Hierher  gehören  natür- 
lich auch  die  vielen  cexl  =  genie,  bhubo^'l  neben  BEHBemro,  b'&  wn'BueBaRYio, 
Hft  oÖBi^aH  H  ysApacB  (poln.  wtdraz)^  Axi»  oiuaBHTe  RpoB&  lULua  (opimoitU  ist 
mißverstandenes  poln.  ophoicie^  op^awifost'  auch  in  der  Alexiuslegende) ;  cb 
qacTKOM'B  cBOHMi»  noTOBfL  öyAymHM'B  ist  nur  mißverstandenes  poln.  2  Bxczqikiem 
(d.  i.  HcvaAie,  Geschlecht,  Nachkommen!),  cl  npHxqeH  (z  przydcze^  zufällig, 
przydeza  =  casus);  das  interessanteste  Wort  des  Textes  ist  oycTBiTi»  co;  es 
fehlt,  wie  so  vieles  andere,  im  Glossar,  es  ist  polnisches,  außerordentlich  sel- 
tenes uic%6  sif  glänzen;  xo  BAXHa  und  der  Fluß  epffanx  ist  Vlenne  und  die 
Rhone;  nicht  klar  ist  mir  me6oyHKH  errores,  ist  das  ein  russisches  Wort  (ma- 
öyHiTB  HajTb  KiMi  sich  über  einen  lustig  machen,  groi^rnss.)  oder  ein  polni- 
sches Wort,  vgl.  bei  Zbylitowski  Piotr,  Schadzka  ziemia^ska  vom  J.  1605,  stoe 
ghtpie  szebinki  (szyhinkowad  kommt  in  der  letzten  russischen  Beichstagsrede, 
des  J.  Mieleszko  1589,  vor,  die  ich  indeß  nur  für  ein  Pamphlet  auf  den  würdi- 
gen Kastellan  halte).  Beachtenswert  ist  der  Gebrauch  von  saroro  alsbald;  ein- 
mal saxoro  a6o  Harjii,  die  polnischen  Texte  der  ersten  Hälfte  des  XVI.  Jahrh. 
(Handschrift  des  Laurentius  1544,  Terentius  von  1545  u.a.)  kennen  dieses 
zatego  sehr  gut  (ich  fand  es  auch  in  einem  Jesuitenpasquill  gegen  die  Wilnoer 
Lutheraner  von  1642,  weißrussisch).  Daß  in  diesen  weißrussischen  Texten 
einzelne  lateinische  Wörter  und  Phrasen  stehen,  item,  deus  in  adiutorium,  in 
hisioriia  achohutieis  (bei  Karskij  fehlt  z.  B.  deta,  d.  i.  diaeta  u.  a.),  beweist 
nichts,  findet  sich  ebenso  in  den  polnischen  Übersetzungen,  z.  B.  im  Leben 
Alexanders  von  1509,  bei  Laurentius  1544  u.s.w. 

Wenn  ich  so  gegen  Karskij  die  polnische  Vorlage  aller  drei  weiß- 
russischen Texte  betone,  so  hat  dies  einen  guten  Grund :  es  ist  uns  nämlich 
keine  dieser  Vorlagen  selbst  erhalten :  die  Passion  und  DreikOnig^legende  in 
der  Handschrift  des  Laurentius  vom  J.  1544  (also  dieselbe  Zusammensetzung, 
wie  in  der  weißrussischen!),  der  Druck  des  Alexius  vom  J.  1529  sind  nämlich 
ganz  abweichende  Texte ;  wir  erschließen  somit  aus  der  weißrussischen  Trans- 
skription drei  neue,  unbekannte  polnische  Texte,  d.  i.  eine  nicht  ganz  un- 
wesentliche Bereicherung  des  handschriftlichen  Materials,  das  reicher  war,  als 
unsere  Bestände  es  ahnen  lassen;  diese  Bestände  sind  furchtbar  dezimiert 
weil  die  polnische  Handschrift  nicht  für  Kloster  oder  Kollegium,  wo  Latein 
herrschte,  sondern  für  den  Privatmann  bestimmt  war  und  mit  den  Privat- 
wohnungen, die  in  regelmäßigen  Intervallen  abbrannten  (die  Italiener  behaup- 
teten, daß  die  Polen  sich  darum  keine  Möbel  anschafften),  in  Rauch  und  Flam- 
men aufgehen  mußte. 


Bognrodzics,  aiiges.  von  Brückner.  133 

Einzelne  Erklftningen  im  Glossar  des  Earskij  sind  anrichtig,  z.  B.  es 
heifit  nicht  pachaii :  na  ryterttwo  pasmU'j  sondern  es  ist  poln.  pasmaa^;  nicht 
p^roewnietku,  sondern  po  ruezniczku  aibo  szirinee  Htndtach;  es  fehlen  die  so 
charakteriBtischen  manieUtwOy  poctliwe  ehibtLi,jego  poda^dkow  Mo  Mczodkaw^ 
czetfnei  Mo  zakamieiy  nnklar  ist  mir :  (die  drei  Einige)  zagudÜi  i  uzgordieliy 
▼gl.  wzgtdeny  despecti. 

GrOßeresMißgeschick  traf  Earskij  bei  der  Herausgabe  eines  anderen 
weißmasiachen  Textes,  von  den  Sybillen  (Zapadnorosskoje  skazanije  o  Si- 
wille  proroczicie,  Warschau  1898),  ans  derselben  GräfLErasi^skischen  Hand- 
schrift in  Warschan,  wo  ich  den  »Tnndalns«  n.  a.  gefonden  hatte ;  er  stellt 
Betrachtungen  ttber  Ursprung  und  Bestandteile  dieser  kleinen  ErzUhlung  an 
and  gelangt  auf  Grund  der  Sprache  zu  der  Annahme  (S.  21],  daß  der  Weiß- 
maae  ein  sttdslavisches  Original  der  ganzen  Erzählung  oder  ihrer  Teile 
gehabt  hat,  oder,  falls  er  selbst  der  Verfasser  wäre,  auch  südslavische  Vor- 
lagen dabei  benutzt  hatte. 

Die  weißruBsische  »Sibille«  ist  dagegen  eine  wörtliche  Übersetzung 
aus  der  böhmischen  Sibylle  (in  einer  Hdschr.  des  Ossolineums  in  Lemberg, 
f.  55  b — 71;  Abschrift  der  ganzen  Hdschr.  ist  auch  im  Böhmischen  Museum), 
und  insofern  ist  dies  interessant,  weil  ja  die  Zahl  der  russischen  Übersetzungen 
direkt  aus  dem  Böhmischen  (Bruncwik  u.  a.)  unbedeutend  ist.  Der  böhmische 
Proeatext  deutet  auf  Auflösung  einer  gereimten  Vorlage.  Anfang:  Toho 
ezaaä  zamudreho  krale  Ssalomuna  biesse  prorokynie  hwiezdarzka  g^enem 
Sybilla  A  ta  biesse  przewelmi  mudra  ze  na  hwiezdacb  mnohe  wiecy  wbudu- 
czych  czasiech  przedzwiediela  przes  mnoho  tisicze  let  czo  se  wzemiech  stati 
ma  A  biesse  kraana  y  bohata  Ale  to  gy  sskodiesse  ze  gednu  nohu  ku  podo- 
benatwi  husie  nohy  gmiegiesse  A  zato  se  welmi  stydiesse  A  poto  gest  natee 
noze  atala  y  chodila  yako  y  gyni  lide  nazemi  b=  Togo  czasu  aa  mudrogo  ce- 
saija  Salomona  biejasze  proroczica  zwiezdarka  imenem  Siwilla  a  ta  biejasze 
welmi  mudra  iie  w  zwiezdach  mnogyi  weszczi  w  buduszczich  reczach  prowi- 
diela  preie  mnogych  tysiaszcz  liet,  czto  sia  w  zemlach  stati  majet\  ta  jej  mu- 
droat' jest'  ot  Boga  dana,  i  zniyema  biejase  i  bjasze  krasna  a  bogata,  ale  jedinu 
nogn  k  podobenstwu  gusinu  nogu  miela  i  za  tu  sia  welmi  smuszczasze  a  pro- 
toi  na  nej  stojala  i  chodüa  te2  i  jakoito  i  inyi  ludi  stojat  abo  chodiat. 

Dieselbe  wörtliche,  womöglich  noch  genauere  Übereinstimmung  herrscht 
nun  weiter,  auch  dieselbe  falsche  Datierung,  1400  und  1471,  statt  1300  und 
1371,  denn  es  wird  geweissagt  von  den  Eämpfen  zwischen  den  deutschen 
Eaiaem  Albrecht  und  Adolf,  Ludwig  und  Friedrich,  auf  die  dann,  nach  Lud- 
wig, Eaiser  Earl  folgen  wird  und  mit  ihm  große  Not  und  Niedertracht,  Hoffart 
und  Bedrückung  einziehen  werden  (es  entstand  somit  die  Urschrift  kurz  nach 
1371,  nicht  am  Vorabend  der  Reformation,  wie  Earskij  annahm).  Der  weiß- 
rassische  Text  hat  mehrfach  verstümmelte  Zeilen,  die  sich  aus  dem  böhmischen 
ohne  weiteres  ergänzen,  so  Zeile  149  f. :  i  dla  togo  rana  ot  boga  pos^ana  budet 
ot  neb  . . .  tr  go)od,  gradobitie,  ne  pocza  . . .  potopy  a  wody  »=  a  protoi  bude 
nanie  rana  odboha  poriana  wietr  krupy  hromobitie  nepoczasie  zemie  trzesenie 
potopy  a  wody;  Zeile  173—176:  budet  rozlicz . . .  kroi  a  tak  budut  ludie  s  . . . 
boi  welikij  a  budut  malo  dber . . .  wczenie  =  bude  rozlicznych  falduow  krog 


134  KritiBcher  Anzeiger. 

atak  wegda  lide  sepanem  bohem  yweliky  bog  a  malo  badn  dbati  na  knieasske 
kazanie ;  Zeile  200  f.:  tak  i^e  bndnt  swar  meH  ierei  papeM  i . . .  rohi  i  episkopy 
i  proczimi  erei . . .  teli  swieta  togo  i  srebra . .'. .  i  badef  wiaazcze  chotieti  i  ie- 
dati  bölBzego  dostoinatwa  «=  tak  ie  bade  swar  mezy  popy  a  Imiezymi  a  bi- 
Bknpy  magyli  aneb  mieti  badn  co  kterzy  czti  kazdy  znich  bade  wieczie  cati 
zadati  a  wieczieho  dnostogenstwie;  ZeUe  225  f.:  jegda  biesi  vozneant*  anti- 
christa  k  nebn  . . .  aki  Boknuzit  jego  ognem  dolow  n  dnohom  . . .  iapodniago 
ada  a  tarn  oBtanet . . .  wieka  «=  kdyi  diablowe  wznesn  Antikrysta  knebi  po- 
doblaki  swn  mocy  srazy  gey  dolnow  ohniem  apowietizym  az  dokromta  peUa 
A  tarn  masy  zaoBtati  alaczyperem  nawieky  wieknow  bezkonce. 

Abgesehen  von  einigen  nnbedentenden  UmBtellnngen,  findet  sich  im 
weißraBBischen  Texte  eine  größere  Lücke  wegen  der  Lttcke  in  der  böhmisohen 
Vorlage  oder  weil  der  scharfe  antiklerikale  GeiBt  der  Stelle  bei  dem  Rassen 
Bedenken  erregte,  während  er  natürlich  dem  Ver&sser  im  XIV.  Jahrh.,  dem 
reformfreandUchen,  von  Herzen  kam.  Nachdem  über  die  Verwilderang  der 
hab-  and  herrschgierigen  Geistlichkeit  die  Rede  war,  wie  sie  deshalb  Ton  den 
Laien  gestraft  worden,  heißt  es  (nach  Zeile  213):  A  to  bade  tak,  ai  do  ged- 
noho  czasn,  az  nanie  panbaoh  dopasti  mnoho  zleho  tak  ze  gych  zlost  agych 
hrziechowe  bnda  ohlasseni  wssy  krzestianske  rzyssy  a  bnda  rozehnani  a  shla- 
zeni  takmierz  wssyczkni  znich,  ze  ledwa  siedma  czastka  znostane  gych.  Bnda 
take  zbiti  a  spaleni  a  drazy  zmorzeni  a  tak  bade  se  przyblüowati  den  sadny. 
A  krzestianska  wiera  bade  wehni  vmdlena  a  skrze  to  welmi  smnczena  a  gedwa 
bade  miesto  knieze  czlowieka  mlawiti  hodno  a  ktomn  gest  gyz  dobrze  po- 
dobno.  Sybilla  powiediela:  Gesstie  sem  wiece  widiela,  co  se  stati  ma,  kdyz 
gyne  wsse  skryto  bade.  Tehdy  Antikryst  narozen  bade.  Kkral  opiet  wece: 
Sybilla,  prosym  tebe  pro  dobre  towarzystwie,  ne  przykrywag  tagemstwie,  po- 
wiez,  kdy  ta  zla  leta  hladna  a  sskodliwa  lidem  minn  A  gesstieli  se  kdy  stnha 
to  gest  zialosti  pomina.  Sybilla  wecze:  kdyz  se  lide  kboha  lepssyti  bnda, 
Tehdy  panbaoh  nebesky  ytiessy  swaoy  lid  krzestianBky  y  wywoli  sobie  ged- 
noho  krale  A  tomy  bade  firydrych  gmeno.  Ten  shromazdi  pozemiech  lida 
mnoho  lurzestianskeho  A  snimi  gezdie  rozmno^owati  bade  krzestianska  wieni 
y  dobade  hroba  bozieho  A  ta  stogy  geden  ström  przed  Gerazalemem  welmi 
weliky  A  ten  nema  listie,  ale  tak  stogy  holy.  A  tak  ma  hol  stati  az  prawie  do 
toho  czasn,  az  cziesarz  frydrych  przygede  a  polozy  se  vtoho  stroma  anatom 
stroma  sstit  swaoy  powiesy  Tak  yhned  list  ponese  a  zase  dobra  leta  naatann 
a  krzestane  zase  wzhnora  powstann,  ale  wiera  zydowska  wsseczka  zahyne 
agych  nadiege  wsseczka  pomine  a  nwierzle  wpana  krysta  zzydaow  yzpoha- 
naow  mnoho  wiece  a  kazdy  maoze  mi  dobrze  wierzjrti  toho,  ie  to  panbaoh 
dopastiti  raczy  naprawe  ynaneprawe  spola.  Jetzt  setzt  die  neae  Frage  Salo- 
mons  (Z.  213)  ein.  Es  verdient  Anerkennang,  daß  der  weißrassische  Text 
wirklich  recht  saaber  and  sorgfältig  übersetzt  ist,  mütemy  wird  z.  B.  doreh 
uczüelnyj  wiedergegeben  n.  dgL 

Doch  kehre  ich  von  dieser  Abschweifang  noch  einmal  zn  Szczarat  za- 
rUck.  Wir  haben  seine  historischen  and  philologischen  Fehlgriffe  bereits  be- 
wandert and  geben  noch  einen  logischen  znm  besten.  Den  Einwarf,  daß  den 
vielen  polnischen  Texten  der  Bognrodzica  kein  einziger  rassischer  gegenüber- 


Bogmodzica,  angez.  von  Brückner.  185 

stehe,  beantwortet  er  so :  die  Weißnusen  brauchten  keine  Texte,  weU  sie  die 
BogoTodzica  auswendig  kannten,  weil  sie  bei  ihnen  populär  war  (gerade  po- 
puläre Sachen  kommen  ja  in  Handschriften !),  den  Polen  war  die  Bognrodzica 
exotisch  (das  sind  nicht  meine,  sondern  Szczorats  Worte),  sie  mußten  sie 
sich  daher  so  oft  abschreiben.  So  setzte  sich  Szczurat  selbst  die  Narrenkappe 
auf  und  wir  belassen  sie  ihm.  Beinahe  hätte  ich  vergessen,  daß  er  seinem 
>konBtruktiven«  Teil  einen  »kritischen«  vorausgeschickt  hat:  nach  den  Pro- 
ben, wie  er  mit  Logik  und  Tatsachen  umspringt,  wäre  es  unverzeihlich,  ihn 
ernst  zu  nehmen. 

Berlin,  27.  3. 1907.  A.  Brückner. 


Slovenskä  reS  ajej  miesto  v  rodine  slovansk^ch  Jazykov  (Die  slova- 

kisehe  Sprache  und  ihr  Platz  in  der  slavischen  Sprachenfamilie). 

Pr&ca  dra  SamaCzambela.  I.  oddelenie:  Osnovy  a  inj  materidl 

reiavj  (Sprachproben  und  anderes  sprachliche  Material).   (1.  6i- 

astka:    Vjchodnoalovemki  ndreSie,)    (1.  Teil:  Der  ostslovakische 

Dialekt.)  NÄkladom  vlastn^m.  Y  Tur6ianskom  Sv.  Martina  r.  1906. 

624  S.  in  8». 

Nach  den  Andeutungen  auf  dem  Titel-  und  Umschlagsblatte  ist  der  vor- 
liegende, stattliche  Band  der  Anfang  eines  groß  angelegten,  systematischen 
Werkes,  in  welchem  der  Verfasser  zu  bieten  verspricht:  I.  Sprachproben 
(wohl  aus  dem  ganzen  Gebiet  der  slovakischen  Sprache  in  Ungarn).  II.  Gram- 
matische und  ni.  lexikalische  Analyse  derselben.  IV.  Eine  eingehende  Er- 
örterung über  die  Frage,  welchen  Platz  die  slovakische  Sprache  in  der  slavi- 
schen Sprachenfamilie  einnimmt  Der  eben  erschienene  Band  ist  nur  der  erste 
Teil  der  ersten  Abteilung.  Nach  dem  angedeuteten  Plane  bringt  er  Sprach- 
proben aus  dem  ostslovakischen  Gebiet,  das  ist  aus  den  nordöstlichen  unga- 
rischen Gespann8chaften(Eomitaten):  Zips  (Spi6,  Szepes),  Sarüü  (Siros),  Abauj- 
Toma,  Zemplin  (Zempl^n)  und  Ung  (S.  209—476).  Diese  reichhaltigen,  pro- 
saischen Sprachproben  (zumeist  Märchen  und  sonstige  volkstümliche  Er- 
sahlungen) bilden  den  Kern  des  Buches.  Doch  bringt  auch  die  ausführliche 
Einleitung,  welche  unter  dem  Titel  »Allgemeine  Kenntnisse«  vorausgeschickt 
wird,  beachtenswerte  Mitteilungen  und  Erörterungen.  Die  topographischen 
und  historischen  Darlegungen  sind  allerdings  nur  Zitate  aus  der  einschlägigen 
Literatur;  angesichts  des  Umstandes,  daß  diese  mannigfachen  Beitiäge  nicht 
leicht  zugänglich  smd,  darf  auch  diese  Zusammenstellung  einen  gewissen 
Wert  in  Anspruch  nehmen.  Freilich  hätte  der  Verfasser  an  den  zitierten,  oft 
wenig  begründeten  Ansichten  mehr  Kritik  üben  sollen.  Was  z.  B.  J.Z&borsk^ 
Ober  den  Ursprung  der  ostslovakischen  Mundart  dachte  und  schrieb,  darf 
denn  doch  nicht  stillschweigend  hingenommen  und  wiederholt  werden.  Die 
Eigebnisse  der  historischen  Forschung  sind  überhaupt  nur  für  die  Zipser 
Landschaft  etwas  reichlicher.  Die  hauptsächlichste  Quelle  des  Verfassers  ist 
hier  Josef  Hradszky,  welcher  mehrere  wertvolle  Beiträge  zur  inneren  Ge- 


1 36  Kritischer  Anzeiger. 

schichte  der  Zips  lieferte  (1885, 1887,  1895)  nnd  die  Meinung  vertrat,  daß  die 
Zipser  Landschaft  ursprünglich,  das  heißt  vor  der  Ankunft  der  Magyaren, 
kirchlich  nnd  politisch  zu  Polen  gehörte  nnd  daß  dies  noch  zn  Ende  des  XIII. 
Jahrh.  von  einem  Teile  der  Zips  titelte.  Über  die  lUtere  Geschichte  der  wei- 
teren östlichen  Gespannschaft;en  Sarid,  Zemplin  u.s.w.,  liegen  Shnliche  Ar- 
beiten nicht  vor.  Dieser  Mangel  an  verläßlichen  historischen  Nachrichten  ist 
deshalb  ftUilbar,  weil  die  gegenwärtigen  ethnographischen  Verhältnisse  sehr 
mannigfach  sind.  Doch  haben  wir  bereits  auf  dem  Boden  der  Zips  alle  £le- 
mente,  ans  denen  sich  die  Bevölkerung  des  ostslovakischen  Gebietes  zusam- 
mensetzt: Slovaken,  Polen,  Ruthenen,  Deutsche  und  (in  neuerer  Zeit)  auch 
Magyaren.  Es  ist  augenscheinlich,  daß  hier  im  Laufe  der  Jahrhunderte  eine 
vielfache  Kolonisation  stattgefunden  hat.  Eine  genaue  und  aktenmäßig  be- 
glaubigte Geschichte  dieser  Kolonisation  wäre  höchst  wünschenswert  und 
böte  auch  fttr  die  Erkenntnis  der  dialektischen  Entwicklung  wichtige  An- 
haltspunkte. Indessen  sind  schon  die  bisher  gewonnenen  Resultate  wichtig 
und  können  als  Basis  für  das  weitere  Ostgebiet  genommen  werden.  Bei  einer 
kurzen  Obersicht  dürfte  es  sich  empfehlen,  bei  dem  jüngsten  Elemente  den 
Anfang  zu  machen.  Und  das  sind  wohl  die  Magyaren.  Gegenwärtig  gibt  es 
auf  dem  ganzen  ostslovakischen  Sprachgebiet  keine  magyarische  Ortschaft. 
Der  Verfasser  nimmt  zwar  an,  daß  es  im  XIIL  Jahrh.  in  der  Zips,  im  Sarid 
und  auch  Abauj  eine  magyarische  Einwohnerschaft  gab;  es  ist  jedoch  zweifel- 
haft, ob  Namen  von  Amtspersonen  und  Ortschaften,  welche  in  öffentlichen 
Urkunden  (aus  dem  Xin.  Jahrh.)  vorkommen,  geeignet  sind,  das  Vorhanden- 
sein einer  kompakteren  magyarischen  Einwohnerschaft  zu  beweisen.  Ich 
halte  diese  Beweise  ftlr  unzureichend.  Höchst  wichtig  war  die  deutsche  Kolo- 
nisation, die  von  den  ungarischen  Königen  im  XIL  Jahrh.  eingeleitet  und  dann 
besonders  im  XUI.  Jahrh.  gefördert  wurde.  Die  Nachkommen  dieser  deut- 
schen Kolonisten  haben  sich  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten.  Doch  läßt 
sich  nicht  behaupten,  daß  ihre  Sprache  irgend  einen  Einfluß  auf  die  einheimi- 
schen slavischen  Dialekte  ausgeübt  hat  Von  den  Slaven  der  Zips  scheinen 
die  Kleinrussen  die  spätesten  Ansiedler  zu  sein.  Aus  den  sorgfältigen  Be- 
obachtungen St  MiMks  ergibt  sich,  daß  keine  der  kleinrussischen  Gemeinden 
vor  dem  XIV.  Jahrh.  erwähnt  wird.  Und  da  diese  Gemeinden  noch  heutzu- 
tage in  den  unzugänglichsten  und  unfruchtbarsten  Gegenden  der  Zips  liegen, 
so  ist  wohl  an  ihrer  späteren  Entstehung  nicht  zu  zweifeln.  Und  ähnlich  mag 
es  auch  in  den  südlichen  und  westlichen  Teilen  des  äarii&er  Komitats  der 
Fall  sein.  Im  Norden  und  Nordosten  des  äari&er  und  Zempliner  Komitats  be- 
ginnt jedoch  schon  eine  kompakte  kleinrussische  Bevölkemngsschichte,  die 
mit  Galizien  zusammenhängt.  Hier  handelt  es  sich  um  eine  Überflutung  von 
Norden  aus,  Über  deren  Anfang  die  Meinungen  geteilt  sind.  Doch  beschäftigt 
diese  Frage  den  Verfosser  nur  nebenher.  Viel  mehr  Aufmerksamkeit  widmet 
er  den  beiden  andern  slavischen  Volkselementen,  dem  polnischen  und  slova- 
kischen,  welche  namentlich  auf  dem  Boden  der  Zips  als  die  ältesten  Bewohner 
anzusehen  sind.  In  bezug  auf  ihr  gegenseitiges  Verhältnis  stellt  der  Verfasser 
den  Satz  auf,  daß  die  ursprünglichen  slavischen  Bewohner  des  Gebietes  bis 
zum  Flusse  Topla  im  äari&er  Komitat  —  und  das  ist  das  Gebiet  seines  reinen 


Czambel,  Die  slovakiBche  Sprache,  angez.  von  Pastrnek.  1 37 

ostBloYakiflchen  Dialektes  (üzemie  Tychodo-sloyeiuik^ho  nireftia  samosyojho) 
—  Polen  waren  (29).  Danach  müßte  man  annehmen,  daß  die  heutigen  Sloya- 
ken  der  Komitate  Zips,  äarlB  nnd  Abai^-Toma  eigentlich  Blovakisierte  Polen 
seien  nnd  daß  auf  diese  Weise  ihr  eigenartiger  Dialekt  entstanden  sei.  Doch 
wie  ist  68  möglich,  eine  so  umfangreiche  Slovakisierung  —  es  wäre  dies  der 
größte  Teil  der  ostslovakischen  Gemeinden  nnd  Ortschaften,  deren  Zahl  der 
Verfasser  mit  679  nnd  einer  Einwohnerschaft  von  387.000  angibt  (56)  —  ohne 
eine  starke  sloyakische  Stammbevölkernng,  durch  den  bloßen  Einfluß  von 
oben  (29)  anzunehmen?  Und  dabei  nimmt  der  Verf.  an,  daß  sich  die  Sprache 
dieser  östlichen  Slovaken  ganz  abgesondert  von  ihren  westlichen  Stammes- 
genossen und  durchaus  selbständig  entwickelt  hat  (50).  Solche  nnd  ähnliche 
Sätze  sind  eben  nur  Reflexe  der  wohlbekannten  Tendenzen  der  ungarischen 
Regierung,  welche  diese  östlichen  Slovaken  stets  als  etwas  besonderes  an- 
zusehen pflegt  und  unter  ihnen  Schul-  und  Volksbücher,  ja  auch  Zeitungen  in 
ihrem  Dialekte  verbreiten  läßt.  Im  Dienste  der  ungarischen  Regierung  steht 
bekanntlich  auch  der  Verf.  und  seine  der  slovakischen  Sprache  gewidmeten 
Werke  haben  auch  die  Aufgabe,  den  Regierungstendenzen  eine  Art  wissen- 
schaftlichen Mantel  umzuhängen.  Von  diesem  Standpunkte  sind  die  eben  an- 
geführten Sätze  und  viele  andere,  z.  B.  die  auf  S.  107 — 109  ausgesprochenen, 
zu  beurteilen.  Von  solchen  Nebentendenzen,  welche  die  sonst  so  verdienst- 
vollen Leistungen  des  Verf.  verunzieren,  wollen  wir  absehen  und  uns  wieder 
demjenigen  zuwenden,  was  als  wertvoller  Beitrag  anzusehen  ist.  Das  ist  ins- 
besondere die  genaue  Feststellung  und  namentliche  Anführung  der  Ortschaf- 
ten, welche  von  den  einzelnen  Volksstämmen  bewohnt  werden.  Der  Wert 
dieser  neuen,  zumeist  an  Ort  und  Stelle  durchgeführten  Feststellung  erhellt 
am  besten  daraus,  daß  Prof.  Niederle  seine  im  J.  19o3  in  Prag  herausgegebene 
»Karodopisn&  mapa  uhersk;^ch  SlovÄku«  darnach  berichtigt  und  umgearbeitet 
hat  (Neue  Aufl.,  Prag  19üß.)  Lehrreich  ist  feiner,  was  der  Verf.  über  den  Ein- 
fluß der  Ejrche  auf  die  Sprache  der  Slovaken  anführt  Natürlich  ist  es  überall 
die  Hagyarisation,  die  mit  allen  Mitteln  des  Staates  und  der  kirchlichen  Hie- 
rarchie durchgeführt  wird.  Am  schlimmsten  ergeht  es  dem  kleinen  Häuflein 
der  slovakischen  Ealvinisten  (0  Gemeinden  mit  mehr  als  500/o,  24  mit  wenig- 
stens 200/o  slovakischen  Einwohnern],  denen  die  kirchliche  Obrigkeit  in  Un- 
garn überhaupt  keine  Gesangsbücher  in  ihrer  Sprache  mehr  herausgibt  Der 
Verf.  findet  keine  Worte  der  Mißbilligung  über  dieses  Vorgehen,  sondern 
trGstet  sich  damit,  daß  die  slovakischen  Kalviner  noch  nicht  so  weit  seien,  wo 
sie  ihre  kirchliche  Obrigkeit  haben  mOchte,  d.  h.  daß  sie  noch  lange  nicht 
magyarisiert  seien.  Nicht  weniger  beklagenswert  sind  die  Verhältnisse  in  den 
andern  kirchlichen  Genossenschaften.  Lutherische  Gemeinden  mit  slovaki- 
seher  Majorität  gibt  es  42,  mit  wenigstens  200/o  slov.  Bevölkerung  61.  Über 
die  kirchliche  Sprache  derselben  sagt  der  Verf.:  »In  welchen  Kirchen  beim 
Gottesdienste  die  slavische  Sprache  eingeführt  war  und  noch  ist,  dort  bedient 
man  sich  böhmischer  Kirchenbücher.  Von  den  Kanzeln  herab  predigt  man  in 
einem  regeUosen  Sprachgemisch,  welches  sich  nach  dem  Geschmack,  der 
Gelehrsamkeit  und  den  sprachlichen  Kenntnissen  des  Predigers  richtete  (138). 
Am  sudilreichsten  sind  auf  dem  ostslovakischen  Gebiet  die  Römisch-Katholl- 


138  Kritischer  Anzeiger. 

sehen;  in  429  Gemeinden  bilden  sie  die  Majorit&t,  in  176  Gemeinden  wenig- 
stens 200/o  der  BevOlkening.  In  welchem  Umfange  von  den  Behörden  die 
Volkssprache  zugelassen  wird,  beschreibt  der  Verf.  nicht  näher.  Doch  ist  es 
interessant,  was  in  Beziehung  anf  die  Verbreitung  der  böhmischen  Sprache  In 
der  Kirche  hervorgehoben  wird:  »Daß  sich  die  Lutherischen  in  ihren  Kirchen 
der  böhm.  Sprache  bedienen,  das  weiß  jeder;  daß  die  Sprache  der  rOm.-kath. 
Predigten,  obwohl  äußerst  verdorben,  auf  der  bOhm.  Sprache  begründet  ist, 
auch  das  kann  ein  jeder  wissen ;  kaum  jemand  weiß  jedoch,  daß  auch  die 
Kalvinisten,  obgleich  sie  in  ihren  Büchern  ihre  eigene  Sprache  (ihren  eigenen 
ostslovakischen  Dialekt)  haben,  sich  an  die  böhm.  Sprache  anlehnen«  (143). 
Endlich  gibt  es  bekanntlich  unter  den  Ostlichen  Slovaken  eine  nicht  unbe- 
trächtliche Zahl  von  griechisch-katholischen  Bekennem  (Unierten).  Sie 
leben  (nach  der  Zählung  des  Verf)  in  215  Gemeinden,  in  91  Gemeinden  bil- 
den sie  die  Mehrheit  der  Bevölkerung,  in  124  Gemeinden  wenigstens 
2(K>/o.  Beim  Gottesdienste  bedienen  sie  sich  der  kirchenslavischen  Sprache 
(natfirUch  in  russischer  Redaktion).  Diese  Slovaken  sind  wohl  insgesamt  slo- 
vakisierte  Russen  (EJeinrussen).  Ihre  Slovakisierung  ist  das  Ergebnis  eines 
langsamen  Assimilierungsprozesses.  Schon  vor  ungefähr  150  Jahren  muß  es 
zahlreiche,  vollständig  slovakisierte  russische  Gemeinden  gegeben  haben. 
Dies  beweisen  die  um  das  Jahr  1744  gegründeten  südungarischen  Kolonien 
Kerestür  und  Kocura  (im  Komitate  BAcs-Bodrog).  Die  Bewohner  dieser  Ort- 
schaften geben  sich  noch  gegenwärtig  für  Rusnaken  (sg.  nom.  Rusn^,  pl. 
Rusnici)  aus  und  gehören  zur  griech.-kath.  (unierten)  Kirche;  ihre  Volks- 
sprache ist  jedoch  das  reine  Ostslovakisch,  wie  es  etwa  im  Zempliner  Komitat 
gesprochen  wird,  ohne  merkliche  Spuren  des  Russischen.  (Vgl.  darüber  mei- 
nen letzten  Aufsatz :  Rusini  jazyka  slovensk^ho.  0116.  1907.  Ota.  otthcki»  mn» 
»GöopHHKa  no  cjKaBAHOB^A.«  n.)  Außer  diesen  Nachrichten  und  Erörterungen 
über  territoriale  Verbreitung  und  Religionsverhältnisse  der  einzelnen  Volks- 
elemente finden  wir  in  der  ausführlichen  Einleitung  mannigfache  Belehrung 
über  die  Sprache  selbst,  über  ihre  Verwendung  in  der  Literatur  (das  älteste 
Beispiel  bieten  zwei  kalvinische  Kirchenbücher  aus  dem  Jahre  1752)  und  über 
die  bisher  verüfFentlichten  Dialektproben  und  anderweitige  Beiträge.  Bei  der 
grammatischen  Analyse  der  ostslovakischen  Sprache  unterläßt  es  der  Verf., 
seinem  >anti6echi8chen<  Standpunkt  getreu,  nicht,  ausführlich  mit  mir  zu 
polemisieren  und  versucht  insbesondere  die  Gründe  zu  widerlegen,  welche  ich 
gegen  seine  »südslavische  Theorie«  vorp:ebracht  hatte.  (Vgl.  Bd.  XXVI,  290  f. 
dieser  Zeitschr.)  Es  würde  den  Rahmen  dieser  Anzeige  weit  tiberschreiten, 
wollte  ich  auf  alle  Einwendungen  des  Verf.,  die  er  gegen  mich  vorbringt,  Ant- 
wort geben.  Es  hätte  vorläufig  auch  keinen  Zweck.  Den  Verf.  von  seiner 
»südslavischen  Theorie«  abzubringen,  scheint  ein  eities  Bemühen  zu  sein.  In 
der  Wissenschaft  fand  die  Theorie  des  Verf,  soviel  ich  sehe,  nirgends  Billi- 
gung, sondern  wurde  einmütig  zurückgewiesen.  Dagegen  wird  allgemein  zu- 
gegeben, und  auch  ich  habe  es  bei  jeder  Gelegenheit  getan,  daß  in  den  slova- 
kischen  Dialekten  hOchst  beachtenswerte  Anklänge  an  südslavische  Laut-  und 
Formentwicklung  zu  finden  seien,  was  natürlich  nicht  anders  erklärt  werden 
kann,  als  durch  die  Annahme  eines  ehemaligen  territorialen  und  sprachlichen 
Zusammenhanges. 


Csuimbel,  Die  sloyakische  Sprache,  anges.  von  Pastmek.  139 

£s  folgt  nun  der  wichtigBte  Teil  des  Baches,  die  yom  Verfasser  im  Laufe 
der  letzten  Jahre  (1892—1905)  an  Ort  und  Stelle  gemachten  Aofzeichnimgen 
TOB  dialektischen  Sprachproben.    Der  Verf.  findet  auf  dem  ostslovakischen 
Gebiet  folgende  Difdekte :  1 .  Den  reinen  ostslovakischen  Dialekt  mit  Proben 
aus  den  Komitaten:  Zips  (Spid),  äaris  und  Abauj  (209—357);  2.  Den  gemisch- 
ten ostsloTakischen  Dialekt  mit  zwei  Unterabteilungen :  a)  der  Mundart  der 
Konütate  Zemplin  und  Ung,  mit  Proben  aus  diesen  beiden  Komitaten  (357— 
427);  b)  der  Mondart  von  Lu6iyna  und  Umgebung,  in  dem  sttdwestl.  Teile  des 
Zipeer  Komitates  (427—449).  Dazu  fügt  er  Proben:  a)  der  poln.  Dialekte  in  der 
Zips  (449—459),  b)  der  kleinruss.  Dialekte  in  der  Zips  und  im  äariä  (459—476). 
Dann  folgt  ein  Idiotikon  des  gesamten  Ostslovakischen,  zumeist  auf  Grund 
der  eben  angeführten  Proben,  zum  Teil  jedoch  auch  aus  anderen  Ortschaften 
and  YerOffentliohungen,  welche  bis  Ende  1905  erschienen  waren  (477—624). 
Ober  die  Art  und  Weise,  wie  diese  dialektischen  Proben  und  lexikalischen 
Belege  aufgezeichnet  wurden  und  wie  sie  in  dem  vorliegenden  Buche  ange- 
fahrt werden,  ließen  sich  mannigfache  Bemerkungen  machen.  Doch  wollen 
wir  darüber  mit  dem  Verf.  nicht  rechten,  vielmehr  uns  über  die  Reichhaltig- 
keit des  gebotenen  Materials  freuen  und  dabei  stets  annehmen,  daß  in  der 
Tat  alles  anf  das  Gewissenhafteste  und  ohne  jede  Nebenabsicht  aus  dem 
Munde  des  Volkes  entnommen  und  aufgezeichnet  wurde.    £s  wird  Aufgabe 
der  weiteren  Forschung  sein,  das  gebotene  Material  zu  verwerten  und  in  das 
bisher  gewonnene  Bild  einzufügen.    Bei  dieser  Gelegenheit  mOchte  ich  auf 
zwei  Momente  hinweisen.   Zunächst  darauf,  daß  die  Proben  zumeist  keinen 
einheitlichen  Dialekt  bieten,  sondern  vielfach  unter  dem  Einfluß  der  slovaki- 
Bchen  Schriftsprache  (der  zentralen  ungarisch-slovakischen  Dialekte)  stehen. 
Man  liest  z.  B.  gleich  in  der  ersten  Probe  aus  G&novce  in  der  westlichen  Zips: 
zbujnik,  zbu^ici  u,B.w.f  femei pufäze,  daneben  jedoch  iko^,  aM{209 — 210);  ähn- 
lieh in  der  Probe  aus  Smiiany  (in  demselben  Komitate,  unweit  von  Igl<S  — 
Novives):  moj  chiop,  maj  brat  neben  muj  brat,  kuny  ikura  (221 — 225).    Der 
entsprechende  Vokal  ist  hier  u,  die  Verkürzung  der  ehemaligen  Länge,  die 
ans  6  entstanden  ist.   Formen  wie  moj,  koh^  stoi  dürften  hier  auf  dem  Einfluß 
benachbarter  Dialekte  beruhen.  In  derselben  Probe  von  Smiiany  aus  der  Zips 
(221 — 225)  lesen  wir:  1.  sg.  «om,  podz  von,  zodzei  zo  aebe,  zodeküm,  prUoi,  instr. 
hUdom,  also  o  als  Reflex  des  %,  daneben  jedoch  ode  mtie,  ze  miie,  se  mnu,  veapo- 
lek,  odebraf,  odeHnaNy  ord,  hager,  also  e  ftir  denselben  Vokal.    Ich  zweifle 
nicht  daran,  daß  o  hier  durch  den  Einfluß  der  slovakisohen  Schriftsprache 
eingedrungen  ist  Oder  nehmen  wir  die  erste  Probe  aus  Vel'k]^  äarift,  welche 
der  Verf  im  J.  1892  auszeichnet  und  im  J.  1904  sorgfältig  mit  demselben 
Gewährsmann,  seinem  besten  Erzähler,  durchgesehen  und  berichtigt  hatte 
(253—260).   Abermals  finden  wir  Doppelformen :  sg.  instr.  za  kraSkem,  s  ptii' 
cem,  za  muiem,  majstrem,  a  proaem  neben  zoa  proaem  u.s.w.  und  daneben  prad 
prahom,  a  trupom,  hamaäom  u.s.w.  Die  Formen  auf  -om  halte  ich  für  schrift- 
mäßig. Ähnlich  bei  einer  anderen  charakteristischen  Form,  dem  Partizipium 
vai-h.  Neben  den  volkstümlichen  Belegen:  prinia,  ^aukrad,  zfik,  nenwh  lesen 
wir  mohol,  i/iemohol,  kradol,  die  Formen  der  slovakisohen  Schriftapraohe. 
Biese  Beispiele  mOgen  genügen,  was  den  ersten  Punkt  anbelangt.  Der  zweite 


140  Kritiacher  Anzeiger. 

Punkt  betrifft  die  vom  Verf.  aufgestellte  Scheidung  des  rmnen  und  gemischten 
Dialekts.  Auf  S.  123  werden  einige  unterscheidende  Merkmale  aufgezählt, 
darunter  insbesondere  die  Form  der  1.  sg.  Der  sogenannte  gemischte  Dialekt 
unterscheide  sich  von  dem  reinen  hauptsächlich  darin,  daß  neben  den  eigent- 
lich slovakischen,  von  den  intelligenteren,  beleseneren  Leuten  gebrauchten 
Formen :  ja  idzemy  pijem,  M  idu^  piju  u.s.w.  auch  die  russischen  Formen  ge- 
läufig seien :  Ja  idu,  pifu,  oAi  idutj  pijut  In  den  Proben  finde  ich  diese  mss. 
Formen  nicht.  So  lese  ich  in  der  Probe  aus  Se^ovce  im  Zemplin :  ja  poilem, 
ukaiem^  napÜem  U.S.W.,  femer  naj  tein  pridu^  oüi  maju,  iiju  u.s  w.  (357 — 365). 
Und  so  lauten  diese  Formen  auch  in  den  übrigen  Proben  aus  dem  Zempliner 
Komitat  (365—384).  Erst  in  den  Sprachproben  aus  dem  äußersten  Nordosten, 
welche  nach  den  Worten  des  Verf.  einen  noch  nicht  einheitlich  festgestellten 
Dialekt  bieten  (123),  lese  ich:  ja  bndu  iz Udavsk^ho  384),  ja  uiraqfu  (!  z  Papina 
388),  ja  üehudu  (Z  Dluh6ho  na  Cinoche  389),  aber  noch  immer  3.  pl.  daoaju 
(Z  Papina  386).  Die  Form  auf  -t  finde  ich  (allerdings  bei  einer  nur  flüchtigen 
Durchsicht)  in  den  Zempliner  Proben  gar  nicht.  Man  sieht,  das  wichtigste 
Unterscheidungsmerkmid  des  Verf.  läßt  sich  aus  seinen  Zempliner  Proben 
nicht  belegen.  Erst  in  den  Sprachproben  aus  dem  am  weitesten  nach  Osten 
vorgeschobenen  Unger  Komitat,  aus  der  unmittelbaren  Nachbarschaft  des 
kleinmssischen  Elementes,  finde  ich  beide  Formen  nebeneinander:  ja  hudu^ 
idu  (391),  verbujUy  ptffdUf  muht  (392),  htUoru  (393),  duh/ffu,  prohttfu,  chcu  (394), 
neben  spafiniy  ^emuiim  (394),  ^etrohim  (396),  ^eznam,  ^ebofim  de  (397),  vei^em, 
znamj  popriitram  de  (398),  vidztm  (405),  pujdzem  (407)  U.S.W.,  während  die  3.plur. 
auch  in  diesen  Proben  stets  ohne  -t  erscheint  Wenn  ich  richtig  beobachtet 
habe,  kommt  in  diesen  Sprachproben  nur  einmal  die  Form  iliebudut  vor,  u.  zw. 
in  der  Probe  aus  Koroml'a  (an  der  Ostgrenze  des  slovakischen  Gebietes),  neben 
doSitaju  (426).  Man  sieht,  daß  die  angeführten  Unterscheidungsmerkmale  des 
Verf.  den  Proben  wenig  entsprechen.  Man  hat  es  überhaupt  in  dem  vorliegen- 
den Werke  mit  einer  Fülle  von  dialektischem  Material  zu  tun,  das  erst  ein- 
gehend untersucht  und  verwertet  werden  muß.  Auch  darf  man  dem  Verf.  den 
Vorwurf  nicht  ersparen,  daß  er  viel  zu  wenig  beigetragen  hat,  die  Benützung 
des  dargebotenen  sprachlichen  Materials  zu  erleichtem.         Fr,  Pastmek. 


Dr.  Jos.  Ear&sek :  Slavische  Literatargeschichte,  I.  und  II.  Teil. 

SammluDg  Göschen  Nr.  277/78.*) 

I.  Die  slovenische  Literatur. 

Die  slovenische  Literaturgeschichte  kommt  in  ähnlichen  Sammlungen 
wie  die  Kar&seksche  gewöhnlich  zu  kurz ;  der  Grund  ist  hauptsächlich  der, 


*)  Da  die  zwei  kleinen  Bändchen  der  »slavischen  Literaturgeschichte« 
Dr.  KarAseks  voraussichtlich  viele  Leser  finden  und  hoffentlich  bald  eine  neue 
Auflage  erleben  werden,  so  wollte  ich  dem  Verfasser,  dessen  Verdienste  bei 
dieser  Arbeit  nicht  zu  unterschätzen  sind,  die  nächste  Aufgabe,  nämlich  die 


Kariaek,  Slav.  Ldtentargetchichte,  anges.  yon  Grafenaner  a.  Prohaska.     141 

dafi  die  Veiüafiaer  selbst  die  Literatur  nicht  kennen  nnd  daher  anch  mit  den 
Ihuntellnngen  über  die  Geschichte  der  Literator  nicht  yiel  anzufangen  wissen. 
In  herrorragendem  Maße  besitzt  diese  Schattenseite  das  vorliegende  Werk- 
chen  Dr.  Josef  Karäseks. 

Wo  num  knapp  sein  maß,  soll  man  desto  mehr  phrasenlos  sein.  Vom 
Verfasser  kann  man  das,  insofern  es  die  slovenische  Literatur  in  den  beiden 
Blndchen  anbelangt,  leider  nicht  sagen.  Gleich  nach  der  Periode  der  Befor- 
mttion  nnd  Gegenreformation  setzen  die  Fehler  ein ,  es  wimmelt  dann  von 
GemeinplStzen  nnd  Unrichtigkeiten. 

In  der  allgemeinen  Übersicht  (I.  150  f.)  heißt  es  von  der  slav.  Literatur: 
Die  Schriftsteller  der  60er  bis  80er  Jahre  lenkten  ihre  Aufmerksamkeit  zum 
größten  Teile  dem  Landvolke  zu,  welches  den  HauptbestandteO  des  Volkes 
soBmicht,  denn  die  Slovenen  besitzen  nicht  einmal  nationale  Städtchen  8hn- 
lieh  wie  die  Lausitzer  »Wenden«.  Janeii6s  »Glasnik«,  Stritars  »Zvon«,  >Ljn- 
bijaaski  Zvon«  waren  natürlich  zum  größten  Teile  fHn  Landvolk  bestimmt! 
Und  keine  nationalen  Städtchen !  Als  ob  Laibach  keine  slovenisohe  Stadt 
vire!  Gleich  weiter  heißt  es  (1. 151):  »Die  Schriftsteller  haben  deutsche  Bil- 
dimg  genossen,  die  meisten  Werke  haben  belehrenden  Zweck,  besonders 
wiche,  deren  Autoren  Geistliche  sind.  Eine  Zeitlang  bildete  Wien  ihren  lite- 
nriichen  Hittelpunkt,  nun  wird  auch  vieles  in  Qön  gedruckt«.  Es  ist 
geradezu  großartig,  was  in  diesen  paar  Zeilen  an  Nichtwissen  geleistet  ist 
Du  riehHeranswinden  mit  Ausdrücken  wie  »zum  größten  Teile«,  am  meisten«, 
»bcBonders«,  »auch«  ist  ein  beliebtes  Hilfsmittel  von  Gymnasiasten,  wenn  sie 
Que  Lektion  nicht  gelernt  haben,  also  auch  fttr  einen  Schriftsteller  nicht  von 
£hre.  Fttr  die  Komplimente  werden  sich  dem  Verfasser  Stritar  mit  seinen 
ehemaligen  Genossen  und  Mitarbeitern  und  die  modernen  Erzähler  und  Dich- 
ter sehOnstens  bedanken.  Das  literarische  Zentrum  ist  auch  um  Gottes  willen 
rieht  GOrz,  wo  allerdings  manches  gedruckt  wird,  sondern  Laibach,  wo  die 
»Slovenska  M atica«  ihren  Sitz  hat,  wo  die  wichtigsten  Veriagsbuchhandlungen 
neh  befinden,  und  die  belletristischen  Zeitschriften :  »Ljubljanski  Zvon«,  »Dom 
m  Svet«  und  »Slovan«  erscheinen,  die,  nebenbei  gesagt,  bei  Karisek  nirgends 


Herstellnng  einer  neuen  Auflage,  dadurch  wesentlich  erleichtem,  daß  über 
jeden  Bestandteil  der  etwas  unnatürlich  in  eine  »slavische  Literaturgeschichte« 
nuammengepreßten  slavischen  Einzelliteraturen  besonders  referiert  werden 
loUte,  mit  möglichst  sachlicher  Berichtigung  der  Ungenauigkeiten  —  ohne 
so  viel  subjektive  Beimischung  von  Lob  oder  Tadel.  Merkwürdig,  wie  schwer 
es  ist,  dieses  Ziel  zu  erreichen.  Das  rührt  eben  von  der  geringen  Kenntnis 
der  slavischen  Literaturen  unter  den  Slaven  selbst  her.  Die  meisten  Literatur- 
historiker ziehen  es  vor,  auf  den  kleinen  Isolierschemeln  ihrer  eigenen  Litera^ 
toren,  zuweilen  selbst  mit  so  enger  Begrenzung,  daß  man  z.  B.  serbisch  und 
kroatisch  auseinanderhält,  zu  sitzen,  höchstens  mit  einigem  Zusätze  der  Kennt- 
Bine  über  die  eine  oder  andere  westeuropäische  Weltliteratur.  Daher  auch 
die  Empfindsamkeit  in  der  Wertsehätzung,  Berufung  auf  fremde  Urteile  u.  dgl. 
Ich  gebe  zunächst  zwei  Beiträge:  1)  über  den  slovenischen,  2)  über  den 
serbokroatischen  Teil.  V-  J* 


142  EJritischer  Anzeiger. 

erwähnt  sind.  —  Vodnik  darf  nicht  als  bloßer  Versemacher  (11.  50}  bezeichnet 
werden,  der  Abc-krieg  wurde  nicht  durch  das  »philologisch  Richtigstellen« 
der  slovenischen  Sprache  durch  Kopitar  heraufbeschworen  (II.  51}.  Was  von 
Pre&eren  ebenda  gesagt  wird,  ist  ebenso  sehr  unzulänglich  i).  ünYerständlich 
ist  es,  wenn  es  (n.51)  heißt,  daß  die  Dichtung  vor  PreSeren  keinen  Sinn  für 
fremde  Einflüsse  hatte,  ein  inhaltsloser  Gemeinplatz,  wenn  behauptet  wird 
(n.  53),  daß  die  Slovenen  auch  heute  noch  in  der  Dichtung  von  Freieren  aus- 
gehen und  immer  wieder  zu  ihm  zurückkehren.  —  Ganz  unrichtig  ist  es,  wenn 
Levstik,  Jur6ij^,  Kersnik  und  TavÖar  in  den  Kreis  Janeii&s  eingereiht  werden 
(IL  67  f.);  mangelhaft,  daß  der  markante  Dichter  Levstik  nur  als  ELritiker  und 
Verfasser  von  Kinderliedem  und  der  Erzählung  >Martin  Erpan«  erwähnt  wird 
(ebenda),  da  er  ja  als  Dichter  bedeutend  über  Stritar  steht;  unverständlich  ist 
es,  warum  dem  bedeutendsten  Erzähler  Kersnik  nur  eine  Zeile,  dem  unbedeu- 
tenderen Tav6ar  sechsmal  mehr  gewidmet  worden  ist  (IL  68).  Was  die  kleri- 
kale Unduldsamkeit,  Beschränktheit  und  Verfolgung  (11.69),  die  übrigens  dick 
aufgetragen  ist,  in  einer  knappen  Literaturgeschichtsskizze  zu  tun  hat,  wird 
manchem  ein  Bätsei  sein.  —  Etwas  zu  pauschal  ist  die  Behauptung  (II.  70} : 
»Die  slovenische  Geistlichkeit  nimmt  bedeutenden  Anteil  an  der  Literatur  und 
betätigt  sich  in  derselben  durch  Erzählungen,  die  meist  religiösen,  be- 
lehrenden Inhalt,  aber  keinen  Anspruch  auf  künstlerischen  Wert  haben, 
da  sie  für  die  Landbevölkerung  bestimmt  sind«.  Interessant  ist 
übrigens  hier  auch  die  Begründung.  Ähnliche  Behauptungen  liebt  überhaupt 
der  Verfasser,  denn  wir  finden  sie  noch  öfters  (1. 151,  IL  143).  Unrichtig  ist  es 
auch,  wenn  gesagt  wird,  daß  in  wissenschaftlicher  Hinsicht  außer  ^trekeljs 
Volksliedersammlung  nicht  viel  gearbeitet  werden  konnte.  Von  den  Mono- 
graphien von  Lampe,  Apüi,  Vrhovec,  Kos  u.s.w.,  namentlich  des  letzteren 
»Gfadivo  za  zgodovino  Slovenoev«  hat  der  Verfasser  wahrscheinlich  nichts 
gehört  —  In  der  slov.  Moderne  ist,  ohneUngenauigkeiten  zu  erwähnen,  Grove- 
kar  viel  zu  hoch  eingeschätzt,  Kette  und  Alexandrov  sind  kaum  erwähnt, 
Medved  und  MeSko,  neben  Oankar  und  Zupan6i6,  zwei  der  bedeutendsten 
dichterischen  Persönlichkeiten,  ganz  übergangen  worden. 

Was  also  den  slovenischen  Teil  des  Werkchens  anbelangt,  so  ist  er 
mindestens  stiefmütterlich  behandelt;  da  der  Verfasser  diesen  Stoff  offenbar 
nicht  beherrscht,  hätte  er  sich  an  jemanden  wenden  sollen,  der  ihm  bei  der 
Arbeit  geholfen  hätte.  Ivan  Grafenauer, 


^  In  bezug  auf  die  Bemerkung  Karaseks,  Pre&eren  betreffend,  wo  Fre- 
ieren als  Dichter  zweiten  Banges  unter  den  slavischen  Dichtem  neben  Prera- 
doviö,  Zeilef  bezeichnet  wird,  genügt  es,  wenn  man  erwähnt,  daß  russische 
Kunstrichter,  die  Preieren  genauer  kennen  als  vom  Hörensagen,  ihn  als  Dich- 
ter ersten  Banges  bezeichnen,  und  daß  Prof  Ant.  E.  Schönbach  in  seinem  be- 
kannten Buche  »Über  Lesen  und  Bildung€  Preöeren  als  Klassiker  der  Welt- 
literatur in  die  Bücherlisten  aufgenommen  hat  (s.  o.  c.  S.  383),  wo  von  slavi- 
schen Dichtem  nur  noch  Pu&kin,  Lermontov,  Nekrasov  und  Mickiewicz 
aufgenommen  sind. 


Karisek,  Sl&v.  Literaturgeschichte,  angez.  von  Grafenauer  u.  Prohaska.     143 

n.  Die  serbo-kroatische  Literatur. 

Junge  slavische  Stämme  mit  einerseits  byzantinisch-griechischer  nnd 
andererseits  dentscher  und  romanischer  importierter  Enltur,  ihr  Tempera- 
ment: heißes  südliches  Blut,  der  Geschmack  etwas  orientalisch  exotisch.  Auf 
diese  plausiblen  Gmndzttge  läuft  auch  die  Darstellung  Earäseks  hinaus.  — 
Von  einer  hohen  Warte  werden  da  die  Dinge  beurteilt  Die  serbokroatische 
Uteiatar  bietet  keine  Größen  von  internationaler  Bedeutung  und  daher  fand 
man  es  für  gut,  ihr  gegenüber  jenes  Wohlwollen  walten  zu  lassen,  das  der 
Überlegene  Unmündigen  angedeihen  läßt  Der  Verf.  ergreift  oft  die  Gelegen- 
heit hierzu:  der  Byzantinismus  der  serbischen  mittelalterlichen  Literatur 
n.  a.  deigl.  entgeht  ihm  nicht.  Und  wenn  er  gar  auf  die  ragusanisch-dalmati- 
nische  Benaissance  zu  sprechen  kommt,  so  läßt  er  ein  strenges  Urteil  hören: 
»aber  selbst  in  der  Blütezeit  fehlt  es  dieser  Literatur  an  wahren  Talenten« 
(L  89) !  Diese  Skepsis  bleibt  auch  angesichts  der  neueren  Literatur  aufrecht 
und  findet  ihren  Ausdruck  in  Wendungen  indirekter  Art,  z.  B. :  >so,  daß  er 
bis  heute  als  ihr  größter  Dichter  gilt«  (II.  61],  oder:  »auf  diesen  blickt 
das  jüngere  Geschlecht«  (11.  169).  In  dergleichen  dicitur- Konstruk- 
tionen liegt  aber  immer  etwas  Unschönes,  denn  leicht  gewinnt  man  den  Ein- 
druck, daß  zwischen  dem  Verf.  und  dem  Gegenstände  nicht  das  beste  Ein- 
vernehmen herrscht 

Ohne  ihn  sehr  übel  zu  nehmen,  will  ich  auch  den  böhmischen  Standpunkt 
des  Verfassers  verraten.  In  einem  kleinen  Eompendium  über  die  serbokroa- 
tische Literatur  können  die  böhmischen  Einflüsse  kaum  eine  so  große  Rolle 
spielen,  wie  es  hier  geschieht.  Oft  handelt  es  sich  dabei  bloß  um  einen  mil- 
deren Aasdruck  oder  eine  stilistische  Überflüssigkeit  [So  bei  Gaj  —  Schüler 
KoUirs,  oder  bei  St  Vraz :  man  verwechsle  ihn  nicht  mit  einem  gleichlauten- 
den iechischen  Pseudonym !] 

Da  in  verbesserten  Auflagen  Gesinnung  und  Auffassung  selten  wesent- 
lich anders  werden,  wenden  wir  uns  gleich  zu  sachlichen  Einzelheiten. 

Für  das  Kirehenslavische  (I.  §  2)  könnte  der  Ausdruck  theoretisch - 
künstliche  Sprache  etwas  irreführend  werden,  denn  man  könnte  dabei  auf 
den  Gedanken  verfallen,  daß  diese  Sprache  gemacht  wurde,  und  nicht,  wie 
tatsächlich  der  Fall,  auf  einem  slavischen  Dialekt  beruhe.  Geeigneter  wäre: 
lexikalisohe  Mischsprache.  —  In  der  altserbischen  Literatur  bespricht  der 
Verf.  das  Verhältnis  von  Serbisch  und  Kirchenslavisch,  so  daß  es  schließlich 
unklar  bleibt,  wie  der  heil.  Sava  geschrieben  hat  —  Dem  Bogomiüsmus  hat 
der  Verf.  ein  hübsches  Kapitel  gewidmet  (§  5),  nur  vermisse  ich  in  der  Cha- 
rakteristik dieser  religiösen  Bewegung  den  Grundzug,  er  besteht  in  der  Oppo- 
sition gegenüber  dem  byzantinischen  Formalismus,  in  der  Betonung  des  werk- 
tätigen Herzens,  also  in  einem  gewissen  Pietismus.  —  Gelegentlich  der  alt- 
kroatisehen  Literatur  wird  einmal  »allgemeine  Sprache«  gesagt,  worunter  aber 
Volkssprache  verstanden  wird.  —  Die  folgenden  Partien  sind  etwas  .gewalt- 
sam zasanunengedrängt:  besonders  der  große  Unterschied  zwischen  Vitezo- 
vie  und  Ka£iö  wird  dadurch  verwischt  Die  Mannigfaltigkeit  der  älteren 
serbokroatischen  Kultur  hätte  gerade  an  solchen  Erscheinungen  mit  wenigen 


144  Kritischer  Anzeiger. 

Schlagworten  festgehalten  werden  können.  —  Das  Kapitel  über  die  ragusa- 
nische  Literator  bedarf  wohl  am  meisten  einer  Umarbeitang.  Vor  allem  ist 
jene  abfällige  Kritik  über  sie  za  nnterdrttcken,  denn  sie  rührt  ans  einer  kroa- 
tischen Quelle  her,  die  den  Illyriem  gegenüber  in  ein  anderes  Extrem  nm- 
schlng  und  überall  nnr  Stückarbeit  und  Imitation  sehen  wollte.  Heute  denkt 
man  über  die  Bagusaner  bereits  günstiger.  Die  akademischen  Abhandlungen 
Markovic'  und  die  Autorität  fremder  Forscher  wie  Jensen,  Creuzenach,  Petrov- 
skij  verhalfen  der  ragusanischen  Dichtung  zu  ihrem  Rechte.  Einer  der  besten 
Dramatiker  des  XVL  Jahrh.  befindet  sich  unter  den  ragusanischen  Schrift- 
stellern, es  ist  dies  Marin  Driid.  Der  Verf.  muß  ihn  übersehen  haben,  denn  er 
vermißt  in  der  ragusanischen  Dichtung  die  Prosa  —  und  solche  schrieb  eben 
M.  Driiö.  —  Und  ein  anderer,  sogar  bedeutender  Dichter,  I.  Gjorgjid,  blieb 
ebenfalls  unerwähnt;  er  ist  der  reinste  Vertreter  des  jesuitischen  Barock  in 
der  Literatur  und  als  solcher  gehört  er  vor  ein  europäisches  Publikum  i).  — 
Auch  die  »slavonischen«  Schriftsteller  [in  der  ehem.  österr.  Militärgrenze] 
sind  für  einen  deutschen  Leser  interessant,  weil  sie  große  europäische  Strö- 
mungen und  zwar  gerade  durch  deutsche  Vermittlung  im  Kleinen  aufweisen. 
Ich  finde,  daß  A.  Kaniiliö  jenen  schnörkelhaften  und  allegorischen  Typus 
vertritt,  der  in  Spees  Lyrik  und  dem  Jesuitendrama  geprägt  wurde,  A.  Rel- 
ko  viö  steht  ihm  dagegen  so  entschieden  gegenüber,  wie  die  Aufklärung  dem 
Pietismus  im  XVIII.  Jahrh.  —  Und  die  pseudoklassischen  Manieren  finde  ich 
in  feiner  Weise  durch  P.Katan6iö  (etwas  auch  durch  J.  Krmpotiö]  vertreten. 
Der  Verf.  übersah  diese  Gruppe,  da  ihr  literarischer  Charakter  selbst  der 
serbokroatischen  Literaturgeschichte  in  diesem  Zusammenhange  bisher  un- 
kannt  blieb. 

Über  das  Volkslied  hat  der  Verf.  gut  gesprochen,  der  Weltruhm  und  das 
deutsche  Interesse  an  dem  serbischen  Volksliede  gab  ihm  schon  eine  Direk- 
tive in  der  Auffassung.  Er  behandelt  es  in  einem  Kapitel  mit  dem  böhmi- 
schen und  polnischen  Volksliede,  und  ein  Vergleich  zur  spezielleren  Charak- 
teristik dieser  verschiedenen  Volkspoesien  wäre  sehr  naheliegend ;  der  Verf. 
ging  aber  darauf  nicht  ein.  Ich  finde,  daß  z.  B.  der  Naturzustand  des  Men- 
schen im  südslavischen  Volksliede  mehr  zum  Ausdruck  kommt,  daß  aber  da- 
her auch  seinem  Realismus  mehr  Poesie  innewohnt  als  dem  böhmischen,  der 
vielfach  bürgerliche  und  städtische  Vorstellungen  voraussetzt.  Auch  die  Form 
ist  im  südslavischen  mannigfaltiger  und  organischer,  die  des  böhm.  Liedes 
gemahnt  an  literarische  Tradition  und  Schablone.  Auch  die  sentimentale 
Pointe  und  die  kühnen  Concettis  der  südslavischen  Lyrik  stehen  als  etwas 


1)  Archiv  XXVIII,  52  in  der  Fußnote  wird  nach  meiner  Dissertation  über 
I*  Gjorgjid  irrtümlich  von  einem  französischen  Einflüsse  auf  den  Dichter 
Erwähnung  getan.  Die  Sache  ist  bei  mir  umgekehrt  so  dargestellt,  daß  sich 
Gjorgjid  als  Marinist  (Vertreter  des  Barockstiles]  gegen  den  damals  bereits 
in  Italien  und  Frankreich  aufkommenden  raison-Stil  und  das  Natüriich- 
keitsprinzip  auflehnt  [Diese  Abhandlung,  wo  ich  Gj.  besonders  von  der 
stilistischen  Seite  betrachte,  wird  seinerzeit  die  südlavische  Akademie  ver- 
öffentiichen.] 


/ 


Kariaek,  Slav.  Literatorgeschichte,  angez.  von  Grafenaner  u.  Prohaska.     145 

Eigeiit&iiilichea  da.  Der  Verf.  hat  gerade  die  weniger  individnelien  Züge  an- 
gegeben —  so  daa  Thema  der  Liebe,  der  Familie,  der  Schwiegermutter,  alles 
das  sowie  anch  die  >ewig  sich  wiederholende  Melodie«  ist  nicht  allein  dem 
serbokroatischen  Yolksliede  eigen.  —  Über  die  Heldenlieder  wurden  nicht 
die  besten  Vorarbeiten  herangezogen.  Hier  nnterlänft  anch  der  Fehler,  daß 
Ka^id  die  Quelle  für  die  Ballade  »von  der  edlen  Frauen  des  Assan-aga«  wäre. 
Ebenso  wird  irrttimlich  die  sttdslavische  Akademie  statt  die  königl.  serbische 
in  Balgrad  als  Herausgeberin  des  Vukschen  Nachlasses  von  Heldenliedern 
sBgeffihrt. 

Den  Satz,  womit  die  kroatische  Wiedergeburt  eingeleitet  wird  [11.  54: 
»Die  Kroaten  pflegten  die  Literatur  auf  den  quamerischen  Inseln  und  der 
nahen KUate  von  Alters  her  in  glagolitischer  Schrift;  daneben  feierten  sie  Gott 
und  seiiid  Heiligen  in  Lateinschrift  und  zwar  in  den  Provinzdialekten«],  würde 
ich  hinweglassen,  weil  er  nicht  ganz  dem  Tatsächlichen  entspricht  und  weil 
daan  Baum  geboten  wäre,  die  Bezeichnung  iUyrisch  und  lUyrismus  näher  zu 
erkliien.  Denn  diese  Termini  und  selbst  ihr  Sinn  treten  durchaus  nicht  erst 
mit  G%j  com  erstenmal  auf,  sondern  wurden  bereits  von  den  Gelehrten  und 
SchriftateUem  der  vorigen  Jahrhunderte  gebraucht.  Man  verstand  darunter 
die  ganze  sfidslavische  Gruppe.  Mit  Gaj  gewinnt  diese  Bezeichnung  nur  an 
Wert,  indem  jetzt  durch  eine  einheitliche  Schrift  und  Sprache  der  ein- 
heiüiche  Name  gleichsam  lebendig  wird.  Auch  hätte  der  slavophilen  und 
panslavistisehen  Ideen,  die  hie  und  da  im  XVH.  und  XVIII.  Jahrh.  im  Süden 
aofleuchteten,  gedacht  werden  können  [Gunduliö,  Juraj  Erüaniö,  P.  Eatan- 
M6  u.  a.]. 

Über  der  ganzen  Darstellung  des  niyrismus  scheint  eine  gewisse  Ironie 
zu  ruhen,  was  daher  stammen  mag,  daß  die  Bewegung  äußerlich  gescheitert 
ist  Zu  sehr  werden  hier  problematische  Ausdrücke  gebraucht  (Gaj  —  »ein 
Of&ziosiiB  Mettemichs«),  und  dadurch  der  Geist  des  Ganzen  entstellt.  Denn 
ans  Sachlichkeit  muß  man  konstatieren,  daß  die  Ideen  der  Hlyrier  voUinhalt- 
üeh  noch  heute  bestehen,  daß  es  sich  da  durchaus  um  keinen  überwunde- 
nen Standpunkt  handelt.  An  der  Hand  dieses  Gedankens  hätte  der  Verf.  die 
ganze  kroat  Literatur  des  XIX.  Jährh.  entwicklungsgeschichtlich  behandeln 
können.  Das  rein  Kulturgeschichtliche  hätte  für  einen  fremden  Leser,  der  da 
ein  idtgenOssisches  Volk  nach  der  europäischen  Kultur  zustreben  sieht,  be- 
sonderen Beiz  gehabt  Leider  beobachtete  der  Verf.  zu  sehr  eine  eklektische 
und  urfceOende  Methode.  —  Eine  Elleinigkeit,  die  im  Stande  ist,  auf  das  Ganze 
ein  schiefiBS  Licht  zu  werfen,  möge  gründlich  beseitigt  werden.  »Begeisterte 
nationale  Hymnen,  die  gegen  die  Magyaren  gerichtet  waren,  erklangen«  (IL  57). 
Das  ist  diese  falsche  Äußerung!  In  der  ganzen  patriotischen  Lyrik  findet 
sich  charakteristischer  Weise  kein  einziges  literarisches  Erzeugnis,  kein 
einziges  populäres  Liedchen,  das  gegen  die  Magyaren  zu  der  Zeit  ge- 
richtet wäre.  Man  muß  dies  bewundem,  wo  die  ganze  politische  Bewegung 
eine  Lossagung  von  magyarischer  Oberherrschaft  war.  Doch  verständlich 
wird  diese  Enthaltsamkeit  aus  der  romantischen  Logik  der  Wiedergeburts- 
halden.  Sie  huldigten  treu  einem  Freiheitsprinzipe,  das  sich  gegen  keine 
Nationalität  wendete,  weil  für  sie  das  Becht  auf  Nationalität  ein  rein 

AitkiT  Ar  sUriMh«  FkUologi«.  XXDL  10 


146  Kritiflcher  Anzeiger. 

menschliehes  Beoht  w&r.  Die  scheinbar  aggresBive  Bolle  der  Kroaten  yom 
Jahre  1848  wurde  unerwartet  und  unter  dem  Yorwande  einer  nationalen  Ab- 
wehr durch  Österreich  insieniert  Es  bestStigt  dies  der  bittere  Qewinn,  den 
die  Kroaten  yon  diesem  Feldzuge  hatten  1  Eine  andere  Note  als  die  chauYi- 
nistisoh  kroatische  beherrscht  die  Lyrik  des  Illyrismus  —  die  Losung  war 
Demeters :  Protto  zrakom  ptiea  Uli . . ! 

Markantere  Gestalten  wie  Mafturanid-Yraz-PreradoTiö  hat  der  Verf.  in 
kurzen  Zflgen  gut  entworfen,  am  deutlichsten  ist  Maiuraniö  wiedergegeben. 

Am  meisten  läßt  der  Abschnitt  über  die  neuere  Dichtung  zu  wünschen 
übrig.  Vor  allem  sind  innerhalb  der  Einteilung  nach  Gattungen,  wie  sie  der 
Verf.  ungttnstigerweise  wählte,  einzelne  Schichten,  Generationen  und  Rich- 
tungen auseinanderzuhalten.  Zwischen  ^ienoa,  Kumi6iö  und  Novak  herrschen 
Abgründe,  obwohl  die  Zeitspanne,  in  der  sie  Yorttberaiehen,  keine  sehr  weite 
ist  Gerade  in  einem  grellen  Nebeneinander  der  verschiedensten  Kunstrich- 
tungen besteht  die  Eigentümlichkeit  kleiner  Literaturen,  weil  sie  sich  in  den 
Lehrjahren  niemals  ausleben.  Einige  Besserungen  sind  auch  bezüglich  anderer 
Schriftsteller  nötig.  Für  Gjalski  gebraucht  der  Verf.  gewisse  Wendungen,  die 
aus  ihm  etwas  Fremdes  machten:  »Hervorragendster  Prosaist«  —  »auf  der 
literarischen  Arena«  —  »heikle  Situationen«.  Gjalski  besitzt  hingegen  eine 
dürftige  Prosa,  ist  friedliebend  feministischer  Natur  und  kehrte  im  jüng- 
sten Boman  zu  jener  guten  alten  Zeit  zurück,  wo  es  überhaupt  keine  »heilden« 
Situationen  gibt  Auch  seine  Beeinflussung  seitens  Turgeiyevs  muß  mit  Vor- 
behalt angenommen  werden  [vergl.  darüber  meine  Bez.  Archiv  XXVIU,  142  ff.]. 
—  Das  über  Kozarac  Gesagte  ist  wohl  richtig  außer  der  Auffassung  des 
Titels  »Mrtvi  Kapital!«,  denn  darunter  wird  nicht  fremdes  Kapital,  sondern 
die  im  einheimischen  unbebauten  Boden  ruhenden  Schätze  verstanden.  Unter 
den  Vertretern  der  »Poesie«  kommt  Franjo  Markovic  nicht  zu  seiner  vollen 
Geltung,  denn  man  kann  den  Verfasser  des  »Dom  isviet«  und  »Karlo  Dra6ki« 
durchaus  nicht  mit  »Schöngeist«  abtun.  —  Auch  S.  Kranj6evi<S  ist  durch  die 
Schlagworte  »ermüdete  Seele,  Pessimist  und  Skeptiker«  nicht  in  seinem 
Wesen  erkannt  Sein  Christentum,  das  evangelische,  womit  er  dieKirehe 
hohnsprechend  an  den  Ptanger  stellt,  seine  ethische  Kritik  der  Gesellschaft 
kennzeichnet  ihn  als  einen  jener  Idealisten,  die  von  Schopenhauer  ausgehend 
sich  auf  dem  Wege  zu  Nietzsche  befinden  und  in  der  Begel  von  der  ratiosan 
Kritik  mit  obigen  Merkmalen  bezettelt  werden.  Etwas  Ähnliches  passiert  dem 
Verf.  mit  den  Modernen  oder  »Jungen«,  wie  sie  in  Kroatien  benannt  werden. 
Denn  sein  Schlußurteil  über  dieselben:  »nervOse,  in  Träumen  hindämmernde, 
nebelhaft  verschleierte  unverständliche  Dichtung«  und  dem  gegenüber 
die  günstige  Meinung  über  die  »Alten«:  »tiefer,  klarer  und  natOrlieher« 
scheint  auf  eine  unzuverlässige  Quelle  hinzudeuten.  Daß  es  sich  nämlich  hier 
nicht  um  die  eigene  Meinung  des  Verf.  handelt,  versichert  mich  sein  Ver- 
ständnis für  böhmische  Produkte  der  Moderne:  über  Erscheinungen  wie 
»Magdalena«  weiß  Kar&sek  besseren  Bescheid. 


Die  serbische  Literatur  geht  neben  der  speziell  kroatischen  dnher  und 
es  ist  dem  Verf.  gelungen,  durch  Öftere  Vergleichungen  unterscheidende  Mo- 


Kariaek,  Slav.  Literatargeschichte,  angez.  von  Grafenaner  a.  Prohaska.    147 

neate  anfiiaweiaen.  Das  maß  ihm  anerkannt  werden.  Und  es  wiU  mir  Bohei- 
nen,  daß  er  über  die  serbische  Literatur  sogar  besser  informiert  ist  Kann 
sein,  daß  ihn  die  yolkstflmlichere  Art  der  serbischen  Erzähler,  die  vornehmere 
Sprache  nnd  das  orientalische  Kolorit  der  Poesie  mehr  anzogen.  Aach  kOnnen 
tfiektige  Vorarbeiten  [besonders  die  von  Nediö  über  die  Lyrik]  viel  zom  Yer- 
sHIndniff  beigetragen  haben.  —  Ich  beschränke  mich  nur  aof  einige  Be- 
meikongen. 

Ein  Mißverständnis  ist  bei  L.  Lazarevid  eingetreten,  denn  in  seiner  No- 
velle »Werter«  steht  er  nicht  nnter  dem  Einflasse  Goethes,  sondern  er  gehOrt 
in  jenen,  die  sich  dorch  Gegenschriften  vom  Werterfieber  reinigen  wollen 
[verj^.  die  hübsche,  aber  einseitige  Stndie  über  Lazareviö  von  J.  Skerliö  im 
Savremenik  IL  2].  —  Stj.  Ljnbi&a  scheint  mir  dorch  Volkstümlichkeit,  wie  sie 
bei  anderen  serbischen  Erzählern  verstanden  wird,  nicht  entsprechend  g& 
kennzeichnet  zn  sein.  Er  stilisiert  hingegen  seine  Bocchesen,  sie  halten  ja 
formvollendete  politische  Reden  and  wahren  eine  herrenhafte  Moral.  Oir 
ritterliches  Wesen  ist  hier  künstlerisch  aufgenommen  worden  nnd  da  das 
SchOdem  nicht  in  die  ganze  Breite  ihrer  Existenz  geht,  haben  LjubiÄas  Bocche 
flir  mich  etwas  Idealistisch-aristokratisches.  Seine  Landslente  warden  dnrch 
ihn  interessanter.  [Wie  etwa  die  Schweiz  darch  Gottfried  Keller.] 

Für  die  serbische  Lyrik  gilt  beinahe  dasselbe  was  für  die  kroatische. 
Auch  hier  haben  die  jüngsten  Dichter  die  traditionelle  patriotische  Richtung 
und  selbst  die  Fühlung  mit  dem  Volksliede  angegeben.  Auch  hier  kann  ich 
nur  einen  richtigen  Hang  zum  Individualismus  erblicken.  Wenn  dies  ein 
S&ndenfall  für  die  serbische  Poesie  ist  —  der  Verf.  findet  nämlich,  daß  sie 
ihre  jungfräuliche  Schönheit  eingebüßt  — ,  so  ist  das  für  mich  eben  nur  ein 
Beweis  d^r  Weiterentwicklung ;  die  jungfräuliche  kann  sich  zu  Frauen-Schön- 
heit entfalten.  —  Die  älteren  Lyriker  werden  in  ihrer  Art  nach  Nediös  An- 
weisongen  gekennzeichnet  Über  den  bedeutendsten,  über  Zmiy  J.  Jovanoviö, 
hätte  der  Verf.  eine  neuere,  in  ihren  Grundzügen  intime  und  trefifende  Studie 
Kostitfs  heranziehen  sollen  [vergl.  auch  Archiv  XXVI,  130].  Über  Kostiö  selbst 
urteilt  der  Verf.  etwas  scharf  —  nach  Nediö  —  »seine  Liebe  ist  erträumt,  seine 
Ctedichte  erkünstelt«.  Seine  Verwandtschaft  mit  der  Moderne  hat  der  Verf. 
ernten^  aber  nicht  erklärt  und  nicht  des  näheren  bezeichnet  Was  eine  Ver- 
gleichnng  mit  dieser  zuläßt,  ist  sein  Drang  nach  Originalität,  besonders  in 
seinen  Dramen  ist  das  fühlbar;  wie  alle  Stürmer  und  Dränger  so  greift  auch 
er  notwendig  auf  die  Urquelle  Shakespeare  zurück  und  bringt  das  serbische 
hiatorische  Drama  in  eine  freiere  Bewegung  —  vor  Ihm  stand  dieses  formell 
m  sehr  unter  dem  Einflüsse  des  serbischen  Heldenliedes  und  hatte  infolge- 
dessen etwas  episch-schwerfällig  Schleppendes  und  Deklamatorisches.  In  der 
Lyrik  Koatids  entspricht  dieser  Nßuerung  das  Vernünfteln,  der  Esprit  und  die 
Galanterie,  was  wohl  im  serbischen  Volksliede,  aber  nicht  bei  seinen  bisheri- 
gen Nachahmern  zu  finden  war.  —  Nediö  hatte  sehr  viel  lobende  Worte  —  wie 
einst  Heine  —  für  alles  Runde,  Gesunde  und  so  prangt  auch  noch  bei  KarAsek 
Jovo  Jh6  in  seiner  vorigen  Herrlichkeit,  als  ein  von  der  Kultur  nicht  »ange- 
kränkelter Held«.  — 

10* 


148  KritiBcher  Anzeiger. 

IntereBsant  ist  das  SchlnßergebniB  fttr  dieserbiBcheliteratnr:  >Keiiie 
slavische  Literatur  ist  so  demokratisch)  wie  die  serbische«.  Diese  Äuße- 
'  nmg  zwingt  mich  lebhaft  zu  einer  Ergftnznng,  die  —  ich  bekenne  es  —  viel- 
leicht etwas  subjektiv  ist  Auch  die  böhmische  Literatur,  und  die  mssisehe 
nicht  weniger,  scheint  sehr  demokratisch  zu  sein,  der  Unterschied  liegt  aber 
nicht  in  dem  mehr  oder  weniger,  sondern  in  der  spezifischen  Art  des  De- 
mokratismns  hier  and  dort  Ich  finde  nämlich,  daß  der  serbische  Demokratia- 
mns  geradezu  das  Gregenteil  von  dem  ist,  was  darunter  in  Europa  allgemein 
verstanden  wird.  Ljubifias  Landsleute  sind  autokratischer  Natur:  ein  jeder 
ein  kleiner  König;  die  Serben  des  Königreiches  unter  dem  vorwiegend  agra- 
rischen Charakter  des  Landes  und  bei  einer  weiten  liberalen  Verfassung  neigen 
ebenfalls  zum  Herrentum,  die  nahe  Vergangenheit  heroischer  und  patriarehaler 
Zustände  wirkt  auch  mit  Und  so  fehlt  eigentlich  der  serbischen  Literatur 
gerade  dort,  wo  sie  am  volkstümlichsten  ist,  jene  altruistisch  humanitäre  Ten- 
denz, die  man  sonst  mit  dem  Begriff  einer  demokratischen  Literatur  verbindet, 
ein  kriegerischer  Sinn  und  nationaler  Patriotismus  in  der  älteren,  ein  modemer 
Individualismus  in  der  neueren  sind  die  wesentlichen  sozialen  Zttge  der  serbi- 
schen Literatur.  Und  doch  hat  der  Verf.  Recht,  denn  nirgends  sind  die 
Standesunterschiede  so  gering,  nirgends  die  Volksart  mit  den  obersten 
Schichten  der  Nation  so  intim,  wie  bei  den  Serben;  daß  der  Bauer  den  König 
mit  Du  anspricht,  liegt  eben  [nicht  an  dem  demokratischen  König,  sondern 
an  dem  souveränen  Bauer.  Und  dieser  Grundzug  geht  durch  das  ganze  serbi- 
sche Leben,  die  Literatur  nicht  ausgeschlossen.  Der  Verf.  hat  dieses  gewisse 
aristokratische  Etwas  wohl  geahnt,  doch  findet  er  es  bloß  in  der  Sprache,  die 
serbische  Prosa  ist  ihm  »was  die  Ausdrücksweise  anbelangt,  so  vornehm 
wie  keine  andere«. 

Für  eine  zweite  Auflage  mache  ich  noch  auf  folgende  Korrekturen  auf- 
merksam: Bd.  I,  S.  29:  Hoidenie  st  Choidenie;  34:  Hasanaginica  st  Hasan- 
aginja;  105:  Epos  [Judith]  st  Drama;  106:  ebenso  (für  Qundulids  Tribien); 
106:  Vladko  st  Vlaüiek;  —  IL  59:  Agovanje  st  Agovanie;  87 :  Matica  st.  Ma- 
tice;  91 :  und  auf  der  Öar&ija  st  bei  ...  Öardija  (Ö.  «  Platz,  Harkt);  92:  J. 
Sunde6id  st  J.  Sun6eti<5;  108:  Isa  st  Iza. 

Ein  Schlußurteil  ist  hier  nicht  notwendig,  weil  die  Unternehmung  schon 
an  und  für  sich  lobenswert,  die  Ausführung  aber  bei  den  vielen  Schwierig- 
keiten, die  diesen  Teil  der  Aufgabe  erschwerten,  zu  entschuldigen  ist  Der 
Verf.  wird  sich  außerdem  selbst  überzeugt  haben,  daß  seine  Methode,  die  zu 
sehr  urteilend  und  wertschätzend  auftritt,  auf  einen  so  anspruchslosen 
und  unbearbeiteten  Stoff,  wie  es  die  serbokroatische  Literatur  ist,  nicht  mit 
Vorteil  angewendet  werden  kann. 

Zagreb  (Agram).  D.  IVohoika, 


njinskij,  Die  Urkunde  des  bosniBchen  Banui  Knlin,  angez.  von  Redetar.    149 

Me  Urkunde  des  bosnigchen  Butns  Knlin. 

FpaMora  6aHa  KyjraHa  —  Omirs  KpsTiraecKaro  Haxamn  TOKCTa  cb 
xoiofeHTapiflMH  T.  A.  KiBEHCKaro  oi>  npHiosemeiTB  «OTOTHinraecKaro 

oHHMKa,  St.  Petersburg,  1906,  8^  35  S. 

yorliegende  Pablikation  bildet  den  GLXIV.  Band  der  von  dem  06mecTBo 
jDÖBTejKeK  xpeBHeft  nHciMeHBociH  herausgegebenen  UaMATHEKs  und  enthält 
eine  Ausgabe  der  bekannten  Urkunde  des  bosnischen  Banus  Kulin  aus  dem 
J.  1189  samt  philologisch-historischem  Kommentar  und  phototypischer  Re- 
produktion nach  dem  im  Archiv  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Pe- 
tersburg aufbewahrten  angeblichen  Originale,  wXhrend  bis  jetzt  die  Urkunde 
mehr  nach  der  Ausgabe  Miklosichs  (in  den  Monumenta  serbica)  bekannt  war, 
der  den  Text  der  älteren  der  beiden  im  Wiener  Staatsarchiv  vorhandenen 
Abschriften  der  Urkunde  wiedergegeben  hatte.  Der  Text  des  Petersburger 
Exemplares  war  bis  jetzt  schon  mehrere  Male  herausgegeben  worden :  zuerst 
von  Karano-Tvrtkoviö  in  seinen  GpöcKis  cnouoEHm»!  (Belgrad  1840),  nach  ihm 
von  Sreznevskij  in  den  Beilagen  zu  seinen  Muoih  06%  scTopiH  pycc.  nsbiRa 
(8.233 — ^234  vom  Jahre  1849),  hierauf  von  äafaHk  in  den  Pam&tky  dfevn. 
ptsemn.  Jihoslov.  (Prag  1851]  —  wohl  nach  einer  ihm  im  J.  1832  vom  russischen 
Yisekonsul  in  Ragusa  Gagiö  zugesandten  Abschrift  i)  — ,  und  endlich  von 
Karskij  (im  O^epsi  usb.  rhphjm.  naxeorpMiH,  Warschau  1901),  doch  keine  der 
biBherigen  Ausgaben  war  fehlerfrei,  so  daß  die  kritische  Ausgabe  Bjinskijs 
und  besonders  die  phototypische  Reproduktion  uns  sehr  willkom- 
■iCT  ist. 

Die  Urkunde  ist  zweisprachig:  lateinisch  und  serbokroatisch,  —  jeder 
der  beiden  Texte  von  verschiedener  Hand  und  mit  verschiedener  Tinte  (S.  15) 
geschrieben,  außerdem  der  lateinische  mit  durchgeführter  Worttrennung,  der 
serbokroatische  in  scriptum  continua.  Der  Text  wurde  von  Ilj.  vollkommen 
richtig  und  treu  wiedergegeben;  ich  möchte  nur  die  Richtigkeit  der  Lesung 
hmn  in  der  ersten  Zeile  des  lateinischen  Textes  bezweifeln:  mir  scheint,  daß 
auf  dem  Faksimfle  oberhalb  des  n  Spuren  der  Abkürzung  für  tM  zu  sehen  sind, 
so  daß  das  Wort  als  banus  zu  lesen  wäre;  es  würde  sonst  auffallend  sein,  daß 
in  der  in  leidlichem  Latein  geschriebenen  Urkunde  die  Form  han  nicht  latini- 
siert worden  wäre;  tatsächlich  haben  beide  Wiener  Abschriften  deutlich  ban\ 
d.  i.  hanus.  Femer  ist  in  Z.  IV  amici^am  und  nicht  amiciefam  zu  lesen  (auch 
in  den  beiden  Abschriften  deutlich  mit  t).  Die  Abkürzungen  des  lateinischen 
Textes  wurden  (wohl  wegen  Mangels  der  notwendigen  Typen)  aufgelöst,  wobei, 
so  viel  ich  sehe,  I^.  mit  kursiver  Schrift  die  Buchstaben  wiedergeben  wollte, 
welche  im  Originale  entweder  durch  Abkürzungszeichen  vertreten  sind  oder 
oberhalb  der  Linie  stehen;  doch  seine  Wiedergabe  ist  hie  und  da  weder 
richtig  noch  konsequent;  so  gleich  in  den  drei  ersten  Worten,  welche  Hj.  mit 
»In  noffwiie  pMtrtB^  transskribiert,  ist  im  Originale  das  t  von  nomine  auf  der 

1)  Nochmals  von  I.  Sreznevskij  nach  dem  Original  in  HsBicriH  1852,  B.I, 
S.  344  und  darnach  in  meinen  Primiri  n,  133—134  (Agram  1866).  Sreznevskij 
hat  beidemale  auch  den  iat  Text  beigegeben.  F.  J. 


150  Eritlsoher  Anzeiger. 

Linie  aiisgesohrieben,  dag^en  das  zweite  n  nur  durch  das  Abkttnongszeichen 
angedeutet,  ebenso  ist  das  t  von  patrü  auf  der  Linie  ausgeschrieben;  in  der 
5.  Zeile  aber  hat  I\j.  »no«tram€,  während  in  der  Tat  in  der  Urkunde  >nra*<  steht, 
was  nach  m.  mit  ^noatnm*  wiederzugeben  war;  auf  ähnliche  Weise  wäre  noch 
an  ein  paar  Stellen  dieTransskription  des  lateinischen  Textes  richtigzustellen. 
Der  serbokroatische  Text  dagegen  wurde  möglichst  treu,  also  mit  allen 
Abkürzungen  und  oberhalb  der  Linie  geschriebenen  Buchstaben  wiederge- 
geben, nur  die  Worte  wurden  von  einander  getrennt.  An  drei  Stellen  hat  aber 
Ilj.  das  Interpunktionszeichen  des  Originals  —  einen  Doppelpunkt  —  ausge- 
lassen: in  der  9.  Zeile  nach  npasuMB,  in  der  13.  nach  homorl  und  in  der  19. 
nach  AeBCTBi;  wahrscheinlich  nur  aus  technischen  Gründen  wurde  in  der 

2.  Zeile  das  >6tc  des  Originals  durch  »^eöi«  wiedergegeben,  endlich  in  der 
9.  Zeile  schwebt  das  Abkürzungszeichen  nicht  in  der  Luft  zwischen  npaBUMB 
und  cpL,  sondern  steht  oberhalb  des  letzten  b  von  npasBiMB  und  des  cpB  selbst, 
somit  doch  auf  seinem  Platze,  während  Dj.  (S.  13)  diese  angeblich  isolierte 
Stellung  des  Abkürzungszeichens  herrorhebt 

Das  ist  alles,  was  ich  an  der  Ausgabe  der  Urkunde  selbst  auszusetzen 
habe ;  wie  man  sieht,  handelt  es  sich  um  Kleinigkeiten,  die  den  Wert  der  Auf- 
gabe gar  nicht  beeinträchtigen.  Dagegen  befriedigt  der  exegetische  Teil  weni- 
ger: gleich  die  dem  Texte  folgenden  »paläographischen  Eigentümlichkeiten« 
(S.  14—16)  sind  sehr  knapp  gehalten  und  eine  allgemeine  Charakteristik  det 
Schrift  fehlt  gänzlich ;  entschieden  unrichtig  ist  es  aber,  wenn  Dj.  in  bezug 
auf  rpahaMB  Z.  3  yon  einem  Zeichen  ^  spricht;  dieses  Zeichen  wurde  bekannt' 
lieh  erst  im  Anfange  des  XIX.  Jahrh.  von  Vuk  eingeführt  und  das  (bosnisch-) 
cyrillische  h  bezeichnete  allerdings  in  der  ältesten  Zeit  den  Laut  et  (cyrilL  !>), 
doch  allmählich  Vurde  es  zur  alleinigen  Bezeichnung  des  Lautes  (f  (cyrill.  h) 
verwendet^);  überflüssig  ist  femer  in  bezug  auf  ein  Denkmal  der  serbo- 
kroatischen Volkssprache  die  Bemerkung  (S.  14),  daß  »in  den  übrigen 
Fällen  wir  anstatt  i  hinter  weichen  Konsonanten  a  vorfindenc,  dagegen  ver- 
misse ich  (auf  S.  13  unter  den  Anmerkungen  zum  Texte)  die  Bemerkung,  daß 
nicht  nur  bei  ÄOROza  Z.  6,  sondern  auch  bei  ApBxaTv  Z.  5  die  Schlinge  des  o 
durch  einen  horizontalen  Strich  ersetzt  ist,  so  daß  der  Buchstabe  einem  a  ähn- 
lich sieht  ^.  Noch  weniger  befriedigt  aber  das  ELapitel  über  die  »linguistischen 
Eigentümlichkeiten«  (S.  16'~19).  So  ist  zunächst  ungeschickt  stilisiert,  was 
(auf  S.  17)  über  die  lautiiche  Geltung  des  b  in  eBaHBre^iHe  Z.  15,  aBBrscTa  Z.  18 
gesagt  wird,  denn  der  Leser,  an  welchen  sich  Dj.  dabei  wendet,  könnte  glan- 
ben,  daß  in  diesen  Fällen  noch  der  Schreiber  der  Urkunde  das  b  ausgesprochen 
habe!  —  Die  »ekavische«  Form  sjeftH  Z.  10  (nicht  131)  ist  nicht  »auf  Rechnung 
des  Einflusses  der  ekavischen  Aussprache  der  kirchenslayischen  Denkmäler 
ostserbischen  Ursprunges«  zu  setzen,  aondem  ist  die  alleinige,  für  alle  aerbo- 
kroat  Dialekte  nachweisbare  Form  zu  altslo v.  zUdb  (ein  zl^'ed  oder  üid  ist  nicht 

^)  Ich  weiß  nicht,  warum  Dj.  das  homorb  von  Z.  13  auf  S.  34  mit  noMO^^B 
wiedergibt;  ,Hilfe*  heißt  ja  im  Sbkr.  pomo6  und  nicht  pomodl 

3)  Das  Tcranlaßte  auch  Sreznevskij,  in  den  Hsb.  zu  drucken  xokojr. 

V.J. 


njinBldj,  Die  Urkimde  des  bosniBebem  BsmiB  Kalin,  angez.  von  Be&etar.    151 


|. — MHe  Z.  13  ist  keine  »interesBftnteFonn  des  Ben.  Bing.  auB  *M&&e«, 
sondern  ein  nnsohnldigefl  Sdirelbvenehen,  das  die  Xltere  Kopie  in  Mone  richtig- 

geateOt  bat  —  poxicrs  Z.  17  ist  nicht  notwendig  als  poxAicrsa  zn  lesen;  ans 
Daniftida  Wöiterbncb  iiätte  Hj.  eraehen  können,  daß  in  den  alten  sbkr.  Urkun- 
den nicht  selten  in  der  (BelbstrerstSndlieh  kirchenBlavisohen)  Form  poxabctbo 
daa^  [der  Anssprache  der  sbkr.  Schreiber  entsprechend)  nicht  geschrieben 
wnrde,  so  daß  die  Formen  poxbctbo  (poxacTBo),  poxTSo,  pomcrBo,  pomTBo, 
pomBo,  poiQTBo  entstanden.  —  Falsch  ist  die  Ansicht,  daß  die  Schreibungen 
B<uos&  (fOr  vnlov)  Z.11,  noBejioBL  Z.  16,  xpLCTHTCJia  Z.  20,  6aH0BB  {fiir  hanov)  Z.  17 
zeigen,  daß  in  der  Sprache  des  Schreibers  l  (Ilj.  meinte  wohl  /)  nnd  nj  »mitt- 
lere Lante«,  also  keine  Palatallaute  waren;  dieser  Schluß  wäre  ebenso  richtig, 
wie  wenn  man  aus  dem  Umstände,  daß  derselbe  Schreiber  i  ,ego*  nnd  Te6% 
,tibi'  schreibt,  folgern  wollte,  daß  er  an  beiden  Stellen  das  %  gleich  ausge- 
sprochen habe!  —  wsb  Z.  5,  12, 17  für  das  urslav.  oiz  ist  nicht  >aus  den  Be- 
dingungen des  Sandhic  zu  erklären,  sondern  ist  eine  Analogie  nach  pod^  nad^ 
kod,  —  6aH0BB  (fUr  hariov)  Z.  17  ist  keineswegs  eine  Verschreibung  fUr  *6aHo- 
Bon,  sondern  die  ganz  regelmäßige  Form  des  Instr.  sing.  fem.  des  Adjektivs 
ha^  ,dem  Banus  gehörig*  mit  der  älteren  sbkr.  Endung  -ov  aus  -oju.  —  KHpc 
,qui'  Z.  7  ist  kein  Akk.plur.,  der  an  Stelle  des  Nom.  stehen  würde  (der  serbo- 
kroatisch-stokavische  Akk.  plur.  mask.  würde  ja  X;ßre  lauten!),  sondern 
der  übliche  Nom.  plur.;  daß  der  Gutturallaut  vor  dem  t  nicht  assibiliert  wurde, 
Ist  bei  diesem  Pronomen  gar  nicht  auffallend,  somit  hätte  Hj.  der  von  Jagiö 
schon  vor  40  Jahren  gegebenen  und  ihm  bekannten  (S.  8)  Erklärung  wohl 
beitreten  kOnnen.  Letzteres  hätte  er  aber  unbedingt  in  bezug  auf  die  Form 
icore  Z.  14  tun  müssen;  Jagiö  hatte  die  richtige  Erklärung  gegeben:  es  ist  der 
Part  praes.  act  mit  der  Endung  -e  für  urslav.  f  (anstatt  urslav.  -y),  vor  wel- 
cher der  Gutturallaut  bei  dieser  jüngeren  Formation  ebenso  unverändert 
bleibt,  wie  in  den  ganz  genau  entsprechenden  altrussischen  und  böhmischen 
Beispielen  wie  TCRafi,  BceMorau;,  bezw.  ieka^  peka  u.s.w. ;  die  Aufstellung  eines 
Substantivs  Hora  ,pote8ta8*  (S.  9  und  34)  war  somit  ein  sehr  unglücklicher 
Gedanke. 

Nach  den  »linguistischen  Eigentümlichkeiten«  hat  Bj.  noch  auf  S.  19 — 31 
die  »historische  Bedeutung«  der  Urkunde  besprochen,  eigentlich  die  Tätig- 
keit Kulins  und  sein  Verhältnis  zum  Bogumilismus  erörtert,  hauptsächlich, 
wie  er  angibt,  nach  einem  Aufsatze  von  Fr.  Milobar  im  XY.  Band  des  Olasnik 
des  bosn.-herzeg.  Landesmuseums,  und  zuletzt  ein  vollständiges  Wörterver- 
zeichnis hinzugefügt  (S.  32—35).  Bj.  hat  sich  somit  redlich  Mühe  gegeben, 
um  seine  Ausgabe  dieser  sowohl  in  sprachlicher  als  auch  in  historischer  Be- 
ziehung so  wichtigen  Urkunde  möglichst  vollständig  zu  gestalten,  nichts- 
destoweniger hat  er  zwei  sehr  wichtige  Punkte  fast  gänzlich  Übergangen, 
nämlich  die  Frage,  ob  das  Petersburger  Exemplar  der  Urkunde  wirklich  ihr 
Original  ist,  dann  das  Verhältnis  des  serbokroatischen  zum  lateinischen  Texte. 
So  seheint  Bj.  nicht  einen  Moment  daran  gezweifelt  zu  haben,  daß  das  Peters- 
bmger  Exemplar  wirklich  das  Original  der  Urkunde  sei,  obschon  er  als  ,genug 
merkwürdig'  (S.  15)  bezeichnet,  daß  das  Stück  keinen  Siegelabdruck  hat;  wo- 
her weiß  somit  Bj.,  daß  dieses  Stück  nicht  eine  Abschrift  ist?   Vielleicht  hat 


152  Kritischer  Anzeiger. 

er  sich  darauf  verlaaBen,  daß  die  cyrüliBche  Schrift  der  Urkunde  ans  dem 
Ende  des  XII.  Jahrh.  ist,  was  ihm  vielleicht  auch  für  die  lateinische  Schrift 
von  kompetenter  Seite  bestätigt  wnrde;  mOglich,  daß  er  auch  auf  den  Um- 
stand sich  stützte,  daß  die  beiden  Texte  wohl  von  verschiedener  Hand,  ganz 
gewiß  aber  mit  verschiedener  Tinte  geschrieben  wurden,  während  eine  even« 
taelle  Abschrift  wahrscheinlich  von  einer  Hand,  jedenfalls  aber  in  derselben 
Kanzlei,  somit  mit  derselben  Tinte  geschrieben  worden  wäre.  So  nngefShr 
dürfte  ly.  argomentiert  haben,  denn,  wie  gesagt,  er  spricht  nicht  den  gering- 
sten Zweifel  Über  die  Orig^alität  der  Urkunde  ans.  Doch  wie  vorsichtig  man 
sein  muß,  zeigt  nns  das  ältere  von  den  beiden  Wiener  Exemplaren  der  Ur- 
kunde: auch  hier  ist  der  lateinische  Text  höchst  wahrscheinlich  von  anderer 
Hand,  ganz  bestimmt  aber  mit  anderer,  dunklerer  Tinte  geschrieben  als  der 
serbokroatische,  trotzdem  beide  Stücke  ganz  gewiß  jüngere  Kopien  sind,  da 
sowohl  die  cyrillische  als  auch  die  lateinische  Schrift  für  das  Xin.,  ja  sogar 
für  die  zweite  Hälfte  des  XIII.  Jahrh.  sprechen.  An  und  für  sich  könnte  somit 
auch  das  Petersburger  Exemplar,  da  es  keinen  Siegelabdruck  und  auch  keine 
eigenhändige  Unterschrift  trägt,  ebenfiUls  eine,  meinetwegen  gleichzeitige 
Kopie,  immerhin  aber  eine  Kopie  sein !  Ich  wendete  mich  daher  an  Professor 
V.  Ottenthai,  der  mit  der  größten  Bereitwilligkeit,  wofür  ich  ihm  auch  hier 
aufrichtig  danke,  mir  alle  gewünschten  Auskünfte  gab,  speziell  auch  den  la- 
teinischen Text  einer  eingehenden  Untersuchung  in  paläographisch-diploma- 
tischer  Beziehung  unterwarf,  aus  der  sich  herausstellte ,  daß  die  lateinische 
Schrift  einen  durchaus  gleichzeitigen  Eindruck  macht,  ja  vielfach,  so  speziell 
in  Überresten  der  älteren  Kursive,  sogar  einen  etwas  älteren,  was  sich  daraus 
erklärt,  daß  sich  derartige  Überbleibsel  in  der  italienischen  Urkundenschrift 
vielfach  gehalten  haben.  Die  Form  aber,  in  welcher  die  Urkunde  ausgestellt 
wurde,  ist  die  einer  Notariatsurkunde,  für  welche  zu  dieser  Zeit  ein  Siegel- 
abdruck gar  nicht  notwendig  war,  da  die  vom  Notar  am  Schlüsse  hinzugefügte 
Beglaubigungsformel  genügte,  welcher  in  unserem  Falle  der  vom  Schreiber 
des  Banns  herrührende  Zusatz  entspricht  Alles  dies  würde  aber  noch  nicht 
genügen,  um  das  Petersburger  Exemplar  als  ein  Original  zu  bezeichnen; 
glücklicherweise  befindet  sich  bei  mir  eine  sehr  schöne  Photographie  einer 
Bagusaner  Urkunde  aus  dem  Jahre  tl90  (abgedruckt  zuletzt  bei  Smi&iklas, 
Codex  diplomaticus  U,  Nr.  230  [S.  245 — 247],  die  vom  »diaconus  Marinus  et 
Ragusii  communis  notarius  plena  in  curia  Ragusorum«  geschrieben  wurde. 
Mir  fiel  die  große  Ähnlichkeit  dieser  Schrift  mit  der  lateinischen  der  Peters- 
burger Urkunde  auf,  so  daß  ich  sogleich  daran  dachte,  daß  dieser  diaconus 
Marinus  auch  den  lateinischen  Text  der  Urkunde  des  Banns  Kulin  geschrieben 
haben  könnte,  was  von  Professor  v.  Ottenthai  bestätigt  wurde,  der  sich  dabei 
besonders  an  das  vollkommen  gleich  geformte  Kreuz  im  Anfange  der  beiden 
Urkunden  —  das  Notariatszeichen  des  diaconus  Marinus  —  stützte. 

Diese  Konstatierung  ist  von  der  größten  Wichtigkeit,  weil  sie  uns  über- 
haupt die  Entstehung  der  doppelsprachigen  Urkunde  ziemlich  deutlich  er- 
kennen läßt  Als  die  Bagusaner  vom  bosnischen  Banus  das  Becht  des  freien 
Aufenthaltes  und  Handels  in  seinem  Lande  erwirken  wollten,  da  ließen  sie 
zunächst  von  ihrem  »communis  notarius«,  eben  dem  diaconus  Marinus,  latei- 


I^'inakij,  Die  Urkunde  des  bosniBchen  BanaB  Knlin,  angez.  von  Re&etar.   153 

mach  den  WorÜaat  des  EidBehwures  niederBohreiben,  den  Bie  dem  boBniBchen 
Banni  abnehmen  wollten.  Da  wir  nichts  davon  wiBBen,  daß  Knlin  ban  je  in 
Ragnoa  gewesen  sei,  bo  kann  man  ohne  weiteres  annehmen,  daß  ragnsanisohe 
Abgesandte  mit  dem  lateinischen  Texte  des  za  leistenden  Eidschwnres  mm 
boenischen  Banns  sich  begaben,  der  den  Eidschwnr  zunächst  von  Beinem 
Kanaler  Badoje  ins  Serbokroatische  ttbersetzen  ließ,  dann  den  Eid  nach  die- 
sem serbokroatischen  Texte  tatsächlich  leistete,  worauf  Badoje  die  Beglanbi- 
gungsformel  nnd  das  Datum  hinzufügte. 

Auf  diese  Weise  erklärt  sich  auf  das  einfachste  auch  das  Verhältnis  der 
beiden  Texte  zu  einander:  nicht  der  serbokroatische,  sondern  der  lateinische 
Text  bfldet  den  Ausgangspunkt,  ist  das  Original,  das  (von  Badoje]  Übersetzt 
wurde.  Übrigens  jetzt,  da  wir  das  Petersburger  Exemplar  in  treuer  Bepro- 
duktion  vor  Augen  haben,  wäre  kaum  daran  zu  zweifeln,  denn  es  ist  augen- 
seheinüeh,  daß  zuerst  der  lateinische  Text  geschrieben  wurde,  der  genau  so- 
viel Platz  einnimmt,  als  er  braucht,  um  gleichmäßig  geschrieben  zu  werden, 
woran  unmittelbar  der  serbokroatische  Text  sich  anschließt;  man  hat  also 
nicht  etwa  einen  freien  Baum  gelassen,  um  die  später  zu  verfertigende  latei- 
nische Übersetzung  einzufügen,  sondern  man  hat  sogleich  mit  der  Nieder- 
schrift des  lateinischen  Textes  angefangen.  Übrigens,  warum  hätte  man  gerade 
der  Übersetzung  den  ersten  Platz  eingeräumt? 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  noch  einige  Worte  über  die  beiden  Wiener 
Exemplare  der  Urkunde  sagen.  Miklosich  erwähnt  sie  (Monumenta  S.  2)  mit 
den  Worten:  »duo  apographa  vetustissima,  quorum  alterum  ineunte  saeculo 
XnL  factum  est«,  und  hat  den  serbokroatischen  Text  der  Urkunde  nach  der 
älteren  Wiener  Abschrift  herausgegeben.  Ob  letztere  wirklich  dem  Anfange 
des  Xni.  Jahrb.  angehört,  mag  dahingestellt  sein:  die  slavische  Schrift  macht 
auf  mich  eher  den  Eindruck  der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts.  Der  serbo- 
kroatische Text  folgt  auch  hier  —  auf  einem  engen  Pergamentstreifen  —  un- 
mittelbar dem  lateinischen  und  ist  —  wie  erwähnt  —  wohl  von  anderer  Hand, 
gewiß  mit  verschiedener  Tinte  geschrieben,  was  wohl  so  zu  erklären  ist,  daß 
die  doppelsprachige  Urkunde  in  der  ragusanischen  Kanzlei  von  zwei  verschie- 
denen Schreibern  abgeschrieben  wurde  (einem  »lateinischen«  und  einem  »Bla- 
vischen«),  von  welchen  ein  jeder  seine  eigene  Tinte  hatte  (weil  in  älterer  Zeit 
ein  jeder  Schreiber  sich  selbst  seine  Tinte  zubereitete !).  Der  serbokroatiBche 
Text  ist  bei  Miklosich  vollkommen  richtig  herausgegeben,  nur  wurden  —  wie 
immer  bei  Miklosich  —  die  Abkürzungen  aufgelöst;  der  lateinische  Text  ent- 
spricht, wenn  man  von  den  zum  Teil  auf  andere  Weise  bezeichneten  Abkür- 
zungen absieht  —  genau  dem  Texte  des  Originals ;  die  einzigen  Abweichungen 
sind:  Zeile  I  (bei  qjinskij)  han'  (für  han),  Z.  11  htjene  (für  botne),  Z.VI  mercanUf 
(für  moereatd€9\  Z.  Xu  adiuuet  (für  a4;tM<). 

Verschieden  ist  das  äußere  Aussehen  der  jüngeren  Abschrift:  der  latei- 
nische Text  ist  gedrängt  im  obersten  Teile  des  engen  Pergamentstreifens  ge- 
schrieben, worauf  zehn  linierte  leere  Zeilen  ihn  vom  serbokroatischen  Text 
trennen.  Der  lateinische  Text  bietet  auch  hier  nur  wenige  unbedeutende  Ab- 
weichungen: Z.  I  ban\  Z.VI  mercanttf^  Z.IX  apd*  (für  aput)^  Z.  XII  adiua? 
sowie  h[aee)l8{ün)e[(ja  d{omin)i  .inj  eua{n)g(e)lja. 


1 54  Kritischer  Anseiger. 

Diese  Absohrift  bietet  mehrere  Abweichangen  und  Eigentümlichkeiten, 
besonders  in  orthogimpldsdier  Beeiahnng,  so  daß  sie  dis  Zeidien  fa  nieht  T«r- 
wendet;  deswegen  lasse  ich  ans  ihr  die  yariae  lectiones  zum  Texte  des  Origi- 
nals folgen,  wobei  ich  mit  einem  eingeklammerten  B  diejenigen  bezeichne, 
welche  den  beiden  Kopien  gegenllher  dem  Original  gemeinsam  sind:  Z.  \p 
ÖocencRH;  3  rpar&Mi;  4  npaBH;  5  (l^cejit,  bIrb;  *6  cmb;  6/7  ce  b&cIuh  XBtfpoBB- 
VEMH  (f&r  BBCH  ffv6pOBB^aHe) ;  7  MOMs;  8  rbto  (B);  9  rbto,  npaBHMB;  9/10  cpB- 
noMB  (B);  10  (Sese,  BBJKeAH  (B);  10/11  pasBBi  (B);  11  ^bto,  cbohobb  3);  12  ^ecxB- 
HiROBB  (B);  12/13  8  MoeH  seMJiH  (für  8  icHe);  14/15  npHMBiCBJHt;  15  6rB  (6b  B]; 
17  pomBCTBa  XBpBCTOBa  THCsma;  19  acboth  (B),  xbhb  (B);  20  HOBana.  Wie  man 
sieht,  stimmt  die  jfhigere  Abschrift  mit  der  älteren  in  mehreren  Punkten  Über- 
ein,  besonders  wichtig  sind  der  Nominativ  6oTh  anstatt  des  Vokativs  6o;Re  in 
Z.  15,  sowie  ^ecTUHROBB  in  Z.  12,  so  daß  man  deswegen  annehmen  konnte,  die 
jüngere  Kopie  sei  ans  der  älteren  geflossen;  doch  in  anderen  Punkten  gibt 
die  jüngere  Abschrift  gegenüber  der  älteren  den  Originaltext  treu  wieder,  so 
besonders  in  cxaro  Z.  1  (cTora  B),  AOKOja  Z.  6  (AORO^t  B),  roAt  Z.  8  (rBAt  B),  so 
daß  wohl  daran  zu  denken  ist,  daß  beide  Abschriften  ans  einer  dritten,  ver- 
loren gegangenen  Kopie  geflossen  sind.  Beide  Kopien  wurden  ganz  bestimmt 
in  der  ragusanischen  Kanzlei  verfertigt;  dies  ist  an  und  für  sich  vorauszu- 
setzen und  wird  durch  den  Umstand  bestätigt,  daß  wenigstens  sporadisch  der 
Halbvokal  durch  e  wiedergegeben  wird:  qecTHHROBB  in  beiden  Abschriften, 
dann  ce  bbcImh  und  6e3e  BBcaRoe  in  der  jüngeren  Abschrift  (vgl.  Archiv  f.slav. 
Phil.  XYI,  346).  M.  Rdetar. 


Kleine   Mitteilungen. 


Johannes  Uieviö  ein  Grammatiker  des  X  VIL  Jahrh, 

Schon  Banduri  und  nach  ihm  Dobrovsk^  (Instit.  p.  LXII)  erwähnen  eine 
in  der  Pariser  Nationalbibliothek  befindliche  handschriftliche  Grammatik  der 
kirchenslavisch-klein-  oder  weißrussischen  Sprache,  deren  Verfasser  sich 
selbst  Joannes  üsevicius  (in  anderer  Othographie  am  Schluß  Ügevicius)  be- 
zeichnet und  seine  Abstammung  durch  den  Ausdruck  Sclavonus  sehr  ungenau 
bestimmt  P.  Martinof  gedenkt  des  Werkes  in  seinem  Büchlein  Les  Manuscrits 
Slaves  de  la  bibliothöque  imperiale  (Paris  1858,  S.36— 38)  und  hebt  hervor,  daß 
die  Sprache,  welcher  dieses  Büchlein  gilt,  »un  mölange  de  slavon  et  de  polo- 
nais«  bilde.  Vor  kurzem  hat  auch  Akademiker  A.  I.  Sobolevskij  die  Pariser 
Ebindschrift  von  neuem  in  der  Hand  gehabt  und  in  den  »^tohIrc  der  Eäjewer 
Nestor-Gesellschafk  darüber  näher  gehandelt  (mir  liegt  ein  SA.  vor).  Damach 
hat  das  Manuskript  den  Titel  FpaMaTBiRa  |  cioBeBCRax  |  HanscaHa  |  npes-B  (bei 


Kleine  Hitteüangen.  1 55 

Hartmof:  irpeVL)  loaBBa  YsceBava  oioBXBHHa,  c^aBBOK  AicaAeMiH  üapsscKOH 
(Hart  napHxcROH)  b  xeoüioriH  cxyseETa  |  b  IlapBxy  |  poRy  otb  aapox^Bia  Gusa 
EosKoro  I  AXHT  —  folgt  der  lateiniflche  Titel.  Der  YerfasBer  bezeichnet  Bich 
also  selbst  im  Jahre  1643  als  sacrae  theologiae  stadioBOB  der  PariBer  Univer- 
Bitst  Nnn  bin  ich  aber  in  der  Lage,  ttber  denselben  Mann  noch  nach  einem 
anderen  Exemplar  seiner  Grammatik  zu  referieren,  das  sich  nicht  in  Paris, 
Bondern  in  Arras  (Nordfrankreich)  in  der  dortigen  Stadtbibliothek  befindet  Das 
Exemplar  kam,  Dank  sei  es  der  Yermittlang  des  Herrn  Enstos  Ferd.  Men6ik, 
in  miBere  Hof bibliothek  nnd  stand  mir  durch  einige  Zeit  zur  VerfUgung.  Ich 
will  es  kurz  beschreiben.  Die  Handschrift  ist  in  Leder  gebunden,  kl.-40.  Nach 
den  3  ersten  leeren  Blättern  folgt  4  das  Titelblatt,  einen  schön  ausgeftlhrten 
BOderrahmen  darstellend,  dessen  oberen  Band  zwei  Engel  mit  Lüienstauden 
bilden,  ein  Geflechte  yon  Früchten,  das  sich  in  der  Mitte  herabsenkt,  haltend. 

Ober  demselben  steht  in  einem  Medaillon  1^  '^&j  mit  ausgestreckten  Hän- 
den, an  der  Brust  ein  kleineres  Medaillon  mit  dem  Jesuskind  haltend,  um  das 
Ganze  liest  man  im  Kreise  +  ^ecTHeHmsH)  zepoBHM'B  b  cjraBBeBinsB)  so  bctebb. 
Als  Seitensänlen  stehen  links  das  Bild  des  1.  BASHJIIH,  rechts  das  Bild  des 
S.HnKOJIAn,  darunter  als  Fortsetzung  auf  jeder  Seite  eine  Blumenverzierung 
imd  ganz  unten  auf  beiden  Seiten  je  ein  Engelkopf.  Den  unteren  Band  des 
Bahmens  schließt  ab  eine  ovale  Verzierung,  in  welcher  die  Jahreszahl  steht: 

MTA   (D 
HAfiOTKiHlA    CHa    SO 

;ra  x  u  c. 

In  der  Mitte  des  so  verzierten  Baumes  liest  man  den  Titel  des  Werkes: 

rpaUMaTHKa 

CAORIH^CKaU 

3a0:KfHa  A  HanriicaNa 

iwAHHA   ^9KfBHMa 
CaOBUHHHa. 

Man  rieht  schon  aus  dieser  Titelangabe,  daß  das  Exemplar  der  Stadt- 
bibliothek Arras  um  zwei  Jahre  jttnger  ist  als  das  Pariser  Exemplar.  Die 
Ortsangabe  fehlt  hier.  Ob  das  Manuskript  in  Paris  oder  anderswo  (z.  B.  in 
Born?)  zustande  kam,  kann  ich  augenblicklich  nicht  sagen.  Auf  dem  nächsten 
(5.)  Blatt  steht  in  Farben  ausgeführt  das  Wappen,  das  im  blauen  Grund  einen 
Igel  zeigt,  über  dem  blauen  Felde  steht  ein  schmaler  weißer  Streifen,  in  wel- 
chem drei  grüne  Mondsicheln  <L  eingetragen  sind,  darüber  ein  noch  schmälerer 
roter  Streifen,  auf  demselben  erhebt  sich  eine  Gesichtsmaske  mit  der  Büstnng 
bis  über  den  Hals  und  die  Schultern,  die  Verzierung  besteht  aus  Gewinden  in 
drei  Bundungen  (größeren,  mittleren,  kleineren).  Über  dem  Wappen  liest  mar 
3EAH3^a  ii  SfifAAiKAf  unter  demselben  diese  Verse  in  Gold: 


r    T 


1 56  Kleine  Mitteilangen. 

Hfl  rePBli  nflHO  BPUrflAA-bPOBli 

OiiSiuHf  CA  b'  rfpBK  u*fccfi4u  3HaAA^iOTb, 

FA^SK'k  EpHraAA'^pOBTk  UH^Tlk  äCHOCTk  3HaKSlO. 
l)  SB'Kp'k   KOTOpyH   CD   BCMA^  CA   BOpOHHTk, 
I^HOTkl    A   CAaBU   lÖHU^'k   SKI  ^Op^HNTk. 

Kto  3ick  roA^Ba  A^^pi  SBaxcifTk, 

Al^A^KOCTk   A    ipHpOCTk   AaTBO   AU'k   npH3HaiTk. 

Il&aH'k   2?}KIBHHH    CAOBAHHH'k   pOKS   /t^AXÜ^. 

Blatt  5^  ist  leer.  Auf  Bl.  6  und  7»  beginnt  das  Alphabet,  kolnmnenartig 
gnippiert,  in  der  ersten  Kolumne  steht  der  Name  des  Buchstaben  mit  cyrill. 
Unzialschrift  geschrieben^  in  der  zweiten  mit  KursivschrifÜ;,  in  der  dritten  mit 
latein.  Buchstaben,  in  der  vierten  die  Aufzeichnung  der  Buchstaben  selbst  in 
der  Unzial-  und  Kursivform,  in  der  fünften  endlich  der  entsprechende  latein. 
Buchstabe.  Die  lateinische  Namenbezeichnung  lautet  (ich  hebe  nur  einige 
heraus) :  glaoul . .  giuite  . .  ircy  . .  slouuo,  tuuerdo,  ik,  onyk,  . . .  t^i,  tcher, 
cha  (chapeau),  chtcha,  ior,  iory,  ier,  iat . .  fita,  igitsa,  ins,  titla.  Zum  Schluß 
dieses  Verzeichnisses  folgt  mit  cyrillischer  Kursivschrift:   HpiEAarocAO- 

BIHHa  ICH  BOropÖAHlil  A'I^B^}  BOnAOTHB'kUIHMlk  BO  CA  HC 
TfBJ  'AAI^  nAfHHCA,  'üji.AWW  npH3BaCA,  'IfBBa  CBOBOAHCAy 
CMipTk  ^MCpTBHCA,  a  Hh^  IV}KH}fO^  T'^Mlk  nOl^l|Jf  B030nifU'k 
BAarOCAOBIH'k    BOrik   H3B0AHBIil"   TAKO.     Auf  Bl.  7b,  8  bis  11^  liest 

man  compositio  syllabica,  d.  h.  Zusammenstellung  von  Silbengruppen,  zuerst 
in  Unzialschrift,  nachher  in  Kursivschrift.  Als  Leseprobe  folgt  mit  durchge- 
führter Silbentrennung  Ps.  103  v.  1—14,  in  verschiedenen  Schriftarten  aus- 
geführt  Auf  fol.  12  gibt  der  Grammatiker  das  glagolitische  und  daneben 
als  Erklärung  das  kursive  cyrillische  Alphabet  (die  glagolit  Buchstaben  sind 
der  sogenannten  kroatischen  eckigen  Schrift  entnommen,  es  kommen  auch 
die  üblichen  kroatischen  Ligaturen  vor).  Auf  fol.  12^  steht  cyrillisch-kursiv 
das  d^ve  Ham-B  in  kirchenslavischer  und  fol.  13^  in  polnisch- weißrussischer  Fas- 
sung, oben  wird  es  HoiHTBa  rocnoAHia,  unten  MOinTBa  naHLCKai  genannt.  Es 
wird  vielleicht  nicht  überflüssig  sein,  beide  Texte  nebeneinander  zu  stellen: 


(Dhc  HaiiJik  HHCc  Ich  Ha  hcbi- 

CfY'k,  A^  CBfTHTkCtÜ  HMEI  TBOf, 

Aa  npHHACTk  i^apcTBif  tboi, 
Aa  b8a<  boau  tbou,  liKO  ha 

HfBICH  H  Ha  3fMAH.  Xa'KBIi 
HAlil'k  HAC8l|JHklH  A^H^<  ^^ 
AHfCk,  H  WCTABH  HAWK  A^^^^H 
Hatlll  UIKO^KC  H  Mkl  IVCTaBAUf  Mlk 


{Dm  HAUIlk  KOTOpuA  fCTCCk 
b'  HfBCC(]flk,  CBITHCf  HM0  TBOl, 
npiHAH  KpOAfBlkCTBO  TBOf, 
B^AH  BOACa  TBOA,  tlKO  HA  HfBtl 
H  HA  3CMAH.  XaISBIi  HAlUlk 
nOBIUlAHHH  fii^AÜ  HAMlk  TCHfp'k, 

H  CDn^cTH  HAU*k  A^^rH  hauii 
UKO  h  Mkl  {Dn8i|JACM'k  a^^^hT- 


Kleine  MitteilungeiL 


157 


AOASKHHKOU'k    HaUJHU'k,    H    Hl 

BORIAH  Hack  BO  hckSuj^hVi,  ho 
H3E4BH  Hack  Ui  aSKaBOFO,  äxo 
TBol  icTk  i^apcTBO  wu^a  H  China 

H  CBtlTOrO  A^X^  HUH*K  H  npH- 
CHO  H  BO  Bt[KH  B'KKOU'k,  aUHHk. 


KOU'k    HaUlHUlk    H    Hl    BOBI^H 

Hack  B'k  noK^ujiHYiy  aai  nack 
ssaB'k  (D  Bciro  aaoro,  noHi- 

Ba^K'k  TBOl   icTk  KpoaiB'kCTBO 

cHAa  H  caaBa  {0i^a  h  cuna  h 
cBUToro    A^XAj     Tinip'k     A 

BAE}Kfi,hi    H    Ha    Bt[KH    Bt^KOBlk, 
aUHHk. 

Auf  Bl.  14b  imd  15A  folgt  nach  verschiedenen  Schriftproben,  gezeigt  an 
dem  Verse  »npYsAiTo  noKJioHYMCA  napesH  nameMs  öors«  nnd  nach  einer  Implo- 
ratio  B.  Y.  Mariae  —  das  Vateranser  glagolitisch,  doch  nicht  in  rein  kroa- 
tbcher  Redaktion,  denn  der  Grammatiker  schreibt  dolhi  (h  für  g)  na&a,  doÜni- 
kom%  Yoyedi,  BvStaho  dnga  (wnrde  i>  mit  %  verwechselt).  Anf  Bl.  15^16  liest 
man  cyrillisch  no6AopoB6H@  6oropoAHm>i  a^bu  HapYH  und  HcnoBexaEHd  Bipu 
npftBOcxasHoa.  Bl.  17  enthält  'AsösRBHAapi  öoc^hbckYh,  d.  h.  das  cyrillische  Al- 
phabet bosnischer  Abart,  mit  bekannten  paläogr.  Abweichungen  bosnischer 
Dmcke.  Anf  BL  18  liest  man  >Commentarins  litteramm«,  d.h.  es  folgen  einige 
Bemerkungen  zn  einzelnen  Buchstaben,  z.B.  h  wird  von  h  unterschieden,  dann 
heißt  es  >7  et  A  idem  valent«,  femer  werden  i  von  h  gut  auseinandergehalten. 
Anf  Bl.  19  steht  leotio  abbreviata  et  plana,  d.  h.  eine  Übersicht  der  Abbrevia- 
turen, in  cyrillischer  und  glagolitischer  Schrift 

Auf  Bl.  20  beginnt  De  partihtu  orationüy  und  zwar  zuerst  de  deelinati<h 
nibu$  Nommumj  es  werden  vier  Deklinationen  aufgestellt:  1)  CTapocxa,  2]  nasi, 
cioBo,  3)  KaifeHi,  nuTaä,  4)  CTajn,  iraana.  Zu  jeder  dieser  vier  Deklinationen 
sind  einige  Bemerkungen  hinzugefügt  Darauf  folgt  (Bl.  29)  die  Deklination 
der  Adjektiva,  ebenfalls  mit  verschiedenen  Bemerkungen,  auf  BI.32  »De  com- 
paratione«,  und  auf  BL  33»  »de  casibus  nominum  vagabundis«,  worttber  so 
gesagt  wird:  »Sclavonica  lingua  casus  quosdam  habet  vagabundos,  id  est  ad 
nullum  ex  sex  ordinariis  pertinentes,  qui  cum  praepositionibus,  uti  npH  coram 
aut  penes,  na  supra,  b^  in  positi  plenam  sortiuntur  significationem,  egr.  na 
«KttxK  in  prandio,  npH  nanazi  coram  dominis,  npH  jnDffexx  6oram  hominibus, 
b'  xextsH  in  ferro,  b*  aha'  in  diebus.  Et  hi  vagabundi  casus  plerumque  in  a 
vel  e  desinunt,  ut  b'  KOJitsH  vel  b*  »ojilse.  PluraHa  in  (leerer  Raum)  vel  (leerer 
Baum)  desinunt  ut  patet  supra.  Vagabundis  casibus  in  dedinationibus  nom. 
substant  ad  locum  abblativi  crux  +  apponitnr.  Nomina  adjectiva  vagabundis 
earent«.  Diesen  Notbehelf  von  einem  casus  vagabundus  veranlaßte  die  Lücke 
in  der  Deklination,  da  der  Verfasser  unter  Ablativus  nur  die  Form  des  Instru- 
mentals angibt,  darum  wurde  hie  und  da  beim  Ablativus  noch  die  Endung  des 
Lokals  mit  +  hinzugefllgt,  z.  B.  bei  der  L  und  U.  Deklination  heißt  es  Abi. 
plur.  aifx  +  ax%,  bei  der  m.  und  IV.  mme  +  az-k.  Auf  Bl.  34»  wird  De  prono- 
minilms  gehandelt  Hier  lesen  wir  (fol.  37i>)  die  Bemerkung:  Derivatio  pro- 
nominum  fecundior  est  Sclavis  quam  Latinis,  als  Beispiele  zitiert  er  neben 
CBosnoch  cBOBcsift,  so  auch  TBoftcRiH,  MoficKis,  Bacxix.    Dann  kommt:  De 


158  Kleine  ICitteilttiigen. 

compositione,  variatione  ac  deriyatione  nominum.  Für  die  Kompoaition  wer- 
den einige  Beispiele  angeführti  wie  KpacoMOBim,  kpecomobccbo.  Znr  Variatioii 
zählen  solche  FäUe,  wie :  ^jioBeR'B-jBDAH,  poRi-^iTa,  <I%nn  Bingolaria  nnd  pla- 
ralia  tantnm.    Znr  Deriyatlon  rechnet  er  Beispiele  wie  «eAop'B-^eAopöBHTB, 

KpaKOBIb-KpaKOBMHHH'B,  CJIOH*CKO-CJ(eHSain-CJieHXa^Ka,  HeMem>-HeMKHHA,  MOCKBa- 

MOCRBHTHH'B-MOCROBKa,  Und  bci  Adjektiven:  M&xBiii-MadimzHufi-ii&nbceHRiH- 
iiajBEbceHeqRiH-MajmceH^qeHRifi.  Anf  Bl.  40  ist  von  De  generibns  nominnm  die 
Bede  —  damit  beschlieiSt  die  Deklination.  Anf  BL  44  beginnt  De  coningatio- 
nibns  yerbonun.  Zur  I.Konjng.  rechnet  der  Verfasser  Verba  wie  kb»,  Majiraio, 
znr  IL  Yerba  mit  vorausgehendem  Konsonanten,  wie  uethb,  Baps.  Das  Para- 
digma endigt  in  der  3.  pers.  sing,  und  3.  pers.  plur.  immer  auf  -Tb.  Für  das 
Präteritum  kennt  er  zunächst  nur  Bildungen  von  dem  Partizipium  auf  -x'Lj 
wobei  auf  die  Genusunterschiede  besonderes  Gewicht  gelegt  wird,  so  heißt 
es,  daß  das  Präteritum  imperfectum,  perfectum  et  plusquamperfectum  diffor- 
miter  singulariter  und  pluraUter  uniformiter  gebildet  werden,  wofür  Beispiele 
gegeben  sind:  ROBiuieM'&,  ROB&JiecB,  ROBa.»,  dann  ROBäjiaMi,  ROB&.KacL,  ROBajca 
und  ROBa^EOMX,  ROBajocB,  ROBajio;  dagegen  Plural  nur:  robejexcmu,  ROB&jHcre, 
KOBidUi.  Für  das  Futurum  wird  neben  u  68xoy  ROBaTH  auch  noch  68X8  Rosaa» 
zitiert  und]  dazu  bemerkt:  Praeter  hanc  formandi  fiituri  tempora  normam 
unum  quidqne  verbum  habet  pecuüare  futurum  simpUciter  sonans,  vg.  crhio. 
Der  Imperativ  lautet  in  der  3.  Person  uezaH  xsS  vel  rsotb.  Den  Optativ  bildet  er 
so :  w  vel  ÖOAftH  ölimi  robä.s'b,  6bicb  ROBajr'B,  6bi  KOBaji'B  (durch  alle  Genera),  und 
als  Plusquamperfectum  dazu:  w  vel  6oAa£  6bim'b  öbij^'b  moskÄi»  etc.  Nebst  dem 
Infinitiv  ROBaTH  vel  ROBaxB  zitiert  er  als  Gerundum  ROBauA  cndendL  Daraus 
leitet  er  das  Partizip  auf  aHBiH  etc.  ab,  dann  das  Substantivum  auf  -8:  ROBanS 
cusio.  Dagegen  ist  ihm  rbio^h  endende  gerundium  secundum,  dieses  leitet  er 
von  der  1.  Pers.  sing,  durch  HinzufOgnng  von  -^n  ab;  aus  dem  Gerundium 
entsteht  dann  auch  das  Partizip  auf -^iv,  -qaA,  -voe. 

Zu  der  in  dieser  Weise  analysierten  Koigugation  kommen  nun  aber  noch 
einige  Formen  der  lingua  sacra  hinzu  (Bl.  51),  wobei  der  Verfasser  als  2.  Pers. 
sing,  die  Form  raraiuiemH,  dann  als  Dual  mbi  rjaroiesi,  bbx  rjiaraieTe  hinzu- 
fügt (für  die  3.  Pers.  dual  kennt  er  keine  Form,  er  sagt:  tertia  caret!).  Femer 
als  Imperfektum :  anx  rjaroJiaz'B,  xbi  rzarojiajrB  ecv,  wh^b]  (wna,  who)  tjiavox^ 
plur.  raarojiaxoM'B,  rjaroiacxe,  rirarpjiama  vel  rjiaiuiazB.  Als  Futurum  kennt 
er  neben  6ba8  r^aroji&TH  noch  Bosrjiarojs).  Das  Verbum  substantivum  wird  so 
koi\jugiert :  u  8cTeM&,  xbi  ScxecB,  vwb  Sctb,  mbi  8cxecKBi,  bbi  eoiecxe,  qphh  cb'xb. 
Als  einziges  Verbum  anomalum  wird  angegeben  iwh  comedo.  Dann  kommt 
aber  noch]>Congeries  verbomm  variam  terminationem  habentium«  (Bl.  58"  ff.}, 
wo  er  eine  ganze  Beihe  von  Verben,  die  im  Präsens  auf  ax»,  ab>,  oh>,  b»,  t», 
68,  RB,  Jiio,  HR),  ms,  nr,  ab,  3rb,  bb,  hb,  ps,  ob,  ^b,  xb,  mB  lauten,  einzeln  durch- 
nimmt, um  durch  diese  mechanische  Aufzählung  wenigstens  einigermaßen  dem 
Hangel  an  systematischer  Einsicht  abzuhelfen.  Zum  Schluß  folgt  noch  etwas 
aus  der  Vergleichung  verschiedener  slav.  Sprachen  untereinander:  »Poloni 
1.  pers.  sing,  per  q  caudatum  effemnt  ut  pisz^  Bntheni  per  s  ut  mimB,  Bohemi, 
Moravi,  Dalmatae  et  caeteri  (70»)  reddunt  per  x  vel  mn:  ummM  vel  maaxm 
(sie)   scribo.  Praeteritum  Poloni  cum  Buthenis  simüe:  pisalem :  luica.ieM'B, 


Kleine  Mitteiliuigen.  1 59 

nonnnlli  Bathenamm  dicant  nucaBeMi,  Bohemi  et  Moravi  reddunt  pisai  sem 
vel  pisftw  sem  vel  psaw  aem.  Sacra  lingoa  Solavonica  praeteritam  fonuat  per 
axB,  ut  nacazi  scripBi,  r^urojKazi  dixi.  InfinitivaB  PoloiÜB  venit  in  6  moUe: 
piu^,  csytaiS.  Sntlieni,  Bohemi,  Moravi  et  (70^)  caeteri  Sclavoniae  popoli, 
item  aaera  lingoa  in  hth  yel  htl,  ut  nHcaxH-iixcaTB,  vbih,  6hth«. 

fSe  folgen  noch  ganz  kurze  Bemerkungen  De  ParticipÜB  und  De  genere 
Yeiborum.  Dann  einiges  De  adverbio  und  De  PraepoBitionibuay  De  con- 
innetionibuB,  De  interiectionibuB.  Auf  Bl.  75»  beginnt  SyntaziB  (schön  orna- 
mentiert). Hier  wül  er  nur  das  hervorheben,  quae  a  latina  constructione  dia- 
crepant,  und  zwar  zuerst:  Constructio  genitivL  Da  erfahren  wir  u.  a.,  daß 
>Bola  poBsessio  per  adiectivum  exprimitur« :  Kopona  RopojieBCRaA  non  Kopoaa 
RpoxAy  Bed  ubi  adiectivum  adiungitur :  KopoHa  kpoja  «panuBCKoro  vel  ramnaH- 
cEoro.  Ita  KOHL  reTMaHCKiu,  non  kobl  rexMaHa,  sed  kohl  reTMaaa  xspeaKoro. 
Dann  spricht  er  vom  Genitivus  partis:  jitun,  mh  ziit6a  panis  id  est  partem. 
Vom  GenitivuB  bei  den  Verben,  die  mit  Präpositionen  zuaanunengesetzt  sind, 
Beiapiele:  t^CTsnaxH  ahotu,  HaBUKaxH  HaÖoacecTBa,  aoctbuhxk  aeöa,  HaAAaxa  rpo- 
m6K,  noAnoMO^  BÖororo,  npecraia  bjiocth,  aacnaTH  seqepH,  bjath  naBa.  Etiam 
simplieia :  6opoHK>  npasa,  zopoHiocA  xopoöu  vel  xopoHiDca  nepex  xopoiSoio,  xa6HJi'& 
apecB.  Comparatio  cum  genitivo :  oioHue  lacHiumoe  iciceiia,  vel  cum  praep. 
aax'b:  cjioHue  licnikmoe  raat»  uicem»,  Superlativus  cum  ablativo  praepositio- 
nem  adhibet  mcxh:  cjiohuo  BaHAcaiKmoe  uexK  nAaneraMa,  vel  cum  praep.  a: 
cxoEne  HauACHiumoe  s'  luan^TOBi,  ApacTOTejiecx  8^  MBApuii»  HaHMBApeumlH. 
Folgt  Bl.  77b  De  Passivis.  Ablativum  qualitatiB  et  iuBtrumenti  sine  praepo- 
Bitione  tnnc  admittunt,  quando  quis  sibi  ipsi  passionem  infert:  npawBAodHJ'L 
CA  uHdxoa),  8a6aji'i>  ca  HoaseM'L.  Alteri  ab  altero  si  infertur,  per  activam  locu- 
tionem  vel  per  praeteritum  passivum  a  gerundio  priori  formatnm  effertur: 
Tuca  Mcae  3a5sji'&  vel  ü  ScieifL  {&  xe6e  8a6HTi>iK.  Sacrae  lingnae  conatructio 
paaaiva  Bimilis  latinae:  XpacTOCB  KpecrHicA  <&  IwaHaa  bo  lepAana.  Weiter 
folgt:  CouBtructio  verbi  substantivi  ecTeic-B  sum  nominativum  vel  ablativum 
postulat :  ecxcMX  apaaB  vel  ecxeM'L  apÖAeM'B,  Öu.iom'b  tforaiuit  vel  6i»LieMi  60- 
raTum,  aocraBaio  reTMaaoirL.  Unter  der  ÜberBchrift  De  deponentibua  (BL  78^) 
lesen  wir:  8acxBaH>-3axHBaio  genitivum  amat:  saxHaas»  pocKoma,  6tAU,  npanu; 
BismBX»  gratnlor:  BiamB'a)  To6t  Aodparo  baopobsa;  paABB>CA  ablativum  cum 
praepositaone  b  :  paAsncA,  limscA  b  Ao6poro  saopob'a  xBoero;  xe^s  medeor  accus, 
gaadet:  Jie^B  xopoös.  Folgt  Bl.  79»  De  impersonalibuB.  In  to  et  ho  si  fuerint 
trsnaitiva,  casum  sui  verbi  reeipiunt:  HanacaHo  jucrL.  Absoluta  intransitive, 
id  est  cum  praepositione  efferuntur:  (ürano,  cKaicaHo  no  «juma  vel  aa  ».laua. 
Noch  hört  man  De  praepositionibus,  De  adverbiomm  constructione  und  De 
ablativo  absolute.  Vom  letzteren  wird  gesagt:  Apud  Sclavonos  perpetuo  for- 
matnr  in  ma:  aanacaBma  JucT^b,  mutata  syllaba  jicmi  in  ma:  Bamicaaeif'& :  aa- 
1IH€aB^u^  ^uraaeMi :  vaxaBma.  Ablativus  absolutus  praesentiB  a  Sclavenis  per 
circumlocution^  effertur:  kofau  naaoBajrB  apou,  vel  sa:  sa  apojieBiHA  kp<Ua. 
Tempus  genitivo  vel  ablativo  exprimitor:  xoro  ^&cb  et  xuirb  ^acoM-B,  loro  ffaa 
. . .  Constructio  locorum  cum  praepositionibus :  npaöxaxH  xBmtu  ao  üapiusa. 
Noch  kommen  einige  Bemerkungen  de  numeralibus.  Betreib  der  Prosodie 
sagt  der  Verfasser:  dicere  tarnen  ausim  SolavoniB  omnibus  BjUabas  positione 


160  Kleine  Mitteilimgeii. 

plemmqne  eese  longas,  nt  säi^Huic,  cMävEuv,  abi  aa  cMa  longae  sunt  Unter 
der  OberBchrift  »Garmmum  compo8itio<  wird  ein  kirchenBlaviaches  und  ein 
polnifchee  Distichon  zitiert:  EzarociöBeHHUH  ^uioBiRi  KorpuH  onxi^  (kSrv  |  i 
npe>  nHOTU  lopsen  xo  H66a  Aopör»  |  B^d^  ja  zawsze  wielbiJt  imi§  boga  mego  \ 
üie  wynidzie  z  ost  moieh  nigdy  chwala  iego,  dann  wird  das  WerkKochanow- 
skia  (offenbar  sein  Psalter)  empfohlen  and  zum  Schloß  auf  Bl.  84 — 85  werden 
die  Zahlwerte  einzelner  Buchstaben  vorgenommen,  bis  /t^r  TpH  xHceqx,  jfi^e- 
TBi^H  THce^H,  /rTiu'  THce^eH.  Beliqna  fere  inositata  sunt  Hiermit  schließt 
das  Manuskript:  Atque  haec  de  rebus  grammaticis  abunde  dicta  snfficiant 
idque  ad  M.D.G.  et  B.y.M.  Die  nKchstfolgenden  sechs  Blätter  sind  leer.  Am 
Schluß  die  Bibliotheksnotiz :  91  fenillets. 

Über  das  Verhältnis  dieser  Bearbeitung  der  Grammatik  Tom  J.  1645  zu 
dem  Pariser  Exemplar  vom  J.  1643  läßt  sich  nach  der  kurzen  Analyse  des 
Pariser  Textes  nur  so  viel  sagen,  daß  die  beiden  Exemplare  in  vielen  Dingen 
sehr  nahe  Übereinstimmen^  und  doch  ist  die  zweite  Bearbeitung  eine  Erweite- 
rung und  wie  es  scheint,  hie  und  da,  eine  Berichtigung  der  ersten  Arbeit  Die 
Berttcksichtigung  des  glagolitischen  und  cyrillisch -bosnischen  Alphabets 
scheint  in  dem  Pariser  Exemplar  nicht  enthalten  zu  sein.  Dagegen  finde  ich 
die  allgemeine  Bemerkung  Aber  die  Aussprache  der  Konsonanten,  die  Sobo- 
levskij  zitiert,  in  der  neuen  Bearbeitung  nicht  Berichtigt  erscheint  die  zweite 
Bearbeitung  darin,  daß  die  Deklination  nicht  mit  dem  AdUektivum,  sondern 
mit  dem  Substantivum  beginnt  Bei  diesem  ist  für  die  I.  Deklination  dasselbe 
Paradigma  cTapocTa  angewendet,  das  bei  Sobol.  zitierte  auoRa  kehrt  auch  hier 
in  der  Bedeutung  prolongatio  (nicht  procrastinatioj  wieder,  mit  dem  Dativ 
Buoue.  Fttr  die  ü.  Deklination  gelten  in  dem  Pariser  Exemplar  als  Paradigmen 
uMjTh  und  6o8^cTBo,  zBonHCRo,  bei  uns  aber  u&vh  und  cjiobo,  das  Wort  xjionxcKO 
vir  crassus  und  rIhcro  baculus  magnus  kommen  unter  den  zitierten  Beispielen. 
Unter  den  angeblichen  Ausnahmen  des  flüchtigen  e  und  o  werden  auch  hier 
die  Worte  poR^  doRi,  cmorx,  npopoRi,  <l^poR'&,  xapjsoR'i,  ctor'b,  uotori,  nocom, 
iijioBiR'&,  npoR'B  zitiert  Für  die  ni.  Deklination  sind  im  Pariser  Exemplar  als 
Paradigmen  angeführt:  RaMeni,  TyntA  (rycTaK  bei  Sobol.  scheint  Druckfehler 
zu  sein),  sliaBene,  tojia,  bei  uns  aber  RaiieHL,  ryjrafi,  Bojane,  tojia.  Das  Übrige 
scheint  Übereinzustimmen.  Für  die  lY.  Deklination  zitiert  SobolevskiJ  ntcu 
und  JU0HH,  bei  uns  dagegen  cran  und  xaaEJL,  dagegen  wird  h^chb  nebst  anderen 
Worten  unter  den  Übrigen  Beispielen  angeführt.  Auch  in  dem  Kapitel  De  com- 
paratione  steht  bei  uns  an  erster  Stelle  das  Adjektiv  ^&phbih,  vapHeHmiS,  Ha&- 
vapHi^mHÖ,  dann  erst  sauHUK  u.  a.  Die  Bemerkung  de  casibus  vagabundis 
kehrt  bei  uns  beinahe  in  derselben  Fassung  wieder,  wie  im  Pariser  Exemplar. 

Jeden&lls  wird  man  den  Yerfiuiser  dieser  in  zwei  Exemplaren  erhaltenen 
Grammatik  der  kirchenslavischen  Sprache  von  nun  an  unter  der  Zahl  der- 
jenigen SOdwestrussen  nennen  müssen,  die  sich  um  die  Mitte  deBXVn.Jahrh. 
um  die  grammatische  Seite  dieses  Kirohenorgans  kümmerten,  deren  Tätigkeit 
sich  bekanntlich  von  Wilno  und  K^ew  bis  nach  Rom  erstreckte,  wo  selbst 
Levakoviö  ihren  Einfluß  verspürte.  Ob  Joannes  Uievi&  sonst  noch  was  ge- 
schrieben, weiß  ich  nicht;  überhaupt  über  die  Schicksale  des  Mannes  näheres 
zu  erfahren  —  das  muß  ich  dem  Eifer  der  Kleinrussen  überlassen.        F.  J. 


VBRLAG   DER  WEIDMANNSCHElf  BUCHHANDLUN«   IN  BERLIN. 


Soeben  erschien: 

PSALTERIUM 
BONONIENSE 

INTEBPßETATIONEM  VETEBEM  SLAVICAM 

CUM 

ALHS  CODICIBÜS  COLLATAM. 

AÜNOTATIONIBUS  ORNATAM, 

APPENDICIBUS  AUCTAM 


ADIÜTUS  ACADEMIAE  SCIENTIARÜM  VINDOBONEN- 

SIS  LIBERALITATE 

EDIDIT 

V.  JAGifc 


ACOEDÜNT  XIX  SPECIMINA    CODICUM 
Lex.  80.  (Vni  u.  968  S.)  Geh.  25  Mark. 


Der  altkirchenslawische  Bologner  Psalter  liegt  endlich  in 
dieser  prächtigen  Ausgahe  vollständig  Yor.  Ihm  ist  ein  Kom- 
mentar beigegeben ;  dessen  griechische  Vorlage  nächstens  er- 
Bcheinen  wird.  Die  Ausgabe  ist  mit  der  Unterstützung  der 
kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien  mit  ganz 
neuen  cyrillischen  Typen  gedruckt  und  enthält  außer  dem  Psalter, 
teils  in  parallelen  Texten  teils  in  kritischen  Anmerkungen,  noch 
mehrere  andere  gleichartige  Denkmäler. 


VERLAG  DER  WEIDMANNSCHEN  BUCHHANDLUNG  IN  BERLIN. 

CODEX  SL0VENICU8 

BKRtJM  ORAMMATICABTTH 

EDIDIT 

V.  JAGIC. 

4".   (XXIII  u.  782  S.)    1896.    Geh.  15  Mark. 


VETERIS  TESTAMENTI  PßOPHETABÜM 

INTERPRETATIO  ISTRO-CßOATICA  SAECÜLI XVI. 

Adjuvante  Academiae  litterarum  caesareae  Vindobonensis  liberalitate 

edidit 

gr.  80.    (VII  u.  316  S.)     1897.    Geh.  10  Mark. 

Diese  um  das  Jahr  1563  gemachte  Uebersetzung  der  Lutherischen  Ueberseteung 
der  Propheten  im  istrokroatischen  Dialect,  deren  erste  Ausgabe  vemichtet  su  sein 
schien,  wurde  in  einem  einzigen  erhaltenen  Exemplar  in  einem  Stift  OberGster- 
reichs  entdeckt  und  wegen  der  Vortrefflichkeit  der  Sprache  derselben  von  dem  Akade- 
miker V.  Jagiö  mit  Unterstatzung  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften  heraus- 
gegeben. 


DAS  SLAYISCHE  HENOCHBÜCH 

VON 

N.  BONWETSCH. 

(Abhdlgn.  d.  Kgl.  Ges.  d.  Wissenschaften  zu  Göttingen.   Phil.-hist.  Kl.  N.  F.  Bd.  I  No.  3.) 

40.  (ö7  S.)  1896.    Geh.  4  Mark. 

ALTPOLNISCHE  SPRACHDENKMÄLER 

SYSTEMATISCHE  OBERSICHT,  WOBDIßM  ÜKD  TEXTE. 

EIN  BEITRAG  ZUR  SLAVISCHEN  PHILOLOGIE 

VON 

W.  NEHRING. 

gr.  80.  (VIII  u.  324  S.)  1887.  Geh.  8  Mark. 


Mit  1  Beilage  von  B.  Bebras  Verlag  in  Berlin. 
Druck  toi»  Breitkopf  ft  H&rtel  in  Leiptig. 


(( 


ARCHIV 

FÜK 

SLAVISCHE  PHILOLOGIE. 

.  ÜMTER  lOTWIKKÜMG 


A.BBÜCK»£I1,    A.IESKIE»,     W.  NEHmSG,     F.  FORTDNATOV, 

BEBLIV.  LEIFKIO.  BBESLAU,  BT.  PBTBI18fitRO, 

C.  JIRECEE,    ST.  NOVMOnC,    A.  S0B01ET3EU, 

WIBN.  BELOBAD,  St.  PBTBSeBUBO. 

HBRAD8QEGBBKN 


V.   J  A  G  I  C. 


NEÜNUND ZWANZIGSTER  BAND. 
ZWEITES  UND  DEITTES  HEFT. 


BERLIN  1907. 

WEIDMANNSCHB  BUCHHANDLUNG. 
S.W.  ZIMMERSTRASSE  94. 

I,  K.  1>.  RICKEB. 


J- 


INHALT. 


Abhandlungen.  g^;^ 

Der  Spirant  v  vor  o  aus  idg.  9nm  Urslayischeni  von  G.  Iljinskij 161 

Quelques  remarques  sur  la  langue  polabe,  par  Casimir  Nitsoh 169 

Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromfr  Erben,  mit  besonderer  Berdck- 

siohtigung  des  Gedichtes  »Z4ho^ovo  loze«  (Schluß),  7on  Jaroslar  Sutnar  184 
Besiehungen  der  ukrainischen  historischen  Lieder,  resp.  »Dumen«,  zum  süd- 

slavischen  Volksepos,  von  Michajlo  Ter8akoye<5 221 

Drei  Fragen  aus  der  Taufe  des  heiligen  Vladimir,  von  StjepanSrkulj.    .   .  246 

Beiträge  zur  Quellenkritik  einiger  altrussischer  Denkmäler,  von  Iwan  Franko  283 

Beiträge  zur  serbokroatischen  Dialektologie,  von  FranjoFancev 905 

Beiträge  zur  Kulturgeschichte  des  serbischen  Volkes,  I  von  Aleksalviö    .   .  390 

Kritischer  Anzeiger. 

Vondr&k,  Vergleichende  slav.  Grammatik,  angez.  von  V.  Forzezinski     .   .   .  411 

Schrader,  Sprachvergl.  und  Urgeschichte,  angez.  von  A.  Brückner 429 

Brückner,  Gesch.  d.  poln.  Sprache,  angez.  von  H.  Uiaszyn 440 

Zum  slavischen  Folklor: 

Federowski,  Folkloristisches  aus  Weißrußland,  angez.  von  G.  Polfvka  .  445 

Bomanov,  Weißruss.  Erzählungen,  angez.  von  G.  Polfvka 454 

Medveck]^  Monographie  über  Gyetva,  angez.  von  G.  Polfvka  .    .   .    .   .   .  458 

Speranskij,  Aus  Altägypten,  augez.  von  G.  Polfvka 461 

Gavriloviö,  20  serb.  Volkserzählungen,  angez.  von  G.  Polfvka 469 

Baudonin  de  Courtenay,  Slavisches  aus  Norditalien,  angez.  von  G.  Polfvka  473 

§aselj,  Aus  dem  Volksleben  in  Adlesi6i,  angez.  von  Ivan  Gräfe nauer     .    .    .  475 

Kleine  Mitteilungen. 

Einige  serbokroatische  Lehnwörter,  von  P,  Skok 477 


Alle  Einsendungen  für  das  »Aichiv  für  slavische  Philologie  c  sind 
an  mich  nach  Wien  V in.  Kochgasse  1 5,  cu  richten. 

Y.  Jagic. 

Das  Aichiv  füi  slavische  Philologie  erscheint  in  Heften  lu 
10  Bogen  oder  Doppelheften  zu  20  Bogen,  je  vier  Hefte  bilden  einen 
Jahrgang.     Preis  für  den  Band  20  Jf,  für  einzelne  Hefte  6  Jl. 

Der  Ladenpreis  für  die  bis  jetzt  erschienenen  Bände  I — XXVHI 
beträgt  561  Jf.  Dazu  gehört:  Supplementband  zum  Arohiy  für 
slavische  Philologie,  enthaltend:  Bibliographische  Übersicht 
über  die  slavische  Philologie  1876 — 1891,  zugleich  Oeneral- 
register  zu  Bandl — ^XUI  von  Fr.  Pastrnek.  gr.  8.  (VUIu.  415  S.) 
15  uT. 

Berlin.  Weidmannsche  Buchhandlung. 


Der  Spirant  v  yor  o  aus  idg.  9  im  Urslayischeii. 


Die  Teigleichende  SpraohwiBsensohaft  hat  schon  Iftngst  die  Tatsache 
festgestellt,  daß  bereits  in  der  indogerm.  Grundsprache  nnsilbisohes  ^  in 
gewissen  Fällen  Tor  folgendem  Vokal  ausgefallen  ist.  Vgl.  z.B.  gr.  %i'Avov 
n  iL  fökäm  > Nachkommenschaft« ;  gr.  ro/,  lat.  tibi  zu  gr.  ai  aus  *t^e^ 
ai.  itam\  gr.  q>ißofiai  aus  q>fißo^ai  zu  qftifyia^  gr.  doiöq  zu  ai.  dvayäa 
»doppelt«;  gr.  di-^  lat.  di-  zu  lat.  bi  aus  *d^%-\  gr.  %oltai  zu  preuß. 
^t^  'Wille«,  lit.  kveczü  »lade  ein« ;  gr.  fi^  aus  *%yfiih9  zu  lat.  «ea;, 
dt  <^^,  lit  9ze%z\  asl.  mecTb,  ai.  ja^;  gr.  a/o^  zu  lat.  ^b%\  gr.  fi^^og 
n  goi  Wc^tt«  usw.   Vgl.  Hirt,  Handb.  der  gr.  Spr.,  §  199. 

Warum  unsilbisches  ^  in  den  einen  FftUen  schwindet  und  in  den 
anderen  bestehen  bleibt,  ist  ein  noch  unerklärtes  linguistisches  Rätsel. 
Aber  es  ist  von  hohem  Interesse,  die  Tatsache  festzustellen,  daß  man 
ehras  Ähnliches  nicht  nur  in  der  idg.  Grundsprache,  sondern  auch  im  Ur- 
Blaiischen  finden  kann.  Während  aber  in  jener  unsilbisches  ^  vor  fast 
allen  Vokalen  und  nach  fast  allen  Konsonanten  ausfallen  kann,  fällt  es 
im  ürslavisehen  hauptsächlich  vor  o  aus,  und  zwar  nicht  yor  jedem  o, 
sondem  nur  vor  dem  o,  das  aus  idg.  9  entstanden  ist  und  auf  einen  von 
den  idg.  postlingualen  g^  k  und  kh  folgt.  Ich  sage  »hauptsächlich«  und 
sieht  »ausschließlich«,  wenn  die  recht  zahlreichen  Fälle,  in  denen  im 
ürslavisehen  y^  nach  8  ausgefallen  ist,  nicht  in  die  idg.  Urzeit  znrflck- 
reichen,  wie  dies  Boknsen  in  seinen  »Untersuchungen«  8. 197,  211  m.E. 
sehr  flberzeugend  nachgewiesen  hat. 

Indem  ich  die  obige  Begel  aufstelle,  muß  ich  jedoch  zuvor  gestehen, 
daß  ich  über  kein  besonders  reichhaltiges  Tatsachenmaterial  verfttge,  um 
lie  zu  stutzen.  Dieser  Umstand  ließ  sich  übrigens  voraussehen,  denn 
nicht  nur  in  den  slavischen,  sondern  auch  in  den  anderen  indogermanischen 
Sprachen  ist  die  Zahl  der  idg.  9  entsprechender  Fälle  verhältnismäßig  ge- 
ring, und  wenn  der  künftige  Verfasser  einer  ürslavisehen  Grammatik  alle 
Fälle  aufiBählen  wollte,  wo  wir  Parallelen  zu  idg.  9  haben,  so  würde  seine 
Liste  nicht  sehr  lang  sein.  Aber  zur  Bestätigung  einer  phonetischen  Regel 
bedarf  es  häufig  nicht  einer  großen  Zahl  von  Tatsachen,  es  kommt  viel- 

ArtklT  fftr  •UTiiehe  Pkilologit.  XXIX.  11 


162  G.  Hjinakij, 

mehr  auf  die  Qualität  dieser  Tatsachen  i)  an,  und  dieser  Umstand  ULßt 
mich  hoffen,  daß  die  weiter  unten  angeführten  Fakta  nicht  ohne  Bedeutung 
ftlr  die  Geschichte  des  Spiranten  v  im  UrslaYischen  sind. 

Ein  Beispiel,  das  die  von  mir  aufgestellte  Regel  m.  E.  besonders 
g^t  veranschaulicht,  ist  das  folgende. 

I.  Im  ürslavischen  gab  es  ein  Substantivum  *kop^  »Bauche.  Dies 
bezeugen  vor  allem  Sech,  kop  »Rauch«  und  russ.  koifl  id.  Gebrftuchlicher 
ist  das  Wort  in  den  modernen  slavischen  Sprachen  mit  dem  Suffix  -%^; 
vgl.  Sech,  kopetj  niedersorb.  kopij  poln.  koped,  russ.  kohotl.  Yerbalde- 
nominativa  dieses  Wortes  sind  erhalten  in  6ech.  koptiiij  poln.  kopciöy 

russ.  KOOTHTb,  KonriTb. 

Wie  steht  es  nun  mit  der  Etymologie  dieser  Wörter?  Es  ist  zu  be- 
achten, daß  iech.  kop  und  russ.  koifl  fast  Laut  für  Laut  lit  kväptxs 
»Rauch«  entsprechen  und  zugleich  in  der  Bedeutung  damit  YöUig  ftberein- 
stimmen.  Gewöhnlich  wird  aber  lit.  kväpas  zu  lat.  vapar,  gr.  xaTtf^ög 
»Rauch«  gestellt,  d.  h.  zu  idg.  *qu9p'  Fick  I«  396,  Br.  Gr.  V  §  193,  319, 
343,  KVG  §  130,  167,  ühlenbeck  Ai.  Et  Wb,  58,  Walde  160,  648,  Zu- 
pitza,  Germ.  Gutt.  55.  Was  die  letztgenannte  Wurzel  betrifft,  so  führen 
die  meisten  Forscher  sie  auf  idg.  *qeyßp^  zurück,  und  Hirt  Ablaut,  §  45 1 
sogar  auf  ein  dreisilbiges  *qeyi£pei''  d.  h.  auf  dieselbe  Wurzel,  deren  Y II 
ursL  kypiti  darstellt  (asl.  KunliiTH,  big.  icnniA,  serb.  Kmi&eTH,  slov.  ki- 
pitiy  Sech.  kypSti,  obersorb.  kipieö,  poln.  kipieö^  russ.  KnniTb).  Sl.  *kopbj 
das  wie  lit.  kväpaSy  lat.  vapor  und  griech.  yia7cv6g  der  Reflex  einer  anderen 
Wurzelvariation  ist,  konnte  nur  aus  sl.  "^kvopb  =  idg.  *qu9po*  entstehen. 

U.  Ein  anderes  Beispiel,  das  dieses  Gesetz  bestätigt,  ist  nicht  weniger 
merkwürdig. 

Im  Urslayischen  gab  es  die  Wörter  "^kopz  und  *kopa  »Haufen«.  Die 
erstgenannte  Form  bezeugen  slov.  kdp  »Büschel,  Schopf«,  obersorb.  kop 
»Gipfel«,  »Kamm  auf  dem  Kopf  eines  Vogels«,  russ.  Kon'B  »Haufen«; 
aus  der  zweiten  Form  sind  entstanden:  big.  Konä  »Heuschober«,  serb. 
Kdna  id.,  slov.  köpa  »Büschel,  Schopf«,  »Heuhaufen«,  iech.  kopa 
»Haufen«,  »Heuhaufen«,  obersorb.  kopa  »Haufen«,  poL  kopa  »Haufen«, 
»Heuhaufen«,  russ.  Kona  id.  Wir  haben  dieselbe  Wurzel  mit  dem  Suffix 
"hnr-  in  obersorb.  kopjen  »Heuhaufen«,  großruss.  (Twer,  Pskow)  Konem» 

^)  Ich  erinnere  daran,  daß  das  bekannte  Gesetz  Lid^ns  über  den  Abfall 
von  anlautendem  ^  vor  r  und  /  im  Baltisch-Slavischen  (Ein  baltisch-slavisches 
Anlautgesetz,  Göteborg  1899)  auch  auf  einer  sehr  beschränkten  Zahl  von  Tat- 
sachen beruht  Vgl.  auch  Rozwadowski  Quaestionum  series  altera  8. 


Der  Spirant  v  vor  o  ans  idg.  9  im  UrshtviBchen.  1 63 

id.,  sowie  in  mss.  Koiraa,  und  mit  dem  Suffix  -bc-  in  5ech.  kopec  »Haufen«, 
poln.  kopiec  »aufgesohfltteter  Erdhflgei«.  Von  derselben  Wurzel  sind 
zweifellos  folgende  Yerba  gebildet:  sloy.  kopiti  »anhäufen«,  ieeh.  kopiti 
id.,  obersorb.  kopiö  »anhäufen,  auftflrmen«,  poln.  kopiö  »sohobem,  sam- 
meln«, mss.  KomiTii  »sammeln,  sparen«. 

Eine  einigermaßen  befriedigende  Etymologie  dieser  Wörter  ist  meines 
Wissens  noch  nieht  gefunden  worden.  Ihre  Entstehung  wird  indessen 
yerständlicher,  wenn  wir  beachten,  daß  es  im  Urslavischen  Wörter  gab, 
die  den  genannten  nicht  nur  der  Bedeutung  nach  sehr  nahesteheo,  sondern 
ineh  was  die  Suffixe  betrifft,  und  die  sich  von  ihnen  nur  durch  ihren  'U- 
Vokalismus  unterscheiden.  80  gab  es  im  ürslayischen  neben  *kop^ 
»Haufen«  ein  *kupi>y  das  dieselbe  Bedeutung  hatte,  wie  solches  asl. 
KOifn'k,  big. KyiTB.  serb. ic^n,  slov.  küp  beweisen;  neben *kopa  »Haufen, 
Heuhaufen«  gab  es  im  ürslayischen  ein  *kupa  mit  derselben  Bedeutung, 
wie  dies  big.  Kyn&  »Heuhaufen«,  serb.  Kyna  »Haufen«,  Sech,  kupa  »Ge- 
treidehaufen,  Heuschober«,  obersorb.  kupa  »Htlgel«,  poln.  kupa  »Haufen«, 
mss.  Kyna  id.  darstellen;  endlich  fand  sich  im  Ürslayischen  neben  dem 
Yerbum  *  kopiti  »sammeln,  anhäufen«  das  Yerbum  *kupiii  mt  derselben 
Bedeutung;  dies  geht  aus  serb.  k^^uhth  »sammeln«,  sloy.  kupiti  »an- 
häufen«, iech.  kupiti  ii.y  poln.  kupiö  »sammeln«,  russ.  KynHTb  id.  henror. 

Wenn  die  Herkunft  yon  ursl.  *kupbj  *kupa  und  *kupiti  ebenso 
dunkel  wäre  wie  die  yon  ursl.  "^kopb^  *kopa  und  *kopiii,  die  ihnen  so- 
wohl in  Bezug  auf  die  Bedeutung  wie  in  Bezug  auf  die  Suffixe  gleich- 
stehen, so  hätten  wir  durch  diese  Gleichung  natOrlich  nichts  gewonnen. 
Aber  glficklicherweise  ist  die  Etymologie  der  ersten  Reihe  längst  bekannt. 
ürsL  *kup^,  *kupa  usw.  sowie  lit  kaüpas  »Haufen,  Hflgel«,  ahd.  kauf 
»Haufen«,  apers.  kaufa  »Berg«,  gehen  auf  idg.  *£öt(p- zurflck.  YgUFick 
I^  27,  380,  Br.  Gr.  P  §  421,  Prellwitz»  251— 252,  Walde  160,  Zupitza, 
Germ.  Qutt.  110,  115,  Bemeker  IF.  X  152,  EpaHA'TB,  Aon.  sau.  88, 
Meillet,  £tudes  219,  236.  Wie  yiele  andere  Wurzeln  der  -u-Beihe  kann 
auch  die  Wurzel  *kdup~  auf  eine  idg.  zweisilbige  Wurzel  *ko^ep'  zurück- 
gehen. Je  nach  der  Akzentstellung  konnte  diese  Wurzel  noch  im  Indo- 
germanischen die  Varianten  *kdup'  und  ^k^ap-  bilden.  Die  erstgenannte 
Form  mußte  im  Slayischen  zu  *kup~  werden  (woyon  ursl.  *kuphy  *kupaj 
kupiti)y  die  zweite  zu  *kvop-y  woraus  dann  nach  unserer  Regel  *kop' 
(ursl.  *kopbj  *kopaj  *kopiti)  entstand. 

m.  UTfi!L,*kolino  *y6w*  (asl.  koa'Kho,  big.  KOxiHO,  serb.  KOibeno, 
sloy.  kol4no^  iech.  koleno^  obersorb.  koleno,  poln.  kolano^  russ.  KOjiHo), 

11* 


164  G.  njinekij, 

das  Meillet,  Stades  444,  ohne  Grund  von  nrsl.  *kolino  qyöltj  trennt,  wird 
gewöhnlich  zn  lit  kelys  »Knie«  gestellt,  welches  anf  idg.  *q^el-  »sich 
drehen,  sich  bewegen«  znrflckgeht.  Vgl.  lat  colo,  gr.  Ttilof^aij  sl.  *koIo 
nsw.  Fick  P  389,  Br.  Gr.  I^  §  653,  Uhlenbeck  AI.  Et.  Wb.  86,  PreUwitz^ 
359,  Walde  132—133,  Hirt,  Ablaut  §  774.   Ich  halte  diese  Etymologe 
fHr  wahrscheinlich,  möchte  aber  gleichzeitig  darauf  hinweisen,  daß  sUv. 
kolSno  sehr  wohl  auch  zu  pr.  po-quelbton  »kniend«  gestellt  werden  kann 
(Bemeker,  Preuss.  8pr.  302),  das  Br.  Gr.  P  §  279,  KVG  §  157  mit  Ht. 
klüpti  »niederknien,  stolpern«  und  gr.  n&XTcri  aus  *xfdl7trj  »Trab«  ver- 
gleicht.    Wenn  dies  richtig  ist,  so  kann  slav.  *kolino  in  seiner  Wurzel 
auf  idg.  *q^9l^  zurflckgehen,  das  ohne  das  Determinativ  -£(/>)-  ins  Sla- 
vische  flberging  und  dort  das  Suffix  ^Sno  erhielt;  dieses  Suffix  bezeichnet 
das  Wirkungsobjekt:  wie  z.  B.  *polSno  »das  was  brennt«  bedeutet,  so 
bedeutet  *kol6no  »das  was  sich  biegt«.  Mithin  würde  slav.  *kolino  in 
semasiologischer  Hinsicht  eine  interessante  Parallele  zu  gr.  yopvög  »Bie- 
gung« und  gr.  yiovia  »Winkel«  darstellen,  die  bekanntlich  von  9i.jänu 
»Knie«,  gr.  y6w  id.,  lat.  genu  id.  usw.  etymologisch  untrennbar  sind. 
Es  ist  schwer  zu  sagen,  welche  von  diesen  beiden  Etymologien  des 
slav.  *kol6no  mehr  für  sich  hat:  sowohl  die  Bedeutung  »sich  biegen«  wie 
die  Bedeutung  »sich  drehen«  lassen  sich  mit  dem  Begriff  »Knie«  ver- 
einen.    Stellt  man  sich  aber  auf  den  Standpunkt  einer  primitiveren  Auf- 
fassung —  und  nur  eine  solche  Auffassung  kann  bei  der  Erforschung 
archaischer  Wortformen  in  Betracht  kommen  —  so  Iftßt  sich  kaum  daran 
zweifeln,  daß  die  Bedeutung  »sich  biegen«  als  die  ursprflnglichere  und 
konkretere  für  den  Begriff  »Knie«  als  Grundbedeutung  zu  gelten  hat, 
denn  der  Begriff  »sich  drehen«  oder  »sich  bewegen«  wäre  fdr  »Knie«  ein 
gar  zu  allgemeiner  und  man  könnte  ihn  eher  mit  dem  unteren  Teil  des 
Fußes  in  Zusammenhang  bringen  als  mit  dem  oberen.   Unter  Berück- 
sichtigung aller  dieser  Umstände  ziehe  ich  nicht  nur  die  zweite  Etymologie 
vor,  sondern  bin  sogar  geneigt,  lit.  kelys  nicht  als  aus  der  Wurzel  *q^el', 
sondern  als  aus  dem  Worte  *qvely8  (vgl.  preuss.  po^quelbton)  entstanden 
zu  erklären.   In  *qf/Lely8  ist  dann  ^  aus  phonetischen  Gründen  ausgefallen 
oder  infolge  irgendeiner  Volksetymologie,  die  es  z.  B.  mit  dem  Yerbum 
kilti  »aufheben«  in  Zusammenhang  brachte. 

IV.  Ursl.  *kaSa  (big.  Kama,  serb.  Käma,  slov.  käia^  6ech.  kaie^ 
obersorb.  kaia^  poln.  kasza,  russ.  Kama)  ist  etymologisch  noch  nicht  ein- 
wandfrei erklärt  worden.  Am  wahrscheinlichsten  ist  die  Zusammen- 
stellung Zubatys  ASPh.  XVI,  395,  mit  lit.  kasziu  »seihen«,  wonach Xra/a 


Der  Spirant  t;  yor  o  aiu  idg. »  im  UnUyiflchen.  1 65 

»das  Dorehgeseihtec  bedeaten  wttrde.  Aber  diese  Erklärung  ist  nnr  auf 
den  ersten  Blick  wahrscheinlich,  denn  die  Entstehung  des  litauischen 
Wortes  selbst  ist  rätselhaft  und  aoBerhalb  des  baltischen  Sprachgebiets, 
wo  sich  nochlett.  käst  »seihenc,  lett.  kästarü  »Seihetnch«  findet,  kommt 
es  wohl  nicht  vor.  Der  Versuch  Znpitzas,  Germ.  Outt.  103,  gr.  %6a%tvov 
»Sieb«,  als  ihm  verwandt  hinzustellen,  ist  nicht  glücklich,  nicht  nur  des- 
halb, weil  er  zu  diesem  Zweck  lit.  köazti  in  kos-  «z^t  zerlegen  muß,  sondern 
Tor  allem,  weil  gr.  Y.6a%vvov  als  Reduplikation  der  Wurzel  *8k[h)i  »trennen, 
spalten«  erklärt  werden  kann.  Persson  Zur  Lehre  113,  Prellwitz^  230. 
Wenn  Walde  Lat.  Et.  Wb.  132  dazu  lat.  colum  stellt,  das  er  aus  qoU-slom 
entstanden  sein  läßt,  so  darf  man  nicht  vergessen,  daß  lat.  colum  nach 
Lindsay,  Die  lat  Sprache  128  seiner  Herkunft  nach  zweifelhaft  ist  und 
phonetisch  ebenso  gut  auch  aus  *cavülum  »kleine  Öffnung«  erklärt  werden 
kann.  Vgl.  lat.  caulaej  caullae  »Höhlung^  öflhung«.  Aber  nicht  so  sehr 
diese  morphologischen  Schwierigkeiten  als  semasiologische  Schwierigkeiten 
veranlassen  mich,  die  Etymologie  Zubatys  anzuzweifeln.  Es  ist  nämlich 
bei  der  Bereitung  von  Grfltze  durchaus  nicht  unbedingt  nötig,  sie  durch 
einen  Sieb  zu  seihen.  Selbst  in  den  Kulturländern  geschieht  dies  auch 
in  verhältnismäßig  wohlhabenden  Häusern  keineswegs  überall..  Um  so 
weniger  darf  man  erwarten,  daß  es  in  der  indogermanischen  oder  ur- 
alavischen  Urzeit,  in  der  das  Wort  kaia  entstand,  geschehen  ist 

Alle  diese  Schwierigkeiten  schwinden  von  selbst,  wenn  wir  das 
slavische  Wort  *kaia  zu  ai.  kvAthati  »er  kocht«  und got hvapö  »Schaum« 
stellen.  Was  die  Bedeutung  betrifft,  so  kann  diese  Gleichung  kaum  ernst- 
liche Entg^nungen  hervorrufen,  da  jede  Grütze  gekocht  wird  und  jede 
Orfltzart  hierbei  »Schaum«  geben  kann.  Was  das  phonetische  Verhältnis 
dieser  Gleichung  betrifft,  so  wird  es  sofort  klar,  wenn  wir  unsere  Regel 
darauf  anwenden.  Beide  Wörter  gehören  nach  der  scharfsinnigen  Ety- 
mologie Pedersens  IF.  Y  38  zu  derselben  Wortgruppe  wie  lat  cäseus 
und  slav.  kysnqti^  kva^  und  gehen  auf  idg.  *guät[8y  zurück.  Indem 
wir  mit  dieser  Etymologie  die  vonHirt,  Ablaut  §  392  gebotene  Etymologie, 
wonach  slav.  *kv(U^^  *ky8nqti  usw.  auf  idg.  *ko^ä-8  zurückgeht,  kom- 
binieren, —  Hirt  erklärt  dabei  nicht,  warum  8  in  kysel  in  diesem  Falle 
nicht  zu  ch  wurde,  was  wiederum,  wenn  man  Pedersens  Standpunkt  teilt, 
ganz  verständlich  ist  —  können  wir  fttr  das  idg.  drei  phonetische  Vari- 
anten dieser  Wurzel  konstruieren:  1.  *k^ät8'f  woraus  lat  cäseus,  slav. 
kvasi ;  2.  ^koy^ts,  woraus  später  *küt8  und  hierauf  slav.  ^kys-  in  *ky8el, 
*kysnqti  entstand,  und  3.  *ku9tS'.  Letztere  mußte  im  Slavischen  *kvo8') 


166  G.  üjinskij, 

*ko8'  ergeben.  Und  ebenso  wie  bereits  im  Urslavischen  von  ^koasb  das 
Yerbom  *kv<mti  (ygl.  asl.  KsacHTH,  big.  Ksacu,  serb.  KsäcHTH,  sIoy. 
kvdsttiy  ieeh.  kvtisitij  poln.  ktoasiöj  mss.  KBacHTi»)  gebildet  wurde,  konnte 
Yom  slay.  *ko8  =  idg.  ^^pj^B-  das  Iterativnm  *ka8iti  gebildet  werden. 
Und  ebenso  wie  von  *kv<mt%  im  Slaviscben  *kvaia  (ygl.  sIoy.  kvdia, 
poln.  kwasza  nnd  mss.  Ksama)  gebildet  wurde,  konnte  vom  nrslav.  *kasiti 
im  Slavisohen  *kaia  gebildet  werden. 

y.  Zu  den  etymologisch  dunklen  Wörtern  im  Urslavischen  gehOrt 
das  Adjektivum  *goh  (vgl.  asl.  rOAii,  big.  foj'b,  serb.  rö,  slov.  gdl^  ceoh. 
hol^j  obersorb.  holy,  poln.  goly^  russ.  rojnJHJ.  Einige  Forscher  stellen 
dieses  Wort  zu  lat.  calvus  >  kahlköpfig«,  aber  die  anlautenden  Konsonanten 
sprechen  dagegen.  Genauer  entspricht  in  dieser  Hinsicht  goh  dt  k(ihl 
»kahlköpfig«;  nach  der  Meinung  Kluges  KZ.  XXXI  91  kann  letzteres 
aber  aus  dem  Lateinischen  entlehnt  sein.  Der  Versuch  Zupitzas  KZ. 
XXXYU  389  slav.  gol  und  dt.  kahl  und  lat.  calvus ^  ai.  ktUva^  als  » An- 
lautdoubletten«  zu  betrachten,  wttrde  keine  Bedenken  erregen,  faUs  es 
keinen  anderen  Weg  gäbe,  das  Wort  zu  erkl&ren.  Man  kann  jedoch  slav. 
goh  auf  sehr  einfache  Weise  erklären,  wenn  man  es  zu  slav.  *gulti% 
»abschälen,  abschinden«  (vgl.  serb.  f^jehth,  slov.  güliti)  und  iuliti  (serb. 
H^jraTH,  slov.  iuliti)  stellt.  Obwohl  diese  Verba  jetzt  nur  in  zwei  sla- 
viscben Sprachen  gebraucht  werden  —  vielleicht  gehören  übrigens  auch 
big.  xyjiMk  »eine  Wunde  reizen«  neben  serb.  T&fjb  »Schwiele,  Hühner- 
auge«, slov.  iülj  id.  dazu  —  so  ist  au  dem  indogermanischen  Ursprung 
ihrer  Wurzel  doch  nicht  zu  zweifeln,  den  fast  gleichzeitig  tmd  unabhängig 
voneinander  Bemeker  IF.  X  156  und  Zupitza  Germ.  Outt  145  gefunden 
haben.  Wenn  dem  so  ist,  so  kann  uns  nichts  hindern,  slav.  *gul~  auf 
eine  idg.  Wurzel  *göul-  aus  *ga^el-  zurückzufahren;  aus  einer  anderen 
Variante  von  idg.  *go^el''  *g%9l-  ist  ursl.  *goh  entstanden.  Mithin  be- 
deutete nach  dieser  Etymologie  ursl.  *goh  nicht  so  sehr  »kahl«  als  »ab- 
geschält, abgeschtmden«. 

Als  morphologische  Stütze  für  diese  Etymologie  dienen  die  Verben 
guliti  und  iuliti  \  aber  selbst  wenn  wir  bei  unserer  Beweisführung  nicht 
die  Möglichkeit  hätten,  uns  auf  sie  zu  stützen,  so  würden  wir  auch  dann 
zu  derselben  Etymologie  gelangen,  sofern  wir  nur  die  Semasiologie  des 
in  Frage  stehenden  Wortes  sorgfältig  berücksichtigen.  Man  kann  in  der 
Tat  das  interessante  Faktum  nicht  gut  übersehen,  daß  ursl.  *goh  als 
Prädikat  belebter  wie  unbelebter  Gegenstände  gebraucht  werden  kann, 
während  sein  Synonym  '^nag^  nur  in  Bezug  auf  den  Menschen  gebrauch- 


Der  Spirant  v  yor  o  ans  idg.  9  im  UrBlavischen.  167 

lieh  ist  So  sagt  man  im  RnsBischen  nie  Haraa  seMXfl,  wohl  aber  oft 
rojafl  aeiufl ;  es  heißt  nicht  Haraa  cT^Ha  sondern  nnr  rojaA  CTina;  man 
sagt  nicht  narafl  erenB,  sondern  einzig  und  allein  rojiaA  CTenL ;  ein  glatter 
nnbemooster  und  sehimmelloser  Stein  wird  nicht  '^HarnnTB,  sondern  nnr 
rojamrB  genannt  nsw.  Der  Umstand  nnn,  daß  gerade  nnr  *goh  das 
Prildikat  unbelebter  Gegenstände  ist,  dient  als  Beweis,  daß  seine  nr- 
sprOngliehe  Bedentang  nicht  »entblößt«  oder  »kahlköpfig«  war,  sondern 
eben  »abgeschftlt«,  »abgeschunden«,  »abgerupft«  u.  a.  m.,  also  eine  Be- 
deutung, die  ursl.  *naffh  ganz  fremd  ist^j. 

YL  In  den  südslavischen  Sprachen  findet  sich  das  AdjektiTum  ochoh 
in  der  Bedeutung  »stolz,  hochfahrend,  eingebildet,  prahlerisch«  (vgl.  big. 
oxoxB,  serb.  bxoj,  slov.  oh^Tj.  Verbunden  mit  dem  Suffix  ^sth  haben 
wir  dasselbe  Wort  im  serb.  oxojioct,  sIoy.  oholost  »Hochmut«. 

Schon  die  Bedeutung  dieser  Wörter  verlockt  dazu  sie  zu  ursl.  *chvala 
(asL  )^R4A4,  big.  xBaJia,  serb.  XBäjia,  slov.  Aväla,  Sech,  chvdla,  obersorb. 
khfoaiuj  poln.  chwaioj  russ.  xsajia)  zu  stellen.  Uhlenbeck  Ai.  Et.  Wb. 
355  hält  dieses  Wort  ftlr  eine  Entlehnung  aus  dem  Deutschen,  jedoch 
ohne  jeden  Grund.  Da  anlautendes  s  nach  den  Gesetzen  der  slavischen 
Phonetik  nicht  zu  ch  werden  muß,  bin  ich  am  ehesten  geneigt,  die  Wurzel 
von  cktala  auf  eine  idg.  schallnachahmende  Wurzel  ^khöu-  zurflckzu- 
fOhren.  Dieselbe  Wurzel  haben  wir,  wie  Lid^n  ASPh.  XXVUI  kürzlich 
gezeigt  hat,  in  arm.  xattsim  »ich  spreche«.    Von  ihr  darf  auch  ursl. 

*chula  (asl.  X^V^^y  ^^S*  ^^^  ^^^^'  ^f^^t  ^^s*  xy<i&)  nicht  getrennt 
werden,  das  Pedersen  IF.  V  64  und  Uhlenbeck  Got.  Et.  Wb.^  26  m.  E. 
sehr  mit  Unrecht  zu  got.  bi'Sauljan  »besudeln«  stellen,  indem  sie  sl.  und 
got  8  ohne  Not  auf  idg.  -ks-  zurflckfdhren.  Sowohl  sl.  *chvala  wie  sl. 
*chula  bedeuteten  ursprünglich  in  ihrem  wurzelhaften  Teil  einen  Schrei, 
und  zwar  lag  der  Bedeutung  von  *  chvdla  >  Jubelruf«  oder  »Triumph- 
geschrei« zugrunde,  der  Bedeutung  von  *chula  dagegen  »Schrei  des  Un- 
willens oder  des  Tadels«. 


1)  Diese  ErwSgungen  lassen  vermuten,  daß  »rduuc  in  Bezug  auf  den 
Menschen  ursprünglich  nicht  so  sehr  »das  Fehlen  von  Kleidung  auf  dem 
Körper,  das  Unbedecktsein  des  Körpers«,  als  »das  Fehlen  von  Behaarung  auf 
dem  Körper,  das  Fehlen  von  Kopfhaar  und  Bart«  bedeutete.  So  wird  die 
schon  vonMiklosich  EtWb.  7  gegebene  Etymologie  des  weaUhgolec  »Bursche« 
und  goif  »Kind«  als  Benennungen  »bartloser  Menschen«  bestätigt  Ob  nicht 
hiervon  auch  iech.  hoch  Knabe  (vgl.  6ech.  Pech  von  Petr  oder  poln.  Stach  von 
Stanüiaw  etc.)  gebildet  ist,  das  Gebauer  Slovnik  staroiesk]^  zu  ahd.  haehe 
stellt? 


168  ^'  IQinekyi 

Wa8  das  phonetische  VerhAltnis  der  Woneln  beider  Wörter  betrlffl, 
so  wird  es  klar,  wenn  wir  ihre  idg.  Wnrzel  *khäur  anf  ein  Uteres  iwei- 
silbiges  *khoy(ar  znrflckfQhren,  dessen  Variante  *khou-'  yerbnnden  mit 
dem  Suffix  -2a  im  Urslayischen  das  Wort  *chtda  bildete,  wShrend  seine 
andere  Variante  *kh^ß'  mit  demselben  Suffix  *cAvala  ergab.  Die  dritte 
Variante  *kh^9'  schließlieh  ergab  nrsl.  *choh^  das  sich  im  heutigen  sttd- 
slavischen  ochoh  erhalten  hat.  ^t  dem  einen  Zustand  beEcichnenden 
Suffix  ^t~  Tcrbunden  haben  wir  idg.  *kh\(dr  und  *£%9-  in  sl.  *chvattat% 
(slov.  chvastdti,  rnss.  xsacTaTL)  und  *cholo8th  (im  heutigen  stldsL  oeho- 
losth).  Endlich  wurde  im  Slavischen  tou  slav.  *choh  das  verloren  ge- 
gangene Iterativum  *chaliti  gebildet  und  von  diesem  sind  rnss.  oxaii»- 
HH^aTB,  HaxaxBHH^aTB,  HaxajTB  gebildet^). 

Vn.  Die  Frage,  in  welchem  Verhältnis  ursl.  *ch%Uti  zum  Verbum 
*choUt%  steht,  beschäftigt  schon  seit  langer  Zeit  viele  Forscher.  Ich 
werde  die  Aber  diese  Frage  geäußerten  Ansichten  hier  nicht  besprechen: 
ich  habe  das  in  dieser  Zeitschrift  schon  (ASPh.  XXVUI 457—469)  getan. 
Ich  gestatte  mir,  hier  nur  darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  m.  £.  das  ^  in 
ckbtSti  nicht  phonetisch  aus  o  in  chotSti  entstanden,  sondern  hierher  als 
Analogiebildung  aus  dem  Verbum  *ch^tit%  »rapere«  gelangt  ist,  wie  ich 
a.  a.  0.  gezeigt  habe.  Vgl.  russ.  oxoTa  »Wunsch«  und  »Jagd«  neben 
dial.  oxBOTa,  das  sich  schon  in  einem  AsÖyKOBHHiTB  des  XVI.  Jahr- 
hunderts findet.  Ich  wfirde  diese  Ansicht  auch  noch  jetzt  vertreten,  wenn 
ursl.  *chytit%  auch  nur  eine  einigermaßen  sichere  Etymologie  hätte. 
Leider  steht  die  Wurzel  *chyt-  in  den  heutigen  slavischen  Sprachen  ganz 
vereinzelt  da  und  Wurzeln,  die  ihr  in  den  anderen  indogermanischen 
Sprachen  genau  entsprechen,  sind  meines  Wissens  noch  nicht  nachge- 
wiesen worden.  Dieser  Umstand  legt  mir  die  Vermutung  nahe,  daß  sl. 
*chyt%ti  mit  *ch^iit^  etymologisch  identisch  ist  und  daß  folglich  auch 
das  erstgenannte  Verbum  ursprünglich  »leidenschaftlich  wünschen«  be- 
deutete. Was  das  morphologische  Verhältnis  der  beiden  Verba  betrifft, 
so  wird  es  ebenfalls  klar,  wenn  wir  annehmen,  daß  es  in  der  idg.  Ur- 
sprache eine  zweisilbige  Wurzel  *kho^ät^  gab.  Aus  ihrer  Variante  *kho^9tr' 
konnte  im  Urslavischen  *chytit%  entstehen,  aus  einer  anderen  Variante 
*khut-  (als  einer  Tiefstufe  von  *khout'')  *ch^UH^  und  endlich  aus  der 
dritten  Variante  *kh^9t^  gr.  x^^^^  ^^s  *xf^''^'^  ^^^  ^^'  *chotb  (vgl. 

1)  Kozlovsky  ASPh.  XI 385  vergleicht  diese  Wörter  mit  lat.  hälare,  aber 
das  h  dieses  letzteren  ist  unursprünglich.  Vergl.  Sommer  Handbuch  S.  122, 
WaldeLat.  EtWb.  281. 


Der  Spirant  r  vor  o  anfl  idg. » im  UnlaTischen.  169 

gr.  xoTtyög  und  bIat.  *iafrb  am  idg.  *q^9p')  ans  *cAt7oto.  Dieselbe 
Wnxsel,  jedoeh  in  nasalierter  Form  liegt  wahrscheinlich  sl.  *chqth  nnd 
arm.  xandy  G.  xandoy  »ardente  brama«  zugrunde. 

Dies  sind  die  Beispiele,  die  m.  B.  mit  größerer  oder  geringerer 
Wahrscheinlichkeit  beweisen,  daß  im  Urslavischen  «  vor  o  aus  idg.  9 
ausfiel,  wenn  ihm  ein  postlingualer  Konsonant  (^,  k^  kh)  Tor- 
herging.  Wenn  v  andererseits  folgerichtig  vor  altem  (idg.)  o  erhalten 
bleibt,  so  kann  man  das  nur  dadurch  erklflren,  daß  dieses  o  offener  ge- 
sprochen wurde  als  o  aus  idg.  9,  Und  es  erscheint  beachtenswert,  daß 
dn  fthnlieher  Vorgang  sich  auch  in  einer  späteren  Periode  im  Leben  der 
slavischen  Sprachen  wiederholt  hat:  während  v  tot  a  als  einem  breiteren 
Vokal  bestehen  bleibt,  schwindet  es  yor  o  (auch  wenn  dieses  =  idg.  o) 
in  gewissen  Fällen.  Vgl.  big.  fosahB  »Nagele,  slov.  gozditi  »Terkeilen«, 
obersorb.  höidi  »Nagel«,  poln.  gdidi  id.  neben  asl.  rsoSA^  »Nagel«, 
big.  roosAi  id.,  serb.  m^SA  »aus  der  Erde  hervorragender  Stein«,  slov. 
gtazdiii  »verkeilen«,  iecL  hvoidij  »Durchschlagholz«,  poln.  gwöidi 
»Nagel«,  russ.  fbosab  id.;  oder  slov.  gdzd  »Wald«  neben  aserb.  tbosa^ 
id.  und  iech.  hvoxd  »Berg«;  oder  slov.  hoja  »Tanne«,  obersorb.  khojna 
»Kiefer«,  poln.  ehoja  »Kienbaum«  neben  serb.  xBÖja  »Zweig«,  slov. 
hvoja  »Tanne«,  Sech,  chvoje  »Nadel  der  Kiefer«,  russ.  zboe  »Tangel«; 
oder  niedersorb.  choid  neben  poln.  chwoszczka^  russ.  XBon^  »Schachtel- 
halm« (Equisetum);  oder  Sech,  choiti  »Besen«  neben  obersorb.  khoido 
id. ;  oder  Sech.cAorj^  »krank«,  poln.  chory  id.  neben  Sech,  chwarj  id.,  russ. 
XBopuH.  Der  umstand,  daß  auch  in  diesen  Wörtern  v  nur  nach  post- 
lingualen Konsonanten  schwindet,  macht  den  Parallelismus  zwischen 
beiden  Vorgängen,  dem  alten  und  dem  neuen,  besonders  auffallend. 

StPetersburg.  O,  Ujinskij. 


ftnelqnes  remarques  snr  la  langne  polabe. 


Le  professeur  Baudouin  de  Courtenay  dans  son  ezcellent  resnm^  de 
la  question  kasubienne  (Archiv,  XXVI,  366  ss.)  en  est  venu  k  mon  opinion 
(comparez:  »Stosunki  pokrewie^stwa  j^zyköw  lechickich«  dans  les  Ma- 
teryaly  i  prace  Komisyi  j^ykowej  de  l'Acad^mie  de  sciences  de  Cracovie, 


170  GaBÜnir  Nitsch, 

m,  i — 57)  qne  le  polabe,  le  kasub  et  le  polonais  forment  jnsqn'k  un 
certain  degr^  un  territoire  lingmBtiqiie  uniforme,  dit  l^hique,  arec  nne 
86rie  de  propri^t^s  commimes  et  essentielles.  Mais,  n'ayant  pas  pens^ 
snffisamment  snr  les  signes  earact^ristiqnes  dn  polabe,  il  n'a  pas  ^mis  son 
opinion  sni  les  relations  entre  le  polonais  et  le  kasnb  pris  ensemble  et  Ia 
langne  polabe.  II  se  contente  d'exprimer  Topinion  qne  les  recheichea 
syst6matiqnes  snr  le  polabe  ne  changeront  probablement  pas  les  jngementB 
prösents  snr  les  rapports  mntnels  de  ces  denx  territoires  lingnistiqnes. 
II  m'a  honor^  de  son  approbation,  avonant  qn'entre  tons  les  nonveanx 
lingnistes  j'ai  le  mienx  r^soln  cette  qnestion.  II  y  a  trois  ans  qne  j'ai  ^rit 
cet  artide  et  mon  avis  n'a  pas  ohang^,  an  contraire,  je  erois  ponvoir 
mienx  le  motiver  qne  je  ne  Tai  fait  dans  la  pnblication  polonaise.  N'^tant 
pas  arriv^  non  plns  ä  des  conolnsions  positives  snr  beanconp  de  pointa 
de  la  grammaire  polabe,  je  ne  vonlais  pas  encore  prendre  la  parole  dans 
cette  qnestion,  mais  Tartiole  de  M.  Eoblischke  (Archiv,  XXVIII,  261  ss.) 
m'a  d^cid^  k  le  faire.  M.  E.  ^crit  sans  consid^ration  des  antres  travanx 
snr  ce  point  on  snr  les  qnestions  en  parent^,  commes  celles  des  M.  M. 
Enljbakin,  Mikkola,  Sachmatov  et  enfin,  ce  qni  est  ponr  Ini  compromet- 
tant,  la  dissertation  de  M.  Lorentz,  qnoiqn'elle  ait  6t6  imprim6e  dans 
^Archiv  pCXIV,  1  ss.).  En  cons^qnence  il  toit  parfois  des  ohoses  qni 
apr^s  les  travanx  citds  ne  penvent  nnllement  6tre  admises,  d'antre  part  il 
Ini  arrive  de  d^convrir  TAm^riqne  ponr  la  denxi^me  on  troisi^me  fois. 
Je  ne  penx  ni  venx  m'oocnper  sp^cialement  de  ce  travail,  mais  la  snite 
d^montrera  d'eUe  mäme  qne  mon  opinion  n'est  pas  fansse.  Dn  reste,  je 
ne  refnse  pas  k  M.  Eoblischke  le  m^rite  d'avoir  expliqn€  qnelqnes  faits 
qni  jnsqn'ici  manqnaient  de  dart^  (snrtont  snr  le  polabe  m^me,  dans  son 
»Drawäno-Polabisches«,  p.  433  ss.),  bien  qne  ses  explications  soient  de 
natnre  plns  philologiqne  oü  M.  E.  est  nn  travaUlenr  tr^s  exact,  tandis 
qn'il  n'a  pas  encore  assez  approfondi  les  qnestions  lingnistiqnes  propre- 
ment  dites. 

Or,  M.  Eoblischke  a  bien  compris  qne  le  partage  dn  slave  oommnn 
^  en  e  et  a  et  de  1^  en  ^et'g  doit  ^tre  consid^r6  comme  le  fondement 
de  la  thöorie  l^chiqne,  fondement  qni  ne  pent  6tre  attaqn6  scientifiqnement. 
Mais,  qnand  il  af&rme  qn'on  n'a  pas  jnsqn'ici  dairement  sn  qne  le  polabe 
et  le  polonais  sont  tont-k-fait  analognes  dans  le  traitement  de  IV,  il  fant 
remarqner  qne  ce  fait  ötait  certainement  connn  de  beanconp  de  savants, 
bien  qn'ils  ne  l'aient  pas  positivement  exprim^  ce  qn'a  finalement  fait 
M.  Lorentz  dans  1' Archiv.   Qnant  k  la  d^palatalisation  des  voyelles  pa- 


Quelques  remarqneB  sur  la  langae  polabe.  171 

latales  devant  les  consoimeB  dentales  non  palaUles,  comme  nn  fait  l^hiqne 
eommun,  c'est  moi  qni  l'ai  acceiitn6  dans  mon  travail.  C'est  le  point  qne 
je  n'ai  paa  snffisamment  expliqn^  et  qne  je  venx  d^velopper  dans  le 
Premier  chapitre  de  mon  trayail  eomme  nne  large  base  de  commnnantö 
de  ces  langnes. 

Mais,  avant  tont  je  m'arr^terai  qnelqne  pen  sur  la  transcription  dn 
polabe  qni  n'est  point  nne  qnestion  pnrement  orthographiqne.  II  est 
natnrel  qn'il  fant  changer  Torthographe  de  Schleicher,  si  Ton  tronre 
d'antres  lois  phon^tiqnes  et  c'est  M.  Mikkola  qni  dans  > Betonung«  a 
commenc^  ä  le  faire.  En  ontre,  Torthographe  tont  k  fait  uniforme  n'est 
en  principe  pas  possible,  parce  qne  nos  sources  polabes  ne  proviennent 
pas  d'un  seul  dialecte.  Anx  faits  döjä  connus  M.  K.  en  ajoute  un  nonvean, 
eelui  dn  alave  eommun  y  qni  dans  la  finale  accentu6e  est  repr^sent^  chez 
Pamm  Schnitze  par  a.  Mais,  en  g^n^ral,  sa  transcription  est  incons6- 
quente,  maladroite  et  au  surplus  arbitraire.  Passant  sons  silenoe  les 
nombreuBes  erreurs  typographiques,  il  est  difficile  p.  e.  de  comprendre  le 
profit  ou  le  besoin  dn  changement  du  v  de  Schleicher  en  to  et  de  Vo  en  6\ 
mais,  si  cette  orthographe  est  indifferente,  11  n'en  est  pas  de  m^me  avec 
la  transcription  des  g,  q  ean  ung^  ang  (ditü/ungte,  zimang)  qui,  spdoiale- 
meot  k  la  fin  d'nn  mot,  est  tont  k  fait  fausse:  c'est  la  m6me  mani^re  de 
reprösenter  la  voyelle  nasale  qne  Ton  emploie  parfois  en  allemand  pour 
les  sons  fran^ais,  si  Von  reproduit  p.  e.  train  par  träng.  On  peut  ap- 
pronver  le  ij  (bien  qne  je  pr6f6rerais  le  f)  au  lieu  de  H  de  Schleicher  (les 
faits  orihographiques  comme  skiona  et  toeigöl  oü  nous  avons  ki  au  lieu 
de  ^et  ^  au  lieu  de  ef  prouyent  snffisamment  que  les  ^,  d'et  £,  g  se  sont 
enti^rement  m^l^],  mais  on  se  demande  pourquoi  l'auteur  conserve  le  g 
(mtoe  dans  le  m^me  mot  gölumbtje  ^)  ete.  Bien  que  ce  ne  soit  pas  la  place 
pour  nne  esqnisse  enti^re  de  la  transcription  polabe  (eile  devrait  ^tre 
donnöe  dans  la  nonvelle  Edition  des  sources  polabes),  je  ne  peux  pas 


1}  L'explication  de  ffelumhge  n'est  pas  bonne.  Gontrairement  &  Topinion 
de  M.K.  on  ^rit  souventy  au  lieu  de  dj\  mais  non  au  lieu  de  tj,  ce  qui  est 
d*aceord  avec  la  nature  de  ces  consonnes:  comparez  ka&ub  c  i  cöt6  de  z,  slo- 
Y^ne  S  ä  c6t6  dej\  latin  quis  k  cöt4  de  vivua  etc.  Llncompatibilitö  entre  ce 
ploriel  dölgb'e  et  le  singulier  dölohäk  pourrait  s'ezpliquer  par  la  supposition 
que  la  forme  d^minutiTe  n'^tait  en  usage  que  dans  le  singulier  (fait  assez  fr6- 
quent  dans  les  dialectes  polonais,  cf.  M.  i  P.  Uli  325],  si  la  qualit^  palatale  du 
h  devant  e  n'^tait  un  peu  frappante. 


n 


172  Cuimir  Nitach, 

omettre  le  fait  essentiel  que  M.  K.  transcrit  parfois  b1.  com.  y  et  sl.  eom. 
u  par  äu^  laUsant  autre  part  oi  pour  *y  et  eu  ponr  *u  Bans  motiver  cette 
vari^t^.  Or,  -si  l'on  examine  les  mots  avec  lea  sl.  comm.  y^i^u  ehez 
Hennig  von  Jessen  et  chez  Schnitze,  on  7  troave  presqne  tonjonrs  ai  ponr 
*%  (il  n'y  a  pas  motif  de  changer  ai  de  Schleicher  en  ei) ;  pour  *y  JL 
emploie  ai  ou  ai  presqae  dans  la  mßme  qnantit^,  S.  tonjonrs  äu\  ponr  *u 
J.  a  au  (rarement  ai\  chez  S.  on  tronve  äu.  On  roit  qne  chez  J.  *y  a 
plntdt  tendance  de  se  confondre  avec  *i  (je  ne  compte  pas  les  exemples 
de  *y  apr^  les  gnttnrales  oü,  comme  dans  le  polonais,  il  est  tonjonrs 
^ale  ä  *i\  tandis  qne  *u  est  tonjonrs  exactement  s6par6;  chez  S.  ce  sont 
*y  et  *u  qni  se  sont  tont  ä  fait  m^l^s.  II  n^est  pas  possible  de  ne  voir 
dans  cette  vari^t^  qne  Forthographe,  ce  sont  indnbitablement  des  diffdrences 
dialectiqnes. 

I. 

La  langne  slave  commnne  poss^dait  les  voyelles  palatales  snivantes: 
e  6 ih  qj[  ^  et  dans  l'^poqne  polabe  de  tr^s  bonne  henre  s'est  Joint  k 
elles  encore  Vü^  n6  dn  pr^lave  0.  Tontes  ces  voyelles  ont  snccomb6  ä 
la  ddpalatalisation  dans  le  polabe.  Ponr  atteindre  notre  bnt  il  fant  les 
traiter  dans  l'ordre  snivant. 

1.  Je  commence  avec  Vi^  parce  qne  le  proc^s  vocale  est  ici  tont-k- 
fait  clair  et  il  n'a  nnl  besoin  d'explications.  ü  fant  n^anmoins  remarqner 
qne  la  loi  de  M.  K.  selon  laqnelle  il  y  a  denx  conditions  dn  changement 
de  Vi  en  a  et  de  Vq  en  'q^  notamment  Taccent  et  la  dnret^  des  consonnes 
qni  snivent,  n'est  pas  conforme  ä  la  v^rit^:  qnant  k  Taccent  il  snffit  de 
citer  parmi  le  grand  nombre  d'exemples  le  polonais  giäzda  on  gndzdo^ 
msse  zvSzdd  et  gnizdö  ponr  montrer  qne  ce  changement  est  ind^pendant 
de  l'accent;  qnant  an  caractäre  non  patatale  des  consonnes  qni  snivent, 
la  condition  qn'elles  doivent  ^tre  dentales  est  trop  connne  ponr  en  parier 
plns  longnement. 

2.  Le  changement  de  l'f  en  ar  est  absolnment  analogne,  ce  qni  6tait 
d^jä  connn  avant  la  d^conyerte  de  M.  E.  II  est  vrai  qn*il  a  montr^  le 
degr6  interm^diaire,  Ver  dn  vienx  polabe,  mais  on  ponvait  Tadmettre  sans 
ayoir  vn  de  telles  formes  dans  les  docnments,  si  Ton  sait  qne  Var  de  f 
non  palatale  avait  anssi  ce  degr^,  comme  je  Tai  d^montr^  ponr  le  bas 
sorabe  (M.  i  P.  in,  9) ;  on  ponvait  anssi  ignorer  ce  degr6  et  malgr^  cela 
bien  comprendre  la  commnnant6  dn  traitement  de  ce  son  dans  tontes  les 
langnes  l^hiqnes.  La  qnalit6  palatale  on  non  palatale  de  la  consonne 
pr^^dente  est  ici  d'nne  importance  secondaire.    Qnant  ä  l'opinion  dn 


Quelques  remarqueB  sur  la  Ungue  polabe.  173 

pTofesseor  Baudouin  que  l'unique  forme  primitive  polonaise  est  tart  et 
Tnnique  primitive  kasube  ütrtj  e'est  aussi  M.  E.  qui  n'a  pas  raison.  Son 
principe  qu'on  ne  peut  pas  admettre  d'analogie  lä  oü  le  polabe  et  le 
poionais  sont  d'acoord  est  un  fanx  principe :  on  connatt  donc,  dans  toutes 
les  langaes,  des  exemples  oü  la  concordance  n'est  pas  phon^tique  mais 
fortuite,  souvent  analogique;  du  reste,  cette  concordance  {£omü  et  ziamo) 
dans  le  caa  qui  nons  conceme  est  tr^s  rare,  les  exemples  comme  tjdrde  — 
twardy  sont  plus  nombreux.  M.  K.  ne  donne  pas  raison  de  l'existence 
dans  le  poionais  du  iart  ä  cdt^  de  Tordinaire  tart^  la  pr6dilection  d'une 
langue  pour  l'nne  ou  l'autre  forme  phon^tique  n'explique  rien.  H  sugg^re 
au  professeur  Baudouin  que  selon  celui-ci  *zamo  est  devenu  ziamo  sous 
Tinfluence'  de  ziamüty^  ce  qui  n'est  pas  v6ridique:  le  professeur  B.  a  fait 
ddriver  ziamo  de  la  oonfusion  du  nominatif  *2;arno  et  du  locatif  ztemfa; 
ce  i,  bien  qu'il  n'existait  dans  tonte  la  d^clinaison  que  dans  une  forme, 
ponvait  mettre  en  d^u^tude  les  formes  avec  z^  parce  qu'il  ^tait  corrobor^ 
par  l'existence  de  ce  i  dans  Tadjectif  ziemisty  (non  ziamisty  qui  s'est 
d6velopp6  plus  tard  sous  Tinfluence  de  ziamo),  Si  je  m'occupe  encore  de 
cette  qnestion  qui  doit  €tre  daire  pour  tous  ceux  qui  connaissent  la  litt6- 
ratnre  concemant  les  langues  16chiques,  c'est  encore  pour  citer  un  exemple. 
Qn  n'a  pas  connu  jusqu'4  präsent  la  forme  de  la  racine  pj[d  avec  le  p 
non  palatale,  on  a  cit6  toujours  les  formes  analogiques  j9tar<^  etpiardnqö. 
Or,  je  connais  un  nom  de  famille  Pardyak^  nom  populaire  qui  dans  la 
vraie  prononciation  dialectique  sonne  Pardyjäk^  ce  qui  ne  peut  signifier 
rien  d'autre  que  le  commun  ^Ioti^Sa  pierdoia  ou  pierdzioch. 

Ges  deux  faits  sont  communs  ä  tout  le  territoire  l^chique. 

3.  Quant  k  V^,  ce  n'est  que  dans  le  polabe  et  le  kasub  que  Ton  peut 
prouver  sans  doute  le  m^me  d^veloppement  primitif,  comme  l'a  d^montr^ 
IL  Lorentz.  Toutes  les  explications  de  M.  E.  sur  les  voyelles  nasales  sont 
fausses.  8'il  avait  connu  le  travail  de  M.  Euljbakin  sur  la  quantit^  des 
vojelles  polonaises  (Sbornik  otd^lenija  russkago  jazyka  i  slovesnosti, 
T.YYTTT^  Ko.  4)  OU  au  moins  celui  de  M.  Lorentz  sur  les  voyelles  nasales 
(Archiv,  XIX,  132  ss.],  il  n'aurait  pas  besoin  de  supposer  que  c'^tait 
la  diffärence  primitive  de  Taccent  qui  a  caus^  dans  beaucoup  de  cas  le 
partage  en  f  et  o,  il  saurait  que  c'est  bien  une  r^alit^,  mais  ....  que  les 
lois  de  d^veloppement  sont  tout  ä  fait  autres,  parfois  m6me  oppos^es  k 
ceUes  qu'il  donne.  —  Mais,  bien  que  la  langue  polonaise  ne  connaisse  pas 
la  d^palatalisation  du  sl.  com.  ^  devant  les  dentales  non  palatales,  on  ne 
peut  afifirmer  qu'elle  ne  l'ait  pas  connne  autrefois.   On  sait  qu'U  j  a  dans 


174  CMimir  Nitsch, 

cette  lan^e  nne  ^poqne  oü  1&  diff(6renoe  qnalitatiTe  parnules  devx  voyelles 
naaales  primitives  s'eBt  effac^e  et  d'aatres  difiFi6renceB,  fond^es  exclo- 
Bivement  sur  les  difffrencea  quantitatires,  se  sont  form^es.  J'ai  prony^ 
la  poBsibilit6  d'existence  d'nne  d^palatalisation  dans  le  pass^,  possibilit^ 
fond^e  BOT  le  d^veloppement  tr^B  semblable  dans  nn  dialecte  bas  sorabe 
dn  XVP  Biäole,  notamment  celni  de  Jakabica  qoi,  comme  je  Tai  d6montrö 
dans  leB  M.  i  F.,  pent  ^tre  consid^^  comme  nn  dialecte  frontier  entre  le 
polonais  et  le  baB  sorabe.  £n  tont  cas,  l'existence  des  traces  de  cette 
d^palatalisation  dans  le  kasnb,  bien  qne  ce  temtoire  ait  snbi  plns  tard 
les  m^mes  changements  qnantitatifs  qne  le  polonais,  et  lenr  manqne  total 
dans  le  polonais  ne  pent  t^moigner  contre  la  possibilit^  de  cette  existence 
plns  ancienne,  parce  qne  ces  traces  kasnbes  ne  se  sont  conserv^es  qn^en 
yertn  d'nne  loi  sp^ialement  kaanbe,  celle  de  la  d^nasalisation  dn  vienx  { 
dans  cette  langne.  L*histoire  de  ces  yoyelles  dans  le  polonais  et  dans  le 
kasnb  pent  donc  6tre  r^present6e  d'apr^s  le  modMe  snivant: 


slcom.f '  P    •  Tj  -^  'qw-^  (),  'p  ka&.  et  pol. 

16ch.f"2)3i^_>  p.etk.f*  f      ^»  "^  ^  w  ,w  ff, '(?  pol.  en  g^n^ral 

sl.  com.  ^  »-^  16ch.  9  ir->  p.  et  k.  9  J  ^*  ^         l^,  'q  ka&.  et  pol.  dial 


ka&.  et  pol.  dialect. 


Ce  partage  de  l'f  en  ^*  et  ^°  anssi  dans  le  pr^polonais  n'^tant  qn'hypoth^se, 
n'est  pas  ponrtant  invraisemblable. 

Nons  amyons  maintenant  ä  denx  faits,  Tun  qni  n'a  en  lien  qne  dans 
le  polabe,  Tantre  senlement  dans  le  kasnb  et  le  polonais. 

4.  L'o  slaye  commnn  est  deyenn  en  polabe  ö  on  ü^  par  cons^nent 
nne  yoyelle  palatale.  M.  E.  a  yn  jnstement  (p.  282  et  442)  qne  le  partage 
de  ces  denx  sons  s'est  accompli  selon  la  m6me  loi  que  celle  de  IV  en  e  et 
'a,  ce  qn'a  d6)k  remarqn^  Schleicher  (p.  60).  Mais,  cette  obseryation  de 
M.  E.  ^tant  jnste,  il  l'a  jet^e  en  passant  et  n'a  pas  accentn^  son  impor- 
tance.  C'est  ponrquoi  je  yenx  ici  en  dire  qnelqnes  mots.  Or,  on  pent 
6tre  sür  qne  Vo  primitivement  est  deyenn  Vü  et  qne  c'est  plns  tard  qne 
cet  ü  deyant  les  dentales  non  palatales  a  chang6  en  moins  palatale  ö. 
Ontre  le  parallelisme  de  ce  fait  ayec  les  changements  d6jk  cit^  il  y  a 


^)  plus  palatale,  deyant  toates  les  consonnes,  except6  dentales  non 
palatales. 

^  moins  palatale,  devant  les  dentales  non  palatales. 
3)  de  ce  moment  comme  chaqne  antre  t  ka&nb. 


Quelques  remarques  sur  U  langte  polabe.  1 75 

d'autres  arguments  pour  prouver  cette  Chronologie.    D'abord,  k  la  fin 

d'un  mot  on  a  toujours  ü  (nebü),  apr^s,  Vü  ne  pourrait  proyenir  de  Vö 

que  deyant  loa  palatales,  eomme  Ve  est  devenn  i  derant  elles  {nebii  — 

nibeiö)j  tandis  qne  les  labiales  et  les  gutturales  non  palatales  ne  pourraient 

agir  dans  aucune  direciion.    Alors,  si  nous  avons  siüpa  et  nugay  ces 

formes  ne  peuyent  ^tre  que  primitives.   Quant  k  Texceptionnel  ö  devant 

iV,  p.  e.  zöru  on  d&ronka^  il  faut  rappeler  que  derant  oet  r  Ve  n'est  pas 

de  mtee  devenn  t:  hire  non  bire  d'oü  il  en  r^sulte  que  iV  n'6tait  pas 

tr^  paiatale.  L'ezacte  r6vision  du  mat6riel  donne  encore  d'autres  preuves : 

devant  les  consonnes  autres  que  dentales  dures  nous  avons  toujours  ü 

aveo  l'nnique  exception  döst  [vd  ISnü  est  Taccusatif},  mais  devant  les 

dentales  dnres  k  cdt6  de  Vö  regulier  on  pent  donc  trouver  parfois  ü  et  il 

est  impossible  de  n'y  voir  que  l'orthographe  et  le  manque  d'exercise  des 

hommes  qui  ont  not6  oes  mots ;  ce  sont  des  restes  d'un  6tat  plus  ancien. 

Le  changement  du  groupe  vo  en  vü  qui  ne  s'est  fait  que  devant  les 

palatales  (vücesa  mais  vdknu)  y  forme  un  apparent  oontraste.  En  r^alit^, 

nous  n'avons  pas  tu  devant  les  labiales  et  gutturales,  oar  dans  l'^poque 

de  la  palatalisation  de  Vo  en  ti  le  groupe  vo  n'existait  que  devant  les 

consonnes  entiörement  palatales,  chaque  autre  vo  s'^tant  d^jä  chang6  en 

vd.   Ce  n'est  que  de  cette  mani^re  qu^on  peut  expliquer  les  exemples 

eomme  vd/u  k  c6t6  de  vücesa.   Si  le  changement  de  Vo  en  ü  6tait  plus 

ancien  que  celui  de  vo  devant  chaque  consonne  dure  en  vd^  nous  aurions 

viUu,  Les  exceplions  ne  valent  neu:  le  locatif  väda  a  pu  r^sulter  sous 

rinflnence  d'autres  formes  qui  avaient  toutes  vd^  dans  vüklüp  nous  avons 

une  assimilation  (peut-6tre  seulement  dans  l'orthographe)  k  la  voyelle 

succödante,  assimilation  assez  fir^quente  dans  nos  sources  polabes,  p.  e. 

Uyijer  (=s  sUdr)  ou  tmdffin  (=  vtidtn) ;  quant  k  viit^  je  ne  puls  l'expliquer 

sufifisamment,  mais  je  le  mets  donc  ensemble  avec  les  autres  pr^fixes, 

eomme  püd,  rüz^  prid  oü  nous  avons  partout  la  voyelle  plus  paiatale  au 

lieu  des  attendus  ö',  e, 

5.  En  Opposition  apparente  avec  la  loi  l^chique  g^n^rale  de  la  d4- 
palatalisation  se  comporte  le  polabe  e  qui  ne  devient  Jamals  o,  ce  qui,  au 
contraire,  a  lieu  dans  le  polonais  et  le  kasub.  Ici  Ve  devient  i  devant 
les  palatales,  dans  tous  les  autres  cas  il  reste  e,  p.  e.  nibeio  —  nebü. 
IL  Lorentz  (Archiv,  XXIV,  1 1)  affirme  que  ce  traitement  est  compl^tement 
oppos6  au  polonais,  mais,  les  conditions  du  changement  polonais  et  polabe 
n'^tant  pas  les  m§mes,  on  ne  peut  qualifier  identiquement  ces  deux  ph6no- 
m^nes.   M.  K.  (p.  276)  cherche  justement  la  cause  du  manque  du  change- 


176  Casimir  Nitseh, 

ment  da  polabe  e  ea  o  dans  la  qualit^  non  palatale  de  la  consoime  pr^6- 
dente.  Je  reviendrai  encore  plns  tard  snr  ce  aiget,  ioi  je  remarqne 
senlement  que  dans  le  polonais  on  peut  tronver  des  exemples  qni  approu- 
yent  oette  hypoth^se.  Ainsi,  nons  avons  lä  parfois  ce  changement  daas 
les  mots  oü  Ve  d^riye  de  \\  p.  e.  wioaka^  dztonek,  ce  qm  n'a  Jamals 
lien,  s'il  d^rive  de  V^:  toiyoiirs  seUj  bez.  Mais  M.  E.  fait  errenr  en  y 
comparant  le  tch^qne,  paroe  qne  cette  langne  ne  oonnatt  point  U  döpaUta- 
lisatioii,  m^me  \k  oü  la  consonne  est  palatale,  comme  devant  Sj  p.  e.  svSL 
—  On  pent  encore  trouver  nne  antre  cause  k  cette  absence  de  changement 
de  r^  en  o.  Nons  avons  va  qne  la  palatalisation  de  Vo  en  ü  est  d'one 
6poqae  tr^s  ancienne.  Or,  ä  l'^poqne  de  la  d^palatalisation  des  YoyeUes 
palatales  la  langne  polabe  ne  poss^dait  plus  'Vo  et  la  tendance  k  eviter 
Tarticalation  haute  et  retir^  de  la  langue  (qu'on  voit  anssi  dans  la  palata- 
lisation de  chaque  u)  6tant  en  contradiction  arec  la  tendance  k  la  d6- 
palatalisation,  n'a  pas  permis  k  Ve  de  changer  en  o.  Les  Yoyelles  ^,  /,  ^ 
se  transformaient  en  d'autres  ayec  le  son  radical  a  qui,  plut  bas  et  plus 
ayanc^  que  Vo  et  Vu^  n'6tait  pas  soumis  k  ce  d^placement  de  l'articulation 
yers  le  deyant.  —  ü  est  difficile  de  prouyer  laquelle  de  ces  deux 
circonstances  en  ^tait  la  cause  essentielle,  mais  on  yoit  dairement  que  le 
manque  de  ce  ph^nom^ne  n'est  pas  en  Opposition  ayec  les  tendanoes 
l^chiques  communes;  ce  sont  les  diverses  ^poques  qu'il  faut  prendre  en 
consid6ration.  —  Sur  le  groupe  telt  je  dirai  quelques  mots  plus  loin,  y. 
paragraphe  8. 

II  nous  reste  encore  trois  yoyelles  palatales  slayes  communes,  notam- 
ment  »,  t»  et  ^.  Toutes  les  trois  se  sont  soumises  dans  le  polabe  elles 
aussi  k  une  d6palatalisation,  mais  sans  aucune  connexion  ayec  le  lieu 
d'articulation  des  consonnes  qui  suivent,  la  consid^ration  de  son  histoire 
n'appartient  donc  pas  k  la  rigueur  k  ce  ohapitre,  aussi  je  me  bome  ici  k 
dire  quelques  mots  sur  ces  ph^nom^nes. 

6.  Quant  k  Vi  qui  s'est  d6palatalis6  pour  devenir  diphtongue  ai,  la 
chose  6tant  daire,  eile  ne  donne  lieu  k  aucune  r6flexion.  Le  manque  de 
la  qualit^  palatale  des  consonnes  pr^6dentes  [zäima^  nait  dans  le  contraste 
k  ionUj  pQta)  prouve  que  c'est  un  fait  plus  r6cent  que  toutes  les  autres 
d^palatalisations. 

7.  L'histoire  de  Vh  n'est  pas  si  facile  k  retracer.  Bien  que  dans  la 
majorit^  des  exemples  nous  avons  un  ä  avec  la  pr^c6dente  molle  ou  dure, 
il  nous  reste  quelques  mots  avec  i.  M.  Lorentz  croit  qu'il  y  a  dans  ces 
cas  une  palatalisation  plus  forte,  mais  il  n'a  pas  pu  donner  de  Ioi  k  ce 


Qaelqnef  remarques  snr  k  langne  polabe.  1 77 

phdnom^e.  H  est  dair  qiie  ce  proc^s  est  plus  anoien  qne  la  ddpaiatalisation 
de  toutes  lee  aatres  t>  en  a  oa  a,  parce  que  le  changement  d'un  d  non 
psiatale  (dans  tons  ces  cas  nous  ponnrions  attendre  d,  non  a)  en  i  n'est 
pts  possible.  Je  ne  penx  non  plns  donner  nne  loi  absolnment  pr^oise, 
nuds  j'appeUe  l'attention  snr  les  oonsonnes  sniYantes  apr^s  cet  i  de  Vt. 
Ce  sont:  le  prunitif  i  {visäi  eto.),  palatale  däjä  k  l'^poque  slaye  commime, 
et  Vn  devant  t  oü  Ton  pent  comprendre  ais6ment  qne  Vn  est  plns  capable 
de  la  qoalit^  palatale  qne  les  antres  oonsonnes  et  qne  cela  pent  ezister 
phis  £aeilement  devant  i  qne  devant  e  qni,  comme  le  montre  son  histoire 
daos  les  diYerses  langnes  slaves,  n^6tait  pas  si  palatale.  Ainsi  on  ponrrait 
eq»liqner  rdibinik  et  väknirdk ;  qnant  ä  stäudindcj  11  paratt  naltre  sons 
risflnenoe  de  *studhnica,  Ponr  zaitine  oü  oe  n^est  pas  senlement  Vi  k 
edt^  de  Vd  dans  nüöikie  qni  est  frappant^  mais  anssi  l'existence  m^me 
d'nne  yoyelle  k  e6i6  de  lesne^  vSme,  on  pent  admettre  la  forme  prunitlTO 
da  BufiBxe  --wirjo  comme  dans  le  msse  iitnij^  tandis  qne  les  antres  ad- 
jeetift  de  ce  type  avaient  le  snffixe  -ftfi^o;  Finflnenoe  de  l'accent  n'est  pas 
admissibley  si  l'on  oompare:  msse  Usnoj  —  polabe  lUne^  r.  noSnöj  — 
p.  näöäne  et  r.  iünij  —  p.  zaitine j  r.  virm/j —  p.  vime,  Enfin  griSdt 
n'est  pas  elair,  mais  Vi  se  tronre  dans  ce  mot  anssi  dans  le  vienx  slave 
et  dans  les  divers  dialectes  modernes,  ün  semblable  proc^s  de  palatali- 
Bition  de  V^  sons  l'inflnence  de  la  snivante  syllabe  palatale  se  voit  dans 
&!f,  lii&t  et  nüdit^  bien  qne  les  conditions  ne  soient  pas  ezactement  les 
m^es.  On  pent  comparer  anssi  vgdil  et  widin  ayec  les  nonreanx  i 
devant  les  palatales,  non  avec  d,  comme  p.  e.  dans  krodäl,  —  Qnant  k 
Texistence  de  Vir  dn  /  ä  oötd  de  l'ordinaire  dr,  ce  qni  semble  6tre 
psnll^e  au  proc^s  oi-dessns  d^montr^  et  qni  desoend  certainement  d'nne 
äpoqae  tr^s  anoienne,  je  ne  penx  donner  anonne  explioation. 

8.  Le  changement  dn  sl.  com.  ^  en  /  dans  le  polabe  est  selon 
M.  LorentB  nn  fait  phon^tiqne  qni  t^moigne  absolntement  contre  la  proche 
parent^  entre  cette  langne  et  le  polonais.  Mais,  bien  qne  ce  proc^s  seit 
Hü  des  plns  anciens  (ce  qne  je  pronve  dans  le  denxi^me  chapitre  de  ce 
trsTail),  on  ne  pent  Ini  donner  nne  trop  grande  valenr.  Cet  /  montre 
dans  tontea  les  langnes  slaves  nne  forte  tendance  k  se  changer  en  |:  il 
nV  &  pas  de  langne  oü  nons  n'aurions  pas  an  moins  de  ses  traces  et  on 
Be  pent  donc  joindre  les  langnes  msses,  slaves  m^ridionales  et  le  polabe 
qni  on  fait  enti^rement  cette  modification  en  nn  gronpe  plns  proche, 
eontrairement  an  polonais,  tchäqne  et  sorabe.  Si  Ton  vonlait  consid^rer 
cliaqae  changement  commnn  comme  eigne  de  parent^,  comme  le  yent 

if«ki?  fb  ilATlsohe  FUlologie.  XXH.  12 


176  Csnmlr  Nitsoh, 

IL-Lorentz,  il  fandmt  lier  en  nn  gronpe  te  Idi^tte,  le  polonns  et  le  bwi 
dBusabe  qoi  ost  chaiig^,  oontrmrement  aa  haut  sorabe  et  an  pdabe,  ohaqae 
l  apr^a  les  dentalea  en  lu  (bas  sorabe  dtüjki  —  haat  «orabe  4otht).  Oes 
dfiQx  gronpementB  sont  pourtsat  impoesibke  et  tnontrent  oft  oondnlt  iine 
p^dJoiteBqiie  appdicatfam  m^me  d'im  jnste  principe.  La  d^liMAlisatkm 
de  lY  ne  peut  avoir  xme  graade  yalenr,  ear  les  exemplee  de  oette  voyefle 
«ont  pea  nombrenx  d'oü  il  r^nlte  qne  les  modifioalioiis  anxquelleB  eile 
s'est  sonmise  dans  nne  partie  du  pays  n'^taient  pas  sniries  du  partage 
territorial  en  denx  parties  anssi  diffdrentee  qn'elles  n'aientpn  se  d^elopper 
ensemble  encore  apr^  ce  fait.  —  Le  changement  dn  telt  en  tolt  est  im 
pb^nomöne  tr^s  semblable:  bien  qn^il  ae  seit  acoompli  enti^rement  dans  le 
polabe  et  partiellement  senlement  dans  le  msse,  le  sorabe,  le  polonais  et 
vraisemblablement  anssi  dans  le  kasnb,  on  ne  pent  n^anmoins  eonclnre 
qne  le  polabe  e'est  s^ar^  le  premier  de  tons  ses  parents.  —  II  fant  enoore 
remarqner  qne  le  polonais  wtokq^  eit6  par  M.  E.,  ne  pent  pas  fignrer 
oomme  exemple  de  ee  proeäs,  car  11  n'existe  pas ;  la  jnste  forme  est  tolohq 
aveo  Vo  analogiqne  ans  antres  mots:  d'apr^  le  modhld  plecie  — plot^ 
on  a  forrn^  ä  wlecze  nne  forme  nonvelle  wlok^. 

La  d^palatalisation  des  voyelles  devant  les  dentales  dnres  est  donc 
avec  la  tendance  ä  oonserver  les  voyelles  nasales  et  avec  le  cbangement 
dn  sl.  com.  ^  en  ar  la  prenve  de  Tezistence  d'nne  ^poqne  l^cliiqne.  Con- 
sid^rant  les  fiuts  plns  r^ents,  on  pent  noter  denx  tendances  commnnes 
k  tont  ce  territoire,  bien  qn'elles  se  soient  acoomplies  apr^s  la  Separation 
gtegrapbiqne  dn  polabe  et  dn  kasnb-polonais.  La  premiöre  c^est  le 
cbangement  dans  le  polabe  des  y,  t  devant  les  /,  r  en  d :  täl,  sär,  pal, 
dara,  ce  qni  est  paraUMe  anx  formes  polonaises  ser^  uderzyd  et  anx 
dialectiqnes  (d^jä  dans  le  vienx  polonais)  bei^  paree  qne  Vd  correspond 
sonvent  an  polonius  e.  Enfin,  le  cbangement  de  Vä  en  o  est  nn  fait 
qni  n'est  oonnn  qne  dans  les  langnes  l^biqnes,  mais  il  s'est  aecompli  si 
tard  qne  la  longnenr  s'est  conserv^e  dans  le  polabe  dans  d'antree  eon- 
ditions  qne  dans  le  polonais,  notamment  sons  et  devant  le  nonvel  aceent 
Ge  cbangement  est  tr^s  r^cent  et  on  le  voit  par  des  docnments  hiatoriqnes 
dans  lesqnels  l'o  n'existe  pas  avant  le  XYII^  si^de  (cf.  Listy  filologiek^, 
XXXni,  394). 

IL 

Une  antre  qnestion  tr^s  importante  ponr  le  polabe  c'est  la  d^palata- 
lisation  des  consonnes  devant  les  voyelles  palatales,  proe^  aecompli  dans 
r^oqne  post^rienre  ä  celle  de  la  d^palatalisation  des  voyelles  devant  les 


Qnelqnes  remarques  aar  U  langne  polabe.  179 

co&flonnes  dentales  uism  paiatales.   M.  Eoblisohke  dit  qne  la  iangae  polabe 
n'arat  point  La  qualit^  palatale  des  consoniies.   Lea  oinq  tyj^  ayeo  ces 
eonsonneSy  notamment  pds^  vuta^  Sonü,  Täude,  dÜQte  ne  vaient  rien  Selon 
son  opinion  paree  qn'elles  n'ont  pas  la  qnalit6  palatole  da  polonais,  du 
soiabe  et  dn  grand  rosse.   Cette  demi^re  raison  est  bizarre :  dn  fait  qn'on 
ph^om^e  n'est  pas  identiqne  ä  oeux  des  autres  langnes  on  ne  pent  pas 
es  dMnire  qa'il  n'ezistait  point  dans  la  Iangae  polabe.   Du  reste,  M.  E. 
ne  donne  pas  nn  seol  mot  d'ezplioation  de  oes  cinq  oas  qoi  ne  pen^ent 
s'expliqa0r  antrement  qae  par  l'aeoeptation  da  oaract^re  au  moins  dem!- 
palatale  de  ces  oonsonnes  dans  nne  anoienne  ^poqne  du  polabe.   U  est  ä 
regretter  qne  M.  E.  qoi  cite  la  daret6  da  petit  rosse  eomme  an  parall^e 
n'a  paa  eonnn  Tartiek  de  M.  äachmatov  (AxoMy,  XXV,  222  ss.)  avee  son 
exeeUeot  parall^e  entre  le  polabe  et  le  petit  rosse  (p.  237 — 8).    II  y 
aorait  trony^  l'explieation  de  oes  oinq  cas  ayec  les  oonsonnes  palatales, 
la  prenve  de  Texistence  antrefois  de  oette  qaalit6  devant  oes  oonsonnes 
qoi  Tont  maintenant  perdae  (notanmient  inqz^jodnq)^  les  lois  de  la  perte 
de  la  qnalit^  paUtale  deyant  b  et  f .  II  est  dono  ais^  de  oonstater  qn'on 
a  d6jä  fait  ^  et  Ui  snr  le  polabe  des  observations  splendides,  mais  il  faot 
connattre  la  litt6ratare  avant  de  dire  qn'on  ne  s'est  pas  encore  ^mancip^ 
de  rinflaenoe  de  Schleioher.   M.  E.,  oomme  je  Tai  d^jä  dit,  est  on  philo- 
logae,  mais  il  manqoe  de  t6flexions  sor  les  qoestions  lingoistiqaesg^n^rales. 
D  oü  il  lai  arrive  d'^noneer  parfois  ayec  one  grande  consoience  de  soi- 
ni§me  des  opinions  g^n^ales  non  moliy^s.   Ainsi  11  dit  qne  la  transition 
de  &  en  ty  n'est  pas  possible,  bien  qne  M.  Sachmatoy  Tait  d^montr^e 
(qnelqaes  sappositions  dans  cet  article  penyent  ^tre  Topinion  personnelle 
de  Taatenr,  mais  la  possibilit6  da  changement  de  ii  en  ty  j  est  sofB- 
aamment  proay^).   Qoelqoes  lignes  plos  loin  M.  E.  dit  qae  la  d^palatali- 
sation  de  tootes  les  oonsonnes  dans  one  Iangae  n'est  jamais  possible. 
C'eat  anssi  one  affirmation  par  trop  hasardeose.    Je  pois  nonuner  an 
dialeete  polonais,  oeloi  de  la  Varmie  septentrionelle,   oü  tootes  les 
eonsonnes  palatales  sont  deyenoes  non  palatales  (of.  M.  i  P.  m,  437). 
n  s^agit  daas  ee  cas,  il  est  yrai,  d'one  mfloenoe  de  la  langoe  allemande, 
mais  cela  n'y  fait  rien :  11  y  a  donc  beaocoop  de  oas  oü  neos  ne  oonnaissons 
pas  la  cause  d'un  fait  phon^tiqae  et  rinfloence  d'one  langoe  ^trang^re 
eziste  pent-^tre  parfois  üi  oü  neos  ne  l'admettons  pas.   Quant  au  polabe, 
jostement  le  iait  quo  la  d^alatalisation  n'est  pas  oniyerselle,  que  cette 
langoe  n'a  pas  one  doret^  absoloe  prooye  qoe  ce  proo^  n'est  pas  conga 
Bo«s  rinfiuenee  allemande,  ce  qo'on  yoit  d'ailleors  d'apr^s  le  grand 

12* 


180  Casimir  Nitsch, 

parall^ÜBme  bot  ce  point  entre  le  ^and  et  ie  petit  rnsse  et  entre  le 
polonais-kasnb  et  le  polabe,  parall^lisme  plnB  grand  qne  M.  K.  ne  le 
soapQonnerait. 

La  perte  de  la  qualit^  palatale  jostement  devantles  yoyelles  palatales 
et  seolement  devant  elles,  cette  possibilit^  de  n'articnler  palatalement 
qn'im  ^l^ment  du  gronpe  composö  d'une  conBonne  et  d'iine  yoyelle,  ne 
B'est  pas  accoxnplie  natnrellement  dans  nn  conrt  espace  de  temps.   Leg 
exempleB  comme  rinBtrnmental  lüchtöm^  nibisäm  k  c5t6  de  grdfkolü 
montrent  qn'ä  l'^poque  du  changement  de  Va  devant  leB  palatales  en  d 
les  labialeB  finales  (au  moins  rh)  n'6taient  pluB  palatales,  tandls  que  la 
plus  grande  partie  de  ce  changement  (p.  e.  pän^  klane^  dvdrdi)  ne  pou- 
yait  s'accomplir  qu'avant  la  d^palatalisation  de  ces  couBonnes.   La  d6- 
palataüsation  de  iV  (non  seulement  devant  les  vojelles  palatales)  peut 
6tre  encore  plus  ancienne,  les  exemples  comme  dörjohka  avec  l'd'  derant 
une  consonne  anciennement  palatale  prouvant  qu'ä  r^poque  de  la  d^ 
palataüsation  des  Toyelles  devant  les  dures  dentales  n'existait  plus  r 
mais  rj;  bere  etc.  ne  montrent  la  duret6  de  IV  qu'ä  l'^poque  du  change- 
ment de  Ve  devant  les  palatales  en  t,  mais  ce  changement  pouvait 
s'accomplir  ä  une  ^poque  post^rieure  ä  la  d^palatalisation  de  V'd.   La 
qualit^  palatale  de  iV  devant  i  a  pu  ezister  plus  longtemps,  ce  qui  se 
laisse  conclure  du  ditar  M.  ä  cdt^  de  dwardy  J.  P.,  dtoarrey  S.,  twaray 
Pf. :  *di)hrh  avec  IV  dur  a  donnä  *dvdrj  tandis  que  devant  le  mou  ri  la 
qualit6  palatale  de  Va  a disparu d'oü dvdrdi;  il  faudrait  encore expliqner 
la  duret^  de  Vv  dans  dwar  M.,  ce  que  je  tiens  pour  un  fait  plus  r^cent, 
parallMe  auz  polonais  dialectiques  iwatf  dztoirze  etc.  (cf.  M.  i  P.  m, 
247).   Mais  en  somme,  la  question  de  la  d^palatalisation  de  IV  n'est  pas 
complötement  daire.  —  La  qualit^  palatale  de  la  syllabe  qui  suit  6tant 
cause  unique  de  cette  d^palatalisation  de  1'«,  M.  E.  n^a  pas  raison,  s'il 
en  cherche  encore  une  autre  dans  l'accent  (p.  443)  et  cette  supposition 
est  enti^rement  superflue,  s'il  ne  donne  aucun  exemple  de  la  perte  de  la 
qualit^  palatale  de  Vh  non  accentud  devant  les  dures.    Dans  Funique 
exemple  de  cette  perte  devant  une  dure  que  je  connais,  notamment  dans 
Idt  (^crit  love  Pf.)  d  est  accentu^;  peut  €tre  que  l  non  palatale  a  pam 
ici  sous  Tinfluence  du  mot  allemand.    Quant  ä  Tinstrumental  oti  nous 
avons  lüchtöm^  nebüäm,  rdnUMm^  on  peut  croire  qu'il  s'agit  ici  d'une 
6poque  plus  ancienne,  comme  je  l'ai  montr^  plus  haut.  —  Cette  loi,  d^ 
montr6e  d^jä  par  M.  Mikkola  (Betonung,  p.  10),    n'est  point  l^chique, 
comme  le  croit  M.  E.,  eile  n'est  que  polabe.   Aussi  le  parallMe  avec  le 


Quelqnefl  remarques  bot  la  langne  polabe.  ISl 

bas  Borabe  n'eziste  pas  (of.  Macke,  Niedersorbisohe  Laut-  and  Formen- 
lehre, p.  59  88). 

Ces  denx  d^palataliaations,  l'nne  dea  Yoyelles  i,  /,  ^,  ü  devant  lea 
dentales  dnres,  l'antre  des  conBonnes  devant  lee  vojelleB  palatalea  penvent 
serrir  de  point  de  däpart  ponr  marqner  la  Chronologie  de  qnelqneB  antrcB 
faitB  phon6tiqne8.  Qne  la  d^palatalisation  des  consonnea  est  poBt^rieore 
k  eeUe  des  royelles  on  le  voit  de  Teadstenoe  dea  conBonnes  palatales 
devant  les  Toyellea  d^palatalis^es,  des  exemples  comme  moröj  pgte  a  cdt^ 
de  fneri§cef  pqt:  antrement  nons  aurions  moröj  pgie  ete.  Le  üsit  de  la 
d^palataUsation  de  Vü  en  ö  qni  doit  ^tre  k  pen  pr^s  de  la  m^me  6poqae 
qne  lea  antres  changements  de  ce  genre  montre  qne  la  transition  de  l'o 
en  ü  est  plns  anoienne.  L'ezistence  dn  vd  devant  les  oonsonnes  dnres 
k  eöi6  de  tu  devant  les  palatales  {edl — vuikt)  pronve  qne  le  changement 
dn  vo  devant  les  consonnes  dnres  en  vd  s^est  accompli  de  meillenre  henre 
qne  le  changement  de  Vo  en  tif,  parce  qne  la  transition  post^rienre  dn  vü 
en  vä  n'cBt  pas  possible:  nons  avons  vd  devant  chaqne  consonne  dnre, 
non  senlement  devant  les  dentales,  et  le  r^nltat  de  ce  procte  est  tont 
antre  qne  le  r^nltat  de  la  d^palataliaation  de  Vü.  üne  antre  prenve  de 
eette  Chronologie  c'est  la  forme  vddu  k  cdt^  de  vücisa\  on  y  voit  qn'ä 
Tdpoqne  dn  changement  dn  vo  en  vd  existait  encore  le  k  dnr,  ce  qni  ne 
Berait  paa  possible  devant  Vü:  avec  nne  Chronologie  inverse  nons  anrions 
vüiu,  L^identit6  des  changements  dn  vo  avec  cenx  de  l'o  initial  pronve 
qne  cet  o  est  devenn  vo  encore  de  meillenre  henre. 

n  7  a  encore  nne  antre  s^rie  de  faits  qni  devaient  s'accomplir  avant 
la  d^palatalisation  des  consonnes.  Ce  sont:  1.  la  palatalisation  de 
qnelqnes  h  en  t,  de  qnelqnes  /  en  tr,  de  V^  devant  les  palatales  en «; 
2.  la  ddpalatalisation  dn  telt  et  de  1'^.  Qnant  ä  i.,  ce  procös  devait 
B'achever  avant  le  commencement  de  sa  d^palatalisaüon  qni  s'est  accom- 
plie  dans  les  m^mes  conditions,  et  les  changements  de  Vjr  en  ir  et  de  V% 
en  f ,  comme  analogiqnes,  proviennent  probablement  de  la  m^me  ^poqne. 
Qnant  k  2.,  nons  savons  senlement  qne  le  proc^s:  teltz=*:tolt  est  plns 
aacien  qne  la  metath^e  dn  tolt  en  tidt^  laqnelle  est  probablement  de  la 
mSme  ^poqne  qne  la  metathöse  dn  tert,  Dans  le  polabe  m6me  on  ne 
pent  d^Bigner  qne  le  demier  terme  dn  changement  du  iert  en  tret  qni  ne 
ponvait  s'accomplir  qn'avant  la  palatalisation  de  Ve  en  t,  si  nons  avons 
zribq  k  e6t6  de  briza^  mais  de  la  comparaison  avec  les  polonais  brzoza^ 
trzoda  on  pent  tirer  la  condnsion  qne  dans  le  polabe  c'est  anssi  nn  fait 
plns  ancien  qne  la  d^palatalisation  des  voyelles  devant  les  dnres  dentales. 


1 82  OaBiiair  Nitsch, 

Le  sl.  com.  ^  a  disparu  certainement  aossi  de  MslM>nne  henre:  ü  sa 
döpalataÜBation  n'^tait  qne  simnltaii^e  ayec  la  d^palataliBaüon  de  l\ 
noiiB  aurioiia  iduk  et  nonvduk. 

Qaelqnefi  aatres  faita  sont  eertainement  plus  itäoents  qne  oea  deox 
di$palataliBatiosB  on  peuvent  bien  1' toe.  Ainai,  le  ohangement  de  Vi  en  o« 
ne  ponirait  s'aceompHr  avant  la  perte  de  la  qualit^  palatale  dea  cenaonnes, 
antrement  nana  aarionB  non  zdima  maia  idima]  il  en  eat  de  mdme  avee 
la  tranBition  de  Vu  en  äu,  si  l'on  a  kläucj  räubu  sans  la  d^palataUsation 
de  la  oonsonne  deyant  le  palatale  ä.  lei  on  pent  ezpliqner  iä  vdidone^ 
reoonnn  par  M.  K.  oomme  foime  inorganique;  or,  si  l'on  fait  d6river  de 
*f>ydanijiu  d'ot  Tienx  polabe  *vydaiiu,  on  ne  voit  ancnne  ndaon  de  la 
perte  de  la  qnalitö  palatale  devant  ti  qni  ä  la  fin  non  aocentn^e  du  mot 
est  devenn  plns  tard  an  e.  £n  ontre,  lea  dipfatongnes  ai  et  ät^n'ezistent 
qne  sona  et  devant  le  nonvel  accent,  de  m^me  Vo  de  Vä  dont  j'ait  ä4jk 
parl4  k  la  fin  du  premier  ohapUre.  Maia  le  plua  r^cent  de  toua  lea 
faita  phondtiquea  eat  la  perte  du  e  entre  lea  gutturales  et  le  nouvel  o: 
kosy  chöle, 

Conune  dana  oette  ^poque  nouvelle  v  ne  disparatt  paa  aprte  lea 
sifflantes  (p.  e.  svortt)y  il  en  ^tait  peut»6tre  de  m^me  dana  un  temps  trto 
ancien  d'oü  peut  döriver  l'absenoe  du  v  non  seulexnent  aprte  les  gutturales, 
oomme  dana  düzd  (sl.  com.  gvotdh)^  sürdc  (sl.  oom.  skoorbcb)^  maia 
aussi  apr^  les  autres  occlusives,  eomme  dans  ddfy  tüj\  Maia  aprte  lea 
sifiBantes  l'ezistence  du  zvän  et  du  aoor^ne  permettent  paa  de  n^orter 
züne  et  süj  k  oette  andenne  ^poque.  «Tadmeta  que  oes  diaparitiona  sont 
de  la  m6me  6poque  que  oelle  du  v  dans  kjot^  gj^izda^  ij&rds^  sjQte  ete. 
et  si  Ton  conaiddre  l'ezistenoe  des  aioqie  (adverbe)  et  switi  k  oötä  de 
sj^te  (adjeetif)  et  sjot^  si  l'on  y  ]\joute  wainq^  koddley  on  voit  que  cette 
diaparilion  du  v  dana  le  groupe:  ctmsanne  +  i  (ou  vf)  +  wtydle  doit 
6tre  post^rieure  que  la  d6palataliaation  dea  oonaennea.  L'exiateDoe  duj 
devant  ä^  o,  q  et  son  abaenoe  devant  ü  a'ezplique  par  la  prozinnt^  de 
l'articulation  du/  ä  celle  de  Tu  qui  l'a  absoib^  oe  que  ne  pouvait  ftdre 
aueone  voyelle  non  palatale. 

Le  ohangement  dea  t,  y  devant  r,  leaä  est  d'une  ^poque  entre  la 
d^alatalisation  des  conaonnea  (där<i^  pdl^  non  däray  pdl^  et  la  diph* 
tongnisation  de  Vü  L'identifieatfon  dea  AI,  jr  avec  i^  <f  ne  pouvait  paraitre 
qu'apr^  la  d^palatalisation  des  conaonnes,  autrement  noua^auriona  döl^ 
bdk^  tun  au  lieu  des  döl^häk^  ^.  Ges  i^  d  därivant  aussi  des  k^  g 
devant  l'y,  il  £aut  admettre  que  les  groupes  Ay,  gy  ont  cbang^  eBiki^  gi 


Quelques  remarques  sor  la  langae  polabe.  183 

«yant  l'identification  citäe  plus  haut,  alors  au  plus  tard  k  l'^poqne  de  la 
d^MÜatalisatioii  de  tontes  les  autres  oonsoimes. 

Le  tablean  sniyant  donne  la  Chronologie  de  tons  ces  changements 
phon^tiques. 


2)  tert=±tret^  toU-ri^tiät:  breza, 
rnläka. 


1.  o-=r±rt?o-:  voko. 

2.  90  devant  Ifis  consonnes  dnres 
zz^ra:  edkOj  väda. 

3.  0  =:t  ü:  stüpa,  nüSj  vüna. 

4.  les  palatales  labiales  finales  et  Vr  deviennent  non  palatales:  Serje^ 
dmirjankaj  dvdr,  Tüchiäm^ 

5.  a)  i^  /,  ^,  ü  devant  les  dentales  dnres  =±  a,  ar^  q,  'ö:  kvat,  tiarde^ 
pgta,  dvörjankaj  i^ö8\  b)  an  plus  tard  avant  la  fin  de  cette  ^poqne 
Vh  devant  i  et  ni,  V^  devant  les  palatales  deviennent  t :  vüi,  nügii, 

6.  a)  la  däpalatalisation  de  V*ä  devant  les  palatales:  dvdrijpdn;  b)  an 
plns  tard  k  oette  ^poqne  le  changement  de  1'^  devant  les  palatales 
en  i  (an  moins  en  ^:  zriSq^^  siile. 

7.  a)  1a  d^palstaliaation  de  tontes  les  oonsonnes  devant  les  voyelles 
palatales:  seqU,  nöSj  nitj  pdn^  visi;  b)  an  plns  tard  k  cette  äpoqne 
ky-rz^ku 

8.  a)  yr,  «r,  yl^  ir — ^  dr^  dl:  ddruypdl,  tdl^  mügdla;  b)  an  plus  tot 
k  eMß  ^poqne  ke^  ge  — ^  ^,  de\  c)  an  plns  tÖt  k  cette  ^poqne  la 
diqparitlon  dn  v  dans  le  gronpe:  consoime  +  ^  (on  tj)  -^üoyelle: 
zünej  tjarde^  mj\  sjaL 

%.  t — >  aiy  y  T=±:  dij  U'=±  äu:  «atV,  wd«,  eäuzdcu 

10.  n — >'  o^  zoboy  sjot. 

11.  la  diaparition  dn  v  dans  le  gronpe:  gutturale  +  v  +  o:  kosj  chole, 

n  est  probable  qn'on  ponrrait  enrichlF  oe  tablean  (oü  je  donne  p.  e. 
(f  et  d  tonjonrs  dans  lenr  derai^re  forme  historiqne)  aveo  d'antres  proc^s* 
de  la  langne  polsibe,  comme,  d'antre  pait,  on.ponrra  pent-^tre  modifier 
ee  qne  j'ai  Mt,  snrtont  qnand  nons  anrona  nne  nonvelle  ^tion.  des 
Bonrces  polabes.  Mais  il  est  dair  qn'ä  lenr  6tat  präsent  on  pent  dire 
anm  quelqne  ohose  snr  cette  langne  int^essante. 

Grapcovi^,,(McembTe  1906.  Casimir  Nitsch, 


184 


Prosodisehes  und  Metrisches  bei  Earel  Jaromir  Erben, 
mit  besonderer  Berfteksiehtignng  des  Gedichtes 

j>ZähofoYO  loie<i. 

Ein  Beitrag  sor  Geschiehte  der  nea^echiflohen  Proaodie  und  Metrik  yon 

JaroBlay  Sntnar. 

(Schluß.)*) 


ZflioroTO  loze. 


v-/ w    w       \^\^      


Sediyö  mlhy  |  nad  lesem  plynoii, 
jako  dnchovö  |  ylekoace  se  hidem; 
jehlb  ulöti  I  y  krajina  jinoa  — 
pnato  a  neylidno  |  ladem  i  Badem. 
Vitr  od  zipada  |  stadeni  yöje,  5 

v-/  _     v-/   v^  \^     \y     \y\u    w 

a  pHiloutl^  listi  |  tichoa  piseüi  pöje. 
Znim&-td  to  piseik;  ||  pokaid^t'  y  jeseni 
liBtoyö  na  duM  l  iepci  ji  znoya: 

\^     \^ \^        \^      V-/V«/     v^ 

ale  m&lo  kdo  H  poohopoje  sloya, 

_     v^     v-/    \y      \y       \^    \J    v-/ 

a  kdo  pochopi,  0  do  smichu  mu  neni.     10 

W        W    V^     V^  V-A>    V-/ 

Poutni6e  nezD&m^  ||  y  h&bit^  der^m, 
B  tim  kHiem  y  ruce  |  na  dloah6  holi, 

.i—     w      v^ v^  \j  \y  v-^ 

a  B  tim  HÜeneem  — 1|  kdo  jsi  ty  koli, 

v«/ V^ W       \J v^      w v-/ 

kam  Be  ubir&i  0  ^Jt^  pod  ye6erem? 
kam  tak  poBpich&S?  0  tvk  noha  boBa,    15 
a  jeBeÜL  chladni  — 1|  studend  rosa: 
zistaii  zde  u  n&s,  ||  JBmet'  dobH  lidi, 
dobr6hot'  hosta  0  ka£d^  r&d  vidL  — 


Pontni6e  mil^  I  — 1|  nei  ty'B  jeftti  mlad/, 
jeiti  youB  tob^  |  nepokr^yi  brady,  20 
a  tyoje  lice  D  j^ko  pikn6  panny  — 

w \J     \^       \y    \^    \y     v^ 

ale  ooi  tak  bledö  ||  a  smutni  Byadl^, 

wv-/ \J         \^  \y  v> 

a  tyoje  o6i  ||  y  dülky  zapadlö ! 

v^     w       \J      \^    vyv-/  \JI 

Snad  je  ye  työm  8rdci||£el  pochoyan]^? 
Bnad  ie  neit^sti  0  työ  tölo  Byiii  25 

lety  iediy^mi  0  dol&  k  zemi  niü? 

M14den6e  p^kn^!  ||  neohod'  za  noci, 
moin^-li,  budem  H  r&di  ku  pomoci, 
a  pH  nejmenfilm  0  Bnad  poteäime. 
Jen  nepomijej,  ||  pojd',  pohoy  tölu:        30 

v-/     \^     w      \-/_    \^v^  _v-/ 

nenitT  bez  16ka  D  nii&dn6ho  ielo, 

a  mocn^  balzam  ||  y  dAyiJFe  dhme.  — 

Nie  neBlyii,  neyi,  ||  anü  oko  zyedne, 

v-/    v-/     \y     \^       _     \J\y    v^ 

nenilf  ho  rnoin^  |  ze  an&y  yytrhnouti! 
a  tarn  jii  zach&zi  y  y  chraatini  jednö :   35 

__      v-/     w     v^      \u\^     _  \*/ 

p&n  bfth  ho  posil&llna  jeho  poutil 


♦)  Vergl.  Archiy  XXVII,  S.  527—562;  XXVIII,  S.  94—116;  292-306. 


ProBodiBches  und  Metriflohea  bei  Earel  Jaromir  Erben  etc. 


185 


IL 

Dalek6  pole,  |  sirok^  pole, 
predlonhi  oesta  0  p^es  to  pole  btti, 

v^  \-/  v^       \^\y    \^ 

a  podl6  ceety  |  pahorek  Mi, 
a  dievo  &tihl6  D  etoji  na  yrchole: 
idhlitr  to  jedlice  — 1|  y&ak  beze  Boöti,     5 
Jen  malA  pH&ka  |  Bvrchn  pHdöUna, 
a  na  t6  pHice  1  pHbit^  yidöri 
rospjst^  obrai  ||  Krista  p^na. 
Hlavu  krvayon  ||  y  prayo  naklo&iye, 
rnce  probit6 1  roztahuje  y  üf i :  10 

y  &vh  syöta  atrany  0  jimi  ukaznje, 
y  ärh  Btrany  protiyn^Jljakoi  oesta  miH: 
prayoa  na  y^cbod,||kdei  se  syMo  rodi, 
leyon  na  zipad,  ||  kdei  noc  yojeyodi. 
Tarn  na  y^chodö  B  nebesk&  je  br&na,    15 
tarn  u  yMn^m  r&}i  B  bydli  boii  syati; 

\U     \^    \J  O      v-/ v-/  \J    — v^ 

a  kdo  dobi«  ^ini,||  6&ka  jemn  d4na, 

W    V-/  \^  \^  \J   ^    N-/ ^ 

le  ae  tarn  b  nimi  t^i  ||  bnde  radovati. 

>-/ \^    \J v^        v-/       \-/v-/     W 

Ale  na  sipadÖ  0  JBOU  pekelni  yrata, 
tarn  plane  moirem  1  aira  i  amola,  20 

tarn  pleton  d'&bloy6,||zl&  rota  prokiati, 
zlo(e6en6  duie  0  y  obniy&  kola. 
y  prayo,  Eriste  panel  ||  tarn  dej  n&m 

doapiti, 
yiak  od  leyice  ||  yysyobod'  ayö  döti  I 


\^    \J        «u/ v-/    v-/ \^    v^ v,/ 

Ta  na  tom  pahorka||leie  nakolenou  25 
nÜ  mlad^  pontnik  |  y  rannim  ayitla 

kmitu, 
okolo  kfiie  B  mku  oto6enoa, 
yroncni  objimi  B  d^eyo  beze  citu. 

N^  \j     \y      v-/ v^  \y    s-/ 

Brzy  coa  iepce,  |  slzy  ron6  z  oka, 
brsy  saae  yzdycbi  — 1|  tÜce,  z  hln- 

boka.  —  30 


Takto  ae  lou6i  ||  od  ay6  drah6  panny 
mlideneo  mll^  fl  ▼  poaledni  dobö, 
nbiraje  ae  |  y  cizi  ay^ta  atrany, 

V-/W        _Vy       \J      Vi/V-/         v^ 

antt  pak  yeda,  ||  aejdou-li  ae  k  aob^ : 
jeM  poaledni  |  yroaoi  obejmuti,  35 

jeitÖ  poiibeni  B  jako  plamen  ihonci: 
jii  möj  ae  tu  dob^e,||cÜyko  pMidouci: 

v-/  v^   v-/      \^     v-/      v^     v/ 

chyile  neilifaatni||pry6  odtudmne  nuti!  — 


^w'V• 


\^  —  W^  —     W 


Tytf  jako  atSna,  B  pohledöni  ledn^, 
ale  y  ardci  plamen  B  zhoubn^,  diyok^,  40 
nihle  ae  poutnik  B  ae  zem&  zyedne, 

\J      v^  v-/  \^     v^w    v-/ 

a  k  zÄpadu  rychlö  B  zamiH  kroky.  — 

Brzy  potom  zmizel  B  y  buat^m  leaa 

\^ 

prouti: 
p&n  bfth  ho  pot6&  B  n&  jobo  pouti  l 


N-/ V-'V-/       W  ^^   W        V-/ 

Stoji,  atoji  ak&la  {  y  blubok^m  leae, 
podl6  ni  cesta  B  v  habroy^m  houÜti, 

v^  v^      ^      ^      \y\y     _     v^ 

a  na  t^  ak&la  B  dub  yelik&n  pne  ae, 
kril  yökoyit^  B  luul  yi&nou  pou&ti: 
k  nebea&m  bol6  B  yypinaje  6eIo,  5 

zeleni  ramena  B  drii  na  yie  atrany; 
tuh^  od^y  jeho  B  hromem  rozoran^, 
a  pod  odöyem  H  yyhnil6  tölo : 

\y \y     \J     v-/         \^     v^    v«/ 

dntina  prostrann&,  ||  pHhodn&  yeimi  — 

w v^v-/    \^        w w  v-/  -_    v^ 

pohodln;^  nodeh  B  lit6  leani  &elmy  I       10 

A  hie  I  pod  tim  dubem||na  mechoy^m 

\j 

loii, 
61  je  ta  poataya  |  yeliki,  hroznA  ? 
zvii^e  hi  iloyik  fl  y  medyidi  koii? 
Sotya  kdo  iloyöka  B  v  tom  atyofeni 

pozni! 


1:86 


JaroBlay  Sutaar, 


\^^^\y\j  v^       w     ^/ w \y 

Tilojeho  — ^Lilall  na  sküe  leüci,     15 
ädy  jehO' —  svaly  ||  dubov^ho  kmene, 
vla«y  a  vousy  ||  v  jedno  ßpl^vajici 
8  jeiat]^m  obQÖim  ||  tväfi  za6azenö; 

v^    v^_v^  _     ^  v-/ y 

a  pod  obo6im  ||  zrak  bodajici, 

zrak  jedovat^,  ||  podobn^  pr&vö  20 

zraka  badimu  ||  v  zelen^  trive. 

\J    \J       V-/         v-/  WS-/  v-/ 

Edo  je  ten  6lo¥6k?||a  to  mrain^  6elo, 

\y  \^\J      \^       KJ     Vyvy       V.^ 

jak^i  obmysly  ||  ae  jest  obestirelo? 
Kdo  je  tejQ  6lOY6k?  ||  co  chce  y  ti6to 
pöniti?  — 


Nie  86  mne  oeptej  I  |t  ohledni  se 

V  höäki  25 

W V-/V-/-—   N-/  W     Vi/V-/  V> 

8  ob6  Btrany  cesty ;  |{  zeptej  se  t^h  kosti, 

\y  \j  v>        v^  \J \^ 

jeito  tu  leü  0  pr&chnivdjioe; 

vy   vyv>       vy         Vi/vy       v*/ 

zeptej  se  töch  6erD^ch,||neylidn^ch  hosti, 

v-/  v^      v^ v-/   \^\y V^' 

jeito  tu  kr&kaji  ||  obletujice: 

w       v-/  V>'-_V>  v^v^  v/ 

ti  mnoho  vidÖli  — 11  ti  v^di  vice  J  30 


\^        v./     v-/     V-/  — .     V-/V-/     v«/ 

Ta  väak  mni  lesoills  loie  »v^ho  skoU, 

v^    v^vy       v-/      v-'v-/     vy 

zrak  upfenj^  y  cesta  D  divoce  plane; 

\J      \J       V«/  \-/S-/       \m/ 

kyjem  ohromn^ni.||  nad  hlayoa  to&i, 

V^      \J      w  v>     wv-/     v-t 

a  skok  za  BkokemUprosti'ed  ceBty  stane. 


Kdo  pHch&zY  cestonP  —  ||  V  hikbit^  35 

v-/  _  w 

mUdenec, 

v*/v^       .^vy    Vi/    v-^      v«' v*/ 

kfü  mi^e  y  race,||za  pasem  rfiienec!  — 

.^v«/       v/  v-/       v/v^       v/ 

Utec  ml&deD6eI  0  obrat'se  zp&tky! 

v^  w      v-/       v-' vy  v-<  v-/ 

tri  oeata  y  jlston  ||  tebe  smrt  uy&di. 

^_vy     v./  v^v-/  v/vy     v-/ 

Ziyot-t6  lidskjr  g  i  bez  toho  kr&tk^, 

V/  V>'      V-'        V/ S-/V-/      v>t 

a  ikoda  ty6ho  Upanensk^ho  ml&dil       40 

v./    v/  v-/ v>       vy v-/\-/    v/ 

Obraff  se,  utikej,  J  co  ti  sila  ata6i, 

s-/  v/v^    v^v-/    V^'V^t     v^ 

dokud'kyj  ohromn^j|na  t&  nepHkya&l, 

S-/V/     v-/      v-/        _;_v-/  V-'         vy 

a  neroztKäti  ||  tvon  hlaviökn  y  kusy  I  — 


V^  \J  v^  v-/       \u ^        v*/  V^ 

Nesly&i,  neyidi,  1 1  v  ielu  syöm  hiaboköm 

\^\^     vy       w     v-/         —  v-/ 

jde  d&le  piredse  0  povloyii|^m  krokem,  45 

V-/       V/Vy       V^  V-/V>!      V/ 

kde  iiyota  ay^iio  |  pozbyti  mnai.  — 

Vyv-/__V>'  VZ-^V-'V^ 

»  Stftj  öervel  kdo  jsi  ?  ||  kam  t6  cesta 

v-/ 

yede?« — 


v./  w  v#/    v./         \y   v-zv*/  v^ 

Zastavil  se  poutmk,|{  zyedna  lice  bled6 : 

vz  v-/  v*/  v-/    vyvy \^ 

»»  Jeem  zatraoenecaa  — 1|  odpovid&  tÜe  — 

W        V./V-/   W  V>       V-/        V>' 

>»do  pekla.  cesta  m&,  ||  do  satansfc6 

SSel««—  50 


_v-/ 


__  vy 


,w vyv/ vy 


»Hohol  do  pekla?  —II  GtyHcitö  l6to, 

v«/  vz    v-/  v-' v-/       vy v>f 

CO  jii  tu  sedim,  jj  mnoho  jsem  slySiyal, 

^^  v-/   v^ v-/      \j v-y  vz  v-' 

mnoho  yidiyal,  ||  ale  pisn^  t^to 

w    v-/      —    W       V/  V-/V./    v-/ 

potud  ml  nikdo  ||  jeftti  nezazpivall  — 

vy     v-^     v-/  v^_v/v-/     V>' 

Hoho!  do  pekla?  jj  neti'eba  ti  kroki,     55 

v-'     v-/     vy    »_v/        v>'     vy   v/ 

sim  ti  tam  doprayim,||neyzdeebnei  ani !  — 

v>     v-'  vy v^'       v-/  vy    \j 

Yhak  tii  se  napini  ||  mikj  po6et  rokft, 

vz  vy     v/    vy     vy vy     w v/ 

pHjdu  snad  za  tebon||tak6  na  snidaniu  — 

vy    _-  vy    vy  v-/        VZW  «-.V^ 

»»Nie  ty  se  nerouhej  0  miloBti  boü! 

v/ vy       vy      v^      vy     vyvy  vy 

DHve  nei  jsem  yidöl  || den  jbiyota  pry]^,  60 

vy       vy      v</vy  Vi/vz vz 

zapsin  jsem  pekltt  ||  otce  sy^ho  kryi 

\j       \j vy     .  \J     v-'        vy 

klamem  d'Äbelsk^m  — 1|  pro  pozemski 

vz 

zboii. 

\j vyv-/  vy       vy     ^V  ^ 

Milost  boii  yelkil  ||  aznameni  kHie 

vy   vy      vy vy      ^/v/     vz 

zl&met^  i  8tra&liy6  jj  pekeln^  mHie, 

vy vy  v-A vy     v-/     vyvy     vy 

pontzi  Satana  ||  se  v6i  jeho  moei !  65 

v^ vyvy  vy        v-/vy  V»* 

Miloatiboii  yelkÄl  ||  ta  tM  ditl, 

\^  w  v/     v/       vy   v^     vy.   v-y 

ie  se  slab^  poutnik  ||  co  vitis  nayziti, 

vy  V-/V/ \J-        — v-/vy-__vy 

dobuda  z&pisu  ||  z  pekelnö  noci»««  — 


vy     —vy  v/    vy      __    v-/vy 

»Coprayid?  —  za  töchlet,||Ba6tyH* 

_v_/ 

oeti, 

v/s-/     v/       vyvy       v-/ 

bez  po6tu  jsem  jich  ||  do  pekla.  zklitil,  70 


ProBodisches  und 


M  Eurel  Jaromii  Erben  etc. 


t87 


▼^kaejeitinikdoHzpitkynenavr&til!  — 
Sly&  6erve  f  jsi  mlad^  ||  heboo&k^  pleti, 
bylbys  mi  dobi«,  |  misto  tab^  sv^H, 
aa  malon  poohoutku  ||  dnea  na  ye6eH : 
ale  pnatim  ti  —  |  neobim  tebe  jiti  —    76 
viak  jeM  nikdo,  D  co  jich  ta  Hlo  koli, 
nen&el  moji  ||  ankovit^  holi  t  — 
Poatim  ti  ierve!  ||  ale  to  obci  miti: 

\^ \^      \J    v-/  v^    v-/    v^ 

pHsahej,  ie  potom  ||  v^rnö  mi  povi&, 

\j        \^  \u v^    vy  v-/  v>    \y 

CO  V  pekle  uvidiijja  ^bo  se  dovift.« —  80 

I  Y%tfbi\  se  pontnik,  ||  a  yysoko  zdviie 
bM  svon  poatnickon  ||  se  znamenim  kläe : 
»•P^iaahÄm  na  kHie  D  Bvat^ho  slivn, 
ie  ti  z  pekla  vÖrnoullphnestt  zprivul«« 

I?. 

Minala  zima,  ||  snih  na  bor&cb  taje, 

s^ \^        \j v-/      v-/       Ky\j  \j 

T  iidolieb  poyode&  ||  od  snihn  a  deftt^; 
jefib  86  vraci  1  z  daleköbo  kraje: 
a  viak  niS  poatnik  1  nepHcb&zi  jeit6. 

y  zele&  odMy  ae  0  v  leae  ratoleati,      5 
iijala  pode  kl'em  0  milon  y&ai  d^&e; 
alaTik  vypraynje  |  dloub^  povösti: 
ale  Udni  zpr&ya  ||  z  pekeln^  Hie. 

Uilo  jaro— 16to;  ||  Jii  se  dnov6  kr&ti, 
povötH  cbladne,  ||  listi  opadivi :  ID 

_v-/      v-/     \y     \J    v-/v-y        w 

z  pekla  T&ak  i&dniJÜUlnÄ  nejde  zprÄya. 
Zdali  86  poutnik  1  p^eee  jeiti  yrÄti? 
zdali  neklealo  B  ceetoa  jebo  telo  ? 

\^  \^    \y         vy  \^  \^  v-/ 

zdali  bo  peklo  (  y  Bobi  nepoü'elo  ?  — 

vy    _    vy      \>      \j  W  —  WW 

Lesni  mni  pod  dnbem  0  b  yyBok^bo 

w 

•tana  16 

^^ \^   v-/      v-/         ™.  v/  vy      vy 

ikaredö  poblüi  ||  y  z4padni  Btrann;. 


vyw     vy         vy    ^     v^    v^    .^w 

sedi  a  brnii:  D  *Co  jioh  ta  ftlo  koli, 

\j.^\y    w   _     vy       v-/__vyvy  vy  .    . 

neuiel  nikdo  m6 1|  Bnkoyit6  boli ! 

vy   vy        v-/     vyvy     vy 

Jen  jednobo  D  jsem  na  bIovo  ysadil, 

vy     ^    \y   .^\j         vy       vy       

Jen  toho  jednobo  — 1|  a  ten  mne  zra- 

dYlI«—  20 


vy    vy    v-/ 

ozval  86  t^i 


w    _  vyvy  _vy 

»•O  nezradil  tebe  I  «■  - 

—  vy 

ftasem 

vy  vyv^    'w'      vy  \j\^       .— vy 

podl6  mnie  poutnik||poy^&eD^m  blaeem ; 

__  v-/vy     vy     vy vy    vy       _vy 

poBtaya  pHm&,  |  oko  pi'iBn^,  srnel^, 

\~/  \^   vy       \j\j  vy 

Btnden^  poklid  Q  na  jebo  &ele, 

'^jy^   v-/      vy  «_     vyvy    vy 

a  z  jebo  bled6,  ||  nilecbtilö  tvÄfe  25 

vy vy     vy  v^      \^   \y  vy 

jakoby  planula  ||  alnne^nÄ  zihd. 

v-/    vy     vy     v-/       .«vy  vy     vy 

»»  Nezradil  jsem  tebe  !||ptisahoa  ztnha 

vy vy      vy     vy        vy    vyvy    vy 

zay&zal  jaem  ae  ti,  D  bHio^  boiU  sinba; 

vy  vy   vy vy         vy  \y\»y    \y 

a  nyni  pi'isah&m  D  jefitö  tobÖ  znoya: 

w_  vy     vy     vy       \^\^   v^ 

pHBab&m  na  kHie  ||  Byat^bo  sl&ya,        30 

vu'vy   vy  vy  \j\j       vy 

ie  tob6  v6mou||z  pekla  neBu  zpr&ynl«« 

w      —  \^   \J      \^     \^  —.  vy.vy  vy 

ZacbvÖl  ae  mni  lesniJlBlyie  tatosloya, 

vy  vyvy      vy      v^  vyvy       vy 

a  yyBko&il  zbftm  J  B&bna  po  By6  zbroji: 

vy    vyvy     \^      \y     \y\^   vy 

a  y&ak  jako  bleakem  ||omrÄ&en;^  stoji — 

vy   vy     vy      vy      vy vy     vy«.vy 

neBnesef  zrak  jebo  ||  zraku  poutnikoya.  35 

vy   vy    \^  KJ\j    \j 

»»Tuto  Bed'  a  Bly&I  ||  poyÖBti  br&zy 

__  vyvy  «_v-/     vy    \^  \j     vy 

zyÖBtuji  tobe  ||  po  pekeln6  cbozi; 

\y\j   vy         vy  \m/\J     iv^ 

o  bnöyu  boiim  ||  bIovo  moje  By^dÖi: 

vy_  vyvy     vy     vy     vyvy  vy 

ale  milost  boi8k&]|  neskonienö  vÖUii  I «« 

vy    \j\J      —     v-/  w   vy 

Vypravaje  poatnik,  ||  co  y  pekle 

vy 

BpatHl:  40 

vy     vy vy  v^  wvy       vy 

mofe  plamenüy — 1|  bHdk6  d'4bltiv  plaky ; 

vy    vyvy vy        <^    \j\^     vy 

a  kterak  ee  ii  votjj  b  y  Mnon  smrti  sbratHl 

vy   Ky    vy      vyv-/  vy     vy     __^^ 

na  y  66n6,  yidy  noy^  ||  zatracencüv  muky.  — 


\^   -.  \^  \^     vy 


vy  vy 


Mui  leBni  pod  dubem  ||  zamracen^  sedi, 

\y  \^    vy  vy       \^  \>j   vy 

nemluyi  aloya — ||jen  pi'ed  Bebe  bledL  45 


188 


Jaroslav  Sntnar, 


w     V-/V-/    v-'      \y  \y  v-/ 

Vypravuje  poutnik,  ||  co  v  pekle  sly&ei : 

6piDliv6  n&fky — 1|  zlofe^en^  kleni  — 

wi_  w  w \J  \y    v^'w.^v-/ 

▼ol&ni  pomoci  — 1|  v&ak  nikoho  neni, 
kdoby  tn  potöiil,||kdo  k  pomoci  pHiel, 

\-/  w     v-/        v-/    W  V-' v^ 

Jen  y66Di  kletba,  ||  vMn^  zatraceni !  —  50 

Mai  lesni  pod  dub0m||zamra6en;^  sedi, 
nemlayi  slova  — 1|  jen  pi^ed  sehe  hledi. 

Vypravuje  pontnik,  ||  jak  znamenim 
kliie 
pHnutil  Satana,  0  pekelnö  knüe, 
rozk&zati  d'&bluJiBtr&jci  klamu  zl6ho,  55 
aby  zase  rrÄtil  ||  krvi  psanoa  bl&nu. 

v-/ v-/   >m/      \^         \J  v-/   \-/      V-^ 

Protiyil  se  d'&bel  ||  pekeln^ma  pinn, 

\^    __W  \J v-/       v-/     _  v-/ v^    w 

neyr&til  z&pisu  ||  die  rozkazu  jeho. 

v-/ v-/ v-/    v^     v-/        v-/    V-/    __w 

Bozlitil  86  Satan  II  a  y  zlosti  svö  yeli: 
»Vykoupejte  jeho  0  ▼  pekelnö  koa- 

pelil«—  60 

U6inila  rota  ||  die  jeho  rozkazn, 
pi'iprayila  l&zeik  ||  z  ohn^  a  mrazn: 
B  jednö  Btrany  hoH  ||  jako  nhel  ziiatf , 
8  dnih^  Btrany  mrznejj  y  k&men  ledoyatf : 
a  kdyi  yidi  rota  ||  miru  naplninu,  65 

w  v-/        >-/ \-/V-/ w      w  «^ 

obraei  zmrzlinn  ||  opak  do  plamenft. 

\y  \j  \J     \J      \-/ \j     \-/     w 

Strailivi  fve  d'&beI,||jako  had  Be  Byiji, 

v-/    v-/     v^     \-/ ^     v-/__v^ 

ai  ho  pak  jii  BmyBl  ||  i  cit  pomiji. 

\j    v^  v-/     \y        \y \^    \y  w 

Tu  pokynul  Satan,  ||  rota  odstoupila, 
a  BÜa  zaB  noy&  ||  d'äbU  oiivila.  70 

Ale  kdyi  propufitdn  ||  opöt  d;^äe  lehce, 
krvi  psan^  bUnylJptec  yydati  nechce. — 

v-/ w    w     v-/  v^__    w       w 

Bozlitiy  se  Satan,  ||  k&ie  ye  8y6m 
hn^yu: 
»Kaie  at'  obejme  ||  pekelnou  döyu  I«  — 


A  byla  ta  d6ya  ||  s  ieleza  sknta,  75 

r&mö  yztaien^  ||  k  toniebnö  milosti: 
pHyinala  d'&bla  ||  na  syi  prsa  kruti, 
a  zdrceny  JBon  |  vftecky  jeho  koBti. 

v-/  w    v^     v-/      v,/ v-/    v«/     \^ 

Strailivi  ive  d'&bel,||  jako  had  se  Byiji, 

vy   v-/     v^       \y vy    v-/ v^ 

ai  ho  pak  jii  Bmy8l||i  cit  pomiji.  80 

Ta  pokynul  Satan,  ||  panna  povolnila, 
a  BÜa  zaB  noy&  H  d'ibla  oiiyila. 

v-/ v-/       N-/  \^      N-/ v^v^  \y 

Ale  kdyi  propa&t6n  ||  op^t  d^fie  lehce, 
krvi  psan^  bl&ny||p^ec  vydati  nechce. — 

I  zafi6el  Satan  ||  poBledni  bv6  bIovo:  85 
»Uyrzte  jeho  D  v  loie  Z&hofovo ! «  — 

»y  loie  ZÄhoBy  o  ?  ||  y  Z&hofoyo  loie  ?« — 
yol&  y  udideni  ||  mui  diy^  y  leee, 
hrozn^  tölo  jeho  ||  osykon  bc  trese, 
a  pot  yyrÄii  ||  z  tuh6  6ela  koie.  90 

v^ \y\^ v-/  v-/  v-/  v-/      v^ 

»Loie  Z&hoi'oyo! — ||ZiLhoir  je  to  jmeno, 

\^     \y    \^    \^     \J  v-/    \^ v^ 

od  matky  m6  nikdy  ||  6aBto  yyaloveno, 
kdjri  uiiyaia  mne  0  pl^Bti  rohoie, 
kdyi  mi  rohoiemi  ||  na  mechu  Btl&yala, 
a  yl6i  koiinou  ||  mne  pHkrj^vala.  95 

A  nyni  y  pekle  ||  Z&hoh>yo  loie  — ? 
V&ak  povöz  mi  ty  »  ||  ty  Bluho  boii, 
CO  6ek&  Z&hoi'e  ||  na  pekeln^m  loii  ?«  — 

»»  Sprayedliya  jestll  pomBty  boii  mka, 
le6  ukryto  vö6n6  Q  jeho  nBouzeni:        100 

V^   V^'      V^    V-'      V^'      V-/   V-/     v^ 

nezn&mät'  mi  sice  ||  ty&  pekelni  muka, 
iile  tT;^ch  zlo6inft  0  nie  menii  neni. 

V-/ V^      W       Vy  V-/  V-ZVi/      v^ 

Nebo  v6z,  ie  d'ibel,  ||  ely&e  ona  eloya, 
zhroziy  Be  pokuty  ||  loie  Z&ho^ova, 
kryav;^  z&pis  ||  yr &tii  bez  prodleni  I «« — 1 05 

StoletA  Bosna  ||  na  chlumovö  Btr&ni 
hrd6  yypini  ||  k  nebi  bv6  t^m6 : 


ProBodisehea  und  Metrisches  bei  Earel  Jaromir  Erben  etc.         189 


\j  \^  ^_j^     ^  —     \j  \j      —  y 

i  pHjde  sekersi  I  sosna  hlavu  sklÄni, 

..  ^    v^      __  w         v^       —^  v-/  _  s^ 

a  täk^m  p&dem  |  zachveje  se  seme. 
DiTokf  tar  lesnitl  v  bujnosti  bv6  sily  1 10 

vy ^  w    — v-/    v^     —      ^^     —  ^ 

z  koi^ne  vyyraciUmocnÄ  y  lese  di^eva: 

\y \y   v-/ \j         \y y  v^     — ,^ 

proboden  ofttipem,  |  potici  se  chyili, 

^     \J  \^ \^  V-/    \J     V^i 

a  padne,  y  bolesti  I  smrtelnö  i'eva.  — 

_  \^  \^    _  v-/     ^  — v-/    ^     — .y 
Takto  mni  lesni.  ||  Poraien  ton  zvesti 

naiemiklesillvesmrtelnömBtracha;  115 
_  >»^  ^— w     v-/__      \^  ^    ^y 
rve  a  sviji  se,  H  blje  v  hlavu  pesti, 

V^ \Jr       \J Vy   V-/   \-/W  —       V«/ 

nohy  poutnikovyllobjimaje  v  prachu: 

_Z  Zf  \^   ^  <y     <^  —     ^^  —V 

»Smilui  se,  pomoz,||pomoz  muii  boiil 

w  _    w  v^    — v^       ^  —  ^  ^  _v^ 

nedej  mi  dospiti  ||  k  pekeln6mu  loii  I «  — 

Nemluv  Ukto  ke  mndl  ||  6erY  jsem, 
royei  tob*,  120 

bez  milosti  boüllztracen  yö6ni  vek&y ; 

_  v^  v^  —  v^         w  —     v^v-/  _y 

k  ni  ty  se  obraf ,  ||  od  ni  prose  16kuy, 

a  ciÄ  pok&ni  ||  y  pray6  jeste  dobc.« « — 

^ w     w   — w      v-/  _  w   y 

Kterak  m&m  se  k&ti?  ||  yiz  tu  na  m6 

hol! 
ty  fady  yrubty  :||co  jich  tu  jest  koli—  125 
»po*ti  je,mii4eS-li— 1  tazntokakaWi, 
kaid^  ten  yroubekUjest  jednayraida!«— 

_    v/v^   —   v-/       v^— ^^  w,  —  y 
I  zyedne  poutnik,||kzemi  se  naklone, 
_    w^  — O  ^    —    v^  w  _  Y 

h&l  ZÄhoioyu — ||kmen  mocn6  jablone  — 

a  zarasi  ji  l|  y  tyrdS  sk&ly  t6mi,  130 

v>_  w  w    —  s^     v^  — v^y  —  y 
jako  tenkj^proutek||do  Zorane  zeme. 

•»Tu  kie*  pfede  sySdkem  ||  sy^ch 
hroznf  ch  einu, 
klei  ye  dne  y  noci,|lukrutn^  zlosynu! 
Oasu  nepo6ite1,  II  nedbej  iizne,  hladu, 

__     W    w  _«v^  '         ^         _  ^  v-/  _  v^ 

jedno  po6itej  R  sy^ch  zloiin&  ^adu,      135 


lituj  a  pros  boha,  ||  aby  smazal  yinu. 

V^__      \^   \J      » w     v-/     v«/        v-/» W 

Vina  ty&  jest  yelk&,||  t^k&,  bez  pHkladu : 
bez  pHkladu  budü  ||  i  tyoje  pokini, 
a  bez  konce  jest  ||  boii  smiloy&ni ! 
Tu  kle6  a  6ekej  — 1|  a£  se  y  jedn6  dobö  140 
z  milosti  boii  ||  yrätim  zase  k  tob*.«« 

Takto  di  poutnik,||a  jde  cestou  dide.— 
A  Z&hoir  kle6i,  ||  kleM  neustÄle; 

»•  v^ vy     vy  V-/  v>v-/  v-/ 

kleii  ye  dne,  y  noci — 1|  nepije,  neji; 
yzdychaje  boiihoJI  prosi  smüoyÄni.  —  145 
Den  po  dni  mine;  I|  ji£  i  snih  se  sh&ni, 
ledoy*  mrazy  ||  jiijii  pHch&zeji : 
a  Z^oir  kle6i,  ||  prosit  nepf est^yi  — 
ale  na  poutnika  ||  darmo  o6ekäy&, 
ten  nepHchäzi,  ||  neyraci  se  k  n6mu.     150 
B&h  budü  milostiy  ||  muii  kajicn^mu! 


T. 

DeyadesÄte  let  ||  p^eletilo  System; 

v-/  vy        >^  __>^    v^ v-/   v>'        _v-/ 

mnoho  se  zyr&tilo  ||  zatim  od  t6  chyile: 

V-/__V-/V./—V>'  V/__       V-/V-/      _v^ 

kdo  onoho  6asu  D  b^al  nemlumitem, 
jest  nyni  starcem,  ||  do  hrobu  se  ch^le. 
A  y&ak  m41o  jioh  ||  dozr&lo  k  t^  dobö,      5 
ostatni  y§ichni||jsou  schoy&ni  y  hrobÖ. 
Jin^  pokoleni  —  ||  cizi  obliÖeje  — 
yfte  ye^syöt*  cizi,||  kam  se  Moy6k  d^je: 
Jen  to  slun^^ko  ||  modrayöho  nebe, 
jenem  to  niiüdnö  ||  promdny  neyzalo;    10 
a  jako  piFed  y^ky  ||  lidi  tödiyalo, 
tak  i  nyni  jeätö  ||  yidy  blaii  tebe ! 


Jest  op^t  jaro.  ||  Vlain^  y6tHk  duje, 
na  lukiuih  sy^i  ||  kol^bi  se  tr&ya; 
slayik  sy6  poyÖsti  ||  op6t  yyprayuje,      15 
a  fijalka  noyou  ||  zas  yftni  yydÄyä. 


t90 


Jftro8lay'8iitii&r, 


HabroY^  Btinem  ||  hlnboköho  leaa 
dv^  poiitiuk&  II 86  ceston  nbirä : 

V^  \J     V-/ V^  \J  \J   \J     v-/ 

Bhrben^  stai^ek,  ||  v  moe  berla  nesa, 
berla  biskupskon,  ||  yökem  jü  se  ti^eaa,  20 
a  p6kii^  müdeneo,  ||  ten  jej  podepiri. 

\J  ^  \^       v-/_        v^  v-/  ^ 

»»PoBe6kej,  syna  m&j!  1  r&d  bych 

\-/  \-/  _  v-/ 

odpo6iiiiil, 
odpo6inati  ||  si  mk  dnie  i&di! 
Bäd  bych  se  jii  k  otcom  ||  sesnul^ 

pnvinnl, 
ale  mUoflt  boii  ||  jinak  mi  uklÄdi.  25 

Milost  boii  velkÄl  ||  ta  Blaha  BV^ho 

\J      \^   v-/        \-/        \J       \J        v-/ 

mocn6  provedla  ||  skrz  pekelnon  br&nQi 
y  iA^Ah  sy^m  Byat^m  ||  poy^&ila  jeho; 
a  protoi  duÄe  m&  |1  dobroi'eöi  pÄna. 
Peyii6  jsem  doafal||y  tebe,  hospodine:  30 
deji,  at'  tvk  8l&ya||  na  zemi  8po6ine!  — 
Syna  mftj,  iiznim!  ||  ohledni  se  yukol: 
ta&im,  ai  neni-li  ||  mdl^ch  smyBKi  m&- 

_  y 

meni, 
tdiim,  ie  mi  blizk6||najdei  obientyeiii, 
aby  byl  dokonin  ||  m&j  üyota  ükol.««   35 

Odei&el  mÜdenecJiy  lesni  zasel  Btrany, 
zdali  by  kde  na&el  ||  pramen  achoyan;^. 
I  dere  86  hoostiin,  ||  kri^i  dM  a  d&le, 
aj^  i  86  prodere  ||  k  mecboyit^  Bkäle. 
Ale  ta  n&hle  ||  noha  jeho  Btane,  40 

a  jako  syÖtla&ka  |j  ye^er  l^tajici, 
le8kne  86  podiy  ||  y  p6kn6  jeho  lici : 
diyn6t'  nezn&mÄ  ||  ytii6  k  n^ma  yane, 
yiin^  ney^8loyn&,  |{  neBkonÖen^  ynady, 
jakoby  y  raj8k6  ||  yBtupoyal  Bady.  45 

v-x       _      v«/        v-/  _v-/        v-/  _  vy  '^       __v-/ 

A  kdyi  pak  mladenec  |{8krz6  hoBt^  chyoji 
yzhüra  86  prodere  ||  a  na  Bk&la  ykro6i, 


y6c  nepodobnoa  ||  yidi  jeho  oM : 
na  hol6  8k41e  ||  etrom  koftaty  stoji, 
Btrom  jabloiioy^,  ||  y  kü  86  rozklidaje,  50 
a  na  n6m  oyoce  ||  diyn4  kr&By  zraje  — 
jablka  zlatÄ  — 1{  a  z  nich  se  nese 
ta  raj8k4  ytind  ||  yÜol  po  y&em  lese. 

I  zpleBalo  Brdce'l  y  ml&dencoya  töle, 
a  zrak  jeho  hilf  ||  jiBkHl  86  yesele :         55 
»Ach  jiatÖ,  jiBt^!  ||  bfth  dobrotiy^ 
8taiPe6koyi  k  yftli  ||  ta  by^  £ini  diyy: 
pro  po8ila  jemn — 1|  miato  chladn6  yody — 
paBti  y  1686  8k^  II  raJBk^  nese  plody.« 

Ale  jak  b  ochotoa  ||  po  jablka  a&hne,  60 
tak  8  aleknatim  ||  raka  za8  odtihne. 

»»Ty  nech,  netrhej  — 1|  y&ak  jai  ne- 
sazel!«« 
hlaB  dat^,  hlabok^  ||  k&ie  jema  z  taha, 
blizk^  hlaa,  jakoby  ||  ze  zem^  yychizel, 

_     v^     vy     v-/        v-/ v>^-/     s-/ 

neb  nikdei  yikol  ||  neyid6ti  draha.        65 

v-/       _  w    \-/_  \J       v-/  _    ^>  v^  _  v^ 

Jen  patez  yelik^  ||  Btoji  yedl6  n6ho, 

v^      v-/    \-/ \-/         \^     \^     v> 

po  nhmi  ostraiiny  11 8  mechem  se  ymoo, 
a  pod&l  zbytky  ||  daba  prastar^ho, 
kmen  rozdrcen^  ||  b  iiroa  yydatinoa. 

W  V-/   'w'    \-/  \^    V-/   s-/ \^ 

Obeäel  jinoch  peh,  ||  prohliii  datma,  70 
obefiel  ta  celoa  ||  okolni  krajinn : 
y&ak  ani  Btopy  ||  nalezti  nemoha, 

v^  _  v«/      v-/_v-/        '^     v-/    « v«y 

ieby  ta  kriiela  ||  kdy  lidaki  noha, 
y&adei  jen  poahoa  H  yid^ti  pastino. 

»A  Bnad  86  acho  m^  ||  oblozeno  Uli?  75 
Bnad  zyife  diyokö  ||  zahralo  y  dAli? 
Bnad  od  yody  y  akile  ||  zyok  onen  po- 
chazel?« 


ProsodischeB  und  M etriBchoB  bei  Csrel  Jaromir  Erben  etc. 


tfll 


dl  k  BoM  B&m  jinoch;  ||  a  nedbaje  zvnkii, 
op^  po  jablkn  ||  vxtahiy  e  rnka. 

>»Ty  nech,  netrhej  — 1|  v&ak  jsi  nesÄ- 
zel!««  80 

blas  dat^  hhnotniji  H  zapovida  saBO. 

v/      vy       ^ vy      \^«.v-/v/     __v-/ 

A  kdyi  se  mUdenec  ||  ohl6dl  po  blase, 
hie !  pai'ez  velik^  H  mezi  ostraiinon 
h^bati  Be  po6ne,  II  a  z  mecha  se  Mnou 
dlonhi  dv6  rameiia,||  k  jinocha  mÖHce,  85 
a  nad  mnenj,  ||  jako  amohi^  svioe 
V  mlhav^  noci,  |  dv^  Öerven^ch  o^i 
s  pod  &ed6ho  mechu  ||  k  nima  se  toJbi. 

Zd^il  Be  mlidenec,||a  znamenim  kfiie 
znameni  ae  jednoo,  ||  po  dmhö  a  Üeti;  90 

vy  \^    \^ Iv-'  \J  \^    v^ 

a  jak  vypla&en^  ||  z  hnizda  oBtHie, 
neUedaje  eesty,  ||  nevida  obtüe, 
pHno  Be  Bkily  ||  honkim  dol&  leti; 
a  riuraven^  ||  od  OBti^ch  snM, 

^     \J    \J     V>'  Vw>   \J    \J      W 

na  zemi  padne  ||  k  Btaf edkovi  blüe.        95 

«Ach  pane,  pane !  |'  zle  je  v  tomto  lese : 
koaati  jabloii  ||  na  Bk&le,  na  pUuii, 
a  jablo&  na  ja^e  ||  zral^  plody  nese, 
a  paivB  yelik^  ||  trhati  je  brini. 
A  ten  paiez  mlnvi,  0  oMma  to6i,  tOO 

a  efayt&  ramenem,  ||  kdo  k  jabloni  kroi^i : 

\j      \^   \y  \j    \y  \j  \j w 

ach  pane, d'&blovo  |)  ta  jest  panovini!« 

••Mj^lttae,  B7nnniüj!||tatomüoBtboii 
BYÖ  diyy  6ini  — 1|  bndü  jemn  aUva! 
yidim,iepont'moje||jii  ae  dokon&yi,  105 
ridofae  t^lo  m6||Y  zemi  t^to  bIoü!  — 
JeM  mi  poBlni  |  naposled,  m^  synii! 
doved'  mne  nahorn,  ||  na  skalnou  pla- 
nina.«« 


ü^mll  tak  jinoch :  ||napred  oeatn  klesti, 
a  potom  BtaMkaJIpo  ni  m&BÜ  n^Bti.  —  1 10 


\J      \J        _  \«/      \J   __V^         \J   __  w 

A  kdyi  jü  pfiÜi  R  nahorn  k  jabloni, 
aj !  ta  Be  pafez  U  ke  Btai^e6kn  kloni, 
vztahnje  tkmh  vatKc,  ||  %  radnje  ae: 
»Ach  pane,  pane  mfy|!  g  dlonho'a  ne- 

pHchäzel: 
hie  tv&  sazenice  ||  jli  ovoce  nese,         115 
ach  ntrhni,  pane !  ||  v^k  aäm  jsi  s&zel. « — 


»»ZiJioH!  Z^hoH!||pokoj  b'ndii  tob"^: 
pokoj  ti  pHnÄÄim||y  poBledni  bv6  dobd! 

vy      v^     vy     _    v^        _      vy  v^     \^ 

Bez  miry,  bez  konce  |  jest  milost  boÜ, 
niiB  oba  yytrhla  ||  pekeln^mn  loii !        120 
Propnst'  mne  nyni  j]i,||jakoi  i  j&  tebe: 
necht'  Be  ta  popel  niä||Yedl6  Bebe  aloii, 
a  dncha  necht'  vezmon  ||  andUov^  z 
nebe!«« 


»Amen !« diZ&hoh  ||Ay  tom  okamieni 
sesol  se  ve  Bkrovnoa  |  pracha  hro- 

m4dku;  125 

a  Jen  ostraiina  ||  na  hol^m  kamen! 
z&Btala  statt,  D  jema  na  pamÄtka. 


Ziroveü  i  Bta^ec||mrtey  na  zem  klesi— 
pont' jeho  pozemakÄ  ||  jii  dokon&na!  — 

•</ \^        O' \j      \y     \^      v^      v^ 

I  z&stal  ml&denecllsim  a  prosIfedleBa,  130 
by  jeitd  yykonal  ||  y&Ii  sy^ho  pina. 


\y       W    v-z     v-/    _  v^  v^        v^ 

Le6  nad  hlayoa  jeho||t6  8am6  chyile 
yzna&eji  se  dyö  ||  holnbice  bil6; 
y  radostn^m  pIesa||yznÄ6eji  se  yzhtro, 
ai  i  Be  yznesly  fl  k  and^Isk^mn  k&ra.    135 


192  Jaroslay  Sutnar, 

Falsche  Wortbetonnng  im  Zähofovo  loie, 

Anf  den  ersten  Blick  sehen  wir,  daß  dieses  Gedicht  (ohne  jeden 
Strophenban  nnd  mit  der  verschiedensten  Reimordnnng)  in  dem  zuletzt 
besprochenen  Hetrnm  verfaßt  ist. 

Anch  hier  zerftllt  jeder  Vers  in  zwei  Hälften  durch  die  Diäresen , 
von  denen  155  (mehr  als  ein  Drittel)  sogar  mit  der  Interpunktion  über- 
einstimmen. Nur  ungefähr  5  Diäresen  unter  450  Versen  im  ganzen  durften 
gegen  den  Sinn  verstoßen,  was  außerdem  nicht  tiberall  in  gleichem  Maße 
geschieht.  In  dem  einzigen  neunsilbigen  Vers  n  8  steht  ein  viersilbiger 
Ditrochäus  als  zweite  Hälfte,  und  als  erste  Hälfte  steht  ein  Ditrochäus 
in  den  zwei  zehnsilbigen  Versen  IV  19,  V  18,  wogegen  in  den  ttbrigen 
durchgehends  zehn-  bis  zwOlfbilbigen  Versen  beide  Hälften  je  ftlnf  bis 
sechs  Silben  enthalten.  Daß  diese  Hälften  von  ganz  gleicher  metrischer 
Natur  sind,  beweist  unter  anderm  schon :  Vers  IV  86  neben  87  und  9 1  mit 
ganz  denselben  Worten,  Vers  IV  56  neben  72  und  84  mit  fast  den 
gleichen,  Vers  III  26  neben  28  sowie  Vers  IV  143  neben  144  und  weiter 
Vers  V  95  neben  57  sowie  Vers  117  neben  118  mit  größtenteils  sehr  ähn- 
lichen Worten  in  der  zweiten  und  in  der  ersten  Hälfte.  Jede  von  den 
beiden  Vershälften  endet  mit  einem  Trochäus,  wovon  uns  in  der  zweiten 
Hälfte  schon  die  Reime  gänzlich  flberzeugen.  Denn  unter  den  53  drei- 
silbigen Wörtern  im  Versschlaß  reimen  nur  1 1  mit  einander,  so  daß  in  den 
übrigen  42  Fällen  ein  dreisilbiges  Wort  entweder  einem  zweisilbigen  (in 
29  Fällen)  oder  einem  —  hier  dem  zweisilbigen  natürlich  gleichzustellen- 
den —  viersilbigen  Worte  (in  13  Fällen)  gegenübersteht.  Daß  die  erste 
Vershälfte  gleichfalls  immer  auf  einen  Trochäus  endet,  können  wir  mit 
gleicher  Sicherheit  nachweisen.  Unter  den  133  dreisilbigen  Wörtern 
vor  der  Diäresis  müssen  nämlich  bis  auf  nur  38  Fälle  alle  mit  Betonung 
auf  der  zweiten  Silbe  schon  wegen  des  nachfolgenden  Auftaktes  gelesen 
werden,  weil  ein  Zusammentreffen  von  mehr  als  zwei  tonlosen  Silben  im 
Öechischen  ganz  unzulässig  ist.  Dabei  darf  man  natürlich  in  der  größern 
Anzahl  (38  :  11)  dieser  scheinbar  zweifelhaften  Fälle  vor  der  Diäresis 
nichts  Auffallendes  erblicken,  da  ja  die  ganz  zweifellosen  Fälle  mit 
dreisilbigen  Wörtern  vor  der  Diäresis  ungefähr  in  demselben  Verhältnis 
zu  demjenigen  im  Versschluß  stehen  (95  :  42).  Außerdem  müssen  wir 
den  Vers  vor  der  Diäresis  immerhin  als  eine  Art  Innenvers  betrachten^ 
dessen  Natur  selbstverständlich  eher  Unregelmäßigkeiten  zuläßt.  Da- 
gegen wird  solches  im  Versschluß  meistens  schon  durch  den  Reim  ver- 


Prosodisches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.         193 

hindert  y  wie  sonst  auch  —  abgesehen  von  den  bereits  besprochenen 
Fällen  nnd  den  yiersilbigen  Wörtern  oder  den  dreisilbigen  mit  je  einem 
tonlosen  einsilbigen  Worte  —  noch  24  falsche  Troch&en  vor  der  Diä- 
resis (darunter  20  mit  nachfolgendem  Auftakt)  keinem  einzigen  im  Vers- 
Bchlnß  gegenüberstehen.  Und  ähnlichen  scheinbar  zweifelhaften  Fällen 
begegnen  wir  natflrlich  ebenfalls  im  ersten  Fuße  der  beiden  Vershälften, 
der  mit  Ausnahme  der  oben  erwähnten  drei  Verse  (ü  8,  IV  19,  Y  18) 
immer  einen  Daktylus  mit  oder  ohne  Anakrusis  enthält.  So  giebt  es 
Yershftlften  ohne  Anakrusis,  bei  denen  wir  an  Stelle  eines  nicht  ana- 
kmsischen  Daktylo-Trochäus  weit  eher  einen  Ditrochäus  mit  Auftakt 
lesen  möchten.  Abgesehen  von  den  gar  nicht  zahlreichen  derartigen 
Fällen  mit  mindestens  zwei  einsilbigen  Wörtern  in  nicht  anakrusischer 
Vershälfle  (nach  der  Diäresis  5  und  im  Versanfang  7  =  12)  im  Gegen- 
satz zn  den  noch  etwas  spärlicher  vertretenen  unregelmäßigen  Fällen 
mit  mindestens  drei  einsilbigen  Wörtern  in  anakrusischer  Vershälfte 
(nach  der  Diäresis  0  und  im  Versanfang  6  =  6)  sind  es  in  der  Regel 
Vershälften  entweder  nüt  einem  ein-  und  einem  viersilbigen  (oder  statt 
des  viersilbigen  auch  mit  einem  drei-  und  einem  [tonlosen]  einsilbigen) 
Worte  (nach  der  Diäresis  8  Fälle  [darunter  1  mit  einem  drei-  und  einem 
einsilbigen  Worte  statt  des  viersilbigen]  und  im  Versaufang  21  Fälle 
[darunter  3  mit  einem  drei-  und  einem  einsilbigen  Worte  statt  des  vier- 
silbigen] =  29  Fälle]  oder  mit  einem  einsilbigen  und  zwei  zweisilbigen 
Wörtern  (nach  der  Diäresis  22  und  im  Versanfang  41  =  63  Fälle),  denen 
jedoch  eine  große  Reihe  anakrusischer  Vershälften  gegenflbersteht  ent- 
weder mit  zwei  einsilbigen  (oder  statt  ihrer  auch  mit  einem  zweisilbigen) 
und  einem  viersilbigen  (oder  statt  des  viersilbigen  auch  mit  einem  drei- 
und  einem  [tonlosen]  einsilbigen)  Worte  (nach  der  Diäresis  65  Fälle 
[darunter  57  mit  einem  zwei-  und  einem  viersilbigen  Wort]  und  im  Vers- 
anfang 20  Fälle  [darunter  15  mit  einem  zwei-  und  einem  viersilbigen, 
1  mit  einem  zwei-,  einem  drei-  und  einem  einsilbigen  Wort]  =  85  Fälle) 
oder  aber  mit  zwei  ein-  und  zwei  zweisilbigen  (oder  auch  mit  drei  zwei- 
silbigen) Wörtern  (nach  der  Diäresis  102  Fälle  [darunter  87  mit  drei 
zweisilbigen  Wörtern]  und  im  Versanfang  39  Fälle  [darunter  27  mit  drei 
zweisilbigen  Wörtern]  =141  Fälle).  In  den  letztem  Fällen  (und  Über- 
haupt in  allen  anakrusischen  Vershälften)  muß  man  ja  schon  wegen  Ein- 
haltung derselben  Taktzahl  im  Anfang  einen  Daktylus  (mit  Auftakt)  lesen, 
so  daß  jene  unsichem  nicht  anakrusischen  Vershälften  (92)  durch  diese 
sichern  anakrusischen  (226)  wohl  mehr  als  genügend  aufgewogen  werden. 

Axehiw  tta  ilftTisoke  PhUologia.  XXIX.  13 


194  JaroBläy  Satnar, 

Oaii2e  Verse  ohne  jede  Unregelmäßigkeit  kommen  zwar  nnr  In  29 
Fällen  vor,  wobei  der  Auftakt  5  mal  in  der  ersten,  8  mal  in  der  zweiten 
nnd  2  mal  in  beiden  Vershälften  stebt.  Aber  es  giebt  außerdem  noch 
ganz  regelrechte  —  89  erste  (25  mit  Auftakt)  nnd  79  zweite  (28  mit 
Anft&kt)  —  Vershälften,  welche  bei  der  yölligen  Gleichheit  beider  Vera- 
hälften zusammen  ungefähr  84  ganze  Verse  ausmachen.  Werden  nun  die 
ganzen  regelmäßigen  Verse  dazngerechnet  (29-f-S4=  113),  so  kann  un- 
gefähr ein  Viertel  der  sämtlichen  450  Verse  als  ganz  fehlerfrei  bezeichnet 
werden.  (Dagegen  begegnen  wir  in  diesem  Gedichte  ungefähr  62  regel- 
rechten Troohäenversen  und  etwa  49  regelmäßigen  Jambenversen.) 

Die  hier  vorkommenden  Unregelmäßigkeiten  teilen  wir  natürlich 
ebenso  in  vier  Abteilungen,  wie  das  in  den  frflhem  Fällen  geschehen  ist. 

I. 

1.  Versschluß  (mit  Reim):  nechod  za  noci,  -  ku  pomoci  I  27, 
28,  zase  -  ohlödl  po  blase,  V  81,  82,  na  pläni,  -  bränf  -  panoväni  97, 
99,  102. 

2.  Innen vers  a)  vor  der  Diäresis:  listov^  na  dubä  I  8,  ne- 
nit  bez  l^ku  31,  pravou  na  y}'chod,  II  13,  levou  na  zäpad,  14,  a  skok 
za  skokem  III  34,  do  pekla?  51  55,  prijdu  snad  za  tebou  58,  za  teoh 
let,  69,  lesnf  mui  pod  dubem  IV  15,  mu£  lesni  pod  dubem  44  51,  jako 
piFed  yhkj  V  U,  prlmo  se  skälj  93,  jablon  na  jare  98,  bez  konce  119, 

v-/        _       v./ 

sesnl  se  ve  skrovnou  125. 

b)  nach  der  Diäresis:  do  smlchu  mu  nenf  I  10,  ze  snAv 
vytrhnouti  34,  pres  to  pole  be£l  II  2,  od  sv^  drah^  panny  31,  na  me- 
chov^m  loSi  III  11,  na  skäle  le£fci  15,  za  pasem  rüi^enec  36,  na  tö  ne- 
pHkvacf  42,  do  satanskd  rfse  50,  pro  pozemskä  zboif  62,  se  vsf  jeho 
moci  65,  se  znamenfm  kme  82,  od  snehu  a  deste  IV  2,  po  pekeln^ 
chuzi  37,  na  svä  prsa  krutä  77,  na  mechu  stlävala  94,  na  pekeln^m  lo&i 
98,  na  chlumov6  sträni  106,  ve  smrteln^m  strachu  115,  od  nf  prose  1^ 
kftv  122,  do  zoran6  zemS  131,  do  hrobu  se  chyle  V  4,  na  zemi  spoiine 
31,  po  jablku  sahne  60,  ze  zemi  vychäzel  64,  po  druh6  a  ti-eti  90,  na 
skäle,  97,  na  skalnou  planinu  108,  po  nf  musil  n^sti  110,  ke  stareiku 
kloni  112,  na  hol^m  kamenl  126. 


ProBodisches  und  Metrisoliea  bei  Kare!  Jaromir  Erben  etc.         19$ 

3.  VertamfaiLg:  ao  pekla  oeAla  mä  III  50,  za  maion  poobonftu 
74,  na  T^kn6,  lY  43,  od  mätky  m6  nSkdy  02,  b^  milostybo&i  121,  bez 
pnklada  badi£  138,  pro  poaila  jemn  V  58,  po  n^mi  o8ti*nfiny  67,  z  pod 
aed^bo  mechn  88,  bes  mäy,  119. 

n. 

1.  YersachUß  (mit  Reim):  svadl^  -  v  dAlky  z'apädl^l  1 22,  23, 
za  noci  -  rädi  kn  pomoci,  27, 28,  rodi  -  noc  vojevodf  11  13, 14,  vrata  - 
rota  prc^aia,  19,  21,  tarn  d^  näm  dosp^ti,  -  ddti  23,  24,  vron^  obe- 
jmäti,  -  nittf  35,  38,  6elo  -  se  Jest  obestfelo?  in  22,  23,  tebe  smrt 
ütM-  mlädi  38,  40,  sta&f  -  na  t8  n^ep^kva^Y,  41,  42,  alysival  -  jeStJ 
nezazplyal  I  52,  54,  däti  -  oo  yHSz  navräti,  66,  67,  zklätil  -  zpä&y 

w  \^    \^  v/v-/ w  v-/ — .  y 

nenavrätil!  ^  70,  71,  y  lese  ratolesti,  -  dlouh^  povesti:  IV  5,  7,  tSlo  - 
V  8obe  nepoirelo?  -  13,  14,  die  jeho  rozkazn,  -  mrazn  61,  62,  svfjf  - 
i  cit  pomgf.  67  79,  68  80,  nenf  -  vrätil  bez  prodlenf !  102,  105,  k  zemi 
se  nakiönS,  -  jablonS  128,  129,  Sinä  -  nkrutny  zlosynul  132,  133, 
hdn  -  bez  pnkladn:  135,  137,  tvoje  p'oklni,  -  smiloyänf  138,  139, 
dile-kle£f  nenstile;  142, 143,  prosit  neprestävä  -  -  oSekirä  148, 149, 
promSny  nevzalo;  -  t^sivalo  V  10,  11,  trära  -  v4ni  vydävä.  14,  16,  se 

v^ v-/  v>  \y \-/  v^    '^iT-  ^ 

eeston  nblrä:  -  j«j  podeplrä.  18,  21,  räd  byeh  odpoehml,  -  zesnnlym 
pnvhial,  22,  24,  zädä  -  jinak  mi  nklädä.  23,  25,  hospodine  -  na  zemi 
spo^el  -  30,  31,  säbne  -  rokn  zas  odtähne.  60,  61,  vsak  jsi  nesi- 
Zell  -  ze  zemS  vycbdzel,  -  zvok  onen  pochäzel?  62  80,  64,  77,  nalezti 
nemoba,  ~  noha  72,  73,  ostriie  -  nevida  obtiie,  91, 92,  dloubos  nepri- 
ehäzei:  —  sizel  114,  116,   y  tom  okamiieni  -  kamen!  124,  126,   hro- 

\y     \y    v^ 

midkn  -  jemn  na  pämätkn.  125,  127. 

2.  Innenvers  a)  vor  der  Diäresis:  jeräb  ul6tä  I  3,  pnsto  a 
nevlidno  4,  vitr  od  zäpadn  5,  a  kdo  pocbopl,  10,  pontnlce  neznäm^  11, 

V-/  — W  V-/     ,i_      V>  Niii/    — .   v-/  V/ 

kam  80  nbiräs  14,   kam  tak  pospichäs?  15,   snad  ie  nesteati  25,  a  pH 

nejmenaim  29,  jen  nepomljej,  30,  tarn  )il  zachäzf  35,  mce  probit^  11 10, 

tarn  na  vycbodö  15,  ale  na  zäpade  19,  na  tom  pahorka  25,  vronene  ob^ 

jimi  28,  jestS  poslednf  35,  chvlle  nestastnä  38,  a  pod  odlVem  III  8, 

dutina  prostrannä,  9,  £i  je  ta  postava  12,  s  jeiatym  oboiim  18,  a  pod 

13* 


196  Jaroslav  Sutnar, 


obo)^fm  19,  jakymi  obrnysly  23,  kyjem  ohromn^m  33,  QÜkej,  41,  dokad 
kyj  ohromny  42,  a  nerozÖfstl  43,  nevidl,  44,  8äm  ii  tarn  dopravirn,  56, 
aS  86  naplni  57,  ty  se  neronhej  59,  dobada  zäpisn  68,  za  malou  po- 
choatkn  74,  co  v  pekle  uvidls,  80,  y  üdolich  povodeii  IV  2,  zdali  nekleslo 
13,  skaredd  pohliM  16,  nensel  nikdo  m^  18,  nyni  prisahäm  29,  voläni 
pomoci  -  48,  kdoby  tn  potösil,  49,  nevrätil  zäpisu  58,  ale  kdy2  pr%- 
pist^n  71  83,  a  pot  vyrä£Y90,  ieki  Zähore^  98,  ale  tv^ch  zioSTnü  102, 
zbroziv  se  poknty  104,  hrdS  Typfnä  107,  z  kofene  vyvracf  111,  proboden 
ost^pem,  112,  nedej  mi  dospSti  119,  a  ci&  pokäni  123,  casn  nepocftej, 
134,  jedno  pocitej  135,  ten  nepHchäzi,  150,  jenom  to  nii^ädnä  V  10^ 
slavfk  8v6  povSsti  15,  mocne  provedla  27,  ac  nenl-li  33,  aby  byl  doko- 
nän  35,  a2  i  8e  prodere  39,  divnet  neznämä  43,  vAni  nev^sloYiiä,  44, 
vzhAru  8e  prodere  47,  vSc  nepodobnoa  48,  ale  jak  8  ochotou  60,  ne- 
trhej-62  80,  doved  mne  nahorn,  108,  ZähoHl  117,  pokoj  ti  pHnäslm 
118,  oba  yytrhla  120,  necht'  se  tu  popel  näs  122,  pout' jebo  pozemskä 
129,  by  jest8  vykonal  131. 

b)  nach  der  Diäresis:  pokaM6t  y  jeseni  I  7,  pocbopuje 
sloya  9,  nepokryyä  brady  20,  niiädn^ho  2ela  31,  anii  oko  zyedne  33, 
pribit;^  yideti  II  7,  roztahnje  y  sfri  10,  yysyobod  syS  dSti  24,  sejdon-li 
se  k  sobe  34,  pohledönl  ledn6  39,  yypfnaje  celo  UI  5,  ohledni  se 
y  hoQstf  25,  zeptej  se  tSch  kosti  26,  prosti*ed  cesty  stane  34,  odpoyldä 
tise  49,  ale  pfsne  t^to  53,  netreba  ti  krokü  55,  nechäm  tebejfti  75, 
ale  to  chci  mit!  78,  nepHchäzl  jest^  lY  4,  pl'ece  jestS  yrätf  12,  ozyai  se 
t^mS  casem  21,  poyysenym  hlasem  22,  nslecbtil^  tyäre  25,  omräSen^^ 


stoji  34,  neskoncene  yetsf  39,  zatracencüy  mnky  43,  zamraSen^  sedi 

\^  —  \^  w  w  __      ^  ^  v>  _    w 

44  51,  zlorecen^  klenf  47,  op^t  dyse  lehce  71  83,  poslednf  sy^  sloyo  85, 
y  Zähoroyo  lo£e  87,  Zähor  je  to  jmeno  91,  Zähoroyo  loze  96,  pomsty 
boM  mka  99,  zachyeje  se  zemö  109,  potäci  se  chylli  112,  poraien  tou 
zyesti  114,  objimaje  y  prachn  117,  pomoz  muH  boSf  118,  ukrntny  zlo- 
synu  133,  nedbej  ziznS,  134,  aby  smazal  yina  136,  jizjii  pHohäzejf  147, 


>  91,  Zähoroyo  loze  96,  poi 
lotäci  se  chylli  112,  pora 
iimaje  y  prachn  117,  pomoz  muii  hoii  11 

^  smazal  yina  136,  jizji 
neyraof  se  k  n^mn  150,  preletSlo  svStem  Y  1,  zatfm  od  t^  chylle  2, 
dozrälo  k  t^  dobe  5,  prom^ny  neyzalo  10,  opet  yypraynje  15,  zesnulym 
privinul  24,  poy^sila  jeho  28,  ohledni  se  yükol  32,  najdes  obSerstyeni 


ProBodiaches  und  Metrisches  bei  Earel  Jaromir  Erben  etc.         197 

34,  neskonSen^  vnady  44,  vAkoI  po  Tsem  lese  53,  nevidSti  draha  65, 
prohGzf  datinn  70,  okolnf  krajinn  71,  nalezti  nemoha  72,  oblazeno  sali 
75,  zapovidä  zase  81,  ohl^di  po  blase  82,  nevida  obtiie  92,  tnto  milost 
boil  103,  naposled,  107,  napred  oestu  klesti  109,  naborn  k  jabloni  111, 
pokoj  bndii  tobi  117,  v  posledni  sv^  dobS  118,  vedl^  sebe  slo^f  122. 

3.  Yersanfang:  ale  coi  tak  bled^  I  22,  ale  na  zäpadi  n  19, 
zlofecen^  dnse  22,  ale  v  srdci  plamen  40,  pohodln^  nooleb  III  10, 
zeptej  se  tdcb  cemych  28,  jeSto  tu  kräkajf  29,  obrat  se,  41,  doknd  kyj 
obromn^  42,  neslysl,  44,  zastavil  se  pontnfk  48,  pHjdn  snad  za  tebon 
58,  porazl  Satana  65,  dobuda  zäpisu  68,  prisahej,  79,  prisahäm  na 
ttfie  83,  y  üdollch  povodeä  lY  2,  ale  Sädnä  zpräya  8,  nslo  jaro-  9, 
neosel  nikdo  18,  podl6  mni^e  pontnfk:22,  nezradil  jsem  tebe  27,  zaväzal 

v^  \y  v-/       __  v^    

jsem  se  ti  28,  pHsabäm  na  läile  30,  zachvel  se  mni  lesnf  32,  nesne- 

W ,  W__  V-«'       _  v^  v^ 

86t  zrak  jebo  35,  ale  milost  bo£skä  39,  yypravuje  pontnfk  40  46  53, 
kdoby  tu  potJsil  49,  pHnutil  Satana  54,  rozkäzati  däblu  55,  aby  zase 
TTätil  56,  nerrätil  zäpisn  58,  rozlitil  se  Satan  59,  yykonpejte  jebo  60, 
neinila  rota  61,  pHprayila  Uze&  62,  obraoi  zmrzlinn  66,  ale  kdyi  pro- 
pnsten  71  83,  rozlftiy  se  Satan  73,  nnie  at  obejme  74,  pHvinala  däbla 
"ilj  neznämät  mi  sice  101,  ale  tv^^cb  zlocinü  102,  nebo  ySz,  103,  pro- 
boden  ostSpem  112,  nedej  mi  dospSti  119,  nemlny  takto  ke  mnd  120, 
spocti  je,  126,  ale  na  poutnfka  149,  poseckej,  V  22,  ale  milost  bo&f  25, 
V  ürad^  syem  syat6m  28,  aby  byl  dokonän  35,  zdali  by  kde  nasel  37, 
ale  jak  s  ochotou  60,  ieby  ta  kräcela  73,  opet  po  jablkn  79,  nebledaje 
cesty  92,  doyed  mne  naborn  108,  ncinil  tak  jinocb  109,  Zäbori!  117, 
pokoj  ti  pHnäsim  118,  propnst  mne  nynf  121,  sesul  se  ye  skroynon 
125,  zäroyeü  i  stai'ec  128. 

in. 


V-/Vy—     ^ 


1.  Versscbluß  (mit  Reim):  snad  pot^sime.  -  dHme  I  29,  32,  ze 
snuy  yytrhnontil  -  pouti  34,  36,  syrchn  pfideläna,  -  päna  n  6,  8, 
zhonci-dlykop]be2ädoncl:  36,37,  naskäle  lezloi, -yjedno  spiyyajfci- 
zrak  bodajicf,  III  15,  17,  19,  mnobo  jsem  slySiyal,  -  nezazpfyal  52,  54, 
liatf  opadäyä:  -  zpräva  IV  10,  11,  k  toni^ebn^  milösti:  -  kosti  76,  78, 


198  JftroBlav  Satnar, 

pokänf  -  bo2f  srniloylnf  I  -  prosf  BmUoTlnY.  -  shäBf  138,  139, 145, 146, 
nepiwtävi.  -  danno  otekävä,  148, 149,  k  nSmii  -  muü  kajionömal  150, 
151,  yeSer  l^tajlei^  -  Hol  V  41,  42,  niho  -  dnbu  pntstaf^ho,  66,  68, 
k  jinooha  mSnoe,  -  Bvlce  85, 86,  kme  -  z  hnlzda  ostnie,  -  obtfie  -  bliie 
89,  91,  92,  95,  na  pUni  -  bränf  -  jest  panovlnf  I  97,  99,  102,  aliva  - 
jiz  se  dokonävä,  104, 105,  praoka  hromädkn;  —  na  pamätku  125, 127, 

w  v-/  _  v-/ 

jii  dokonänal  -  pAna  129,  131. 

2.  Innenyara  a)  vor  der  Diftresis:  ale  mälo  kdo  I  9,  a  a  Um 
rAienoem  -  13,  lety  sediv^mi  26,  y  dye  atrany  protiyii6,  II  12,  zrakn 
hadimu  III  21,  ntec  mlädenSel  37,  mnobo  yidfyal,  53,  klamem  dabei* 
sk^m  -  62,  ale  paatim  ii  -  75,  h&l  ayon  poutniekon  82,  fijala  pode  kiem 
IV  6,  nnze  at  obejme  74,  a  zdrceny  jaou  78,  y  boleati  113,  rye  a  Bviji 
ae,  116,  mMea->li  -  126,  a  zarazi  ji  130,  yzdyohaje  boJifho  145,  ale  na 
pontnika  149,  bndii  miloatiy  151,  jen  to  alnn^Sko  V  9,  dy^  poatnfkft  18, 
berln  biaknpakon,  20,  jako  ay^tlnska  41,  obeael  jinoeh  pei,  70,  potom 
ata(eika  110,  yztahnje  räoiS  yatHo,  113,  propuat'  mne  nyni  jiS,  121. 

b)  naeh  der  Diäreaia:  yiekouee  ae  radem  I  2,  tiehoa  piaeii 
pSje  6,  nyni  pod  ye&erem  14,  dol&  k  zemi  nl£i  26,  atoji  na  yrchole  II  4, 
ayrchn  prideläna  6,  jakoi  eeata  mlH  12,  nebeakä  je  bräna  15,  bydli 
bozf  ayatf  16,  y  rannim  ayStla  kmita  26,  y  cizl  aySta  atrany  33,  yrouci 
obejmati  35,  jako  plamen  zhonei  36,  diyko  p^te^idoncf  37,  y  huat^m 
leaa  prontf  43,  drü  na  yae  atrany  III  6,  hronem  rozorany  7,  lit^  leanC 
aelmy  10,  y  jedno  aplyyajfci  17,  a  loie  ay^ho  akoSi  31,  tebe  amrt  nyidi 
38,  panenak^ho  mlidf  40,  y  £ela  ay^m  hlaboköm  44,  mnoho  jaem  alyaf- 
yai  52,  tak^  na  anidani  58,  otee  ay^ho  kryi  61,  miion  yflni  dyae  IV  6, 
liatf  opadäyä  10,  iädnä  nejde  zpräya  11,  ceatoa  jeho  tSlo  13,  oko 
pHan^,  23,  hHany  bo2f  alnha  28,  bHdk6  däbl&y  pluky  41,  a  yiSnön 
amrtl  abratHl  42,  y^Snä  zatracenf  50,  atr^ci  klamn  zl^bo  55,  kryl  paa- 
non  blinn  56,  pekeinämn  pänn  57,  y  pekeln^  konpeli  60,  y  ktoen  le- 
doyaty  64,  opak  do  plamenft  66,  k  tou^ebnd  miloati  76,  s  tnh6  iela 
koie  90,  yrätil  bez  prodleni  105,  aoana  hlayn  aklänl  108,  y  bi^Boati  ay^ 
aüy  HO,  mocnä  y  leae  dreya  111,  bije  y  hlayn  p^ati  116,  k  pekelnömn 
lo2i  119,  ztracen  y£in^  ySkfty  121,  y  prayl  jeat^  dob£  123,  y  tyrdi 


ProBodiBches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  £rben  etc.         199 


skäly  i6mi  130,  t^ikä,  137,  hoii  smiloväni  139,  vrätim  zase  ktob^  141, 


boii  smiloväni  139,  vrätin 
kleSf  nenfitäle  143,  prosi  smiloyäni  145,  prosit  neprestävä  148,  b^val 
semlnvn^m  Y  3,  cizi  obliceje  7,  vlainy  y^trik  di\je  13,  kol^bä  se  träva 
14,  v&kem  iil  se  ti'esa  20,  jinak  mi  uklädä  25,  y  lesnf  zasel  strany  36, 
kräSf  däl  a  dile  38,  yeSer  l^tajfd  41,  y  pdkn^  jeho  lici  42,  yftDÖ  k  n&ma 
rane  43,  yidi  jeho  oci  48,  diyn^  kräsy  zrige  51,  y  mlädencoya  t61e  54, 
jiskni  86  yesele  55,  mlsto  chladn^  yody  58,  rajsk^  nese  plody  59,  stojl 
Tedl^  neho  66,  dabu  prastar^ho  68,  s  sfrou  yydatinoQ  69,  jako  8molii6 
syice  86|  hoastlm  dolfi  letl  93,  k  stai-e&koyi  bliie  95,  zral^  plody  nese 
98,  badi2  jemn  sliya  104,  dloaho  s  neprichäzel  114,  pekeiii6ma  loii 
120,  mrtey  na  zem  klesä  128,  yäli  sy^ho  päna  131,  k  and&isk^ma 
kAm  135. 

3.  Versanfang:  znämä-te  to  piseä  I  7,  poatnfce  neznämy  11, 
stflüät'  to  jedlioe  II  5,  stoji,  III 1,  tuh^  od£v  jeho  7,  sotya  kdo  Moy^ka 
14,  jak^mi  obmysly  23,  s  ob6  strany  cesty  26,  milost  bo2f  yelkä  63  66, 
slaylk  yypraynje  IV  7,  lesni  mni  pod  dabem  15,  üpinliy^  närky  47, 

V-/  _  W  v-/       _  V^    _ 

voläni  pomoci  48,  s  jednö  strany  hoH  63,  s  drnh6  strany  mrzne  64, 
kryi  psan^  bläny  72  84,  yolä  y  ud^senf  88,  hrozn^  tSlo  jeho  89,  zhroziy 
se  poknty  104,  kterak  mäm  se  kiti  124,  litnj  a  pros  boha  136,  yina  tyä 
jest  yelkä  137,  kleSi  ye  dne,  144,  jinö  pokolenf  V  7,  jenem  to  niSädn^ 
10,  slaylk  sy6  poy^sti  15,  milost  boSi  yelki  26,  taSim,  33  34,  stal^eiikovi 
k  y&ii  57,  pustä  y  lese  skäla  59,  bllzk]^  blas,  64,  dlouhä  dy^  ramena  85, 
zdSsil  se  mlädenec  89,  m^iis  se,  103,  yidfm,  105,  rädot  se  t£io  106. 

lY. 

1.  Versschlnß  (mit  Reim):  pokaM^t  y  jeseni  -  nenf  17,  10,  se- 
rto-njmf  pod  yecerem?  11,  14,  panny-!^el  poohoyan^f?  21,  24,  pole- 
Btoji  na  yrchole:  n  1,  4,  sniti  -  pKbitJ  yidSti  5,  7,  y  pravo  naklo&nje,  - 
juni  nkaznje,  9, 1 1,  syatf  -  bnde  radoyati.  16, 18,  le&e  na  kolenoa  -  mkn 
otä&iou,  25,  27,  z  oka  -  z  hlnböka.  -  29,  30,  divök^,  -  kroky  40,  42, 
strany  -  hromem  rozoran]^,  III  6,  7,  kmene  -  tyäfi  zacazen6;  16,  18, 
y  hibit^  mlidenec,  -  za  pasem  rüienecl  -  35,  36,  y  £eln  sy^m  hlnbo- 
k^m  -  krokem  44,  45,  ani  -  tak^  na  snidani!  -  56,  58,  zyöfi  -  dnes 


200  JaroBlav  Satnar, 


na  veiSeri:  73,  74,  znova  -  slova  -  zrakn  poutufkova.  IV  29,  32,  35, 
klenf  ~  neni  -  vScn^  zatracenf !  -  47, 48,  50,  veli  -  v  pekeln^  koupeli!  — 
59,  60,  z&at^  -  y  kämen  ledovaty;  63,  64,  mfrn  naplnenu,  -  opak  do 

v^    _   v-/  v-/       v-/    _v-/  ,  vyv-/_v-/  W  V-/   _  V-/ 

plamenfl.  65, 66,  rota  odstonpila,  -  däbla  oiivila.  -  panna  povolnlla,  69, 

v-/  v_/  _v-/  \y  \^  \^ 

70  82,  81,  slovo  -  V  loze  Zähorovo!  -  85,  86,  jmeno  -  casto  vysloveno, 
91,  92,  loi^e  -  koze  -  pl6sti  rohoze,  87  96,  90,  93,  na  mechn  stlävala,  — 
mne  prikryyala.  94,  95,  jeho  nsonzeni:  -  neni  -  bez  prodleni  100,  102, 
105,  sloYa  -  lo&e  ZihoioYHj  103, 104,  nakloni  -  kmen  mocn^  jablone  — 
128,  129,  neji  -  jizjü  prichäzejf :  144,  147,  svStem  -  b^val  nemluvne- 


tem,  V  1,  3,  cizi  obliSeje dSje  7,  8,  nevzalo  -  lidi  teifvalo,  10,  11, 

daje  -  opet  vypravnje,  13,  15,  hospodlne:  —  spocine  30,  31,  smyslft  mä- 
meni,  -  najdes  obcerstvenf,  33,  34,  strany  -  pramen  uchovan^.  36,  37, 
y  sfr  86  Tozklädaje,  -  zraje  50,  51,  tSle  -  jiskKl  se  vesele:  54,  55,  bfth 
dobrotivy  -  divy  56,  57,  vinou  -  s  sirou  vydutinoa.  67,  69,  prohlfzf 
dntinn,  -  okolni  krajinn:  -  vidSti  pnstina.  70,  71,  74,  mezi  ostruiinon  - 

^  \-/  v-/  V-'    _  V-/' 

sinon  83,  84,  Bjnu  -  na  skalnon  planinu.  107,  108,  nahora  k  jabloni,  - 
kloni  111,  112,  a  raduje  sei-  nese  113,  115,  okamicenl  -  na  hol^m 
kamenf'l24,  126. 

2.  Innenvers  a)  vor  der  Diäresis:  jako  dnchov^  I  2,  stiblät  to 
jedlice  -  II  5,  hlavn  krvayon  9,  ie  se  tarn  s  nimi  t^z  18,  pleton  däblov^, 
21,  Ysak  od  leviee  24,  jestö  poUbeni  36,  kräl  vSkovit^  m  4,  zelenä  ra- 
mena  6,  sotva  kdo  clov^ka  14,  zrak  jedovaty,  20,  jezto  ta  kräkaji  29, 
mnoho  vid^li  -  30,  jsem  zatracenec  -  49,  do  pekla  eesta  mä,  50,  zU- 
met  i  strasliv^  64^  porazf  Satana  65,  y  zelen  odely  se  IV  5,  slayfk  yy- 
prayuje  7,  jen  jednoho  19,  toho  jednoho  -  20,  jakoby  planula  26,  more 
plamenüy  -  41,  piinutil  Satana,  54,  obraci  zmrzlinu  66,  räme  yzta&enä 
76,  y  loie  Zähoröyo?  87,  yolä  y  udÖ8enY88,  loSe  Zähofövo!  -  91,  kdyi 
mi  roho^emi  94,  ylci  koi^inoa  95,  piijde  sekera,  108,  nohy  pontnikoyy 
117,  hül  Zähofoyu  -  129,  a  bez  konce  jest  139,  deyadesäte  let  V  1, 
mnoho  se  zyrätilo  2,  a  ysak  mälo  jieh  5,  jin6  pokoleni  -  7,  shrben)^  sta- 
i-eiiek,  19,  pSkn^  mlädenec,  21,  synu  m&j!  22  103,  protoi  doäe  mä  29, 
odesel  mlädenec,  36,  kdyz  pak  mlädenec  46,  ström  jablo&oyif',  50,  na 
nSm  oyoce  51,  tak  s  nleknntfm  61,  hluboky-  63,  jakoby  64,  pafez  yeliky 


ProsodiBches  und  Metrisches  bei  Earel  Jaromir  Erben  etc.         201 


66,  po  nSmi  ostimmy  67,  kmen  rozdrcen^  69,  leby  tu  krä^U  73,  snad 
se  Qcho  m^  75,  zvire  divok^  76,  opSt  po  jablku  79,  blas  dnty  brmotneji 
Sl,  kdyz  se  mlädenec  82,  parez  velik^  83  99,  dloubä  dve  ramena,  85, 
a  nad  rameny,  86,  zdesil  se  mlidenec,  89,  jak  vyplaSen6  91,  a  zkryayen^ 
94,  cbytä  ramenem,  101,  däblovo  102,  rädot  se  t^lo  m6  106,  pane  m&j\ 
114,  tri  sazenice  115,  jen  ostmi^ina  126,  zfistal  mlädenec  130. 

b)  nacb  der  Diäresis:  jako  pSkn^  panny  I  21,  rädi  kn  po- 
moei  28,  y  pravo  naklo&QJe  U  9,  jimi  nkazuje  11,  5äka  jema  diLna  17, 
bude  radovati  18,  leze  na  kolenon  25,  mkn  otocenon  27,  dfevo  beze  cita 
28,  slzy  roni  z  oka  29,  dnbov^ho  kmene  ni  16,  tväri  za(azen6  18, 
y  häbitö  mlädenec  35,  zvedna  Ifce  bled6  48,  ctyiicät^  16to  51,  jesti  ne- 
zazpfyal  54,  zpätky  nenayrätil  71,  mfsto  tnb6  zyeri  73,  snkoyit^  boli  77, 

•>-/ \^  \^  v-/_  vy  \j 

z  dalekäio  kraje  IV  3,  y  lese  ratolesti  5,  y  sobe  nepoifelo  14,  s  yyso- 
k^ho  stann  15,  sukoyit^  boli  18,  jestö  tobe  znoya  29,  z  pekla  nesu 
zpräyn  31,  slyse  tato  sloya  32,  sihna  po  sy6  zbroji  33,  zraku  poutnfkoya 
35,  sloyo  moje  syidSi  38,  jako  nhel  z&at^  63,  mfrn  naplninn  65,  jako 
had  se  syljl  67  79,  rota  odstonpila  69,  däbia  oäyila  70  82,  käie  ye  sy6m 
hnSyu  73,  ysecky  jebo  kosti  78,  panna  poyolnüa  81,  y  lolbe  Z^ofoyo  86, 
osykou  se  trese  89,  casto  yysloyeno  92,  jebo  nsonzenf  100,  slyie  ona 
sloya  103,  loi^e  Zäboroya  104,  k  zemi  se  naklonS  128,  darmo  oiekäyä 
149,  mu2i  kajicn^mn  151,  modrayäho  nebe  V  9,  lidi  tSsfyalo  11,  blnbo- 
k^o  lesa  17,  y  ruce  berlu  nesa  19,  dobroreii  pänu  29,  y  tebe,  30,  pra- 
men  nchoyan^^  37,  k  mechoyit^  skäle  39,  noba  jebo  stane  40,  skrze  bnst^ 
cbyojf  46,  mku  zas  odtäbne  61,  käze  jemn  z  tnba  63,  yidöti  pnstinn  74, 
mezi  ostrul^inoa  83,  k  jinocbu  mSrfce  85,  trbati  je  bräni  99,  y  zemi  t^to 
slo&f  106,  jakoz  i  ja  tebe  121,  andMoy^  z  nebe  123,  jema  na  pamätku 

\y v^  v^  ^^*—  ^^ 

127,  bolubice  bil6  133,  yznäsejf  se  yzbüra  134. 

\J     _  V-'—  v-/  _  w 

3.  Yersanfang:  pusto  a  neylfdno  I  4,  yftr  od  zäpadn  5,  listoy^ 
na  dnbS  8,  lety  sediyymi  26,  y  prayo,  U  23,  brzy  zase  yzdycbä  30, 
jesti  polfbeni  36,  brzy  potom  zmizel  43,  zelenä  ramena  III  6,  dntina 
prostrannä  9,  tele  jebo-  15,  üdy  jebo-  16,  s  jeiat^m  oboSfm  18,  drfye 
nei^  jsem  yidil  60,  zlämet'i  strasliy^  64,  y  zeleä  odSly  se  IV  5,  fijala 
pode  krem  6,  skarede  poblfzl  16,  jakoby  planula  26,  protiyil  se  dabei  57, 


202  Jaroalftv  Sutnar, 


Btraslivö  fve  dabei  67  79,  y  loie  Z^orovo  87,  loie  ZiLhofovo  91,  divok^ 
tnr  lesnf  110,  z  korene  yyyracf  111,  nohy  poutnikovy  117,  jako  tenk^ 

v«/ \^     v^  yy  

prontek  131,  insu.  nepoSitej  134,  rzdychaje  boifho  145,  mnoho  se  zvrir 
tilo  y  2,  sbrbeny  stareSek  19,  odesel  mlAdenec  36,  yfini  neyVsloviUL  44, 
yzhüra  se  prodere  47,  obesel  jinooh  pe&  70,  obeSel  tu  celou  71,  h^^bati 

\y  v-/  \y \^ 

se  pocne  84,  znamenä  se  jednon  90,  yztahuje  räm&  113. 

Bei  Heranziehung  der  Belege  sind  wir  natflrlieh  anch  hier  überall 
so  yoi^egangen,  wie  das  bei  den  zuletzt  besprochenen  Versen  der  Fall 
war.  Die  auf  der  zweiten  Silbe  betonten  Doppelzusammensetzungen 
(po-ka-l^d^t',  ne-po-kryvÄ,  od-po-yidä,  ne-pri-chäzi,  za-po-yidä,  na- 
po-sled,  ne-u-sel,  po-se-ikej)  sind  ebenfalls  in  dieser  zweiten  Abteilung 
nicht  schwach  yertreten,  während  yon  einem  Einfluß  der  Nachbarschaft 
auf  die  Unregelmäßigkeiten  auch  in  unserm  Oedichte  mit  Ausnahme 

v^  vy \y 

yielleicht  einiger  rätselhaften  Fälle  (popel  näs,  cesta  mä,  synn  m^, 

duse  m&y  uoho  m^,  telo  m^,  pane  mftj)  kaum  die  Rede  sein  kann.  Wir 
wollen  nun  im  folgenden  wieder  die  AbweichuDgen  systematisch  durch- 
gehen, worauf  noch  eine  Übersichtstabelle  beigefflgt  werden  soll. 

L^.  3  Fälle  mit  einsilbiger  Präposition  und  zweisilbigem  Nomen 
(darunter  1  mit  langer  erster  Silbe  des  Nomons,  aber  nicht  rein  quanti- 
tierend);  2.a)  1  Fall  mit  einsilbiger  Präposition  und  einsilbigem  Nomen 
(rein  quantitierend),  16  Fälle  mit  einsilbiger  Präposition  und  zweisilbi- 
gem Nomen  (darunter  8  mit  langer  erster  Silbe  des  Nomons,  aber  nur  4 
rein  quantitierend) ,  2.  i)  8  Fälle  mit  einsilbiger  Präposition  und  ein- 
silbigem Nomen  (darunter  6  mit  langer  Silbe  des  Nomons,  aber  nur  1 
rein  quantitierend),  12  Fälle  mit  einsilbiger  Präposition  und  zweisilbigem 
Nomen  (darunter  4  mit  langer  erster  Silbe  des  Nomons,  aber  nicht  rein 
quantitierend),  11  Fälle  mit  einsilbiger  Präposition  und  dreisilbigem 
Nomen  (ohne  lange  erste  Silbe  des  Nomons) ;  3.  1  Fall  mit  einsilbiger 
Präposition  und  einsilbigem  Nomen  (rein  quantitierend),  5  Fälle  mit  ein- 
silbiger Präposition  und  zweisilbigem  Nomen  (darunter  4  mit  langer 
erster  Silbe  des  Nomons,  aber  nur  1  rein  quantitierend),  4  Fälle  mit  ein- 
silbiger Präposition  und  dreisilbigem  Nomen  (darunter  1  mit  langer 
erster  Silbe  des  Nomons,  aber  nicht  rein  quantitierend). 

H«  1.  25  Fälle  mit  dreisilbiger  Zusammensetzung  und  mitBetonung 
auf  d.  zweiten  Silbe  (darunter  16  mit  langer  zweiter  Silbe,  aber  nur  5  rein 
quantitierend),  18  Fälle  mit  einsilbiger  Präposition  und  dreisilbiger  Zu- 


ProsodiBches  und  MetxischeB  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.         20S 

ummenBetsiuig  oder  mit  TierBÜbiger  DoppelznBammensetsiuig  oder  end- 
licli  mit  yierBilbiger  Zuflammensetsmig  mittels  eises  aweiBilbigen Wortes: 
mit  BetonoBg  «nf  d.  zweiten  Silbe  des  zaBammengeBetsten  Nomens  und  auf 
d.  dritten  8ilbe  der  tibrigen  Zusammensetznogen  (darunter  8  mit  langer 
zweiter  beziehungsweise  dritter  Silbe,  aber  nur  4  rein  quantitierend] ; 
2.  a)  3  Fftile  mit  zweisilbiger  Zusammensetzung  (darunter  2  rein  quan* 
titierend),  62  Fälle  mit  dreisilbiger  Zusammensetzung  und  mit  Betonung 
auf  d.  zweiten  Silbe  (darunter  33  mit  langer  zweiter  Silbe,  aber  nur  9  rein 
qnantitierendj,  12  Fälle  mit  einsilbiger  Präposition  und  dreisilbiger  Zu- 
sammensetzung oder  mit  viersilbiger  Doppelzusammensetzung:  mit  Be- 
tonung auf  d.  zweiten  Silbe  des  zusammengesetzten  Nomens  und  auf  d.  drit- 
ten Silbe  der  Doppelzusammensetzong  (darunter  7  mit  langer  zweiter  be- 
ziehungsweise dritter  Silbe,  aber  nicht  rein  quantitierend),  2,b)  25  Fälle 
mit  zweisilbiger  Zusammensetzung  (darunter  18  mit  langer  zweiter 
Silbe,  aber  nur  10  rein  quantitierend),  23  Fälle  mit  dreisilbiger  Zu- 
sammensetzung und  mit  Betonung  auf  d.  zweiten  Silbe  (darunter  13  mit 
langer  zweiter  Silbe,  aber  nur  5  rein  quantitierend),  25  Fälle  mit  vier- 
silbiger Zusammensetzung  und  mit  Betonung  auf  d.  zweiten  Silbe  (darunter 
10  mit  langer  zweiter  Silbe,  aber  nur  2  rein  quantitierend);  3.  34  Fälle 
mit  zweisilbiger  Zusammensetzung  (darunter  17  mit  langer  zweiter 
Silbe,  aber  nur  14  rein  quantitierend),  24  Fälle  mit  dreisilbiger  Zu- 
sammensetzung und  mit  Betonung  auf  d.  zweiten  Silbe  (darunter  6  mit 
langer  zweiter  Silbe,  aber  nicht  rein  quantitierend),  1 1  Fälle  mit  vier- 
silbiger Zusammensetzung  und  mit  Betonung  auf  d.  zweiten  Silbe  (darun- 
ter 2  mit  langer  zweiter  Silbe,  aber  nicht  rein  quantitierend). 

m.  i.  6  Fälle  mit  dreisilbigem  Wort  und  mit  Betonung  auf  d.  zwei- 
ten SUbe  (darunter  4  rein  quantitierend),  16  Fälle  mit  viersilbigem  Wort 
und  mit  Betonung  auf  d.  dritten  Silbe  (darunter  3  rein  quantitierend) ; 
2.  a)  8  Fälle  mit  zweisilbigem  Worte  (darunter  3  rein  quantitierend), 
16  Fälle  mit  dreisilbigem  Worte :  14  mit  Betonung  auf  d.  zweiten  und  2 
auf  d.  dritten  SUbe  (darunter  10  rein  quantitierend),  2  Fälle  mit  einsilbiger 
Präposition  und  dreisilbigem  Nomen  oder  mit  viersilbigem  Worte:  mit 
Beton'nng  auf  d.  zweiten  Silbe  des  dreisilbigen  Nomens  oder  auf  d.  dritten 
Silbe  des  viersilbigen  Wortes  (darunter  1  rein  quantitierend),  2.  b)  75  Fälle 
mit  zweisilbigem  Worte  (darunter  39  rein  quantitierend),  6  Fälle  mit  drei- 
silbigem Wort  und  mit  Betonung  auf  d.  zweiten  Silbe  (darunter  1  rein 
quantitierend),  7  Fälle  mit  viersilbigem  Wort  und  mit  Betonung  auf 
d.  zweiten  Silbe  (nieht  rein  quantitierend);  3.  34 Fälle  mit  zweisilbigem 


204  JaroBlav  Sutnar, 

Worte  (darunter  23  rein  qaantitierend),  3  FftUe  mit  dreisilbigem  Wort 
und  mit  Betonung  auf  d.  zweiten  Silbe  (darunter  1  rein  quantitierend), 
2  Fälle  mit  viersilbigem  Wort  und  mit  Betonung  auf  d.  zweiten  Silbe 
(nicht  rein  qnantitierend). 

lY./.  20  Fälle  mit  dreisilbigem  Worte:  19  mit  Betonung  auf  d. 
zweiten  und  1  auf  d.  dritten  Silbe,  38  Fälle  mit  einsilbiger  Präposition 
und  dreisilbigem  Nomen  oder  mit  viersilbigem  Worte :  mit  Betonung  auf 
d.zweiten  Silbe  des  dreisilbigen  Nomons  und  auf  d.  dritten  Silbe  des 
viersilbigen  Wortes;  2.a)  9  Fälle  mit  zweisilbigem  Worte,  41  Fälle  mit 
einsilbiger  Präposition  und  zweisilbigem  Nomen  oder  mit  dreisilbigem 
Worte:  39  mit  Betonung  auf  d.  zweiten  Silbe  des  dreisilbigen  Wortes  und 
2  auf  d.  zweiten  Silbe  des  zweisilbigen  Nomons  oder  auf  d.  dritten  Silbe 
des  dreisilbigen  Wortes,  23  Fälle  mit  einsilbiger  Präposition  und  drei- 
silbigem Nomen  oder  mit  viersilbigem  Worte :  mit  Betonung  auf  d.  zweiten 
Silbe  des  dreisilbigen  Nomons  und  auf  d.  dritten  Silbe  des  viersilbigen 
Wortes,  1  Fall  mit  fflnfsilbigem  Wort  und  mit  Betonung  auf  d.  zweiten 
Silbe,  2.b)  53  Fälle  mit  zweisilbigem  Worte,  6  Fälle  mit  dreisilbigem 
Wort  und  mit  Betonung  auf  d.  zweiten  Silbe,  12  Fälle  mit  viersilbigem 
Wort  und  mit  Betonung  auf  d.  zweiten  Silbe;  ^.20  Fälle  mit  zweisilbigem 
Worte,  20  Fälle  mit  dreisilbigem  Wort  und  mit  Betonung  auf  d.  zweiten 
Silbe. 

Nach  der  beiliegenden  Tabelle  sind  auch  hier  am  stärksten  neben 
den  zweisilbigen  Wörtern  (größtenteils  nach  der  Diäresis  und  im  Vers- 
anfang) die  dreisilbigen  Wörter  vertreten  mit  Betonung  fast  durch- 
gehends  auf  d.  zweiten  Silbe,  wogegen  die  (zur  großen  Mehrheit  mit 
Betonung  auf  d.  dritten  Silbe  im  Versschluß  und  vor  der  Diäresis,  nur 
zum  kleinem  Teile  mit  Betonung  auf  d.  zweiten  Silbe  nach  der  Diäresis 
und  im  Versanfang  stehenden)  viersilbigen  Wörter  schon  weniger  häufig 
vorkommen.  Ohne  starken  Einfluß  auf  die  Unregelmäßigkeiten  ist 
natürlich  die  Quantität  auch  hier  in  den  ersten  zwei  Abteilungen  nicht 
geblieben,  während  bei  den  selbstverständlich  lange  nicht  so  zahlreichen 
rein  quantitierenden  Belegen  in  den  ersten  drei  Klassen  die  Seltenheit 
ihres  Erscheinens  natürlicherweise  im  direkten  Verhältnis  zur  Länge 
des  betreffenden  Wortes  steht.  Die  allermeisten  Abweichungen  finden 
sich  (mit  der  Zahl  421  gegen  die  Gesamtzahl  741)  wieder  in  den  590 
anakrusischen  Daktylen,  welche  70  mal  in  der  ersten,  150  mal  in  der 
zweiten  und  185  mal  in  beiden  Vershälften  vorkommen. 


ProBodiBches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc. 


205 


Übersiehtstabelle. 


Wörter. 

Zweisilbig. 

Dreisilbig. 

Viersilbig. 

Fünf- 
silbig. 

1 

L 

/. 

3:1              (  3H-    ) 

2.a)      1:1:1 

16:8:4          (16  +    ) 

2.6)      8:6:1         8 

12:4              (12+   ) 

12 

11                (11+     )  11 

3.         1:1:1 

1 

5:4:1          (  5  +    ) 

5 

4:1             (  4+     )     4 

1 

10:8:3 

36:17:5        (36  +    ) 

15:1             (15+     ) 

n. 

U 

25:16:5        (25  +    ) 

18:8:4        (     +18) 

2.a)      3:2:2 

62:33:9        (62+    ) 

12 : 7            (     +12) 

2.6]  25:18:  10 

25 

23:13:5        (23  +    ) 

23 

25  :  10  :  2      (25  +     )  25 

1 

3.      34:17:14 

34 

24:6               (24+    ) 

24 

11:2             (11+     )   11 

DÜ 

72  :  45  :  29 

170:85:24    (170+   ) 

81 :  28  :  6      (51  +  30) 

/. 

6:6:4          (  6+   ) 

16:16:3      (      +16) 

2.ä}     8:8:3 

16:16:10      (14  +  2) 

2:2:1        (     +2) 

2.6)    75:75:39 

75 

6:6:1          (  6+    )     6 

7:7             (  7+      )     7 

1 
1 
1 

3.       34 :  34  :  23 

34 

3:3:1          (  3  +    ) 

3 

2:2             (2+     )     2 

1 

189:162:94 

201:116:40  (199  +  2) 

108:55:10    (60  +  48) 

IT. 

1 

1 

/. 

20                   (19  +  1) 

38                  (      +  38) 

2.a)   9 

41                    (39  +  2) 

23                 (     +  23) 

1(1+) 

12.6)  53                      53 

6                   (  6+    ) 

6 

12                 (12+     )   12 

3.     20 

20 

20                   (20+    ) 

20 

271 :  162 :  94 

250 

288:116:40  (283  +  5) 

99 

181:55:10  (72  +  109)  72 

1(1+) 

Falsche  Satzbetonung  im  Zäho^ovo  lo2e. 

Die  hierher  gehörigen  ein-  und  zweisilbigen  Wörter  zerfallen  wie- 
der je  nach  der  Länge  oder  Eflrze  der  vorangehenden  beziehungsweise 
nachfolgenden  Silben  in  zwei  Abteilungen,  wobei  weiter  in  Betracht  ge- 
zogen wird,  ob  diese  ein-  und  zweisilbigen  Belege  in  der  ersten  oder  in 
der  zweiten  Vershftlfte  stehen. 


208  Jaroslav  SntBftr, 

!•  DiA  elmgllbigt«  Wdrter. 
L 

1.  Zweite  VerBhftlfte:  kdeji  se  syiüo  rodi  n  13,  tebe  smrt  nTädf 
in  38,  jii  se  dnoy^  kritt  IV  9,  t^  se  v  jedn^  doM  140,  ji£  Fsnfli  se 
shini  146,  kam  se  iloväi  d^je  V  8,  kräii  däl  a  dfle  38,  a  z  nich  se  nese 
52,  vsak  säm  jsi  sizel  116. 

2.  Erste  Vershälfte:  a  s  tfm  rfliencem  I  13,  s  skok  za  skokem 
m  34,  dokud  kyj  ohromn^  42,  2e  se  slab]f  pontnfk  67,  za  t£ch  let,  69, 
üie  ti  z  pekla  virnoa  84,  lesnf  ma2  pod  dnbem  IV  15,  toto  sed  a  slysl 
36,  ta  kle&  a  (ekej  140,  jenom  to  niiädnö  V  10,  rid  bych  se  jii  k  otcftm 

24,  bllzk^  hlas,  64,  qbesel  jinoch  pe&,  70,  dlouhä  dvd  ramena  85,  vzta- 
haje  rimk  vstnc,  113,  vznäseji  se  dvi  133. 

IL 

1.  Zweite  Vershälfte:  co  ti  slla  stacf  JJl  41,  kam  t^  cesta  rede 
47,  ale  to  chci  mfti  78,  ä  ten  mne  zradii  IV  20,  jako  had  se  svljf  67  79, 
fcU  pomijf  68  80,  räd  bych  odpoSmnl  V  22,  r  sY(  se  rozklädaje  50,  fii 
se  dokonärä  105. 

2.  Erste  Vershälfte:  ie  se  tarn  s  nimi  n  18,  säm  t^  tarn  dopra- 
Tim  m  56,  Ysak  se  jestS  nikdo  71,  neusei  nikdo  mö  IV  18,  ai  ho  pak 
ji2  smysl  68  80,  a  pot  vyräii  90,  kdy2  mi  rohoSemi  94,  nebo  t^z,  103, 

_     w  v-^  W  _      ^ 

a  ci&  pokäni  123,  lituj  a  pros  boha  136,  devadesite  let  V  1,  ty  nech, 
62  80,  £e  pont  moje  105,  necht'se  tu  popel  122. 

B.  Die  zweisilbigen  Wörter. 

I. 

1.  Zweite  Vershälfte:  tichon  piseä  p&je  I  6,  tvä  noha  bosa  15, 
jmet'  dobH  üdi  17,  ty's  jestö  mlad^  19,  a  srnntn^il  svadl^  22,  ty^  tölo  svfil 

25,  dol&  k  zemi  nfSf  26,  vsak  beze  sn^  II  5,  jako2  cesta  miH  12,  kdez 
se  SY&tlo  rodf  13,  bydli  boii  svatf  16,  y  rannim  SY^tla  kmitu  26,  od  sy6 
drah^  panny  31,  y  cizi  SYÖta  strany  33,  jako  plamen  ihoncl  36,  y  hnst^m 
lesa  pronti  43,  dr£f  na  Yse  strany  III 6,  Ift^  lesni  selmy  1 0,  to  mrain^  ielo 
22,  CO  chce  y  t^to  ponsti  24,  s  loSe  SY^ho  skoci  31,  prostif^d  eesty  staae 
34,  mnj  pocet  rok&  57,  otce  SY^ho  krYf  61,  se  Ysi  jeho  mocf  65,  nechäm 


ProsodiBcheB  and  Metrisohes  bd  Karel  Jaromir  Erben  etc.         207 

tebe  jfti  75,  milon  viini  d^se  IV  6,  jU  ee  dnov6  kritl  9,  liAai  nejde 
ipräva  11,  eestou  jeho  tilo  13,  oko  prfsn^,  23,  hrfsn;^  botl  sluha  28,  co 
y  pekle  spatHl  40,  bHdk^  d'äblftv  phiky  41,  s  y^Snon  smiti  sbratHl  42, 
CO  y  pekle  slysel  46,  etr^ci  klamn  zl6ho  55,  kryf  psanon  blinn  56,  op&t 
dyse  lehce  71  83,  na  syä  prsa  kmtä  77,  mui  divf  y  lese  88,  z  tah6  cela 
koie  90,  iy  sluho  bo2i  97,  nie  menSf  nenf  102,  sosna  hlayn  skläni  108, 
moeniL  y  lese  dreya  111,  b\je  y  hlayu  p^sti  116,  pomoz  mnü  bo2l  118, 
itraeen  y&cn§  y^kfty  121,  od  nf  prose  l^fiy  122,  y  pray6  jeatö  dobe  123, 
ta  zaimka  kaSdi  126,  jest  jedna  yral^da  127,  y  tyrd^  skäly  t^m6  130, 
SY^oh  brozn^ch  cinil  132,  nedbej  i^fzni,  134,  aby  smazal  yinn  136,  az  se 
Tjedn^  dob6  140,  yräüm  zase  k  tobi  141,  zatfm  od  t^  chyfle  V  2,  kam 
se  cloy^k  d^je  8,  yzdy  blazf  tebe  12,  yla^^  y^rik  dnje  13,  si  mä  duse 
Udä  23,  ta  slnhn  sy^o  26,  y  lesnf  zasel  strany  36,  y  p6kn^  jeho  Ifci  42, 
TAn£  k  n^mn  yane  43,  yidl  jeho  oci  48,  diyn^  kräsy  zraje  51,  yftkol 
po  Ysem  lese  53,  sy^  cini  diyy  57,  mfsto  chladnä  yody  58,  rajsk^  nese 
plody  59,  stojf  yedl6  niho  66,  jako  smobiö  sylce  86,  houstim  doI&  leti 
93,  zle  je  v  tomto  lese  96,  zral^  plody  nese  98,  bndii  jemn  släya  104, 
napred  cesta  klesti  109,  po  ni  mnsil  n^sti  110,  pokoj  bndiz  tob6  117, 
jest  milost  bozf  119,  yedl^  sehe  slozi  122,  mrtey  na  zem  klesä  128,  yfili 
SYäho  päna  131,  t^  sam^  chyfle  132. 

2.  Erste  Yershälfte:  s  tun  kriiem  y  rnoe  I  12,  a  tyoje  Uce  21, 

a  tyoje  oci  23,  a  dfeyo  stihl^  II  4,  jen  mali  pffcka  6,  y  dy£  syeta  strany 

U,  tarn  plane  morem  20,  näs  mlad^  pontnlk  26,  tyär  jako  st^na  39,  ale 

y  srdci  plamen  40,  stoji  skäla  III 1,  tnh^  od^y  jeho  7,  s  ob^  strany  cesty 

26,  kHz  miye  y  mce  36,  tyä  cesta  y  jiston  38,  a  skoda  ty^o  40,  stflj 

eerye!  47,  milost  bol^i  yelk&  63  66,  ie  se  slaby  pontnfk  67,  ysak  jest^ 

Bikdo  76,  £e  ti  z  pekla  yernon  84,  podl^  muie  pontnfk  IV  22,  a  z  jeho 

bled6  25,  ysak  jako  bleskem  34,  jen  v&cnä  kletba  50,  s  jedn6  strany 

norf  63,  s  dmh^  strany  mrzne  64,  kdy£  yidi  rota  65,  kryi  psan6  bläny 

72  S4,  hrozn6  t£lo  jeho  89,  ysak  poy^z  mi  ty  97,  nemlny  takto  ke  mai 

120,  i  zyedne  pontnfk  128,  kleS  p(ede  sy^dkem  132,  kle6  ye  dne  y  noci 

io3,  klecf  ve  dne,  144,  den  po  dni  mine  146,  jest  nynf  starcem  V4,  jest 

opet  jaro  13,  milost  bo&Yyelkä  26,  zrak  j'eho  iütf  55,  ach  jist^  56,  pusti 


208  JarosUv  Sntnar, 


y  lese  skäla  59,  neb  nikdei  vikol  65,  ach  pane,  96,  ten  parez  mluyf  100, 
sve  divy  cinf  104. 

n. 

1.  Zweite  Yershälfte:  jako  p^kn6  panny  I  21,  pohov  tau  30, 
ani£  oko  zvedne  33,  pres  to  pole  h(kii  U  2,  Säka  jemn  d^a  17,  drevo 
beze  cita  28,  slzy  ron£  z  oka  29,  ti  vMf  vice  IQ  30,  co  tii  sfla  stacf  41, 
kam  tö  cesta  vede  47,  zvedna  llce  bled^  48,  ale  pfsnö  t^to  53,  ta  rici  däti 
66,  mfsto  tah6  zvferi  73,  pfece  jestö  Trätl  IV  12,  jestfe  tobfe  znova  29, 
z  pekla  nesn  zprävn  31,  slyse  tato  slova  32,  sähna  po  sv^  zbroji  33,  sIoyo 
moje  BvSdci  38,  jako  uhel  z&aty  63,  käze  ve  sv^m  hn^vu  73,  vsecky 
jeho  kosti  78,  pomsty  boif  nika  99,  slyse  ona  slova  103,  roveüi  tob£  120, 
viz  ta  na  m6  holi  124,  jde  ceston  däle  142,  v  rnce  berln  nesa  Y 19,  noha 

V-/V^  V-/V^  v^v-/  ^/v^ 

jeho  stane  40,  skrze  hust^  chvojf  46,  käie  jemn  z  tnha  63,  kdy  lidskä 
noha  73,  tnto  milost  bo21  103,  v  zemi  t^to  sloii  106. 

2.  Erste  Yershälfte:    a  jesen  chladnä  116,  je  ve  tv^m  srdci 

24,  a  mocn^  balzam  32,  a  podld  cesty  11  3,  a  na  t^  prfcce  7,  kdo  dobfe 
cinf  17,  Eriste  pane  23,  brzy  zase  vzdychä  30,  brzy  potom  zmizel  43, 
a  na  t^  skäle  III  3,  pod  um  dnbem  1 1,  tSlo  jeho  —  15,  üdy  jeho  -  16, 
jde  däle  predse  45,  vsak  se  jest^  nikdo  71,  ale  zädnä  zpräva  lY  8,  nslo 
jaro  -  9,  ze  tobe  vemou  31,  ale  milost  boSskä  39,  aby  zase  yrätil  56, 
a  nynf  y  pekle  96,  a  t£ik^  pädem  109,  ty  rady  ymbfiv  125,  jako  tenky 
prontek  131,  a  Zähof  klei^l  143  148,  i  nyni  jestg  Y  12,  ale  i^ost  bo£i 

25,  ta  rajskä  vftne  53,  a  podäl  zbytky  68,  vsak  ani  stopy  72. 

Dem  Gebrauche  des  schwierigem  dreisilbigen  Yersfnßes  (stellen- 
weise mit  Anakrnsisl)  sind  fast  dnrchgehends  zuzuschreiben  die  so 
zahlreichen  (53)  Unregelmäßigkeiten  mit  tonlosen  einsilbigen 
Wörtern  (Im)  mit  vorangehendem  einsilbigen  Worte  5  Fälle 
im  nicht  anakrusischen  dritten  Yersfuß  neben  1  Fall  im  anakru- 
sischen  dritten  Yersfuß  und  7  Fälle  im  nicht  anakrusischen  ersten 
Yersfnße  gegen  2  Fälle  im  zweisilbigen  zweiten  Yersfuße,  b)  mit 
folgendem  einsilbigen  Worte  9  Fälle  im  anakrusischen  dritten 
Yarsfuß  und  10  Fälle  im  anakrusischen  ersten  Yersfuße  neben  1  Fall 
im  nicht  anakrusischen  ersten  Yersfuße;  2.a)  mit  vorangehendem 


ProsodiBches  und  Metrisches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.         209 

zweisilbigen  Worte  5  Fftlie  im  dritten  Versfuß  und  6  Fftlle  im 
ersten  Versfüße  gegen  4  solche  F&lle  [und  1  Fall  mit  vorangehendem 
fUn&ilbigen  Wort]  im  zweisilbigen  zweiten  Versfaß,  i]  mit  folgendem 
zweisilbigen  Worte  2  Fälle  im  ersten  Versfuß),  und  demselben  drei- 
silbigen Versfuße  verdankt  man  ausnahmslos  die  noch  weit  zahlreichem 
(204)  Abweichungen  mit  tonlosen  zweisilbigen  Wörtern  (a) 
mit  vorangehendem  Worte  122  Fälle  im  dritten  und  77  im  ersten 
Versfüße,  b)  mit  folgendem  Worte  2  Fälle  im  dritten  und  3  im 
ersten  Versfuße),  wobei  natürlich  auch  wieder  Fälle  mit  reiner  Quantität 
vorkommen :  hier  in  einer  ziemlich  bescheidenen  Anzahl  im  Vergleich 
zur  Gesamtzahl  der  Unregelmäßigkeiten  (1.  bei  einsilbigen  WOrtem 
1  +  11  =  12  Fälle  von  der  Gesamtzahl  9+ 17  +  1 1  + 16= 53,  2.  bei 
zweisilbigen  WOrtem  15  +  11  =  26  Fälle  von  der  Gesamtzahl  89  + 
49  -I-  35  +  31  =  204).  (Selbstverständlich  gibt  es  auch  hier  wieder 
Stellen,  wo  die  zweisilbigen  Wörter  unter  dem  Einflüsse  der  Satzbetonung 
oder  eines  besondem  Nachdruckes  ihre  Betonung  ganz  gut  und  mit 
Recht  verlieren  können,  aber  bei  einsilbigen  Wörtern  wird  es  nur  ganz 
ausnahmsweise  durch  Annahme  eines  besondern  Nachdruckes  möglich.) 

Es  unterliegt  nun  wohl  nach  unsem  Auseinandersetzungen  nicht 
dem  geringsten  Zweifel,  daß  wir  als  logaödisches  Metrum:  (v>)-wv^.w|| 
fyj^y^sj^^  jenes  zu  bezeichnen  haben,  in  welchem  das  Gedicht  Zäho- 
h>vo  loie  abgefaßt  ist.  Dagegen  war  noch  Vrchlicky  selbst  der  An- 
sieht, man  könne  »selbstverständlich«  (in  einigen  Partien  von  Erben^s 
Gedichten  und  namentlich]  im  Zäho^ovo  lo£e  kein  einheitliches  rhyth- 
misches Gesetz  feststellen,  da  nach  seiner  —  durch  langes  Beobachten 
der  Rhythmik  Erben's  gewonnenen  —  Überzeugung  sich  der  Dichter  in 
treuer  Nachahmung  des  (echischen  Volksliedes  bewußt  oder  unbewußt 
verschiedener  Urstoffe  der  antiken  Metren  in  accentuierender  Form  be- 
diente ^).    Die  erwähnten  Worte  Vrchlicky's  lenkten  auf  das  Metrum 


^)  >[VII]  Jednotn^ho  zäkona  rbythmick^bo  v  n&kter^ch  paaiiich  Er- 
benov^ch  bisni  oy&em  stanoviti  nelze.  V  pH6in6  t^  zvl&it  je  »ZÄhoi^ovo  loie« 
Tysoee  zajimav6 . . .  Zde  vychÄzel  docela  od  n&rodni  6esk6  pisn6.  Jsou  v 
»Zähohyvh  lo&i«  ver&e,  kter6  do  umilöho  rhythmu  nevpravite . . .  Sem  tam 
najdete  [Vni]  i  stopy  jaköhosi  rhythmick6ho  paralelismu,  proti  kterömu 
▼iak,  ehcete-li  jej  stopovati  dÄle,  bÄsnik  sÄm  hfeii  ihned  ye  ver&i  n&sledaji- 
dm  . . .  Ve  muh  dloub^m  posorov&nim  rhythmiky  Erbenovy  ustÄlilo  se  pfe- 
Bvkl6eni,  ie  at'  jui  s  vidomim  nebo  bezvidomky  uiival  b&snik  rftzn^  prvky 

▲tcUt  Ar  ■UTiMb«  Pliilologie.  XXIX.  14 


210  Jaroslav  Satnar, 

nnsers  Gedichtes  die  Aufmerksamkeit  äolc's,  welcher  ihm  weiter  nach- 
ging und  unter  Berufang  auf  die  Sechischen  Sprüche  erklärte,  die  Verse 
besäßen  regelmäßig  vier  Takte:  vier  Hauptaccente  mit  freier  Anzahl 
tonloser  Silben  ^^).  Sole  täuschte  sich  jedoch,  indem  er  bekanntlich  der 
Dichtung  gleichfalls  die  jetzt  allgemein  anerkannten  Betonungsregeln 
(freilich  mit  manchen  Fehlem]  aufzuzwingen  suchte,  obwohl  schon  der 
Reim  stellenweise  dagegen  sprach.  Außerdem  besitzen  eben  nach 
der  äolc'schen  Messung  manche  unter  den  von  ihm  ausgewählten 
schwierigem  Versen  unbedingt  mehr  als  vier  Takte,  weil  es  ausge- 
schlossen ist,  daß  im  Öechischen  mehr  als  zwei  tonlose  Silben  aufeinan- 
der folgen  dflrfen  ^^j.  In  diesem  Sinne  sprach  sich  schon  Eräl  aus,  wel- 
cher das  Metrum  der  ersten  zehn  Verse  (ohne  Detailstudien  tlber  dieses 
Gedicht)  richtig  erkannte :  bis  auf  einen  umstand,  daß  nämlich  auch  er 
von  der  Diäresis  keine  Erwähnung  tat  ^^),  Das  sind  unsers  Wissens  alle 
nennenswerten  Ansichten  tlber  das  Metmm  unsrer  Dichtung,  wo  man 
nur  der  Anwendung  des  Daktylas  und  der  oft  vorkommenden  Anakrusis 


antick^ch  meter  pfizvuSni,«  (Dieselbe  Ansicht  aufgenommen  und  paraphra- 
Biert  von  äiijan  [28]}.  Offenbar  geht  der  Kritiker  in  seinem  sonst  aasgezeich- 
neten Artikel  an  dieser  Stelle  irrtümlich  ebenfalls  von  den  modernen  Beto- 
nungsgesetzen aus,  so  daß  er  dann  freilich  im  Zähofovo  loj^e  verschiedenen 
Urstoffcn  antiker  Metren  begegnen  muß.  Später  [VIII]  spricht  er  noch  von 
den  im  Verse  des  Zähoirovo  loie  »regellos  verstreuten  Daktylen«.  (Vgl.  dies- 
bezüglich weiter  äolc  [177,  178]  und  Kril  [L.  f.  Rü6.  21.  (1894)  428]!)  Oder  soll 
er  mit  seinen  allerdings  sehr  unbestimmten  Worten  wirklich  an  einen  logaOdi- 
schen  Vers  gedacht  haben,  wie  das  bereits  von  Sole  (178)  angenommen  wurde? 

51)  »[178] .  .  .  z&kon,  die  nöhoi  verse  ty  sloieny  jsou:  Veri  »Zdhofova 
hie*  mä  d  takty,  4  Maoni prizvuhy  a  nese  se phirozenym rhythmem  naÜ  mluvy . ..« 
(Bezüglich  der  Sprüche  180.) 

52)  Bei  Aufzählung  der  schwierigem  Verse  (182)  gibt  Sole  selbst  zu,  daß 
sich  mancher  von  ihnen  auch  ganz  gut  mit  fünf  oder  sechs  Accenten  vor- 
tragen »läßt«  (183).  Nach  Sole  soll  der  Dichter  das  erwähnte  Versmaß  —  mit 
^ößern  oder  kleinern  Änderungen  —  gleichfalls  in  Eytice,  Zlat;^  kolovrat, 
StÖdr^  den,  Holoubek,  Veätkyne,  ja  im  wesentlichen  auch  in  Poklad,  Svatebni 
kofiile,  Polednice,  Vodnik,  Vrba,  DceHna  kletba  und  ebenso  vielleicht  in  der 
Lilie  verwendet  haben  (183). 

»)  L.  f.  Ro6. 21.(1 894)  428, 429 :  Nach  Eräl  ist  der  Vers  im  Zikhoirovo  loie 
»offenbar«  größtenteils  daktylisch-trochäisch  (stellenweise  auch  jambisch- 
anapästisch).  An  Kxk\  hält  sich  dann  Schenk  und  Straka  (212,  213).  Da  Kräl 
noch  nicht  die  Diäresis  (nach  seiner  Messung  auch  Cäsur)  berücksichtigt,  vor 
der  immer  ein  Trochäus  steht,  so  mißt  auch  er  unrichtig  Vers  14,  5,8: 


ProBodisches  und  MetriBches  bei  Karel  Jaromir  Erben  etc.         211 

in  verdanken  hat  die  so  zahlreichen  Unregelmäßigkeiten,  daß  znr  Fest- 
stellimg  dieses  Yersmaßes  später  Forschungen  mehrerer  Männer  er- 
forderlich waren. 

In  einem  Briefe  ans  dem  Jahre  1842  an  Stanko  Yraz  schreibt 

Erben  selbst  hinsichtlich  der  richtigen  Sechischen  Prosodie ,  diese  sei 

die  des  Volksliedes  and  zwar  accentnierend,  wobei  jedoch  nach  dem 

Gefllhl  nnd  Gehör  gleichfalls  auf  die  Quantität  Rücksicht  genommen 

werde  ^).    Das  war  bekanntlich  auch  nngefUir  Erben's  prosodischer 

Standpunkt,  welchem  er  in  seiner  Qedichtsammlung  flberall  treu  blieb. 

Aber  in  den  ältesten  Dichtangen  hielt  er  sich  sehr  streng  an  die  Gesetze 

DobroYsky's,  wie  das  neben  den  von  Kräl^^)  angeführten  Gedichten 

besonders  noch  ein  fehlerfreies  kurzes  nnd  offenbar  gleichfalls  ans  der 

ältesten  Periode  stammendes  (der  vollständig  citierte  Yeier]  zeigt,  wel- 

ehes  auch  später  in  der  zweiten  Auflage  unsrer  Gedichtsammlung  unter 

die  sPfsni«  aufgenommen  wurde.    Bei  dem  sonst  so  hohen  poetischen 

Werte  der  meisten  Gedichte  Erben^s  ist  nur  umsomehr  zu  bedauern, 

daß  ihnen  der  Dichter  solch  eine  verfehlte  Prosodie  unter  dem  Einflüsse 

der  von  ihm  gesammelten  Volkslieder  (»Plsnö  närodni  v  Öechächa  .  .  . 

VPraze  1842-1845.   [Druhö  vydänl :  V  Praze  1852-1856.]    »Prosto- 

närodnf  iesk^  pfsn6  a  Hkadlaa  ...  V  Praze  1862-1864)  und  vielleicht 

auch  ein  wenig  infolge  seiner  persönlichen  Beziehungen  zu  den  noch 

M)  Braudl  (20):  *...  [neni]  pot^ebi ...  [n&rodu  nademu  v  jeho  pisnicb],  jako 
i?6domit4mu  6asomörci,  Mi  näsili  6initi,  jej  vede  cit  a  sluch,  kdy  pHzvuku 
a  kdy  ^aBomiry  n&leiitÖ  uiivati  m&.  V  n&rod  se  tedy  pobHiiti  a  od  n^ho,  a 
nikde  jinde,  prav^  prosodii  6e8k6  se  u6iti  jest« ,..  (Dasselbe  »illyrisch« :  Kolo. 
Kojiga  III.  [1843]  102.)  Dazu  bemerkt  ErÄl  (L.f.Bo6.23.  [1896]  13)  mit  Recht 
folgendes:  ». . .  ie  Erben  pHkazoyal  napodobiti  tuto  prosodii  i  v  b&snioh 
nmel^cb,  tomu  ti^eba  se  diviti.  V  p(edmluv6  jeho  »ProstoD&rodnich  ^esk^ch 
pisni  a  Hkadel«  z  r.  1863  . . .  tvrdi  pfece  dobfe,  ie  hlavoi  6&el  bisnika  ni- 
rodniho  jest  jenom  zpiv,  ie  pisn6  proBton&rodDi  povstÄvaji  iasto  die  ndphnt 
ߣ  hotovdhoy  tak  ie  nota  ustanovuje  pof&dek  slov,  forma  Hdkü  i  vede  r^m. 
Kdo  o  vznikini  proBtoDärodnich  pisni  Boudil  tak  sprivuS,  ten  nemSl  pfece 
prosodii  jejich  slov,  odlou6eD^ch  od  n&pivo,  doporniovati  i  pro  bäsnÖ  pouze 
recitovan^.  A  doporu6oval-li  pi^ece,  mh\  dHve  zkoumati,  mÄ-li  nÖjakö  a  jak6 
z&kony.  Ale  toho  ani  Erben  neu^inil,  a  tak  vlastnÖ  doporu6oval  i  sÄm  v  b&- 
snich  svych  provädM  prosodickou  libovul!«. 

»)  L.  f.  Bo6.  21.  (1894)  427:  »Povzbazeni  k  radosti«  (abgedruckt  das 
erste  Mal  1831),  »Touha«  (veröffentlicht  znm  ersten  Mal  1831),  »Bevniv^«  (ge- 
dmekt  das  erste  Mal  1831).  Fehlerlos  ist  merkwürdigerweise  gleichfalls  das 
weit  später  datierte  Gredicht  Erben^s:  »Vditba«  (Österreichisches  Frflhlings- 
Album  1854.  Herausgegeben  von  Heliodor  Truska.  Wien,  XXXIX). 

14* 


2fi2 


Jaroslav  Sntnar, 


lange  Jahre  spiter  dam  Zeitmaße  wohlgeneigten  Palaok^  nnd  ^afalbfk 
aateil  weiden  liefi.  Dort  kann  höehBtene  yielleioht  ein  hesondera  aoa- 
gezeichneter  Vortrag  manehes  retten,  was  jedoch  schon  bei  der  hier  voU- 
itftndig  abgedmckten  Obersetinng  der  Ooethe'schen  Ballade  »Erlkönige 
kanm  gehen,  dflrfte,  da  sich  darin  bekanntlich  das  Metrum  an  vielen  Stel- 
len trotz  des  Vergleiches  mit  dem  Original  gar  nicht  feststellen  läßt  ^). 


Erdl  dnchu. 


w   ^    v^    _ 


vy     — .      v^  w  _    v-/ 

Kf  pozdni  to  jezdec  ||_v6trem  a  tmou? 
Otec  to  s  ditetem,  |  dom^jedon; 

^^  _    W     W v-/  W  ^W     

syni^ka  mil^ho  B  v  nÄni6i  mk 
a  tiskne  a  hf eje  1  a  objimä ! 


"^  _        v^N^^  11     v-y   —    v-/ 


»M6  diti,  ooi  üzkostni  R  tak  se  disi^?«  - 
»>Taä6kX  coi  küle  |?|  dnchl  nevidiS? 
hie  kr^e  se  srsti  ||  a  s  korunoa!««  — 


»M6  diti,  Jen  yodni  ||  to  piry  jsoa.« 


\^  ^ 


W  — 


N-/_ 


V^_ 


--  II  -  - 

-   II  - - 
_w  II  w  _ 

_  II  w- 


W\-/  — 


V>V^» 


'^    — 


s^    — 


»»»Pojd',  diti  mil^,  ||  pojd'  ke  muh  sem! 

Ede  krton^  si  spoln  ||  pohrajem ; 
mk  louka  je  p^kn&,  ||^  kv6tnata, 
a  m&ti  moje  ||  mk  &at  ze  zlata.««« 


10 


—       \j 


s^  — 


v-/  — 


Ww 


-  II 
--1I 
--  II 

-  II  -- 


v^  .    w  . 


—  s.A^  — 


ww  — 


»»Ach  t4to,  tati6kn,  j]_sly&üi-li  nyni, 
jak6  mi  krAl  sliby  1|  ti^n6  6ini?««  — 

w  —    v-/     v^    -^v-/    ^  N-'    y    _ 

»Spokoj  se^^m^  ditÖ,  0  &  b&zne  nech;     15 
snoh^tf  to  listi  ||  &ami  po  sadech.« 


\j^ 


v-/^ 


Ni>W_ 


vy_ 


\y  _» 


--,  II  ^  - 

v^  ^W    11  ^v>^ 


°^  Neben  der  Übersetzung  steht  Vers  fUr  Vers  das  Metrum  des  Originals 
(bezeichnet  nach  Heinrich  Düntzer's  »Erläuterungen  au  den  deutschen 
Klassikern«.  Erste  Abteilung.  [Erläuterungen  zu  Goethes  Werken.]  Goethes 
lyrische  Gedichte  ...  Zweite  neu  bearbeitete  Auflage.  Zweiter  Band.  Leipzig, 
1876,316,317:  mit  Ausnahme  der  Diäresis,  welche  Dttntzer  gar  nicht  er- 
wähnt). Vgl.  auch  Rr&l  (L.  f.  Ro6.  21.  [1894]  428) ! 


ProBodJBohes  und  Hetrisohaa  bei  Karal  Juomir  Erben  eto. 


213 


Vi/  V/     V^^  V-/  ^      Vi/  «_ 

»>»Pojd',  dit^  zUt6,  D  pojd' Jen  se  mnon, 
m6  doerky  ti  pilni  fl  BloiiiitJ>iidoii; 

V-/         __>V./Vi/  —V-/V^^V-'_ 

m^  dcerky,  tty  v  nooi  ||  tance  migi, 
ve  sp&nek  tft  tanci]uio  B  nzpivigi.««« 


20 


v/. 


V-A^  — 


V«K/^ 


v/  —^,11  —  v^>-^ 

s./  .v/    II    v/  _ 


V/  -w 


V/    ^W 


V/    ^  V/WM. 


v^—       v/v/ 


—  v^     II     V^    —  ^^  — 


Vi/       _v/    v/^    v/         zl      V-/V/-y. 

»Ach  tito,  tati6kii,  D  coi  nevidii 

V/  __v/       v/ _  \-/         ^        v/s^     

iieh  deerek  ki&lov^cb||tam  vocly  blü?««  — 

V/ >w/-_.       V/  V/     —Vi/     v/_ 

»Vidim,  Tidim  to,  ü  iii6_diti  mil6: 

v^  ^     v/     v/    v/    ^   v/  v/__ 

vrby  JBon  to  ier6  B  a  vyhnil^.« 


V^—  VA-/  — V/     II      V/    —  V-/V/ 

v/—  v^— w||v/—   v/, 

V/^  W   w            II      ^    -.^^A^. 

v-^—  v/v/  — v./  |9|         —  vX'. 


»^    _     v/     vy 


_    v/ 


•»•Aj  rid  tö  m&m,  (jsi)  ivirn^  ['s],  ||  mosim 

t^nut;  25 

v/  v/    v/ v/  v/     v/  v/  _ 

t  B&m-li  nepiijdei,  fl  ohd  eily  QÜt«««  — 

V/        —  V/     V^—     V/  W     «        V/        V/  — 

»Ach  tito,  tati6kn!  |  jii  po  mn6  sahi, 

%-/      —     v./ v/         _v/  _      v/      _ 

kr&l  duoh&  jü  v  moci  |?|  By6  mne  mi!«« 


w— fwWv/—         II  vA^  — v/s^  — 


v/  —        v/v^  «^  v/    II     H/  — 
w  —       v/v/  —  v/    II    W  — 


v/v/^ 


V/V/  — 


v-^  — 


—  v/    II    v./  —   v/  — 


V/_Vi/V/     _v^v/_v/v/  __ 

I  hrftza  jeBt  otci  fl  a_d&v&  se  y  cval, 

v/ v/v/ __v^         v/^y  _ 

flT6  ^pici  dit^  0  ^  n&ni6i  jal; 

v^v/v/       _v/  v/_v/v/_ 

pHjiidi  do  dvorce  B  v  mysli  trapliv^, 

\J     — .V/  V/— V/       ^  V/Vi/« 

166  diti  ▼  uirtihi  B  jii  —  neiiy«. 


v/—  v/— v/||v/—  VA./  — 

30             V-»—  W    —  V./     II      V/    —  Vi/V/  — 

V/—  v/    —           II      ^    —  vA/  — 

v/—  v/— v/Mv-/—    ^  — 


Die  hier  recht  grell  in  all  ihrer  Verfehltheit  heryortretenden  >Priii- 
eipient  waren  ttbrigena  bekanntlich  keine  Eigentümlichkeit  Brben's, 
denn  ihnen  war  mehr  oder  weniger  zngetan  und  achwankte  soznsagen 
(bei  Abfassung  aooentnierender  Gedichte)  ihr  Leben  lang  in  der  ge^ 
■ebOderten  Weise  zwischen  den  beiden  Prosodien  beinahe  die  gasaze 
Schar  yon  Dichtem,  weiche  sich  auf  dem  iechischen  Parnaß  yon  da- 
mals tummelten  ^^.  Fflr  die  oben  besprochenen  ünregelmftßigkeiten 
der  mit  Präpositionen  yerbundenen  und  der  zusammengesetzten  Wdrter 
ist  weiter  gewiß  nicht  ohne  Bedeutung,  daß  damals  yon  den  Dichtem 
fiwt  allgemein  (wenn  auch  nicht  immer  mit  Olflck)  Philologie  betrieben 
wurde.    Daneben  müssen  in  der  an  allslayischen  Werken  so  reichen 


s^  Diese  Dichter  bespricht  Kril:  L.  f.  Bo6.  21.  (1894)  418—448. 


214  JaroBlav  Sutnar, 

Zeit  Erben's  auch  die  dazumal  in  Böhmen  fleißig  studierten  slavischen 
Schwestersprachen  stark  eingewirkt  haben,  deren  Einfluß  es  nicht  in 
letzter  Reihe  zuzuschreiben  sein  dürfte,  wenn  die  Richtigkeit  der  mit 
andern  slavischen  Sprachen  in  Widerspruch  stehenden  Regeln  DobroT- 
sk^'s  bezweifelt  wurde  ^®}.  Aber  den  allergrößten  Einfluß  flbte  die 
Prosodie  des  all  diese  Bedenken  scheinbar  bestätigenden  Volksliedes 
aus,  welches  damals  nach  Herder's  Vorbild  von  den  besten  Dichtern 
Böhmens  eifrig  gesammelt  ^*)  und  als  einziges  lebendiges  Wort  dieser 
Zeit  in  jeder  Beziehung  nachgeahmt  wurde.  Unter  dem  Dreigestime 
der  zweiten  Dichterschule  (Jan  Eollär,  Frantisek  Ladislav  Öelakov- 
sk^,  EarelJaromlr  Erben)  wirkten  die  angeblich  zum  großen  Teile 
sehr  alten  Volkslieder  mit  ihrer  —  nach  dem  damaligen  Urteil  offenbar 
ursprünglichen  iechischen  —  Prosodie  auch  sehr  stark  —  zum  Unter- 
schiede von  EoUär's  fast  fehlerfreien  Versen  —  auf  Öelakovsky's 
»Ohlas  plsnf  5eskycha  ein,  wo  man  das  jedoch  einigermaßen  entsobnl- 
digen  kann,  da  diese  Gedichte  Celakovsky's  größtenteils  —  als  Lieder 
im  Gegensatz  zu  den  fast  ausschließlich  epischen  Dichtungen  Erben's  — 
für  den  Gesang  nach  Volksliederart  nicht  ungeeignet  waren  ^^). 

^)  Der  6ecbi6chen  Betonung  wendet  sich  zu  vor  allem  Jos.  Tmhlif 's 
Artikel  »0  pHzvuku  vÄbec,  zvliSt'o  fceskdm«  (Ö.M.k.Ö.,  1872,  402—422)  — 
neben  den  bereits  genannten  Arbeiten  von  Gebauer  und  Er&l.  Der  slavischen 
Betonung  ist  namentlich  das  Werk  Roman  Brandts:  »Naiertanie  slavjan- 
skoj  akcentologü« . . .  (Sanktpeterburg  1880.  [Izvle6eno  iz  V  toma  IzvÖstij 
Istoriko-filologiieskago  Instituta  knjazja  Bezborodko  v  N^in^])  gewidmet: 
überdies  der  schon  erwähnte  Aufsatz  von  Jokl.  —  Die  dreisilbigen  und  noch 
mehr  die  viersilbigen  Wörter  (mit  Betonung  auf  der  vorletzten  Silbe)  am 
Schlüsse  der  einzelnen  H&lften  daktylisch-trochäischer  Verse  scheinen  ge- 
wissermaßen polnischen  Einfluß  zu  verraten,  sowie  die  vielen  Unregelmäßig- 
keiten der  damaligen  6echischen  Verse  überhaupt  stark  an  die  regelrechte 
Anarchie  der  polnischen  Verskunst  erinnem.  (S.  Antoni  Malecki's  »Gra- 
matyka  JQzyka  polskiego  wi^ksza«.  [Lwöw,  1863,  406 — 425]!)  Interessant  ist 
in  dieser  Hinsicht  weiter  eine  Verglelchung  des  Originals  Poklad  mit  der  pol- 
nischen Obersetzung  desselben  Gedichtes  von  Adam  RolciszewskizRo6- 
ciszewa  (:  »Skarb  zaczarowany«  ...  WPradze  ...  1853]  und  der  »illyrischen« 
von  Stanko  Vraz  (:  »Blago« ...  [D61a.  6etvrti  dio.  (Razlike  pjesme.  Prevodi.) 
ÜZagrebu,  1868,21—41]). 

^)  Bezüglich  dieser  Volksliedersammlungen  s.  Öendk  Zibrt's  Werk: 
»Bibliografick/  pi'ehled  ^esk^ch  närodnich  pisni« ...  (V  Praze  1895.  [Sbirka 
pramentiv  ku  poznÄni  literämiho  iivota  v  Gech4ch,  na  Morav6  a  v  Slezsku. 
Vydivi  III.  tHda  Öesk^  Akademie  cisai'e  Franti&ka  Josefa  pro  vödy,  sloves- 
nost  a  um^ni  V  Praze.  Skupina  tireti.  Präce  bibliografick6.  Cislo  1.])! 

eo)  Kril  (L.  f.  Ro6.  21.  [1694]  425—427):  Auch  die  Verse  der  Volkslieder 


ProBodisches  nnd  MetriBches  bei  Earel  Jaromir  Erben  etc.         215 

Hinsichtlich  der  Herkunft  des  MetrnmB  in  nnserm  schon  nm  das 
Jahr  1838  begonnenen  nnd  spftter  stark  umgearbeiteten  Gedichte  <^^) 
sagte  sehon  Solo  in  seiner  Abhandlang  (180-181),  ein  ähnlicher  Vers 
mit  vier  Takten  nnd  freier  Anzahl  tonloser  Silben  nnd  mit  anapästischem 
Rhythmus  —  im  Gegensatz  zu  dem  daktylischen  im  Z^orovo  lo2e  — 
komme  regelmäßig  in  den  unter  dem  Namen  der  Bylinen  bekannten  Hel- 
dengesängen  der  Russen  vor,  welche  bekanntlich  Celakovsk^  in  einigen 
Stücken  seines  berühmten  »Ohlas  pfsnf  rnsk^chcr  (1829)  nachahmte <^^] . 
Diese  Hypothese  von  der  Einwirkung  des  Metrums  der  Bylinen  auf 
unaer  Versmaß  wäre  ganz  annehmbar  nmsomehr,  als  es  bekannt  ist,  daß 
Erben  schon  als  Student  Celakovsky's  »Slovansk^  närodni  pfsnöc  und 
»Ohlas  pfsni  mskychcr  sehr  eifrig  las  <^').  Jedoch  Aber  solch  ein  aus- 
schließliches Bylinen-Yersmaß  ist  in  den  altem  und  auch  in  den  neuesten 
diesbezttglichen  russischen  Arbeiten  nirgend  etwas  Befriedigendes  zu 
finden  ^),  wenn  man  auch  anderseits  zugeben  möchte,  daß  eine  Anzahl 


bekommen  einen  strengen  Rhythmus  häufig  erst  dnrcli  die  Melodie,  da  der  Text 
allein  wegen  seiner  nachlässigen  Prosodie  oft  entweder  keinen  oder  einen 
sehr  unvoUkommenen  Rhythmus  besitzt.  Über  die  Prosodie  des  ^echischen 
Volksliedes  s.  0.  Hostinsk^'s  »0  naäi  svötsk^  pisni  lidov^«  (Öesk^  lid.  I. 
.    [1892]  365--368)! 

01]  Brandl  (15).  Die  erste  Fassung  ist  nicht  mehr  aufzutreiben. 

^  Den  Einfluß  der  —  in  Böhmen  schon  durch  eine  Übersetzung  Öela- 
kovsk^'s  (Slovansk^  nÄrodni  pisnd.  V  Praze  1822, 1 1)  und  später  durch  vier 
Übersetzungen  Jaroslav  Längeres  (»Staroiitn^  b&snd  ruskö«.  [Öasopis  Öesk^ho 
Museum,  1834,  138 — 154,  373—393)  bekannt  gewordenen  —  Bylinen  aus  der 
Sammlung  Eiria  Danilov's  auf  einen  Teil  von  Celakovsk^'s  »Ohlas  pis.  ms.« 
behandelt  hauptsächlich  J.  MachaFs:  »F.  L.  Oelakovsk^ho  Ohlas  pisni  rus- 
k^ch.  Eritick^  rozbor  vzhledem  k  n&rodni  poesii  rusk6«.  (V  Praze,  1899,  6 — 
15.  [Otisk  z  Listn  filologick]^ch.]) 

«>)  Brandl  (10).  Bei  dieser  Hypothese  läge  auch  die  Vermutung  nahe,  daß 
Erben  im  Metrum  der  —  für  so  altertümlich  gehaltenen  — -  Bylinen  ein  ursla- 
visches  episches  Metrum  erblickt  haben  mochte,  indem  er  bei  seiner  Kenntnis 
des  Russischen  nnd  bei  seinem  regen  Verkehr  besonders  mit  russischen  Ge- 
lehrten (Brandl  [21, 22  u.s.w.])  wahrscheiolich  auch  eine  Kenntnis  oder  Ahnung 
von  der  urslavlschen  Betonung  im  Russischen  hatte. 

M)  Vgl.  hauptsächlich:  Aleksandr  Fedorovi6  Gil'ferding  (»Oneiskija 
byliny,  zapisannyja  . . .  l^tom  1871  goda«.  Izdanie  vtoroe.  Tom  pervyj . . . 
Sanktp^erburg,  1894,  41  ff.  [Sbomik  Otd6lenija  (Russkago  jazyka  i  sloves- 
nosti  Imperatorskoj  Akademli  Nauk.  Tom  pja^desjat'  devjatyj])  und  auch 
F.  Kord  (»0  russkom  narodnom  stichosloienii«.  [Izv^stija  OtdÖlenija  Rus- 
skago jazyka  i  slovesnosti  Imperatorskoj  Akademii  Nauk.  Tom.  L  (1896)  1 — 


216  JaroBky  Satnar, 

von  Venen  in  den  bylinenartigen  Gedichten  Öelakovsk^s  gleiohfalls 
daktylisch-trocliäiBch  mit  nnd  ohne  Auftakt  gelesen  werden  kann  ^). 
Erfolglos  würde  man  sieh  aneh  bemühen,  dieses  Versmaß  mit  Sicherheit 


45  (I.  Byliny.)  Tom.  H.  (1897)  429—500,  501*— 504*  (Priloienie)]).  —  Etwas 
Ähnliches  sagt  nur  Frant.  Vymasal  in  der  von  ihm  zusammengestellten  nnd 
mit  litterarischen  Einleitungen  versehenen  »81ovansk&  poesie.  V^bor  b  ni- 
rodniho  a  nmilöho  b&sniotva  slovansk^ho  v  ^esk^ch  pi^kladech« . . .  (L  sva- 
zek.  [Bnski  poesie.)  VBmt,  1874,  X),  womach  man  in  Jedem  einigermaßen 
ausgearbeiteten  Vers  der  russischen  epischen  Lieder  —  trotz  ihres  sonst  sehr 
freien  Metrums  —  einer  >GSsur«  mitten  im  Vers  und  somit  zwei  symmetrischen 
VershSlften  begegnet  (mit  der  ziemlich  seltenen  regelmäßigen  Versform: 
^  v/  vi/  w  >!/  II  w  V-;  v^  v^  0/).  Auf  Vymazal  wird  sehr  stark  eingewirkt  haben 
W.  Bistrom  (»Das  russische  Volksepos«.  Erster  Artikel.  [Zeitschrift  fUr 
Völkerpsychologie  und  Sprachwissenschaft.  Fünfter  Band  (1868)  180—205]), 
nach  dem  das  Metrum:  —  ~~"^|i  —  —  —  -^  (mit  je  einem  Hauptaccent  auf 
der  dritten  und  der  achten  Silbe,  mit  je  einem  Nebenaccent  auf  der  fünften 
tmd  der  zehnten  Silbe)  als  die  Grundform  des  Verses  im  russischen  Volks- 
epos (185)  anzusehen  sein  durfte  (mit  vielen  angeblich  leicht  zu  hebenden 
Ausnahmen  [186]). 

V)  Wir  haben  vielmehr  den  Eindruck  gewonnen,  daß  die  ^echischen 
Übersetzer  Öelakovsk^  und  Langer  in  den  Bylinen  kaum  ein  Versmaß  er- 
blickten und  nur  mehr  oder  weniger  Wort  für  Wort  Übersetzten.  (Den  fünf- 
füßigen Trochäus  in  seiner  einzigen  Bylinen-Übersetzung  wählte  Öelakovsk^ 
offenbar  willkürlich.)  Folglich  kann  auch  in  den  die  Bylinen  nachahmenden 
Gedichten  des  »Ohlas  pis.  rus.«  kein  Metrum  nachgeahmt  worden  sein,  da 
selbst  der  Herausgeber  der  —  erst  1818  vollständig  erschienenen  —  ersten 
Bylinen-Sammlung  Eir&a  Danilov^s  (»Drevnija  rossüskija  stichotvorenija«. 
Isdanie  trete ...  Moskva,  1878,  XVI— XVII)  K.Ealajdovi6  über  das  Metrum 
nichts  Bestimmtes  zu  sagen  wußte.  (Mit  dem  den  russisehen  Volksliedem 
entlehnten  Metrum  dürfte  Öelakovsk;^  in  der  Vorrede  zum  »Ohlas  pis.  rus.« 
die  Nicht-Bylinen  gemeint  haben  und  in  Bezug  auf  die  bylinenartigen  Ge- 
dichte offenbar  nur  ihre  Begellosigkeit  nachgeahmt  haben.)  Über  das  Versmaß 
des  bylinenartigen  Teiles  des  »Ohlas«  ist  unsers  Wissens  bisjetzt  nichts  Ein- 
gehenderes gesagt  worden,  obwohl  besonders  M&chal  bei  seiner — schon  in  dem 
Aufsatz:  »Üvod  ve  Studium  rusk^ch  bylin«.  (Ötvrti  v^o6ni  zpr&va  eis.  kril. 
vy&äiho  gymnasia  v  iita^  uUci  v  Praze  za  ikolni  rok  1891,  3 — 33)  glänzend 
bewiesenen  —  Kenntnis  der  Bylinen  sich  später  nicht  bloß  mit  einigen  myste- 
riösen Worten  (8)  hinsichtlich  des  metrischen  Verhältnisses  des  »Ohlas«  zu 
den  Bylmen  hätte  begnügen  soUen.  Bei  Kril  (L.  f.  Bo6.  21.  [1894]  438—439) 
werden  ganz  arrhythmisch  genannt  unter  anderm  die  bylinenartigen  Gedichte 
Celakovsk^'s  und  die  Bylinen-Obersetznngen  Längeres,  deren  Autoren  über- 
haupt kein  Metrum  angestrebt  und  nur  Prosa  in  Zeilen  abgeteUt  haben 
dürften. 


Pro8o^ch6B  und  MetrisohM  bei  Ksrel  Jaromir  Erben  etc.         217 

SU  finden  entweder  in  den  altSeeUsehen  Dichtungen  (Legenden  n.8.w.) 
oder  in  der  OrOnberger  oder  der  KOniginhofer  Handschrift  n.  s.'w.  oder 
in  den  epischen  Volkaliedem  oder  endlich  in  den  Gtodichten  der  Zeitg^ 
noBsenechaft  Erben's,  soweit  natürlich  dnreh  dieselben  anf  unsem 
Dichter  dn  Einfloß  hierin  ansgeübt  werden  konnte  ^).  Dagegen  näher 
liegt  wohl  der  Oedanke  an  die  Balladen  Goethe's  ^^,  welcher  Oberhaupt 
die  Dichter  der  zweiten  Litteraturperiode  und  besonders  auch  den 
BalUdendichter  Erben  sehr  stark  beeinflußtCi  so  daß  dieser  bekanntlich 
unter  anderm  den  9  Erlkönig«  übersetzte  **).    Mitgewirkt  haben  konnte 


W)  Auch  in  den  in  der  Museal-Bibliothek  des  Königreiches  Böhmen  be- 
findlichen Briefen  Erben^s  an  Eybi6ka  und  Boitlapil  geschieht  von  die- 
sem Metrum  keine  Erwähnung.  —  Mit  der  metrischen  Ähnlichkeit  einiger  Ge- 
dichte der  KOniginhofer  Handschrift  mit  den  Bylinen  beschäftigt  sich  auch 
das  Buch:  »Gedichte  aus  Böhmens  Vorzeit  verdeutscht  von  Joseph  Mathias 
Grafen  von  Thun.  Mit  einer  Einleitung  von  P.  J.  dafaMk  und  Anmerkungen 
Yon  F.  Palacky«.  (Prag,  1845,  30,  31,  33,  34.)  (Über  die  Metren  der  in  der 
KOniginhofer  und  Grttnberger  Handschrift  enthaltenen  Dichtungen  s.  Kril 
[L.  f.  B06.  20.  (1893)  430—433]!) 

ST)  unter  den  Balladen  Goethe's  mit  yierfttßigen  jambisch-anapSstischen 
Versen  wollen  wir  nur  noch  diejenigen  nennen,  wo  diese  Verse  regelmäßiger 
▼oikommen  in  der  beliebten  Form  '-^-^w-v^||w-v^v^-(v^):  > Hochzeit^ 
lied«,  »Der  getreue  Eckart«,  »Der  Todtentanz«,  »Der  Gk>tt  und  die  Bi^adere«, 
»Ballade».  Solche  Verse  Öfters  schon  bei  Bürger.  Sigmar  Mehring  nennt  in 
seiner  »Deutschen  Verslehre«  (Leipzig  [1891]  30,  31,47,  102—104,  118,  119 
[Üniyersal-Bibliothek  2851—2853])  diesen  Vers  einen  amphibrachischen,  wo- 
gegen Westphal  (214,  217,  218)  die  Möglichkeit  amphibrachischer  Versfüße 
mit  Becht  entschieden  bestreitet  und  die  Verse  nach  Anapästen  abgeteilt 
haben  will. 

^  Über  den  Einfluß  Goethe's  auf  die  Dichter  der  zweiten  Schule  han- 
delt unter  anderm  Amo&t  V.  Kraus  (»Goethe  a  Öechy« . . .  [V  Praze,  1896, 
namentlich  57—60, 160—169, 185)  und  Matthias  Murko  (»Deutsche  Einflüsse 
anf  die  Anfänge  der  böhmischen  Romantik« . . .  [Graz,  1897,  hauptsächlich 
82—88,  199—201,  246—248,  316—320]  [Deutsche  Einflüsse  auf  die  Anfänge 
der  slavischen  Bomantik.  I.]).  S.  bei  dieser  Gelegenheit  auch  unsem  Artikel 
•Karel  Jaromir  Erben«  (Bozhledy,  1901, 414—416),  unsre  Abhandlung  »K  p»- 
desit^mu  T^oii  prv^ho  yydini  Erbenovy  »Kytice««  (ö.  M.  k.  Ö.,  1903,  115— 
126,  348—361)  und  das  »Vorwort«  in  unsrer  kritischen  Ausgabe  Erben's  (XVII 
-LIX)! 

Das  Versmaß  des  »Erlkönigs«  behielt  Erben  in  seiner  Übersetzung 
nicht  vollständig  bei  und  ahmte  nur  den  jambisch-anapästischen  Haupt- 
charakter desselben  nach:  Bei  Erben  kommt  der  Anapäst  weit  Öfter  vor  (rein 
jambisch  kein  einziger  Vers,  bei  Goethe  2),  bestimmt  jedoch  fast  nur  im  zwei* 


218  Jaroslav  Satnar, 

bei  Erben  natürlich,  wofern  er  eine  Ahnung  von  dem  ursprüng- 
lichen Sechischen  Verse  hatte,  der  nach  Julius  Feifalik  gleich  jenem 
andrer  Nationen  accentuierend  gewesen  sein  und  in  der  Regel  vier 
Hebungen  mit  freier  Anzahl  von  Senkungen  besessen  haben  dürfte  ^^]. 


ten  Versfüße  (um  19  Fälle  mehr  als  im  Original),  wogegen  im  ersten  Fuße  im 
Gegensatz  zu  den  3  FäUen  im  Original  kein  Anapäst  steht;  auch  schließt  die 
erste  Vershälfte  niemals  bestimmt  mit  der  Hebung  des  zweiten  Fußes  (bei  Goethe 
8  mal)  und  die  zweite  fängt  dann  niemals  mit  Doppelsenkung  des  dritten  Fußes 
an  (auch  bei  Goethe  nur  1  mal),  aber  dagegen  schließt  die  erste  Vershälfte  ab- 
weichend vom  Original  2  mal  mit  Doppelsenkung  des  dritten  Fußes  (und  die 
zweite  fängt  dann  natürlich  nur  mit  Hebung  desselben  Fußes  an) ;  die  regelrechte 
Diäresis  versagt  im  Original  und  auch  in  der  Übersetzung  bei  2  verschiedenen 
Versen  (Vers  25  in  der  Übersetzung  ist  dem  Originalvers:  »Ich  liebe  dich,  mich 
reizt  deine  schOne  Gestalt«  nachgebildet,  wo  man  jedoch  wahrscheinlich  »lieb'« 
zu  lesen  hat  [s.  Düntzer  (316)!];  in  der  Übersetzung  sollte  demnach  der  Vers 
ungefähr:  »Aj  räd  td  mäm,  sväm^'s,  musim  tö  mit«  lauten).  —  Von  den  ün- 

regelmäßigkeiten  seien  nur  die  tonlosen  Präpositionen  (se  srsti  7,  se  mnou — 

budou  17,  18,  ve  spanek  20,  do  dvorce  31)  und  die  Zusammensetzungen  mit 

tonloser  erster  Silbe  (spokoj  se  15,  nepujdeS  [DoppelzuBammensetzung]  26, 

mit-uzit  25,  26,  pHjiidi  31,  v  naraöi  32)  in  den  Versen  mit  sicherm  Metrum 
genannt!  (Vgl.  auch  bezüglich  der  Varianten  zum  Eräl  duchu  unsre  Ausgabe 
Erben's  [148—150]!) 

^  Der  Gedanke  Feifalik's  in  der  Schrift:  »Über  die  Eöniginhofer  Hand- 
schrift« (Wien,  MDGCCLX,  64)  wird  eingehender  begründet  in  Hermann 
Us  euer 's  Buche:  »Altgriechischer  Versbau.  Ein  Versuch  vergleichender 
Metrik«  (Bonn,  1887,  69,  70).  (Vgl.  über  beide  Autoren  Er&l  [L.  f.  Bo6.  14. 
(1887)  131  und  Ro6.  20.  (1893)  55,58];  über  die  Möglichkeit  der  gänzlichen 
Unterdrückung  der  Senkungen  im  öechischen  Volksliede  s.  neben  Usener  [69, 
70]  auch  die  Bemerkung  V.  £.  Mourek's  in  dessen  Publikation:  »Tandarius 
a  Floribella.  SkUdäni  staro£esk6  s  nSmeck^  Pleierov;^m  [srovnÄno]«. . . 
[V  Praze,  1887, 101.  (PojednÄnik.  6esk6  spole^nosti  nauk.  —  Vn.  fada,  l.[Bva- 
zek.)  (Filosoficko-historickÄ  tHda,  6i8lo  6.)],  hinsichtlich  der  6echischen 
Sprüche  vgl.  äolc  [180]!)  Unter  dem  Einflüsse  der  Bebauptong  Feifalik's  er- 
blickt nun^olc  (183)  unter  anderm  im  Verse  des  ZÄhofovo  loie  den  Ursprünge 
Uchen  epischen  Vers  der  Cechen,  worauf  in  der  »Mala  Slovesnost,  kterou . . 

5ro  vy&&i  tHdy  i^kol  stiFednich  sestavili  Fr.  Bartos,  Fr.  Bil^  a  Leander 
loch«  (Sedm6  vydäni . .  .  V  BmÖ,  1899,  298)  derselbe  Vers  mit  Bezeichnung 
des  Metrums  nach  der  Solc'schen  Theorie  schon  als  Beispiel  des  ursprüng- 
lichen 6echischen  Verses  angeführt  wird.  (S.  dasselbe  bei  ErU  [L.  f.  Bo6.  23. 
(1896)  426,  427]  schon  bezüglich  der  fünften  Auflage  dieses  Buches  aus  dem 
Jahre  1895!)  —  Interessant  ist  in  dieser  Hinsicht  auch  das  »deutsche  Vers- 
maß« (mit  meist  vier  Hebungen)  in  Schi  11  er 's  »Taucher«  (so  nachMehring 


ProsodischeB  und  Metrisches  bei  Earel  Jaromir  Erben  etc.         219 

Außerdem  war  unserm  Dichter  wohl  auch  Dobrovsk^^s  Anempfehlnng 
der  möglicherweise  mit  Daktylen  gemischten  Trochäen  bekannt  7<^),  aber 
die  Hanptanregung  dürfte  doch  von  den  Balladen  Goethe's  ausgegangen 
sein,  unter  denen  schon  das  Versmaß  im  »Erlkönige  als  Grandlage  für 
nnser  Metrum  dienen  konnte  ^i). 

Anhang. 

Um  fflr  die  Bekräftigung  unsrer  metrischen  Angaben  noch  ein 
übriges  zu  tun,  wollen  wir  hier  schließlich  eine  Beihe  von  Versen  an- 
führen, zu  deren  prosodisohen  Unregelmäßigkeiten  (in  der  letzten  Fas- 
sung] fehlerfreie  Varianten  (in  einer  frühem  Bearbeitung)  vorliegen 
[vgl.  unsre  Ausgabe  Erben's) : 


[135—138]),  angeblich  nur  nach  Hebungen  gemessen  und  mit  freiem  Spielraum 
für  Senkungen  (bald  mit  ansteigendem  und  bald  mit  absteigendem  Bhythmus), 
was  jedoch  Düntzer  (in  den  »Erläuterungen  z.  d.  deutsch.  Elass.«  Dritte  Ab- 
teilung. [Erläuterungen  zu  Schillers  Werken.]  12.  u.  13.  Lieferung  [Die  lyri- 
schen Gedichte].  Wenigen- Jena,  1865, 121 — 122)  bei  diesen  nach  seiner  An- 
sicht jambischen  Versen  mit  manchen  metrischen  Härten  und  mit  freiestem 
Gebrauch  der  Anapäste  entschieden  in  Abrede  stellt.  (Nach  Eduard  Belling 
[»Die  Metrik  Schillers«.  Breslau,  1883, 111]  begegnen  wir  darin  jambisch-ana- 
pästisehen  Versen  stellenweise  mit  Hebung  gleich  im  Anfang.) 

70)  Dobrovsk^:  »A.  Lehrgebäude  d.  b.  S.« . . .  (13).  (Vgl.  Pelzel,  2.  Aufl. 
[213]  und  Eräl  [L.  f.  Ro6.  20.  (1893)  195]  über  die  1.  Aufl.  desselben  Buches! 
S.  vielleicht  auch  Erben  [»Pisnö  nir.  v  Öech.«  (Sv.  IE.  267)]!) 

7^  Einen  Anstrich  von  Altertümlichkeit  hat  dem  Zähotovo  loie  wahr- 
scheinlich die  Senkung  verleihen  sollen,  die  im  Versanfang  und  nach  der  Diä- 
resis bald  stehen  und  bald  wegbleiben  konnte,  so  daß  daraus  Verse  mit  dak- 
tylisch-trochäisohefii  Rhythmus  und  mit  oder  ohne  Auftakt  entstanden  sind: 
Bezüglich  dieses  wechselnden  Rhythmus  ist  auch  unter  den  Balladen  Goethe's 
»Der  Gott  und  die  Biy ädere«  zu  vergleichen,  wo  die  Verse  42—44  Daktylo- 
Trochäen  sind  im  Gegensatz  zu  den  übrigen  korrespondierenden  Versen  mit 
jambisch-anapästischem  Rhythmus  [vgl.  Mehring  [119]).  (Über  Erben  s.  noch 
Eotsmich  [17, 18],  Er&l  [L.f.Ro6.  21.  (1894)  424.  Ro6.  23.  (1896)  12, 13,  30,  391] 
unddujan[30]!) 

Zum  Schlüsse  dieser  Abhandlung  können  wir  nicht  umhin,  unsem  besten 
Dank  allen  denen  zu  sagen,  die  uns  in  irgend  einer  Weise  bei  dieser  Arbeit 
unterstützt  haben,  namentlich  jedoch  Herrn  Professor  Er&l  in  Prag,  welcher 
seinerzeit  (vor  etwa  vier  Jahren)  nicht  die  keineswegs  geringe  Itf übe  gescheut 
hat,  den  Aufsatz  im  Itfanuskript  durchzulesen. 


220  JaroBlftv  Saütar,  ProsodisohM  und  Metrisohes  bei  Karel  Jaroioir  Erben. 


In  letzter  Fftssnng. 


Pok.  jinde  fttisti  0v6  ponesu 

^  — ^ 
vchodn  jii  nalezti  neni 

ÜBt  k  dsmicha  nerozhf  älo 

a  jüi  Bk&ly  t&  dos&hla 

Pol.  i  bodeji  t6  Brfieä  Bim 


a  hie,  ta  kdoB  n  Bvdtnice 


In  früherer  Bearbeitong. 


Troohüen. 


1248 


n39 


11150 


IV  19 


14 


19 


blas  —  vichHce  podoba 


24 


ta  BI76 :  jedna  —  dnih&  —  tf eti      41 


A.B.  vidycky  xsmh  Hkala 
m4  zlatÄ  mati&ka 


1 


zde  8v6  iiU^Bti  neponesn 
▼choda  neni  k  nalezeni 
V  ÜBmöeh  Jg^t  nerozhf  ilo 
a  Jii  Bk&ly  podoB&hla 
i  ^^  do  tö  sr&eü  B&m 

^^^^'^^-kdoBinaednice 

aj!  tu  kdosi    „  o«a*«s-« 
ejhle  tu  kdoB  ^  *^**"«^ 

iPeÖ  se  yichru  podob& 

y  tom  tu  jedna  —  druhÄ  —  ti^eti 


iasto  nme,  co  diti, 
tiMvala  miti 
Jamben. 


v-/ 


a  odBtrft  tarn  tu  zÄvoru 

»  otS  «^^^  ^^"°^"* 
ie  na  Boha  jbI  myslila 

y&ak  ale  radu,  radu  m&m 

tak  pireb^ani  moje  na  bvM 

by  zaplatOo  Btai^  dluh 

yy.  jeito  znajic  otefty  slaynö  biny 

a  perly  tdik6  o6ka  ztiiily 

Freilich  stehen  auch  anderseits  den  fehlerfreien  Versen  der  letzten  Fas- 
sung die  verfehlten  Varianten  einer  frflhem  Bearbeitung  (in  noch  viel 
zahlreichem  Fällen)  gegenüber.  Wien,  im  Sommer  1905. 


8.  k.  odBtr6  mi  tam  tu  zivoru 


otevH  mi  bvou  komoru 


na  boha  ie  jsi  myslila 
2.  k.  ale  vSak  radu,  radu  mim 
L.      00  y  poli  rosa,  co  na  f  ece  d^ 
V6&t  aby  zaplatil  star^  dluh 


245 

259 

299 

n31 

54 

46 


yy,  kdo  zni^ice  otc&  slavnö  ciny   197 


w  _  w 
S.  1.   perli6ky  jemu  o6ka  stüily 


14 


221 


Beziehimgeii   der   ukrainischen  Mstorisehen  Lieder 
resp.  »Dnmen«  zmn  sUdslayischen  Yolksepos. 

Bemerkimgen  und ZoBätze  zuH.  n.  A&niKeBH^'B  »HIcroilro  cjrixoFL  o6meHiii 
»acHOÜ  PycH  cb  lorociaBHHaicH  bi  jnrroBCKO-noi&CKifi  nepioA'B  ex  HCTopin,  uexxj 
spo^  —  BXffyifaz'&c  in  »HsiSopHHKik  KieBCKiu  nocBJimeHHul  T.^-^^opsH- 
CKOMy«,  pp.  119 — 137.  KieB'b  1906. 


Die  eben  angefahrte  Frage  interessierte  mich  noch  ror  dem  Er- 
seheinen der  Bemerkungen  des  H:  Prof.  Da^skeviS  und  derselben  hatte 
ich  aaeh  einen  An&atz  gewidmet.  Wenn  ich  trotzdem  meine  ehemaligen 
Bemerkungen  nicht  fallen  lasse,  so  tue  ich  es  aus  dem  Qmnde,  weil  die-  ^ 
selben  nicht  im  Einklänge  stehen  mit  denjenigen  des  geehrten  Professors. 
Es  soll  mir  zunächst  erlaubt  werden,  auf  die  Art  und  Weise  seiner  Behand- 
lung näher  einzugehen,  weil  von  derselben  auch  die  Lösung  der  Frage 
nicht  wenig  beeinflußt  wurde. 

Die  Arbeit  des  Prof.  Daskevii  besteht  aus  zwei  Teilen.  Im  ersten 
Teile  sind  die  historischen  Nachrichten  angegeben  über  den  Verkehr  der 
Ukraina  (nebst  Polen)  mit  den  Südslayen:  Bulgaren  und  Serbo-Eroaten. 
Der  Yerfasser  fUirt  diesen  Yerkehr  schon  auf  die  älteren  Zeiten  zurflck 
und  flir  den  Zeilpunkt,  wo  die  Sfldslaven  nach  Ukraina  öfters  herbei- 
zuströmen begannen,  betrachtet  er  das  16.  Jh.  (p.  124).  Dabei  beruft  er 
sieh  auf  die  Arbeiten  anderer  Oelehrten,  wie  üeTpoB'L  (»HcTopH^eciciH 
BSTÄBXh  Ha  BaaHMHUA  OTHomemfl  Mex^y  oeptfaMH  h  pjcckemh  b^  o<$pa- 
soBamH  H  JDrrepaTypi«.  P%qi>.  Kien^.  1876),  —  GotfojieBCKiH 
(»lOxHOCjaBHHCKoe  BjdAHie  na  pyccKyio  nncBMeHHocTL  b%  XIV — XV. 
BiKarB.«  Pi^L.  Gn6.  1894),  —  II.  A.  KyjiaKOBCKiH  (»Ha^aio 
pycoKOH  mROAi  y  cep6oB^<  Ssb^ct.  ot^.  p.  h3.  h  ojcob.'  Hiin.  Aks^. 
HayiTB.  1903  n.).  Wegen  der  vollständigen  Quellenangabe  wäre  es 
wflnsohenswert  auch  die  letzt  erschienene  Arbeit  von  Petroy  zu  nennen 
u.  d.  T.  »BocnHTaHHHRH  KieBCKOH  AKi^eiiiH  h3'£  CepÖOBi»«  u.  s.  w.  in 
»HaBicTifl  BT.  OTA.  1904,  IV. 

Wir  mflssen  dem  Verfasser  dankbar  sein,  daß  er  möglichst  alle 
Nachrichten  ttber  die  Ankunft  der  s.  g.  Hajduken  nach  ukraina  und 
Polen  gesammelt  hatte  (pp.  124 — 127).  Es  muß  aber  bemerkt  werden, 


222  Michajlo  Tersakoveö, 

daß  dieselben  znr  Beweiskraft  des  Aufsatzes  nichts  Wesentliches  bei- 
tragen. Einige  Sporen,  die  die  Hajdoken  im  Leben  des  nkrainischen 
Baners  gelassen  haben,  wie  z.  B.  der  Name  eines  Tanzes  (raH^yK),  sind 
alleinstehend  und  unbedeutend  und  daraus  allein  läßt  sich  noch  nicht  auf 
den  Anteil  der  Hajduken  selbst  bei  der  Schaffung  der  Dumen  schließen. 

Man  kann  auch  der  Meinung  des  Verfassers  nicht  beistimmen,  wenn 
er  (p.  127)  die  Namen  der  Dörfer  >Cep6n<  und  >Cep6HHiBKa«  in  Zu- 
sammenhang bringt  mit  einer  Nachricht  aus  dem  J.  1617,  nämlich  mit 
der  Anwesenheit  der  Serben  auf  den  Landgütern  des  Fürsten  Janus 
Ostrogski.  Einer  solchen  Behauptung  geht  jede  Beweiskraft  ab  und  es 
wäre  weniger  gewagt  und  dabei  offenbar  allein  richtig,  derartige  Fälle  im 
Zusammenhange  mit  einer  anderen  allgemeineren  und  daher  sichereren  Tat- 
sache zu  erklären  und  zwar  mit  Hilfe  des  Anteiles  der  Südslaven  an  der 
Bildung  des  Eosakentums  des  16.  u.  17.  Jh.  Dieser  Anteil  wird  auch  von 
dem  Verfasser  nicht  verkannt,  aber  er  verdient  mehr  hervorgehoben  zu 
werden,  um  so  mehr,  als  er  ftir  die  Theorie  des  Verfassers  sehr  zutreffend 
wäre.  Die  unbeschränkte  Freiheit  des  Eosakentums  wie  auch  die  Tat- 
sache, daß  es  den  christlich-orthodoxen  Glauben  gegen  die  »verfluchten 
Bissurmenen«mit  Erfolg  zu  verteidigen  wußte,  übten  einen  anziehenden 
Einfluß  auf  die  Südslaven  aus,  welche  zu  Hause  unter  dem  politischen 
und  religiösen  Joch  der  Osmanen  stöhnten.  Ihre  Anwesenheit  in  den 
Eosakenregimentern  kann  man  schon  für  den  Anfang  des  17.,  ja  sogar 
für  das  Ende  des  16.  Jh.  vermuten,  denn  in  dem  Augenblicke  des  höchsten 
Aufschwunges  des  Eosakentums,  nämlich  in  den  Zeiten  des  Hetman 
Bohdan  Chmelnickyj  begegnen  wir  schon  vielen  südslavischen  Namen 
in  den  kosakisehen  Reihen,  wie  es  aus  den  »PeecTpa  seero  soäcKa 
sanoposcKaro  nocji^  36opoBCKaro  AoroBopa  cb  KopojeH'B  nojbCKHiTB 
Hhomi  Ea3HMHpoM'£,  cocTaB.ieHHue  1649  ro^a,  0KTfl6pH  16  ahh,  hs- 
;i;aHHMe  no  noAJHHHHKy  0.  M.  Boahhckhm'b  <  (^TeniÄ  b-b  ÜMoepaTop- 
CKoiirB  06n^ecTBi  ncTopiH  h  ApoBHOCTen  pocciHCKHX'B  npH  mocrob. 
yHHBepc.  1874,  No.  2,  I— XXXIV,  1—214.  —  No.  3,  215—337)  und 
anderen  zufälligen  Nachrichten  aus  dem  1 7.  u.  18.  Jh.  zu  entnehmen  ist. 

Was  den  zweiten  Teil  der  Abhandlung  anbelangt,  welcher  die  gegen- 
«eitigen  Beziehungen  der  ukrainischen  und  südslavischen  Epen  behandeln 
sollte,  so  scheint  der  Verfasser  anfangs  die  Absicht  gehabt  zu  haben, 
denselben  nur  als  eine  anspruchslose  Illustration  an  die  Ausführungen 
des  ersten  Teiles  anzureihen.  Man  gewinnt  wenigstens  einen  solchen 
Eindruck  dadurch,  daß  der  Verfasser  sich  mit  der  in  Rede  stehenden 


Beziehungen  der  akr&iniflchen  histor.  Lieder  zun  Büdslav.  VolkBepoB.    223 

Frage  nur  kurz  besehäftigt  (pp.  122 — 123)  und  in  der  weiteren  Folge 
ipdedenun  die  Anfz&hlnng  der  historischen  Tatsachen  fortsetzt.  Die 
letzteren  schienen  fttr  ihn  von  einer  so  großen  Bedentong  zu  sein,  daß 
er  sieh  in  der  Lage  fühlte  (pp.  128 — 137}  an  die  nähere  ErOrtenmg  zu 
treten  und  die  von  ihm  früher  aufgestellte  Theorie  zu  verteidigen.  8eine 
Theorie  lautet:  »Ob  XY-ro  eroxkria,  Kor^a  Ha^aJTL  cJiaraTbCH  cboh 
XHTepaTypHUH  o(S jhicb  b'b  sana^noH  PycH,  CTazn,  sipoHTHO,  hbctbohho 
oöosHa^aTbCfl  CBoeoöpasHUfl  qepTu  losHopyccKOH  ncTopH^ecKOH  noaslH 
H  npHBHMaTB  To  HanpaBjeme ,  KOTopoe  HazoAHitrB  b^  nosxBfhmmnch 

AyVaX'B.  ^0  H3B%CTH0H  CTOneHH  OHO  OKOH^aTeJEEbHO  BO^BOpH- 
JiOCL  nOA'B  T^M'B  I03EH0CJiaBflHCKHM'B  BJClAHieifB,  KOTOpoe 
otfyCJOBHJIO  nOBOpOT'BH  BO  BCOH  pyCCKOH  nHCLMeHHOCTH  CO 
BTOpOH  nOJIOBHHU  XIY  B^Ka«  (122). 

Ln  Laufe  des  ganzen  etwa  9  Seiten  langen  Exkurses  (128 — 137) 
hat  aber  der  Verfasser  seinerseits  zu  wenig  Beweise  angeführt,  als  daß 
wir  ohne  weiteres  seiner  Behauptung  beistimmen  könnten.  Er  will  zwar 
wissen,  daß  man  in  der  Wissenschaft  auf  die  Parallelen  zwischen  den 
bulgarischen  und  serbischen  Epen  einerseits  und  den  ukrainischen  Dumen 
andererseits  schon  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  hat  und  beruft  sich  dabei 
auf  Prof.  SumcoY  (»CoBpeMeBHaH  MajopyccKafl  9THorpa«la«  in  »Kien. 
CTap.«  1895,  n.,  p.  198).  Dadurch  versündigt  er  sich  gegen  die  Ge- 
nauigkeit, denn  Prof.  Sumcov  hatte  in  der  erwähnten  Stelle  keine  Absicht 
von  einer  solchen  Parallele  zu  sprechen;  aus  den  Worten  »ecJH  6u 
xajfopyccide  annreTU  b'b  ßYMSxi»  Öbuh  conocTasjieHBi  h  cjra^eHBi  cb 

CeptfcKHMH    H    60Jn*apCKHMH,     B'B    TaKOH'B     CJTy^a^    OHH    UOÄymUL    6lÄ 

secBMa  i^HHoe  HapyxHoe  ocB^n^eme  h  OT^eTJoiBO  onpeflj^xHzoch  6bi, 
HacKOJBKO  OHH  Ha^ioHaJHBI  H  HacKOJiBKo  o6n^eHapoAHBi «  (1.  c.  p.  198) 
ist  nur  ein  Desideratum  zu  entnehmen,  das  keinen  Anspruch  erhebt,  etwas 
pr&judizieren  zu  wollen. 

Auch  die  Berufung  auf  die  Arbeiten  anderer  Qelehrten  wie  Neu- 
mann (im  Warschauer  »Ateneumc  1885),  Famincyn  ( JoMpa  h cpo^HBie 
HHCTpyiieHTBi  p.  Hap.)  hat  dem  Verfasser  nicht  viel  Dienste  geleistet. 
Bei  dem  ersten  war  es  nicht  viel  zu  gewinnen,  denn  jener  Aufsatz  war 
nur  eine  populäre,  für  das  polnische  Publikum  bestimmte  Skizze,  bei  dem 
anderen  darum  nicht,  weil  sein  eben  genanntes  Werk,  wie  schon  sein 
Titel  besagt,  eigentlich  einen  nur  sehr  entfernt  verwandten  Zweck  ver- 
folgt —  wovon  übrigens  die  Rede  erst  später. 

Kurz  und  gut  der  geehrte  Professor  war  bei  seiaer  Theorie  einzig 


224  Miohiglo  TeWiftkoveö, 

und  allem  auf  seine  eigene  Yermntiuig  angewiesen,  welche  er  jedoch  keines- 
wegs anf  überzeugende  Beweise  zu  stfltzen  yermochte.  Er  konstatiert 
zwar  eine  allgemeine  Ähnlichkeit  zwischen  den  ukrainischen  und  den 
sttdslavischen  resp.  serbischen  Epen,  indem  er  sagt,  daß  »uajopocciHOKiH 
AyMu  9T0  nioHH  TBXOH,  HO  rjTyöoKOH  ne^ajra,  KOTopoio  oh%  po^i^hatch 
crh  H)rocjaB£HaHH«  (p.  136)  oder  »ho  HMeHHO  b^  cbäj  otf^HOCTH  orpa- 
Aamfl  H  nocTOHHHOH  tfopböu  sa  neoirhßUÄeMaa  h  si^HUfl  npana 
ZH7H0CTH,  B03M02KH0  6uzo  fljLE  loaLHOpyccoB'L  oön^eme  H  na  no^iB^ 
OAHHaKOBOH  iHpo-ainiqecKOH  iiodsin«  (ibid.),  oder  anders  gesagt,  einer 
ähnlichen,  traurigen  Lage  entspringen  auch  ähnliche,  traurige  Lieder, 
also  eine  Bemerkung,  die  auf  die  Poesie  eines  jeden  beliebigen  Volkes 
passen  kann,  und  nicht  gerade  auf  die  Bfldslaven  allein.  Ja,  bei  der 
Festsetzung  der  Ähnlichkeit  zweier  Epen  bleibt  noch  die  Frage  offen, 
welches  von  ihnen  das  beeinflußte  und  welches  das  beeinflussende  ist. 
Wir  wissen  schon,  wie  Prof.DaskeyiS  darfiber  denkt,  aber  ein  einziger 
Beweis  für  die  Abhängigkeit  des  ukrainischen  Epos  von  dem  stldsla- 
vischen,  nämlich  die  Entlehnung  des  Wortes  »EyTypHaK«  spricht  viel 
zu  wenig. 

Man  kann  daher  den  wissenschaftlichen  Takt  des  Verfassers  nur 
billigen,  wenn  er  ün  Resum^  der  Bedeutung  seiner  Theorie  sehr  be- 
scheidene Schranken  setzt:  »Sa^a^a  HacTOflu^eH  saM^TKH  cooroHja 
TOjn>KO  Wh  yKasamn  ^hcto  bosmoshuz'b  nyxeS  loro-eiaBSHORaro 
BziflBiH  H  yqacTifl  b^  cosAaniH  yKpanHCKsx^  xyM'By  a  ne  b'b  caMOM'B 
BUACHeHin  jispo^Bhon^  h  czoxbux'b  HBieniH'  B'B  stiotb  jfhßsuarh  h 
B'B  ioro-cjiaBflHOKOM*B  9noc%,  na  KOTopua  yxe  o6pan^aia  BHsiiaHie 
HayKa  h  KOTopus  npeACTOHOTB  en^e  HSCji^AOBaTb  cb  ÖoAmeio  oöoroii- 
TejiBHOCTiio«  (p.  137). 

Nun  fragt  es  sich,  was  hat  den  Verfasser  zur  Au&tellung  einer 
solchen  Theorie  yerleitet,  wenn  er  dennoch  nicht  imstande  war,  dieselbe 
aufrechtzuhalten  und  derselben  eine  Anerkennung  zu  erkämpfen?  Ich 
glaube,  zwei  Orflnde  sind  daran  schuld:  Die  einseiüge  Auswahl  des 
Materials  und  das  Auüerachtlassen  der  auf  die  Frage  Bezug  habenden 
kompetenten  Literatur. 

Was  das  erste  anbelangt,  so  sehen  wir,  daß  der  Verfasser  fast  aus- 
schließlich nur  ttber  die  historisch-kulturellen  Tatsachen  verfttgt, 
der  literarischen  aber  entbehrt,  welche  einzig  und  allein  ausschlag- 
gebend sind.  Wir  sehen  vor  uns  im  Vordergrunde  das  Kommen  und 
Gehen  zahlreicher  sttdslavischer  Auswanderer  in  verschiedenen  weltlichen 


Betiehnogen  der  nkrainiBchen  hktor.  Lieder  zum  stidslay.  YolkBepoB.    225 

Eigeiiflchaften  (Hajduken,  Mitglieder  der  Kosakenregimenter  n.  drgL)^  — 
im  Hinter  gruB de  dagegen  (der  Verfasser  läßt  hier  an  die  Arbeiten  von 
PetroY  nnd  Golnbinskij  denken)  den  Aostansch  von  Eirchen- 
bflchern  zwischen  Ukraina  nnd  Rußland  einer-  und  Serbien  nnd  Bulgarien 
andererseits,  die  Serben  in  der  Kiever  Akademie  und  Oberhaupt  mannig« 
faltige  Berflhmngen  auf  dem  Qebiete  der  geistlichen  und  geistigen 
Kultur.  Bei  solchen  Verhältnissen  kann  man  gegen  die  Versuchung,  in 
den  Rahmen  dieses  gegenseitigen  Eultnrwechsels  auch  die  Dumen  und  die 
junakischen  Lieder  hineinzuziehen,  theoretisch  wenig  einwenden;  der 
Qedanke  an  die  Beeinflussung  der  Epik,  einer  auf  die  andere,  liegt  sehr 
nahe,  ein  falscher  Sehritt  in  der  bekannten  Richtung  und  man  befindet 
sich  schon  auf  dem  Lrrwege.  Aber  bei  einer  yielseitigen  Prüfung  und 
Heranziehung  des  literarischen  Materials  mfißte  man  diesen  gefähr- 
lichen Weg  bald  verlassen.  Bei  unserem  Verfasser  war  aber  das  nicht 
der  Fall  aus  dem  Grande,  weil  er  die  diesbezflgliche  Literatur  des  Gegen- 
standes zu  wenig  gewtlrdigt  hat. 

Aus  diesem  Bereiche  waren  vor  allem  zwei  wichtige  Studien  zu  be- 
rücksichtigen: von  AntonoviS-Drahomanov  und  ^iteckij.  In  ihrer 
Sammelarbeit  (HcTopiraeeKiA  nicBH  MajcopyccKaro  napo^a.  KieBX  1874) 
erblicken  die  beiden  erst  genannten  Gelehrten  in  den  Dumen  das,  was 
man  in  ihnen  beim  ersten  Anblick  bemerken  kann,  n&mlioh  eine  treue 
Darstellung  der  Personen  und  Ereignisse  aus  der  Geschichte  der  Ukraina 
des  16.  und  17.  Jh.,  d.  h.  aus  der  Zeit  der  kosakischen  Feldzflge  gegen 
Osmanen  und  der  Emanzipationskriege  des  ukrainischen  Volkes  gegen 
das  polnische  Joch.  Hinter  jedem  Ereignis,  welches  in  Dumen  dargestellt 
wird,  zeigen  die  beiden  Forscher  eine  geschichtliche  oder  kulturelle  Tat- 
sache, in  jeder  in  den  Dumen  genannten  Person  entdecken  sie  eine  ge- 
schichtliche Persönlichkeit.  Durch  solche  Interpretation,  mit  einem  yiel- 
seitigen Kommentar  begleitet,  gewann  der  überwiegend  größere  Teil  von 
Dumen  einen  unerschtttterlichen,  geschichtlichen  Grund.  Es  blieb  nur  ein 
▼iel  geringerer  Teil  von  Dumen,  mehr  moralisierenden  Charakters  übrig, 
die  mit  dem  ausschließlieh  historischen  Apparate  nicht  zu  erklfiren  waren. 
Auf  welche  Weise  und  unter  welchen  Umständen  sind  solche  Dumen  zu- 
standegekommen? In  seiner  gründlichen  Studie  (Mucan  o  Hapo^HUX'L 
MaxopyccKBPCB  Ayxax'B.  Eies'B  1894)  antwortet  j^iteckij,  sie  seien 
ebenso  fast  auschließlich  das  lokale  Produkt,  das  Produkt  der  scho- 
lastischen Schule  und  des  ganzen  ukrainischen  Volkes.  Das  von  ^iteckij 
angefahrte  Material  ist  so  reich  und  so  überzeugend,  daß  seine  Ansichten 

▲MhiT  ftr  slaTiaehe  Philologie.  XXIX.  15 


226  Michajlo  Tersakoveö, 

im  wesentlichen  einer  Änderung  nicht  unterliegen  können.  Einem 
nenen  Forscher  blieb  es  nnr  übrig  die  Resultate  beider  Studien  zu  r^sn- 
mieten  und  nur  wenig  neues  hinzuzufügen,  um  die  bereits  gewonnenen 
Resultate  in  einer  entsprechenden  Perspektive  hervortreten  zu  lassen. 
Wie  gesagt,  Prof.  Daskevii  hat  diesen  Umstand  außeracht  gelassen  und 
darin  ist  der  Grund  des  Mißlingens  seiner  Arbeit  zu  suchen.  Meine  nächst- 
folgenden Bemerkungen  gelten  nun  dem  Versuch  die  Sache  in  das  richtige 
Fahrwasser  zu  bringen. 

Die  Frage  über  die  im  Titel  genannten  Beziehungen  ist  in  der 
Wissenschaft  keineswegs  neu.  Seiner  Zeit  wurde  darüber  gestritten,  ob 
und  in  welchem  Grade  die  musikalische  Seite  der  Dumen  von  der  des 
südslavischen  Epos  abhängig  sei.  Die  damals  ausgesprochenen  Ansichten 
von  Famin cyn  (/I^OMpa  usw.  p.  152)  einer-  und  seinem  Rezensenten  in 
»BicTHHK'B  EsponM«  1891,  August,  p.  848  u.  ff.  andererseits  ver- 
traten ganz  entgegengesetzte  Standpunkte  und  es  wurde  dadurch  klar  an 
den  Tag  gelegt,  daß  der  gute  Wille  allein  zur  Entscheidung  der  Frage 
nicht  ausreichend  ist,  wenn  man  des  wissenschaftlichen  Apparates  ent- 
behrt. Wie  wohl  die  Spezialisten  in  dieser  Hinsicht  sehr  viel  werden  vor- 
bringen können,  muß  ich  zu  meinem  tiefsten  Bedauern  mich  in  dieser 
Frage  als  inkompetent  bezeichnen,  da  ich  kein  Musiker  bin.  Ich  bin  also 
gezwungen  diese  Frage  offen  zu  lassen  und  meine  Aufmerksamkeit  der 
literarischen  Seite  zuzuwenden. 

Auch  die  letzte  war  schon  von  manchen  Forschem  berührt  worden, 
wie  Neumann  (Warschauer  >Ateneum«  1885,  Oktober],  Drahomanov 
(HcT.  iri&CHH  usw.  passim),  Sumcov  (CoBpeMeHnaÄ  MajopyecKaH  9tho- 
rpa^ia.  1897,  2.  T.,  p.  4  u.  ff.)  u.  a.  Da  aber  ihre  Bemerkungen  nur 
zufällig  waren,  so  hatten  sie  keine  Absicht  gehabt  darauf  zu  antworten, 
wie  und  in  welchem  Grade  man  von  der  Beteiligung  des  südslavischen 
Epos  an  dem  ukrainischen  sprechen  darf;  dennoch  aber  haben  sie  immer 
der  größten  Originalität  der  Dumen  beigestimmt.  Nachdem  ich  nun  alle 
entscheidende  historisch-kulturelle  Umstände  geprüft  und  die  Dumen  mit 
dem  südslavischen  resp.  serbischen  Epos  verglichen  habe,  kam  ich  zur 
festen  Überzeugung,  daß  man  dem  letzten  nur  eine  ganz  unbedeutende 
Rolle  bei  der  Frage  über  die  Beeinflussung  einräumen  kann.  Das  ist 
doch  leicht  verständlich!  Bei  einem  so  starken  Aufschwünge  der  Geister, 
wie  es  in  der  Ukraina  des  16. — 1 7.  Jh.  der  Fall  war,  kann  man  kaum  das 
Wirken  eines  fremden  Elementes  voraussetzen.  Denn  von  der  musika- 
lischen Seite  abgesehen,  hätte  das  letzte  entweder  im  Inhalte  oder  in  der 


Beziehungen  der  okrainiBchen  histor.  Lieder  zum  südslay.  YolksepoB.    227 

Form  zum  Vorschein  kommen  können.  Wir  werden  aber  sehen,  daß  dies 
weder  in  dieser  noch  in  jener  Beziehnng  zntrifit. 

Was  das  erste  anbelangt,  ist  die  Entlehnung  des  Stoffes  fiOr  das 
Epos  der  kosakisch-polnischen  Kriege  aus  oben  angeführten  Gründen 
absolut  ausgeschlossen.  Was  die  osmanisch- kosakischen  Konflikte  an- 
belangt, so  wären  hier  einige  Berührungspunkte  zwischen  beiden  Epen 
möglich,  aber,  wie  schon  früher  gesagt  wurde,  haben  die  diesbezüglichen 
Erklärungen  von  Antonovii-DrahomanoY  keine  Spur  davon  ent- 
deckt; im  Gegenteile,  sie  haben  nur  einen  sehr  engen  Zusammenhang 
swisohen  den  Dumen  und  den  historischen  Tatsachen  an  den  Tag  gelegt. 
Ja  selbst  Prof.  DaskeviS  war  nicht  imstande  mehr  anzuftlhren,  als  die 
Entlehnung  des  Wortes  >6yTypHaKc. 

Es  bleibt  eine  einzige  Duma,  so  allgemein  bekannt  und  für  die 
Theorie  des  Prof.  Daskevii  so  zutreffend,  daß  man  sich  wirklich  wundem 
muß,  daß  er  dieselbe  nicht  zu  seinen  Zwecken  ausgenutzt  hat;  es  ist  die 
Duma  von  »Alexij  Popovii«  oder  anders  die  Duma  »von  dem  Ge- 
witter auf  dem  Schwarzen  Meere«  genannt.  Von  verschiedenen  Kom- 
mentatoren wurde  sie  verschiedenartig  gedeutet.  Doch  wenige  von  diesen 
Erklärungen  kann  man  befriedigend  nennen,  weder  die  Erklärung 
Wesselofskys,  daß  »ioxhuh  Ajiema  IIonoBim  ^oacHBaeT'B  cboh 
BtiTL  en^e  n  wh  oäpaai  AjieKciflllonoBEraa  MajopyccKOH  Ayuu«  (»IOxho- 
pyccidA  611LIHHIJ«  in  »GdopsHiCL  oTA^jeniH  p.  ASUKa  h  cjiob.  Hiin. 
AKaA.  HayiTL. «  B.  XXXYI,  npHJ.  No.  3,  p.  279],  noch  die  Erklärung  des 
Prof.  DaskeviS  selbst,  daß  unsere  Duma  »nepe^^UKy  ÖujHiiHaro 
otfpasa«  darstellt  (Ekuhhu  061  Ajienii  nonoBH"^  h  np.  in  >KieBCKaH 
CrapHna«  1883,  p.  60 — 61).  Man  kann  auch  der  Meinung  Potebnjas 
nicht  beistimmen,  welcher  (OtfiACHeHifl  MajEopyecKHz  h  cpoAHiiix  napo^- 
HBts  niceHB  n.  301 — 310)  unsere  Duma  in  Zusammenhang  bringt  mit 
den  Südslavischen  Parallelen,  einer  bulgarischen  und  einer  serbischen. 
Diese  Annäherung  begründet  er  durch  den  Umstand,  daß  »b'b  tfojtrapcKoS 
ntcHi  (es  folgt  gleich  ein  Zitat  in  der  russischen  Übersetzung)  npo  CTan- 
KOBH^a  Ay^  (MnjiaAHH.  65.  cj.)  h3x  cTiaiH  Mp.  xyva  naxo^HM:  Öypio 
na  Mopi,  HcnoB^A^  rpimHBKa,  rjiaBHuä  ero  rpfo  npoTHB  MaTopH, 
KaMem»  eiiy  Ha  meio,  saicjno^eHie  0  HenpocTHTejiiiHOCTH  rpixoB  npo- 
THB MaTepH  H  cecTpu  h  noa^qpaBjeHie  cjrTmaTejCAM«  (06'bhch.  n.  304). 
Allein  schon  Prof.  Sumcov  hat  in  »^yua  06^  AxeKci^  IIonoBH^« 
(KieBCKaH  CTapnHa  1894.  I.  pp.  1 — 311)  sehr  evident  gezeigt,  daß  das 
Sujet  unserer  Duma  sich  in  den  Legenden  aller  europäischen  mittelalter- 

15* 


228  Micluylo  Tersakoyec, 

Hohen  Literataren  einer  großen  Popularitili  erfrevie,  ja  daß  man  in 
SohotÜand  selbst  in  den  neuesten  Zeiten  eine  selir  ttbnliohe  Yariante  ge- 
funden hat.    Man  mvß  anoh  die  Richtigkeit  der  folgenden  Ansichten  des 
Prof.SumeoT  Aber  die  Stellnag  unserer  Duma  innltten  der  enropftiseheift 
Varianten  anerkennen:   »Ha  eo3;iaHie  AynBi  06*1  AjokcM  IIoiiOBnt 
saTpavena  6oxbmsa.  xy^oiKeeTBeHsafl  cnjia,  h  ne  eHOTpa  na  cyxn;eeTBe* 
Banie  cxo^nuz'»  np(«3BeAefliH  y  xpyrHX'L  BapaAOB%,  xoxho  cmeaTb, 
Tro>  ßjvLB,  9Ta  rxy((oKo  opHmBanHoe  h  vh  blicokok  cTeneEB  ry;(o- 
atecTBeHBoe  MaJopyecKoe  nponsBeAeHie.    ^oeroHHCTBO  xyMU  saiUKH 
qaeTCfl  BTB  pa^a6oTK^  xcTaiefl,  wh  uckjceowi  coqeTaHin  hx^  m,  wit 
oeo6eHBOCTn,  bi^  mafkocth  h  lynaHBOCTH.    Aj^  npoBmcaerrE  xmnaji 
MUCJib  H  jsHTiHoe  qyBCTBO  BUcoKaTO   ^tocTOEHCTBa  H  Hpex^e  Beere 
6jra3Koe  iK^Hoe  SBaKOMCTBO  n^Bi^a  es  onHcusaraiBiMB  nsieHiHMn  «h3h- 
qecKaro  h  BpaBCTBesBaro  xapairrepa«  (1.  c.  p.  11).    Wie  gesagt,  man 
mnß  diese  Ansiohflen,  die  dnrch  ein  reiehes  Material  bestätigt  werden, 
ftlr  riehtig  erklären.    Nnr  in  einer  Beziehung  erheischen  sie  eine  Ergän- 
zung resp.  Verbesserung.    Es  sind  nämlich  die  Ansichten  des  Verfassers 
Aber  die  gegenseitigen  Verhältnisse  unserer  Duma  zu  den  Ton  Potebnja 
angefahrten  sAdslavischen  Varianten  unklar  oder  unrichtig.    Prof.  8um- 
coY  legt  das  Hauptgewicht  seiner  Forschung  auf  die  westeuropäischen 
Varianten,  stellt  aber  in  Schatten  die  südslavischen,  indem  er  fast  ohne 
jede  Reserve  die  Meinung  Potebnjas  akzeptiert  (1.  c.  p.  3 — 4).    Es  ist 
aber  sehr  wllnschenswert,  eine  genaue  Abgrenzung  zwischen  den  ukrai- 
nischen und  den  sfldslayischen  Varianten  zu  geben.   Zu  dem  Zwecke  sind 
wir  gezwungen,  auf  die  schon  oben  [vgl.  S.  227)  von  Pot  angefflhrten 
Momente  zurAckzukommen: 

Zunächst  das  Meeresgewitter  kann  nicht  als  ein  Verbindungspunkt 
zwischen  der  ukrain.  Duma  und  der  bulgar.  Variante  angesehen  werden. 
Das  Gewitter,  welches  in  der  bulgarischen  Variante  mit  dem  Znsammen- 
stArzen  des  Ghilandarklosters  droht,  ist  dort  nur  ein  zufUliger,  lokals 
topographischer  Zusatz.  In  dem  analogen  serbischen  Liede  in  der  Samm- 
lung von  Cubro  Öojkovi6  (»H^BaHiA  opHoropcKa«  1837,  pp.  64 — 65), 
welches  seiner  kArzeren  Fassung  und  seiner  einfacheren  Komposition 
halber  als  eine  ursprAngliche  Form  und  als  Quelle  ^)  betrachtet  werden 


1)  Der  Ausgangspunkt  dieses  Motivs  wenigstens  für  die  sAdslavischen 
Var.  scheint  das  hOchst  räuberische  und  liederliche  Leben  des  Helden  zu  sein 
—  und  die  Strafe  dafitr.   Das  Verbrechen  des  Helden  ist  in  der  bulg.  u.  serb. 


Beziehangeii  der  nkrainisohen  histor.  Lieder  vom  südfllay.  Yolksepos.    229 

maß,  ist  keine  l^nr  von  dem  Oewitter.  Die  bnlgmrisebe  Fassung  wie  die 
«erbiselie  InftereasMireB  sich  vor  wHkim  um  die  Sflnde  und  das  Gesofaiek 
des  Oslden;  gegen  das  Ende  yergtßt  das  bulgarische  ganz  das  Oeidtter, 
00  dafi  wir  BMlit  er£ahren,  ob  dasselbe  sich  gelegt  hat  oder  nicht,  naoh- 
dem  ^kr  Held  (Staiikioviö  Dvki)  in  das  Meer  geworfen  wurde.  Das  Werfen 
in  das  Meer  ist  tfelgüch  nkht  als  ein  Opfer  anzusehen,  welches  dazu  be- 
atinunt  war,  dajB  Jieer  zu  stillen,  soadem  nur  als  eine  Art  dw  Strafe, 
wekdie  durch  «ine  andere  «rsetzt  werden  konnte.  Anders  yerhilt  sich 
die  flache  in  der  Duma.  Das  Oewitter  ist  dort  ein  integrierender  Bestand- 
teil des  Oanzen  und  stdlt  eins  von  den  so  gewöhnlichen  Erdgniesen  der 
Eosakenflotille  auf  dem  Schwarzen  Meere  dar.  Das  gibt  auch  Potebnja 
XU,  indem  er  dem  histoidsch-igeographischen  Kommentar  des  Antonovi^ 
und  Drahomanov  folgend,  die  bezeichnete  Duma  auf  das  Ende  des 
16.  Jk.  EurfickiÜhrt,  d.  h.  die  Zeit,  wo  die  Kosaken  noch  nicht  weiter  als 
bis  (an  das  nördüch-westliohe  Ufer  des  Schwarzen  Meeres  zu  fahren 
wagten  (Oö-bhch.  II,  302). 

Im  Zusammenhange  mit  dem  Oewitter  muB  man  auch  die  Beichte 
des  Helden  berflcksichtigen ;  es  tritt  nämlich  auch  hier  ein  Unterschied 
zum  Vorschein  sowohl  in  der  Intention  wie  auch  in  dem  Resultate  der 
Beichte.    Oleksij  PopoviS  bekennt  seine  Sflnden^),  um  das  Meer  zu 

Yar.  gleicherweise  geschildert;  auch  von  der  Strafe  wissen  sie  dasselbe  zu 

eiz&hlen: 

PasöOibe  C6  Jfl[6Ra  4yKal)HH^e, 

EoüiOBao  Aesex  roffVH  Aana, 
Hht^  yiinpe,  hh  npeÖoJinjeBa! 
npoa  KOCiH  My  TpaBa  nponniiaJBta, 
A  y  xpaBy  c'  .^yre  sMHJe  jerjie ;  (Oöi/ich.  II.  309). 
Dasselbe  wiederholt  die  bulg.  Yar. : 

na  MH  o;k6  (GaBa  sTyMeH)  y  TeMHa  Rejiia, 
HsroBope  Gana  HryiieHa 
Ha  OHero  OraHROBHKH  ^yno: 

>CHHe  MOE  OraHKOBHKe  JljKol 

Kaaui,  CHHO,  mo  ch  norpeiiiHJio  ? 
BojieHi  jiejKamrb  sa  AeBOx'B  roAHHu^ 

Gh   HCRHHaJ'B  AO  AOBeT'L   UOCTeJEH, 

Ho  nocTOiiH  AO  AeserB  nepHHUH, 

HS'B   ROCTH-Xe  TpeBa  H8HHRHa.I0, 

Hs'B  TpdBa-Ta  jjdth  bmIh  jasaxi, 
Gl  o^H  rjieAami,  co  p<fkiie  ho  «aRAiu'B!« 
1)  Nur  eine  einzige  Yariante  weiß  von  einem  materiellen  Opfer:  das  Blut 
aus  dem  kleinen  Finger  des  Helden  (Antonovi^-Drahomanov,  o.  c,  p.  184). 


230  Michajlo  Terdakoved, 

berahigen^  was  ihm  auch  gelingt.  Stepanovid  D.  bekennt  aber  die 
seinigen  nnr  darnm,  damit  die  Mönche,  von  denselben  in  Kenntnis  ge- 
setzt, den  Grund  erlangen,  den  Sünder  zu  bestrafen.  Die  Sflndenbe- 
kenntnis  ist  also  im  bulgarischen  Liede  nur  ein  literarisches  Motiv,  die 
Art  und  Weise,  auf  welche  wir  von  der  Vergangenheit  des  Helden  er- 
fahren, wodurch  das  bulg.  Lied  sehr  nahe  steht  dem  serbischen,  in  wel- 
chem der  Held  seine  Sünden  vor  seiner  Mutter  bekennt.  Die  Beichte  in 
der  Duma  ist  aber  wiederum  ein  integrierender  Teil  des  Ganzen.  Daraus 
folgt,  daß  der  Unterschied  zYrischen  der  Duma  und  den  südslayischen 
Varianten  bezüglich  der  Beichte,  auf  zwei  verschiedene,  von  einander 
unabhängige  Quellen  zurückgeht. 

Was  das  Resultat  der  Beichte  anbelangt,  d.  h.  die  Strafe,  müssen 
wir  einer  Strafe  erwähnen,  welche  Potebnja  als  gemeinsam  fdr  die 
Duma  und  das  bulg.  Lied  bezeichnet,  n2lmlich  »der  Stein  um  den 
Hals«.  Doch  beruhte  die  Annahme  Potebnjas  auf  einem  Mißver- 
ständnis.  Die  Worte  des  Ol.  PopoviS : 

»ES  KOsaKH,  nanone  mojcoaaT! 

Ao6pe  BH  B^[HHTTe, 

CaMoro  Mene, 

OjeKCiA  ÜOJOBH^a BOSBMlTe, 

^0  MoeT  mnT 

EaMiHb  ÖijieHBKHH  npHBflsiTe, 

Oqi  MoT  Kosai^bKi  MOJOAei^bKi 

^epBOHOH)  KHTaHKOK)  sanuTTe, 

y  ^opne  Mope 

CaMoro  Mens  cnycTTTe  (Ant.-Drah.  o.e.,  p.  178) 
sind  doch  nur  eine  gewöhnliche  Metapher,  die  mitunter  auch  in  den 
ukrainischen  Liedern  und  Sprüchen  sehr  häufig  vorkommt  und  deren 
Quelle  die  allgemein  bekannten  Worte  des  Evangeliums  zu  sein  schei- 
nen, —  während  dieses  Motiv  in  der  bulgar.  Var.  eine  Tatsache  bildet, 
indem  dem  Sünder  ein  Stein  um  den  Hals  wirklich  aufgehängt  wird  ^) : 


^]  ȆporoBopn  Gaua  nryiieBa 

Ha  OHie  xpHCTa  Kajryreps: 
>Aa  seMHTe  eACHi»  jieceHi  RaMeHx, 
JleceHi»  KamcHi»  mo  (me)  Aa  mh  TeacHTi 
Äa  MH  TeTKXTh  Ayp^  AO  TpHCxa  OKa, 
Jla,  Bi&psHTe  GiaHKOBBKB  ua  r&pjo, 
BapjieTe  ro  GraEica  so  Mope-xo, 


Begehungen  der  ukrainischen  histor.  Lieder  zum  Btidslav.  Volksepos.    231 

Man  maß  femer  absolut  die  Meinung  Pot.  abweisen,  als  ob  die 
schwerste  Sflnde  des  Helden,  d.  h.  die  Yersflndignng  gegen  die  Mntter, 
einen  Yerknflpfangspnnkt  zwischen  der  Duma  und  den  südslavischen 
Parallelen  bildete.  Es  läßt  sich  freilich  nicht  in  Abrede  stellen,  daß  sowohl 
die  eine  wie  die  anderen  das  Gewicht  eben  auf  dieserSünde  legen.  Allein 
hier  kann  man  nnr  von  einem  znMligen  Znsammentreffen  sprechen.  Die 
strenge  Anschannng  der  Duma  hat  ihre  Orundlage  im  Yolkskulte  der 
Matter;  das  ukrainische  Volk  brachte  diese  Anschauung  schon  früher  in 
der  scholastischen  Schalpoesie  und  neulich  in  seinen  Liedern  zum  Aus- 
druck. (VgL  in  dieser  Hinsicht  die  schönen  Exkurse  in  ^iteckij  1.  c. 
pp.  68 — 71,  157 — 159.J  —  Daß  man  in  unserem  Falle  gerade  mit 
einer  lokalen  Tradition  zu  tun  hat,  ersieht  man  noch  aus  einer  interessan- 
ten E^einigkeit:  Von  den  bei  AntonoviS-DrahomanoY  angeführten 
Varianten  sprechen  nur  6  von  Ol.  PopoviS  als  von  der  Hauptperson ;  die 
anderen  4  kennen  schon  keinen  Ol.  PopoviS,  sie  wissen  nur  von  2  oder 
3  Brüdern  zu  erzählen.  Der  Umstand,  daß  der  Held  der  Duma  von  dem 
Gewitter  auf  dem  Schwarzen  Meere  unter  dem  Drucke  des  mütterlichen 
Fluches  zu  leiden  hat,  läßt  das  Volk  eine  Brücke  zu  einer  anderen 
Duma  (die  Flucht  der  3  Brüder  von  Asoy)  bilden,  deren  Helden 
auch  im  Konflikt  mit  dem  mütterlichen  und  väterlichen  Segen  stehen. 

Und  endlich,  um  mit  den  Ansichten  Pot.  abzuschließen,  kann  man 
das  Motiv  » nosApaBjenie  cjymaiejiHM«  keineswegs  als  einen  An- 
knüpfungspunkt betrachten.  Es  ist  doch  die  übliche  Formel  jeder  Duma, 
welche  man  aus  dem  Grunde,  daß  dieselbe  auch  in  den  südslavischen 
epischen  Liedern  vorkommt,  in  das  Verhältnis  der  Abhängigkeit  zu 
setzen  —  kein  Recht  hat. 

Man  ist  also  nicht  berechtigt,  wie  es  Pot.  woUte,  die  besprochenen 
Momente  als  Berührungspunkte  zwischen  den  ukrain.  und  den  südslav. 
Var.  zu  betrachten.  Die  einen  wie  die  anderen  haben  ihren  Ursprung 
in  zwei  verschiedenen  Quellen  ^) ,   deren  Prüfung  mich  weit  über  die 


Jifi.n*  Ro  ro  CraHRa  Mope  npiiiMH.« 

IIa  mo  6i^a  ipHcxa  KajyrepH! 

BiLpsa^a  My  tou  jcceui»  KaMOH'L, 

mo  Aa  xeacHTVAyp*  ffo  rpucTa  OKa, 

To  BapjiH^e  CraHKa  bo  Mope-io  (Mu.iaA.  S.  68). 
1)  Von  der  Existenz  der  westeuropäischen  Parallelen  des  in  Bede  stehen- 
den Sujets  wie  auch  von  den  gegenseitigen  Beziehungen  der  bulg.  und  serb. 
Var.  war  oben  die  Bede.  Was  die  Geschichte  dieses  Sujets  in  Ukraina  anbe- 


232  Midiajlo  Tet&akoyeö, 

Schranken  meinet  gegenwirtigen  Betraohtongen  ftihren  irtirde.  Fflr 
meine  Zwecke,  glaube  ich,  ist  das  oben  Gesagte  ansreichend.  Wir  haben 
aber  dadurch  auch  noch  etwas  anderes  erreicht:  Die  »Duma  von  dem 
Oeintter  auf  dem  Schwarzen  Meere  c  war  die  einzige,  welcher  die  bis- 
herige Forschung  eine  südslavische  Abkunft  zuzuschreiben  geneigt  war. 
Selbst  Prof.  DaskevK  war  nicht  imstande,  mehrere  AnknüpfimgB- 
punkte  ausfindig  zu  machen.  Angesichts  dessen  muß  konstatiert  werden, 
daß  das  südslavische  Volksepos  mit  seinem  Inhalte  keinen  sichtbaren 
Einfluß  auf  die  Schaffung  der  Dumen  ausgeflbt  hatte,  weil  es  nidit  in  der 
Lage  war,  einen  solchen  auszuüben,  und  daß  folglich  alle  Versuche, 
einen  solchen  Einfluß  nachzuweisen,  mit  einem  Mißerfolge  endigen 
müssen. 

Wie  sollen  wir  nun  alle  die  Urkunden  verstehen,  die  von  der  An- 
kunft der  Südslaven  nach  ükraina  zeugen?  Sollten  denn  die  zahlreichen 
und  wunderschönen  junakischen  Lieder  keine  Spur  eines  Einflusses  auf 
die  poetische  Schaffung  der  Dumen- Autoren  zurückgelassen  haben? 
SoUten  Jene  Serben,  die  nach  TJkraina  kamen,  so  stark  ihre  nationale 
Pracht  vergessen  haben,  daß  sie  den  Ukrainern  gar  nichts  davon  gespen- 
det haben?  Qewiß  nicht!  Aber  dieser  Nachlaß  kommt  nur  in  der  Form 
zum  Vorschein  und  in  einem  nicht  sehr  großen  Umfange,  so  daß  er  von 
manchen  auch  nicht  bemerkt  wurde. 

Ich  habe  im  Sinne  eine  Eigenart,  welche  den  Dumen  einen  spezifi- 
schen Schwung  verleiht  und  welche  in  der  serbischen  Epik  sehr  verbreitet 
ist,  —  nftmlich  den  Gebrauch  des  Vokativs  statt  Nominativ.  Vergebens 
würde  man  nach  vielen  Beispielen  dieser  Erscheinung  in  den  ukrainischen 
Volksliedern  suchen.    Zu  den  von  Dr.  St.  Smal-Sto6kyj  (Ȇber  die 


langt,  so  ist  es  interessant  hinzuzufügen,  daß  dasselbe  sich  einer  großen  Po- 
pnlaritSt  erfreute  und  verschiedene  Varianten  ergeben  hat  Neulich  ist  z.  B. 
eine  interessante,  einer  Handschrift  aus  der  zweiten  H&lfte  des  XVII.  Jahrb. 
entnommene  ukrainische  Parallele  von  N.  I.  Petrov  bekannt  gemacht,  wo 
von  einer  Witwe  die  Rede  ist,  welche  ihre  beiden  kleinen  Kinder  umgebracht 
hat,  um  einen  Schlachzizen  heiraten  zu  kennen,  —  welche  aber  bei  der  Ge- 
legenheit einer  Meeresreise  während  eines  starken  Grevritters  als  die  größte 
Sünderin  in  das  Meer  geworfen  wurde.  (Vgl.  H.  H.  nexpoB'B.  OnHcaHie  pyKO- 
nucHLix'L  co6paHiu,  BajLomm.iacK  bi  ropoAi  Kiesi.  BBinycRX  lU.  MoCKsa  1904. 
Nr.  278.  Kiev.  Soph.-Handschrift  Nr.  129.)  Daß  die  Duma  von  Ol.  Popovi6 
eine  höhere  Entwickelungsstufe  in  dem  Leben  des  Sujets  in  Ukraina  bedeutet, 
nämlich  in  der  Bichtnng  seiner  Nationalisierung  und  Lokalisierung,  ist  er- 
sichtlich. 


Bezaehangeii  der  akramiBohen  hntor.  Lieder  zum  BÜdflUv.  YolkBepos.    2S3 

Wirkimgen  der  Analogie  in  der  Deklination  des  Kleinrassisclien«  Archiv 
£  bI. Phil.  Vin,p.  233)  drei  —  nnd  zn  den  rem  Miklosieh  (Vergl.  Gram- 
matik lY,  p.  370)  vier  angeführten  Beispielen  kannte  ich  nnr  wenig 
hinjEufUgen: 

Oh  bhxoaht  cTapa  Hene, 

Jt  pyica  B  tTctT, 
welches  Beispiel  aber  anch  einem  Liede  auB  der  kosakiBch-polnischen 
Periode  entnommen  ist.  (Anton.  Drahom.  U.B.,  p.  61,  Nr.  12  B.)  Zn 
diesem  Zwecke  habe  ich  alle  Beispiele  dieser  Erscheinung  ans  der  Samm- 
lung des  AntonoviS  und  Drahomanov,  aus  dem  Anhange  zu  dem 
öfters  genannten  Buche  des  j^iteckij  und  aus  dem  Material,  das  in 
»KieBCKafl  GTapHHa«  vorhanden  ist,  und  zwar  in  jenen  Jahrgängen,  die 
von  iiteckij  schon  nicht  mehr  berücksichtigt  werden  konnten,  ge- 
sammelt.  Da  sind  sie : 

1)  Ot  tofaT  to  npnnajo  äoMy  3  npasoT  pyicn 

^OTHpi  nOJKOBHHKH: 

IlepBHH  nojKOBHH^e  MaKCHM  OjnnaHObKHH, 

A  APymH   nOJKOBHHqe   MapTHHe   IloJITaBCLKHH, 

TpeTTn  nojEKOBHH^e  Isan  Eoryne, 
A  ^eTBepTHH  MaTBiH  BopoxoBH^y, 

(AHTOH.-ÄparoM.  II,  1,  Nr.  1,  p.  6). 

2)  Hk  y  Bhhhhi^T,  na  rpflHiii;!, 
HaA  EyroM  piKOio 
TaM  cTOflB  iBane  Eoryne  KaJienHi^bKHH, 

oÖHTejK)  KoujEHi^BKHH  (ibid.  ^.  13,  p.  98). 

3)  TofaT-to  He  Morjra  snaTH  hT  cothhkh,  hT  noxKOBHHKH, 

HT  AXypH  KOSai^BKHT, 

HT  vysd  rpoMMCBKHT, 

TOfi  nam  nan  reTbMan  XMej[i>HHi^>KHH, 

EaTH)  3hhob  Eor^any  TlnrnpHHCBKHH 

y  ropoAi  ?HrpHHT  sa^yMaB  Bxe  h  sarsAaB  (ibid.  Nr.  14,  99). 

4)  Ot  tofäT-to  iBany  IIotoi^i>khh, 

KpOJEH)   nOJBCBKHH 

.Ihcth  qHTae  usw.  (ibid.  p.  102). 

5)  Sx  CTaB  Kosa^e  is  ABopa  icxoxaTH, 

GTaxo  TpH  cecTpm^T  piAHeHBKiT  ero  BHnpoBOsaTH. 

(^HTei^.  0.  c,  p.  192.) 


234  Hichiylo  Ter§akoved, 

6)  HaA  AHlnpoBOH)  caroH), 
Hm  xojioahoh)  BOAOK), 
JleKHT  Kosa^e  mojioahh, 
ToBapHiuy  bohckobhh, 
^e^ope  6e3piAHHH  (ibid.  207). 

7)  OxoMaHe  KomoBHH  Toe  sa^yBae, 
CiOBaMH  npoMOBJHe  (ibid.  208). 

8)  AroMane  KypiHHHH, 
IIocTpejflHnH, 
IIopyÖaHHH) 

Ha  paHH  cBiepTejniHHH  (!)  iBseMorae,  usw.  (ibid.  209). 

9)  ÄTOMane  koiuobhS  tos  3o6a^a€  (ibid.). 

10)  To  me  HK  cxaj  (!)  KopcyHCKHH  nojKOBHHK  nane  ^HJiOHe  na  ^ep- 

KeHt-ÄOJHHy  noA  (!)  ropo^  Täfehio  iipH6yBaTH, 
GTaj  (!)  AO  KOsaKOB  (!)  cjOBaMH  npoMOBJATH:  (ibid.  216). 

11)  EnniKoi)  CaMiHjio  AjiKan  Hamy^  TpanesoHCKos  ahta  MOJOAoe, 

Ha  pyKH  6paji  (!)  (ibid.  230). 

12)  Tor^a  yse  Khuiko  GaMiSjo,  reTMaH  sanoposcKiH,  ao  Koaa- 

KOB  (!)  cJOBaMH  npoMOBJTfle:  (ibid.  231). 

13)  Khihko  CaMiHJO  lepBony  KoporoB  Kpemaxy  na  ^epAan  bh- 

cTaBJifle, 
CiqeBHe  (!)  KosaKH  cTajiH  nosnaBaTH  (!), 

GTajlH  B  JOAKH  cTAaTH, 

CTajDi  ÖJtHsqi  npHTxsaTH, 
3a  jaBKH  rajEepy  KpjOKsxta  xBaraTH, 
CxaiH  AO  6epera  tfjras^e  npHTüraTH, 
GTajcH  K03aKH  c  raJtepH  na  tieper  BHCTynaTH, 
GeMone  GKaJiosyÖe  reTMaHO  ao  raiepH  6jaasMe  npHCTynas 
usw.  (ibid.  232—233). 

14)  TofäT  Khihko  GaMiäjro  s  rajepn  BHCTynae, 
I  B^e  AO  ero  cJOBaMH  npoMOBJcae:  (ibid.  233). 

15)  A  APyroH  (!)  6nÄ  (!)  cTapnraHOH)  AjickcTh  IIonoBH?  IIhpathhckhh, 
Kosa^e  jcencTpoBEH, 

ÜHcap  BOHCKOBHH  (ibid.  235 — 236,  n.  236). 


^)  Die  Form  >Khiiiko<  ist  voc.  za  nom.  >KHmRac,  welche  letzte  Form 
einige  Male  auf  derselben  Seite  (230)  vorkommt  H.  ^iteckij  ahnte  ihre  Be- 
dentang  nicht,  darum  betrachtete  er  sie  als  einen  Fehler,  indem  er  sie  mit 
einem  sie  markierte. 


Beziehungen  der  nkrainiscben  hiBtor.  Lieder  zom  südslav.  Volksepos.    235 

« 

16)  ATOMane  MaTHin  cxapeHbKHH  Toe  sa^yBae, 

G^OBanH  npoMOBJiHe:  (ibid.  242). 

17)  Heynij  (!)  CTp^eHKO  IleTpe  MeK  TypKH-HHH^iapH  BÖiraTH, 
Mor  (!)  «My  Tojiyß  Bojouihh,  c  lue^  rojioBKy  chhth  (I). 

(ibid.  243.) 
IS)  OTOMane  TopcKiS,  H^Ko  JIoxbhipchh,  ia  KypeHü  BHxoxae, 

CjosaMH  npoMOBJfl€:  (ibid.  242). 
19)  Oh  Ha  oiaBBTä  YKpaTHT, 

y  cjaBHOMy  ropoAT  y  KopcynT, 

To  TaH  3KHB  npOZHBaB  KOpcyHCBKHH  HOJnCOBHHK  IlaHe  XBHJOHe 

(KisBCKafl  CTapHHa,  1904.  U,  p.  285). 

20)    To  KOpCyHCbKHH  nOJKOBHHK, 

üane  Xbhjohb,  Tee  cjiobo  sa^yBae  (ibid.  288). 
Und  endlich  das  letzte  Beispiel : 
21)  GaM  ce6i  (!)  Kosai^T  (!)  jsjtam  ra^ae,  hto  (!)  ero  ÖesxJiTÖH,  6e3- 
bbah  (!)  sneMarae  (^htci^.  o.  c.,  p.  200), 
vro  die  Form  KOsai^T  ein  sichtbarer  Fehler  statt  Kosa^e  ist.    Es  fragt 
sich  nnr,  wem  soll  man  diesen  Fehler  zuschreiben :  dem  Schreiber  oder 
dem  Kobsar.    Es  ist  sehr  möglich,  daß  dem  erstem,  denn  seine  Hand- 
schrift, so  wie  wir  dieselbe  bei  ^iteckij  reproduziert  sehen,  wimmelt 
▼on  einer  Menge   allerlei  Fehler  (^iteckij,  o.  c,  p.  182 — 185).    Es 
ist  aber  auch  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  daß  die  Verdrehung 
auch  Yon  dem  Kobsar  herrührt,  welcher  die  Bedeutung  der  ihm  schon 
fremd  gewordenen  Erscheinung  nicht  mehr  verstand. 

Was  die  Statistik  dieser  Erscheinung  anbelangt,  so  ist  zu  erwähnen, 
daß  man  in  einer  Variante  einer  Duma  voc.  statt  nom.  gebraucht,  wäh- 
rend es  in  einer  anderen  Var.  derselben  Duma  schon  nicht  mehr  der  Fall 
ist;  ja  selbst  in  einzelnen  Var.  kommen  beide  Formen  promiscue  vor. 
Das  spricht  dafür,  daß  wir  es  nicht  mit  einer  autochthonen  Erscheinung 
zu  ton  haben;  ihr  Hausrecht  behauptet  sie  in  der  serbischen  Volksepik  i). 


1)  Mag  auch  dieser  Parallelismus  in  der  Anwendung  des  Vokativs  sing. 
für  den  Nominativ  sing,  in  der  epischen  Dichtung  der  Serben  und  Kleinrussen 
sehr  nahe  liegen,  an  eine  Entlehnung  aus  dem  Serbischen  ist  dabei  schwer- 
lich zu  denken.  Man  entlehnt  in  der  Regel  nur  den  Inhalt,  den  Stoflf,  einzelne 
Worte,  nicht  aber  die  Wortfonnen.  Wenn  z.  B.  der  ganze  serbische  Zehn- 
silbler  entlehnt  worden  wäre,  dann  könnte  man  allenfalls  auch  diese  Anwen- 
dung als  entlehnt  ansehen.  So  jedoch,  einen  einzelnen  Fall  des  sprachlichen, 
richtiger  grammatischen  Gebrauchs,  aus  dem  Zusammenhang  herausreißen 


296  Michajlo  Ter&akove6, 

Darauf,  daß  der  Gebrauch  voc.  statt  nom.  ein  Merkmal  des  serb. 
Epos  bildet,  hat  schon  Zima  L.  hingewiesen  (Flgore  u  nasem  narodnom 
pjesaictvu  s  njihoTom  teorijom.  Zagreb  1880,  p.  217 — 218)  uitd  bei 
dieser  Oelegenheit  auch  einige  Beispiele  angefahrt,  ohne  aber  davon  zu 
sprechen,  in  welchem  Grade  diese  Erscheinung  verbreitet  ist.  Unter- 
dessen brauchen  wir  den  ersten  besten  Band  der  Kar adii<5schen  Samm- 
lung (Staatsausgabe  BB.  U,  III,  IV,  VI,  Vn,  VIII,  IX)  aufzuschlagen,  um 
uns  von  der  großen  Verbreitung  des  in  Rede  stehenden  Gebrauchs  zu 
überzeugen.  Das  gibt  auch  Miklosich  zu  (Vgl.  Gramm.  B.  IV,  p.  370); 
bei  dieser  Gelegenheit  zitiert  er  auch  vier  Beispiele  aus  dem  Ukrainischen, 
ohne  aber  von  den  gegenseitigen  Verhältnissen  dieser  Erscheinung  in 
ukrain.  und  serb.  Epen  zu  sprechen. 

Das  bisjetzt  Gesagte  ist  auch  alles,  was  von  den  Spuren  der  serb. 
Epik  in  den  ukrain.  Dumen  zu  sagen  ist.  Im  Augenblicke  der  großen 
nationalen  Bewegung  geschaffen,  auf  dem  einheimischen  Boden  heran- 
gewachsen und  mit  den  einheimischen  Säften  genährt,  erhielten  die 
Dumen  im  Munde  eines  Serben  jenen  leichten,  spezifisch  serbischen  An- 
strich. Der  letzte  Umstand  hat  aber  keinen  Anspruch,  die  von  ^iteckij 
Ausgesprochene  Meinung  von  den  Autoren  der  Dumen  aufisuheben;  er 
will  dieselbe  nur  erweitem  in  dem  Sinne,  daß  wir  neben  den  Spitalgreisen 
als  den  Autoren  und  Pflegern  der  Dumen  auch  von  dem  ganzen  Eosaken- 
heere  sprechen  mttssen,  dem  auch  viele  Serben  angehörten. 

Anders  verhielt  sich  die  Sache  mit  jenem  Teile  des  ukrainischen 
Gebietes,  welches  schon  vom  J.  1340  an  ein  abgesondertes  politisches 
Leben  führte,  d.  h.  Galizien  mit  seinen  sog.  Botrussen.  Ihre  eigenen 
epischen  Lieder  haben  sie  nie  geschaffen,  denn  die  geknechteten  Sklaven 
haben  keine  heroische  Epoche  durchlebt.  Der  großen  kosakischen  Enum- 
zipation  gegenüber  sind  sie  beinahe  fremd  geblieben.  Wenn  man  den- 
noch bei  ihnen  Lieder  und  Dumen  der  Kosaken-Periode  findet,  so  sind 
dieselben  ganz  buchstäblich  von  der  Ukraina  entlehnt. 

Desto  schärfer  aber  haben  sich  die  unseligen  Zeiten  der  tatarisch- 


und  in  seinen  wenigen  Beispielen  eine  Entlehnung  erblicken  —  das  Ist 
kaum  möglich,  kaum  denkbar.  Man  müßte  denn  einen  ganz  besonderen  Fall 
voraussetzen,  daß  Serben  als  Kosaken  schon  die  kleinmssischen  Dumen  zu 
singen  erlernt  haben,  ohne  ihr  serbisches  Erbgut  vergessen  zu  haben.  Solchen 
Individuen  die  wenig  zahlreichen  Beispiele  der  Anwendung  des  Vokativs  fSr 
den  Nominativ  in  die  Schuhe  zu  schieben,  das  mag  originell  klingen,  aber 
wahrscheinlich  ist  es  nicht.  F.  «7*. 


Beziehungen  der  nkninischen  histor.  Lieder  zum  BüdBlav.  YolkBepos.    237 

tftrki&cheii  Überftlle  in  das  GedächtniB  eines  Galiziers  eingeprägt.  Das 
galiiiseh-nttheiiische  Lied  hat  bis  auf  unsere  Zeiten  manche  Episode  auf- 
bewahrt, die  wir  in  den  ukrainisehen  Liedern  nicht  finden.  Ein  Teil  yon 
diesen  Episoden,  wie  aus  der  Ausgabe  der  AntonoviS-Drahomanov 
sa  ersehen  ist,  schildert  wirkliche  historische  Tatsachen,  der  andere  aber, 
einer  fremden  Quelle  entlehnt,  hat  sich  nur  wegen  des  literarischen  In- 
teresses akklimatisiert.  Diese  Quelle  war  nftmlich  die  serb.  Epik,  die 
sich  einen  Zutritt  nach  Polen  und  Galizien  schon  sehr  frflh  durch  die 
YermittluBg  der  serb.  Sftnger  und  Geiger  erworben  hat.  Die  Anwesen- 
heit der  letzten  an  dem  Hofe  des  Vladislaus  Jagiello  und  der  Jadviga 
wird  schon  im  J.  1415  notiert  i).  Ihre  Popularität  ist  bald  so  groB  und 
so  berflchtigt  geworden,  daß  man  gegen  dieselben  spezielle  Besehlflsse 
£usen  mußte.  »Wide  rzeczy  skodii?rych  dzieje  si^  w  pa^twach  na- 
siyeh  sa  prseohowaniem  Wlochöw  i  SerMw  nieosiadlych  i  lufnyeh; 
pneto  zakazigemy  przechowywaö  ich  pod  win^,  ktöra  jest  w  prawie  o 
przechowaniu  cjganöwc  heißt  es  in  ^Volumina  legum*  III,  p.  468. 
Yon  der  großen  Popularität  der  serb.  Sänger  zeugen  auch  die  polnischen 
Dichter  des  XYI.  u.XYII.  Jahrh.  Ein  klassisches  Beispiel  rflhrt  von  dem 
Dichter  Miaskowski  (1549 — 1622)  her,  welchen  meinem  Wissen  nach 
Prof.  Y.  Jagic  der  erste  zitiert  hat,  zuerst  in:  »Cnje^o^aHCTBa  es  npo- 
nuEocTH  0  cpncKHM  Hap.  njecMaMa«  1875,  und  dann  in  »Gradja  za  histo- 
ryu  aloYinflke  narodne  poezije«.  U  Zagrebu  1876,  p.  86 — 87.  Da  sind 
die  Worte  des  Dichters: 

Drudzj  zai  co  to  lata  na  Xoldziech  trawili, 
Tr^b  iui  y  b^bnow  sjci,  kozita  polubili: 
Przy  nim  Serbin  i^Xoiny  dhigi  smyczek  wlecze, 
2:.eb  skrzywiwssj  po  polciu  a  Rjwulf  sieeze, 
Grai%c  im  starodubskie  dumy,  iak  przed  laty 
Tuiicow  bili  Polacy  j  m^&ne  Horwatj. 

Die  Forscher  haben  schon  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Parallele 
zwischen  den  serb.  und  ukrain.  Liedern  gelenkt.  Antonovi^-Draho- 
manoY  haben  in  ihrer  Sammlung  vier  Lieder  angeführt,  deren  serbischer 
Ursprung  außer  Zweifel  liegt:  1)  >noKyiiKa  ÖpaTOM'E  ceoTpu-njiiH- 
HHmii«  wird  Yon  ihnen  in  Zusammenhang  gebracht  mit  einer  serbischen 
Parallele:  »IIpo^^aTa  £y6a  Eor^aHOBa«  (o.  c,  p.  281 — 282,  u.  275 — 


1)  Monum.  med.  aevi.  B.  XY.  Dr.  F.  Piekosi^ski:  Rachunki  Wlady- 
slawa  Jagie^  i  Jadwigi.  p.  457  u.  459. 


238  Michajlo  Teräakoveö, 

286)  —  2)  »Tema  BTt  lu^Hy  y  shth«  mit  einer  balgarischen  (o.  c, 
p.  286 — 296,  u.  295 — 296)  —  3)  »BpaTB  npo^aexi  cecxpy  TypKaM^« 
und  4)  >OTei]rB  npo^aeTi»  äo^b  TypnaM-B«  mit  mehreren  serb.  n.  bolgar. 
(296—302.  302—311). 

Die  genannten  Lieder  verraten  zwar  eine  weite  Verwandtschaft 
auch  mit  anderen  europäischen  Varianten,  dennoch  sind  sie  mit  den 
serbischen  Var.  am  nächsten  verwandt,  was  die  beiden  Forscher  hervor- 
heben. Dieser  Bemerkung  muß  noch  ein  wichtiger  Umstand  hinzugefQgt 
werden:  dielBerücksichtigung  der  Abstammung  der  bekannten  Varianten. 
Von  6  Var.  des  Liedes  ad  1)  wurden  nämlich  vier  in  Galizien,  eine  bei 
den  Pii^Suken,  eine  unbekannt  wo  gefunden.  Von  5  Var.  des  Liedes 
ad  2)  sind  vier  in  Galizien,  eine  unbekannt  wo  aufgeschrieben.  Je  drei 
Var.  des  Liedes  ad  3)  u.  4)  sind  alle  galizischer  Herkunft.  Die  fast  aus- 
schließlich galizische  Abstammung  der  Var.  kann  mit  den  oben  erwähn- 
ten Nachrichten  von  den  serb.  Sängern  und  Geigern  in  Polen  und  auch 
Galizien  nicht  besser  übereinstimmen. 

Zu  den  vier  erwähnten  Liedern  möchte  ich  noch  das  fSnfte  hinzu- 
fügen, dessen  serb.  Herkunft  Dr.  Ivan  Franko  schon  in  >ZytieiSlovo€ 
B.  in,  p.  369  vermutet,  mit  der  Übersetzung  des  zu  vermutenden  serb. 
Originals  begleitet  und  welches  er  neulich  (SanncKH  Bayic.  tob.  Im. 
lIIeBqeHKa  y  JbBOBi.  B.  67,  Bibliogr.  15 — 16)  wiederum  zur  Sprache 
gebracht  hat.  Die  Vermutung  des  Dr.  I.  Franko  ist  ganz  richtig,  obwohl 
die  Ähnlichkeit  nicht  so  leicht  zum  Vorschein  tritt  wie  bei  den  anderen 
vier  Liedern.  Wir  wollen  das  in  Rede  stehende  Lied  näher  prüfen,  weil 
man  dabei  das  Volk  bei  seinem  Schaffen  beobachten  kann,  das  dahin 
geht,  das  Lied  von  den  serb.  Elementen  frei  zu  machen,  demselben  das 
lokale  Kolorit  zu  verleihen  und  dadurch  an  die  lokalen  Verhältnisse  an- 
zupassen. 

Es  sind  drei  Var.  dieses  Liedes  in  Galizien  gefunden  (zwei  davon  in 
Eolbergs  »Pokucie«  B.  U,p.  17  u.  18,  und  eine  in  *Zt/tteiSlovo*  B.IH, 
p.  369  ff.),  welche  von  dem  Konflikte  zwischen  zwei  Gatten  handeln,  dem 
Gatten  Ivan  und  seiner  Gattin  Marijana.  »Dieser  dritte«  ist  ein  Türke,  dessen 
Verlockungen  Marijana  erliegt,  ihren  Gatten  verläßt,  ja  denselben  gefangen 
zu  nehmen  hilft.  Dem  Gefesselten  gelingt  es  aber,  sich  zu  retten.  Durch  List 
gewinnt  er  von  dem  Türken  den  Bogen,  mit  welchem  er  seinen  Neben- 
buhler und  seine  Gattin  erschießt.  Der  Inhalt  des  serb.  Liedes  (Samm- 
lung des  KaradL,  Staatsausgabe  B.  HI,  34 — 44 :  »HeBJepa  A>y6e  rpyn- 
qHHB«)  ist  im  Grunde  genommen  derselbe,  nur  mit  dem  Unterschiede,  daß 


Beziehungen  der  ukrainischen  histor.  Lieder  zum  südfllav.  Yolksepos.    239 

hier  noch  zwei  Personen  vorkommen  (die  Schwester  des  Helden  und  sein 
junger  Sohn),  die  den  galiz.  Vax.  schon  abgehen.  Es  ist  selbstverständ- 
lich, daß  das  serb.  Lied  dadurch  an  Situationen  und  Konflikten  reicher 
ist.  Das  galiz.  Lied  mußte  auf  Manches  verzichten.  Der  Heroismus  des 
kleinen  Knaben,  der  seinem  Vater  den  Türken  zu  bändigen  hilft,  war 
in  Oalizien  bei  hiesigen  poetischen  Mitteln  nicht  begreiflich.  Man  konnte 
auch  nicht  den  Anteil  der  Schwester  des  Helden  akzeptieren,  weil  die- 
selbe in  der  serb.  Yar.  eine  Schänkerin  ist,  und  Schanker  pflegen  in 
Oalizien  nur  Juden  zu  sein.  Man  verstand  auch  nicht  das  freie  Walten 
des  Tflrken,  der  allein  ohne  Hindernis  in  das  Dorf  kommt  und  hier 
ohne  etwas  zu  ftlrchten  einem  anderen  seine  Gattin  entfflhrt.  Die  Os- 
manen  sind  doch  in  Oal.  nur  in  ganzen  Massen  erschienen.  Hat  aber 
einmal  unser  Lied,  dem  serb.  Original  folgend,  den  Türken  allein  han- 
deln lassen  und  dadurch  die  geschichtliche  Wahrheit  vergewaltigt,  so  hat 
es  versucht,  anderswo  dafür  einen  Ersatz  zu  geben.  Es  hat  nämlich  die 
psycholo^che  Seite  der  Heldin  vertieft  und  ihre  Untreue  dem  Gatten 
gegenüber  durch  einen  Riß  in  ihren  gegenseitigen  Verhältnissen  motiviert, 
während  im  serb.  Liede  die  Ursache  des  Verrates  nur  Verlockungen  und 
Versprechungen  des  Türken  sind,  die  aber  .bei  den  dortigen  Verhältnissen 
verständlich  waren. 

Durch  das  Verzichten  auf  die  Rolle  der  Schwester  und  des  Sohnes 
des  Helden  mußte  das  galiz.  Lied  sich  nach  einem  anderen  Mittel  der 
Befreiung  des  Helden  umsehen.  Es  verwendet  dazu  die  Mittel  der  ein- 
heimischen Poesie  und  läßt  seinen  Helden  dem  Türken  den  Bogen  ent- 
locken, in  der  angeblichen  Absicht,  ein  Paar  Tauben  zu  schießen.  Der 
nichts  Böses  ahnende  Türke  tut  dem  Gefangenen  den  Gefallen,  bricht 
aber  selbst  unter  dem  Pfeile  seines  eigenen  Gewehres  zusammen.  Der 
Ausgang  derselbe  wie  in  der  Duma  von  Bajda  Vysnevedkyj^  der  in 
Konstantinopel  auf  dem  Hacken  hängt  und  den  Sultan  um  den  Bogen 
bittet: 

Oh  ]^apK)-3K  mIh  MOJso/^eceHLKHH, 

üo^aS  mohT  jyqoK  Ta  TyreceHBKHH, 

HoAaH  MenT  TyrHH  jryqoK, 

I  cTpijoqoK  ^TJfflH  iryTiOK! 

Oh  6a^  ä  xpn  rojyÖOHtKH, 

XO^  H  yÖHTH  äJä  HOrO  ÄO^KH. 
flfi  H  MTpiO,  TaM  H  BI^TJK), 

^e  H  Bäxy,  Tau  h  Bpa^y. 


340  Kicliiylo  Terfiakaveö, 

Oh  AK  cTpiiHB,  —  KapA  Bi^Tjras, 

A  i^apHipo  B  noTEJonpo, 

Horo  AOHLKy  b  roJOBOHBKy.  — 

(ÄHTOHOBH^-^arOMaHOB  I,  p.  146.) 

Kurz  Tmd  gut,  die  Fäden  der  fremden  Stickerei  sind  schon  beträchtlicli 
aufgeschlitzt  und  mit  den  einheimischen  ersetzt,  dermaßen,  daß  wir  nur 
mit  Hilfe  der  Analyse  das  Original  entdecken  und  die  Gemeinsamkeit 
konstatieren  können. 

Möglich,  daß  es  jemandem  gelingt,  mehrere  Parallelen  der  Entleh- 
nung anzufahren ;  vorläufig  kann  ich  das  selbst  nicht  tun.  Die  fftnf  an- 
geführten Lieder,  deren  serbische  Abstammung  zweifellos  ist,  sind  aus- 
reichend, um  die  Vorliebe  der  galiz.  sog.  Kuthenen  für  die  serfo.  Lieder 
yon  den  Türken  zu  illustrieren.  Wie  es  aber  an  dem  letzten  Beispiele  zu 
ersehen  ist,  ließen  die  galiz.  Ukrainer  das  entlehnte  Gut  nicht  unbe- 
arbeitet; im  Gegenteil  sie  waren  bemüht,  dasselbe  an  ihre  Verhältnisse 
anzupassen. 

Angesichts  dessen  muß  man  sich  ftir  die  Meinung  erklären,  daß  die 
serb.  junakischen  Lieder  nur  auf  die  galizisch-ukrainischen  einen  EinfluB 
ausgeübt  hatten,  während  sie  auf  das  Epos  der  Dumen,  yomehmlich  auf 
den  Inhalt  einen  solchen  nicht  ausgeübt  hatten.  Was  die  Form  an- 
belangt, so  kann  man  schon  von  einem  Einflüsse  sprechen.  Man  gedenke 
dabei  der  oben  besprochenen  stilistischen  Besonderheit,  die  dem  serb. 
Epos  zu  verdanken  ist.  Michaßo  Teriakoveö. 


PS.  Während  diese  Zeilen  schon  im  Herbste  1906  fertig  waren,  begann 
im  Mäni  1907  in  >3anHCKH  HayROBoro  xosapHCXBa  Imohh  IIIeBYeHKa« 
in  Lemberg  eine  größere  Abhandlung  von  Dr.  IvanFranko  u.  d.  T.  »Gxy« 
sU'  HaA  yKpaYHCLKHMH  HapoAHHMH  nicuHMH«  zu  erscheinen,  welche 
auch  einen  Teil  des  von  mir  behandelten  Materials  berührt  Dr.  Franko  be- 
schäftigt sich  nämlich  sehr  eingehend  mit  jenen  Liedern,  denen  ich  die  gali- 
lische  Provenienz  zugeschrieben  hatte.  Da  ich  in  meinem  Artikel  nicht  den 
Zweck  verfolgte,  mich  mit  der  Detail- Analyse  der  besagten  Lieder  abzugeben, 
so  habe  ich  mich  lediglich  auf  die  Illustriemng  der  bekannten  gegenseitigen 
Beziehungen  beschränkt  Andere  Ziele  hat  sich  Dr.  Franko  in  seiner  wert- 
vollen Abhandlung  vorgesetzt.  Die  feinfühlige  Text-Analyse  und  Gruppie- 
rung, die  scharfsinnige  Kombination  in  dem  Heranziehen  der  verwandten 
slavischen  Varianten  sind  ohne  weiteres  anzuerkennen  bei  der  Erklärung  der 
bei  mir  S.  17 — 18  nur  flüchtig  besprochenen  vier  Lieder.  Ich  verweise  daher 
einfach  auf  die  entsprechenden  Kapitel  der  »Studien«.   Dem  bei  mir  S.  17 


BesEehnngen  der  nkninischen  histor.  Lieder  nun  sttdBlay.  VolksepoB.    241 

vnten  ad  1.  sutierten  liede  >IIoKyiiKft  öpaxoMi  cecxpu  njftiiE^nu«  ent- 
sprioht  bei  Dr.  Fhmko  Kapitel  III,  68 — 77  (TypvHE  xynye  cecxpy-no- 
joHüHKy);  4emad2.  o.  d.  T.  »Tom«  B'h  njK^Hy  y  bäte«  S.  18  entspricht 
Kap.  VI,  77^84  (Tepa  b  do^ohY  y  batji);  dem  ad  3.  ibid.  »Epax  npo- 
jtaeT  cecxpy  TypRaii.c  entepriohtKap.IY,  ^S — 68  (Epax  npoxa«  ceczpy 
TypvBHOBH);  dem  ad  4.  jbid.  »Oxen  npoAaex  ao^  Typ^aK«  entapricht 
Kap.  m,  48—58  (EaxLRo  xxpoAae  Aovxy  Typ^HHOBv}. 

Aach  dem  fünften  von  mir  angeführten  Liede  von  »Ivan  nnd  Mari- 
j  ana€  S.  18 — ^20  hat  der  YerlaBBer  eine^  aehr  eingehenden  fizkors  gewidmet 
Er  ateht  auch  jetart  auf  denselben  Standpunkte,  den  er  Mher  in  »ittie  %  Slavot 
behauptete,  d.  h.  er  iet  für  die  Entlehnung  des  GnuuUiy  ete  ans  der  serbiachen 
Yolkaepik,  wogegen  sich  nichts  einwenden  läßt  Nur  die  Art  nnd  Weise,  wie 
er  die  lokale  Tradition  mit  der  fremden  Entlehnung  verknüpft,  scheint  mir 
unannehmbar.  Der  Verfasser  sucht  n&mlich  auf  Grund  der  lokalen  Tradition 
die  Entstehungsieit  des  Liedes  au  bestimmen.  Jedoch  sein  Streben,  die  £nt- 
stehuDgsaeit  des  Liedes  festzusetzen,  dessen  Helden  keine  geschichtlichen,  ja 
keine  einheimischen,  sondern  der  fremden  Poesie  entnommene  Personen  sind, 
muß  man  schon  im  Voraus  sehr  gewagt  nennen,  geschweige  denn,  wenn  der 
Verfasser  über  keine  stichhaltigen  Beweise  verfiigt  Dr.  Fi;anko  hat  zwei  Be- 
weise, mit  deren  Hilfe  er  die  Genesis  des  Liedes  in  das  16.  Jh.  zurückführt; 
der  eine  von  ihnen  ist  geschichtlich-kultnrell-topogzaphischer,  der  andere 
literarischer  Nator.  Außer  den  drei  von  mir  genannten  Varianten  des  Liedes 
besitzt  Dt.  Franko  zwei  andere,  noch  nicht  gedruckte,  vermöge  welcher  er 
den  ideellen  Volltext  rekonstruiert  Der  Anfang  des  Liedes: 

Ta  H6  naB  IsaH  luo  po(iHTH 

Ta  MycXB  cY  oseHxzH, 

Ta  B3AB  codi  MapHHo^Ky, 

HapKHo^Ry  sa  näso^Ky. 

>Oii  iBaue,  iBaso^Ry, 

IIoRHfli  niixa  roplBO^Ky, 

UoKaHL  nHTtf,  rauuyBaxv, 

EyxeMo  ch  r^aaxyBaxH. 

Aan  ROBBKH  aa  boihrh, 

A  BOoo^oK  aa  iuy;RoqoK, 

A  cYAe^iie  aa  xpeime, 

A  Kaa^yqoK  aa  hcth^or. 

Ta  niAOMO  b  vhcto  noje, 

Ta  BiopeM  co6i  HHBRy, 

&  hY  ByaRy,  hY  niapoRy, 

Ahi  ÄOBry,  hY  RopoTRy  (>3anHCRB«,  B.  LXXV,  p.  32 — 33 ) 
nnd  das  Nachdenken  über  seine  Beschaffenheit  zwingt  den  Verfasser  zur  fol- 
genden Annahme:  »Dieses  Lied  ist  wenig  verbreitet  und  nur  in  Pokutie,  in 
der  gabelförmigen  Gegend  zwischen  Prut  und  äeremoS  aufbewahrt  Es  gerät 
schon  sichtbar  in  Vergessenheit,  vielleicht  wegen  seiner  Länge,  wegen  des 
wenig  begreiflichen  Inhaltes  und  einer  ungewöhnlichen,  altertümlichen  Melo- 
die. Einzelne  Details  der  in  ihm  geschilderten  Lebensweise  weisen  auf  sein 

▲rehiv  f&r  fUfifehe  Philologie,  ttiy,  j^ 


242  Michajlo  TerSakove^, 

hohes  Alter  hin^).  1)  Es  wird  keine  Erwtthnnng  des  Dorfes  getan, 
w  o  Iy an  lebte ;  im  Gegenteil  ans  dem  Inhalte  des  Liedes  geht  es  hervor,  daß 
er  in  dem  Dorfe  gar  nicht  lebt,  sondern  irgendwo  in  einem  Meierhofe,  in  der 
Einsamkeit  so,  daß  er  gegen  den  Türken  niemanden  anßer  seiner  Fran  zu 
Hilfe  rufen  kann.  2]  Er  pflügt  mit  dem  Weibe  ein  beliebiges  Ackerstück, 
das  heißt  er  beginnt  einen  noch  freien,  unbeschränkten  Boden 
zu  pflügen.  3)  Vor  der  Heirat  hat  er  nicht  ein  Landmannsleben  ge- 
führt, sondern  ein  freies,  Burlaken  (Schlenderer)- oder  Kosaken- 
Leben  so,  daß  ihn  erst  seine  Frau  überreden  muß,  die  Pferde  gegen  die 
Ochsen,  den  Wagen  gegen  den  Pflug,  den  Sattel  gegen  das  Joch  und  die 
Riemengeißel  gegen  die  Pflugreute  umzutauschen,  das  heißt,  von  der  ritter- 
lichen  Kosaken-Lebensweise  zur  landmännischen  überzugehen. 
Fügen  wir  noch  hinzu,  daß  Ivan  und  der  Türke  den  Bogen  schießen, 
daß  Marijana  zu  Pferde  reitet,  wie  es  sich  einer  Steppen- 
Kosakin  geziemt,  so  bekommen  wir  ziemlich  deutliche  Hin- 
weise auf  die  Zeit  des  XV. — XVI.  Jh.,  wo  diese  Züge  ganz  der 
Wirklichkeit  entsprachen,  besonders  in  diesen  Teilen  unseres 
(verst.  ukrainischen)  Landes,  welche  südlich  und  östlich  gegen 
die  Grenzen  des  türkisch-tatarischen.  Gebietes  lagenc  (3a- 
nHCKK,  p.  37). 

Diese  Annahme  und  zwar  die  Schlußfolgerung  ist  schon  aus  dem  Grunde 
unannehmbar,  weil  unser  Lied  sonst  zu  einem  Flickwerk  werden  würde,  das 
von  allerlei  aus  verschiedenen  Gegenden  zusammengebrachten  Teilen  zusam- 
mengestopft ist  Denn  wenn  wir  die  in  dem  Schlußsatze  aufgezählten  Züge 
als  solche,  die  der  Wirklichkeit  eiitsprechen,  also  fast  alle  wichtigeren  Be- 
standteile des  Liedes  als  reell  betrachten,  was  steht  uns  dann  im  Wege,  noch 
den  letzten  Bestandteil,  den  Saub  resp.  den  Kauf  des  Weibes,  als  reell  anzu- 
nehmen und  folglich  die  fremde  Entlehnung  ganz  und  gar  abzulehnen.  Denn 
war  eine  derartige  Zusammenkunft  des  Ivan  mit  dem  Türken  mOgUch,  warum 
konnte  nicht  auch  der  Baub  des  Weibes  möglich  sein?  Dr.  Franko  schweigt 
jedoch  von  einer  solchen  Möglichkeit  und  in  der  weiteren  Folge  beschäftigt 
er  sich  nur  mit  den  serbisch-bulgarischen  Einflüssen. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  drei  Beweisgründen,  die  den  Verfasser  zu 
dem  bekannten  Schlüsse  brachten.  Ad  1.  Dr.  Franko  traut  zu  sehr  seinem 
eigenen  Kommentar  zum  Texte  des  Liedes,  wenn  er  den  Ivan  zu  einem  ukrai- 
nischen Steppenmeierhof  besitzer  macht,  der  einsam,  fem  von  allen  Leuten,  in 
dem  Kampfe  gegen  den  Türken  nur  auf  die  Hilfe  seiner  eigenen  Frau  ange- 
wiesen ist  Wenn  man  schon  die  allbekannte  Tatsache,  daß  man  auf  die 
Topographie  der  Volkspoesie  sich  nicht  allzusehr  verlassen  darf,  mit  in  Rech- 
nung zieht,  so  muß  man  einwenden,  daß  die  Abwesenheit  jeder  Topo- 
graphie in  solchem  Liederzykl'us,  zu  dem  auch  unser  Lied  gehört,  nichts 
merkwürdiges  ist,  daß  es  im  Gegenteil  eine  bewußte  Manier  ist  Um  nur  ein 
Beispiel  anzuführen:   In  dem  Liede  »EaxBKo  npoAae  Ao^Ky  TypKSM« 


^)  Die  Numerierung  und  das  Unterstreichen  gehört  mir. 


Besiehnngen  der  nkriinisohen  histor.  Lieder  zum  BÜdslav.  Volksepos.    243 

[*Siudien*  Kap.  III)  fragt  die  verkanfte  Tochter,  wo  sie  Bioh  vor  den  Tfirken 
▼erbergen  darf.   Der  Yaier  gibt  ilir  nicht  einen  Nachbar  an,  sondern  sagt : 

IxH  CHHxy,  B  ?opHy  ropy, 

Tau  icyjEiipi  rpitf  uypyioTB, 

BoHX  Te6e  BaMypys>TB  (SanscKs,  p.  49). 
Die  unglückliche  Tochter,  die  von  dem  Türken  weggeführt  wird,  findet  unter- 
wegs keine  Hilfe,  ebenso  wie  Ivan.  Die  genaue  topographische  Angabe 
würde  den  YolkssSnger  in  Verlegenheit  bringen,  denn  sonst  müßte  er  yon 
den  Gegenden  sprechen,  die  er  nie  im  Leben  gesehen  hat;  dämm  zieht  er  vor, 
dieselbe  mit  Stillschweigen  zn  übergehen,  ebenso  wie  Dr.  Franko,  fttr  weichen 
die  Topographie  in  dem  eben  genannten  Liede  kein  Interesse  darbietet,  weil 
er  sonst  gezwungen  wäre,  seinen  Ursprung  auch  in  der  Steppen-Ükraina  zu 
suehen. 

Ad  2.  Der  Verfasser  findet  weiter  im  Texte,  was  dort  nicht  zu  finden 
ist,  wenn  er  die  Stelle  vom  Ackerbau  dahin  deutet,  der  Held  nehme  ein  freies, 
vor  ihm  noch  unbebautes  Ackerstttck  in  Besitz,  um  es  zu  bebauen ;  jedoch 
aus  dem  vollen  Texte  einer  Var.,  vor  allem  aber  aus  dem  Texte  der  anderen 
drei  Var.  (denn  die  fünfte  zieht  der  Verfasser  zum  Vergleich  nicht  heran),  ist 
nur  zu  entnehmen,  daß  Ivan  einfach  seinen  eigenen  Acker  bebaut  Die  Worte: 

Ta  BiopeM  co6i  HHBKy, 

&  hY  By3Ry,  bY  mnpOKy, 

A  hY  ÄOBry,  hY  RopOTKy 
lassen  nicht  die  Erklärung  zu,  daß  die  Gatten  ein  beliebig  großes  Grundstück 
bebauen,  sie  dienen  nur  zur  Beruhigung  derjenigen  Person  des  Ehepaares, 
welche  früher  der  Trunksucht  huldigte  und  dadurch  der  regelmäßigen  Arbeit 
entwöhnt  war. 

^  Ad  3.  Die  Behauptung,  der  Held  habe  vor  der  Heirat  ein  freies,  ritter- 
tiches  Kosakenleben  geführt,  ist  unbegründet  Die  Erwähnung  des  Pferdes, 
des  Wagens,  des  Sattels  und  der  Biemengeißei  als  der  Sinnbilder  eines  Ko- 
sakenritters besagt  gar  nichts;  zur  Ausrüstung  eines  Kosaken  fehlt  noch 
vieles,  darunter  auch  das  Wesentliche,  ciie  ganze  Angriff-  und  Defensiv- 
Waffe.  Ja,  woher  konnte  denn  der  galizische  Volkssänger  einen  Kosaken 
schfldem,  wenn  er  ihn  erst  1648,  zur  Zeit  des  Bohdan  Ghmelnickyj,  zum 
erstenmal  in  Galizien  gesehen  hat?  Er  war  doch  nur  imstande,  davon  zu 
sprechen,  was  ihm  zugänglich  war,  was  er  mit  seinen  Augen  jeden  Tag  be- 
trachtete, also  von  dem  Pferde,  dem  Sattel,  der  Geisel  vulgo  nahajka  (womit 
er  als  ein  Leibeigener  mitunter  selbst  blutig  gezüchtigt  wurde),  dem  Wagen. 
Kurz  gesagt,  die  Erldärung  des  Verfassers  trifft  nicht  zu;  wir  müssen 
uns  also  nach  einer  anderen  umschauen,  die  uns  den  Text  des  Liedes  begreif- 
lich macht.  Ich  glaube  nun  bei  meiner  früheren  Erklärung,  die  ich  S.  239  ge- 
geben habe,  bleiben  zu  können.  Dort  ist  folgendes  gesagt:  »Hat  aber  einmal 
unser  Lied,  dem  serb.  Original  folgend,  den  Türken  allein  handeln  lassen 
und  dadurch  die  geschichtliche  Wahrheit  vergewaltigt,  so  hat  es  versucht, 
anderswo  dafür  einen  Ersatz  zu  geben.  Es  hat  nämlich  die  psycholo- 
gische Seite  der  Heldin  vertieft  und  ihre  Untreue  dem  Gatten 
gegenüber  durch  einen  Biß  in  ihren  gegenseitigen  Verhält- 

16* 


244  ICiohitfio  Tedafcav^, 

nisaen   motiviert«.    DioMe  psycholo^^sohe  Moment  ppidt  tine  gsoBe 
Bolle  in  4em  Streben  nAch  der  ErgSnanng  and  VervoUkommung  des  Taxtee. 
Stellen  wir  uns  einmal  auf  den  Standpunkt  eines  Yolkssängers:  Die  Gattin 
verrät  ihren  Mann  an  einen  anderen  —  dazu  maß  aie  einen  Grund  haben  — , 
sie  hat  auch  einen  solchen,  ihr  Mann  ist  doch  ein  Trankenbold  <),  er  vergeudet 
Geld,  er  vemaehljtoBigt  seine  Wirtschaft»  statt  auf  dem  Acker  au  arbeiten, 
zieht  er  tot  angeblich  in  Wirtschaftsangelegenheiten  herumaufahren  oder  ao- 
gar  wie  ein  »Herr«  auf  gesatteltem  Pferde  zu  reiten.  Endlich  erliegt  er  jedoch 
den  Überredungen  seiner  Frau;  er  gibt  sein  lustiges  Leben  auf,  und  in  dem 
Augenblicke,  wo  der  Türke  kommt,  ist  er  schon  auf  dem  Acker  beschäftigt. 
Man  kann  nun  einwenden:  Der  Mann  ist  nunmehr  auf  die  richtige  Laufbahn 
gekommen,  aus  einem  Trunkenbold  ist  er  ein  ordentlicher,  arbeitender  Mann 
geworden,  seine  Frau  hat  alles  erreicht,  was  sie  mit  ihren  Überredungen  hat  er- 
reichen wollen,  sie  hat  nun  keinen  Grund  mehr,  ihn  au  yerlaseen  und  ihn  im 
Stiche  zu  lassen;  sie  verrät  ihn  dennoch.  Also  eine  Inkonsequenz,  der  Ab- 
gang der  Logik,  der  Ethik  usw.?  Ganz  richtig.   Der  Volkssänger  hilft  aich 
jedoch  auch  in  dieser  Lage,  indem  er  die  strenge  Eonsequenz  einführt,  der 
Logik  und  der  Ethik  Rechnung  trägt.  Es  ist  interessant,  daß  in  einer  Yar.  des 
Liedes  (Eolbergs  >Pokucie«  II,  p.l8)  die  Verantwortung  fttr  den  Verrat,  als 
die  Folge  der  Familienzerwürfnisse,  auf  Marijana,  nicht  auf  Ivan  fällt,  wie  in 
den  anderen  vier  Var.;  sie  ist  eben  der  Trunksucht  ergeben: 

>A  MapAHKO,  Map^HoqKy, 

IIORHHL   UHTH   roplZOVKy, 

HoKBHB  naxji  la  ryjLaxa, 

Ta  6yA6M0  i'asAOBaia«. 
Ein  Weib,  das  die  Zeit  auf  Zechgelagen  vergeudet,  die  Wirtschaft  seines 
Mannes  vernachlässigt  und  ruiniert,  ist  imstande,  auch  um  selbst  zugrunde  zu 
richten.  Ein  ganz  folgerichtiger  Schluß.  Aus  dem  Grunde  kann  ich  nicht  der 
Meinung  des  Dr.  Franko  ganz  beistimmen,  das  lied  sei  in  dieser  Var.  ver- 
dorben; in  sprachlicher  Hinsicht,  ja  (eine  Beimischung  von  Polonismen},  aber 
in  der  Entwicklung  des  Sujets  bedeutet  diese  Var.  einen  Fortschritt,  indem 
sie  das  Fremde,  Unbegreifliche,  den  hiesigen  Verhältnissen  Zuwiderlaufende 
durch  das  einheimische,  also  mehr  begreifliche,  logische,  natürliche  Element 
zu  ersetzen  sucht 

Der  Verfasser  gibt  noch  ein  anderes  Hilfsmittel  zur  Festsetzung  der 
Entstehungszeit  des  Liedes  an ;  dieses  findet  er  in  der  Szene,  wo  Ivan  dem 
Türken  dem  Bogen  entlockt,  mit  welchem  er  seinen  Gegner  und  seine  Frau 
zugrunde  richtet.  Oben  habe  ich  die  Meinung  geäußert,  daß  unser  Lied  diesen 
Zug  sich  ans  der  Duma  vom  Bajda-Vy&neveökyj  zueigen  gemacht  hat 
Dr.  Franko  behauptet  das  Gegenteil  (vgl.  SaniicRH  p.  45 — 46).  Die  Episode 
mit  dem  Bogenschießen  sehe  in  unserem  Liede  natürlicher,  älter  aus ;  sie  habe 
also  den  Ursprung  der  entsprechenden  Episode  der  Duma  gegeben.  >Mdglich, 

1)  0&  iBaae  iBaHO^Ky, 

noKSHB  naxH  ropiBOVxy, 
noKHEB  UHTH,  rauByBaTE  usw. 


Besiehii]ig«ii  der  nkraiaitolMii  ktotor.  Liedsr  zank  slldslar.  VoUaepöB.   245 

dAfi  uBsereitt  Liede  jene  nrel  ZeSeii  entnommen  sind,  die  Bi^da  im  Monde 
führt,  die  in  aneerem  ikleKit  anf bewabri  dind,  die  jedoch  gnt  itar  Sitoaitfon 

Ae  H  Bftflty,  MM  ir  Bpaxy«. 
Im  Monde  des  Ivan  würden  diese  Worte  ganz  natüiiieh  sdn,  (bestimmt  dazn), 
am  den  Türken  zar  Über^be  &M  Bogens  za  bewegen,  damit  er  (lyan)  seine 
Eanst  versacken  könnte«  (1;  c.  p.  46).  Da  jedoch  die  genannte  Doma  gegen 
das  Ende  des  16.  Jh.  entstanden  ist,  so  haben  wir,  meint  der  Verfasser,  den 
zweiten  Beweis,  daß  die  Entstehongszeit  des  Liedes  spätestens  aaf  das  Ende 
des  16.  Jh.  zorückzoführen  sei. 

Ich  lasse  jeden  frachtlosen  Streit  beiseite  and  werde  nar  dasjenige  be- 
rühren, was  klar  and  anwiderlegbar  ist.  Es  maß  n&nlich  zagegeben  werden, 
daß  nor  dasjenige  entlehnt  werden  kann,  wss  bekannt  ist,  —  dagegen  das 
unbekannte  bleibt  verborgen  and  anbenützt  In  anserem  Falle  sind  wir  damit 
ganz  im  Klaren.  S&mtliche  Yar.  des  Liedes  von  Ivan  and  Marijana  sind  gali- 
zischer  Herkanft,  dagegen  die  der  Dnma  von  Bajda-Vydnevedkyj  sind  an- 
gleichmllßig  verteilt:  der  überwiegend  größere  Teil  davon  fUlt  Ukraina  za, 
welche  aach  die  Wiege  der  Doma  bildet,  die  übrigen  Yar.  in  viel  geringerer 
Zahl  gehören  nach  Galizien,  wohin  sie  erst  verpflanzt  warden.  Es  ist  evident, 
daß  die  Dama  aas  dem  Liede,  welches  in  der  Ukraina  ganz  unbekannt  war, 
nicht  entlehnen  konnte,  daß  also  nar  das  Gegenteil  richtig  ist,  d.  h.  daß  anser 
Lied  die  bezügliche  Episode  bei  denjenigen  Yar.  der  Dama  geborgt  hatte,  die 
von  Uiaaina  nach  Galizien  gekommen  sind.  Es  wird  interessant  sein  noch 
za  wissen,  daß  der  Typos  eines  Wanderschützen  sowohl  in  der  alten  als  auch 
in  der  jüngeren  Poesie  der  Ukraina  Öfters  vorkommt  In  »SanncxH  o 
iDXHOH  PycH«  von  Knlifi,  B.  I,  p.  3 — 5  haben  wir  »du  Legende  von  dem 
goldenen  Tore*^  in  welcher  der  Held  Michajiik  (Michelchen)  bei  der  Erobe- 
rong  Kievs  einem  Tataren  die  Pfeile  in  seine  Eßschüssel  schickt.  Die  Heraus- 
geber der  »HcTOpH^ecKiji  nicHH  MazopyccRaro  Hapoxa«  glauben, 
diese  Legende  sei  das  Brachstück  eines  epischen  Gedichtes  von  derZerstOrong 
Kievs  durch  den  Chan  Batyj  1241.  Trotz  ihrer  prosaischen  Form  haben 
Antonovii-Drahomanov  die  Legende  in  ihr  Sammelwerk  aufgenommen, 
indem  sie  behaupten,  »sie  habe  sich  aus  einer  altertümlichen  Duma  entwickelt, 
die  den  epischen  Charakter  und  den  Yersbau  allmählich  eingebüßt  hat.  Der 
auf  ans  gekommene  Yierzeiler  dient  als  klarer  Beweis  dafür«  (HcTop.  n^caa 
B.  L  51).  AuiSerdem  hat  ein  gewisser  Herr  Stojanov  den  genannten  Herans- 
gebem  eine  interessante  Mitteilung  gamacht:  Er  habe  in  seinen  Kindeijahren 
ein  Lied  von  Michajiik  in  Kiev  gehOrt;  in  diesem  Liede  schießt  der  Held 
dreimal,  mit  dem  ersten  Pfeile  schießt  er  dem  Sultan  aus  dem  Munde  die 
Tabakspfeife  hinweg,  mit  dem  zweiten  hat  er  ihn  selbst  erschossen,  mit  dem 
dritten  seine  Frau,  (ibid.)  —  also  ein  Fall  ganz  Xhnlieh  dem  unseren.  In  der 
neueren  Zeit  finden  wir  das  Werfen  der  Pfeile  in  das  MittagsmaU  des  Gegners 
in  der  Yolksüberlieferung  von  dem  Semen  Palij,  dem  Zeitgenossen  des 
Hetman  Ivan  Mazepa  aus  dem  Anfange  des  18.  Jh.  (vgl.  einige  historische 
Überlieferungen,  mitgeteilt  von  P.  P.  Cubinskij  in  »SanncKi  »roBanax- 
■aro  OTXt.ieBifl  pyccKsro  reorpaeivecKaro  o6mecTBa«   B.  I,  p.  299) 


246     Mich^jlo  Teriakoveö,  Beziehimgen  der  nknin.  histor.  Lieder  etc. 

Es  ist  alBo  kein  Anhaltspunkt  vorhinden,  um  die  Entstehnngsseit  des 
in  Bede  stehenden  Liedes  zn  bestimmen.  Wir  müssen  nns  lediglich  damit  be- 
gnügen, dieses  demselben  Zyklus  zuzuzfthlen,  welchem  die  vier  anderen  von 
mir  angeführten  Lieder  angehören.  Zwischen  ihnen  besteht  der  Unterschied 
nur  in  dem  Fortschritt  ihrer  Entwicklang.  Einmal  den  serb.  Sängern  entlehnt, 
blieben  die  vier  Lieder  auf  derselben  Stufe  der  Entwicklung.  Ganz  anders 
yerhielt  es  sich  mit  ihrem  fünften  (Genossen;  wie,  das  haben  wir  gesehen. 

Miehqflo  Teriakao§6> 


Drei  Fragen  aus  der  Tanfe  des  heiligen  Yladimir. 


Als  im  Jahre  1888  die  Bussen  das  900jährige  Jubiläum  der  Taufe 
gefeiert  haben,  erschien  bei  dieser  Gfelegenheit  eine  schöne  Anzahl  von 
Monographien  und  Untersuchungen,  die  diesen  interessanten  Punkt  der 
russischen  Oeschichte  mehr  oder  minder  wissenschaftlich  behandelt  haben. 
Wenn  auch  diese  Untersuchungen  manche  Seite  dieser  Begebenheit  in 
anderem  Lichte  erscheinen  ließen,  so  blieb  dennoch  manche  Frage  der- 
selben wegen  Mangel  an  glaubwürdigen  Quellen  und  Nachrichten  dunkel 
und  unentschieden.  Die  russisch-slavischen  Berichte,  auf  denen  der  bis- 
herige Stand  der  Taufe  Vladimirs  aufgebaut  wurde,  gehören  durchweg 
kirchlichen  ELreisen  an,  die  diese  Begebenheit  natflrlich  yon  ihrem  Stand- 
punkt aus  betrachtet  haben.  Es  ist  auffallend,  daß  wir  Aber  ein  so  wich- 
tiges Ereignis,  wie  es  eben  die  Taufe  ist,  so  spärliche  glaubwflrdige 
Nachrichten  besitzen.  Aber  auch  die  zeitgenössischen  byzantinischen 
Chronisten  erwähnen  die  Taufe  entweder  überhaupt  nicht  oder  es  wird 
ihr  auch  dort,  wo  sie  es  tun,  nicht  die  Bedeutung  zugeschrieben,  die  si^ 
für  die  byzantinische  Hierarchie  tatsächlich  hatte.  Auch  dieser  Umstand 
muß  einen  tieferen  Grund  haben.  Erst  durch  die  Bekanntschaft;  des  ara- 
bischen Chronisten  Ihn  Jahja,  der  im  Anfang  des  XI.  Jahrh.  lebte^  werden 
uns  nähere  Umstände  bekannt,  unter  denen  die  Taufe  Vladimirs  vor  sich 
gegangen  ist.  Obwohl  diese  Quelle  der  russischen  gelehrten  Welt  schon 
im  J.  1883  in  der  Übersetzung  des  bekannten  Orientalisten  Baron  Rosen, 
der  sie  mit  einem  reichen  Kommentar^)  versehen,  bekannt  gewesen  ist,  so 


1)  HMuepaTop'B  BacsJiiK  Eoirapoöoäiia.    HsBJieveHifl  isx  .itTonHCE  Axxu 
AHTioxiHCRaro.  üpBJKOxeBie  ki>  XIV.  san.  ax.  h.  Nr.  1 . 


Drei  Fragen  ans  der  Taufe  des  heiligen  Vladimir.  247 

hat  man  entweder  davon  keine  Notiz  genommen  oder  man  hat  sie  nnr 
(seltene  FSlle  ausgenommen]  oberflächlich  benutzt  Noch  im  J.  188S  steht 
der  weitaus  größte  Teil  dieser  Qelegenheitsnntersnchnngen  im  Banne  der 
mssischen  Chronik.  Besonders  sind  es  drei  Punkte,  die  einer  näheren 
Beleuchtung  bedürfen,  es  sind  dies  1]  die  Frage  der  Gesandtschaften, 
2)  die  Gründe,  die  Vladimir  bewogen  haben  das  Christentum  anzunehmen 
und  3)  das  Jahr  der  Taufe.  Wir  werden  versuchen,  diese  drei  Punkte 
ins  richtige  Licht  zu  stellen.  Da  aber  das  Jahr  des  Regierungsanfangs 
Vladimirs  besonders  für  die  zweite  Frage  von  größter  Wichtigkeit  ist,  so 
werden  wir  zuerst  bestimmen,  wum  Vladimir  Alleinherrscher  von  Ruß- 
land geworden. 

I. 
Die  Angaben  über  Vladimirs  Regierungsantritt  sind  verworren.  Nach 
der  Chronik  fing  Vladimir  im  J.  980  zu  regieren  an  (ziTonHCB  74)  ^), 
während  er  nach  der  »IlaiiflrB  h  noxnaia  BxaAHiiHpy«  des  Mönches 
Jakob  und  des  »Apennee  xurie  cb.  BjaAHMnpa«  zur  Zeit  der  Besetzung 
Kijews  am  11.  Juni  978  Alleinherrscher  von  Rußland  wurde^].  Diese 
beiden  Quellen  sagen  ausdrücklich,  daß  Vladimir  sich  am  11.  Juni  978 
in  Kijew  niedergelassen  habe,  während  sie  vorausschicken,  daß  dies  im 
8.  Jahre  nach  dem  Tode  seines  Vaters  Svjatoslav  gewesen  sei.  Aber 
Bchon  hier  haben  wir  mit  Schwierigkeiten  zu  kämpfen,  da  sich  diese 
Quellen  scheinbar  selbst  widersprechen.  Der  Tod  Svjatoslavs  Wlt  in 
das  J.  973  und  von  973 — 978  süid  nur  5  und  nicht  8  Jahre.  Es  stehen 
also  entweder  das  J.  973  als  Todesjahr  Svjatoslavs  oder  das  J.  978  als 
Begiemngsanfang  Vladimirs  nicht  fest  oder  es  steht  nicht  fest,  daß  dies 
8  Jahre  nach  dem  Tode  Svjatoslavs  geschehen  sei.  Das  Jahr  973  als 
Todesjahr  Svjatoslavs  bezeugen  die  Angaben  des  Zeitgenossen  Leo  Dia- 
conus'),  es  ist  aber  auch  das  J.  978  als  echt  zu  betrachten,  wofür  die 
präzise  Angabe  nicht  nur  des  Jahres  und  des  Monats,  sondern  auch  des 
Tages  spricht,  während  die  Bezeichnung  »8  Jahre  nach  dem  Tode  seines 

1)  Wir  zitieren  nach  der  Laurentius- Chronik  der  arcbeographischen 
Kommission  vom  J.  1 872. 

*j  rax76aHCRiH,  HcTopiü  pyccKoä  i^epKBH,  2.  Ausgabe,  245,  wo  die»naMfln 
H  noxB.  Bji.€  mitgeteilt  ist,  während  das  >ApeB.  auiTie  cb.  Es.«  nach  der  Aus- 
gabe im  >^TeHiA  vh  HCTop.  oönit.  Hecxopa  JiiTonHCiia,  kehfe  BxopaA,  ota.  II,  17  < 
zitiert  ist. 

>)  Im  J.972  haben  die  Kämpfe  mit  Tzimisces  in  Bulgarien  stattgefunden 
(Leo  Dioc.  Vm.  C.  7),  den  nächsten  Winter  verbrachte  Svjatoslav  bei  den 
Stromschnellen  und  im  Frühjahr  973  fand  er  daselbst  den  Tod. 


248  S^'epsn  Srkalj, 

Vaters  SvjätosUv«  einer  näheren  Erklftning  bedatf.  Sehr  leicht  konnte 
die  Quelle  Jakobs  nnd  des  »Ap6B.  xht.«  dnreh  die  Regienrngsdaner 
Jaropolks  getäuscht  werden,  die  nach  der  Chronik  8  Jahre  lang,  von 
973 — 980  (j[iT.  72^1—7652)  gedauert  haben  soll.  Da  gewöhnlich  der 
Begienmgsantritt  mit  dem  Tode  des  Vorgängers  anfängt,  so  nimmt  er 
einfach  an,  dsiß  Byjatoslav  beim  Regiemngsantritt  Jaropolks  bereits  tot 
war,  ^as  indessen  der  Wahrheit  nicht  entspricht.  Jaropolk  hat  in  der 
Tat  8  Jahre  regiert,  aber  diese  zählen  vom  Jahre  970,  als  ihn  der  Vater 
vor  seinem  endlichen  Abzug  nach  Bulgarien  zum  Ftirsten  in  Kijew  ein- 
gesetzt hat  (jiT.  67>3).  Seit  diesem  Jahre  herrscht  Jaropolk  ununter- 
brochen in  Eljew,  während  sein  Vater  mit  Joannes  Tzimisces  um  die 
Herrschaft  über  Bulgarien  daselbst  kämpft  und  nach  Rußland  nicht  mehr 
zurflckkehtt.  Er  fand  bekanntfich  den  Tod  durch  die  räuberischen  PeSe- 
negen  bei  den  Dnjeper- Stromschnellen  973.  Tatsächlich  hat  also  die 
Herrschaft  Svjatoslavs  über  Rußland  970  aufgehört.  Nun  ist  die  Frage, 
wem  man  mehr  Glauben  schenken  darf,  dem  Mönche  Jakob  und  dem 
»JlpeB.  SHTie  OB.  Bj.«  oder  der  Chronik.  Es  ist  ein  Verdienst  äach- 
matovs,  die  Quelle  gefunden  zu  haben,  aus  der  der  Verfasser  des  »Apenuee 
surie  cb.  Bja^z^HNnpa«,  aber  auch  des  »Ha^aj[i>HiiiH  cboa'b«  geschöpft 
hat;  es  ist  dies  eine  noch  ältere  Chronik,  die  er  »/[pesHtämü  spesreH- 
HRir£<  oder  neuerdings  »^pesH^HmiH  ji^TonHCHUH  cboa'B«^)  nennt.  Dieser 
»ApeBH^SminjiiT.  CBOA'i«  diente  zugleich  dem  »Ha^ajriiHUH  cbo^ci«  ala 
Quelle;  der  Verfasser  des  Letzten  hatte  jedoch  auch  andere  Nachrichten 
zur  Hand  (wie  wir  sehen  werden)  und  ignorierte  diese  oben  erwähnte 
Angabe.  Bemerkenswert  ist,  daß  die  Chronik  selbst  Angaben  hat,  die 
unsere  Behauptung,  daß  Vladimir  978  Alleinherrscher  von  Rußland  ge- 
worden ist;  bekräftigen.  Unter  dem  J.  852  befindet  sich  in  allen  mir  zu- 
gänglichen Varianten  der  Chronik  der  bekannte  Auszug  über  die  Be- 
gierungsdauer  einzelner  Fflrsten,  wo  sich  auf  Vladimir  folgender  Satz 
bezieht:  »BoJtOAHMepi  khasui  ji^t-b  37«  (jiir.  1 7i*).  Da  aber  der  Todes- 
tag Vladimirs  in  allen  Quellen  einstimmig  mit  15.  Juli  1015  angegeben 
ist,  so  ergibt  1015 — 37  das  Jahr  978.  Wir  sehen  daraus,  daß  der  Ver- 
fasser des  »Haq.  cboa^c  zweierlei  Angaben  benfltzt  hat,  darunter  eine, 
die  mit  den  oben  erwähnten  Denkmalen  gemeinsam  war.  Diese  Tatsache 

>)  Die  erste  Benennung  in  seiner  Abhandlung  »Oahh'b  hb-b  HCTOüBasoB-B 
jiTOHECHaro  CKasanifl  o  RpemeniH  Bj[tasinfBp&«,  XapROB'L  1905,  66),  die  zweite  in 
seiner  neuesten  Abhandlung  »KopcyacKan  jiereHA&  o  apemeHia  BjcaAntapac, 
GaHKTneTep6ypr&  1906. 


Drei  Fragen  ans  der  Taufe  des  heiligen  Vladimir.  249 

wurde  bis  jetzt  —  so  yiel  mir  bekannt  ist  —  nicht  berücksichtigt.   Fflr 
das  Jahr  978  als  Begiemngsanfang  Yladimirs  k((nnen  wir  anch  die  An* 
gäbe  der  Joachimschen  Chronik  bei  TatiSSev  anfahren,  nach  weleher 
Jaroslav,  der  Sohn  Rognjedas,  im  Jahre  978  geboren  wurde  (HcTopia 
U,  56):  Damach  fUlt  das  Unternehmen  Vladimirs  und  Dobrynjas  gegen 
Sogwold  und  seine  Familie  in  den  Anfang  des  Jahres  978,  da  Jaroslay 
wahrscheinlich  Ende  desselben  Jahres  geboren  wurde.   Weiter'  ^bt  die 
Chronik  unter  dem  Jahre  1054  an,  daß  Jaroslay  76  Jalire  gelebt  hat 
(>%iBe  se  BC^x^  jt^T'B  70  h  6«,  158^);  1054 — 76  ergibt  wieder  das 
Jahr  978  als  Gfeburtsjahr  Jaroslavs.   In  diesem  Jahre  hat  also  Vladimir 
den  Zug  gegen  Bogwold  unternommen,  dessen  Tochter  Rognjed  zum 
Weibe  genommen  und  sich  in  den  Besitz  des  fürstlichen  Stuhles  von  Kijew 
gesetzt  und  nicht  im  Jahre  980,  wie  das  die  Chronik  angibt.  Die  Chronik 
oder  der  Verfasser  der  >IIob%ctb  Bp.  zirt*  l&ßt  zwar  aus  einer  Stelle 
unter  dem  Jahre  1016,  wonach  Jaroslay  in  diesem  Jahre  28  Jahre  zählte 
(h  6jd  TOFAa  HpoGJiaB^  ä^tl  28,  139^1),  schließen,  daß  Jaroslay  im 
Jahre  988  geboren  wurde  (1016 — 28  =  988);  dies  ist  offenbar  ein 
Pehler;  denn  statt  28  muß  38  stehen,  wie  das  auch  TatiSSey  angibt 
(UlaxHaTOB^,  KopcyHCKaH  Jier.,  23).   Wir  müssen  noch  auf  eine  Stelle 
in  der  Chronik  hinweisen,  die  (natürlich  korrigiert)  fOr  das  Jahr  978 
spricht    Es  ist  der  Aufenthalt  Vladimirs  in  Schweden,  wohin  er  samt 
seinem  Onkel  Dobrynja  yor  seinem  Bruder  Jaropolk  977  geflohen  ist. 
Diesen  Aufenthalt  dehnt  die  Chronik  auf  drei  Jahre  aus  und  zwar  yon 
977 — 980  (^T.  74^^^),  er  kann  aber  unmöglich  so  lange  gedauert  haben. 
Von  Schweden  aus  bereitete  sich  Vladimir  für  den  Rachezug  gegen  Jaro- 
polk yor,  wozu  er  nach  normannischer  Sitte  (die  bei  seiner  Dru^ina  doch 
yorherrschend  war)  yerpflichtet  war^),  darum  konnte  er  auf  die  Unter- 
stützung der  Waräger  rechnen.   Um  einen  solchen  Zug  zu  organisieren, 
brauchte  man  keine  drei  Jahre,  besonders,  wenn  man  Leute  bei  einem 
solchen  Volke  sucht,  wie  es  die  Normannen  überhaupt  waren,  die  nur 
yon  aolchen  Eri^s-  und  Raubzügen  lebten.  Der  Aufenthalt  in  Schweden 
kann  nur  ein  Jahr  gedauert  haben,  was  auch  der  ältesten  Quelle,  dem 
»ApeB.  Jri&T.  cboäx«,  yollkommen  entspricht.    Der  Aufenthalt  flült  nur 
in  das  Jahr  977,  im  folgenden  Jahre  wurde  Vladimir  Herr  yon  Kijew. 

1}  Ewers,  Ältestes  Recht  der  Russen,  101.  Durch  die  Noygoroder  Stattr 
halter  ließ  Vladimir  seinem  Bruder  sagen,  >da  er  unschuldig  meinen  Bruder 
Oleg  erschlagen  und  mich  beleidigt  hat,  ziehe  ich  gegen  ihn  (TaTHmoBi,  Hct. 
n.  57). 


250  Stjepan  Srknlj, 

Fassen  wir  alle  diese  Momente  zusammen,  so  mfissen  wir  den  An- 
gaben Jakobs,  des  »Apenn.  XHTieBojoAHMHpa«,  resp.  dem  >^eBHiHmiH 
jAt.  CBOA'Bt  mehr  Qlaaben  schenken  als  der  Chronik.  Das  Datom  der 
ersteren  ist  pr&ziser  und  zeugt,  daß  man  es  genau  so  aufgezeichnet  ge- 
fanden  hat. 

Den  Kampf  zwischen  Vladimir  und  Jaropolk  kOnnen  wir  schon  als 
einen  Yorkampf  fOr  die  Helikon  betrachten,  bei  welchem  Vladimir  als 
Haupt  der  Anhänger  des  alten  Glaubens  auftrat  Vladimir  war  gezwungen, 
im  Kampfe  mit  Jaropolk  sich  eine  Partei  zu  schaffen,  auf  die  er  sich 
stützen  konnte,  da  er  schwerlich  mit  seinen  Warägern  und  Noygorodem 
allein  den  Rachezug  mit  Erfolg  hätte  bewerkstelligen  können,  und  diese 
ünterstfltzung  konnte  er  nur  seitens  der  Anhänger  des  alten  Glaubens 
finden;  hierin  haben  wir  auch  den  Grund  des  Verrates  zu  suchen,  den 
Bind  an  Jaropolk  zugunsten  Vladimirs  begangen  (ji^t.TS^ — 76^^).  Crcwifi 
gab  es  schon  zur  Zeit  Olgas  Leute  in  Kijew,  die  das  Christentum  mit 
scheelen  Augen  betrachteten  und  zu  denen  gehörte  möglicherweise  auch 
Bind.  In  christlichem  Glauben  erzog  Olga  auch  ihre  Enkel,  von  denen 
Jaropolk  als  der  älteste  zur  Zeit  ihres  Todes  etwa  8 — 9  Jahre  alt  sein 
konnte  (er  dflrfte  um  960  geboren  sein,  da  Syjatoslav  942  geboren  wurde), 
Oleg  und  Vladimir  dürften  um  1 — 2  Jahre  jünger  gewesen  sein.  Wäh- 
rend Jaropolk  auch  weiter  in  Kijew  blieb,  wo  es  genug  Christen  gab, 
wurde  Vladimir  früh  durch  die  Übersiedelung  nach  Novgorod,  wo  die 
Zahl  der  Anhänger  des  christlichen  Glaubens  kaum  nennenswert  war, 
demselben  entzogen.  Und  was  vom  Christentum  an  ihm  haften  geblieben 
war,  das  hat  gewiß  sein  praktischer  Onkel  Dobrynja,  der  ihn  nach  Nov- 
gorod  gebracht,  ausgemerzt.  Dobrynja  hat  gewiß  auch  das  übrige  Ruß- 
land für  seinen  Pflegling  ins  Auge  gefaßt  und  für  ihn  bei  den  Anhängern 
des  alten  Glaubens  Sympathien  zu  erwecken  gesucht.  Jaropolk  blieb 
auch  weiterhin  den  Christen  gewogen,  darum  genießt  er  auch  Sympa- 
thien der  Christen,  ja  die  Joachimsche  Chronik  charakterisiert  ihn  als 
einen  Mann  von  sanftem  Gemüt  und  allen  gegenüber  gnädig;  er  liebte 
die  Christen,  und  wenn  er  selbst  auch  nicht  das  Christentum  angenom- 
men, so  hinderte  er  andere  nicht,  es  anzunehmen  (TaTnn^eB'B,  Hot.  I,  37). 

Sobald  Vladimir  in  Kijew  festen  Fuß  gefaßt  hatte,  trachtete  er,  die 
abgefallenen  Völker  wieder  seiner  Herrschaft  zu  unterwerfen.  Als  An- 
hänger des  Heidentums  förderte  er  dasselbe  überall,  wodurch  er,  ohne 
es  eigentlich  recht  gewollt  zu  haben,  den  Weg  der  Organisation  des 
Reiches  betrat;  die  Religion  wurde  nun  ein  Band,  das  verschiedene  Völker 


Drei  Fraf^en  aus  der  Taufe  des  heiligen  Vladimir.  251 

enger  aneinander  geknflpft.  Schwerlich  hat  YlAdimir  schon  vor  der  An- 
nahme des  Oiristentams  an  die  Organisation  des  Reiches  überhaupt  ge- 
dacht, denn  er  war  zu  sehr  mit  verschiedenen  Kriegen  beschäftigt;  die 
eigentliche  Oi^anisation  des  Rdches  tritt  erst  nach  der  Annahme  des 
Christentums  unter  Beihilfe  seiner  Frau  Anna,  ihrer  griechischen  Um- 
gebung und  Dobiynjas  in  den  Vordergrund.  Vorläufig  förderte  er  nur 
den  alten  Glauben  durch  Aufstellung  neuer  Götzenbilder,  woran  nicht 
zu  zweifeln  ist,  da  nach  der  eingehenden  Untersuchung  Roinieckys  (Perun 
n.  Thor,  Archiv  f.  s.  Ph.  XXIU,  506  u.  507)  jene  Stellen  der  Chronik, 
die  von  der  Aufstellung  des  Perun  m  Eijew  und  des  neuen  Götzen  in 
Novgorod  (ji^T.  77^®}  handeln,  im  ursprUnglichen  Text  standen  und  keine 
spätere  Interpolation  sind.  Um  dem  alten  Glauben  ein  größeres  Ansehen 
zu  geben,  brachte  Vladimir  aus  Schweden,  wo  gerade  damals  die  Kunst- 
Schnitzerei  in  Blüte  stand  (Weinhold,  Altnordisches  Leben  422),  einen 
neuen,  fein  ausgearbeiteten  Perun  mit  silbernem  Kopfe  und  goldenem 
Schnurrbart  mit  und  stellte  ihn  an  die  Stelle  des  alten  Bildes,  das  höchst- 
wahrscheinlich durch  einen  einfachen  Pfahl  mit  einem  ausgeschnittenen 
Kopfe  dai^estellt  war.  Eben  dieser  Gegensatz  zwischen  dem  alten  und 
neuen  Gtötzenbilde  bestimmte  auch  die  Beschreibung  seines  äußeren  Habi- 
tus in  der  Chronik  und  ist  kein  späterer  Zusatz,  wie  es  Roiniecky  glaubt. 
Und  nun  läßt  plötzlich  dieser  Förderer  des  Heidentums  dasselbe  im 
Stiche,  übt  Verrat  an  der  Partei,  die  ihm  zur  Herrschaft  geholfen,  wird 
zum  ausgesprochenen  Anhänger  des  Christentums,  stflrzt  seinen  Götzen 
Perun  und  läßt  ihn  weit  über  die  Stromschnellen  treiben.  Vergebens 
werden  wir  nach  den  wahren  Ursachen  dieses  unerwarteten  Wechsels  in 
den  russischen  und  byzantinischen  Quellen  suchen.  Die  russische  Chronik 
schreibt  diesen  Wechsel  teils  der  Rede  des  griechischen  Philosophen, 
teils  wieder  seinem  Gelübde  zu,  daß  er  das  Christentum  annehmen  werde, 
wenn  es  ihm  gelingt  Cherson  einzunehmen  (jitr.  107  ^~9).  AUes,  was 
in  den  russischen  Quellen,  namentlich  in  der  Chronik,  über  die  Taufe 
Vladimirs,  von  der  Ankunft  der  Gesandtschaften  im  Jahre  986  gesagt 
wird,  wo  sich  auch  die  Rede  des  griechischen  Philosophen  befindet, 
wurde,  wie  dies  Sachmatov  zu  erklären  gesucht  hat,  höchstwahrscheinlich 
einer  Vita  des  bulgarischen  Fürsten  Boris  nachgeahmt  (Oahh'b  nax  hct.74). 
Diese  vermutliche  Vita  Boris,  die  uns  übrigens  verloren  gegangen  ist, 
diente  dem  KompUator  der  Taufe  Vladimirs  (wir  weisen  nur  auf  das  Bild 
vom  jüngsten  Gerichte  hin)  als  Vorlage,  die  er  trotz  der  Anachronismen, 
die  darin  vorkommen,  geradezu  sklavisch  nachgeahmt  hat    äachmatov 


252  Stiepan  Srknlj. 

msoht  dtfranf  aufinerksam,  daß  nrsprflnglich  zwei  »Skazania«  Aber  die 
Taufe  Vladimirs  entstanden,  eines  hatte  die  Stadt  Gherson  zum  llittel- 
pnnkte,  wfthrend  das  andere  die  Taufe  Vladimirs  nacM  Eijew,  resp. 
Vasiljev  verlegt.   Diese  beiden  Versionen  fanden  in  den  froher  erwShnten 
»ApesH^SmiH  Äir,  cb.«   Eingang.    Das  erste  spiegelt  sich  im  »Ha^. 
CBOA'B«,  das  andere  im  »Apennee  shtIo«  ab  (das  setzt  z.  B.  den  Fall 
von  Cherson  in  das  dritte  Jahr  nach  der  Tanfe).   »Apenn^HmiH  j^t.  cb.c 
war  nicht  in  Jahre  verteilt  and  das  »Ap*  ssnTie«  schöpfte  daraas  solche 
Nachrichten,  wie  die  z.  B.,  daß  er  das  zweite  Jahr  zu  den  Stromschnellen 
ging,  oder  daß  er  zam  Alleinherrscher  am  11.  Jani  6486  geworden  ist 
(IIIaxMaTOB'L,  Oahhi  hs'b  HCT.  65).   Erst  der  Verfasser  des  »Ha?,  cboa^c 
hat  in  den  Text  der  Chronik  genanere  chronologische  Angaben  einge- 
tragen.  Das  »GKasame«,  nach  welchem  Vladimir  in  Kijew  oder  Vasiljev 
getaaft  wnrde,  fand  aach  Eingang  in  den  »H.  cbo^'B«  and  weiter  in 
»üob^ctl  Bp.  jri&TB«,  es  ist  dies  der  Bericht  unter  dem  Jahre  986  bis  zn 
jener  Stelle,  wo  Vladimir  vom  griechischen  Philosophen  aufgefordert 
wurde,  den  christlichen  Glauben  anzunehmen  (.i^t.  104^).   Das  Ende 
des  »Skazanie«  wurde  nicht  eingetragen,  da  es  der  Verfasser  des  »H. 
CBOA'B«  mit  der  Taufe  in  Gherson  in  Übereinstimmung  bringen  wollte 
(UlaxMaTOBiB,  Oahh'b,  67  und  KoycyHCKafl  jier.,  24),  da  er  von  der 
Richtigkeit  dieser  Version  überzeugt  war^).   Damach  hat  also  die  Rede 
des  griechischen  Philosophen  auf  Vladimir  keinen  Einfluß  gefibt,  da  sie 
in  die  russische  Erz&hlung  einfach  aus  der  bulgarischen  Erzählung  Aber 
die  Taufe  Boris  gekommen  war.  Sachmatov  meint  übrigens,  daß  auch 
der  Bericht  von  Gesandtschaften  der  Päpste  aus  der  Vita  Boris  in  die 
Vita  Vladimiri  gekommen  und  daß  sie  überhaupt  nie  stattgefunden  haben. 
Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  der  Eompilator  der  Erzählung  von  der 
Taufe  Vladimirs  die  päpstlichen  Gesandtschaften  dem  bulgarischen  Ori- 
ginal entnommen  hat.   Bekanntlich  stand  Boris  in  regem  Verkehr  mit  dem 
päpstlichen  Stuhle;  aber  der  Eompilator  mußte  entweder  gehört  oder  auf- 
gezeichnet gefunden  haben,  daß  auch  zu  Vladimir  Gesandte  vom  Papste 
kamen.  Man  muß  als  die  größte  Wahrscheinlichkeit  zulassen,  daß  zu  Vla- 
dimir Gesandte  aus  Italien,  wenn  nicht  gerade  vom  Papste  direkt,  so  wenig- 
stens von  der  EuserinTheophano,  der  Schwester  Annas,  gekommen  waren. 
Damit  soll  nicht  gesagt  sein,  daß  diese  Gesandten  die  Aufgabe  hatten, 

1}  Und  jene,  die  es  nicht  recht  wissen,  erzählen,  daß  er  in  Eijew  getauft 
wurde,  andere  wieder  sagen,  daß  Vasiljev  es  war,  und  wieder  andere  erzählen 
es  anders  (jiiT.  109»-»). 


Drei  Fragen  auB  der  Taufe  dea  heiligen  Vladimir.  253 

Yladimir  flr  den  römiaohen  Glauben  zu  gewkinen.  Eine  päpatliohe  Oe- 
aandtsduift  schließen  die  danudigen  Beziehungen  zwischen  Yladimir  und 
der  westlichen  Kirche  nicht  aus;  dieselben  waren  keineawegs  abgebrochen 
und  die  väterliche  Fürsorge  Yladimirs  fUlr  den  römischen  liGssionar  Bmn 
beweist,  d&ß  sie  auch  nicht  unfreundlich  waren.  Brun,  der  sich  anf  dem 
W^ge  zu  den  PeSenegen  an  Yladimirs  Hofe  aufgehalten  hat  (1006/7), 
yerfaßte  darüber  einen  Bericht,  der  umso  wertvoller  ist,  weil  es  der  ein- 
zige zeitgenössische  Bericht  ist,  den  wir  Ober  Yladimir  besitzen^].  Die 
zei^enOssische  Geschichte  der  Päpste  (damals  hatte  den  päpstlichen  Stuhl 
inne  Johann  XY.,  985 — 996)  weiß  von  solchen  Gesandtschaften  nichts 
zu  berichten;  wir  mtlssen  dennoch  eine  Gesandtschaft  voraussetzen,  die 
nach  Cherson  gekommen  ist,  und  zwar  die  Gesandtschaft  der  Kaiserin- 
witwe  Theophano.  Theophano  hat  sich  jedenfalls  durch  Gesandte  bei 
einem  so  feierlichen  Momente,  wie  es  die  Heirat  ihrer  Schwester  war 
(denn  in  Cherson  handelte  es  sich  nur  um  die  Heirat),  vertreten  lassen, 
und  da  sie  sich  damals  durch  das  ganze  Jahr  989  bis  in  den  Sommer  990 
in  Italien  aufgehalten  hat,  so  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  diese  Gesandt- 
schaft mit  Zustimmung  des  Papstes  Johann  abgegangen  war.  Da  der 
Yerfaaser  der  Taufe  Yladimirs  gewußt  hat,  daß  auch  päpstliche  Gesandte 
zu  Yladimir  gekommen  waren  (allerdings  nach  Cherson),  so  nahm  er  nach 
dem  Yorbilde  der  Yita  Boris  als  etwas  selbstverständliches  an,  daß  sie 
nur  wegen  der  Bekehrung  Yladimirs  kamen.  Auf  diese  Weise  entstand 
die  päpstliche  Missionsgesandtschaft.  Auffallend  ist  jedenfalls,  daß  die 
päpstlichen  Gesandten  in  der  Chronik  als  s Deutsche«  angegeben  werden: 
IIo  TOifB  ace  npaAoma  H^mi^h,  rjiaro.i[ioiue:  »npH^ozoiri  nocJiaHH  oa 
iianexa«  (ji^t.  83^<^~^^).  Daß  diese  nähere  Bezeichnung  als  »Deutsche« 
der  Yita  Boris  entnommen  wäre,  ist  ausgeschlossen,  aber  erklärlich 
ist  sie  eben  dadurch,  daß  sie  Gesandte  der  deutschen  Königinwitwe 
Theophano  waren.  Die  Gesandten  Theophanos  haben  vielleicht  auch  Ge- 
schenke fitr  Anna  mitgebradit,  aber  es  ist  eine  Frage,  ob  sich  darunter 
auch  jene  Beliquien  befanden,  die  die  Nikonsche  Chronik  erwähnt 
|57i3-i4j.  £a  i3t  weiter  auch  noch  fraglich,  ob  das  die  Reliquien  des 
heiligen  Clemens  waren,  die  Yladimir  nach  Kijew  mitnahm.  Bekanntlich 
nahm  der  heilige  Kyrill,  als  er  sich  in  Cherson  aufgehalten,  Reliquien 
des  heiligen  Clemens  mit  und  brachte  sie  dann  nach  Rom.  £r  hat  aber 
wahrscheinlich  nur  einen  Teil  der  Reliquien  mitgenommen,  während  der 

1)  Mitgeteilt  in  Giesebrechts  »Geschichte  der  deutschen  Kaiserzeit«  II, 
667—670,  Bowie  auch  in  der  »PyccRaH  Eecixa«  1856, 1. 


254  Stjepan  Srknlj, 

andere  Teil  in  Cherson  geblieben  war.  Diese  brachte  Vladimir  dann  nach 
Ejjew  samt  den  Reliquien  des  Jttngers  Clementis,  Phöbo.  Der  Papst  brauchte 
diese  Reliquien  nicht  zu  schicken;  der  Verfasser  des  »Skaianie«  (der 
höchstwahrscheinlich  chersonischer  Abkunft  war)  wußte,  daß  der  heilige 
Kyrill  bereits  die  Gebeine  des  heiligen  Clemens  mitgenommen  hatte.  Da 
sie  nun  wieder  von  Vladimir  nach  Eäjew  gebracht  wurden,  so  nahm  er 
an,  daß  sie  Gesandte  des  Papstes,  d.  h.  der  Eaiserinwitwe  Theophano, 
nach  Cherson  gebracht  haben.  Diese  Reliquien  waren  die  Schädel  der 
erwähnten  Heiligen,  wie  wir  aus  der  Vita  S.  Mariani,  abbatis  Ratispo- 
nensis  (geschrieben  um  1185]  sehen.  Aber  die  Nachricht,  die  wir  in 
dieser  Vita  lesen,  steht  bezüglich  dieser  Reliquien  in  direktem  Wider- 
spruch mit  der  Erzählung  des  Chronisten.  In  der  erwähnten  Vita  Mariani 
kommt  nämlich  das  Wort  »Chios«  vor  und  in  der  Erklärung  unter  >g< 
erzählt  Jaroslav  dem  Gesandten  des  französischen  Königs,  dem  Bischof 
von  Chälons,  Roger:  »quod  ipsemet  quondem  ibi  (d.  h.  in  Cherson]  per- 
rezit  et  inde  secum  atulit  capita  S.  8.  Clementis  et  Phoebi  discipuli  eins 
et  posuit  in  civitate  Chion,  ubi  honorifice  venerantur,  quae  capita  eidem 
episcopo  ostendit«^).  Diesen  Widerspruch  könnte  man  entweder  dadurch 
erklären,  daß  auch  Vladimir  nicht  alle  Reliquien  mitgenommen  und  die 
genannten  Schädel  erst  Jaroslav  nach  Kijew  gebracht  hat,  oder  war 
Jaroslav  damals  bei  der  Heirat  seines  Vaters  in  Cherson  zugegen,  und 
man  habe  die  Reliquien  dem  unschuldigen  Kinde  (Jaroslav  dürfte  damals 
1 0  Jahre  gezählt  haben)  anvertraut. 

Wie  der  Kompilator  Nachrichten  ttber  die  Anwesenheit  der  päpst- 
lichen resp.  der  deutschen  Gesandten  in  Rußland  gefunden,  so  fand  er 
auch  Nachrichten  über  bulgarische  und  griechische  Gesandte,  die  zu 
Vladimir  kamen.  Daß  in  jener  ereignisvollen  Zeit  Gesandte  von  den  Bul- 
garen und  Griechen  nach  Rußland  kamen  und  gingen,  daran  wird  nie- 
mand Anstoß  nehmen,  der  die  damaligen  politischen  Verhältnisse  des 
byzantinischen  und  bulgarischen  Reiches  ins  Auge  faßt.  Die  Haltung 
Rußlands  war  für  Bulgarien  ebenso  wie  für  die  byzantinischen  Kaiser 
Basilius  II.  und  Konstantin  VIII.  von  größter  Wichtigkeit.  Die  beiden 
Kaiser  befanden  sich  in  einer  mißlichen  Lage,  vom  Westen  und  Norden 
wurden  sie  von  den  Bulgaren  und  vom  Osten  wieder  vom  Gegenkaiser 
Bardas  Fokas  bedrängt.  »Die  Not  zwang  ihn  (d.  h.  den  Kaiser  Basi- 
lius U.)  Gesandte  zum  Kaiser  der  Russen  zu  schicken  —  und  sie  waren 
seine  Feinde — «   (Foseiii,  HmiepaTop'L  B.  B.  23  ^•"■'®).    Diese  Ge- 

^)  Acta  sanctorum  Martii  t.  II,  370. 


Drei  Fragen  aus  der  Tanfe  des  heiligen  Vladimir.  255 

sandten  gingen  nach  Jahja  987  zn  Vladimir,  es  ist  aber  nicht  ansge- 
schlössen,  d&ß  er  eine  Gesandtschaft  anch  nach  der  nnglflcklichen  Schlacht 
in  der  Nähe  des  Trajantores  im  Jahre  986  geschickt,  ja  es  ist  sogar  aehr 
leicht  möglich,  daß  sich  die  griechischen  nnd  bulgarischen  Gesandten  zn 
gleicher  Zeit  bei  Vladimir  eingefnnden  haben,  denn  die  Bulgaren  mußten 
ihrerseits  alles  aufbieten,  um  ein  Bündnis  zwischen  Vladimir  und  Basi- 
lius  n.  zu  verhindern.  Auf  Grund  des  bisher  bekannten  Materials  können 
▼ir  nicht  bestimmen,  ob  es  gerade  diese  Gesandtschaften  sind,  die  die 
Legende  anfahrt,  bestimmt  können  wir  aber  behaupten,  daß  diese  Ge- 
sandtschaften auf  die  Bildung  der  Legende  einen  Einfluß  gehabt  haben. 
Die  Gesandten  der  Donaubulgaren  verwandelte  der  Eompilator  in  die 
Gesandten  der  Volgabulgaren,  die  Mohamedaner  waren,  und  machte  sie 
n  mohamedanischen  Mission&ren.  Es  bleiben  noch  die  jüdischen  Ge- 
sandten. Diese  sind  in  das  »Skazanie«  wahrscheinlich  unter  dem  Einfluß 
der  jüdischen  Legende  —  und  Juden  gab  es  in  einem  so  wichtigen  Han- 
delsplätze wie  Eijew  genug  —  vom  Übergange  des  chasarischen  Chans 
Bnlan  zum  Judentum  (Grätz,  Geschichte  der  Juden  1871.  V.B.  189),  ge- 
kommen. ZavitneviS  versuchte  diese  jüdischen  Gesandten  als  Gesandte  des 
Gegenkaisers  Bardas  Fokas  und  seines  Verbündeten,  des  grusinischen 
Kaisers  David  zu  erklären;  sie  sollen  durch  das  Chasarenland  ihren  Weg 
zn  Vladimir  eingeschlagen  haben  und  hätten  die  Aufgabe  gehabt,  einen 
eTentuellen  Bund  zwischen  Basilius  U.  und  Vladimir  zu  verhindern 
(SaBHTHBBHTi,  BjiaAHMHp'L  CBHTOH,  152}.  Daß  Bardas  Fokas  diesen 
Bund  zu  verhindern  suchte,  ist  nicht  ausgeschlossen,  aber  es  ist  unmög- 
lieh,  dies  näher  zu  bestimmen,  sowie  auch,  ob  die  jüdisch-chasarischen 
Gesandten  der  Legende  jene  des  Gegenkaisers  Bardas  Fokas  waren,  denn 
dafür  fehlt  uns  jeder  Anhaltspunkt. 

Von  den  Gesandtschaften  des  Jahres  987  kann  man  als  in  der  Tat 
(allerdings  nicht  in  kirchlichen  Angelegenheiten]  erfolgt  folgende  an- 
fiiliren:  1]  die  Gesandtschaft  der  Donaubulgaren,  2)  die  Gesandtschaft 
Basilius  II.  vom  Jahre  987  und  eventuell  auch  vom  Jahre  986  (nach  der 
Niederlage  beim  Trajanstor),  3)  die  Gesandtschaft  Vladimirs  nach  Eon- 
stantinopel,  um  das  Bündnis  mit  Basilius  U.  abzuschließen  (es  mußten 
gerade  nicht  10  Männer  sein,  aber  auch  nicht  5,  wie  es  die  Erzählung 
Bandoris  will  ([ToiytfHHCKiH,  Hct.  p.  i^.  249];  diese  Gesandtschaft  hatte 
natOrlich  mit  Untersuchungen  verschiedener  Religionen  gar  nichts  zu  tun), 
während  die  Gesandtschaft  der  Eaiserinwitwe  Theophano  resp.  der 
Deutschen  oder  des  Papstes  erst  988  oder  989  erfolgte. 


256  S^epui  Srkny, 

n. 

über  die  Ursachen,  welche  die  Taufe  Vladimirs  veranlaßten,  haben 
wir  yerschiedene  Anslepingen,  die  uns  aber  nicht  zufrieden  stellen  können. 
Wir  müssen  sie  sowohl  in  politischen  Begebenheiten  des  byzantinischen 
Beiches,  als  auch  im  persönlichen  Charakter  Vladimirs  suchen,  und  wir 
schicken  schon  jetzt  voraus,  daß  es  der  persönliche  Charakter  Vladimirs 
war,  dem  die  Taufe  zuzuschreiben  ist  und  daß  die  damalige  politische 
Konstellation  fOr  die  Intentionen  Vladimirs  ungemein  günstig  war.  Ver- 
gegenwftrtigen  wir  uns  vor  allem  die  damalige  politische  Lage  des  byzan- 
tinischen Beiches. 

Damals  herrschten  in  Konstantinopel  die  BrUder  Basilius  II.  and 
Konstantin  VHI.,  die  unter  der  Vormundschaft  des  Kaisers  Nicephorus 
Phokas  (963 — 969)  und  Joannes  Tzimisces  (969 — 976)  und  nach  dem 
Tode  des  letzteren  unter  der  Vormundschaft  des  natflrlichen  Sohnes  des 
Kaisers  Bomanus  I.,  Parakimomen  Basilius,  standen.  Dieser  hatte  die 
Begierung  an  sich  gerissen,  obwohl  sie  Tzimisces  seinem  Schwager  Bardaa 
Sklerus,  der  damals  das  Oberkommando  in  Kleinasien  inne  hatte,  zugedacht 
hat.  Um  Bardas  Sklerus  unschädlich  zu  machen,  nahm  er  ihm  das  Ober- 
konmiando  ab,  wodurch  sich  dieser  verletzt  fohlte,  sich  empörte  und  zum 
Imperator  ausrufen  ließ.  Nachdem  aber  Parakimomen  Basilius  seine  Em- 
pörung durch  Bardas  Phokas  niedergeworfen,  flflchtete  Bardas  Sklerus  zum 
£mir-al-Omra  des  Chalifen  von  Bagdad,  der  ihn  einkerkern  ließ  (Gedre- 
nus  ed.  Bonn.  U.  433).  Durch  die  vormundschaftliche  Beg^erung  litt  daa 
kaiserliche  Ansehen  und  der  Staat  kam  fast  in  eine  Ähnliche  Stellung,  in 
welcher  sich  das  Kalifat  von  Bagdad  unter  den  Emiren  al-Omra  befand. 
Kaiser  Basilius  ü.  entließ  den  Parakimomen  Basilius  und  stellte  wieder 
das  kaiserliche  Ansehen  her  (Carl  Neumann,  Die  Weltstellung  d.  byz. 
Beiches,  49).  Da  der  Kaiser  in  seinen  Entschlüssen  eigenmächtig  vor- 
ging, verletzte  er  dadurch  die  Befehlshaber,  darunter  auch  Bardas  Phokas, 
der  nach  derselben  Stellung  trachtete,  die  sein  Verwandter  Nicephorus 
Phokas  innehatte.  Dies  Bestreben,  vollkommener  Alleinherrscher  zu  sein, 
geriet  durch  die  Niederlage  beim  Trajanstor  stark  ins  Wanken.  Auf  die 
Nachricht  von  dieser  Niederlage  Basilius  11.  verständigte  sich  Bardas 
Sklerus  mit  dem  Emir-al-Omra,  Sam-sam-al-daul,  der  ihn  aus  der  Haft 
entließ  (FoseH'B,  Hiinep.  Bac.  13^^~^^)  und  ließ  sich  neuerdings  zum 
Ejuser  ausrufen.  Kleinasien  war  d^n  ELaiser  Basilius  IL  gar  nicht  ge- 
wogen, das  Volk  fttrchtete  sich  vor  dem  nahenden  Absolutismus,  der 
EJerus  war  fOr  die  Freiheit  der  Kirche  besorgt  (Qfrörer,  Byzantinische 


Drei  Fragen  ans  der  Taufe  des  heiligen  Vladimir.  257 

Oesehiohten  n,  608 — 609).    Daher  flbertmg  Basilios  neuerdings  das 
Kommando  an  Bardas  Phokas,  dessen  er  sich  dnrch  neuen  Eid  verge- 
wissern wollte.  Phokas  dachte  iniwischen  gar  nicht  den  Eid  einzuhalten, 
umsomehr  da  er  des  Heeres  sicher  war,  er  bemftchtigte  sich  durch  List 
des  Gegners  Bardas  Sklerus  und  ließ  sich  ebenfalls,  14.  September  987, 
zum  Kaiser  ausrufen  (Cedrenus,  IL  443).   Phokas  wurde  bald  Herr  von 
Kleinasien.  Zur  selben  Zeit  fielen  4iuch  die  Donaubulgaren  ins  byzantinische 
Beich  und  besetzten  einen  großen  Teil  desselben  (BacKneBCidH,  PyocKO* 
BB3.  oTpuBKH,  iKypH&i  M.  H.  D.,  MapTL  1876,  141),  SO  daß  außer  einigen 
Städten  in  Europa  nur  noch  Konstantinopel  und  die  Flotte  dem  Kaiser 
treu  blieben.    In  dieser  schweren  Situation  suchte  Basilius  bei  Vladimir 
EQlfe,  wie  uns  dies  der  arabische  Chronist  Jahja  erz&hlt:  »Und  es  empörte 
sieh  offen  Bardas  Phokas  und  rief  sich  zum  Kaiser  aus  am  Mittwoch,  dem 
Feiertage  des  Kreuzes,  am  14.  Ailul  (September)  1298  (987),  d.  h.  den 
17.  Dzumaid  I,  377  und  wurde  Herr  des  Griechenlandes  bis  zu  Doryleion 
und  der  Meeresküste,  und  es  kamen  seine  Heere  bis  Chrysopolis.    Und 
es  wurde  gefährlich  seine  Tat,  und  der  Kaiser  Basilius  wurde  wegen  der 
Stärke  seiner  Heere  und  seiner  Si^e  Aber  ihn  besorgt   Und  sein  B^ch- 
tom  wurde  verzehrt  und  die  Not  zwang  ihn  zum  Kaiser  der  Russen  zu 
Bchieken  —  und  sie  waren  seine  Feinde  — ,  um  bei  ihnen  in  seiner 
gegenwärtigen  Lage  Hilfe  zu  suchen.    Und  jener  willigte  ein.   Und  sie 
BcUossen  miteinander  einen  Vertrag  Aber  Verwandtschaft  und  der  Kaiser 
der  Russen  heiratete  die  Schwester  des  Kaisers  Basilius  danach,  als  er 
ihm  die  Bedingung  stellte,  daß  er  und  das  ganze  Volk  seines  Landes, 
und  sie  waren  ein  großes  Volk,  das  Christentum  annehmen  soll.    Und 
die  Russen  bekannten  sich  damals  zu  keiner  Religion  und  anerkannten 
keinen  Glauben.    Und  es  schickte  nachher  (BnocJi^ACTBin)  Kaiser  Basi- 
Hiis  zu  ihm  Metropoliten  und  Bischöfe  und  sie  tauften  den  Kaiser  und 
aUe,  wen  seine  Lftnder  umfaßten  und  er  schickte  zu  ihm  seine  Schwester 
und  sie  gründete  viele  Kirchen  im  Lande  der  Russen.    Und  als  zwischen 
ihnen  die  Heiratsangelegenheit  entschieden  wurde,  kam  auch  das  Heer 
der  Russen  und  vereinigte  sich  mit  den  Heeren  der  Qriechen,  die  beim 
Kaiser  Basilius  waren,  und  sie  zogen  alle  zusammen  in  den  Kampf  gegen 
Bardas  Phokas  zur  See  und  zu  Lande  nach  Ghrysopolis  .  .  .  .<  (Posen^B, 
Hiiu.  Bac.  23 »i— 2410). 

Nach  Jal\ja  also  ging  die  Gesandtschaft  Basilius  987  zu  Vladimir. 
Wenn  Basilius  auch  eine  Gesandtschaft  sofort  nach  der  Niederlage  beim 
Trajanstor  zu  Vladimir  geschickt  hat,  was  der  Jahresangabe  der  Chronik 

AitUT  ftr  lUviseh«  Philologi«.  XXIX.  .  17 


258  Stjepan  BrknlJ, 

entsprechen  wfirde  (986),  was  ancli  TJspenskij  (SCypHajii  m.  h.  n.  anp&n> 
1884,  296  in  der  Besprechung  des  Auszuges  aas  dem  Chronisten  Jahja), 
Vasiljevskij  (Pyce.  bh3.  oxp.  172)  und  Bchlnmberger  (L^^pop^e  ü.  726) 
annehmen,  so  ist  diese  erste  Gesandtschaft  ohne  Erfolg  geblieben,  da 
die  Russen  nach  Jahja  987  Feinde  des  Kaisers  Basilius  sind.    Wie  wir 
oben  gesehen,  ließ  sich  Phokas  im  September  987  zum  Kaiser  ausrufen. 
Kaiser  BasiHus  dttrfte  bereits  frflher  von  seiner  Absicht  durch  den  Sohn 
Bardas  Sklerus  in  Kenntnis  gesetzt  worden  sein.    Phokas  bot  nftmlich 
Sklerus  gemeinsame  Aktion  gegen  Basilius  an  und  als  sich  Sklerus  trotz 
der  Warnung  seines  Sohnes  Romanus  yerleiten  ließ,  verließ  derselbe  srä^i 
Vater  und  benachrichtigte  den  Kaiser  von  dem  Geschehenen  (Poseux, 
ÜMn.  Bac.  £.  23i>'i^).    Der  Kaiser  hat  also  von  dem  Abfall  Phokas 
früher  gewußt,  als  er  sich  Öffentlich  zum  Kaiser  ausrufen  ließ.    Schwer- 
lich hat  Basilius  gewartet,  bis  Phokas  sich  ganz  Kleinasten  unterworfen 
hat.   Seine  Situation  war  verzweifelt,  sobald  das  Heer  von  ihm  abgefallen 
war,  darum  hat  er  sich  sofort,  bevor  noch  Phokas  vor  Konstantinopel  er- 
schienen war,  um  eine  Hilfe  umsehen  müssen  und  hat  seine  Gesandten 
noch  im  September  oder  sp&testen  im  Oktober  987  nach  Kiev  geschickt 
und  nicht,  wie  das  B.  Rosen  annimmt,  erst  Ende  987  (HMn.  Bac.  198). 
Nicht  nur  daß  die  Gesandtschaft  Basilius  noch  im  Jahre  987  nach  Ruß- 
land gekommen,  sondern  sie  ist  schon  im  selben  Jahre  zurückgekehrt  und 
mit  ihr  auch  (Beginn  des  Jahres  mit  1.  März  gerechnet)  sind  die  Ge- 
sandten Vladimirs  in  Konstantinopel  angelangt,  um  mit  BaslUus  den  end- 
gültigen Vertrag  festzustellen.    Was  konnte  Basilius  Vladimir  für  die 
Hilfe  bieten,  nachdem  er  seine  Schätze  ftir  den  Krieg  bereits  verzehrt 
hatte?    Wir  wissen  nur  den  Preis  des  Bündnisses,  es  ist  die  Hand  der 
Schwester  Basilius,  Anna,  wofür  wieder  Vladimir  ein  Aushilfscorps  Basi- 
lius schickte,  das  erst  nach  dem  4.  April  988  in  Konstantinopel  angelangt 
ist.    Früher  war  die  Schiffahrt  auf  dem  Dnjeper  wegen  Bis  unmöglich, 
und  wenn  die  Russen  schon  vor  dem  4.  April  in  Konstantinopel  angelangt 
wären,  hätte  sich  der  Kaiser  in  jenem  Dekrete,  wo  er  die  Anordnung 
Nicephorus  wegen  zu  großer  Verbreitung  der  Klöster  außer  Kraft  setzt, 
nicht  eines  so  verzweifelten  Tones  bedient  (PoseirB,  Hvn.  Bac.  198, 
BacHjn>eBCKiH,  P.-bh3.  oTp.  118  und  >KypHajiB  m.  h.  n.  für  Juli  1879: 
MaTepiajuu  a^h  BnyT.  hct.  bh3.  rocy^apcTBa,  229).   Nach  dem  zeitge- 
nössischen armenischen  Chronisten  A^ohik  war  das  Aushilfscorps  6000 
Mann  zu  Fuß  stark  (als  er  nämlich  von  einem  Zusammenstoß  zwischen 
Russen  und  einer  iberischen  Abteilung  in  Armenien  um  das  Jahr  1000 


Drei  Fragen  aiu  der  Taufe  des  heiligen  Vladimir.  259 

spricht,  wobei  er  bemerkt,  daB  dieses  Anshilfskorps  der  Kaiser  Basilins 
von  den  Bossen  ansgebeten,  als  er  seine  Schwester  an  den  mss.  Kaiser  ver- 
hdratethabe  —  BacnjLeBcidH,  OTp.  148).  Der  Zeitgenosse  Leo  Dia- 
conns  erwShnt  diese  Heirat  mit  keinem  Worte.  Psellas  erwähnt  nnr  das 
Anshilfskorps  (Sathas,  Bibl.  graeca  IV.  10).  Erst  die  späteren  Chronisten 
Cedrenns^)  und  Zonaras^)  erwähnen  es.  Es  ist  auffallend,  daß  die  Zeit- 
genossen gerade  ein  solches  außerordentliches  Ereignis,  wie  es  diese  Ehe 
einer  kaiserlichen  Prinzessin  mit  einem  BarbarenfOrsten  ist,  mit  Still- 
schweigen tibergehen.  Der  Fall  gilt  als  sehr  selten,  da  solche  FäUe  am 
byzantinischen  Hofe  verpönt  waren.  Bekanntlich  hat  schon  Konstanti- 
Dus  VIL  Porphyrogenetes  abgeraten,  die  kaiserlichen  Prinzessinen  an 
BarbarenfOrsten  zu  verheiraten,  die  fränkische  oder  deutsche  kaiserliche 
Familie  ausgenommen  (de  adm.  imp.  86)  und  doch  gab  man  dem  Ge- 
sandten Otto  I.,  Luitprand,  als  er  um  die  Hand  Theophanos  fflr  dessen 
Sohn  Otto  n.  anhielt,  zur  Antwort,  es  sei  etwas  Unerhörtes  »ut  Porphyre- 
geneti  Porphyrogenata  —  hoc  est  in  pnrpuro  nati  filia  in  purpuro  nata, 
gentibus  misceatur«  (Leo  Diac,  350).  Uspenskij  meint,  daß  die  byzanti- 
nischen zeitgenössischen  Chronisten  aus  Patriotismus  diesen  Fall  ver- 
schwiegen haben  (Kypn.  anp.  1884, 312),  wir  mflssen  aber  tiefere  Orflnde 
suchen  und  wir  finden  sie  in  der  Qeheimhaltung  der  Bedingungen,  unter 
welchen  die  Hilfe  geleistet  wurde,  wozu  Basilins  H.  durch  politische  Ver- 
hältnisse gezwungen  war.  Betrachten  wir  noch  einmal  die  Situation,  in 
der  sieh  Basilins  befand:  Basilins  hat  alles  bis  auf  die  Hauptstadt  und 
die  Flotte  verloren  und  nun  soll  er  auch  die  Treue  dieser  auf  die  Probe 
stellen  durch  die  Bekanntgebung  der  Vertragspunkte?  Wenn  diese  Be- 
dingungen öffentlich  bekannt  geworden  wären,  so  hätten  sie  sehr  leicht 
zur  Katastrophe  fftr  Basilins  fahren  können.  Die  Gegner  des  Kaisers 
hätten  sich  diese  Oelegenheit  nicht  entgehen  lassen,  um  Stimmung  gegen 
den  Kaiser  zu  machen,  sie  hätten  mit  Nachdruck  alle  Schattenseiten  des 
Charakters  Vladimirs  —  seine  uneheliche  Abkunft,  seinen  Brudermord, 
Mme  Weibersucht  —  hervorgebracht,  also  Eigenschaften,  die  eher  ftlr 
alles,  nur  nicht  für  einen  kaiserlichen  Schwager  paßten.    Basilins  mußte 


1)  »Es  g^ang  nämlich  Basilins,  von  den  Bussen  eine  Sundeshilfe  zu  be- 
kommen, indem  er  ihren  Fürsten  Vladimir  durch  die  Heirat  mit  seiner 
Schwester  Anna  zum  Schwager  machte«  H.  444. 

*)  »Er  trat  in  die  Verwandtschaft  mit  dem  Fürsten  der  Bussen  durch 
seine  Schwester  Anna  und  erhielt  dadurch  das  Aushilfskorps«  114. 

n* 


260  Sljepan  SrknJlj, 

daran  gelegen  sein,  daß  die  Vertragsbedingongen  geheim  gehalten  werden, 
und  an  diese  Oeheimhaltong  wnrde  anch  Vladimir  gebunden.  Daher  die 
Yersehwiegenheit  der  Zeitgenossen;  dämm  erfahren  vir  den  wahren 
Sachverhalt  durch  eine  dritte  nnbeteOigte  Seite,  durch  den  arabischen 
Chronisten  Jalgia.  Durch  die  Qeheimhaltung  des  Vertrages  blieb  eben 
auch  die  Taufe  den  Zeitgenossen  geheim.  Auch  Golubinskij  (Hot.  p. 
i^.  132)  und  ZavitneviS  sind  der  Meinung,  daß  die  Taufe  insgeheim  vor- 
genommen wurde,  nur  meinen  sie,  Vladimir  sei  daran  gelegen  gewesen, 
daß  es  das  russische  Volk  nicht  erfahre  (Bj[a,/uiMHp'B  ob.  153). 

liit  dem  Aushilfskorps  steht  noch  eine  Frage  in  engem  Zusammen- 
hang, ob  sich  nEmlich  Vladimir  persönlich  an  dieser  Expedition  beteiligt 
hat.  Der  arabische  Chronist  des  XTTT.  Jahrb.,  El  Makin,  der  übrigens 
fast  wörtlich  Jahja  kopiert,  erzählt  unter  anderem,  daß  sich  Vladimir, 
nachdem  die  Bedingungen  bezüglich  der  Annahme  des  Christentums  und 
der  Heirat  erftült  waren,  mit  seinen  Heeren  zur  Dienstleistung  zum  Kaiser 
Basilius  begab  und  sich  mit  ihm  vereinigte  (BacHjaeBCKÜy  OTp.  140). 
Dieselbe  Nachricht  hat  auch  der  arabische  Astronom  aus  der  ersten  Hftlfte 
des  XTTT.  Jahrb.,  Ibn-el-Athir:  »Und  sie  (Basilius  und  Konstantinus] 
schickten  Gesandte  zum  ELaiser  der  Russen  und  baten  um  Hilfe  und  ver- 
heirateten ihn  mit  einer  ihrer  Schwestern,  aber  sie  weigerte  sich  einen 
Mann  zu  nehmen,  der  nicht  denselben  Glauben  hatte  wie  sie.  Infolge 
dessen  nahm  er  das  Christentum  an,  und  es  war  das  der  Anfang  des 
Christentums  in  Rußland.  Und  er  heiratete  sie  und  ging  gegen  Bardas« 
(BaciuBeBCKiH,  oTp.  147).  Auch  ein  byzantinischer  Chronist  —  es  ist 
Skilizes,  der  sich  übrigens  mit  Cedrenus  deckt  —  gibt  an,  daß  Vladimir 
persönlich  an  der  Expedition  teilgenommen,  »(Imperator)  instructis  noetn 
navibus,  atque  in  ipsas  impositis  Roxolanis  (accessierat  enim  ab  ipsis 
socia  auxiHa)  praefectoque  classi  eorum  principe  Bladimero,  sibi  cogna- 
tione  coniuncto  ab  sororem  suam  Annam«  (BacE^ELeBcidH,  OTp.  150).  Es 
gibt  auch  russische  Quellen,  die  angeben,  daß  Vladimir  in  Konstantinopel 
gewesen,  so  die  »IXob^cti»  o  jiaTUHixx«,  die  erzählt,  daß  Vladimir  selbst 
bis  Konstantinopel  mit  feindlicher  Absicht  vorgedrungen,  wo  sich  aber 
seine  tierische  Natur  in  die  göttliche  Bescheidenheit  verwandelte  und  aus 
ihm  aus  einem  Wolf  ein  Lämmlein  Christi  wurde  und  er  das  Christentum 
annahm  (IIonoB'L,  HcTopHKo-aorrep.  oösopi,  187)  ^).  Wir  haben  noch  eine 

^)  Dieselbe  Nachricht  hat  auch  die  Chronik  Avramkas  im  Chronograph, 
mit  dem  Unterschied,  daß  ihn  vor  Eonstantinopel  der  heUige  Geist  erhellt  und 
er  80  das  Christentum  angenommen  (IlaxHoe  cotfpaHie,  HI.  16,  25  <^]. 


Drei  Fragen  aoB  der  Taufe  des  heiligen  Vladimir.  261 

Andeatnng  anf  diesen  Fall  und  zwar  im  »IIoxBajDiHoe  ojiobo«  Ilarions, 
wo  Yladimir  mit  Eonstantinas  dem  Großen  und  seiner  Matter  Helene  ver- 
glichen wird,  »denn  dn  bist  ihnen  ähnlich,  dn  hast  gebracht  das  Kreuz 
ans  dem  Neu- Jerusalem,  der  Stadt  Konstanlanus«  (^TeniA  HecTopa  JI. 
n.  57 — 58),  während  es  im  Texte  Makarius'  steht  »Du  hast  mit  deiner 
Großmutter  Olga  das  Kreuz  etc.«  (MaKapiH,  HcTopia  p.  i^.,  I.  135). 
Um  einen  Beweis  ftlr  die  Anwesenheit  Vladimirs  in  Konstantinopel  dar^ 
aus  m  ziehen,   müßte   man  diese  Stelle  geradezu  wörtlich  nehmen, 
was  nicht  angeht.    Diese  Stelle  kann  also  nicht  einmal  in  Betracht 
gezogen  werden.   Obwohl  Uspenskij  die  Anwesenheit  Vladimirs  in  Kon- 
stantinopel zuläßt,  wenn  nicht  während  dieser  kriegerischen  Begeben- 
heiten, so  in  anderer  Angelegenheit  (iSypnaj^,  anp.  1884,  308 — 9)  und 
mit  ihm  Schlumberger,  der  die  Möglichkeit,  daß  Vladimir  selbst  das  Aus- 
hil&korps  geführt,  zugibt  (L'^pop^e  II.  719),  während  Vasi^cYsldJ  die 
Frage  noch  fttr  unentschieden  hält  (oxp.  155),  so  halten  wir  doch  Vladi- 
mirs Anwesenheit  in  Konstantinopel  ftlr  ausgeschlossen.  Die  Bestätigung 
dafür  finden  wir  in  den  Quellen  selbst,  sowie  in  den  politischen  Verhält- 
nissen Rußlands  und  der  persönlichen  Sicherheit  Vladimirs.  Die  Quellen, 
die  uns  Ton  seiner  Anwesenheit  in  Konstantinopel  erzählen,  gehören  durch- 
weg einer  späteren  Zeit  an,  £1  Makin  und  Ibn-el-Athir  dem  xni.  Jahrh. 
(und  überdies  erwähnt  es  ihr  Original,  Jahja,  nicht),  die  Chronik  Ayramkas 
dem  Ende  des  XV.  und  Anfang  des  XVI.  Jahrh.  (allerdings  kann  sie  einer 
älteren  Quelle  entnommen  worden  sein),  auch  Skilizes  gehört  einer  spar 
teren  Zeit  an.    Entscheidend  ist,  daß  wir  dies  in  keiner  zeitgenössischen 
Quelle  finden.    Die  Chronik  erwähnt  es  auch  nicht  und  sie  oder  wieder 
ihre  Quellen  hätten  gewiß  ein  so  wichtiges  Ereignis  aufgezeichnet,  gerade 
wie  sie  den  Aufenthalt  Olgas  in  Konstantinopel  verzeichnet  hat  Übrigens 
üeßen  die  Abwesenheit  Vladimirs  aus  Rußland  dessen  Verhältnisse  nicht 
zu.  Er  hat  gewiß  von  der  Unzufriedenheit  gewußt,  die  in  Rußland  wegen 
der  Abwesenheit  Syjatoslairs  geherrscht,  der  dadurch  das  Land  den  Ver- 
wlistungen  der  PeSenegen  ausgesetzt  hatte.    Wir  wissen  auch,  daß  jenes 
Aushilfskorps,  das  er  nach  Konstantinopel  entsendet,  in  seinem  eigenen 
Heere  so  große  Lücken  zurflckgelassen,  daß  er  nicht  imstande  war, 
größere  Unternehmungen  gegen  die  PeSenegen  vorzunehmen,  ja  er  war 
Bogar  bemflssigt  (wie  wir  aus  Brunos  Bericht  entnehmen)  die  Grenze 
dureh  kflnstliche  Befestigungen  zu  schlitzen.   Weiter  durfte  Vladimir  ge- 
rade jetzt,  wo  er  das  Christentum  angenommen  hat,  Rußland  nicht  ver- 
käsen, denn  obwohl  seine  Taufe  geheim  vorgenommen  wurde,  konnte  er 


262  Stjepan  Srkulj, 

dennoch  nicht  sicher  sein,  daß  man  dies  nicht  erfahren  würde  nnd  da» 
wflrde  einen  Aufrnhr  der  Anhänger  des  alten  Glaubens  znr  Folge  gehabt 
haben.  Aber  auch  seine  persönliche  Sicherheit  ließ  die  Beteüignng  an 
der  Expedition  nicht  zn,  denn  wo  hätte  er  eine  Garantie  daftlr  gehabt, 
daß  Basilins  nach  der  glflcklichen  Beendigung  des  Krieges  nicht  ver- 
suchen  könnte  sich  seiner  zu  entledigen? 

Alles  dies  läßt  Vladimirs  Beteiligung  nicht  zu;  er  blieb  in  Bußland, 
wo  er  den  Gang  der  Dinge  abgewartet  und  dflrfte  höchstwahrscheinlich 
in  Tmutarakan  sich  aufgehalten  haben.  Zu  dieser  Annahme  berechtigt 
uns  der  unerwartete  Angriff  auf  Cherson,  denn  ein  solcher  von  Kgew 
aus  hätte  nicht  geheim  bleiben  können  und  weiters  erwartete  er  dort  die 
Ankunft  Annas.  — 

Es  kann  kein  Zweifel  darüber  herrschen,  daß  die  Taufe  Vladimirs 
eine  Folge  politischer  Konstellation  ist.  Die  Ereignisse  der  Jahre  986 — 
989  im  Osten  Europas,  die  für  Rußland  von  großem  Vorteile  waren,  er- 
klären uns  die  Taufe.  Wir  müssen  aber  besonders  betonen,  daß  ein  an- 
derer Fürst  an  Vladimirs  Stelle,  z.  B.  sein  Vater  Syjatoslay,  in  ganz  an- 
derer Weise  die  Situation  ausgenützt  hätte  und  daß  es  damals  znr  Taufe 
überhaupt  nicht  gekommen  wäre.  Es  ist  ein  persönliches  Verdienst  Vla- 
dimirs, daß  er  die  Ereignisse  in  solcher  Weise  ausgenützt  hat,  daß  sie 
zur  Annahme  des  Christentums  geführt  haben.  Selbstyerständlich  finden 
wir  diese  politischen  Ereignisse  in  den  russischen  Quellen  nicht,  da  ihn^i 
der  ganze  Hergang  der  Verhandlungen  unbekannt  geblieben  war.  Den- 
noch suchten  jene  Quellen,  die  über  Vladimir  und  seine  Taufe  geschrieben, 
auf  verschiedene  Weise  zu  erklären,  wie  es  dazu  gekommen  war,  daß 
Vladimir,  den  die  Tradition  als  einen  verkörperten  Anhänger  der  alten 
Beligion  darstellt,  plötzlich  für  das  Christentum  gewonnen  wurde.  Metro- 
polit Ilarion  sagt  in  seinem  »IIozBajKBHoe  cioboc,  daß  Vladimir  Christ 
wurde,  ohne  Apostel  gehört  und  ohne  Wunder  gesehen  zu  haben,  weil 
er  durch  seinen  eigenen  Verstand  die  Wahrheit  erkannt  habe  f^TemH 
HecT.  j.,  II.  56).  Der  Mönch  Jakob  schreibt  diese  Sinnesänderung  der 
Gnade  des  heiligen  Gdstes  und  der  Erinnerung  an  seine  Großmutter 
Olga  zu  (roJTj^ÖHHCKiH,  HcT.  p.  i^.  239).  Nach  dem  Diakon  Nestor 
wurde  Vladimir  durch  die  göttliche  Offenbarung  aufgefordert,  das  Christen- 
tum anzunehmen  (GpesHeBciciH,  GKasame  o  ob.  EopHci  h  TÄi&kj  6), 
während  ihn  nach  Banduri  die  Verschiedenheit  und  Zerfahrenheit  in  reli- 
giösen Dingen  dazu  bewogen  hat  (rojryÖHHCKin,  Hct.  p.  u^.,  248).  Nach 
der  Chronik  war  es  die  Tätigkeit  des  griedüschen  Philosophen  einerseits 


Drei  Fragen  ans  der  Taufe  des  heiligen  Vladimir.  263 

nad  das  Oelflbde  bezflglioh  der  Einnahme  von  Cherson  anderseits,  das 
Yladimir  zur  Annahme  des  Christentums  brachte. 

Die  meisten  nissischen  Historiker  halten  sieh  an  den  Bericht  der 
Chronik,  so  SoloYJev  (Hct.  F.  hsa.  6. 1.  160),  BestoieT-Bjnmin  (PyccKafl 
HOTopifl),  vflhrend  Golnbinskij  auch  in  der  zweiten  Ausgabe  seiner  Kirchen* 
gesehichte  an  der  Behauptung  festhält,  daß  Yladimir  von  der  frühesten 
Jugend  dem  christlichen  Glauben  zugetan  gewesen  sei  und  ihn  zur  An* 
nähme  des  Christentums  auch  politische  VerhAltnisse  veranlaßt  hätten, 
d.  h.  er  habe  sem  Volk  in  die  Reihe  der  europäischen  zivilisierten  Staaten 
durch  das  Christentum  einfllgen  wollen  (HcTopiA  151  u.  161).  Dabei 
ignoriert  er  vollkommen  die  Entdeckungen  des  Baron  Bösen,  obwohl  ihm 
diese,  wie  man  aus  einer  Bemerkung  (161,  2)  sieht,  bekannt  waren.  Die 
eiste  Behauptung  steht  im  Widerspruch  mit  den  Berichten  des  Chronisten 
Aber  die  Anfitellung  der  Götzenbilder  und  Aber  das  Opfern.  Es  ist  wahr, 
daß  Vladimir  deswegen  noch  kein  begeisterter  Anhänger  des  Heidentums 
seiQ  mußte,  ja  wir  haben  Gründe  anzunehmen,  daß  er  in  religiösen  Sachen 
vollkommen  gleichgültig  war,  denn  die  Beligion  war  ihm  nur  ein  Zweck 
nr  Erreiehung  sdnes  Zieles.  Eine  Zuneigung  zum  christlichen  Glauben 
bei  ihm  anzunehmen,  würde  die  Aufstellung  der  Götzenbilder  und  das 
Opfern  nicht  zulassen.  Weiter  steht  der  Behauptung  Golubinskij's  auch 
die  Tradition  entgegen,  die  Vladimir  zu  einem  wahren  Anhänger  und 
Förderer  des  Heidentums  gestempelt  hat  An  die  Aufgabe,  das  Reich 
der  Zivilisation  zuzuführen,  konnte  er  damals  nicht  denken,  da  erge^ 
rade  bis  zur  Taufe  fortwährend  in  verschiedene  Kämpfe  und  Kriege  ver- 
wickelt war. 

Um  die  religiöse  Veranlagung  Vladimirs  kennen  zu  lernen,  müssen 
wir  einen  Bückblick  auf  seine  Jugend,  auf  die  Umstände,  unter  denen  er 
gelebt  und  auf  die  religiöse  Überzeugung  seiner  Umgebung  werfen.  Wir 
räsen  bereits,  daß  er  die  Kindheit  bei  seiner  Großmutter  Olga  zuge- 
bracht, die  ihn  zugleich  mit  seinen  Halbbrüdern  gewiß  im  christlichen 
Glauben  erzogen  hat  Aber  bevor  noch  diese  christliche  Erziehung  in 
ihm  tiefere  Wurzeln  hatte  fassen  können,  starb  Olga,  und  Vladimir  kam 
US  dieser  christiiohen  Atmosphäre  in  eine  völlig  heidnische,  nach  Nov- 
gorod,  wo  das  Heidentum  in  voller  Blüte  stand.  Wir  dürfen  nicht  außer 
^t  lassen,  daß  Novgorod  ein  Tummelplatz  der  skandinavischen  Nor- 
nuumen  war,  die  damals  noch  fast  durchw^  Heiden  waren.  In  Novgorod 
^vde  am  meisten  der  slavisch-heidnische  Glaube  mit  jenem  der  Bkandi- 
luirier  vermengt  und  es  war  zugleich  am  meisten  dem  diristlichen  Glauben 


264  Stjepan  Srkalj, 

entrflckt,  obwohl  dieser  anch  hier  Anhftnger  haben  konnte,  da  es  ein  wich- 
tiger Verkehrspnnkt  war.  Dorch  den  regen  Verkehr  mit  Skandinavien 
blieb  auch  Novgorod  länger  nnter  dem  normannischen  EinfloiB  als  E^ew. 
In  dieser  heidnischen  Sphäre  verbrachte  Vladimir  seine  Jngencyahre,  bis 
er  sieh  bemüßigt  sah  in  Schweden  vor  Jaropolk  Zuflucht  zu  suchen.  Da- 
mals herrschte  dort  Erich,  der  während  seines  Aufenthaltes  in  Dänemark 
das  Christentum  angenommen,  es  aber  sofort  wieder  verlassen  hatte,  so- 
bald er  nach  Schweden  zurflckgekehrt  war  (Oeier,  Geschichte  Schwedens, 
ttbersetzt  von  Leffler  I,  121).  Wir  dürfen  uns  Ober  diesen  Vorgang  gar 
nicht  wundem,  denn  von  einer  demütigen  Ergebung  den  Gittern  gegen- 
über, wie  sie  sich  anderwärts  findet,  ist  im  Norden  keine  Rede.  Wenn 
z.  B.  unter  einzelnen  Geschlechtem  oder  Familien  Fduidschaft  ausbricht, 
so  werden  regelmäßig  die  feindlichen  Tempel  und  (Götterbilder  ohne  wei- 
teres als  Feindes  Freunde  zerstört  und  verbrannt.  Und  ungescheut  be- 
kennt gar  mancher,  daß  er  an  nichts  glaube,  als  an  sich  selbst  oder  seine 
Stärke  und  sein  Glück.  Nur  eine  Überzeugung  hielt  alle  und  auch  wohl 
diese  trotzigsten  Geister  in  scheuer  Ehrfurcht:  die  von  der  ünabwend- 
barkeit  des  einmal  bestimmten  Verhängnisses,  das  nach  der  Göttersage 
von  der  Hand  der  Nomen  ausgeht.  Man  kann  sagen,  daß  die  überirdi- 
schen Vorstellungen  bei  den  Normannen  im  ganzen  weniger  Einfluß  aus- 
übten als  bei  irgendeinem  Kulturvolk,  welches  die  Geschichte  kennt  (Bü- 
dinger.  Die  Normannen  und  ihre  Staatengründungen,  Sybels  Historische 
Zeitschrift  IV.  338).  Unter  den  isländischen  Landnamamannen  gab  es 
Leute,  die  ihren  heidnischen  Namen  aufgaben,  ohne  einen  christlichen 
anzunehmen,  es  gab  darunter  Kolonisten,  die  nicht  einmal  opfern  wollten, 
wie  z.  B.  Hjörlfeifr  oder  Asgeier  Eoieif,  der  aus  eigener  Veranlassung  das 
Opfem  aufgab,  ohne  vom  Christentum  gewußt  zu  haben.  Bersi  Godlaus, 
Halls  Godlaus,  Helgi  Godlaus  opfem  ebenfalls  nicht,  sie  vertrauen  nur 
auf  ihre  eigene  Kraft;  (Maurer,  Islands  und  Norwegens  Verkehr  vom  IX. 
bis  Xm.  Jahrb.,  Zeitschrift  fOr  deutsche  Philologie  2.  B.,  450).  Als  den 
Freysgoden  Hrafhkell  seine  Feinde  vertrieben,  seinen  Tempel,  der  dem 
Gott  Frey  gewidmet  war,  samt  den  Götzenbildem  verbrannt  und  seinen 
Lieblingshengst  Freyfax,  den  er  ebenfalls  dem  Gott  Frey  geweiht  hat, 
von  einem  Felsen  ins  Meer  stürzten,  ohne  daß  der  Gott  diesen  Frevel  ge- 
straft hätte,  sagt  er:  »Ich  glaube,  es  ist  dumm,  an  einen  Gott  zu  glauben, 
von  nun  an  glaube  ich  an  keinen  Gott  mehr«  (Lenk,  die  Saga  von  Hrafii- 
kell  Freysgodi,  62).  Gisle  in  der  Gisle  Surssohns  Saga  (aus  dem  X.  Jahrh.) 
gibt  das  Opfem  auf  und  nimmt  keinen  anderen  Glauben  an  (P.  E.  Müller, 


Drei  Fragen  ans  der  Tanfe  des  heiligen  Vladimir.  265 

Sagaenbibliothek  des  skandinavischen  Altertums,  übersetzt  ans  dem  Dir 
nisehen  von  Dr.  Karl  Lachmann,  125).    Als  sich  Sigmnnd,  Bresters 
Sohn,  in  der  Fftreingasaga  (Ende  des  X.  nnd  Anfang  des  XI.  Jahrh.)  in 
Dronthjem  einschiffen  wollte,  um  den  Tod  seines  Vaters  zu  rächen,  ant- 
wortete er  anf  die  Frage  Hakons,  des  Jarl  von  DronÜyem,  an  wen  ver- 
trane  er:  »an  meine  eigene  Kraft  nnd  Stärke«  (ibid.  132).    In  der  Lax- 
dälasage  (Mitte  des  XI.  Jahrh.)  weigert  sich  Bolle,  das  Christentum 
anzunehmen,  da  ihm  der  christliche  Glaube  zu  weich  scheine  (ibid.  1 53). 
In  derselben  Saga  sagt  dem  König  Olaf  Triquason  Eaarton,  als  er  ihm 
zugeredet  das  Christentum  anzunehmen,  daß  man  ihn*  durch  Qttte  am 
ehesten  dazu  bringen  wflrde  das  Christentum  anzunehmen,  und  daß  er 
den  nächsten  Winter  auf  Island  Thor  weniger  verehren  werde,  worauf 
ihm  der  König  lächelnd  sagte:  »Es  scheint,  daß  Kiarton  mehr  an  seine 
eigene  Kraft  und  Stärke  vertraut,  als  an  Thor  und  Odin«  (ibid.  154). 
Helge  und  Grim  in  der  Fliot^lidasaga  verirrten  sich  während  eines  Schnee- 
gestöbers und  kamen  in  den  Tempel  ihres  Erziehers,  wo  Götzenbilder 
standen,  und  sie  sprachen  Frey  und  Thor  mit  folgenden  Worten  an: 
Wenn  ihr  wollt,  daß  wir  sowie  andere  Menschen  an  euch  vertrauen,  zeigt 
euch  hoiHürtig,  seid  ihr  nicht  gewillt  uns  zu  helfen,  so  werden  auch  wir 
uns  um  euch  nicht  mehr  kflmmem  (ibid.  167).    Als  der  norwegische 
König  Olaf  der  Dicke  in  einen  Helden,  der  sich  zu  keinem  Glauben  be- 
kannte, drang,  das  Christentum  anzunehmen,  entschloß  sich  dieser  mit 
den  Worten:  »Quodsi  in  deum  quendam  mihi  sit  credendum,  anne  mihi 
peius  erit  in  album  istum  Christum  credere,  quam  in  deorum  alium«  (Krug, 
Forschungen  in  d.  alt.  russ.  Geschichte  U.  469).  Die  Normannen  konnten 
sich  flir  das  Christentum  nicht  erwärmen,  weil  sie  fttr  das  jenseitige 
Leben  gar  nicht  empfindlich  waren,  denn  das  künftige  Leben  in  der  Wal- 
halla kommt  nur  jenen  zugute,  denen  diese  Welt  nichts  mehr  bietet  als 
den  Tod  (wie  den  zum  Tode  Verurteilten,  verwundeten  Helden  und  auch 
jenen  Helden,  die  sich  vor  dem  nahenden  Alter  ftlrchten),  sie  ziehen  den 
8i^  und  das  Leben  der  Walhalla  vor,  den  Sieg  und  das  Leben  wünschen 
sie  ftlr  sich,  die  Walhalla  dem  Feinde.   Hieraus  sehen  wir,  daß  die  Nor- 
mannen keine  religiöse  Begeisterung,  keinen  religiösen  Eifer  besaßen,  und 
wenn  es  schon  vorkam,  daß  ein  Held  einen  anderen  Glauben  angenom- 
men hat,  so  blieb  auch  dann  jedweder  reli^öse  Fanatismus  fem  (Snorri 
Sturluson,  Weltkreis  H.,  108).    In  einem  solchen  Volke  konnte  es  keine 
religiösen  Gegensätze  geben.  Der  Übei^ang  von  einem  Glauben  zum  an- 
deren wurde  als  Privatsache  betrachtet  —  erst  später  bekam  er  eine 


266  Slgepan  Srkny, 

politiaehe  Fftrbung  —  bei  ihm  ist  das  reli^Ose  Bewofitseiii  so  gering, 
daß  von  einem  Oewissensiwang  keine  Rede  sein  konnte,  Toleranz  aber 
nnd  Oleiohgflltigkeit  liegen  sehr  nahe  (Brflckner,  Geachichte  Bnßlanda, 
288).  Fflr  einen  nordiaohen  Helden  existiert  nur  der  Bnhm  und  der 
Beiehtom,  alles  andere  wird  als  Nebensaehe  betrachtet,  nur  Rnhm  and 
Reiehtnm  können  als  eines  Mannes  wflrdig  in  Betracht  kommen.  Die 
Glanbensangelegenheiten  Ernst  zu  nehmen  gilt  in  den  Angen  nordischer 
Helden  fflr  lächerlich,  eben  darum  nahm  auch  Svjatoslav  den  christlichen 
Glauben  nicht  an,  als  ihn  sdne  Mutter  Olga  dazu  zu  bewegen  suchte  — 
seine  »Druiina«^ würde  ihn  ausgelacht  haben  (At,  ßi^). 

Alle  diese  Umstände  mflssen  wir  uns  vergegenwärtigen,  wenn  wir 
über  Vladimirs  religiöse  Ansichten  und  Veranlagung  sprechen  wollen. 
Die  religiösen  Ansichten  jener  Gesellschaft,  in  der  er  aufgewachsen  ist, 
in  deren  Atmosphäre  er  gelebt  hat,  sind  nicht  ohne  Einfluß  auf  Vladimir 
geblieben.  Es  fragt  sich  nur,  ob  Vladimir  in  der  Tat  von  einer  »Dru« 
2ina«  mit  solchen  Ansichten  umgeben  war.  Und  dieses  muß  man  bejahen. 
Wir  weisen  nur  auf  jenen  Teil  der  »Druüna«  hin,  die  nach  dem  Ab- 
gange des  anderen  Teiles  nach  Konstantinopel  bei  ihm  geblieben,  die 
auch  nach  der  Taufe  einen  großen  Einfluß  behalten  hat,  er  muß  sogar 
ihren  Unmut,  daß  sie  nicht  mit  hölzernen  Löffeln  essen  wollen,  dadurch 
besänftigen,  daß  er  ihnen  silberne  geben  ließ  (jiiT.  123^^-21).  Wir  kön- 
nen mit  Bestimmtheit  die  Behauptung  aufstellen,  daß  in  Vladimir  der 
Sinn  für  Religion  nicht  besonders  entwickelt  war;  er  konnte  sich  also 
keinesfalls  schon  von  der  frühen  Jugend  an  zum  christlichen  Glauben 
hingezogen  gefflhlt  haben,  denn  wenn  ihm  auch  ein  bischen  vom  Christen- 
tum aus  jener  Zeit,  die  er  bei  seiner  Großmutter  verbracht,  haften  ge- 
blieben ist,  so  hat  sich  dies  im  Norden,  in  dem  neuen  Eieis,  der  ihn 
umgab,  yerloren,  wozu  auch  Dobrynja  seinen  Teil  beigetragen  hat.  Dieser 
Indifferentismus  dem  Glauben  gegenüber  dürfte  Vladimir  nicht  im  ge- 
ringsten gehindert  haben,  den  alten  Glauben  in  seinem  Reiche  zu  ver- 
breiten oder  ihn  zu  hindern,  das  Christentum  anzunehmen,  das  eine  wie 
das  andere  war  durch  jeweilige  Situation  und  Notwendigkeit  bedingt 

Golubinskij  meint,  daß  auf  Vladimir  bezüglich  der  Religion  auch 
seine  Frauen,  die  Christinnen  waren,  einen  Einfluß  ausgeübt  hätten  (Hct. 
p.  A.  1 53).  Wir  müssen  das  verneinen,  da  keine  seiner  Frauen,  die  Prin- 
zessin Anna  ausgenommen,  einen  größeren  Einfluß  auf  ihn  ausgeübt  hat 
Er  brauchte  ja  nicht  auf  seine  Frauen  der  Religion  wegen  irgendwelche 
Rücksicht  zu  nehmen,  da  die  Verschiedenheit  des  Glaubens  kein  Ehe- 


Drei  Fragen  ans  der  Taufe  dea  heiligen  Vladimir.  267 

hindemis  war  (Weinhold,  Altnordisches  Leben,  244).  und  dennoch  ist 
es  dne  Frau  gewesen,  die  Aber  den  Olanben  in  Rußland  entschieden  hat, 
es  ist  die  Prinsessin  Anna,  die  Schwester  Theophanos  und  der  beiden 
Kaiser  Basilius  ü.  und  Konstantinus  YIU.  Ihretwegen  verließ  er  seinen 
alten  Qlauben  und  nahm  sozusagen  über  Nacht  das  Christentum  an, 
und  das  konnte  er  eben  wegen  der  Gleichgültigkeit  der  Religion  gegen- 
flber  umso  leichter  tun.  Den  Grund,  warum  er  das  Christentum  so  leich- 
ten Herzens  angenommen,  haben  wir  in  seiner  Weiberlust  zu  suchen. 
Zu  einem  großen  Weiberfreund  hat  ihn  ja  auch  die  Tradition  gestempelt; 
als  solchen  charakterisiert  ihn  Thietmar  von  Merseburg  (»Vladimir  war 
em  unersättlicher  Schwelger«  Chronic,  lib.  VII  c.  52).  »Vladimir  war 
begierig  nach  den  Frauen«,  erzählt  uns  die  Chronik,  >er  hatte  Rognjed 
zum  Weibe,  die  ihm  4  Söhne  geboren :  Izeslav,  Mstislav,  Vyseslav,  Vsevolod 
und  2  TOchter;  die  Griechin  beschenkte  ihn  mit  S^atopolk,  die  Böhmin 
mit  Vyseslav  und  eine  andere  mit  Srjatoslay  und  Mstislav,  die  Bulgarin 
mit  Boris  und  Gleb.  An  Kebsweibem  hatte  er  300  in  VySegorod,  300  in 
Bjelgorod,  200  in  Berestovo  (die  Nikonsche  Chronik  ffigt  noch  hinzu: 
300  in  Rodnja).  Er  war  eben  ein  unersättlicher  Schwelger,  der  sich  ver- 
heiratete  Weiber  zuführen  ließ  und  Jungfrauen  entehrte«  (jt^t,  78®^^')  ^). 
Und  wenn  auch  der  Chronbt  die  Zahl  der  Kebsweiber  entschieden  über- 
treibt, um  nur  den  Gegensatz  im  Leben  Vladimirs  vor  und  nach  der  Taufe 
hervorzuheben,  so  zeigt  uns  schon  die  ziemlich  große  Zahl  seiner  Frauen 
und  seiner  Kinder,  daß  Vladimir  ein  großer  Weiberfreund  war.  Man 
braucht  sich  aber  nicht  darüber  zu  wundern,  wenn  er  selbst  eine  Por- 
phyrogeneta  zum  Weibe  haben  wollte  und  Kaiser  Konstantm  Vn.  Por- 
phyrogenetes  erzählt  uns,  daß  eben  die  Fürsten  der  Barbaren  besondere 
Vorliebe  fAr  kaiserliche  Prinzessinnen  zeigten  (de  adm.  imp.  c.  13). 

Wir  haben  gesehen,  daß  die  politische  Situation  des  byzantinischen 
Reiches  ungemein  günstig  für  diesen  brennenden  Wunsch  Vladimirs  war. 
Nur  durch  die  äußerste  Not  gezwungen  willfahrte  Basilius  dieser  »con- 
ditio sine  qua  non«  Vladimirs  für  die  empfangene  Hilfe.  Der  eigent- 
liche Grund  der  Taufe  Vladimirs  liegt  also  in  dem  Wunsche, 
die  Hand  der  Prinzessin  Anna  zu  gewinnen,  dieser  Wunsch  ist 
68  auch,  der  die  Christianisierung  des  russischen  Volkes  beschleunigte, 
worauf  schon  Gibbon  in  seiner  »History  of  the  decline  and  fall  of  the 
Roman  empire«  (VI,  163)  hingedeutet  hat. 

')  Dasselbe  enthält  auch  etwas  genauer  das  »lOxHo-pyccKoe  xetIo  Bjaxu- 
upa«  (^Teflix  Heer.  Ji.,  35). 


268  Stfepan  Srknli, 

m. 

Das  Jahr  der  Taufe  Vladimirs  steht  in  engem  Znsammenhange  mit 
der  Eroberung  Chersons;  wir  müssen  daher  zuerst  feststellen,  wann  Cher- 
son  erobert  wurde,  um  dann  die  Zeit  bestimmen  zu  können,  wann  Vladi- 
mir getauft  wurde.  Bei  der  Besprechung  dieser  Frage  fUlt  der  sonder- 
bare Umstand  auf,  daß  Vladimir,  der  Verbflndete  Basilius^  so  plötzlich 
die  Stadt  seines  Verbflndeten  belagert  und  sie  auch  wirklich  einnimmt 
Woher  dieser  Umschwung?  Bei  der  Beantwortung  dieser  Frage  entfallen 
von  selbst  die  Erklärungen  Earamzins,  Makarius  und  Qolubinskis,  warum 
er  Gherson  angegriffen  hat.  Die  beiden  ersten  sind  der  Meinung,  daß 
Vladimir  zu  stolz  war,  sich  vor  den  Griechen  durch  das  aufrichtige  Be- 
kenntnis seiner  heidnischen  Irrtümer  zu  erniedrigen  und  sie  friedlich  um 
Taufe  zu  bitten  (EapaMSHH'B,  Hct.  r.  p.  129,  ManapiH,  Hot.  p.  j\.  14), 
während  Oolubinskij  wieder  glaubt,  daß  er  darum  Cherson  angegriffen 
habe,  damit  er  als  Sieger  mit  den  Griechen  verhandeln  könnte,  sonst 
würden  ihn  die  Griechen  als  ihren  Untertan  betrachtet  haben,  wenn  er 
auf  friedlichem  Wege  von  ihnen  das  Christentum  angenommen  hätte,  an- 
derseits habe  er  wieder  eine  griechische  Prinzessin  zur  Frau  haben  wollen 
(HcTopifl  p.  i^.  160).  Ebensowenig  kann  uns  ZaritneviS  mit  seiner  An- 
nahme zufrieden  stellen,  wonach  Vladimir  Cherson  habe  erobern  wollen, 
um  Leute  zu  bekommen,  die  sein  Volk  im  christlichen  Glauben  unter- 
richten würden  (RiaAHMip'B  cb.,  196).  Viel  Wahrscheinlichkeit  hat  die 
Ansicht  des  Barons  Rosen  für  sich,  die  darin  gipfelt,  daß  Vladimir  Basi- 
lius  mit  den  Waffen  in  der  Hand  zur  Vollziehung  der  Heirat  zwingen 
mußte  (HnnepaTopi  Boc.  £.  217).  Es  handelt  sich  bei  dieser  Frage  um 
die  Bestimmung,  wann  die  Heirat  stattfinden  sollte.  Da  wir  den  Wort- 
laut des  Vertrages  nicht  haben,  so  sind  wir  auf  Vermutungen  angewiesen. 
Jedenfalls  hätte  das  nach  der  Niederwerfung  der  Empörung  Bardas  Phokas 
geschehen  sollen.  Vladimir  erwartete  den  Ausgang  des  Krieges,  wie  oben 
erwähnt,  höchstwahrscheinlich  in  Tmutarakan,  das  damals  zu  Rußland 
gehörte,  ab.  Da  aber  dieser  Teil  des  Landes  am  Azowschen  und  Schwarzen 
Meere,  weit  vom  übrigen  Rußland,  lag,  so  hat  er  jedenfalls  soviel  Leute 
gehabt,  daß  er  vor  allen  etwaigen  Überraschungen  der  PeSenegen  sicher 
war  und  sich  die  Rückkehr  nach  Eijew  sicherte.  Da  Bardas  Phokas  bei 
Abydos  13.  April  989  gefallen  (Poseu'B,  Hmu.  Bac.,  25^®)  und  seine 
Empörung  damit  geendet  hat,  so  glaubte  Vladimir,  daß  nun  die  Reihe  an 
Basilius  sei,  seinerseits  die  Bedingungen  zu  vollziehen  und  ihm  seine 
Schwester  Anna  zu  schicken.   Vladimir  dürfte  zu  lang  auf  seine  Brant 


Drei  Fragen  ans  der  Taufe  des  heiligen  Vladimir.  269 

gewartet  haben  nnd  weil  sie  nicht  kam,  griff  er  unerwartet  Cherson  an 
(Poschs,  Ibin.  Bac.  217).  Ihre  Ankunft  hat  sich  vielleicht  dadurch  ver- 
zögert, daß  sie  eich  weigerte  zu  gehen,  wie  uns  das  dieChronik  (jAt.  108^) 
und  Ibn-el-Athir  (BacHJLeBCidH,  oxp.  147)  bestätigen.  Es  ist  selbstver- 
ständlich, daß  sie  sich  schwer  entschließen  konnte,  als  Opfer  der  Politik 
soweit  von  den  sonnigen  Qelftnden  des  Bosporus  in  das  düstere  Barbaren- 
land sich  zu  begeben  und  einen  Menschen  zu  heiraten,  vor  dem  sie  eher 
Abscheu  als  was  anderes  haben  konnte,  denn  seine  Weiberlust  und  sein 
Brudermord  sind  ihr  nicht  unbekannt  geblieben.  Die  Unterdrückung  der 
Empörung  Bardas  Phokas  war  eben  vollendet,  Basilius  konnte  leichter 
atmen  und  vielleicht  hoffte  er  sogar  sich  den  schweren  Bedingungen 
Vladimirs  zu  entziehen,  was  Vladimir  mit  der  Eroberung  von  Cherson 
beantwortete.  Dennoch  scheint  ein  anderer  Grund  f&r  diesen  Vorgang 
gewesen  zujBcin.  Wie  oben  erwähnt,  war  es  Basilius  daran  gelegen,  daß 
die  Bedingungen,  unter  welchen  er  von  Vladimir  die  Hilfe  bekommen 
hftt,  geheim  gehalten  werden.  Nun  würde  man  ihm  auch  nach  dem  Falle 
Phokas  verübelt  haben,  wenn  er  seine  Schwester  an  den  Barbaren  Vladi- 
mir verheiratet  hätte,  ohne  einen  besonderen  Orund  dafür  gehabt  zu 
haben.  Vielleicht  lautete  ein  Punkt  des  Vertrages  dahin,  daß  Vladimir 
zur  besümmten  Zeit  Cherson  überfalle,  um  auf  diese  Weise  scheinbar  die 
Hand  Annas  als  Rekompensation  fdr  Cherson  zu  erhalten.  Die  Öffent- 
liche Meinung  würde  gegen  die  auf  solche  Weise  entstandene  Ehe  weniger 
einzuwenden  haben.  Es  ist  wahr,  daß  wir  dafür  keine  Beweise  haben, 
aber  die  Verhältnisse  schließen  diesen  Fall  nicht  aus.  Der  Angriff  Vladi- 
mirs ließe  sich  noch  auf  eine  andere  Weise  erklären:  vielleicht  war  die 
Stadt  von  Basilius  abgefallen,  um  sich  ebenfalls  an  Bardas  Phokas  an- 
zuschließen. In  beiden  Fällen  wird  uns  dadurch  der  Verrat  des  Griechen 
Anastasius  erklärlich^).  In  ganz  anderem  Lichte  erscheint  uns  dieser 
Verrat,  wenn  wir  jenen  Verräter  Anastasius  als  einen  Anhänger  Basilius' 
gelten  lassen,  der  diesen  Verrat  im  Interesse  seines  Herrn  geübt  hätte. 
Eine  Bestätigung  dafOr  sehen  wir  darin,  daß  Vladimir  gar  nicht  im  Sinne 
gehabt,  die  Stadt  für  sich  zu  behalten.  Aber  auch  Basilius  mußte  ein 
großes  Interesse  daran  gehabt  haben,  mit  Vladimir  auf  friedlichem  Fuße 


1)  In  der  Bekonstruktion  der  Chersonschen  Legende  ersetzt  Sachmatov 
den  Namen  >Ana8tasius€  durch  den  warägischen  Namen  >J^dbema<  als  den 
Siteren  (Kopcyn.  4er.  89).  Jedenfalls  ändert  das  an  der  Tatsache,  daß  Cherson 
durch  Verrat  gefallen,  nichts. 


270  Stjepan  Srkalj. 

auch  weiter  zu  leben,  denn  sonst  stand  ihm  die  Gefahr  bevor,  daß  daa 
Aushilfskorps  gegen  ihn  auftreten,  ebenso  daß  Vladimir  sich  auf  die  Seite 
der  Bulgaren  schlagen  konnte. 

Welches  immer  der  Grund  zum  Überfall  gewesen  sein  mag,  jedenfalla 
war  er  zu  einem  sehr  gflnstigen  Zeitpunkt  vorgenommen.  Die  Empörung 
Bardas  Phokas  war  zwar  unterdrückt,  seine  Anhänger  jedoch  schlössen 
sich  an  B.  Sklerus  an,  den  die  Witwe  des  ersteren  aus  der  Haft  entlassen 
hatte  und  der  die  versprengten  Soldaten  B.  Phokas  wieder  an  sich  ge- 
zogen, während  im  Westen  noch  immer  die  Bulgaren  das  Reich  bedrohten. 
Die  Garnison  von  Cherson  dürfte  sehr  gering  gewesen  sein,  da  den  größten 
Teil  gewiß  Basilius  an  sich  gezogen  hatte;  die  Stadt  war  ja  ohnedies  durch 
das  Bündnis  mit  Vladimir  geschützt.  Dennoch  fand  Vladimir  einen  ernsten 
Widerstand,  den  die  Bürger  selbst  organisiert  hatten.  Man  kann  nicht 
wissen,  wie  lange  die  Belagerung  gedauert,  ob  überhaupt  Vladimir  die 
Stadt  erobert  hätte,  wenn  sie  nicht  durch  Verrat  ihm  in  die  Hände  ge- 
spielt worden  wäre. 

Es  ist  ein  Verdienst  Vasiljevskis,  den  Zeitpunkt  der  Einnahme  be- 
stimmt zu  haben.  Die  Stadt  fiel  nach  April  989,  aber  noch  vor  Ende 
Juli  desselben  Jahres.  Am  7.  April  989  erschien  nämlich  am  nächt- 
lichen Himmel  eine  Feuersäule,  die  nach  Leo  Diaconus  die  Einnahme 
Ghersons  durch  die  Tauroscythen  und  die  Eroberung  von  Berröe  durch 
die  Bulgaren  ankündigte  (175);  am  27.  Juli  desselben  Jahres  war  durch 
längere  Zeit  ein  Komet  sichtbar,  der  nach  Leo  Diaconus  (175 — 176}  ein 
Erdbeben  voraussagte,  das  auch  wirklich  nach  der  Angabe  VasUjevskis 
am  25.  Oktober  989  stattgefunden  hat.  Vor  dem  13.  April  989  ist  es 
ebenfalls  nicht  geschehen,  da  an  diesem  Tage  die  Bussen  noch  gegen 
B.  Phokas  kämpften.  Der  Fall  von  Cherson  fällt  also  Ende  Juni  oder  an- 
fangs Juli  989  (BacHJibeBCKiu,  OTp.  156 — 158;  FoseEX,  Hunep.  Bac. 
E.  215)1).  Sobolevskij  setzt  den  Fall  der  Stadt  in  das  Jahr  988,  da  er 
mehr  Glauben  der  späteren  Aufzeichnung  der  Chronik  schenkt  als  dem 
Zeitgenossen  Leo  Diaconus,  fOr  den  er  annimmt,  daß  er  die  Begebenheiten 
des  Jahres  988  mit  989  vermengt  habe  (Foa'b  Kpen^eHiii  Bjt.  ob.,  ^TeuiA 
HecT.  X.  6). 

Sobald  Vladimir  Herr  von  Cherson  wurde,   schickte  er  zu  den 


1)  Zavitnevi6  sucht  zu  beweisen,  daß  Cherson  erst  spät  im  Herbst  989 
gefallen  (0  MicTi  h  BpeMOEH  Rpem.  ob.  Bä,  h  o  roxi  Kp.  KiesxHH'B,  TpyAu  kIob- 
CKOK  xyx.  aK.  147). 


Drei  Fragen  ans  der  Taufe  des  heiligen  Vladimir.  271 

Kaiflem  Gesandte*)  mit  der  Drohang,  daß  er  ebenso  wie  Oherson  anch 
Konstantinopel  einnehmen  werde,  wenn  sie  ihm  ihre  Schwester  nicht  zur 
Frau  geben,  d.  h.  wenn  man  den  Vertrags  Verpflichtungen  nicht  nach- 
kommen sollte.  Basilius  wurde  jedenfalls  in  eine  Zwangslage  gesetzt: 
war  dies  im  geheimen  Vertrage,  so  konnte  er  leicht,  ohne  von  der  öffent- 
lichen Meinung  stark  bedrängt  zu  werden,  dem  Wunsche  Vladimirs  ent- 
sprechen, war  es  nicht  darin  besprochen,  so  mußte  er  es  unter  dem  Drucke 
der  momentanen  Situation  tun,  er  durfte  sich  nicht  mit  Vladimir  ttber- 
werfen.  Basilius  schickte  seine  Schwester  in  Gefolgschaft  von  Priestern 
und  Großen  nach  Cherson,  wo  die  Trauung  stattfand^  Die  Trauung 
nahm  der  Bischof  von  Cherson  in  der  Eathedralkirche  der  heiligen  Sophie 
▼or.  Wir  heben  hervor,  daß  in  Cherson  nur  die  Trauung  und  nicht 
die  Taufe  vorgenonmien  wurde. 

Durch  die  Geheimhaltung  des  Vertrages  blieb  auch  der  Ort,  wo  die 
Taufe  vorgenommen  wurde,  ftlr  die  Zeitgenossen  ein  Geheimnis.  Dieser 
Umstand  ließ  Raum  für  verschiedene  Vermutungen  und  ermöglichte  die 
Bildung  zweier  Vitae  Vladimirs,  die  sich  hauptsächlich  um  zwei  Mittel- 
punkte gruppierten;  die  eine  ist  die  chersonische  Überlieferung,  die  wir 
m  der  Chronik  haben,  und  die  zweite  ist  die  Eljewsche  —  resp.  Vasiljev- 
Bche  Überlieferung  —  deren  Spuren  wir,  wie  dies  Sachmatov  bewiesen, 
ebenfaUfl  in  der  Chronik  finden.  Ja,  es  gab  noch  andere  Versionen 
(xpysHe  me  rbslko  CKaaKiOT'B,  jiIt.  109**),  die  dem  Chronisten  so  un- 
wahrscheinlich schienen,  daß  er  sie  nicht  einmal  mitteüen  wollte.  Übri- 
gens ist  der  Chronist  von  der  Richtigkeit  seiner  Darstellung  so  flberzeugt, 
daß  er  einfach  sagt,  »die  anderen,  die  es  nicht  wissen,  erzählen,  daß  er 
in  Kijew,  wieder  andere,  daß  er  in  Vasi^ev  getauft  wurde«.  Rosen  hält 
die  Version  von  der  Taufe  in  Cherson  ftlr  die  richtige  (Himep.  Bac.  219). 
Wir  ziehen  aber  die  Meinung  Golubinskis  vor  und  sagen,  daß  er  höchst- 
wahrscheinlich in  Vasiljev,  s.w.  von  Ejjew,  getauft  wurde  (Hct.  p.  i^.  1 3  3), 
da  dadurch  die  Taufe  viel  leichter  geheim  gehalten  werden  konnte.  Schon 
der  Name  selbst  zeigt,  daß  er  in  irgendwelcher  Beziehung  mit  Vladimir 
steht,  da  bekanntlich  Vladimir  bei  der  Taufe  den  Namen  Basilius  be- 
kommen hat.  Weiter  unten  führen  wir  die  umstände  an,  die  uns  ver- 
snlaasen,  die  Taufe  Vladimirs  in  das  Jahr  987  zu  verlegen;  wenn  also 
Vladimir  im  Jahre  987  tatsächlich  die  Taufe  annahm,  wovon  wir  flber- 


^)  PacnpocTpaHHoe  npoj.  aurrie«  gibt  ihre  Namen  an :  Oleg  und  ZdBbema 
(HTOHiji  HecT.  JL  30). 


272  S^epan  Srknlj, 

sengt  sind,  so  entfiUlt  Cherson  ab  Ort  der  Taufe  von  selbst  Oben  haben 
wir  erwähnt,  daß  die  Chersonsehe  Überlieferang  die  Taufe  nach  Cherson 
verlegt  ZarVerbreitong  nnd  Bestätigong  dieser  Oberlieferong  trag  außer 
der  Chersonschen  Legende  das  Erz&hlen  seiner  »Druünac  bei,  die  sich 
während  der  Trauung  in  Cherson  befand.  J)iese  konnte  sehr  leicht  die 
Zeremonie  der  Trauung  mit  der  Zeremonie  der  Taufe  verwechseln.  Da 
sich  in  Cherson  auch  ein  TeU  der  Druüna  taufen  ließ  (j^t.  109^},  so 
haben  einsselne  gewiß  erzfthlt,  daß  sie  die  Taufe  damals  genommen,  als 
sie  mit  Vladimir  in  Cherson  gewesen,  und  so  konnte  die  Version  von 
seiner  Taufe  in  Cherson  sehr  leicht  entstehen  ^). 

Wir  haben  schon  erw&hnt,  daß  der  Verfasser  des  »Ha^aJHUH  cboa'b« 
das  »Skazanie«  von  der  Taufe  Vladimirs  einfach  in  sein  Werk  aufge- 
nommen hat  Diese  Erzählung  war  nicht  nach  Jahreszahlen  verteilt,  so 
wie  es  auch  die  übrigen  Vitae  nicht  waren  (dieselben  sind  mitgeteilt  in 
»^TOHifl  0.  HecT.  jr.c),  das  hat  erst  der  Verfasser  des  »Ha^.  cboa^«  be- 
sorgt Diese  Verteilung  auf  Jahre  hat  er  so  ungeschickt  vorgenommen, 
daß  er  in  das  Jahr  988  Ereignisse  von  zwei  Jahren  einreihte.  8o  ist  die 
Taufe  Vladimirs  in  das  Jahr  988  gekommen.  Dagegen  erw&hnt  eine 
Quelle  ausdrücklich,  daß  Vladimir  im  Jahre  987  getauft  wurde,  es  ist  das 
»^TeHie  0  shtIh  h  o  noryÖJieHiH  6x,  cTpacTOTepni^  EopHca  h  FxiÖac 
des  Diakon  Nestor  (das  bekanntlich  aus  dem  Anfang  des  Xu.  Jahrh. 
stammt):  >Ge  6h  fi  jri^TO  6000  h  400  h  90«  (Cpe3HeBCKiH,  GicaaaHifl  o 
CB.  EopHci  H  rji%6i},  das  würde  das  Jahr  982  geben;  man  sieht,  daß 
hier  noch  am  Ende  eine  Zahl  fehlt  und  tatsächlich  haben  andere  Texte 
noch  die  Zahl  »  5«  am  Ende,  also  6495  =  987.  Es  ist  beim  Abschreiben 
der  Buchstabe  >e<  ==  5  weggefallen,  weil  der  Abschreiber  dieses  >e« 
ft\i  »90-e«  angenommen  und  einfach  ausgelassen  hat  (rojiytfiiHCRiH, 
HcTop.  p.  i^.  138^}.  Diese  Erklärung  läßt  auch  Sobolevsldj  zu,  obwohl 
er  sich  wann  fOr  das  J.  988  einsetzt  (Foa'b  Kpen^.  5).  Indirekt  gibt  das 
J.  987  als  das  Jahr  der  Taufe  der  Mönch  Jakob  sowohl  in  dem  »CRasa- 
Hie  cTpacTOTepnBipo  cb.  My^eHHKy  EopHca  h  ri%6a<,  wie  in  seiner 
üoxBaia  (rojyÖHHCKiH,  245)  mit  den  Worten  >IIo  cbatoitb  se  Rpe- 
o^eHBH  noxHBe  6ä.  khas'b  BojtoAbnep'B  28  j^t'l«.  Da  wir  sein  Sterbejahr 


1)  Der  Verfasser  der  Chersonschen  Legende  schöpfte  aus  der  mündlichen 
Überlieferung,  ans  den  geschichtlichen  Erzählungen  und  Gedichten,  besonders 
aus  dem  Oedichte  von  der  Brautwerbung  Vladimirs,  sagt  äachmatov  in  der 
>Kopc.  .1.«  60  n.  120—121.  Übrigens  glaubt  äachmatov,  daß  die  Taufe  in  Kijew 
stattgefunden  hat  (ibid.  59). 


Drei  Fragen  ani  der  Taufe  des  heüigen  Vladimir.  27  3 

genau  in  allen  Quellen  mit  11.  Jnli  1015  angegeben  finden,  ao  ergibt 
1015 — 28  =  987.  Dieselbe  Angabe  Aber  die  Lebenadaner  naoh  der 
Tanfe  mit  der  Zahl  28  finden  wir  noeh  in  vier  anderen  >  Yitae«  und  swar 
im  »CiOBO  0  TOMi,  KaKo  Kpecracfl  Bjia^^pDfipXy  bo3mji  KopcyvB«,  im 
»üpojoxHoe  XHTie  IIy($j.B]i6j.«  (IIIaxxaTOBi,  Kopczer.  40],  weiter 
im  »PacnpocTpaHeHHoe  npojoxHoe  xsiie  PyM.  Mys.  Nr.  435«  (?Te- 
Hifl  HecT.  J.  31)  und  im  »Ap^BHee  XHTie  ob.  Ri.<  f?T.  Heor.  16).  In 
die  Bekonstroktion  der  »KopcyHCKafl  jerenAa«  stellt  auch  äaehnuitoy 
diese  Zahl  (K.  x.  U9),  meint  aber,  daß  dieser  Satz  erst  später  eben  ans 
dieser  Legende  in  das  »JpeBHee  s.«  eingeschaltet  wurde  ßbid.21).  Der 
Mönch  Jakob  und  das  »JpeBHee  x.«  respektive  »^poBHiämiH  ji^t.ob.« 
geben  uns  noch  andere  Angaben,  aus  denen  wir  auf  das  J.  987  als  Tauf- 
jahr schließen  kOnnen:  »Haxpyroe  jiiTO  no  Kpen^emH  k  noporoiTB 
xoxH,  Ha  TpeTbe  xiTO  KopcyH^  ropo^i  b3h,  Ha  veTsepToe  jAto  ußp- 

KOFI  KaMeny  cBjiTUfl  Eoropo^Hi^a  saioxH «  und  dann  »flpo- 

noiKa  ytfmna  b%  Kuesft  xyxH  Bozo^HMepoBi.  TS.  &kßfi  b'l  Kucb^ 
Koaarh  Bojoahm ep^  vh  oomob  jAto  no  OMepni  oTi^a  CBoero  GBATocjaBa, 
HicHAa  nH>HJi  vh  1 1-H  AOHB,  vh  x^To  6486.  KpeoTBxeoji  khüs'b  Bojio- 
XHMeprB  B*B  A6CAToe  xiTO  no  ytüeniH  tipaTa  CBoero  flponojnca«  (Toxy- 
(Shhciqh,  Hct.  p.  ^.  245,  ?TeH.HecT.  n.23)^).  Das  Jahr  987  als  Jahr 
der  Taufe  bestätigt  auch  der  Fall  von  Cherson,  der  989  geschah,  also 
im  dritten  Jahre  nach  der  Taufe.  Ebenso  ergibt  wieder  das  zehnte  Jahr 
nach  der  Ermordung  Jaropolks,  die  978  geschah,  das  J.  987.  Qolubin- 
sky  wollte  hier  eine  Korrektur  insofeme  vornehmen,  daß  er  statt  »AecH- 
Toe  X«  »A^BflToe  x.«  setzt,  wie  er  es  in  der  I^onschen  (L  25)  und 
Pskovschen  Chronik  (IV.  175  —  zitiert  nach  Oolubinsky  131)  fand. 
Dies  ist  aber  nicht  notwendig,  da  das  zehnte  Jahr  nach  978  das  J.  987 
ist,  denn  man  nahm  damals  als  erstes  Jahr  jenes,  in  welchem  die  Be- 
gebenheit stattgefunden  hat  Sowohl  Diakon  Nestor,  wie  Jakob  und  das 
>.2^BHee  SL«  haben  aus  derselben  Quelle  ihre  Nachrichten  geschöpft, 
wir  kennen  sie  schon,  es  ist  dies  das  oben  erwähnte  » ApenH^HnoH  x%t. 


1)  Das  zweite  Jahr  nach  der  Taufe  ging  er  zu  den  Stromschnellen,  das 
dritte  Jahr  nahm  er  die  Stadt  Cherson  ein,  das  vierte  Jahr  gründete  er  die 

ftefaieme  Kirche  der  heiligen  Muttergottes •  »Die  Leute  Vladimirs  töteten 

Jaropolk  in  Kijew  und  der  Fttrst  Vladimir  ließ  sich  in  Kijew  im  achten  Jahre 
nach  dem  Tode  seines  Vaters  Svjatoslav,  am  11.  Juni  des  J.  6486,  nieder.  Die 
Taufe  nahm  der  FUrst  Vladimir  im  zehnten  Jahre  naoh  der  Ermordung  seines 
Bmders  Jaropolk.« 

ArckiT  für  tlftTiseh«  Philologie.  XXDL  lg 


274  SQepaa  Sitny, 

CB.<,  in  welchem  sich  die  beiden  »GicasaHie«  yob  der  Taufe  Vladimirs 
der  Kijewschen  (Vasüjevsehen)  und  Gkeraonschen  Überliefenmg  wieder- 
spiegeln  (Oahhi  van»  hctov.  66)  ^).  Nach  dea  Untersaehungen  Sachma- 
toYS  gehören  die  Begebenheiten,  die  uns  die  Chronik  nnter  dem  J.  986 
mitteilt,  bis  zn  jener  Stelle,  wo  Vladimir  vom  griechischen  Philosophen 
aufgefordert  wurde,  den  christlichen  Glauben  anzunehmen,  dem  »CKasa- 
nie«  Yon  der  Taufe  Vladimirs  inEüJew,  an,  auf  was  wir  bereits  oben  auf- 
merksam gemacht  haben  (ibid.  67).  Nun  würde  man  nach  dieser  Auf- 
forderung erwarten,  daß  Vladimir  tatsftchlich  das  Christentum  angenom- 
men habe.  Statt  dessen  erzählt  uns  der  Chronist  sofort  weiter  unter  dem 
J.  987  über  die  Beratung  mit  seinen  Vornehmen  und  Stadtftltesten  und 
über  die  Sendung  seiner  Gesandten  zum  Studium  anderer  Religionen  zu 
den  Bulgaren,  Deutschen  und  Griechen,  um  so  auf  die  Cheraonsche 
Überlieferung  zu  kommen  (ibid.  67).  Hierher,  meinen  wir,  gerade  unter 
das  J.  987  gehört  die  Erzählung  Yon  der  stattgefundenen  Taufe  in  Eijew, 
respektiYe  Vasi^CY,  die  der  Verfasser  des  »Ha^.ce.«,  als  er  den  »Apes- 
H^HmiS  Ä,  c.«  benützt,  einfach  ausgelassen,  da  er  überzeugt  war,  daß 
nur  die  Chersonsche  Überlieferung  die  richtige  ist.  Der  Verfasser  des 
»Ha^i.  CB.«  hat  also  mit  der  Kijewschen  Überlieferung  begonnen,  den 
Schluß  weggelassen  und  mit  der  Chersonschen  fortgesetzt  und  geendet 

Die  Chersonsche  Überlieferung  you  der  Taufe  Vladimirs  ist  unter 
dem  Einflüsse  der  Chersonschen  Geistlichkeit  entstanden.  Der  Verfasser 
konnte  ein  Nachkomme  jener  Chersonschen  Geistlichen  sein,  die  Vladimir 
aus  Cherson  mitgenommen  hat  oder  einer  der  später  angekommenen 
Geistlichen  (IIIaxHaTOBrb,  Kopc.  ä.  60).  Die  Legende  ist  noch  Yor  dem 
>Haii.  CBOA'B«  entstanden  und  hatte  eben  jene  Tendenz  der  russischen 
Literatur,  die  Ende  des  XI.  Jahrh.  zum  Vorschem  gekommen :  zu  be- 
weisen, daß  die  russische  Kirche  auch  durch  das  innere  Leben  innig  mit 
der  griechischen  Kirche  Yerbunden  ist  Diese  Tendenz  unterstützten  auch 
die  russischen  Mönche  und  unter  diesem  Einflüsse  stand  auch  der  Ver- 
fasser des  »Ha?,  cb.«,  der,  nach  Yiden  Merkmalen  urteilend,  Mönch  in 
>Mihailo-Vydubickischenc  Kloster  gewesen  ist  (ibid.  71 — 75  und  104). 


^)  SachmatOY  hat  in  dieser  Abhandlung  gemeint,  daß  diese  Kifewsche 
Überlieferung  die  Taufe  in  das  J.  986  setzt,  weil  er  Yon  der  Voraassetzung 
ausging,  daß  der  Fall  Chersons  im  J.  9S6  geschah  (ibid.  6G— 67),  in  seiner  letz- 
ten Untersuchung  über  die  »KopcyncKaii  jer.«  setzt  er  den  Fall  Ohenons  ganz 
korrekt  nach  dem  »jltpesHiumiii  z.  c.<  in  das  J.  989  (Kopc.  z.  23)  und  fo^lich 
die  Taufe  in  das  J.  987  (ibid.  59). 


Drei  Fragen  ans  der  Taufe  des  heiligen  Vladimir.  275 

Um  sber  die  Angaben  der  Ghersonschen  Überlieferung,  besonders  den 
Ort  nnd  das  Jahr  der  Tanfe,  als  die  einzig  richtigen  darzQsteilen,  maßte 
er  alles  meiden,  was  mit  dieser  Legende  im  Widerspruche  war,  und  natttr- 
lieh  mußte  er  dieser  Überlieferung  auch  die  Chronologie  dem  entsprechend 
anpassen,  d.  h.  das  Jahr  der  Taufe  in  das  Jahr  988  versetzen.  So  rückte 
er  den  Tod  Jaropolks  in  das  Jahr  6488  (=  980],  die  Niederlassung 
Vladimirs  ebenfalls  in  dieses  Jahr,  den  Fall  von  Cfaerson  in  das  Jahi- 
6496  (3=  988),  dabei  hat  er  aber  vergessen  alle  anderen  Angaben  dem- 
entsprechend zu  ändern;  daher  die  Widersprüche  im  >Hav.  cb.<  und  in 
der  »IIoB.  sp.  j.«  und  ebenso  die  Widersprüche  mit  den  oben  erwähnten 
Quellen.  — 

Man  könnte  die  Frage  stdlen,  wieso  hiül>en  die  oben  angeführten 
Quellen  das  Jahr  987  als  das  Jahr  der  Taufe  angeben  können,  sobald 
die  Taufe  geheim  vorgenommen  wurde?  Die  Taufe  konnte  geheim  ge- 
halten werden  bis  zur  Heirat  Vladimirs;  nach  der  stattgefundenen  Trau- 
ung sie  auch  weiterhin  zu  verheimlichen,  war  fOr  Vladimir  kein  Qrund 
mehr  vorhanden,  man  konnte  Sfhr  leicht  erfahren,  wann  und  wo  die 
Taufe  Stattgefunden  hatte. 

Nun  können  wir  genau  die  Zeitfolge  der  oben  erwähnten  Zitate  kon- 
struieren: 11.  Juni  6486  (978)  bestieg  Vladimir  den  fürstlichen  Stuhl 
von  Eijew,  das  zehnte  Jahr  nach  der  Ermordung  seines  Bruders  Jaropolk, 
das  ist  987,  nahm  er  das  Christentum  an,  28  Jahre  nach  dessen  An- 
nahme, also  1015,  starb  er,  das  zweite  Jahr  nach  der  Taufe,  also  988, 
zog  er  gegen  Porogi  (Stromschndlen),  eigentlich  begleitet  er  sein  Aus- 
hUfskorps  bis  hierher  und  zieht  höchstwahrscheinlich  nach  Tmutarakan, 
das  dritte  Jahr,  also  989,  nahm  er  Cherson  ein,  was  wir  aus  Vasiyev- 
skis  Studien  wissen  und  vom  Baron  Rosen  bestätigt  wird,  das  vierte 
Jahr,  also  990,  legte  er  den  Grundstein  zum  Bau  der  steinernen  Kirche 
der  heil.  Muttergottes  .  .  .  .^). 

Die  Angaben  über  die  Taufe  Vladimirs  sind  bei  Jahja  etwas  unklar, 
80  daß  man  zum  Schlüsse  kommen  könnte,  daß  Vladimir  erst  nach  der  Er- 
oberung von  Cherson  das  Christentum  angenommen  h&tte,  was  der  Cher- 
aonschen  Überlieferung  entsprechen  würde.    Um  diesen  Punkt  klarzu- 


1)  Nach  der  Chronik  faßte  er  den  Gedanken  dazu  989  (ji%T.  1 19B)  nnd  ließ 
ihn  ausführen,  was  auch  im  J.  990  geschehen  konnte,  da  in  der  Chronik  das 
J.  990  fehlt;  wir  werden  übrigens  auch  die  Taufe  des  russischen  Volkes  strei- 
fen und  feststellen,  daß  dieselbe  im  J.  990  geschehen  ist  und  die  Kirche  hat 
er  jedenfalls  nach  dieser  Tat  zu  bauen  begonnen. 

18* 


276  Stjepan  Srkny, 

legen,  müssen  wir  die  schon  oben  zitierte  Stelle  noeh  einmal  anfBliren: 
».  .  .  .  nnd  die  Not  zwang  ihn  zum  Kaiser  der  Rassen  zu  schioken  — 

nnd  sie  waren  seine  Feinde  —  um  bei  ihnen  in  seiner  gegenwärtigen 
Lage  Hilfe  zu  suchen.   Und  jener  willigte  ein.  Und  sie  schlössen  mitein- 
ander einen  Vertrag  ab  Aber  Verwandtschaft  und  der  Kaiser  der  Russen 
heiratete  die  Schwester  der  Kaisers  Basilius,  als  er  ihm  die  Bedingnng^ 
stellte,  daß  er  und  das  ganze  Volk  seines  Landes,  und  sie  waren  ein 
grofies  Volk,  das  Christentum  annehmen  soll  Und  die  Russen  bekannten 
sich  damals  zu  keinem  Glauben,  und  es  schickte  nachher  (BaocjrtACTBiH) 
Kaiser  Basilius  zu  ihm  Metropoliten  und  Bischöfe  und  sie  tauften  den 
Kaiser  und  alle,  die  seine  Lftnder  umfaßten  und  er  schickte  zu  ihm  seine 
Schwester  und  sie  gründete  viele  Kirchen  im  Lande  der  Russen,   und 
als  zwischen  ihnen  die  Angelegenheit  der  Heirat  entschieden  wurde,  kam 
auch  das  Heer  der  Russen  ......   Aus  dem  Kontext  sehen  wir,  daß  der 

ganze  Abschnitt  von  »und  der  Kaiser  der  Russen  heiratete  die  Schwester  c 
bis  inclusive  »und  sie  gründete  viele  Kirchen  im  Lande  der  Russen« 
zwischen  Klammem  gehört,  da  uns  Jahja  einfach  die  Heirat  näher  er- 
klärt; er  teilt  uns  eben  mit,  daß  Vladimir  die  an  ihn  gestellte  Bedingung 
wirklich  erfflUt  hat,  daß  er  und  sein  Volk  das  Christentum  angenommen 
haben,  nachdem  man  ihm  Metropoliten  und  Bischöfe  und  zuletzt  auch  die 
Prinzessin  Anna  geschickt  hatte.  Jahja  teilt  einfach  Tatsachen  mit,  die 
ihm  bekannt  waren,  unter  diesen  auch,  daß  Vladimir  getauft  wurde.  Den- 
noch blieb  ihm  die  Tatsache  unbekannt,  daß  Vladimir  die  Taufe  bereita 
angenommen,  als  der  Vertrag  mit  Basilius  perfekt  wurde.  Diese  Begeben- 
heit mußte  ihm  geheim  geblieben  sein,  da  er  sie  aus  den  byzantinischen 
Quellen,  die  ihm  zur  Verftlgung  standen,  nicht  entnehmen  konnte,  wäh- 
rend ihm  russische  Quellen  —  denen  sie  nach  der  Taufe  bekannt  wurde  — 
unzugänglich  waren.  Nach  dem  bloßen  Wortlaut  des  oben  zitierten  Pas- 
sus Jahjas  müßte  man  annehmen,  daß  Vladimir  in  der  Tat  989  getauft 
wurde,  wie  dies  auch  Baron  Rosen  tut,  der  die  Taufe  in  den  Spätsommer 
oder  Herbst  des  Jahres  989  verlegt  (HMnep.  Bac.  217),  was  sowohl  der 
Chersonschen  Überlieferung,  die  sie  in  das  Jahr  988  verlegt,  wie  auch 
der  Kijewschen  (Vasiljevschen)  Oberlieferung  widerspricht.  Uspenskij 
geht  noch  weiter  und  sagt,  daß  Vladimir  im  Monate  Juni  oder  Juli  selbst 
vor  Konstantinopel  erschien  und  daß  ihm  der  bestürzte  Basilius  erst  dann 
die  Schwester  gab  (^ypn.  m.  h.,  anp.  314 — 315).  Auf  das  Jahr  987 
als  das  Jahr  der  Annahme  des  Christentums  durch  Vladimir  läßt  schon 
die  Situation,  in  der  sich  Vladimir  dem  Kaiser  Basilius  gegenüber  be- 


Drei  Fragen  aoB  der  Taufe  des  heiligen  Vladimir.  277 

ündj  BchließeiL  Als  ihn  nimlioh  Basilins  987  om  Hilfe  gegen  Bardas 
Phokas  bat,  haben  die  kaiserlichen  Gesandten  außerordentüeheVollmaoht 
bekommen  müssen,  nm  auf  alle  Bedingungen  Vladimirs  eingehen  zu  kön- 
nen. Ob  sie  anch  Aber  die  Hand  der  Porphyrogeneta  yerfngen  konnten, 
wissen  wir  natflrlieh  nicht,  als  sicher  kann  man  nnr  sagen,  daß  die  Per- 
fektionierong  des  Vertrages  in  Eonstantmopel  stattgefunden  haben  mußte. 
Vladimir  war  sich  vollkommen  bewußt,  daß  Basilius  nur  durch  die 
Jlnßerste  Not  gezwungen  wurde,  diese  schwere  Bedingung  anzunehmen 
nnd  daß  er  vielleicht  Gelegenheit  gesucht  haben  wflrde,  sich  dieser  er- 
niedrigenden Bedingung  zu  entledigen,  sobald  sich  nur  ein  Anlaß  finden 
könnte,  nnd  einen  Anlaß  zu  finden  wftre  leicht  gewesen,  wenn  Vladimir 
nicht  allen  Vertragspunkten  nachgekommen  wäre.  Um  jede  solche  Even- 
tualität auszuschließen,  nahm  er  noch  vor  dem  Abgange  des  Aushub- 
korps  und  in  Gegenwart  der  griechischen  Gesandtschaft  das  Ohristentum 
an,  folglich  anch  vor  dem  Zuge  nach  den  Stromschnellen  oder  Tmntarsr- 
kan.  Durch  seine  Anwesenheit  in  Tmutarakan  zeigte  Vladinur,  daß  es  ihm 
mit  dem  Vertrage  ernst  war,  auch  war  es  in  seinem  Interesse,  daß  Basilius 
seinerseits  möglichst  firflh  die  Bedingungen  erfUle.  Die  ErfUlung  wflrde 
sich  aber  in  die  Länge  gezogen  haben,  wenn  man  Vladimir  erst  nach  der 
Unterdrückung  der  Empörung  Bardas  Phokas  durch  griechische  Metro- 
politen und  Bischöfe  in  der  christlichen  Religion  hätte  unterrichten  mflssen, 
dadurch  könnte  Basilius  Zeit  gewinnen,  in  der  sich  eine  Möglichkeit  zum 
Vertragsbruche  gegeben  hätte.  Aber  anch  der  stflrmische  Charakter 
Vladimirs  ließ  ein  solches  Indielängeziehen  der  Heirat  nicht  zu.  Schon 
diese  Situation  an  sich  selbst  verlangt,  daß  die  Taufe  Vladimirs  in  das 
Ende  des  Jahres  987  fällt,  wozu  uns  auch  PseUus  in  der  oben  er- 
wähnten Stelle  ermächtigt,  wonach  die  Ankunft  des  AushiUBkorps  kurz 
vor  dem  Anlangen  Bardas  Phokas  am  Bosporus  und  den  Dardanellen 
erfolgte. 

Mit  der  Heirat  Vladimirs  bringt  Regel  auch  die  Frage  vom  Kaiser- 
tttel  in  Zusammenhang.  Er  will  beweisen,  daß  die  beiden  Kaiser  nebst 
der  Schwester  durch  ihre  Gesandten  den  Bischof  von  Ephesus  und  Epar^ 
ehoB  von  Antiochia  auch  kaiserliche  Insignien  geschickt  haben  und  ihm 
den  Titel  ^ßaailavg*  verUehen  haben.  Aber  seine  Beweise:  1)  daß 
Vladimir  auf  den  alten  russischen  Mflnzen  mit  kaiserlicher  Ejrone  auf  dem 
Kopfe,  in  der  rechten  Hand  das  Sceptrum  mit  dem  Kreuze,  in  der  linken 
«n  Emblem,  das  leicht  die  »Akakiac  vorstellen  könnte,  erscheint,  2)  die 
Fragmente  des  Toparcha  Goticus  und  3)  der  Titel  »Oarica«,  den  seine 


278  S^epan  Srkag, 

Gemahlin,  die  PriiUBesBin  Anna,  fflhrt,  Bind  nicht  stichhaltig^).  Wen» 
Vladimir  wirklich  den  Kaisertitel  erhalten  hätte,  so  wflrde  man  dies  so- 
wohl in  den  Qnellen  wie  auch  anf  den  Mfinzen  geprägt  gefanden  haben, 
während  sich  anf  den  HUnzen  in  Wirklichkeit  nnr » B  ja^Hirap^  na  oroA « ') 
befindet  Die  Fragmente  des  Toparcha  (Joticns  beziehen  sich,  wie  dies 
Westbeig  (nnter  Mithilfe  der  Astronomen  Kononovii  m  Odessa  nndVisli- 
cenins  in  Straßbnrg)  bewiesen,  auf  das  Jahr  963  (Westberg,  Fragmente 
d.  Top.  0.,  117)  nnd  wenn  sich  anch  diese  Fragmente  in  der  Tat  anf  die 
Zeit  Vladimirs  beziehen  wfirden,  so  bedentet  dennoch  das  Wot  ^ßaci- 
Isvovra^  (so  wird  nämlich  jener  Fflrst,  der  nördlich  von  der  Denan  wohnt, 
genannt)  nicht  ^ßaaiXevg*  selbst,  noch  weniger,  daß  dieser  »ßaatXevg* 
Vladimir  gewesen  ist.  Die  »Carica«  Anna  fahrte  diesen  Titel,  weil  sie 
ans  einer  kaiserlichen  Familie  stammte.  In  der  altrassischen  Literatur 
haben  wir  eine  Nachricht,  die  man  fttr  diesen  Fall  als  Beweis  anflShrt; 
es  ist  die  »Sage  vom  babylonischen  Reich«,  in  der  erzählt  wird,  daft 
Vladimir  vom  Kaiser  Basilins  den  ganzen  kaiserlichen  Byssns  bekommen 
habe  nnd  daß  er  seit  dieser  Zeit  nnter  dem  Namen  »Monomach«  bekannt 
gewesen  ist  (A.  Wesseloffskj,  die  Sage  v.  bab.  Reich,  Archir  U,  142  bis 
1 43).  Wie  wir  sehen,  wird  hier  der  Name  des  Vladimir  Svjatoslayii  mit 
dem  Namen  des  Vladimir  Monomachos  verwechselt,  da  Kaiser  Basilins 
ein  Zeitgenosse  unseres  Vladimir  ist.  Da  wir  für  diese  Nachrichten, 
sowie  anch  fär  die  Behanptnng  der  mssischen  Gesandten  beim  polnischen 
König  Sigismnnd  Angnstns,  1554  (infolgedessen,  daß  Ivan  IV.  Vasiljevi& 
den  Kaisertitel  angenommen)  nnd  der  Behanptnng  der  mssischen  Boljaren 
vor  den  polnischen  Gesandten  1556,  daß  den  heil.  Vladimir  Kaiser  Basi- 
lins nnd  der  Patriarch  mit  der  kaiserlichen  Krone  damals  gekrönt,  als 
sie  ihn  getanft  haben'),  gar  keine,  weder  rassische  noch  byzantinisch- 
arabische  Qnellen  bis  ins  XVI.  Jahrh.  besitzen,  so  entfallen  anch  die  Be- 
hanptnngen  Regeis  von  selbst;  Vladimir  hat  weder  den  Kaisertitel,  noch 
die  kaiserHchen  Insignien  empfangen. 

Die  Heirat  Vladimirs  mit  der  Prinzessin  Anna  (geboren  am  1 3.  März 
963  —  Gfrörer,  Byz.  Gesch.  U.  483)  hat  im  Herbst  des  Jahres  989  statt- 


^)  Da  mir  das  Werk  Regeis  » Analecta  Byzantino«Rassica«  nnzagänglich 
war,  so  berichte  ich  nach  der  im  ^TPntLjn  m.  H.n.a]ipija  1892  von  R-skij  (428) 
mitgeteilten  Kritik. 

S)  Die  Münzen  sind  in  Schlombergers  »L*£pop6e«  angegeben. 

S)  H.  n.  S^BOB-L,  IIoBiCTH  0  BaBB.KOBt  H  »GsasaBie  0  KBJisixi  Bjugooiip- 
cxBXi«  pSypsaji  m.  b.  n.,  okt.  1891,  328). 


Drei  Fragen  aiu  der  Tanfe  det  heiligen  Vladimir.  279 

gefanden.  Sie  sflldte  also  26  Jahre,  als  sie  an  Vladimir  gegen  ihren 
eigenen  Willen  nnd  im  Interesse  des  Staates  und  der  Dynastie  verheiratet 
wurde.  Obwohl  nns  der  Chronist  außer  ihrem  Tod  im  Jahre  1011  gar 
Biehts  an  berichten  weiß,  können  wir  dennoch  nach  der  oben  dtierten 
Stelle  ans  Jahja  schließen,  daß  sie  sich  mit  Eifer  der  Verbreitung  des 
ehiistlichen  Glaubens  hingab. 

Man  kann  nicht  feststellen,  ob  Vladimir  noch  in  demselben  Jahre, 
in  welchem  die  Trauung  stattgefunden  hat,  nach  Eijew  zurflckgekehrt 
war  oder  erst  im  Frflhjahr  des  Jahres  990,  es  steht  aber  fest,  daß  die 
Taufe  des  russischen  Volkes,  d.  h.  der  Kijewljanen  (denn  diese  muß  man 
anter  dem  russischen  Volke  verstehen),  in  diesem  Jahre  stattgefunden 
hat,  da  man  eine  Taufe  »en  masse«  im  Spätherbst  oder  gar  im  Winter 
am  Flusse  nicht  vornehmen  kann.  Obwohl  diese  Zeitbestimmung  außer- 
halb unserer  Au%abe  liegt,  mttissen  wir  dennoch  auf  einen  Beweis  auf« 
merksam  machen.  Sachmatov  hat  in  einem  Aufsatze,  der  im  Journal  des 
Ministeriums  der  Volksauf klärung  im  April  des  Jahres  1897  erschienen 
war:  »Xponoxorifl  ^qpeBHimumx'B  pyccKHZ'B  jiri^TonHCHUxx  cboaob'b«, 
darauf  hingewiesen,  daß  der  Verfasser  der  2.  Redaktion  der  »ÜOBicTi» 
Bp.  rkTh€  Verbesserungen  vornahm  und  Zus&tze  hinauf ttgte  und  hat  dies 
alles  mit  chronologisdier  Übersicht  unter  dem  Jahre  887  angegeben: 
On  MnzaHJia  i^apfl  ao  Kpen^enifl  Eojn'apcKOH  scmje  jAtl  17  (6360 — 
6377),  a  OTB  Kpen^eidH  ao  npej^oxeiiia  khhtb  Atl  29  (6377 — 6406); 
a  OTi  npejioxenifl  khhtb  ho  Kpen^ema  FyecKiH  seiUH  Attl  92  (6406 
ins  6498),  ot%  Kpen^emff  Pyccidfl  seMJiH  ao  CMcpTH  BojiOAHiiHpoBU  25 
Avh  H  fif>  y6ieHifl  EopHca  h  rjB[%($a ;  oti  yriiema  EopHca  h  Tj^äa  ao 
npcHecenifl  mou^.  ä.  57 1)  (XpoHOJiorifl,  480).  Fflr  uns  sind  am  wichtig- 
sten die  Angaben  von  der  Übersetzung  der  Bücher  bis  zur  Taufe  und 
?on  der  Taufe  bis  zu  seinem  Tode,  resp.  der  Ermordung  der  heiligen 
Brflder  Boris  und  Gleb.  Die  Übersetsung  fand  im  Jahre  6406  statt,  bis 
zur  Annahme  des  Christentums  sind  92  Jahre  vergangen,  was  6498  oder 
990  nach  Chr.  ergibt.  Von  der  Taufe  des  russischen  Volkes  bis  zum 
Tode  Vladimirs  sind  25  Jahre  vergangen;  da  Vladimir  im  Jahre  1015 


1)  Hier  die  Obersetzung:  »VomEIaiser  Hihael  bis  zur  Taufe  des  Bulgaren- 
laades  sind  17  Jahre,  und  von  der  Taufe  bis  zur  Übersetzung  der  Bücher  sind 
29  Jahre,  von  der  Übersetzung  der  Bücher  bis  zur  Taufe  des  Bussenlandes 
sind  92  Jahre,  von  der  Tanfe  des  Bussenlandes  bis  zum  Tode  Vladimirs  25 
Jahre  und  bis  zur  Ermordung  Boris  und  Glebs;  von  der  Ennordung  Boris  und 
Glebs  bis  zur  Übertragung  der  Bellquien  57  Jahre«. 


280  S^epan  SikoU» 

gestorben  ist,  so  ergabt  das,  25  abgereehnet,  wieder  das  Jahr  990.  Yer- 
gleiehen  wir  diese  Angaben  mit  unserer  oben  erwShnten  Stelle,  daß  die 
Taufe  des  mssisehen  Volkes  erst  im  Jahre  990  Torg^onunen  werden 
konnte,  so  gelangen  wir  zn  dem  Schlnsse,  daß  die  Tanfe  der  Eljew^anen 
in  der  Tat  in  das  Jahr  990  gehört  i). 

Von  den  westlichen  Chronisten,  die  die  Taufe  berühren,  bringen 
wir  nur  den  Berieht  Thietmars,  weil  er  uns  mit  einigen  Worten  die  Char- 
rakteristik  Vladimirs  entwirft,  die  seinem  Charakter  vor  der  Taufe  voll- 
kommen entspricht:  »Vladimir  nahm  sich  eine  Frau  aus  Griechenland, 
Helene  (I),  die  mit  Otto  m.  verlobt  war,  ihm  aber  tflckischerweise  ent- 
rissen wurde.  Auf  ihr  Zureden  nahm  er  den  christlichen  Glauben  an, 
aber  er  schmtlckte  ihn  nicht  mit  guten  Taten.  Er  war  ein  unersätt- 
licher Schwelger  und  blutdflrstig  und  fügte  den  verweichlichten  Da- 
naem  viel  Böses  zu«  (Chronic,  lib.  Vn.  c.  52)^). 


Aus  unserer  Untersuchung  ergeben  sich  folgende  Tatsachen: 

I.  Vladimir  wurde  Alleinherrscher  von  Bußland  978. 

n.  Auf  die  Bildung  der  Legende  von  der  Taufe  wirkten  außer  der 
Vita  Boris  auch  die  Gesandtschaften  der  Griechen,  Bulgaren  und  der 
Deutschen  (der  Eiuserin  Theophano  oder  des  Papstes). 

in.  Der  eigentliche  Grund  der  Tanfe  Vladimirs  war  der  Wunsch, 
die  Hand  der  Prinzessin  Anna  zu  gewinnen;  der  christliche  Glaube  war 
also  nur  ein  Mittel  dieses  Ziel  zu  erreichen,  wie  der  alte  heidnische  Glaube 
nur  ein  Mittel  war,  um  die  Herrschaft  Aber  Bußland  zn  erlangen.  Die 
mißliche  Lage,  in  der  sich  die  beiden  Kaiser,  Basilius  U.  und  Konatan- 
tinus  VIIL,  befanden,  kam  ihm  ungemein  zu  statten. 

IV.  Die  Taufe  hat  er  am  Ende  des  Jahres  987  angenommen.  Sie 
fand  geheim  und  in  Gegenwart  der  griechischen  Gesandtschaft  statt,  und 
zwar  höchstwahrscheinlich  in  Vasi^jev.  Die  Geheimhaltung  war  durch 
den  Vertrag  mit  Basilius  bedingt.- 


^)  Golubinskij  (Hex.  p.  n.  146)  und  Zavitn6vi6  (0  iiicrt  k  Bp.  spem.  151) 
setzen  ebenfalls  die  Tanfe  des  russischen  Volkes  in  das  J.  990,  Jene  Vladimirs 
in  das  J.  987. 

>)  Während  Tfaietmar  wenigstens  eine  dunkle  Ahnung  von  der  Tanfe 
hat,  schreiben  zwei  andere  westliche  Chronisten,  Peter  Damianus  (f  1072)  und 
der  Inteipolator  der  Chronik  Adhemars  (der  im  XH.  Jahrh.  gelebt),  die  Tanfe 
dem  MissionSr  Brun  zu  (^optebckIk,  Kpeni.  xb.  fixuaifipa  h  Pycs  no  Moax- 
nwwh  BSBiCTam,  ^tobIb  HecT.  j[.  124). 


Brei  Fragen  ans  der  Taufe  des  heiligen  Vladimir.  281 

V.  Nach  dem  Tode  des  Gegenkaisers  Bardaa  Phokaa  zOgerte  Basi- 
lins  (vielleicht  im  geheimen  Einvernehmen  mit  Vladimir)  mit  der  An&- 
fthmng  des  Vertrages.  Vladimir  aber,  der  fttr  diesen  Fall  vorbereitet 
war,  zwang  ihn  dnrch  den  unerwarteten  nnd  gelungenen  Überfall  anf 
Cheraon  zur  Ansf&hmng  des  Vertrages.  Daher  fand  die  Tranong  im 
Jahre  989  statt,  nnd  Vladimir  verzichtete  anf  Cherson. 

VI.  Die  Taufe  der  Eljew^anen  resp.  des  russischen  Volkes  fand  im 
Jahre  990  statt. 

Vn.  Wenn  auch  Basißus  durch  den  Zwang  der  Umstände  dem 
Wunsche  Vladimirs  willfahren  mußte,  hat  dennoch  dieses  verwandtschaft- 
liche Band  dem  byzantinischen  Reiche  ungemein  große  Vorteile  gebracht. 
Vladimir  und  durch  ihn  Bußland  wurde  an  byzantinische  Interessen  ge- 
bunden, mußte  einen  Teil  seines  Heeres  den  Byzantinern  zur  Verfügung 
stellen  und  dadurch  den  Untergang  des  bulgarischen  Reiches  ermöglichen, 
aber  auch  Russen  wurden  von  Eonstantinopel  femgehalten. 

Vm.  Jener  Zweck,  den  Uspenskij  den  Russen  jener  Zeit,  also  auch 
Vladimir  unterschiebt,  daß  nämlich  die  Russen  zur  Oberzeugung  gekom- 
men, daß  sie  einen  viel  größeren  Einfluß  auf  die  Geschichte  der  Bul- 
garen und  des  byzantinischen  Reiches  als  Christen  haben  werden  als 
Heiden  (Pyci»  h  BHsaHTiH,  37),  ging  nicht  in  Erfttllung,  denn  der  Ein- 
floß Rußlands  im  Sflden  hört  eben  mit  der  Vernichtung  des  bulgarischen 
Reiches  anf. 

IX.  Durch  die  Hilfeleistung  wurde  Rußlands  Heeresmacht  schwächer, 
es  konnte  g^en  die  PeSenegen  nicht  energisch  auftreten  und  mußte  die 
Grenze  durch  Zäune,  kleine  Festungen  und  Wachthäuser  geschfltzt  wer- 
den. Aber  eben  dieser  Umstand  hinderte  die  Vergeudung  der  nationalen 
Kräfte  auf  verschiedene  wüste  Zflge  (wie  zu  Bvjatoslavs  Zeiten)  und  lenkte 
Vladimir  auf  den  Pfad  der  Organisation  des  Reiches,  wo  sich  sein  orga- 
nisatorisches Talent  ausgebildet  hat.  Das  Christentum  wurde  mit  Eifer 
verbreitet  und  dieses  stellte  fttr  die  Folge  ein  gemeinsames  Band  ver- 
Bchiedener  Völker  und  Stänmie,  die  den  russischen  Staat  bildeten,  dar. 
In  diesen  Friedensjahren  tritt  unter  Einwirkung  Annas  und  der  Griechen 
die  Weichheit  des  Charakters  und  die  Gutmütigkeit  Vladimirs,  die  ihm 
soviel  Sympathien  in-  und  außerhalb  des  Landes  verschafft  haben,  immer 
mehr  in  den  Vordergrund. 

Dr.  Stjepan  Srkulj. 


282 


Beiträge  zur  Quellenkritik  einiger  altmssisclier 

Denkmäler. 


Der  verehrte  Altmeister  der  Slayistik  nnd  für  knrze  Zeit  auch  mein 
Lehrer,  Hofrat  Prof.  V.  Jagid  hat  einst  im  Semmarium  den  tiefsinnigen  Aus- 
sprach getan:  die  Bücher  sind  dazu  da,  um  gelesen  zu  werden.  Je  mehr 
ich  mich  in  die  ältesten  Denkmäler  der  nissischen,  spezieller  gesagt  der 
südrassischen  Literatur  hineinlese  und  mich  in  der  sie  erklärenden 
Literatur  orientiere,  desto  öfter  kommt  mir  der  Gedanke,  diese  Denk- 
mäler wären  bisher  mehr  stadiert,  mehr  nach  Citaten  dorchgestöbert,  als 
wirklich  gelesen,  mit  literarisch  gebildeten  Augen  gelesen  worden.  Trota 
der  ungeheueren  kritischen  Arbeit,  welche  ihnen  im  Laufe  des  XTX.  nnd 
am  Anfang  des  laufenden  Jahrhunderts  zugewendet  wurde,  trotz  des  oft 
beneidenswerten  Eifers  und  der  bewundernswerten  Kriticität  und  Scharf- 
sinnigkeit mancher  Forscher  —  die  groEe  Gemeinde  der  Nachbeter  nicht 
zu  erwähnen  —  finden  sich  noch  immer  und  immer  Punkte,  wo  die 
Arbeit  fast  nicht  begonnen  oder  an  unrechter  Stelle  begonnen  wurde,  wo 
veraltete  Doktrinen  oder  sogar  Dogmen  den  freien  Ausblick  verlegen 
und  ein  freies  Urteil  hindern.  Lediglich  als  ein  Dilettant  (Geschichte  ist 
ja  nicht  mein  Fach)  und  als  Literaturhistoriker,  gegenwärtig  an  einer 
zwar  nicht  erschöpfenden,  aber  doch  nach  Möglichkeit  den  modernen 
Ansprüchen  entsprechenden  Literaturgeschichte  SüdruBlands  (Ukraine) 
arbeitend,  war  ich  bemüssigt,  mich  vor  allem  an  die  Urquellen  zu  halten 
und  die  bisher  existierenden  Bearbeitungen  der  alten,  vormongolischen 
Literatur  nur  als  sekundäres  Hilfsmittel  zu  gebrauchen.  Das  wichtigste 
für  mich  war,  von  der  eigenen  Lektüre  der  Denkmäler  einen  möglichst 
unbefangenen,  literatur- kritischen  Eindruck  zu  bekommen,  was  mich  in 
vielen  Fällen  zu  etwas  unerwarteten  Folgerungen  führte,  welche  hie  und 
da  den  Fachforschem  vielleicht  sich  nützlich  erweisen  können,  mir 
wenigstens  aber  diskutierbar  erscheinen.  In  einer  anspruchlosen,  populär 
gehaltenen  Literaturgeschichte  ist  für  keine  weitläufige  wissenschafiliehe 
Beweisführung  Platz,  und  so  wäre  ich  der  Redaktion  des  »Archiv  fttr  die 
slav.  Philologie«  sehr  dankbar,  wenn  sie  es  mir  vergönnte,  wenigstens 
einige  der  von  mir  beobachteten  Phänomene  hier  in  Kürze  zu  beleuchten 
und  meine  Ansichten  darüber  zu  motivieren. 


Beiträge  zur  Quellenkritik  einiger  altruBBischer  Denkmäler.         283 

Ich  möchte  den  drei  wichtigsten  altrnssischen  Denkmälern:  dem 
üe^epeKiH  HaTepHKit,  der  ältesten,  sogenannten  Nestorehronik  nnd  dem 
allgemein  bekannten  »Gjobo  o  junxy  Hropeet«  meine  Anfmerksanüceit 
anwenden.  Natürlich  werde  ich  diese  Denkmäler  nicht  einer  umfassenden 
Analyse  unterziehen^  noch  auch  das  von  ihnen  bereits  Gesagte  und  VoU- 
gflltige  wiederholen  oder  auch  nur  hervorheben;  das  meiste  davon  ist  ja 
allen  Slavisten  mehr  oder  weniger  bekannt.  Ich  berühre  nur  Punkte,  wo 
ich  etwas  Neues  zu  haben  vermeine. 

L  Quellen  der  drei  Paterlklegenden. 

In  dem  Journal  »Ejjevskaja  Starina«,  1906,  März-April,  hat  der 
junge  Eajever  Gelehrte  H.  Barac  eine  kleine  Abhandlung  »Erzählungen 
und  Legenden  des  altrussischen  Schrifttums,  welche  zu  den  Juden  und 
dem  Judentum  in  Beziehung  stehen,«  veröffentlicht,  eigentlich  N.  1  einer 
gröAeren  Arbeit  In  diesem  ersten  Kapitel  (das  zweite  ist  heuer  in  N.  3 
der  neugegrOndeten  Zeitschrift  »Ukraina,«  welche  das  Vermächtnis  der 
eingegangenen  »Kijevskaja  Starina«  übernommen  hat,  erschienen]  hebt 
der  Verfasser,  offenbar  ein  Judophile,  die  bisher  sehr  wenig  bekannte 
>Tatsaehe«  hervor,  daß  die  bisherige  Darstellung  des  altrussischen  Lebens 
in  Beziehung  auf  die  Judenverhältnisse  sehr  mangelhaft  ist.  »Es  ist 
genug,  daran  zu  erinnern,  wie  grausam  und  unerbittlich  das  heilige 
Prinzip  der  Glaubenstoleranz  und  Religionsfreiheit  in  unserem  Vaterlande 
vergewaltigt  wurde,  besonders  in  Bezug  auf  das  jüdische  Volk.  Eine 
Masse  himmelschreiender  Tatsachen  der  Vergewaltigung  der  jüdischen 
Beligionsüberzeugungen  bergen  alte  Tafeln  in  stummen  Überlieferungen.« 
Die  Aasdrucksweise  war  zu  poetisch  und  dabei  zu  kategorisch,  um  nicht 
die  Aufmerksamkeit  der  wissenschaftlichen  Organe  auf  sich  zu  lenken. 
Doch  war  die  Ausführung  dieser  Ansicht  des  H.  Barac  nicht  so  schlagend, 
wie  es  die  Ausdrucksweise  verhieß.  Erstens  hat  H.  Barac  vergessen, 
jene  Religion  nachzuweisen,  welche  auf  dem  »heiligen  Prinzip  der 
Glaubenstoleranz«  aufgebaut  ist,  und  zweitens  war  seine  Beweisführung 
f&r  Altrußland  und  die  darin  grausam  und  unerbittlich  vergewaltigten 
Juden  auch  nicht  ganz  sattelfest  H.  Barac  wies  auf  zwei  im  PeSerskij 
Paterik  enthaltene  Erzählungen  hin  und  hat  sie  für  zeitgenössisches  Ver- 
ständnis gehörig  präpariert  Hier  die  Erzählungen,  welche  ich  wörtlich 
zitiere,  da  H.  Barac,  wie  er  selbst  bekennt,  das  Original  nicht  kennt  und 
seine  Weisheit  nur  aus  Vorlesungen  des  verst  Prof.  Mafysevskij  schöpft. 


284  Ivfti^  Franko, 

»Ho  cf  naKu  Alsno  icTk  Hduik  HcnoB*bAaTH,  Na  npoHff 
noxBaafH'ff  easKHaro  (♦coAOcYn)  cKaaaHlTiuk  hohth,  h  uhcc  iv 

HfU'k  A^^'l'^HH^  HCTHHHO  HCnOBlSA^>01|Ji  f^KI  HO  Vfii'k  HUIfU*k 
Ic  X*£  TOrO  pBIHIC.  Gi  BO  H  CHI^I  WBUMaH  HUAIUI  BA9KHIJH, 
UKO  3KC   UHOraSKAU   B   H01|JH   B'kCTaA    H    WTaH    BCkX"*^    **^X^ 

^Kaujf  K  ^KHAOUik  H  T'Kxik  npfHHpaA  f}Kf  w  XpcTt:,  KOpA  m§ 

H   A^CA^AA    TtlUlk,     UKO    (VmiTHHKU    H    EfSaKOHHHKU    T^KX""^ 

HapHu^aA.    HCaAauic  bo  fxcf  iv  Xpert:  HcnoBt^A^HiH  o^BkfHy 

Prof.  Matysevskij  hat  diese  Erzählung  so  interpretiert,  daß  diese 
Nachtwandemngen  des  Theodosius  in  das  vom  Pe5ersk  siemlich  entfernte 
Eijever  Judenviertel  wegen  irgendwelcher  religiöser  Versammlangen 
der  Juden  unternommen  wurden,  daß  wahrscheinlioh  diese  Ver- 
sammlungen nicht  nur  von  Juden,  sondern  auch  von  russischen  Christen 
besucht  wurden  und  daß  Theodosius  wahrscheinlich  auf  diesen 
religiösen  Versammlungen  nur  zu  dem  Zweck  erschien,  um  die  jüdischen 
Rftnke  gegen  die  Christen  zu  demaskieren  und  russische  Christen  vor 
jüdischen  Lügen  zu  bewahren.  H.  Barac  verwirft  diese  Hypothese,  aber 
nur  dazu,  um  seine  eigene  dafür  zu  setzen.  Diese  Hypothese  lautet  wie 
folgt:  »Da  in  der  Zeit  des  Theodosius,  sowohl  vor  als  auch  nach  ihm, 
die  Juden  in  Rußland  mit  allen  Mitteln  gezwungen  wurden,  zum  Christen- 
tum überzutreten,  so  griff  man  nicht  selten  auch  zu  richtigen  Zwangs- 
mitteln. Natürlich  blieben  die  erzwungenen  Neophyten  insgeheim  Juden 
und  verließen  das  Christentum  offen  bei  der  ersten  Möglichkeit.  Es  ist 
natürlich  anzunehmen,  daß  solche  Abtrünnige  in  Bußland  nach  Ent- 
deckung ihrer  Schuld  in  die  Klöster  zur  geistlichen  Obrigkeit  behufs  Ein- 
redung und  Belehrung  geschickt  wurden.  Solcher,  scheinbar  zum 
Christentum  bekehrter  Juden  war  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
auch  in  der  Pe&erskaja  Lavra  eine  große  Menge  verschickt,  wo  sie,  man 
muß  es  vermuten,  sich  nächtlicherweile  behufs  Verrichtung  des  Ge- 
betes und  jüdischer  Glaubensriten  versammelten.  Diese  Scheinchristen, 
welche  insgeheim  am  Judentum  festhielten,  hatte  also  Theodosius  in 
sorgsamster  Überwachung.  Den  Mönchsbrttdem  nicht  trauend,  stand  er 
vielmals  in  der  Nacht  auf  und  ging  persönlich,  vor  allen  insgeheim,  aus 

1)  IlaMiiTHHRH  pyccKou  jiHTepaxypBi  Xn  h  XHI  BiKOBX,  H8ff.  Bjiaxnfipom 
AKOBseBLiKi.  GnöyprL  1872,  S.  XLIX— L. 


Beitritge  zur  Qaellenkritik  einiger  altrassischer  DenkmlÜer.        285 

seinen  Zellen  zu  den  in  das  Kloster  zur  Bekehmng  versohiokten  Konver- 
titen, disputierte  mit  ihnen,  tadelte  nnd  beschämte  sie  als  Abtrflnnige 
nnd  Yerlen^er  des  Ghristentnms,  wobei  er  wirklich  riskierte,  irgend 
welche  Unbill  von  ihnen  zu  erleiden.« 

Es  wftre  vielleicht  wirklich  etwas  Wahrscheinliches  daran,  wenn 
sich  anch  die  leiseste  Spnr  eines  reellen  Beweises  dafür  finden  ließe,  daß 
es  in  Altroßland  wirklich  solche  Solovki-KlOster,  wie  wir  sie  in  Rußland 
im  XVI. — XVn.  Jahrb.  im  Gebranch  sehen,  gegeben  habe,  aber  wir 
finden  keine  Spnr  davon.  Dabei  spricht  der  Verfasser  der  TheodoBins- 
legende  von  keinen  Konvertiten,  sondern  von  Juden  sans  phrase,  er- 
wfthnt  keine  Unbill,  der  er  sich  aussetzte,  sondern  spridit  von  seiner 
Hoffiiung,  fflr  seine  Provokationen  und  Schmähungen  von  den  Juden  den 
Tod  zu  erleiden.  Wir  besitzen  keinen  Schein  des  Beweises,  daß  im 
alten  Rußland  Juden  je  zur  Taufe  gezwungen  wurden,  desto  weniger, 
daß  sie  dann  abfielen,  insgeheim  am  Judentume  festhielten  und  in  Klöster 
verschickt  wurden.  Statt  eines  altrussischen  Dokumentes  zitiert  H.  Barac 
nur  einen  Beschluß  der  Konstantinopeler  Synode  vom  J.  786  über  die 
Juden,  welche  (ohne  Zwang]  mit  unreinen  Zielen  das  Christentum  an- 
nehmen. Tatsachen,  wie  er  sie  braucht,  findet  er  ftlr  jene  Zeit  nur  in 
Spanien,  —  er  hätte  sie  vielleicht  auch  in  Italien,  Frankreich  oder  Eng- 
land finden  können,  aber  ftlr  Altrußland  passen  sie  gewiß  gar  nicht. 

Aber  nein,  H.  Barac  hat  dennoch  einen  Beweis  erbracht,  einen  alt- 
ruBsisohen  und  sogar  einen  solchen,  den  er  in  demselben  Paterikon  ge- 
funden hat.  Es  ist  nichts  weniger,  als  die  allgemein  bekannte  Erzählung 
von  dem  Nikita  Zatvomik,  einem  jungen  Mönche,  welcher  aus  B^erde 
nach  einsamem  Höhlenleben  sich  in  einer  Höhle  vermauerte,  dort  nach 
einer  gewissen  Zeit  der  Vision  eines  Engels  gewürdigt  wurde,  welcher 
ihm  gebot,  nicht  selbst  zu  beten  —  er  werde  selbst  ftlr  ihn  beten,  Nikita 
aber  soU  sich  nur  fleißig  aufs  Bücherlesen  legen.  So  las  denn  Nikita 
die  heilige  Schrift,  aber  nur  das  alte  Testament,  während  er  das  neue 
weder  lesen  noch  sogar  anhören  konnte.  Er  bekam  einen  prophetischen 
Geizt,  disputierte  gewaltig  und  zitierte  hebräisch,  bis  es  den  heiligen 
Vätern  des  Höhlenklosters  (unter  ihnen  wird  auch  Nestor,  der  Verfasser 
der  Chronik,  namhaft  gemacht)  zu  viel  wurde,  sie  ihn  aus  seiner  Ver- 
mauerung  hervorholten  und  tüchtig  exorzierten,  so  daß  ihm  Hören  und 
Sehen  verging  und  er  eine  geraume  Zeit  ganz  bewußtlos  lag;  als  er  aber 
vollkommen  zu  sich  kam,  zeigte  sich  zum  höchsten  Erstaunen  der  heiligen 
Väter,  daß  Nikita  nicht  nur  kein  Sterbenswörtchen  hebräisch,  sondern 


286  Iwan  Franko, 

nicht  einmal  lesen  nnd  schreiben  könne  nnd  daß  er  nie  ein  Wort  der 
heiligen  Schrift  gelesen  zn  haben  sich  ei-innem  könne.  Er  sah  seine 
Verirmng  —  fügt  der  Erzähler  hinzu,  tat  reichlich  Buße  nnd  wurde 
später  Erzbischof  von  Novgorod. 

Wie  erklärt  nun  H.  Barac  diese  wundersame  Geschichte?  Ganz 
einfach:  dieser  Nikita  war  ja  so  ein  jüdischer  Konvertit,  welcher  mit 
Gewalt  im  Kloster  eingeschlossen  wurde;  der  Engel,  der  ihm  dort  er- 
schien, war  irgend  ein  jüdischer  Rabbiner,  das  übrige  möge  man  sich 
auslegen  wie  man  will,  besonders  da  auch  Parallelen  nur  aus  abend- 
ländischen Quellen  angeführt  werden,  welche  weder  zur  Nikita- Legende 
passen,  noch  auch  das  Geringste  in  derselben  erklären  können. 

In  meiner  Rezension  über  diese  Arbeit  (SannKCH  Hayic.  tob.  Im. 
Hles^eHKa  1906,  Bd.  LXXn,  S.  190 — 193)  habe  ich  auf  die  Grund- 
losigkeit einer  solchen  Interpretation  der  Pateriklegenden  hingewiesen 
und  machte  die  Bemerkung,  daß  es  doch  notwendig  sei,  bevor  man  solche 
Erzählungen  zur  Rekonstruktion  historischer  Tatsachen  gebraucht,  zuerst 
eine  literarische  Kritik  an  ihnen  zu  üben,  um  sich  zu  überzeugen,  ob  sie 
überhaupt  für  eine  historische  Konstruktion  tragf^hig  sind.  Die  Vita 
Theodosii  ist  ein  authentisches  Werk  Nestors,  nebenbei  aber  in  seiner 
literarischen  Form  ganz  und  gar  unoriginell.  Nestor  hat  yerschiedene 
griechische  Heiligenleben  zur  stilistischen  Verzierung  seiner  Tatsachen 
benutzt.  Bereits  im  J.  1896  im  ersten  Bande  der  Hsb^ctIh  ot;^^^. 
pyccKaro  H3i»nca  h  cjosecHOCTH  hat  äachmatov  die  stilistische  und  teil- 
weise sogar  die  sachliche  Abhängigkeit  der  Vita  Theodosii  von  der  alt- 
russischen Übersetzung  der  griechischen  Vita  Sabbae  (^nrie  Gasu 
IIpeocBHn^eHiiaro)  nachgewiesen.  Dies  genügt  vollkommen,  um  auch 
die  an  ihrem  Platze  in  der  Vita  Theodosii  ziemlich  unklare  und  unwahr- 
scheinliche Notiz  über  die  nächtlichen  Besuche  der  Judenversammlungen 
vom  Theodosius  als  eine  fremdartige,  hier  nur  mechanisch  eingeschaltete 
Floskel  zu  betrachten. 

In  dieser  Frage  ist  die  von  H.  Barac  zitierte  Erzählung  vom  Nikita 
Zatvomik  entscheidend.  Diese  Erzählung  ist  mit  wenigen  Abweichui^en 
einer  griechischen  Asketenerzählung  nachgemacht,  welche  in  die  be- 
kannte und  ebenfalls  sehr  früh  in  Altrußland  übersetzte  Kompilation 
»Pandekte  Nikons  vom  schwarzen  Beige  <  (üaHAeKT'B  HiiKOHa^epHoropi^) 
aus  einer  sehr  allgemein  bezeichneten  Quelle  einbezogen  wurde.  Da  das 
ganze  große  Werk  Nikons  bisher  weder  griechisch  noch  kirchenslavisch 
gedruckt  wurde,  so  wird  es  vielleicht  für  die  weiteren  Forscher  von 


Beiträge  zur  Qaellenkritik  einiger  altrnBsischer  Denkmäler.        287 

Nutzen  sein,  wenn  ich  den  Text  dieser  Erz&hlnng  ans  einer  Handschrift 
des  Lembeiiger  Basilianerklosters  in  wörtlicher  Übersetzung  veröffentliche. 

»Ein  gewisser  Mönch  Namens  Gregorins  erzählte,  ihm  sei  das  Ver- 
langen gekommen,  nach  Jerusalem  zu  gehen  und  die  Auferstehungskirche 
Christi  sowie  andere  heilige  Plätze  dort  zu  besuchen.  Ich  ging  also 
und  kam  an  einen  Platz  und  fand  dort  ein^i  hohen  Fels  und  darin  eine 
Höhle  und  unter  dem  Felsen  ein  Kloster.  Und  die  Mönche  dieses 
Klosters  sagten  mir,  unlängst  habe  einer  von  unseren  Brfldem  den 
Wunsch  geäußert,  sich  in  jener  Höhle  abzusondern  und  fragte  darttber 
den  Prior.  Dieser  kluge  Mann  sprach  aber  zu  ihm:  »0  Kind,  wie  wirst 
du  dich  in  jener  Höhle  allein  absondern,  wenn  du  die  Leidenschaften 
deines  Körpers  und  deiner  Seele  noch  nicht  besiegt  hast?  Wer  ins 
Schweigen  flbergehen  will,  soll  ein  Lehrer  und  nicht  ein  der  Lehre  Be- 
dürftiger sein.  Du  aber,  ohne  noch  dieses  Maß  erreicht  zu  haben, 
bittest  meine  Wenigkeit,  daß  ich  dich  in  dieser  Höhle  einsam  leben  lasse. 
Ich  sehe  aber,  du  kennst  die  verschiedenen  dämonischen  Finten  nicht.  Viel 
besser  für  dich  ist,  den  Vätern  zu  dienen  und  ihre  Gebete  zu  empfangen 
und  nut  Urnen  in  geziemenden  Zeitpunkten  Ruhm  und  Lob  des  Herrn  des 
Weltalls  zu  singen,  als  allein  im  Kampfe  mit  unreinen  Gedanken  zu 
leben.  Hast  du  denn  nicht  gehört,  wie  unser  Vater  Johannes  Klimax 
geschrieben  hat:  »Wehe  dem  Einsamen,  denn  wenn  ihn  Wehmut  oder 
Faulheit  übermannt,  kann  ihn  kein  Mensch  emporrichten;  wo  aber  zwei 
oder  drei  in  meinem  Namen  versammelt  sind,  da  bin  ich  in  ihrer  Mitte  — 
sprach  der  Herr.« 

Dies  und  Ähnliches  sprach  zu  ihm  der  Prior,  konnte  ihn  aber  nicht 
bewegen,  von  diesen  seelenverderblichen  Gedanken  abzustehra.  Als  er 
sah,  sein  Vorsatz,  in  der  Höhle  einsam  zu  leben,  sei  unveränderlich  und 
er  unverweilt  bat,  ihn  in  der  Höhle  leben  zu  lassen,  hieß  er  ihn  tun,  was  er 
wilL  Und  als  er  mit  den  Gebeten  der  Väter  in  die  Höhle  eintrat,  trug 
ihm  ein  Bruder  zur  Essenszeit  die  Speisen  hin,  er  aber  hatte  einen  an 
äer  Schntir  hängenden  Korb  und  ließ  diesen  herab  und  nahm  sie  in 
Empfang.  Während  aber  dieser  Mönch  in  der  Höhle  war,  unterließ  der 
Widersacher  aller  im  Gott  ehrlich  leben  Wollenden,  der  Teufel,  nicht,  dem- 
selben böse  Gedanken  täglich  und  nächtlich  einzugeben.  Und  nach  einigen 
Tagen  verwandelte  er  sich  in  einen  Lichtengel  und  erschien  ihm  und 
sprach:  »Wisse,  daß  fttr  dein  reines  Gewissen  und  fOr  dein  hohes  engd- 
gleiches  Leben  Gott  mich  schickte,  deiner  Heiligkeit  zu  dienen.«  Der 
Mönch  aber  antwortete:   »Was  Gutes  hab'  ich  verrichtet,  daß  mir  die 


288  I^&ii  Franko, 

Engel  dienen?«  Er  aber:  »Alles,  was  dn  gemacht  hast,  ist  groß  nnd 
hoch,  daß  dn  die  Welt  mit  ihrer  Schönheit  yerlassen  hast  nnd  MOnch  ge- 
worden bist  nnd  dich  selbst  mit  Fasten  nnd  Nachtwachen  nnd  Qebeten 
kasteit  hast,  nnd  nnn  anch  das  Kloster  verlassend  hier  dich  verborgen 
hast.  Wie  sollen  denn  die  Engel  nicht  deiner  Heiligkeit  dienen?«  Mit 
solchen  Worten  hanchte  ihn  der  seelenverderbende  Drache  an,  fachte 
seinen  Stolz  anf  nnd  erschien  ihm  jeden  Tag. 

Als  aber  an  einem  Tage  das  Hans  eines  Mannes  von  den  Dieben 
bestohlen  wnrde,  kam  der  nnreine  Dämon,  welcher  ihm  als  Engel  er- 
schien nnd  ihn  verffthrte,  nnd  sprach:  »Da  kommt  ein  Mann,  dessen 
Hans  von  Dieben  bestohlen  wnrde;  gestohlen  wurde  ihm  dies  nnd  dies 
nnd  die  Sachen  liegen  an  dem  nnd  dem  Orte.  Sag  ihm  also,  er  möge 
gehen  nnd  sein  Gnt  zurückholen.«  Und  richtig  kam  der  Mann  und  ver- 
neigte sich  vor  der  Höhle,  der  Mönch  aber  sprach  von  oben:  »Wohl  ge- 
kommen bist  dn,  Bruder;  ich  weiß,  daß  ein  Leidwesen  Aber  dich  ge- 
kommen ist,  doch  traure  nicht!  Die  Diebe  kamen  in  dein  Haus  nnd 
nahmen  dies  und  dies  und  verbargen  es  an  dem  und  dem  Ort  Geh' 
also  hin  und  du  wirst  alles  finden,  und  bete  für  mich. «  Jener  aber  dies 
hörend  wunderte  sich  sehr  und  ging  und  fand  alles  Gestohlene,  und 
rühmte  ihn  im  ganzen  Land  sagend:  »Der  Mönch,  welcher  in  jener  Höhle 
sitzt,  ist  ein  Prophet.«  und  eine  unz&hlbare  Menge  Männer  nnd  Frauen 
kam  zu  ihm  herbei  und  hörten,  was  er  sprach,  und  wunderten  sich,  denn 
er,  vom  Teufel  erfdllt,  sagte  einem  jeden,  was  mit  ihm  geschehen  war 
oder  bald  geschehen  sollte.  Der  Prior  aber  und  die  Mönche  hörten  dies 
und  wunderten  sich,  in  wie  kurzer  Zeit  er  so  geworden  ist,  daß  er  Yer- 
gangenes  und  Künftiges  vorhersagen  kann. 

Als  nun  jener  Elende  eine  geraume  Zeit  in  dieser  Verführung  ver- 
bracht hatte,  erschien  ihm  am  zweiten  Tage  der  zweiten  Woche  nach  der 
Himmelfahrt  unseres  Herrn  Jesus  Christus  jener  unreine  Dftmon  nnd 
sprach  zu  ihm:  »Wisse,  Vater,  wegen  deiner  makellosen  Lebensweise 
und  des  engelgleichen  Lebens  sollen  zu  dir  auch  andere  Engel  kommen 
und  dich  bei  lebendigem  Leibe  in  den  Hinmiel  bringen,  damit  du  dort 
mit  Engeln  die  unsichtbare  Schönheit  bewahrest.«  Dies  sagte  der  un- 
reine Dämon  und  verschwand.  Doch  der  menschenliebende  nnd  barm- 
herzige Gott,  welcher  nie  eines  Menschen  Verderben  wollte,  legte  dem 
Mönch  ins  Herz,  alles  dies  dem  Prior  bekannt  zu  geben.  Und  als  ein 
Bruder,  wie  gewöhnlich,  das  ihm  Nötige  brachte,  neigte  er  sich  von  oben 
und  sprach  zu  ihm:  »Bruder,  sage  dem  Prior,  er  möge  hinaufkommen 


Beiträge  sEiir  Quellenkritik  einiger  altraBsiBcher  Denkmäler.        289 

zu  niir.€  Dieser  ging  nnd  sagte  ee  dem  Prior,  welcher  alles,  was  er  in 
den  H&nden  hatte,  bei  Seite  legend  an&tand  und  hnrtig  hinausging  und 
auf  einer  Leiter  in  die  Hdhle  hinauf  klomm  und  zu  jenem  sagte:  »Wes- 
wegen, Kind,  wolltest  du,  daß  ich  hierher  komme?«  Der  Mönch  sprach: 
»Womit  belohne  ich  dich,  heiliger  Vater,  fOr  alles,  was  du  fbr  meine  ün- 
Würdigkeit  getan  hast?«  Der  Prior  sagte:  »Was  Outes  hab'  ich  fOr 
dich  getan?«  Er  aber:  »Ja,  heiliger  Vater,  viel  Gutes  und  Hohes  und 
Großes,  da  ich  durch  dich  wflrdig  befunden  wurde,  mich  in  das  heilige 
EiDgelsbild  zu  kleiden,  durch  dich  auch  in  diese  Höhle  zu  leben  kam, 
durch  dich  auch  Engel  zu  mir  kommen  und  mich  ihrer  Unterredungen 
würdigen.« 

Dies  hörend  verwunderte  sich  der  Prior  und  sagte:  »Du,  Elender, 
siehst  Engel  und  wurdest  der  vorhersehenden  Gabe  gewürdigt?  Wehe 
dir,  Elender,  wehe  dir!  Sagte  ich  dir  denn  nicht,  steige  nicht  in  die  Höhle, 
daß  du  von  unreinen  Dämonen  nicht  verführt  werdest?« 

Auf  diese  Ansprache  des  Priors  antwortete  der  Mönch:  »Sprich 
nicht  so,  würdiger  Vater.  W^en  deiner  heiligen  Gebete  sehe  ich  Engel 
und  am  Tage  der  Himmelfahrt  soll  ich  von  ihnen  in  den  Himmel  getragen 
werden  mit  diesem  meinem  Leib.  Wisse  auch  deine  Heiligkeit,  daß, 
wenn  ich  emporkomme,  ich  von  unserem  Herrn  Jesus  Christus  erbitten 
wiD,  daß  auch  dich  die  Engel  emportragen,  damit  du  mit  mir  jene 
Seligkeit  teilest« 

Dies  hörend,  schlug  ihn  der  Prior  ins  Gesicht  und  sagte:  »Bist  du 
rasend,  Elender,  und  hast  du  den  Verstand  verloren?  Da  ich  aber  hier- 
her gekommen  bin,  gehe  ich  nicht  fort,  sondern  werde  abwarten,  bis  ich 
sehe,  was  mit  dir  geschehen  wird.  Denn  jene  Engel,  jene  eklen  und  un- 
reinen Dämone,  von  welchen  du  sprichst,  werde  ich  nicht  sehen.  Wenn 
du  sie  also  kommen  siehst,  sage  es  mir.« 

Dann  sich  herabneigend,  ließ  er  die  Leiter  wegnehmen  und  ver- 
weilte mit  dem  Verführten  in  der  Höhle,  fastend  und  betend  und  unauf- 
höriieh  Davids  Lieder  singend.  Als  aber  der  Tag  kam,  an  welchem  der 
VerfUirte  in  den  ffimmd  zu  fahren  hoffte,  sah  er  die  kommenden 
Dämonen  und  sprach:  »Sie  sind  da,  Vater.«  Da  umfing  ihn  der  Prior 
und  rief  mit  großer  Stimme:  »Herr  Jesus  Christus,  Sohn  und  Wort 
Gottes,  hilf  deinem  verftihrten  Diener,  laß  ihn  nicht  in  der  Gewalt  de 
ehrloeen  Dämonen!«  Und  als  er  dies  sprach,  stürzten  sich  die  Teufel 
auf  den  Verführten,  um  ihn  aus  den  Händen  des  Priors  herauszureißen, 
dieser  aber  verfluchte  sie,  sie  aber  ergriffen  den  Mantel  des  Verführten 

▲rebiT  fikr  slaTUehe  Philologie.   XXIZ.  19 


290  Iwan  Franko, 

nnd  verschwanden.  Und  man  sah,  wie  der  Mantel  in  die  Höhe  der  Luft 
emporfahr,  bis  er  verschwand,  nnd  nach  einer  Iftngeren  Zeit  fiel  der 
Mantel  von  oben  anf  den  Boden.  Da  sprach  der  Oreis  zn  dem  Vei^ 
fllhrten:  »Siehst  dn,  Sinnloser  nnd  Elender,  was  sie  mit  deineim  Mantel 
^macht  haben?  Ebenso  hätten  sie  es  anch  mit  dir  gemacht:  wie  den 
Simon  Magns  hätten  sie  dich  in  die  Lnft  emporgetragen  nnd  dann  fallen 
gelassen,  damit  du  zerschellest  nnd  im  Bösen  deine  geblendete  Seele 
verlierest,  c 

Dann  rief  der  selige  Greis  die  Mönche  nnd  hieß  sie  die  Leiter 
herbeitragen,  ftthrte  den  Verblendeten  herab  nnd  befahl  ihm,  in  der  Küche 
nnd  in  der  Bäckerei  nnd  in  anderen  klösterlichen  Arbeiten  dienstbar  zn 
sein,  damit  seine  Gedanken  demfltig  werden. 

Seht  ihr  die  Ränke  der  bösen  Dämonen?  Seht  ihr,  welche  Feinde 
wir  haben?  Laßt  nns  also  anf  nns  selbst  Acht  geben  nnd  nnsere  Herzen 
streng  bewahren  und  die  von  ihnen  dargebotenen  Gedanken  nicht  an- 
nehmen nnd  an  den  Tod  nnd  ewige  Qnalen  denken.  Diese  überwinden 
wir  mit  Fasten  nnd  Wachen  nnd  Gebeten  nnd  bitten  Gott  mit  demütigem 
Herzen,  daß  er  uns  vor  den  Netzen  des  Bösen  bewahre.« 

Vergleicht  man  diese  Erzählung,  welche  bereits  im  IX.  Jahrh.  in 
griechischer  Form  existieren  mußte,  mit  der  Erzählung  in  dem  Eijever 
Paterikon,  so  wird  uns  ihre  Übertragung  und  Umarbeitung  in  der  Eijever 
Kompilation  ohne  weiteres  klar,  und  die  Hypothese  des  H.  Barae  verliert 
jeglichen  Grund. 

Diese  Legende  gehört  zum  Cjklus  jener  Erzählungen  des  Eijever 
Paterikon,  welche  nach  sehr  richtigen  Darlegungen  des  Akad.  Sachmatov 
der  alten  ausführlichen,  noch  im  XTV.  Jahrh.  bekannten,  seither  aber 
verlorenen  Vita  Antonii  entnonmien  wurden,  wo  die  Anfibige  des 
russischen  Mönchtums  »auf  Grund  der  griechischen  Traditionen«  dar- 
gestellt wurden.  Wir  haben  im  Paterikon  noch  eine  Erzählung,  deren 
Provenienz  nicht  auf  den  südrussischen,  desto  weniger  anf  den  Kijever, 
sondern  auf  griechischen,  vor  allem  chersonnesschen  Grund  hinweist 
Es  ist  die  bekannte  Legende  von  dem  Höhlenmönche  Eustratius, 
welcher,  von  den  Polovzen  mit  anderen  gefangen  genommen,  einem  Juden 
verkauft  wurde.  Derselbe  wollte  alle  Christen  zum  Judentum  bekehren, 
als  sie  sich  aber  weigerten,  gab  er  ihnen  nichts  zu  essen.  Eustratius, 
von  Jugend  an  ans  Fasten  gewöhnt,  ermahnte  sie,  standhaft  zn  sein  nnd 
das  Fasten  nicht  zu  fürchten.  Richtig  starben  anch  alle  in  einigen 
Wochen  vor  Hunger,  nur  Eustratius  allein  blieb  am  Leben.    Der  Jude 


Beiträge  snr  Quellenkritik  einiger  altnuBiBcher  DenkmiUer.        291 

nagelte  ihn  ans  Kreuz,  und  als  er  auch  da  noch  drei  Tage  lebte  und  von 
einem  Übertritt  zum  Judentum  nichts  hören  wollte,  durchstach  er  ihm 
mit  dem  Spieß  das  Herz.  Wir  besitzen  diese  Erzählung  in  zwei 
Bedaktionen,  deren  eine,  primitivere  und  ausdrflcklich  auf  Ghersonnesus 
weisende,  im  Paterikon,  die  andere,  in  Kijev  lokalisierte,  in  alten 
Prologen  sich  findet    Die  Legende  verdient  eine  spezielle  Forschung. 

Daß  auch  andere  Legenden  des  Eljever  Paterikons  gar  keine 
Produkte  einheimischer  Tradition,  sondern  fremden  Quellen  enüehnt  sind, 
dies  unterliegt  fttr  mich  keinem  Zweifel.  Ich  nenne  hier  noch  die  schöne 
Erzählnng  »Über  Johannes  und  Ser^us  ein  außergewöhnliches  Wunder. c 
Es  sind  zwei  große  Freunde,  beim  Sterben  flbergibt  einer  dem  anderen 
einen  Schatz,  welchen  er  seinem  Sohne,  sobald  er  das  Mannesalter  er- 
reicht haben  wird,  einhändigen  soll;  der  Sohn  erreicht  das  Alter  und 
fordert  vom  Freunde  seines  Vaters  sein  Erbe,  dieser  aber  leugnet  die 
Existenz  des  Schatzes.  Nun  fordert  der  Sohn  ihn  auf,  seine  Behauptung 
in  der  Höhlenkirche  durch  einen  feierlichen  Eid  zu  bekräftigen;  der  AUe 
schwört  und  wird  gleich  darauf  von  den  Dämonen  weggeführt,  nachdem 
er  noch  den  wirklichen  Verbleib  des  Schatzes  bestätigt  hatte. 

Diese,  in  den  mittelalterlichen  Predigten  und  Promptuairen  von 
Westeuropa  ziemlich  verbreitete  und  variierte  Erzählung  habe  ich,  so  viel 
mir  erinnerlich,  bei  dem  griechischen  SchriftsteUer  Pausanias  in  seiner 
»Beschreibung  Griechenlands«  gelesen,  habe  aber  augenblicklich  das 
Citat  nicht  bei  der  Hand.  Jedenfalls  verlohnt  es  sich  der  Mflhe,  die 
Legenden  des  Eijeve|r  Paterikon  auf  ihre  hagiographischen  und  folk- 
loristiflchen  Quellen  hin  zu  untersuchen,  ehe  man  sie  als  lokale  Produkte 
und  als  historische  Quellen  fOr  die  Verhältnisse  Altrußlands  gelten  läßt. 

IL  Die  Komposition  der  ältesten  Chronik. 

Im  XIX.  Bde.  des  Archiv  Air  sl.  Philologie  haben  wir  den  Artikel 
Eugen  äSepkins  »Zur  Nestorfrage«  gelesen,  welcher  leider  darüber,  was 
in  Europa  unter  »Nestor«  verstanden  wird,  keinen  genügenden  Auf- 
schluß ^bi  In  Europa,  vom  alten  Schlözer  angefangen  bis  anf  IGklosich 
und  Louis  L^er,  versteht  man  unter  Nestor  die  älteste  Eijever  Chronik. 
Die  russische  Kritik  hat  gründlich  nachgewiesen,  daß  der  Mönch  Nestor 
mit  dieser  Chronik  gar  nichts  gemeinsames  hat,  daß  wir  von  ihm  nur  als 
vom  Verfasser  zweier  hagiographischen  Werke,  der  Passio  des  Boris  und 
Oleb  sowie  der  Vita  des  Theodosius,  reden  können,  daß  er  also  ins 

19* 


292  Iwan  Franko, 

Qebiet  der  rosaiBchen  Hagio^i^hie  nnd  nicht  der  Hiatoriographie  gehdrt. 
Und  keine  Neatorfrage  mehr.  Interessant  ftlr  die  Geschichte  der  mittel* 
alterlichen  Historiographie  ist  nnr  die  Frage  der  Komposition  der  ftltestoa 
rassischen  Chronik,  der  sogen..  IIob%oti>  BpeMeHHUx^  jtkTh.  nnd  diese 
Frage  hat  Herr  äSepkiB  nnr  gestreift  nnd  nicht  geUtot. 

Die  älteste  Chronik  ist  nns  in  zwei  wichtigen  Handschriften  llber- 
liefert,  dem  Codex  Lanrentianns  nnd  dem  Hypatins-Codex.  Der  erstere 
reicht  bis  an  das  Jahr  1110  nnd  schließt  mit  der  bekannten  Inschrift: 
»HryifeH'B  CnziiBeoTep^  eBHTaro  MwxaHJa  Hanncax'B  Kbhtu  com 
j[%TOiiHcei^B€  nsw.  mit  dem  Datnm  1116.  Diese  Inschrift  findet  sich  im 
Hypatins-Codex  nicht,  wo  derselbe  Text,  welcher  im  Lanrentins-Codex 
mit  dieser  Inschrift  in  der  lütte  nnterbrochen  wnrde,  weiter  fortgesetst 
wird.  Die  Inschrift  bildet  also  keinen  Beschluß  des  Textes,  sondern  ge- 
hörte höchstens  nnter  den  Schlnß  des  Jahres  1 1 1 3,  wo  die  einheitliche  £r- 
zählnng  Basils,  die  wir  weiter  besprechen  werden,  mit  dem  Antritt 
Vladimir  Monomachs  anf  den  Großfllrstenthron  in  Egev  schließt.  Das 
Jahr  1116  ist  also  kein  Datum  ftlr  den  Schlnß  dieser  Chronik  nnd  ist 
nnr  aus  Versehen  eines  späteren  Kopisten  an  diese  Stelle  gelangt 

Was  wir  bis  dahier  haben,  ist  keineswegs  ein  einheitliches  Werk, 
sondern  eine  Kompilation  ziemlich  rider  nnd  heterogener  Werke  und 
loser  Notizen,  welche  wir  in  vier  chronologisch  aneinandergereihte 
Gruppen  teilen  können.  Da  die  russischen  Ausgaben  keine  Kapitel- 
einteilung haben  und  gewöhnlich  nnr  nach  Jahreszahlen  zitiert  werden, 
was  beim  Lesen  verwirrend  wirkt  und  keinen  Überblick  gewährt,  so 
zitiere  ich  weiter  die  Kapitel  und  Absätze  nach  der  Ausgabe  des 
Miklosich  (Cronica  Nestoris,  textum  sloTcnicum  edidit  Fr.  Ifiklosich. 
Vindobona  1860).  Miklosich  hat  sich  mit  dem  »Nestor«  einen  schlechten 
Spaß  erlaubt,  indem  er  ihn  aus  dem  Kijever  Dialekte  des  Xn.  Jahrh.  in 
die  Sprache  der  pannonischen  Legenden  übersetzte;  seine  Ausgabe  ist 
also  ein  Kuriosum,  aber  seine  Ejipiteleinteilung  ist  meistens  gut  und 
sollte  auch  in  die  russischen  Textausgaben  eingefOhrt  werden. 

Die  erste  Textgruppe  umfaßt  die  Anfänge  Bußlands  bis  zum  Tode 
Svjatoslays  im  J.  972,  eine  Zeit,  welche  man  nicht  so  sehr  die  mythische, 
als  rielmehr  die  epische  nennen  kann  (Mikl.  Kap.  I — XXXVI).  Sie  be- 
steht, wie  die  ganze  übrige  Chronik,  aus  diversen  Elementen,  nnter  denen 
man  unterscheiden  muß: 

Excerpte  aus  byzantinischen  Chronographen,  gewöhnlich  mit 
Spuren  älterer  bulgarischer  Obersetzung  und  slarischen  Zusätzen,  so  im 


BeitrSge  zur  Qaellenkritik  einiger  altrassischer  DenJonäler.        298 

Ejip.  I  von  den  Worten:  ao  noHbTBCRaro  MopH  na  noxyHOii^miA  crptHU 
bis  snm  Sohinß  des  Kapitels,  der  Anfang  ans  Hamartolos.  Von  dem^ 
selben  Clironograplien  sind  aneh  Kap.  XI  bis  zn  den  Worten:  incoxe  ce 
H  npH  uBCTh  HUHi  üojiOBipj,  eine  rossisehe  Notiz,  welehe  nach  dem 
J.  1060,  der  Zeit  der  ersten  Erscheinung  der  Polovzen  in  Rußland,  ge- 
sebrieben  werden  mußte.  Von  demselben  Ohronographen  stammt  auch 
Kap.  XXIV  ttber  den  ApoUonius  Tyanensis.  Kap.  n  ist  aus  der  Ohronä 
Malalaa  genommen,  Kap.  XIII,  die  Feststellung  der  Chronologie  auf 
Grundlage  der  griechischen  Chronographen;  Kap.  XIV  Abs.  1,  XVII 
zwd  erste  Absätze,  XIX  4.  Absatz,  XXI  1.  Absatz,  XXV  Absätze  5 
und  6,  XXVI  Abs.  2,  XXVII  Abs.  1,  wahrscheinlich  auch  2,  sind  aus  der 
bulgarischen  Übersetzung  des  griechischen  Chronographen  entnommen. 
Kap.  XVI  ist  die  Umbildung  einer  griechischen  Legende  von  der  wunder- 
baren Rettung  Konstantinopels  von  einem  persischen  Über£sll  und  hat 
nut  Askold  und  Dir  nichts  zu  tun. 

Kap.  rV — ^V  enthalten  eine  apokryphe  Legende  über  die  Wanderung 
des  Apostels  Andreas  von  Byzanz  ttber  Kijev  und  NoTgorod  nach  Rom. 

Kap.  XX  enthält  eine,  wie  es  scheint,  bulgarische  Umarbeitung  der 
pannonischen  Legenden  Tom  Cyrill  und  Method.  Dies  sind  die  CTident 
fremden  Elemente  in  der  Chronik,  welche  höchstens  als  Beweise  der  Be- 
kanntschaft des  Kompilators  mit  diesen  Büchern  einen  Wert  haben. 

Den  zweiten  wichtigen  Bestandteil  dieser  »ältesten«  Chronik  bilden 
die  beiden  Verträge,  Olegs  und  Igors,  mit  den  Griechen  (Kap.  XXTT 
und  XXVn).  Alle  Anzeichen  sprechen  dafür,  daß  diese  Dokumente, 
ursprüngKch  griechisch  geschrieben,  noch  vor  der  Verfassung  der  Chronik 
ins  Russische  übersetzt  wurden  und  der  Kompilator  der  Chronik  sie 
bereits  fertig  vorfand,  da  ihre  Sprache  altertümlicher  ist  als  die  Sprache 
der  Chronik. 

Ein  besonderes  Ganzes  bilden  Kap.  VI  und  Xn,  die  Erzählung  von 
den  drei  K^ever  Brüdern  und  vom  Chazarischen  Tribut  —  keine  Ge- 
sehiohte,  sondern  eine  stark  überarbeitete  Lokalsage  mit  ätiologischer 
Onmdlage  (Kij  als  Gründer  Kijevs). 

Ebenso  kann  man  die  Kap.  XV,  XVI  und  XVIII  als  Scherben  einer 
uormannisehen  Sage  über  drei  Brüder,  welche  in  der  Fremde  ihr  Glück 
versuchen  und  schließlich  zwei  ältere  von  dem  jüngsten  getötet  werden, 
betrachten,  wobei  der  altrussische  Bearbeiter  die  Namen  zu  Gunsten  der 
Lokalisation  verwechselte  (in  Kijev  kannte  man  alte  Gräber  von  Askold 


294  Iwan  Franko, 

und  Dir  und  Oleg).  Wenn  man  dazu  noch  Kap.  XXTTT  über  Olegs  Tod 
hingnnimmt,  so  hat  man  alles,  was  nns  von  dieser  Sage  geblieben  iat 
Fflr  eine  historische  Grundlage,  für  eine  wirklich  erfolgte  Bemfong  der 
Yarägen  nach  Rußland  gestatten  diese  Sagenfragmente  keine  Schlösse. 

Kap.  XXVni— XXX,  Igors  Tod  nnd  die  Rache  der  Olga  sind  eben- 
falls eine  Sage  skandinavischen  ürspmngs  und  keine  Geschichte.  Eine 
ebensolche  belletristische  Umarbeitung,  eine  Romanze  und  keine  Ge- 
schichte ist  die  Erzählung  von  dem  Besuch  Olga's  in  Eonstantinopel 
(XXXI),  was  man  aus  der  Yergleichung  dieses  Kapitels  mit  dem  S^ugnis 
eines  Augenzeugen,  Konstantin  Porphyrogenet,  in  seinem  Traktat  »De  Ce- 
rimoniisc  ersehen  kann.  Das  Kap.  XXXTTT  (PeSenegen  vor  Kijev)  ist  ein 
echtes  südrussisches  Volkslied  im  epischen  Styl;  so,  wie  es  ist,  l&ßt  es  sich 
nur  mit  geringen  stilistischen  Auslassungen  im  alten  slavischen  Versmaß, 
im  i2-sUbigen  Vers  rekonstruieren.  Ebenso  gewiß  ist  die  Erzählung 
Tom  Kriege  SyjatoslaTS  mit  den  Griechen  in  Bulgarien  sowie  sein  Tod 
an  den  Dnieprschwellen  eine  Sage,  doch  keine  Geschichte,  wie  wir 
ebenfalls  aus  den  entsprechenden  Zeugnissen  der  Chroniken  ansehen 
lernen^). 

Außer  diesen  größeren  Bestandteilen  haben  wir  noch  eine  Reihe 
loser  Notizen  von  verschiedener  Natur.  Also  Kap.  XIV,  Absatz  2,  die 
Varäger  und  Chazaren  als  Bedrücker  der  Slaven  im  Norden  und  im 
Süden  —  eine  Kombination  des  Redakteurs,  welcher  zu  seinem  gleich 
darauf  folgenden  Sagenfragment  eine  notdürftige  Einleitung  brauchte. 
Kap.  XVn,  Absatz  3,  Notiz  über  den  Tod  Ruriks  und  die  Nachfolge 
Igors  —  auch  eine  Kombination  des  Redakteurs,  ohne  Quellenwert,  nur 
um  Olegs  faktische  Herrschaft  als  eine  Regenz  im  Namen  Igors  dar- 
zustellen. Kap.  XIX,  Absätze  1,  2,  3,  chronistische  Notizen  (die  Chrono- 
logie ohne  Belang),  gewiß  auf  faktischer  Tration  begründet  Kap.  XXI^ 
Absatz  2,  Notiz  des  Redakteurs,  mit  Ausnahme  des  Namens  der  Frau 
Igors.  Kap.  XXV,  alle  Absätze,  vermischte  Notizen  über  russische  und 
bulgarische  Vorkommnisse — russische  und  griechisch-bulgarische  Brocken 
(Gründung  Adrianopels).  Kap.  XXVI,  zu  Ende  karge  Notiz  über  die  Geburt 
Svjatoslavs.  Kap.  XXXIT,  eine  Charakteristik  Svjatoslavs  und  lose 
Notizen  über  seine  Besiegung  der  Chazaren,  VjatiSen  und  Bulgaren.  Die 
letzte  Notiz  ist  eine  Kombination  des  Redakteurs  als  Einleitung  zum 


1)  Siehe  die  gründliche  Analyse  bei  M.  Hruievskij,  Geschichte  der 
Ukraine  I,  476--489. 


Beiträge  nir  Quellenkritik  einiger  altnuBischer  Denkmäler.        295 

Volkalied  ttber  die  PeSenegen,  um  die  Abwesenheit  des  Fttrsten  in  EJjey 
zn  motivieren.  Kap.  XXXY,  genealogische  Notizen  über  die  Familien- 
yerbflltnisse  ByjatoBlays.  Wenn  man  zu  diesen  spärlichen  Brocken  lokaler 
Tradition  in  diesem  Teile  der  ältesten  Chronik  noch  die  in  der  ersten 
NoYgoroder  Chronik  aufbewahrte  Notiz  darflber  hinzufügt,  daß  Igor  die 
XJgli^  bekämpft  hat,  so  haben  wir  alles  faktische,  was  uns  über  diese 
Epoche  der  russischen  Geschichte  überliefert  ist  Und  dies  ist  ver- 
schwindend wenig. 

Es  bleibt  uns  noch  ein  Bestandteil  dieses  Teils  der  Chronik,  nämlich 
Kap.  m,  Yn,  IX,  X,  welche  ein  besonderes  Ganzes  bilden  und  noch  am 
ehesten  für  die  Arbeit  des  Redakteurs  der  Chronik  betrachtet  werden 
können.  Es  ist  eine  Probe  der  allgemeinen  Charakteristik  der  Slaven 
und  ihrer  Einwanderung  aus  dem  Lande  an  der  Donau,  und  dann  speziell 
die  Charakteristik  der  russischen  Stämme  und  ihrer  Siedelungen,  ihrer 
Sitten  und  Gewohnheiten.  Es  gab  eine  Zeit,  da  man  diese  Kapitel  als 
einen  Ausfluß  großer  Sachkenntnis  bewunderte.  Heute  wissen  wir,  daß 
die  Theorie  von  der  Einwanderung  der  Nordslaven  von  der  Donau  grund- 
falsch und  die  meisten  Charakteristiken  unseres  Chronisten  wertlos  und 
von  einem  pol^janischen  und  christlichen  Vorurteü  diktiert  sind.  Die  Be- 
merkungen Aber  die  heidnischen  Spiele  und  Tänze  zwischen  den  Dörfern 
und  ttber  die  alte,  aber  nicht  mehr  primitive  Raubehe  »wer  mit  einer  sich 
beraten  hat«  sind  die  einzigen  interessanten  Details  dieser  ethnologischen 
Schilderung. 

Was  weiter  folgt,  Kap.  XXXVH  bis  S.  8 1  (ein  Teil  des  Kap.  XLYU,  i 
welches  hier  abschließen  sollte,  da  ja  mit  den  Worten  »OBKTonojK'L 
xe  iAjifi  Wh  EneBt«  nicht  nur  ein  neues  Kapitel,  sondern  ein  neues  Werk 
beginnt),  ist  ein  besonderes  Ganzes,  Versuch  einer  Kompilation  der  älteren 
Legenden  und  Schriften  über  Vladimir  und  die  Taufe  Rußlands.  Zu  den 
Quellen  dieser  Kompilation  gehören  auch  besonders  auf  uns  gekommene 
Denkmäler,  nämlich 

1)  eine  alte  Vita  Vladimiri,  ursprünglich  griechisch,  mit  chersone- 
siscfaer  Tendenz  geschrieben  (Vladimir  tauft  sich  im  Chersonesus,  nimmt 
von  hier  Geistliche,  unter  ihnen  seinen  Freund  Anastasius,  Bücher  und 
kirchliche  Paramente  und  Kunstwerke  und  läßt  die  Chersoniten  auch  in 
Rußland  eine  bedeutende  Rolle  spielen) ; 

2)  die  Legende  vom  Erproben  der  verschiedenen  Glauben,  dem  darin 
interpolierten  Sermon  des  Philosophen,  worin  eine  Übersetzung  des 
griechischen  Glaubensbekenntnisses    des   Michael  Synkellos   entdeckt 


296  Iwan  Franko, 

wurde,  welches  bereits  in  Balgarien  zur  Zeit  Symeons  übersetst  war  nnd 
in  dieser  Übersetzung  mit  dem  HsÖopemTB  GsATocjEaBa  vom  J.  1073  nadi 
Rußland  kam,  vom  Kompilator  der  Ghronik  aber  aus  dem  Orieohisoben 
nen  Übersetzt  wurde.  Daran  wurde  eine  summarische  Übersicht  der 
sieben  kirchlichen  Synoden  mit  einer  kleinen  daran  angeschlossenen 
Polemik  gegen  die  Lateiner  und  mit  einer  Erwähnung  des  Pseudopapstes 
Peter  des  Stotterers  geknüpft,  dieser  Teil  auch  im  Sbomik  Svjatoalays  in 
bulgarischer  Redaktion  bekannt.  Auch  wird  hier  dem  Vladimir  vom 
christlichen  Missionär  ein  Bild  des  jüngsten  Gerichts  auf  Leinwand  ge- 
malt vorgezdgt;  nach  der  recht  plausiblen  Meinung  Sachmators  Über- 
rest einer  verschollenen  Legende  von  der  Taufe  des  bulgarischen  Fürsten 
Boris. 

3]  das  Lob  Vladimirs,  von  Jakobus  dem  Mönch  geschrieben,  auch 
ein  selbstständiges  Werkchen,  welches  vom  Ghronisten  seiner  Kompilation 
einverleibt  wurde. 

Nun  wollen  wir  den  Text  dieses  Teiles  detailliert  mustern. 

Kap.  XXXVn  und  XXXVm  bilden  die  Einleitung  der  Monographie 
über  Vladimir:  der  Streit  zwischen  Jaropolk  und  Oleg  dient  nur  dazu, 
Vladimir  aus  Novgorod  nach  Schweden  zu  führen  und  seinen  Krieg  mit 
Jaropolk  einzuleiten;  hier  wird  auch  eine  Gharakteristik  Vladimirs  als 
Heiden  und  Lüstlings  eingeschaltet,  um  einen  effektvoUen  Kontrast  zu 
seiner  späteren  Heiligkeit  zu  bekommen.  Zur  Methode  des  Schrift- 
stellers gehört  auch  die  Einsetzung  größerer  Bibelzitate,  so  auf  S.  47 — 48 
Salomo's  Sprüche  über  die  schlimmen  Weiber. 

Kap.  XXXIX  als  lUustration  des  Heidentums,  eine  Erzählung  über 
die  ältesten  Kijever  Märtyrer,  einen  von  den  Griechen  gekommenen 
Varägen  und  seinen  Sohn,  welche  von  den  Kijever  Heiden  getötet 
werden;  die  Erzählung  ist  offenbar  expost  erdichtet  worden,  da  sie  auf 
einer  Fiktion  der  Menschenopfer  für  Götter  bei  den  Russen  basiert,  und 
ein  solcher  Brauch  mehr  der  religiösen  christlichen  Schablone,  als  der 
wirklichen  Geschichte  angehört. 

Kap.  XL,  Absatz  3,  die  Erzählung  über  verschiedene  Missionäre 
beim  Vladimir  samt  dem  darin  eingesetzten  Glaubensbekenntnis  des 
Synkellus.  Dieses  Kap.  schließt  sich  logisch  an  drei  folgende  an,  wo 
die  Glaubenswahl  und  die  Taufe  Vladimirs  im  Chersonesus  erzählt  wird 
—  alles  dies  keine  Geschichte,  sondern  eine  Legende. 

Kap.  XLIV  und  XLV,  Absatz  2,  ist  ein  weiterer  integrierender 
Teil  der  griechischen  Überlieferung,  Vladimir  als  Kirchenerbaner.   Diese 


Beitrilge  snr  Qaellenkritik  einigar  altnuiBiBcher  Denko^^er*        297 

Enfthhiiig  wird  Ton  einem  Volkslied  über  den  Zweikampf  eines  rassischen 
Gerbersohnes  mit  einem  PeSenegen  (Kap.  XLV,  Abs.  1)  nnterbrochen; 
das  Volkslied  hat  einen  ätiologischen  Zweck ,  den  Namen  der  Stadt 
Perejaslay  zn  erklären.  Hier,  mit  dem  Kap.  XLV,  endet  anch  die 
griechische  Tradition  Aber  Vladimir^  über  sein  späteres  Leben  nnd 
Wirken  weiß  sie  nichts  zu  sagen.  Der  spätere  Eompilator,  welcher 
dieses  griechische  Schreiben  in  die  Hand  bekam  nnd  Ton  dem  Wirken 
Vladimirs  anch  nichts  mehr  wnßte,  begnflgte  sich  damit,  noch  eine 
Lokalsage  oder  ein  Volkslied  Aber  die  Belagemng  B^lgorods  hierher 
an  setzen  (Kap.  XLVI],  ein  wanderndes  Märchen  über  die  hungern- 
den Belagerten,  welche  ihre  Belagerer  mit  dem  in  BodenlOcher  aus- 
gegossenen Habermuß  und  Met  foppen  und  sich  so  von  der  Belagerung 
befreien.     Schließlich  folgt  im  Kap.  XLVn,   S.  80,  von  den  Worten 

>CH     BCTB     HOBUH    KoOTKHTHH'Lc     biS    S.    81,      »lOSe    67AH    yxy^HTH 

wAwh  xpECTiBHOiTLc,  dss  Enkomium  Jakob  des  Mönches,  vom  Kompi- 
iator  eingesetzt.  Seinerseits  hat  dieser  Eompilator  die  Erzählung  des 
Griechen  durch  einige  kleine  Notizen  unterbrochen,  so  Kap.  XXXVUI, 
Abs.  2  und  3  (S.  48),  wovon  die  erste  ganz  konfus  und  wertlos  (Vladimirs 
Zug  gegen  die  Lachen),  die  zweite  ganz  lakonisch  und  ohne  Details  ist. 
Von  derselben  Art  sind  die  im  Kap.  XL,  Abs.  1  und  2,  mitgeteilten 
Anekdoten  ohne  historischen  Wert  Ob  die  im  Kap.  XLIV,  Abs.  2, 
mitgeteilte  Notiz  Aber  die  Grflndung  B61gorods  wirklich  historisch  ist, 
m(k)hte  ich  bezweifeln;  sie  sieht  ja  aus  wie  eine  Einleitung  zn  der  im 
Kap.  XLVI  mitgeteilten  Erzählung  über  den  B^lgoroder  Habermuß;  im 
J.  992  gegrfindet  ist  sie  im  J.  1007  bereits  sagenumwoben.  Die  Stadt 
muß  entschieden  älter  gewesen  sein.  Schließlich  sind  im  Kap.  XLVH, 
Abs.  1,  2,  3,  4,  5,  Notizen  aus  irgend  einem  Synodicnm  Aber  die  Todes- 
ftlle  im  Hause  Vladimirs  abgeschrieben,  sowie  eine  Notiz  Aber  das  Lehn- 
▼erhältnis  NoYgorods  zu  Kijev,  welches  die  Ursache  eines  fast  aus- 
gebrochenen, nur  durch  Vladimirs  Tod  vereitelten  Konfliktes  Vladimirs 
mit  Jaroslav  wurde.  Dies  ist  das  äußerst  spärliche  historische  Material 
dieses  zweiten  Teiles  der  Chronik. 

Der  dritte  Teil  der  ältesten  Chronik  umfaßt  die  Zeit  seit  dem  Tode 
Vladimirs  bis  zum  Tode  seines  Enkels  Vsevolod,  1093.  Dieser  Teil 
wurde  von  einem  Geistlichen,  vielleicht  vom  Hegumen  Sylvester,  redigiert 
und  enthält  außer  zahlreichen  Notizen  zur  weltlichen  Geschichte  meisten- 
tdls  Excerpte  ans  alten  Heiligenleben  (Jakobus  des  Mönches,  Passion  des 
Boris  nnd  Gleb,  Kap.  XLVI,  S.  81,  ine.  CsATonojncB  xe  ci^e  Kuent) 


298  Iwan  Franko, 

und  die  damit  verknttpfte  Oeschichte  Aber  den  Untergang  des  Svjatopolk, 
Kap.  ItYlIy  ein  Bniehstflok  ans  der  verloren  gegangenen  "^ta  Antonii 
Aber  die  OrOndnng  des  Höhlenklosters,  Kap.  LXni,  im  Anschluß  an  die 
kurze  Notiz  Aber  den  Sieg  der  Polovzen  Aber  mssisohe  FArsten  lesen  wir 
das  dem  Theodosins  zugeschriebene  Cjobo  o  KasHflZX  öojkhhx'b; 
Kap.  LXVni  gibt  Aber  den  Theodosius  und  die  ftltesten  Asketen  Details, 
welche  in  der  Nestorschen  Vita  Theodosii  nicht  enthalten  sind  und  teil- 
weise auch  aus  der  Vita  Antonii  excerpiert  sein  mögen;  Kap.  LXXIV, 
die  Erzählung  eines  Mönchs  des  Höhlenklosters  (nicht  Nestors)  Aber  die 
Yon  ihm  selbst  bewerkstelligte  Entdeckung  der  Leiche  des  Theodosius 
und  ihre  Übertragung  in  die  Kirche).  Von  den  Notizen,  welche  der 
Verfasser  aus  mAndlicher  Tradition  aufschrieb,  sind  besonders  die  vom 
Munde  des  Varigers  Ja&  au^ezeichneten  interessant  Auch  gel^ent- 
liche  Anleihen  aus  dem  griechisch-bulgarischen  Chronographen  fehlen 
nicht,  so  die  bekannte,  auch  von  ÖSepkin  zitierte  Notiz  Aber  die  Mißgeburt 
im  Flusse  Sdtoml,  welche  aber  f&r  die  Komposition  der  Chronik  keine 
Bedeutung  hat.  Ein  Fluß  S§toml  hat  bei  K\jey  nicht  existiert  und  wird 
nur  beim  Verfasser  dieses  Teils  der  Chronik  zweimal  erwähnt;  der  Name 
scheint  eher  eine  MAhle,  als  einen  Fluß  anzudeuten  (iyto  —  mel);  die 
Notiz  selbst  ist  eine  Nachbildung  der  auch  in  unserer  Chronik  weiter 
zitierten  Wundergeburten  in  Griechenland  zur  Zeit  des  Maurikius,  wo 
auch  die  Reflexion  steht,  daß  solche  Ausgeburten  nichts  Qutes  Yor- 
bedeuten. 

Der  letzte,  vierte  Teil  der  ältesten  Chronik  ist  wieder  ein  besonderes, 
einheitlich  konzipiertes  Werk,  eine  in  Erzählui^sform  gekleidete  politische 
Tendenzschrift,  welche  den  Zweck  hat,  Rußland  zur  solidarischen  Ver- 
teidigungsorganisation gegen  die  Polovzen  zu  ermuntern  und  die  FArsten 
zur  Hintansetzung  ihrer  Familienstreitigkeiten  und  zur  Anerkennung 
eines  Oberhauptes  zu  bewegen.  Der  Verfasser  dieses  Teiles  hat  uns 
seinen  Namen  selbst  Aberliefert:  er  nennt  sich  Vasili»;  ihn  für  einen  Geist- 
lichen oder  einen  Mönch  zu  halten,  liegt  kein  Grund  vor;  er  denkt  nicht 
mönchisch,  sondern  durchaus  weltlich-politisch,  legt  seinen  FArsten 
patriotische  Worte  in  den  Mund,  beschreibt  sehr  interessant  den  Einfall 
der  Polovzen  und  die  Leiden  der  Gefangenen  oder  die  Blendung  des 
Vasilko  von  Terebovli»  auf  Befehl  des  FArsten  David  und  den  dadurch 
hervorgerufenen  volynischen  Krieg.  Alle  erzählten  Tatsachen  weiß  er 
seinem  Hauptzweck,  der  Propaganda  der  ersten  politischen  Idee, 
der  politischen  Konzentration  Rußlands,  zu  unterordnen  und  ist  als  erster 


Beiträge  znr  Quellenkritik  einiger  altrusBischer  Denkmäler.        299 

wirklicher  historiBch  denkender  Schriftsteller  Rußlands  zu  betrachten. 
Sein  Werk  reicht  nur  bis  zum  J.  1113,  bis  zum  Regierungsantritt 
Vladimir  Monomachs  in  Eijey ;  dieser  Fürst  war  sein  Lieblingsheld,  doch 
weiß  der  spfttere  Notizensammler  Aber  seine  Eijeyer  Regierungszeit  nichts 
Ton  Belang  zu  sagen.  Vasilb  war  ein  weltlicher  Mann,  wahrscheinlich  ein 
Gefolgsmann  des  Eijeyer  Fürsten ;  Redakteur  der  Chronik  war  er  nicht, 
da  in  der  Kompilation  auch  seine  Erzählung  yon  losen  Notizen,  deren 
Inhalt  sich  manchmal  mit  dem  seiner  Erzählung  deckt,  durchbrochen 
wird.     Seit  dem  J.  1113  beginnt  die  sogenannte  £jjeyer  Chronik. 

HL   Die  Sompositioii  des  >C;[obo  o  mrhRj  HropeBft«. 

Dieses  schöne  altrussische  Bojaren-(nichtYolks-)Lied,  welches  lange 
Zeit  als  das  einzige,  aus  yormongolischer  Zeit  zurückgebliebene  Denkmal 
der  damaligen  Poesie  angesehen  und  fast  wie  ein  Wunder  angestaunt 
wurde,  rief  eine  ganz  respektable  Literatur  heryor,  wurde  historisch, 
literaturgeschichtlich  und  hauptsächlich  philologisch  (mit  Hinsicht  auf 
seine  zahlreichen  »dunklen  Stellen«)  durchforscht  und  bearbeitet  Man 
hat  es  natürlich  ftlr  ein  Ganzes  gehalten,  fllr  das  Werk  eines  einzigen 
Verfassers,  und  hat  sich  auch  erkleckliche  Mühe  gemacht,  dieses  Ganze 
logisch  und  künstlerisch  zu  yerstehen,  respektiye  seine  einzelnen  Bestand- 
teile in  irgendwelchen  logischen  Zusammenhang  zu  bringen.  Die  Ge- 
lehrten hätten  sich  manche  Mühe  erspart,  wenn  sie  das  Werkchen  als  das 
betrachten  wollten,  was  es  wirklich  ist,  nämlich  als  einen  aus  yer- 
schiedenen  Liedern  und  quasi  gelehrten  Noten  mechanisch  zusammen- 
gesetzten Traktat  (Cjiobo}.  Ich  lege  dieser  Analyse  wieder  eine  kritisch 
unzulängliche,  aber  praktisch  (mit  Eapiteleinteilung)  eingerichtete  Aus- 
gabe des  Em.  Ogonoyskij  zu  Grunde. 

In  dem  gegenwärtigen  Igor- Sermon  haben  wir  den  Anfang  des 
eigentlichen  Igorliedes  nicht;  er  wurde  yom  Redakteur  entfernt,  welcher 
daftlr  sein  quasi  gelehrtes,  in  Wirklichkeit  aber  sehr  rhetorisches  Ein- 
leitungskapitel setzte.  Daß  das  Lied  anfangs  einen  anderen  Eingang 
hatte,  beweist  gleich  das  erste  Wort  des  Kap.  11:  »TorAa  nropB  FBspi« 
usw.,  wo  doch  yordem  keine  Zeitbestimmung  geblieben  ist,  worauf  sich 
dieses  Tor^a  beziehen  könnte.  Es  wurde  da  gewiß  ein  Ereignis,  welches 
den  Impuls  zum  Zuge  gab,  etwa  ein  Familienrat,  eine  Truppenreyue  oder 
so  was  ähnliches  dargestellt,  und  da  —  hiermit  beginnt  die  eigentliche 
Erzählung  —  sah  Igor  eine  Sonnenfinsternis. 


300  ^^^^  Franko, 

Als  ein  ziemlich  konfuses  Einschiebsel  möchte  ich  auch  Kap.  VI  b&* 
trachten  (Eiuh  niipi  TpoflHH  bis  To  6ujio  bx  Tuparn  h  irs  tu  iltbku, 
a  CHA6H  paTH  He  cjrumaHo),  verschiedene  Notizen  ans  der  Chronik  pLan- 
los  zasammengetragen.  Zu  derselben  Kategorie  der  Einschiebsel  gehört 
auch  Kap.  VIII,  Absatz  1  und  3 ;  Absatz  2  ist  ein  abgebrochenes  StOck 
der  Bchildemng  der  dreitägigen  Schlacht  Igors  mit  den  Polovzen  an  der 
Kajala.  Konfases  Zeng  ist  anch  Kap.  IX,  Abs.  1  nnd  3,  der  Tranm 
Syjatoslavs.  Im  Absatz  2,  in  der  Antwort  der  Bojaren  auf  die  Ansprache 
des  Großfürsten,  wird  als  Dentnng  seines  Traumes  ein  JÜt^es  Lied  zitiert, 
welches  einen  Zng  zweier  rassischen  Fürsten  gegen  Tmntorokan  mit  einer 
Katastrophe  an  der  Kajala  schildert. 

Im  Kap.  XI  haben  wir  zuerst  das  Fragment  eines  Liedes  über  den 
Tod  Svjatoslays  in  der  Schlacht  mit  den  Litauern  und  dann  ein  Lied  oder 
das  Fragment  eines  Liedes  über  Vsevolod.  Das  übrige  gehört  zum  Igor^ 
liede,  nur  die  konfiise  Glosse  am  Anfang  des  Kap.  XIV  stört  noch  den 
Gang  der  Erzählung.  Sehen  wir  nun,  was  das  so  auseinandergelegte 
>Gjobo»  uns  als  seine  Bestandteile  bietet. 

1)  Das  Lied  über  den  Zug  Igors,  ohne  Anfang,  mit  unterbrochener 
und  nur  fragmentarisch  ausfüllbarer  Schilderung  der  Schlacht  an  der 
Kajala,  mit  dem  schwunghaften  Aufruf  an  zeitgenössische  Fürsten  (dieser 
Aufruf  bietet  eine  feste  Basis  für  die  Datierung  des  Gedichtes,  da  er  sich 
an  den  haliier  Fürsten  Jaroslav  Osmomysl  als  an  einen  Lebendigen 
wendet,  Osmomysl  aber  zwei  Jahre  nach  dem  Zuge  Igors  gestorben  ist), 
die  schöne  Klage  der  Frau  Igors,  Jaroslavna  in  Putivl,  die  echt  drama- 
tische Beschreibung  der  Flucht  Igors,  lauter  Episoden  von  hohem 
poetischen  Werte. 

2)  Das  Lied  vom  Vseslav  —  XI  Abs.  3.  4.  5  —  möge  es  hier  in 
wortgetreuer  Übersetzung  folgen: 

In  dem  siebenten  Trojansalter 
warf  YseBlav  ein  Los 
um  ein  geliebtes  Mädchen. 
Der  warf  sich  aufs  gesattelte  Pferd 
und  sprang  der  Stadt  Kijev  zu 
und  berührte  mit  dem  Speer 
den  Kijever  goldenen  Thron. 
Sprang  von  da  wie  ein  reißendes  Tier, 
in  der  Mittemacht  von  Bilhorodi 
hängte  sich  im  blauen  Nebel, 
klopfte  früh  mit  Mauerbrechern, 
öffnet  Tore  Novgorods, 


Beiträge  zur  Qaellenkritik  einiger  altraBsischer  Denkmäler.        301 

sehlng  ins  Niehts  den  Buhm  Jaroslavs, 

macht  dann  einen  Wolfesspning 

ans  Dndntki  znm  Nemiga. 

Am  Nemiga  wird  das  Feld 

mit  (Barben-Köpfen  bedeckt, 

mit  ehernen  Flegeln  gedroschen, 

anf  der  Tenne  Leben  gestrent, 

die  Seele  vom  Leibe  geworfelt 

Nemigas  blutige  Ufer 

nicht  mit  Gutem  waren  besäet, 

besäet  mit  Gebeinen  der  BnssensOhne. 

Vseslay  der  Fürst  richtete  die  Lente, 

gab  Befehle  den  Fürsten, 

lief  selbst  aber  als  Wolf  in  der  Nacht; 

von  Eijev  bis  znm  Hahnenschrei 

lief  er  nach  Tmntorokan, 

dem  großen  Chors  (Sonne)  als  Wolf 

hat  er  den  Weg  durchquert. 

Diesem  läutete  man  in  Polotsk 

zum  Morgengebet  früh 

in  der  Sophienkirche  mit  Glocken, 

er  aber  hört  In  Kijev  das  Geläute. 

Ob  auch  »kundig«  sein  Geist  im  starken  Leib, 

oft  ertrug  er  bitteres  Leid. 

Das  ist  kein  altrussischer  Volkston ;  das  knappe,  abgerissene,  dunkle, 

ja  lapidare  dieser  Zeilen  erinnert  an  die  nordischen  Runen  der  Edda. 

Was  sagt  die  Chronik  darüber?     »Ln  demselben  Jahre  (1067)  kriegte 

Yseslav,  BriaSeslavs  Sohn  aus  Polotsk,  und  nahm  Novgorod ;  drei  Söhne  Ja- 

roslays,  L&jaslav,  Svjatoslav  und  Vsevolod,  taten  ihre  Truppen  zusammen 

und  ^ngen  gegen  Yseslav  trotz  des  strengen  Winters,     und  sie  kamen 

nach  Minsk,  die  Minianen  aber  schlössen  sich  in  der  Stadt  ein;  die 

Brüder  aber  nahmen  Minsk,  hieben  die  Männer  zu  Tod,  nahmen  Weiber 

und  Kinder  gefangen  (wörtlich:  auf  Schilder)  und  gingen  znm  Nemiga 

(Niemen);  und  Yseslav  kam  ihnen  entgegen.     Und  sie  kamen  beide  am 

Nemiga  am  3.  März  zusammen,  und  der  Schneefall  war  groß,  und  es 

war  ein  grimmiges  Morden,  viele  fielen,  Lsjaslav,  Svjatoslav  und  Ysevolod 

gewannen  die  Oberhand  und  Yseslav  entfloh.    Die  Brüder  lockten  ihn  zu 

sich  mit  einem  Schwur,  sie  wollen  ihm  nichts  Böses  tun,  er  kam  zu  ihnen 

und  sie  fthrten  ihn  als  Gefangenen  nach  Eijev;  bald  darauf  aber  befreiten 

ilm  die  Eijever  im  Tumult,  und  der  erschrockene  Fürst  Lsjaslav  floh  nach 

Polen.     So  wurde  Yseslav  ein  Fürst  von  Eijev,  entfloh  aber  bald  darauf 

in  seine  Stadt  Polotsk,  wo  ihn  aber  der  zurückgekehrte  Izjaslav  bald  ein- 


302  Iwan  Franko, 

holte  und  in  die  Flacht  trieb.«  Sein  Tod  wird  unter  dem  J.  1101  er- 
wiüint.  Von  seiner  zanberischen  Natur  weiB  die  Chronik  nichts,  doch 
die  Eijever  behielten  ihn  lange  im  Andenken  und  »erinnerten  sich  an  seme 
Befreiung  in  Eijev,  woftlr  70  Städter  vom  Sohne  Bsjaslavs  hingerichtet 
wurden«. 

Das  Lied  selbst  muß  eine  geraume  Zeit  nach  Vseslavs  Tode  ent- 
standen sein,  da  seine  abenteuerliche  Persönlichkeit  bereits  im  unheim- 
lichen Lichte  eines  Wftrwolfs  und  Zauberers  erscheint  Der  Kompilator 
des  Gjobo  hielt  es  ftlr  geraten,  hier  ein  Zitat  von  seinem  lieben  Bojan  zu 
geben,  welches  dazu  gar  nicht  paßt  und  nicht  besonders  geistreich  ist. 

3)  Fragment  eines  Liedes  auf  den  Tod  Izjaslavs  —  XI  Abs.  1  — 
ein  interessantes  Beispiel  eines  Trauerliedes: 

Schon  rinnt  die  Sola  nicht 

mit  silbernen  Wogen 

Zur  Stadt  Perejaslav ; 

und  die  Dvina  rinnt  kotig 

zu  jenen  grimmen  Polotskem 

unter  dem  Ruf  der  Heiden. 

Einzig  der  Izjaslav 

Sohn  des  Vasilko 

hämmerte  mit  seinen  scharfen  Schwertern 

auf  die  Helme  der  Litauer, 

vermehrte  den  Ruhm 

seines  Großvaters  Vseslav, 

und  wurde  selbst  unter  roten  Schildern 

auf  blutigem  Gras 

zerhämmert  mit  litauischen  Schwertern. 

(Hier  fehlt  etwai)  auf  das  Bett  und  sprach: 

»Dein  Gefolge,  o  Fürst, 

haben  Vögel  mit  Flügeln  bedeckt, 

und  die  Tiere  ihr  Blut  geleckt«. 

Er  war  nicht  da,  der  Bruder  Bra6islav 

und  der  andere  Vsevolod; 

einer  hauchte  die  Perlenseele  ans 

aus  tapferem  Leib 

durch  das  goldene  Halsband. 

Dumpf  sind  die  Töne,  weg  sind  die  Freuden, 

in  Horodno  hallt  Trompetenschali. 

Auch  dieses  zweite  Lied  knüpft  an  Polotsk  an  und  besingt  einen 
Enkel  Vseslavs.  Sollte  es  mehr  solche  Liedercyklen  gegeben  haben? 
Hier  noch  das  Fragment  aus  dem  Kap.  IX,  Abs.  2,  welches  ich  für  ein 
besonderes,  zum  Igorliede  nicht  gehöriges  Stück  halte. 


Beiträge  zur  Quellenkritik  einiger  alimBsiecher  Denkmäler.        303 

Wehmut  hat  unsere  Seele  erfüllt! 
Zwei  Falken  flogen  auf 
vom  vSterllehen  goldenen  Stuhl 
zu  suchen  die  Stadt  Tmutorokan, 
oder  vom  Don  mit  Helmen  zu  trinken. 

Schon  sind  den  Falken  die  Flügel  gelähmt 
von  den  Säbeln  der  Heiden, 
sie  selbst  aber  wurden  gefesselt 
mit  eisernen  Fesseln. 

Es  wurde  dunkel  am  dritten  Tag 

die  beiden  Sonnen  verloschen, 

die  beiden  roten  Säulen  verdunkelten  sich, 

verdunkelten  sich  junge  Monde. 

Die  weiteren  Worte  mögen  ein  prosaisches  Einschiebsel  des  Kom- 

pilators  sein,  welcher  das  ältere  Lied  an  die  neuen  Namen  anpassen  will. 

Dann  hören  wir  wieder  das  alte,  prägnante  Wort: 

Schon  erhob  sich  die  Lästerung  über  den  Buhm, 

schon  stürzte  sich  das  Elend  auf  die  Freiheit, 

schon  warf  sich  Div  auf  die  Erde. 

Die  schönen  gotischen  Mädchen 

singen  am  Ufer  des  blauen  Meeres, 

klingeln  mit  russischem  Gold 

singen  die  Zeiten  des  Bus, 

herzen  die  Bache  äarokans,  — 

wir  aber,  Gefolge,  sind  fireudenleer. 

Für  den  späteren  Bedakteur  bleiben  das  Kap.  I,  Kap.  n,  Abs.  2, 

Ejtp.  VI,  Kap.  Vni,  ein  Mischmasch  der  prosaischen  Kommentare  mit 

poetischen  Brocken,  wie  das  Stückchen  eines  Trauerliedes  russischer 

Frauen: 

Bussische  Frauen  weinten  sagend: 
»Schon  soUen  wir  unsere  lieben  Männer 
nicht  mit  Gedanken  gedenken, 
nicht  mit  dem  Gemüt  vermuten, 
nicht  mit  den  Augen  erblicken, 
und  kein  Gold  und  kein  Sflber  mehr 
mit  Geklingel  tragen.« 

Kap.  IX,  Abs.  1  und  3,  Traum  Svjatoslavs  und  seine  Beflexionen 

über  den  Zug  Igors,  die  Bojan -Zitate  im  Kap.  XII  und  Kap.  IX,  erster 

Absatz.    Er  allein  kennt  den  Bojan,  »die  Nachtigall  alter  Zeit«,  von  der 

er  aber  aufdringlich  nur  ziemlich  geistlose  Gemeinplätze  zitiert.  Zweimal 

tritt  er  mit  dunklen  Verdächtigungen  gegen  Igor  auf,  im  Kap.  VIIl, 

Abs.  3,  wo  er  den  alten  Svjatoslav  für  seine  Siege  an  den  Polovzen  be- 


304  Iwan  Fnmko,  Beiträge  zur  QaeUenkritik  einiger  altniBBiacher  Denkm&ler . 

lobt  und  Igor  tadeln  läßt,  »weil  er  den  Beiektom  im  Floß  Kajala  ver- 
senkt hat«,  und  das  zweite  Mal  Kap.  IX,  Abs.  3,  wo  er  den  Byjatoslay 
(nicht  den  alten  Polovzersieger,  sondern  den  Oheim  Igors)  seine  Brnder- 
söhne  mit  bitteren  Worten  tadeln  läßt:  »0  meine  Bmdersöhne  Igor  und 
Ysevolod,  frflh  begannt  ihr  die  PoloTzerlandschaft  mit  Schwertern  zu  be- 
drängen nnd  euch  Rnhm  zu  suchen.    Aber  unehrlich  habt  ihr  gesiegt, 
denn  unehrlich  habt  ihr  Heidenblut  vergossen.«    Diese  Vorwürfe 
sind  purer  Unsinn;  die  linksuferigen  Fflrsten  wurden  ja  von  den  Polovzen 
unaufhörlich  bedrängt,   befanden   sich  mit  ihnen  in  unaufhörlichem 
Eriegsstande,  haben  ihnen  keinen  Eid  auf  ein  friedliches  Leben  geleistet, 
was  konnte  also  dem  S^atoslav  Grund  zu  solchen  Vorwürfen  geben? 
Daß   der  EompUator    auch    über  Igors    Familienverhältnisse   keinen 
richtigen  Begriff  hatte,  beweist  jene  Stelle  im  Kap.  VIII,  wo  gesagt  wird: 
»Thh  6o  ABa  zpaöpafii  GBUTBCJaBH^a,  Mrop'B  h  BcesojiOA'B,  yxe  jdrk) 
ytfyAHCTa,  KOTopyio  to  Önme  ycnHJi'B  OTei^i  hx'l  GssiTOCJaB'L  rposnuH, 
BejraKUH  KueBCKUH«  usw.,   wo  ja  von  den  Siegen  Svjatoslavs  und 
Monomachs  aus  dem  Anfang  des  XU.  Jahrh.  gesprochen  wird,  während 
Igors  Vater  viel  jünger  war  und  um  die  Mitte  des  XII.  Jahrh.  in  Nov- 
gorod  Siversk   regierte  und   nie  Siege  über  die  Polovzen  davontrug. 
Seine  id^e  fixe,  an  der  man  seine  Einschiebsel  erkennen  und  ausscheiden 
kann,  ist  die,  daß  er  die  KOTopa  und  Kpauoja  (Bruderzwiat  undintriguen] 
als  die  Hauptübel  der  russischen  Staatsverfassung  betrachtet,  fOr  ihre 
Beseitigung  aber  kein  Heilmittel  findet.  Dr.  Iwan  Franko. 


Anmerkung  der  Redaktion.  Es  sind  schon  so  viele  Versuche  ge- 
macht worden,  um  dem  IgorUede  in  allen  seinen  Teilen  beizukommen,  daß 
gewiß  auch  Dr.  Iwan  Franko  berechtigt  ist,  mit  seiner  subjektiven  Auffassung 
des  Denkmals  zu  Worte  zu  kommen.  Wenn  der  Geschmack  und  die  Sinnesart 
der  alten  Menschen  des  XH.— XHI.  Jahrh.  ganz  nach  unserer  Art  gewesen 
wären,  so  würde  der  Verfasser  gewiß  berechtig^  sein,  nicht  nur  den  Vorwurf 
gegen  das  Denkmal  in  seiner  jetzigen  Gestalt  zu  erheben,  sondern  auch  za 
zeigen,  wie  es  besser  gemacht  werden  könnte.  Allein  der  Beweis,  daß  das 
»Slovo«  wirklieh  nichts  anderes  als  eine  aus  verschiedenen  Liedern  zusammen- 
gestoppelte Kompilation  sei,  haben  seine  Einwendungen  doch  noch  nicht  er- 
bracht V,  J, 


305 


Beiträge  znr  serbokroatischen  Dialektologie. 

Der  haj^Diakkt  von  Virje^  mit  BefikiksiMigu/ng  der  DiaiUkie  Poira/ima^» 

(Kopriimioaf-Pitomaha), 


Einleitung. 

Die  Torfiegende  Arbeit  berfleksiehtigt  alle  dialektischen  Yenchieden- 
heitoD,  die  in  den  DOrfem  der  Podravina  von  Pitomaia  (Östlicher  Punkt) 
bis  Eoprivnica  (westl.  Punkt)  snm  Yorsehein  kommen.  Der  Dialekt  Ton 
^e,  als  der  nns  am  besten  bekannte,  bildet  den  Mittelpunkt  unserer 
Darstellnng. 

Um  zuerst  die  Grenze  zwischen  Kajkayisohem  und  Stokavischem  zu 
ziehen:  ausgehend  Ton  der  Drave  an  der  Grenze  zwischen  Kroatien  und 
Slayonien  ist  der  erste  Ort  auf  kroatischem  Boden  PitomaSa  noch  kaj- 
kaTisch,  der  erste  Ort  aber  auf  dem  Boden  Slayoniens  Gradao  gehört 
schon  dem  sto-Dialekte  an.  Yon  Pitomaia  weiter  geht  die  Grenze  über 
Otroyanee,  Grabroynica  (Preradovids  Geburtsort),  Kozarerec,  Suha-Sirova, 
Eatalena,  BudroYCC,  Öepelovec,  MiSetinec,  Sr.  Ana,  Rakitnica,  Jabuieta, 
Babotok,  Gor.  Zdelice.  IGt  Gor.  Zdelice  hört  meine  eigene  Untersuchung 
auf,  doch  auf  Grund  der  Kenntnisse,  die  ich  von  anderen  habe,  zieht  sich 
die  Grenze  von  Gor.  Zdelice  mit  Kormanica  potok  gegen  Norden  bis  Novi- 
grad  und  weiter  yon  Novigrad  bildet  die  Grenze  die  Straße,  die  nach  Ko- 
priynica  fuhrt  Die  Bewohner  der  nördlich  von  dieser  Straße  liegenden 
Orte  sprechen  den  Kaj-Dialekt;  südlich  liegende  Orte,  die  meistens  von 
den  Orthodoxen  (Griechischorientalischen)  bewohnt  sind,  gehören  dem 
sto-Dialekte  an.  Noch  immer  auf  kroatischem  Boden,  aber  jenseits  der 
Drave,  d.  i.  nördlich,  liegen  die  Orte  Gotalovo,  NovaSka,  Gola  und  idala. 
Die  drei  ersten  Orte  von  Kaj-Sprechem  bewohnt,  werden  auch  in  unserer 
Darstellnng  berficksichtigt,  der  vierte  Ort  ^dala,  obwohl  politisch  zu  Kroa- 
tien gehörig,  ist  der  Umgangssprache  nach  größtenteils  magyarisch,  und 
nur  in  der  Schule,  Kirche  und  Gemeinde  wird  kroatisch  gesprochen,  dar- 
um wird  er  hier  unberflcksichtigt  bleiben. 

Auf  dem  so  begrenzten  Boden  wird,  was  selbstverstftndlich  ist,  nicht 
flberall  derselbe  Dialekt  gesprochen,  sondern  wir  können  behaupten,  daß 
ein  jedes  größere  Dorf  einige  LauteigentOmlichkeiten  aufweist,  besonders 
in  dem  lexikalischen  Yorrat  werden  in  den  verschiedenen  Orten  für  einen 

Arehir  ffir  slaTisch«  Philoloin«*    XXIX.  20 


306  Franjo  Fancev, 

und  denselben  Begriff  yerachiedeiie  Worte  bevorzugt;  so  z.B.  nor  in  Gjnr- 
gjeveo  werden  gewöhnlich  livada^  tepsifUj  aukaö  gebraucht^  dagegen  in 
Virje  sinokoia  tigä^A^  ce^phc;  ein  Novogradac  verwendet  fOr  »schlagen« 
gewöhnlich  das  Yerbnm  gA^stij  ein  'Virovac  dagegen  neben  großer  Menge 
(Aber  50)  von  Ansdrflcken  ftr  den  Begriff  »schlagen«  kennt  gerade  dieses 
Wort  fast  gar  nicht,  sondern  spricht  gewöhnlich  bitt\  t^öij  ndaioiti  nsw. 
Um  anf  das  kleinste  die  Zahl  der  Typen  des  kaj-Dialektes  in  der  Podra- 
vina  zu  reduzieren,  mtUsen  wir  mindestens  drei  Haupttypen  aufstellen. 
Als  Orundlage  fUr  diese  Einteilung  dienen  uns  in  erster  Reihe  die  Reflexe 
des  akslav.  Nasallautes  ^  und  des  ^-Sonans,  daim  die  Entwickelung  des 
a  in  langen  Silben  zu  einem  dumpfen  a^-Laut,  und  die  Aussprache  des 
u  (sei  es  primär,  sei  es  sekundär)  als  ein  t^-Laut.  Diese  Entstehung  be- 
ruht auf  Grund  der  Verschiedenheiten  im  Yokalismus,  eine  andere  wird 
sich  beim  Besprechen  des  Akzentes  ergeben;  eine  dritte  wäre  vielleicht 
nach  Formen  zu  gewinnen. 

Die  erste  Gruppe  repräsentiert  Koprivnica;  als  Reflex  des  Nasal- 
lautes 7k  und  des  ^-Sonaiiten  ist  hier  u\  kein  a9  und  kein  ü.  Sehr  nahe 
dieser  Gruppe  liegt  Novigrad  (mit  Delovi  und  Hlebine);  hier  nämlich 
kommt  auch  weder  aP  noch  ü  vor,  aber  man  hört  hier  und  da  ein  o  statt 
t^,  als  Reflex  des  Nasallautes  ^,  aber  nicht  des  ^Sonanten.  Zu  dieser 
Gruppe  können  wir  rechnen  die  örtlich  abgetrennten  Orte,  beide  Zdelice, 
Babotok  und  Jabui^eta,  wo  als  Reflex  des  ;i^  und  l  nur  u  ist,  sonst  aber 
weder  aP  noch  ü  begegnet. 

Die  zweite,  mittlere  Gruppe,  deren  Hauptort  Virje  ist,  kennt  als 
Reflex  des  Nasallautes  7k  und  des  ^-Sonanten  nur  o  als  Regel,  langes 
(primäres)  a  wird  a^,  aber  kein  ü  gesprochen.  Zu  dieser  Gruppe  gehören 
die  umliegenden  Dörfer  bei  Virje:  Miho^janec  (Mijölä^nci),  Hampovica, 
Sv.  Ana,  Semovec  (Semdfci),  Molve,  Sigetec,  Peteranec,  Dmje,  Botovo; 
jenseits  der  Drava  Gotalovo,  NovaSka  und  Gola.  Doch  in  aUen  diesen 
Dörfern  wird  nicht  ganz  gleich  gesprochen,  sondern  wir  nehmen  sie  nnr 
im  großen  und  ganzen  als  eine  Gruppe. 

Obergang  von  dieser  Gruppe  zur  dritten  bildet  Gjurgjevec;  in  diesem 
Orte  wird  u  schon  als  ü  ausgesprochen,  aber  kein  aP  mehr.  Fflr  den 
Nasallaut  7k  und  den  ^-Sonanten  kommt  o  neben  u;  keiner  von  diesen 
zwei  Lauten  hat  Übergewicht,  sondern  beide  werden  in  denselben  Worten 
von  verschiedenen  Leuten  gebraucht. 

Die  dritte  Gruppe  mit  dem  Hauptvertreter  Elostar  (gespr.  Kloitfj 
kennt  kein  o,  sondern  nur  u  ffir  das  7k  und  |,  kein  aP\  dagegen  das  u 


Beitrüge  zur  BerbokroaÜBchen  Dialektologie.  307 

wird  hier  noch  schArfer  als  selbst  in  Ojnrgjeveo  als  ü  ai&gesprochen. 
Noch  immer  znm  Kaj-Dialekte  gehörend  aber  schon  mit  dem  Fehlen  des 
ü  ist  die  Pfaire  PitomaSa. 

Der  Kern  der  Dialekte  Podravinas  gehört  jedenfalls  sor  nördlichen 
Grappe  des  E^jkavischen  überhaupt  um  den  Eigentflmlichkeiten  dieser 
Oroppe  (siehe  Zboir.  I.  Oblak.  B.  59fr.)  begegnen  uns  hier:  das  o  tOi  den 
Nasallant^  und  ftr  ^-Sonans,  das  e  fflr  dicHalbvokalCy  enge  Aassprache 
des  %  (als  ein  e*j  f)j  nur  ein  6  (auch  fOr  tj)y  Abwesenheit  des  o  fOr  das 
silbenschließende  /;  das  Vortreten  des  v  vor  das  anlautende  u  (wie  auch 
▼er  das  o  =  ;r).  Aus  der  Formenlehre  haben  sie  mit  jenen  gemeinsam: 
Instr.-Sing.  a  St.  om,  -utiif  Oen.,  Dat.,  Adj.  und  Pronom.  -offa^  -omu] 
Imperat  auf  -f  mo,  -^te  bei  den  Verben  der  I. — ^IV.  Klasse.  Auch  die 
Bildung  des  Futurums  ist  gleich  jener  in  den  nördlichen  kiy-Dialekten 
wie  auch  im  Slovenischen,  d.  i.  bei  den  perfektiTcn  Verben  wird  das  Fu- 
torum  durch  die  Form  des  Präsens  ausgedrückt,  sonst  durch  bQdem  oder 
h^m  (akslay.  b^a^)  ^^  d®°>^  Partizip  praet  activ  II.  Wie  in  jenen, 
werden  auch  hier  im  Gen.  Loc.  Dat.  und  Instr.  Plur.  A^jektiya  und 
Pronom.  ausschließlich  die  Formen  -i*'(A)  e^m^  pni  (-'Kjf'K,  -'Kll'k  und 
-*kilH)  gebraucht  Auch  die  erweiterten  Formen  in  der  3.  P.  Plur.Prfts. 
auf  -0;'ii,  ^ju  sind  bis  inkl.  PitomaSa,  ausgenommen  Viije,  wo  die  Eon- 
traktion selbst  bei  -ejo  der  Verba  der  IIL  und  -q;b  der  Verba  der  V.  Klasse 
eingetreten  ist,  verbreitet  Selbst  der  Erweiterung  durch  -idu,  -^u  (-adu) 
begegnet  man  im  Dialekte  von  Pitomaia. 

Mit  den  nördlichen  Dialekten  (Varaidin,  Medumuije)  haben  unsere 
Zentraldialekte,  welche  unserer  zweiten  Gruppe  angehören,  gemeinsam 
die  dumpfe  Aussprache  des  (primär)  langen  a  (als  a^). 

Nicht  einheitlich  erhalten  sich  unsere  Dialekte  gegenüber  anderen 
nördlichen  (vgl.  Oblak,  Lukjanenko)  bezüglich  des  |,  n  und  rj  (r ).  Was 
das  palatale  ^  anbelangt,  so  ist  es  in  Gola  zu  einem  mittleren  /  geworden; 
ziemlich  häufig  kommt  dieses  mittlere  l  auch  in  anderen  vor,  doch  am 
wenigsten  ist  es  in  "^'e  Tcrbreitet;  hier,  d.  i.  in  Virje,  zeigt  sich  ein 
palatales  (  auch  dort,  wo  es  etymologisch  nicht  berechtigt  ist;  so  ist  das 
/  vor  dem  -41%  bei  den  Verben  der  IV.  Klasse  ausnahmslos  zu  (  geworden, 
z.  B.  de^ti,  se(itij  be^^ti  usw.,  vielleicht  unter  dem  Einflüsse  des  Part, 
praet  pass,  wo  Palatalisation  berechtigt  ist  (z.  B.  ]fBAiii€Ni^  akslav.). 
Das  palatale  li  ist  entweder  bewahrt  oder  es  ist  die  Entpalatalisation 
(also  Verhärtung)  eingetreten.  Umstellung  "jnr-  ist  sehr  selten  und  kommt 
mehr  individuell  vor;  das/,  oder  mit  sehr  schwacher  Nasalierung  i^j\j^) 

20* 


308  Fnnio  Ftaeev, 

kommt  (Iberllanpt  sieht  vor.  Das  paktale  r  wurdo  entweder  Terhirtefc 
oder  hat  aioh  ein  solohes  palatalee  r  sa  einem  rj  entwickdt. 

Wfthrend  in  anderen  nordkajkayieohen  DiaklEten  neben  d  aneh  j 
vorkommt,  iat  hier  ein  j  lußerst  gelten  nnd  regelmftßig  hört  man  nnr 
ein  4. 

Hier  mOohten  wir  auch  einiges  über  die  Gegend,  hauptsächlich  ttberViije, 
als  Hanptort  unserer  Darstellnng,  sagen.  Die  Gegend  von  Koprivnica  bis 
Pftoma6a  ist  von  lanter  Kroaten  bewohnt,  doch  sehen  Östlich  vonEloltar  gibt 
es  anch  Nichtkroaten,  und  xwar  Magyaren  nnd  Steierer,  doch  so  wenige,  daß 
solche  gleich  kroatisiert  werden  nnd  die  Kinder  sprechen  schon  nicht  mehr 
die  Sprache  ihrer  Eltern.  Am  besten  zeigen  nns  die  Vornamen  wie  viele 
ietzige  Kroaten  nicht  ürwohner  in  diesen  Gegenden,  sondern  Einwanderer 
sind.  Aber  nicht  nnr  fremde  (nngarische  nnd  dentsche)  Namen,  sondern  es 
kommen  anch  solche  einheimische  vor,  die  nns  in  das  fttokavische  Sprachge- 
biet führen,  dann  anch  solche  mit  bulgarischer  Form;  aber  anch  tO^iache. 
Zn  den  einheimischen  itokavischer  Natnr  gehören  gewiß  Dngani^,  Gjnkeiiö, 
Füipovid,  Ljnbojeviö,  Perovid,  Bajkoviö,  Sokoloviö,  Tnrkovi<S,  j^koviö  nsw. 
Zn  den  mit  bulgarischer  Form  gehören  Fancev,Bakov,  Ilijev,  Jnrkov,Markov, 
Perov,  Petkov  usw.,  tttrklBche  sind  Adakovid,  Odobadiö,  Hasan,  Zobundiija, 
Babadiija  usw.  Fremden  nnd  zwar  magyarischen  Ursprungs  sind:  Bajsar, 
Gik,  Gikoi^,  Öorba,  Fereniaba,  Hatadi,  Ke6ked,  Jan6i,  Legradi,  Magoc,  Pilpek^ 
8ele&,  dalvari,  Soi,  Totar  usw.;  deutsch:  Aniperger,  Frigt,  Frajman,  Herman, 
Ginster,  Laui,  Sumandl,  ätaber,  Tii^ar  usw. ;  fremd  klingen  auch  Henc,  Ha- 
pavel,  Gibai,  Gjegerec,  Kelemin,  Kuliman;  Balatinec,  Marusiec,  dadek;  Piki- 
va&a  usw. 

Doch  anch  die  Spraohe  ist  voll  von  Fremdwörtern;  meistens  haben 
wir  sie  gesammelt  nnd  nur  als  Dlustration  soll  hier  ein  Beispiel  angeführt 
werden,  wie  das  magyarische  Wort  apa  in  der  Form  jäphi,  J^P^  das 
einheimische  otac  (anch  dieses  kommt  ahi  ^t^CJJ^t^c  jmäjdia)  ersetzt; 
desselben  Ursprungs  werden  anch  la&bk^  ba6a,  £i6a  (mit  dem  ersten 
wird  der  filtere  Bmder,  mit  dem  zweiten  die  ältere  Schwester  ange- 
sprochen) sein. 

Das  Volk  nennt  sich  Horvä%  HarvaPt,  HrväH  und  die  Sprache 
harvä^cki,  harvSPcki  und  hroaPckij^zik.  Doch  um  die  Schriftsprache 
oder  den  sto-Dialekt  vom  kaj-Dialekte  zu  unterscheiden:  wenn  man 
den  sto-Dialekt  spricht,  so  sagt  man,  es  wird  >po  gospdcku  oder 
^vlaikU  gesprochen,  dagegen  für  den  kaj-Dialekt  ^poprostOyproHaSki^ 
boge^iki*. 

Ein  Ort  vom  anderen  unterscheidet  sich  neben  besonderen  dialekti- 
schen EigentOmliehkdten  nnd  dem  lexikalischen  Idiotikon  aneh  dnroh 


zur  serlNtoeAtlMfaeii  Dialektologie.  809 

Traoiit  und  die  Oebrindie^  doeh  dioM  sterben  flllmildieli  ftQs.  Was 
soatt  die  Oelyriaehe  mbelaagt,  gibt  es  vielee  i0cn  gemeinBaaieB,  jft  selbst 
dienlbeo  LMer  werden  bei  deneben  CM^eoheit  gemngeD,  bo  s.  B. 
nur  Heekielt: 

^Sprwodi  mSf  GjurOy  do  dvara  mojegaf^ 

T^»Kak  M  te  sprevodilf  nepoznam  ti  dvara! *^  usw. 

«u  HMbine,  oder  ^Sefali  ßtno  baiu^€  (eielie:  Zbor.  tmnm.  Uf  i obi&. 
johL  SloT.  lyes  I.  Seite  192^  193)  werden  aoek  in  Viijs  gesHigen. 

Sprevo^  m^ne,  dragi^  do  dvora  fnojega\ 
Kok  bi  te  »prevodil,  kat  ii  za  nje  neznam, 
Moje  ix  je  dvare  leko  spczmivatiy 
Moji  so  ti  dvori  le*po  ogräd'^i 
Smi^kom  %  bosS^kom  i  z  borovom  granom  usw. 
oder 

SydTi  itno  baiu^ca 

PqUnka  diioqfka^ 

Pqlin  brala  UetopeTy 

Ma  zeisna  evüa  (?)  usw. 

Zur  Ostemzeit  wird  in  '^Hrje  »kolo*  gespielt  und  in  kolo  werden 
meistens  Liebeslieder  gesungen^  doch  es  kommt  in  ihnen  gewOhnlieh  ein 
jutnak  nnd  seine  ]fiba  vor  nnd  jedes  Lied  iHngt  mit  den  Worten 

Dmia  mojay  oj  divojkal 

sn.    lek  will  Mer  nur  den  Anfang  von  zwei  solehen  Eolo-Liedem  an- 
fthreD: 

Vino  pije  Pandiuricay 

S  njime  pije  tursko  momSe^ 

S  njime  pije,  i  njim  goeori : 

Boga  tqbij  Pandiurica, 

Prelepo  H  lübo  itnai  nsw. 


^er 


Preletelajasna  zvezda 
Preko  dvora  mlad^MiJu^jla, 
Uitqj^  ttstajf  mlad-Iühq/lu, 
Ttoj  pajddüh  kofia  poji^ 
Ä  tvojjadbn  iedtn  stoji  nsw. 


310  Fraajo  Faneey, 

Nieht  mehr  so  rerbreitet  ist  das  Hemnudehen  Ton  »ladariee*^  wie 
ieb  mich  aus  meiner  Jugendzeit  erinnere ,  daß  es  der  Fall  nooh  war, 
welohe  am  Johannstag  von  Hans  zu  Hana  gingen  nnd  die  Lieder  sangeo, 
mit  welchen  Olflck  im  Hanae  nnd  bei  der  Wirtschaft  gewünscht  wnrde. 
Bei  diesen  Liedern  ist  am  wichtigsten  ihr  Refrain 

Oj  lepo  ladoy  ladoy  lado 

nnd  naoh  diesem  »lado<  werden  sie  ^ladarice*  genannt  um  nnr  ein 
Beispiel  eines  solchen  Liedes  zn  zeigen,  fahre  ich  hier  von  einem  solchen 
Liede  nnr  den  Anfang  an.  Wenn  die  ladarice  in  den  Hof  eines  Hansea 
kommen,  fangen  sie  so  an: 

Falfin  bodi  Jeiui  Eristui; 
Oj  lepo  hdoj  lado^  lado*) 
Podajte  nam  Ivaneka^ 
Da  se  i  njime  poigramo. 
Bog  pomaii  iomu  atanju 
1  u  ku6%  gospodaru 
Ponajbolje  stari  majki 
I  u  kuci  drtdinici  usw. 

Was  die  Volkspoesie  anbelangt|  mir  ist  nnr  jene  von  Viije  bekannt, 
ist  jene  der  älteren  Generation  viel  wertvoller  als  die  der  jüngeren,  henti- 
gen.  Nach  ihrem  Inhalte  gehört  die  altere  meistens  den  lyrisch-weib- 
lichen an,  die  Hauptpersonen  in  ihnen  sind  gewöhnlich  ein  junak  nnd 
seine  lübordivojka]  ihre  Melodie  ist  grundverschieden  von  den  Melodien 
der  neueren  Lieder.  Die  Lieder  der  filteren  Generation  haben  nur  ftr 
einen  Vers  Melodie,  so  daß  alle  Verse  nach  einer  Melodie  gesungen 
werden,  dagegen  sind  die  Melodien  der  neueren  Lieder  fOr  ganze 
Strophen  komponiert,  viele  von  den  magyarischen  Liedern  genommen, 
oder  die  Melodie  eines  in  der  Schule  erlernten  Liedes  wird  auch  an- 
deren Liedern  angepaßt.  Aber  auch  der  Inhalt  der  neueren  lieder  ist 
meistens  frivol. 

Was  noch  bei  diesen  Liedern  von  Wichtigkeit  ist,  das  ist  ihre 
Sprache,  die  meistens  verschieden  ist  von  der  gewöhnlichen  Yulglr- 
sprache;  ja  selbst  bd  den  Leuten,  die  nie  einen  Satz  in  der  Literatur- 
sprache gelesen  haben,  kann  man  den  Einfluß  des  stokavischen  Dialekts 


'^}  Dieser  Vers  wiederholt  sich  als  Befrain  nach  jedem  anderen  Vera. 


BdtriSge  nur  serbokroatiflehen  Dialektologie.  31 1 

in  den  Liedern  konstatieren.  So  nur  in  den  Liedern  kommen  soldie  Worte 
wie  dioofka^  IfÄba^  mamie^  iedo^  maia  naw.  vor;  femer  sind  in  den 
Liedern  nnr  «  fttr  ;k  nnd  |,  dann  a  statt  des  e  flbr  die  Halbrokale  ftblieh, 
BO  X.  B.  rukoj  iutf  jabuka,  iuza  oder  taman,  darij  santk  usw.  Auf- 
fallend ist  anch  in  diesen  Liedern  die  Anwendung  der  besonderen  Form 
flbr  den  Vokativ,  wie  %.  B.  ustqf,  ustaj\  mlad-Miha{u  oder  tutq/  8naio 
sfuMca]  spavq/j  tpavajmaio  naia\  odizorja  aestro  naia  nsw.  Aneh 
die  Bildung  des  Fatoroms  ist  in  solehen  Liedern  meistens  mit  du,  cei 
nnd  nidit  mit  bodem  oder  bom  oder  mit  Prftsens  bei  den  perfektiven 
Verben  wie  z.  B./a  $q  k  t^bt  obrnoH  ne  6u\  onda  du  8^  k  tebi  obmoti; 
ano  df  tni  ^uba  biti\  ano  6^o  nafaUti  nsw. 

Einige  von  diesen  Liedern  sind  nach  der  lebenden  Tradition  über 
100  Jahre  schon  hier  bekannt 

Fflr  die  Geschichte  und  Entwickelang  der  Dialekte  ist  es  von  Wich- 
tigkeit, ob  die  Ansiedelung,  wo  ein  Dialekt  gesprochen  wird,  alt  oder 
neu  ist.  Was  die  Dörfer  der  Podravina  anbelangt,  so  sind  meistens  alle 
sehor  alt  Schon  ans  dem  Jahre  1201  (siehe  Starine  XXI S.  230)  ist  der 
Name  Zd^)a  ftberliefert  (Zdelia  »ad  rivnm  ZdeUa«,  noch  heute  so  genannt 
ein  Bach  in  IHije);  ob  in  derselben  Urkunde  »rivus  Hausta«  mit  heutigem 
Hotova  (potok)  und  >Cemoglawc  mit  »darova  glavica«  identisch  ist,  kön- 
nen wir  nicht  sagen.  Aus  dem  Jahre  1216  (Starine  XXI  S.  256 — 7) 
haben  wir  Oorbonuk  (das  heutige  Elostar)  mit  »ecclesia  s.  Adrianic. 
IMese  Kirche  findet  man  nicht  mehr,  aber  man  kann  noch  in  Klostar  den 
Ort  zeigen,  wo  einmal  diese  Kirche  stand,  jener  Teil  des  Dorfes  um  die 
Kirche  herum  heifit  »Oderianc.  Unter  demJahrel334  undl501  (Starine 
IV.  214)  stehen  im  Veneichnis  der  Kirchen  der  Agramer  Diözese  unter 
anderen  anch  Prodauiz,  Susicha,  Grabounok,  Molina  (1501),  Supancz, 
welchen  heute  Viije,  Gtjurgjevec,  Klostar,  Molve  entsprechen.  Ob  mit 
Supancz  das  heutige  2upanci  identisch  ist,  können  wir  nicht  sagen,  doch 
sehr  wahrscheinlich  ist  es,  obwohl  mit  diesem  Namen  heute  die  Wiesen 
genannt  werden.  Zum  ersten  Male  taucht  der  Name  »Yiriec  erst  im 
17.  Jahrhundert  aus  dem  Jahre  1622  (s.  Lopasid:  Spomenici  hrvat  kra- 
jine,  Acta  1884,  3  Bde)  auf,  »sed  fluvius  zdelia  ambit  castetium  Virie«. 
Gtjurgjevee  ist  nach  der  Kirche  des  heiligen  Georg  (in  den  üdnnden  der 
Mitttligrenze  gewöhnlich  Set  Georgen  genannt),  Klostar  nach  einem 
Kloater  benannt  Von  den  alten  Namen  hat  sich  nichts  erhalten.  Vixje 
ist  offizielle  Benennung  des  Ortes,  aber  bei  den  Bewohnern  wie  auch  in 
der  Umgebung  ist  sie  gar  nicht  flblich,  sondern  man  sagt  nur  Yiri  oder 


312  Fmi^FMbMT, 

bei  de»  giieidiieehH^rieiitoUsolMB  äto-epraeheni  Ylam.  Der  Bewelmer 
yo»  Yiije  iiemrt  sieh  Yiiofbo  und  als  A^jektiT  wird  viioftkt  gebnaeki; 
YlgeBski  iat  gindieli  imbekeani 

Die  Erklftrnng  der  gebrauohten  Zeiohen. 

Den  Vokal  a  in  den  langen  Silben,  wo  er  rieh  Nhon  dem  o  nähert, 
besMehnen  wir  mit  dem  Zeichen  BrUekes  a^  (Sieverg  a')  s.  B.  glSf^va^ 
iraPda,  Dae  a  ohne  ^  beaeiehneit  reines  a  (gleieh  dem  kolumaehen  a). 
Das  ä  beaeichnet  den  a-Lant  vor  einem  j\  wo  es  als  ein  breites  e  (^ 
dentsehem  ä)  ausgesprochen  wird,  z.  B.  daj\  kraj\  mlajü,  £ik^f. 

^Lante  haben  wir  folgende:  q  dn  breites  e  in  den  konen  Silben 
(Bricka  «^,  8iev«rs  m^)  z.  B.  i|ita,  «^/o,  tm^\  e  steht  gegenabear  ^  in  den 
langen  Silben,  ist  gleieh  dem  stokavischen  0:  iSn,  9ela  nsw. ;  e*  iat  Beflez 
des  akstarr.  iL  in  langen  Silben,  wird  als  ein  enges  sieh  dem  %  nlhemdes 
B  ansgesprodien,  s.  B.  ds^te^  le*pj  ste*na  nsw. ;  (r  ist  ^  enges  e  in  konea 
Silben,  als  Beflex  des  *!:.  z  ist  das  Zeichen  fbr  ein  sehr  redoziertes  e  in 
den  SnfBxsilben.  Beispi^e  Ar  das  ^  sind  ^a,  vlfra  naw. ;  fllr  das  «: 
ienbkj  petbh  nsw. 

Das  Zeichen  0  beaeieluiet  das  lange  oder  kurze  gesddossene  #;  das 
0  ist  gleieh  dem  stokayischen  0,  z.  B.  KdA  g.  N.  £^/i,  r^io,  täga^  «fso, 
iSAa  nsw.,  voda  —  v^de^  nfge  nsw. 

Das  u  beaeiehnet  den  gewöhnlichen  ii-Lant;  ü  den  sieh  dem  t^  wie 
nngefthr  das  denfsehe  il,  nahmnden  ti-Lani 

Von  den  Konsonanten  kennen  die  Dialekte  der  Podravina  keinen 
unterschied  zwischen  c  nnd  ö.  Koch  ein  besonderer  Laut  ist  ein  hartes 
dj  wie  ein  ü  ansgesprochen,  doch  nicht  als  zwei  Laute,  sondern  als  ein 
gerade  so  wie  c  nicht  ti  ist  Wir  werden  diesen  Laut  als  if^  beaeidhaen. 
Wir  gebrauchen  die  üblichen  BetonungszeiehoL:  das  Zeiohen  ""  drflekt 
eine  betonte  Ifittellange  ans.  Wo  wir  das  Zeichen  '  gebrauchen,  daoDut 
wollen  wir  keine  bestimmte  Betonung  ausdrttcken. 


Beltritge  xai  Berbokroatiachen  Dialektologie.  313 

DialektoIogiBohe  Karte.  . 


./ 


Is.  VokalismoB. 

Niflht  80  ^nüuh,  wie  in  dea  stokariaelieii  IXslektea  ist  der  Yokalis- 
mu  ia  aiMt«!  Dialektal,  is  wir  Her  für  eiaeo  jeden  Tokal,  aaS«r  i, 
mekrew  dnrch  veischiedetie  Einflflaae  huTorgvafeBe  Befleze  luben.  Tor 
albm  lut  auf  die  Entwiekelnng  d«r  Tt^ale  die  Betonnng  und  die  Qsan- 
titlt  gewirkt,  in  iw^sr  Beihe  aber  anoh  die  BtaUimg  der  Vokale  im  Worte 
uGbit,  n>  da&  man  bertckaioktigen  muß,  ob  ueh  ein  Tokal  in  «ner  ge- 
■fiÜMMaien  Silbe  iMfindet  oder  ix  einer  offenen. 

Dat  imn«  o&ne  o,  bei  welchem  der  Hnndkanal  mlB^  geflffliet  Meibt 


314  Fraajo  Fancev, 

und  die  Zunge  sieh  nicht  viel  ans  ihrer  Lage  entfernt  (Sievers  Phonetik* 
S.  81;  sein  a^),  kommt  zunächst  in  den  knrsen  Silben  (orsprttnglioh)  vor 
und  zwar  betont  oder  unbetont.  Seknndär  verlängertes  a,  welche  Yer- 
Ungernng  durch  die  Position  wie  auch  durch  den  Akzent  hervorgerufen 
sein  konnte,  erscheint  einersdts  als  reines  oflfenes  a,  anderseits  aber  auch 
als  ein  getrflbtes  geschlossenes  aP;  eine  bestimmte  Regel,  wann  es  als  a, 
wann  dagegen  als  a9  erscheint,  sind  wir  nicht  im  Stande  au&ustellen,  wie 
das  die  Beispiele  zeigen  werden.  Doch  die  Trübung  des  a  scheint  ge- 
wöhnlieh dort  einzutreffen,  wo  die  verlängerte  Silbe  in  den  Spradien  und 
Dialekten,  die  die  steigende  und  fallende  Intonation  unterscheiden,  die 
steigende  Intonation  aufweist;  dagegen  ist  diese  Trübung  seltener  in  den 
Fällen,  wo  die  Intonation  der  verlängerten  Silbe  eine  fallende  ist,  z.  B. 
a)  zuerst  in  den  kurzen  (betont  und  unbetont)  SUben:  £äia,  ktada^jor 
Säka  {jabukajf  jagdda  {jagodajj  pastöria  {p^tarka)\  Marica  (8ak.: 
Marica)^  kaJ^tHia  (5:  ka{Ma)j  ravnica  (5:  rawiica\  slaHna  (i,  Nema- 
niö:  «/a&tna),  siafina  (5.  Nem.:  starina)  usw. 

b)  a)  in  den  ohne  Position  gelangten  Silben,  die  im  stok.  und  im 
6ak.  Akzent  mit  reinem  offenen  a  haben:  blato  {bläto)y  mäsloy  jato^ 
jäale;  dläka^käpa^  mläka^Bäka^kaia^kahaypäiaj  «ro^a usw.,  ß)  durch 
die  Position:  larvbc  (iJänac-ldnca  Nem.  S.  20)  -länca^  magctrbc^  (S.  mdr 
garac  und  magärac^  mägarca  und  magirca  Nem.  49,  53)  "fnagärcaj 
posr&mc  (5.  posränac-po^änca  Nem.  53  und  posränäo-poiräncä  puer 
concacatuB)'  posranca^  so  auch  delavbc  (£.  Nem.  49  d^lavac-dälavca) 
-deläfca^  laßtvbc  (S.  Nem.  49  läjavac-läjavca)  -lajafca  usw. 

c)  In  den  Fällen  mit  sekundär  verlängertem  a  begegnet  auch  ein  ge- 
trabtes geschlossenes  a^,  wie  folgende  Beispiele  zeigen,  zuerst  a)  mit  dem 
*  Akzent  im  cak.  und  im  stokav.:  kraPsta  (6.  Nem.  S.  19  krä$ia  crusta; 
Scabies),  ma^bka  (S.  Nem.  22  mä6ka)\  JdPnica  (c.  Nem. '  Aniea  S.  34), 
lü^stavica  (stok. :  lastavica)  usw. 

ß)  in  der  Position:  8ta9rhc  (S.  Nem.  20:  stärao-  stdrca)  siaf^rca^ 
opä^i^k  [6,  Nem.  I.  52  opänak,  pL  opdnki  socci  g€nus)'Opä^nka  usw. 

Dieses  reine  offene  a  kommt  auch  statt  des  getrflbten  geseUossenen 
a^  der  langen  Silben  der  zweiten  Gruppe  (Virje),  in  der  ersten  (Koprivnica) 
und  in  der  dritten  (Klostar-Sesvete)  Gruppe,  dann  in  den  Übergangsdia- 
lekten Novigrad,  Gjurg|evee  und  Pitoma^a,  welche  kein  a9  kennen,  z.B. 
trava  Novigr.,  £^äj\  iqnam  Novigr.,  Gjurg|.,  Kai,  Budrov-Ferdin., 
Otrov.,  Elost,  Katal.,  Zdel.,  JabuS.,  Babot;  so  auch  majka  (Tige: 
mS9jkd\^  mlädi  (mlä^dt),  zäkäj  (zcfikäj)  usw.   Das  Fehlen  des  a^  in  ge- 


Beitrüge  nur  serbokroatiBehen  Dialektologie.  315 

Bannten  swei  Gruppen  setzen  wir  anf  die  stärkere  Beeinflussung  des  sto- 
karaohen  Vokalismns,  wie  aneh  sonst  in  diesen  Gruppen  stärkere  Be- 
einflussung seitens  des  stokaTischen  als  in  der  sweiten  Gruppe  zu  kon- 
statieren ist. 

Der  a^-L«nt,  bei  welchem  die  Zunge  in  derselben  Stellung  wie  beim 
a  bleibt,  nur  die  Mundwinkel  etwas,  doch  nicht  so  stark  wie  beim  Laute 
o,  zusammengcBOg^n  werden  (Sievers  Ph.^  101),  der  nur  in  zweiter  Gruppe 
begegnet,  erseheint  in  den  primftr  langen  Silben,  mochte  das  a  betont 
oder  unbetont  gewesen  sein,  und  in  den  sekundär  yerlfingerton  und  wie 
sehen  gesagt  worden  ist,  mehr  in  den  Fällen  mit  der  steigenden  Intona- 
tion als  in  jenen  mit  der  fallenden.  Etwas  dieser  Erscheinung  ähnliches 
findet  sich  auch  sonst  in  den  slav.  Dialekten,  ja  selbst  mit  dem  Obergange 
zum  o.  So  im  Polnischen.  Dann  auch  im  Dialekt  von  Lastovo  (Archiv 
f.  slav.PhiL  XVI.  S.  428),  also  im  Öakavischen;  und  unter  den  slov.  Dia- 
lekten im  Jaunthalerdiaiekte  (Kärnten).  Z.B.:  a)  in  langen  betonten  Silben: 
blSPgo  (i.  blägo Nem. n.  5,  stok. :  blägo\  zlä^tOj  vraPta\  rä^na  (e.  hräna 
Nem.n.  25),  maPjka^  Icfida  usw.,  ß)  in  langen  sonst  unbetonten  Silben: 
plä^ind  (5.  Nem.  n.  8  plaind)^  va^pno;  gläPva  (i.  Nem.  IL  29  gläm)^ 
stra^naj  irS?va  usw.  Auch  in  den  Fällen  wie  mdPjftca  (S.  mdjHca 
Nem.  n.  37),  AäV«;a,  bräydicüj  vä^änkay  lä^stavica  usw. 

In  sekundär  gelängten  Silben  unter  der  steigenden  Intonation,  wie 
die  Beispiele  zeigen:  im  Locat.,  Sing.,  Masc.  o-Stam.  fkcfim  (6ak.  Nem.  I. 
7.  cäsSäsCj  loc.  cäse)  -cäs^cäsa,  fgrä^Au  (neben  vgrähu  2ak.Nem.  1. 8 
gräk^dha^äheygrM-grMa,  dgrat-vogrä^du  [dgrad-dgrada  Nem.  I. 
30),  dbras'po  obra^zu^^  obraza  usw. 

Dritter  o-Laut,  welchen  alle  drei  Gruppen  kennen  und  welcher  in 
den  primär  kurzen,  durch  ein/  geschlossenen  Silben  steht,  wird  so  aus- 
gesprochen, daß  es  sich  dem  breiten  e  (ä,  a^)  Laute  nähert.  Bei  der  Bil- 
dung dieses  ä-Lautes  wird  die  Zunge  etwas  nach  vorwärts  bis  an  die 
ünterzähne  vorgeschoben  und  die  Mundwinkel  auseiandergezogen  (Sievers 
Phon.»  S.  86). 

Diese  Erscheinung  ist  verwandt  mit  dem  böhmischen  regressiven 
Umlaut  des  a,  vgl.  Tondrik  (Vergleich.  Grammatik  I  80). 

Beispiele:  Yiije:  däj-^äjiey  käu  säAäj)  häjkäti^  rdjH^  $ld^^ 
usw.,  so  auch  in  Mihojanac,  Molve,  oemovac;  Novigrad:  däj\  iäj;  Hle- 
Une:  dej{IboT.  z.  nar.  l^v.  i  ob.  I.  193);  Gjurgjevec:  däjtej  k^f;  Elo- 
star:  krSjcar^  cekäj)  käj\  däj\  Sesvete:  mläjiiy  däj;  Budrovec:  däjß 
{mij  usw. 


316  Faa^  FaBMT, 


Von  äea  kajkayiachen  IMaldcten,  die  uns  hsmte  beksnnt  usd, 
den  aP-iiwat  der  Dialekt  von  Medmnrnje  (sieh:  OblakNeato  o  medumirB!- 
kom  nure&j«  Zbom  L  8. 48-)  und  der  wn  Yanddin  (Va^avee:  PripimjeikB) 
z.  B.  mUdij  väpnOy  gläva,  kroal^  trinoajsU 

Der  o-Lant  ist  in  den  Dialekten  der  Podnmiia  meistens  ein  primlrer 
Vokal,  aber  nicht  selten  aneh  seknndftr  ala  Beiex  der  allUrcbensIay. 
Halbvokale,  deren  regelmäßiger  Vertreter  hiNr  ein  a-Lant  ist  Wo  wir 
hier  ein  a  fOr  die  altkircheaslay.  Halbvokale  haben,  ist  es  als  Einfloß  des 
stokaviaehen  Dialektes  zu  betrachten,  wdcher  in  den  Liedern  grftfier  ala 
in  der  gewOfanliohen  Umgangssprache  ist.  Die  gewöbnliehen  Bei^ele 
mit  dem  a  sind  folgende:  IdPf  (ükR'k),  baPst  (HkCTb),  tiPtt  (Tkrrk), 
laPS  (Ak3Kk),  opaPiMc  (onkH'kK'k),  paH  (nbiMi),  das  Snffix  -iPngtüo 
(kCTBO),  poldg?n  (A^Hk),  doch  nnr  de^.  Obwohl  in  allen  diesen  Be»- 
sfrieton  eine  Lftage  erscheint,  dürfen  wir  dennoch  nicht  daraos  den  Schiafi 
ziehm,  daß  hier  wegen  der  Linge  a  als  Reflex  des  sdiwaehen  Vokale 
gilt. 

In  den  Liedern  haben  wir  ein  a  statt  des  erwarteten  e\  Koprivniea 
\^^TX\l%y.dainas^lakunoc[\l%dobar(tecer](\ll)\  PitomaSa:i2oiar 
[fuecer)  (179);  Hlebine:  Iratac  (192),  tada(\^^).  Viije  (nach  unseren 
An&eichnnngen):  tamna  nocka^  ll^li  d&nak^  snaia  snaiiea  nsw. 

Das  a  filr  ein  AI  hat  man  in  jaöm^  (fannaii'ki,  hordeun),  &H-hc 
(^KAA-O,  Stimulus  aculeus),  yoJr^  (MkApO,  nndena). 

Das  a  fOr  dn  *t[  findet  sich  in  nä^dra  (HiSApo).  Nicht  auf  "k  ist 
das  a  in  oc  in  den  Adverbien  d^klac  (AOKOA*t[),  d^tlaS  (aotoaIe),  d^ 
vlacy  dQnlac  usw.  zurttckzufthren,  s<mdem  -o^  ist  eine  Neubildung  wie 
-«£,  aPr  in  kQdhk,  ovßdbk^  sigdSPr^  nigdaPr  (in  diesen  wiedw  a^mt  >> 
are  ^  ar  und  dann  mit  dem  Suffix  ar  wegen  der  Betonung  verweohael^. 

Anm. :  Ein  a  hört  man  in  Fremdwörtern  statt  au:  in  raPb^^  räfank^ 
rafanJie\  /äro/ (Schraube);  stattet:  ^ma^m  (gemein),  gmefinda  (Ge^ 
meinde),^ii  (fdn);  statt  äu:  fraPlot  (Fräulein);  statt  ä:  jaPgar  (JSger), 
lä^rma  (Lärm);  statt  e:  fatiti  (fehlen), /aft/s^a  (Fehlung);  iaitöment 
(Testament);  statt  er:  fdatar^  tlilar  usw. 

2)  Halbvokale  'k,  k.  Der  regelmäßige  Beflex  beider  Halbvolnto  ist 
in  der  ganzen  Podravina  (hier  kommt  in  Betradit  nur  j,ener  Teil,  von  dem 
hier  die  Bede  ist,  d,  L  von  Koprivnica  bis  PitomaSa)  ein  ««Ijant^  weLoher 
aber  nicht  mit  dem  etTmologischen  den  gleichen  VertLndeningen  nntsi- 
liegt,  d.  k  ohne  Unterschied  auf  Quantität  und  auf  Betonung,  ebenso  aaf 
Stellung  im  Worte,  im  Inlaute  wie  im  Auslaute.     Beispiele:   Inlaut: 


BeitrSge  anr  serbokroatisoheii  Dialektologie.  317 

Wmaeisilbe:  d^,  de^id  vnd  de*ic,  migla,  dhka,  sßHo,  m»fta,  b'itvo, 
pSaij  näioy  bSzg,  pi$;  gen&U^  zdehnitiyfsenSti  qbw.  Snficuilbe:  hier 
Ycxr  alkn  KonBoimteii  (außer  einem  r,  /,  n)  als  dn  sehr  reduieriei  e  («); 
wenn  dem  Halbvokale  in  der  Snffixsilbe  r,  /,  n  folgen,  so  werden  diese 
ab  Bonanten  ^,  |,  ^)  ansgesprochen,  z.  B. 

a)  dti^  (OTkHk),  Mmc  (KONkHk),  £&tbc  (KOTki^k),  ve^mc 
(K'fcfikHk);  gläAk  (rAA^ikK%]j pethk  (nAT'kK'k),  wethk  (cBAT*kK'k), 
lakbt  (ii^nckTk)  usw. 

ß}f^H  (nkKAk,ftrdasSkroat  iai^pbkhl (<Cpaiao)  Toranssetsen), 
so  do6f  . 

Im  Aofllante  sind  die  Halbvokale  anch  in  unseren  Dialekten  wie  auch 
sonst  in  sUvisohen  Sprachen  spnrlos  verioren  gegangen;  doeh  haben  wir 
auch  Beispiele,  wo  im  Anslante  die  Halbvokale  ersetst  sind,  z.  B.:  of 
(os*k),  on  (OH*k),  enia^reehend  den  stok.  ovc^]  onaj\  aber  anch  te^  (neben 
t)  n^e^  (OH'k)  (z.  B.  im  f  lagh/,  naP  i  hrhj\  ze  (ck  -«a:  ze  shni  -sa 
svimdjj  86  mirom  (fortwährend} ;  doch  Öfters  in  den  Kompositis  einer  Pri- 
position  mit  einem  Yerbnm,  z.  B.  odebräii  (odahrat%)y  zebräH  {izabrati), 
podeiffätij  xeigati  {saigaiij.  Wie  man  sieht,  wird  in  diesen  Fällen  der 
Halbvokal  durch  e  ersetzt^  wenn  das  Wort  mit  einer  Eonsonantengrappe 
anfibigt 

In  der  Wurzelsilbe  schwindet  der  Reflex  der  Halbvokale  zuerst  in 
bekannten  Fillen  wie  sdn-sna^  pUs^sa]  de^n^  de*ne  aber  do  dneva] 
dnevUy  dneeonij  dneti  usw.;  auch  solche  Fille  sollen  hier  erwähnt  wer- 
den wie  tml^  und  £imf,  knCica  neben  temniea  (Gefängnis);  anch  dot" 
mcfir  {do^tma-re,  Tklia  in  der  Bedeutung:  genug,  in  Halle  und  Fälle), 
gmSPziU  (r'kll'kS-).  hH  (pi^XCk  -rai)^  aber  lek  -kka  (AkrkK'k),  gda 
(nigdarvBW.  Kl^rAA),  vSzda  (BkCk^A  -^azda)]  hnS^rUti  [mhi  :  mhgj 
aber  namegndtijj  nagnäti  (aber  genSii :  ganuti)  usw. ;  der  Halbvokal 
worde  «ach  nicht  ersetzt  in:  hrpty  noft 

Ziemlich  oft  fällt  der  Halbvokal  ohne  Ersatz  in  den  Suffixsilben  auch 
in  Nom.  Sing,  aus,  wenn  vor  dem  Halbvokal  oder  besser  gesagt  vor  seinem 
Beflez  e  ('k)  ein  r,  l,  n  steht,  z.  B.  töriy  ndrc,  im&rc  (DrOse,  ilifezda)^ 
itvdrc  (Star,  iktorac)  ^rc  {kurac)^  iure  (eine  Art  Schflrse),  iv^c  (Wa- 
genschmiere), gvSrc  (ein  Getränk  von  Gewflrze),  zgdrc  (Wind  vom  Westen) ; 
zcTdlc  (Wind  vom  Osten),  mdlc  {tnohcy  Motte);  wir  haben  auch  stölc 
(stolae)j  kUlc  [kolac)  gdiört,  doch  gewöhnlicher  sind  stöhc^  k6hc\ 
Senk  (Schnabel  bdm  Weberstuhl),  trSno  (eine  Art  Speise  für  kleine  Kin- 
der) nnd  vielleicht  nodi  einige. 


318  Frai^'o  Fancer, 

Schon  im  XYI.  und  XYIL  J«lirhandert  findet  man  bei  den 
schreibenden  Schriftstellern  einige  Beispiele ,  meistens  immer  dieselben, 
die  als  Reflex  ein  a  statt  des  gewöhnlichen,  d.  i.  regelmäßigen  e  zdgen. 
Bei  Pergoaid  etwas  hftofiger  als  bei  Yramec,  so  bei  jenem  auch  in 
Snffixsilben  neben  ^ek^  -«e,  -en^  auch  cJc^  ac^  an\  auch  in  der  Wnnsel- 
silbe:  vasnicaj  maniey  loffljej  aber  anch  im  Auslaute  ta  (T'k),  preza^ 
va.  Vramec  hat  dan  (^i^Nk),  sedam^  dost  (in  Eronika],  laiuöij  6a$t 
(5  mal),  Ictg^je^  laiac  (3  mal),  dcian  (11. 7);  doch  aber  noch  *lieii€.  Auch 
in  den  kigkavischen  Urkunden  des  XYI.  Jahrhs.  ist  hie  und  da  ein  a  zu 
finden:  dan(lbSTPetnAeYtc)svedoca8toa]  ca«/,c2ana$ (1592 Nede|i8Se), 
aodacj  dan  (Sv.  Ivan  Zelina  1592)  usw.  Im  XYII.  Jahrh.  kommen  mit 
a  gewöhnlich  laz  (mit  aQen  Ableitungen),  cast;  doch  auch  noch  cest^ 
lezec,  test  Petretid  [lest  S.  52,  cest  98  usw). 

Aber  auch  in  den  Urkunden  aus  dem  XYII.  Jahrb.,  die  in  Podravina 
geschrieben  smd,  begegnen  hie  und  da  die  Formen  mit  a,  doch  e  bildet 
die  Regel,  so  z.  B.  Eopriynica  (1636  Starine  XXX  mankajuci  [menh') 
lahkOf  do  dan  danaini  aus  dem  Jahre  1644  (Starine  XXX  S.  6),  vzamii^ 
cast,  aus  Sigetec  (S.  1639,  Starine  XXX  S.  14)  kada^  aber  dem  a  gegen- 
über kommt  ein  e  viel  häufiger,  so  z.  B.:  vezdaj  nütarmemej  zacetekj 
ves,  dober^  dohodek  (1636);  preiestni  sem^  sedemsto  (1644);  sem,  da- 
hodek  (Sigetec  1639).   In  der  zweiten  sogar  auch  tork. 

Bei  den  heutigen  uns  bekannten  Dialekten ,  werden  die  Halbvokale 
gewöhnlich  durch  ein  e  ersetzt,  doch  gibt  es  auch  solche,  in  welchen  a 
Regel  bildet.  Zu  den  ersten  gehören  Dialekte  von  Medumurje  (Murinsel), 
Yarai^din,  Trebarjevo,  Stupnik;  hieher  auch  der  Dialekt  von  Prigoije,  in 
welchen  in  den  Wurzelsilben  ein  e  die  Halbvokale  ersetzt.  Zu  den  zweiten 
Prigoije  mit  der  Suffixsilbe,  Lokve  usw.  (A.M.jIyKi>flneHKoKaHKaBCRoe 
HapWe  SA.  der  Eiewer  Universität  HsBiCTifl  (1904  Dez.,  1905  März, 
April,  Mai)  und  darüber  Rezension  von  Prof.  Jagiö,  Archiv  f.  slav.  Ph. 
XXYHS.  578ff.). 

Hier  könnte  man  noch  erwähnen  f>un  (und  Ableitungen  wie  vune*, 
vum^sM^  doch  vnot^)  und  v^zhm\  doch  ist  hier  nicht  die  Rede  von  einer 
Entwickelung  des  Halbvokals  zu  u^  sondern  eher  von  einer  Yerwechselung 
mit  der  Präposition  Bik  (ou,  v)\  andere  Entwickelung  zeigt  stok.  von, 
vani^  wie  auch  böhm.  ven. 

3)  ^Laute.  Die  ^Laute,  als  Yertreter  des  etymolo^chen  e,  als 
Reflexe  der  akslav.  Halbvokale,  des  akslav.  1E  und  des  akslav.  Nasallautes 
A  sind  nicht  zu  einem  einheitlichen  «-Laute  geworden,  welcher  dann 


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Beitrüge  znr  serbokroatischen  Dialektologie.  3 1 9 

unter  gleichen  ümstSnden  gleiche  Yer&ndeningen  erleiden  würde,  sondern 
wir  mflssen  drei  Gmppen  unterscheiden,  das  etymologische  e  nnd  der 
Nasallant  A  bilden  die  erste,  die  Halbvokale  die  zweite  und  der  "k-Laut 
die  dritte  Omppe;  jede  von  diesen  drei  Gruppen  ergibt  unter  gleichen 
Umstftnden  ihre  besondere  Weiterentwickelung. 

Zuerst  die  Entwickelung  des  etymolog^chen  e  und  des  Nasallautes 
A.  Speziell  fflr  den  Dialekt  von  Viije  gilt  die  Begel:  das  etymologische 
e  und  der  Nasallaut  A  werden  in  den  kurzen  (betonten  wie  unbetonten) 
Silben  zu  einem  offenen,  sich  dem  a  nAhemden  ^  [ä,  e^  Brflcke,  e^  Sie- 
yers;  Siegers  Phon.^  S.  86],  dagegen  in  den  ursprünglich  langen  oder 
sekundir  yerlilngerten  Silben  wird  e  mehr  geschlossen  (etwa  wie  das  e 
im  sto-Dialekte)  ausgesprochen.  Yirje  gegenllber  stehen  alle  anderen 
Dialekte,  da  diese  auch  in  langen  Silben  den  Laut  zu  einem  offenen  ^ 
(«^)  werden  lassen.  Ojurgjevecs  Eigentttmlichkeit  ist  dagegen  darin,  daß 
dort  die  gewöhnliche  und  die  geschlossene  Aussprache  des  e  in  kurzen 
Silben  mehr  znr  Nachahmung  der  stokavischen  Aussprache  zu  sein 
scheint 

Beispiele:  Yirje:  9v^kir{svMar),  n(^bo{nSbo)^ffr4bhn^kr^mwi{ffrMSn, 
krhnin)^  sv^farva  (Sak:  svikrva  Nem.II  33),  al^^^na  (S.  aUzena  S.  33); 
unbet. :  p'^o  (perd  l,  1.  c  7],  s^lo  (i.  seid  1,  c.  7),  r^^to  (reietö  iak. 
Nem.  IL  15),  vrqt^no  (vretenb  L  c.  16),  t^lq  (stok.  Ule^  russ.  Tejti), 
rämq  (stok.  r&me\  pryfqtica  (stok.  pripelica\  mqs^cina  (5ak.  meaecina 
Nem.  n.  59)  usw. 

In  den  langen  Silben:  zu  «^/o,  jf^o,  plur.  sela^  pera;  ledy  med  (zu 
m|{20,  V^da)^  im  so  (stok.  m€8o\  vr^iena^  r^ieia^  ien  (Qen.  pL),  l^ne 
(gen.  Sing.),  trpe  (3  Plur.  Präs.)  usw. 

Neben  der  offenen  Aussprache  des  etymol.  e  und  des  Nasallautes  dk 
in  den  kurzen  Silben  wie  i^a;'Noy.,  zi^mlaj  s^4lo  El.,  t^^bi  Gjurgj.  usw. 
sollen  hier  Beispiele  mit  offener  Aussprache  in  langen  Silben  zitiert  wer- 
den; vgd^,  vel^  Novigr.,  n^cq  Sig.,  pghur^,  bgl^  Gjurgj.,  poit^ike^  pri- 
s^cij  kuTiko  s^l  tütiko  i^g  Kaiin.,  trpq  Ferd.,  m^u  Budrov.  usw. 

Der  e-Laut  als  Reflex  der  Halbvokale  hat  nie  eine  offene  Aussprache 
weder  in  kurzen  noch  in  langen  Silben,  sondern  in  Wurzelsilben  ist  die 
Aussprache,  ähnlich  jener  des  stokayischen  e.  Neben  dieser  geschlossenen 
Aussprache  kann  es  in  den  langen  Silben  auch  eine  andere  geschlossene 
Aussprache  haben,  die  sich  dem  t,  ebenso  wie  der  Reflex  des  akslay.  1E 
in  langen  Silben,  nähert. 

Beispiele:  Viije:  m&ffla^  pSk^j  m^a^  dUska;  sieblo  (5ak.  stäbU 


320  Fmjo  Funoer, 


N«D.  IL  8)  UBW.;  aber  de^^  deiic;  dS^shtj  -deg^k^  m^i  gpL,  fiSdb' 
(tittbk)j  sn^h  (»neha)  «w. 

In  imbetoiiteii  «oslantenden  CRIben  (Boflhntilfaeii)  wird  dar  Reflex  der 
HalbTokale  ab  ein  sehr  redunerter  Laiit,  wir  kömitn  ifai  Haflwokal  bob- 
neii,  gesprodieii. 

Beispiele:  Tikbk  (neben  hh-  Akr*kK-k),  sladhk  [tAAXkMrw\  wUghn 
(UkrAkN*k)  ihmn  (TkUkH-k),  Ithc  (oTki^k),  soibn\  Jemdricht  Hieb.; 
dohn  (AA*kXCkH*k)  B^.;  kanSihc  9ta?ru:  Midtw.;  jdtbc  (Babofti^  ZdeL, 
JabnS.) ;  vrSPbhCj  n^zhk  GoL,  cuchk  Ojnrgj  usw. 

Der  e^laaxt  als  Reflex  der  akaL  *K  kennt  im  IMaldkte  Ton  ^Vbje  mir 
geseblossene  Anaaprache.  X  wird  in  langen  Silben  wie  ein  enges  e,  das 
sieh  dem  t  nihert,  aosgesproehen;  das  ist  derselbe  Lant,  welchen  wir  im 
ICagyarisehen  mit  Akut  (4),  ebenso  im  Französisehai  (in  6t6)  oder  im 
Dentschen  im  Worte  Bee  hören.  In  knrsen  Silben  ist  der  Beflex  des  *t[ 
noeh  immer  ein  enger  Lant,  doch  nicht  so  ansgesproehen,  sondern  etwas 
reduziert. 

Beispiele:  a)Y]ije:  sne^g^  mle*koj9re*daj  be*iaii  usw.;  B^p^de*- 
lamj  $  ke*fn  Nov.,  cPm^ie^m  Dr&e.,  ce^la^  naie^  Hieb.,  cve*tj  re^c^ 
ftre^la  GoL,  vune\  ne^je  Molv.,  le^e\  $^no  Gjmgj.,  &pOj  dPte  Slost, 
de^läie  ZdeL,  de^te  poveUte  Jabul.  nsw. 

ß)  v^Uj  itCiga  [97ie^g)j  sl^ta^  mfffft',  cdv^j  drf;\  sos^  ^^-l 
fdvfkVoY.;  dfläü Big,;  or^h.dica^  ^to  GoL:  9^te,  syatiQyasQ.; 
dv4  J^k  Ferd. ;  Sov^k^  spov^  Klost ;  d^ca^  trp^ti  GM[>rovn. ,  nufda 
Bndrov.,  v^a  TA.  Balot.  nsw.  Pitomaia  kennt  aneh  e^  nnd  f^  so  mlS*iOj 
le^p;  aber  cot^k^  süsfd. 

Wie  schon  oben  gesagt,  der  Reflex  des  aksl.  iE  in  den  IMalekten 
Podravinas,  ist  ein  geschlossenes  e  {e^j  (),  darnach  gehOrt  dasEajkavische 
der  PodraTina  wie  anch  sonst  die  kaj-Diaiekte  der  ekavisehen  Zone  an. 
Doch  sporadisch  begegnen  einige  Bdspiele  mit  der  ikavischen  Ansspraehe. 
Das  sind  schon  bekannte  divqjha^  sinokoia  nnd  atiräti  nnd  iiiräii  neben 
steräti;  hierher  rechnen  wir  :  sim  (vesintj  mss.  c&itb),  pioüi  (nOTOA'fc), 
häj-g^idi  (-rOA'K))  pozütri  (-1E  loc.  8g.),  vlä^ni  (-1E)  nnd  -t  als  Easns- 
snfBx  im  loc.  Sing.  fem.  gen.  nnd  im  loc.  Plnr.  masc.  nnd  nentr.  gen., 
z.  B.  als  loc.  sing.  fem.  gen.  v  zem^*  —  v  zSmlij  v  roke*  —  v  roU^  f 
kopi^  — fkopi;  loc.  plnr.  masc.  et  nentr.  gen.  po  selP  — po  seU^  po 
pole*  —  po  polt;  pri  voU*  —  pri  voli,  kone*  —  k^ihi  usw.  Wie  man 
sieht,  ist  im  Anslante  t*  als  Reflex  des  akslav.  *k  intakt  geblieben,  wenn 
es  betont  ist,  dagegen  nnbetont  wird  es  zu  t  nnd  nicht  mehr  e*.    Daß 


Beitr&ge  zur  serbokroatiBchen  Dialektologie.  321 

dieses  i  als  eine  lanüiohe  Entwickelung  und  nicht  als  Analogiebildnng 
nach  den  weichen  Stämmen,  bei  welchen  ein  i  (h)  dem  "k  der  harten 
Stamme  entspricht,  au&nfassen  ist,  zeigt  nns  die  Geschichte  des  Eaj-Dia- 
lektes,  doch  darüber  ist  die  Rede  bei  den  Formen. 

Wir  müssen  die  Meinung  Lnkjanenkos  (S.  78)  zorflckweisen,  wenn  er 
sagt:  Bx  cinepHOH  h  cisepoBocTo^raoH  ^acTHXE  KpHaKeseipcoH  syn .... 
Oahh'l  pas'L  noHSJEHCTCfl  H  SA^cB  te :  liepa  (Zbr.  I — 1 7 5).  Die  ijekavischen 
Formen  (in  Zbr.  »hvala  lijepac  I.  175)  sind  in  Kopriynica  wie  auch  in  der 
ganzen  k^'kavischen  Umgebnng  nicht  üblich;  der  Verfasser  des  KaHKas- 
CKoe  napi^e  hat  selbst  sehen  können,  daß  die  Sprache  der  Lieder  (Zbor. 
L  176,  177)  ans  Koprivnicas  Vorstädten  (Banovac,  Bregi,  BreSanec,  Dn- 
bovec  und  HtGklinovec)  nicht  dieselbe  ist  mit  jener  in  den  in  Prosa  geschrie- 
benen Gesprächen,  während  jene  kajkavisch  ist  (z.  B.  ziiel^  vence^jeden^ 
üucem,  bratec  176,  zutra^  belam^  prelepa  177),  ist  diese  dagegen  ans- 
gesprochen  stokayische  Schriftsprache  (z.  B. :  izgubüi  stno  . . .  (statt  zgub,) 
u  (statt  V  oder  rti),  izailo  (statt  ziilo)  usw.  S.  174,  175. 

Was  das  kajkavische  der  früheren  Jahrhunderte  anbetrifft,  fiült  uns 
die  Sprache  des  XVL  Jahrhs.  auf.  Pergosiö  (Dekretum)  schreibt  y,  t,  te, 
ye  und  e;  Vramec  t^,  ee  und  e\  ebenso  kajkavisch  geschriebene  Urkun- 
den (Kukuljevid  Listine  hrvatske)  des  XVI.  Jahrhs.  weisen  y,  ye,  ie  und 
e  auf;  das  XVII.  Jahrh.  kann  nur  ein  e  aufweisen.  Unrichtig  ist,  wenn 
Lulganenko  sagt  (80) :  SaiiiHy  *t[  wh  HeyxapfleMux'B  cjiorax^  snyKOM'B 
e,  a  B%  YAapfleMBixx  >te<  h  >ee«  mo3kho  otm%thti>  wl  KanKaBn^HHi  no 
naMüTHHKaH'B  01  BTopoH  nojOBHHU  XVI-FO  B^Ka  usw.,  das  beruht  auf 
IfißTcrständnis  einer  Stelle  bei  Oblak  (Zbor.  I.  46)  ^Za  nenaglaieno  *t[ 
ima  Vramec  joi  e*.  Vramec  schreibt  loc.  sing,  von  telo:  teile ^  leite, 
tele  und  tiele]  $vet  (Ej*.),  sviet  (Post.),  let  gen. pl.  (Er.),  liet  gen. pl. (Post.) 
usw.  Ebensowenig  kann  man  das  für  die  Pergosiös  wie  auch  Sprache  der 
Urkunden  des  XVI.  Jahrhs.  behaupten. 

Ikavische  Formen,  ausgenommen  Pergosid,  bei  welchem  i-y  als  Re- 
flex des  akslay  *K  sehr  häufig,  doch  unregelmäßig  vorkommt,  so  daß  wir 
über  seine  Sprache  erst  dann  werden  sprechen  kennen,  wann  wir  etwas 
mehr  über  ihn  erfahren,  ob  er  wirklich  ein  geborener  Kaj-Sprecher  war, 
kommen  vor:  sinokofa  (5  mal  1585  Hiianovec  Euk.  Acta  er.)  neben 
senokoie  (1588  PetruseYCc),  divojka  (XVII.  Jahrh.  Habdeli<5,  ErajaSeyi<5 
usw.). 

In  den  Urkunden  des  XVIL  Jahrhs.,  die  auf  unserem  Sprachgebiete 
Bu  Stande  gekommen  sind,  herrschen  regelmäßig  die  ekayischen  Formen 

▲rehiT  Ar  •laTiieh«  PMlologi«.  XXIX.  21 


322  Franjo  Fancey, 

(wie  s.  B.  hehu^  imenicziu  (dat.  Bg.),  vremenUj  vreme,  let  (geii.pL,  1636), 
prepovedalj  letOy  nesu  (1644)  aas  Koprivnioa;  cloveka,  vernoga,  Ute 
(loc.  Bg.)  Sigetec  1639  (Starine  XXX).  Doch  dann  nnd  wann  anch  ika- 
visoh:  pinez  aber  aneh  penez  (1636),  sinokoie^  lisior  (1636  —  aber 
lestor  1644),  clovictvom,  pineza  ( 1 644).  Heute  sind  pinez,  clovictvo  mit 
ikavisoher  Form  nicht  bekannt  und  listor  (wie  auch  leetor)  flberhanpt 
nicht. 

Auch  die  flbrigen  heutigen  kigkavischen  Dialekte  weisen  nur  solche 
Reflexe  auf,  die  sich  aus  enger  Aussprache  des  e  erklftren  lassen,  so  Me- 
dumurje  in  den  kurzen  Silben  ein  (  (»«,  koje  sasvim  naginje  na  «<);  in 
langen  *ej\  cije  se  j  beide  samo  slaho  cuje,  ie  %  zatvoreno  e<  (Oblak 
1.  c.  46);  Varaidin  e  und  ej  nur  in  bejiati  und  seinen  Ableitungen;  Pri- 
gorje  regelmäßig  e  (Boä6  Rad  Bde.  115,  116,  118)  Trebaijevo  >e<  (ne 
mypoKoe  ^,  Lukjanenko  S.  78),  Stupnik  >«<,  Zagoije  >««,  in  LokTC 
(Strohal)  bildet  die  Regel  ei. 

5)  Nasallaute  a — ^.  Vom  A  war  schon  die  Rede.  Es  ergibt  immer 
ein  «,  welches  mit  dem  etymologischen  zusammengefallen  ist.  Hier  können 
wir  noch  einige  Formen  mit  scheinbarem  Rhinesmus  anfahren,  wie  rer^ 
dafi  se  [redati  se),  gengad  se  [gegati  se  —  trftge  gehen),  zhqhenkaii 
(jmd.  gewaltig  schlagen).  Ähnliche  Einschaltungen  finden  wir  in  kinüti 
[se\  glünpast  (glup),  tönpast  (tup),  kündrast,  kümbrast  {kudrav),  drön- 
caü  se  [u^endrocati  se  sich  rtltteln),  kl^past — klenpqf(ui  den  Füßen], 
pinphk  [pipa). 

Der  regelmäßige  Reflex  des  akslav.  Nasallautes  ^  ist  in  erster  und 
dritter  Gruppe  ein  u,  in  zweiter  ein  o,  welches  in  der  ersten  und  in  der 
dritten  mit  dem  etymologischen  u  und  in  der  zweiten  mit  dem  etymolo- 
gischen 0  zusammengefallen  ist  In  der  ersten  Gruppe  wird  dieses  u,  wie 
das  etymologische,  als  reiner  u-Laut,  wie  im  sto-Dialekte,  gesprochen, 
in  der  dritten  dagegen,  wo  etymologisches  u  als  ein  t^Laut  gesprochen 
wird,  wird  auch  dieses  u,  der  Reflex  des  Nasallautes  ;r,  so  ausgesprochen, 
dagegen  in  der  zweiten  Gruppe  als  o  und  g  (**o),  wie  das  etymolo^che  o. 

Beispiele:  I.  Gruppe:  büdu,  golub,  rüka  (Ropriv.),  klüp,  vügl  — 
vägliS,  vüghn  (aber  auch  bom,  bgdo,  dblok,  de^lajo]  Noyigr.;  su,  budi 
(aber  gosic  Zbor.  I.  215),  Hieb,  gitska,  i&ca,  güshk  (gen.  pL),  3.  PL 
Prfts.  -u,  Instr.  Sg.  a-Si  -um:  delaju,  ienum,  jednum  usw.  Bab. 
Zdel.  JabuS. 

U.  Gruppe:  roko  (acc.  sing.),  pgtom  (instr.  sing.),  znad^,  böte  usw. 
DrÄe;  bdte  Peter.;  toca,  -no  II.  CL,  vogl,  goska  Gotal.  Gola  (doch  hier 


Beitrüge  zur  serbokroatischen  Dialektologie.  323 

anch  mit  t«-Formen:  vüzej  vüzbk^  püty  8Üd)\  bodo,  gn^d,  potj  gbmdtij 
Teno  üsw.  Molve;  mQi^  vQzbk  s^pr^g^  ffosä^k]  aco.  sing,  -o,  3  PL  Prfts. 
-0  {idf,  pgvm^)  usw.  Virje,  Miholj.,  Semov.:  roka,  sös^dy  bddem  (Pete- 
ranec). 

m.  Gmppe:  klüpj  rübäca,  aoc.  sing,  -u  usw.  Elost. ;  güska^  Jen- 
püty  biidüj  ocüj  zaprüy  acc.  sing,  -ü  usw.  Ealin.  ^AiiFerdin.,  m^lü^  sii- 
sMa,  tniepüt  Bndrov.;  süd^parädu^  dojdu^  bude  usw.  GrabroT.,  zja- 
pitfrij  bumy  zuba  Eatal.,  zämui,  v  hizu  (aoc.),  &w  usw.  Pitom. 

In  Ojargjevec  kommt  o  neben  u^  beides  gleich  flblich.  Als  ich  diesen 
DniJismns  bemerkt  habe,  habe  ich  einige  hier  und  da  gefragt,  wie  er 
dieses  oder  jenes  Wort  spricht.  Einige  haben  mir  geantwortet,  nnr  »no/- 
prosteiU  sprechen  mit  o\  die  anderen  dagegen,  daß  nur  diejenigen  u- 
sprechen,  die  ^gospockU  sprechen  wollen.  Doch  diejenigen,  die  den 
>najpro8teiima€  das  o  gegeben  haben,  haben  selbst  hier  nnd  da  anch 
>o<  angewendet;  diese  umgekehrt  anch  das  ^gospocko*  u,  z.  B.  mit  o: 
oblgk,  bgd^j  dad?,  drkvo,  so,  gfska,  r§ka,  zobi]  mit  u:  detetinu  trävu^ 
acc.  sing,  püta,  tnütf,  rüke^  ju^  imq/u  nsw. 

In  Ealinovec,  wo  schon  regelmäßiger  Reflex  des  Nasallautes  x%  ein 
u  ist,  herrscht  bei  den  Verben  11.  Klasse  nur  o,  also  no  -h;k  und  nicht 
-AM,  z.  B.:  poforhotij  pophiol, 

6}  0.  Der  Laut  -o,  sei  es  primär  oder  sekundär,  d.  i.  als  Reflex  des 
akslav.  Nasallautes  ^  und  des  ^-Sonanten  in  der  zweiten  Gruppe,  ist 
unter  gleichen  umständen  denselben  Veränderungen  unterworfen.  In  den 
kurz  betonten  und  langen  unbetonten  Silben  wird  das  o  als  ein  offenes  o 
(o^  Sievers),  ungefähr  so  wie  im  sto- Dialekte  gesprochen;  dagegen  in 
kurzen  unbetonten,  wie  auch  in  langen  betonten,  als  ein  geschlossenes  ö 
(o^,  wie  franz.  seaü),  als  ob  man  am  Anfang  ein  sehr  kurzes  ^  hören  wflrde, 
ungefähr  wie  ^o. 

Beispiele:  für  o:  covfk^  voda\  toca,  vog^]  bdha,  jabdka;  oder 
göske^  sös^ida,  8oze\ 

für  Q  C*©):  vgde^  cgv^ka,  tgc^m^  bghe\  s^za,  v^ze,  kQra^  k^zansw, 

7)  |-Sonans.  Dieselbe  Entwickelung,  welche  der  Nasallaut  ;i^  zeigt, 
hat  auch  Sonans-/.  In  der  ersten  und  dritten  Gruppe  ist  ^-Sonans  zu  u 
geworden,  in  der  zweiten  dagegen  o  (o,  g-^o), 

Beispiele:  1.  Gmppe:  jabukuj  pun,  suza  Eopriv.,  büva-buha,  auza^ 
dug  Noyigr.;  jabuka^  suza^  sunce  Bab.,  Zdel.,  Jabui.; 

2.  Gruppe:  i^t^  v^k,  c^n,  boha,  vdHk,  ggtäti,  s^nce^  s^zoj  stQp^ 
iQcij  mocätijpdz^  dggacbk  usw.  Virje.,  d^zbn  Siget.;  Jaboka  Molv.;  zot^ 

21* 


324  Franjo  Fancey, 

conj  sonce^  odvojici  3  Big.  Präs.  (fenoht  werden}  Gotal.  Gol.  (aber  bMa] ; 
jabdkcj  sozoy  Vdha  Miholjan.  Semov. 

3.  Omppe:  jabükoj  suza,  büva  Ealin.,  jabüka  suza  Ferdinand.; 
jahüka  BndroY.,  j'abüia  Elolt, jäbuka  Orabrov.  In  Ojnrgjeveo  herrscht 
auch  hier  Dualismus,  neben  u  auch  o:  puno^  b^ja^  aber  auch  zoto^  $dza. 

Die  kajkavischen  Bchriftsteller  und  Urkunden  des  XYI.  und  XVn. 
Jahrhs.  zeigen  Dualismus  auch  in  der  Entwickelung  des  Nasallautes  Sk 
und  des  ^-Sonanten.  Perg08i<5  kennt  fDr  beide  nur  «,  ausgenommen  nur 
ein  Beispiel  mit  o  *na  moku  vre^€  (Dekret  ni  Kap.  20) ;  bei  Yramee 
gleich  üblich  kommt  u  neben  o  fOi  Xk  und  l  vor  {su  —  so^  bododemu  — 
buduüy  vuzu  —  z  voze^  po  potu  —  po  pute\  sonce^  soncen  —  sunce- 
noguy  isponi  —  napunete  usw.);  ebenso  die  Urkunden  (Kukuy.)  des 
XYI.  Jahrhs.  haben  o  neben  ti  (z.  B.  1585  HUanovec:  ztodecZj  zwcew 
usw.  in  dieser  nur  ti);  1587  Gredice:  sodec^  rokam^  acc.-o  und  u  (toibo- 
neveru\  1588  Petruse vec:  za  neku  tatbino^  pota  neben  puta^  ruka\ 
1589  Tmava:  rokah^  8U\  1592  NedeJisSe:  bodo6iy  v  to  sumo\  Sv.  Ivan 
Zelina  1595:  sodacj  budu^  ruku:  koreniko,  proinio  acc.  ffir  den  Nasal- 
laut Xk]  soncenoffa  (1585Hilanoyec);  dogovanie  (1589Tmava);  dogom^ 
soncenoga  (1592  Nede}isSe);  duzni^  duguvane  (1595  Sv.  Iv.  Zelina);  na 
puney  dtdeny  duguvaniem  (1598  Medumurje)  Air  den  ^-Sonanten.  Selbst 
aus  Jaska  1586  von  Tomo  Erdödj  >odwokly^  und  €odtooche<. 

Nasallaut  ^  und  |-Sonans  zeigen  nicht  gleiche  Entwickelung  in  den 
heutigen  kaj-Dialekten  (siehe  Lukjanenko),  so  während  Medumurje  (Oblak. 
8.  47,  49)  für  ^  nur  o  kennt,  hat  es  fttr  ^-Sonanten  in  betonten  Silben  u^ 
in  unbetonten  o,  YaraSdin  fOr  ^  t<  und  o,  ftlr  |  aber  ti,  viel  weniger  o ; 
Prigorje  (Roii6),  Trebarjevo  (»bm^cto  ^,  l,  ABjHeTCA  BCiOAy  ocoölih 
SByiTB,  cpeAHin  MesKAy  ><<«  n  »o««  Lukjan.  S.  70  u.  103)  und  Stupnik 
fdr  beide  (^  und  ^  denselben  Laut.  Lokve  und  Fu&ki  fflr  das  x^  regel- 
mäßig 0,  dagegen  fflr  l  der  erste  ou,  der  zweite  u  und  o. 

Die  Urkunden  d^s  XYII.  Jahrhs.  aus  Koprivnica  und  Sigetec,  wie 
auch  die  Schriftsteller  des  XYII.  Jahrhs.  (bei  Petretiö  nur  oborozen  und 
oroije  S.  41)  kennen  kein  Oj  sondern  nur  u  fflr  den  Nasallaut  ^  und  f&r 
^-Bonans;  z.  B.  1636  behu,  rukah^  cirkvu  naiUj  budtnH,  dugo]  1644: 
mar  hu  j  su^  vruciney  hodu,  dugovanje  (ausEoprivnica);  1639:  ^  hoöUj 
odluckaj  dulno  (Sigetec). 

Anmerkung  1 .  Auch  der  Dialekt  von  Yirje  kennt  einige  Beispiele 
mit  t^  fflr  ^  und  ^,  wie  auch  bei  ^  und  K  einige  mit  a.  Hierher  gehören 
m&ka  (M^Ka,  Pein),  grübo  (rpA^S'k,  in  der  Bedeutung  »sehrc),  tisuca 


BeitrSge  sor  serbokroatiAcben  Dialektologie.  325 

(neben  gewöhnlieheren  hi{ada  yoA  jezera^jezero)'^  aucb  können  wir  er- 
wähnen ^ohu^  necu  neben  ocem-necem]  in  einem  Liede  habe  ich  von 
meiner  Mutter  gehört  >idu  U  tijapomoci<  (2  mal;  sieh  *F(üilase  lepa 
Jana.)]  nur  in  ^r^ko^  (pcK^  1.  Sg.  Präs.),  pun^  napuniti.  Hier  sollen 
anch  drei  Beispiele  erwähnt  werden,  die  schon  im  Altkirchenslavischen 
Wechsel  zwischen  3k  und  oy  zeigen;  das  sind  sumläti-sümlif  (akslav. 
coYUkHlETH  nnd  c«UkH*t[TH  CA  Yondräk,  Aksl.  Oram.  1900  S.  74), 
mud'iti  (mj^ahth  nnd  MOVAMi^^f))  ng^iti  [HX^fi^WTH  und  ho^AHTH 
aber  nur  nüida), 

Anmerkung  2.  Hier  sollen  noch  zwei  Beispiele  ans  dem  Dialekte 
von  Viije  erwfthnt  werden,  welche  als  Reflex  des  ^-Sonantn  weder  u  noch 
e>,  sondern  ein  ^lu*  zeigen;  das  sind  Mt^äti  nnd  pluzäti.  klucäti  (KAk- 
uiaTH),  neben  welchem  anch  kucäti  (anch  kociti  an  der  Tflr  klopfen)  nnd 
kQcäti[%.  anfstoßen)  vorkommen,  hat  dieBedentnng  »worauf  klopfen«;  />/</- 
zäti  (ilA'KdaTH  [riA'kSKkpozJ  kriechen)  kennt  man  ausschließlich,  kein 
*puzati,  wie  auch  kein  *pozati  in  der  Bedeutung  »kriechen«,  man  hört 
aber  doch  opozn&ti  (stok.  opuznuti^  ausfallen) ;  und  in  derselben  Bedeu- 
tung *plazatt€.  Diese  Beispiele  glauben  wir  so  erklären  zu  können,  daß 
durch  die  Vermischung  des  klucäti — kucati,  plaziti—plazati — puzati 
die  Formen  klucati  und  pluzati  entstanden  sind. 

Anmerkung  3.  In  l^ica^  le^shc  (ein  1E  yoraussetzend,  vielleicht  sich 
an  AlkCk  Wald  anlehnend),  und  in  bestrica  (CkiCTpik)  in  der  Bedeutung 
»eine  Art  Zwetschke«  und  Ort  Marija  Besti^Ska  oder  B^trlca,  wo  das 
einstige  tj  in  galizianischer  Art  beinahe  wie  e  klingt. 

In  iulikoj  kulikoj  ovuKkoj  onuliko  kommt  u  statt  o  vor.  In  diesen 
Worten  kommt  u  statt  des  gesetzlichen  o  auch  bei  den  Schriftstellern  wie 
auch  in  den  Urkunden  des  XVII.  Jahrhs.  vor,  soEraja5evi6s  iuliko  (167), 
Jkuliko  (198);  Milovac  (Yorw.)  tulikuj  nekuliko  (7);  Habdeliö  tulikajX^ 
Udiko  2,  Uy  19,  kuliko  3,  8,  12  usw.;  in  der  Urkunde  aus  Eoprivnica 
(1636)  tuliko^  tul%kaj\  (1644)  nekuliko  (s.  Star.  XXX.  S.  6).  Bei  den 
Verben  VI.  Klasse  lautet  der  Infinitiv  regelmäßig  auf  -uvati  (statt  -ooaft*), 
wahrBcheinlich  unter  dem  Einfluß  des  Präsens. 

Anmerkung  4.  In  den  Fremdwörtern  hört  man  folgende  Verwechse- 
lungen: ir  und  ier  werden  zu  er^  wie  in  förma-fe^rmattj  degrade^rattj 
fnaie*rätij  trance^rätt,  pr^/^e^SVa^t  (protestieren) ;  pape^r^  tan/e%  span- 
cSV  usw.;  so  auch  be^rsa  (Äfr«a— Weinstein),  aber  nur  pasiir.  Noch 
haben  wir  e  in  tenta  (Tinte,  magy.  tenta)^  lem^na^  it^nge  (Stiege),  kH^n- 
kati  (klingen), /iran^a  (Vorhang);  pelati  (pigliare),    o  dem  a  gegen- 


326  Franjo  FaneeT, 

über:  faringa^  fgringäH  (Fahrang),  hölla  (Halbe),  drot  (Draht, 
magy.  (fro/);  taitom^t  i^eAUmeii%  fgndomqnt  (Fnndament);  gkgrät 
(acnrate);  o  dem  u  gegenüber:  i^a  (Schnnr),  fdstar  (Schuster), 
Möföti  (schnnpfen),  kronpe^r  (Grandbime);  u  gegenüber  dem  o:  truc- 
trucäti  (Trotz),  itük  (Stock  oder  eher  Stück?);  u  dem  au  gegenüber: 
lüff  {luk — -parhk — Lange),  durati  (danern  oder  eher  vielleicht  roma- 
nisch?). 

8)  t  (h  nnd  *ki)  nnd  u.  Vom  %  ist  in  keiner  Gmppe  was  zn  sagen; 
das  u  hat  in  erster  nnd  zweiter  Omppe  keine  weitere  Entwickelnng  er- 
lebt, in  der  dritten  dagegen,  wie  schon  gesagt,  wird  es  als  ein  geschlosse- 
nes ü  ausgesprochen. 

Beispiele:  rübäcüj  vücitelj  driigi,  sküva,  periüna^  9ünkü%\afQ.y 
zgübilj  küViko^  zaprüy  büdü  Ealinoy.,  zafalüjem^  kücijaSj  dühäna 
Klost.  usw. 

9)  2^Sonans.  Dieser  Laut  wird  in  unseren  allen  drei  Gruppen  ebenso 
wie  in  allen  serbokroatischen  Dialekten  ausgesprochen,  z.  B.  Aj^* (KpkBk), 
drta  (aP'KBO),  gegenüber  dre^vo  (aP^C^bo,  Baum — Holz)  usw. 

Ausnahme  von  dieser  Regel  bildet  clrkva-cirkv^ni  oder  ctrkveni 
(i^pkK*u),  richtiges  ri  sehen  wir  in  ikri^oPk  (Hut,  stok.  ikrjflk). 

Sekundärer  f-Sonans  hat  sich  in  cetpwjsty  ceij^deset  in  einheimi- 
schen, mfftaPl  (Viertel),  h^tcfii,  b^caus  (Wirt,  Wirtshaus)  in  fremden 
Wertem  entwickelt 

Anmerkung.  Hier  soll  noch  erwähnt  sein,  daß  in  den  Füllen,  wo 
in  den  auslautenden  Silben  im  Akslav.  ein  Konson.  +  p'k  (k)  oder  M^ 
(Ak)  steht,  sich  kein  sekundäres  e(i)-Laut  entwickelt  hat,  sondern  f  und  l 
mit  dem  vorangehenden  Konsonant  silbenbildend  ausgesprochen  werden, 
z.  B.  dMf  (Aosp'k),  mod^  (m;kaP'^)}  ^'^*T  (st^rp'k),  tipf  (sinpk 
Eber);  p^ikl  (nkKA'k  Hölle),  vözl  (^3Aik  Knoten),  r^k^  (pfKAHk),  mögl 
(uorA'k). 

b)  Vokalischer  Anlaut. 

Die  Vokale  werden  sehr  oft  im  Anlaute  des  Wortes  oder  einer  Silbe 
mity,  V  und  h  bedeckt,  weniger  in  der  gewöhnlichen  Umgangssprache 
als  in  den  Liedern  und  zwaij  und  v  kommen  in  einheimischen  und  h  in 
fremden  Wörtern  vor.  Das  j  steht  vor  a,  o  (im  Beispiele  Jendrina^ 
Jeva  auch  vor  e\  in  den  Liedern  auch  vor  u),  das  v  vor  u  und  o  (=^). 

Beispiele:  /:  Ja^na^  Jada^n(7>c)  (Adam),  Jantfn (Anton),y8f*<>;"8ca 
(oiac\  japhk'japa  (magy.  apa  Vater),  joko-j^H  (oko — Auge),y8^« 


BeitriLge  zur  serbokroatisohen  Dialektologie.  327 

{ogan  ¥QJiti\  jopho-jopica  {kS»)yjöle  [ule  ÖVjjjöct  [ocat  EsBig),  japa- 
ieAüjj'dsa, 

In  den  Idedem  auch  solche  Beispiele  wie  ju  statt  stok.  u  (hier  t?, 
vu\jod  statt  od^  jodgovoriyjobrni  statt  oimi^  Jonda  statt  onda,  usw. 

o:  vüsfje  (uiöej  öflhong  nnr  beim  Ofen),  vüho  {uho  Ohr),  vucitiy 
nä^vukj  vurica]  vdgl^  v&zl^  vfiej  vohaü  [3k\ATH)  riechen;  päeok 
(naü^Kik  pauk  Spane). 

h:  haiS^t  (älät  Werkzeug),  kärkui  (araX; Bogen  [Papier]),  hcfirija^ 
harap  [arap\  higa^  heg^ide-hegedaPi  asw. 

c)  Kontraktion. 

Wenn  auch  nicht  viele,  so  zeigt  der  Dialekt  Ton  Yirje  doch  einige 
Beispiele  neuerer  Eontraktion,  welche  weder  in  der  1.  und  3.  Omppe 
noch  in  der  ganzen  2.  bekannt  ist.  Allen  drei  Gruppen  ist  geläufig  go^ 
spcfi^ospoja).  InVlije  undMolve  ist  bekannt  Eontraktion  des  -q;'o  der 
Yerba  Y.  Klasse  1.  Or.  zu  a?  oder  a,  z.  B.  kopä^^puntä^y  deUä^  usw., 
ebenso  -y'o  der  Yerba  III.  KL  1.  Or.  wie  razm^y  statt  des  erwarteten 
kopajo  (3.  PL  Sing.  -aWT'k),  puntajoy  delajo\  razm^'o  (3.  PL  Präs. 
-*kMkT'k),  wie  es  in  anderen  Orten  wirklich  yorkommt,  so  Miho).,  Novigr., 
Ojurgj.  delajo  und  delaju^  razmeju  usw. ;  selbst  in  Yirje  habe  ich  zuvcto 
statt  zuvä^  (f&r  zuvaja^izuvaju)  gehört. 

Als  Kontraktion  des  eje  zu  i*  rechnen  wir  auch  Komparative-Adverbia 
wie  obilne*y  glasnPy  rane^  (Habdeli<5  hat  solche  Formen  wie  obüneje  10, 
glcumeje  55,  srecnfje  58  [sreine^)^  MUovac  sigurneje^  Magdalenid  hojaz" 
nej'e  usw.). 

d)  Abfall  der  auslautenden  Yokale. 

Dem  Abfall  der  auslautenden  Yokale  begegnen  wir  nur  bei  den  Ad- 
verbien. Die  gewöhnlichsten  Fälle  des  Abfalls  auslautender  Yokale  sind : 
ein  0  fUIt  in  solchen  Beispielen  ab  wie:  Juiky  ovak,  onak . . .,  kamy  tarn, 
sim  (vegitn)  . . . ;  dann  noch  in  praf  (=  adverb.  pravo)^  nek(-go).  Ein 
^  fiült  in  den  Beispielen  wie  k^ty  tQty  on^tj  ov^t,  sakQty  nik^t  usw. 
(akslav.  Ki^AlL  oder  k;ka^)  skroat  kuda  und  kudi)  ab;  das  ^  bleibt 
erhalten,  wenn  die  Partikel  -^(a)  oder  -A^r,  -karekar  angehängt  wird, 
z.  B.  kod^kj  sakodfky  usw.  oder  kod^kaVy  kod^kär^k,  'kodfkareka; 
ebenso  bleibt  das  o  in  den  vorerwähnten  Beispielen  vor  diesen  Partikeln 
erhalten,  z.  B.:  kamokary  tamokareka  usw.  Das  -a  fiült  auch  ab  z.  B. : 
sady  kad  (neben  gday  dann  in  zaba^dafy  zgQVy  zd^l  oder  odzg^  (hier 
wird  das  dz  als  ein  8,  «,  ausgesprochen  ),  ebenso  odzdol. 


328  Franjo  Fancev, 

In  den  Partikeln  -re  resp.  -A;a,  wenn  sie  im  AuBlante  stehen,  fallen 
"€  resp.  -a  ab;  sie  kehren  zurflck,  wenn  die  Partikel  redupliziert  werden, 
z.  B.:  köd^k,  kod^küTj  kod^karekar  oder  tamokar^  tamokarekj  -kuj 
"kar  oder  stgd^,  ntgdfr  nsw. 

IIa.  EonBonantLimtui. 

Zuerst  die  Konsonanten  im  Auslaute.  Die  stimmlosen  Konsonanten 
erleiden  im  Auslaute  keine  Yerftnderung;  die  stimmhaften  dagegen  wer- 
den nie  als  solche  ausgesprochen,  sondern  immer  stimmlos  und  zwar  g 
als  ein  aspiriertes  k^  d  2^A  t^v  alsy*,  ;^  als  i,  z  als  «,  d  als  c,  id  als  lo, 
z.  B. :  bog  —  bQk^  sijed  —  se%  zuh  —  z^p,  lov  —  /^,  muz  —  mgi^ 
knez  —  knes^  hred  —  Ärcc,  daid  —  *dezd  (gen.  sg.  deida)  —  d^Sc, 

Die  stimmhaften  Konsonanten  werden  auch  in  den  Konsonanten- 
gruppen, wenn  der  zweite  Konsonant  ein  stimmloser  ^,  kj  />,  /,  s  und  vor 
c  und  c,  stimmlos  ausgesprochen,  z.B.:  fkaniü^  fücbn^  optoziti,  apsa^ 
dttij  potk3y\ricka  {rid)y  moskt^  otpovedäti^  röphc^  opftti  usw.  Man 
spricht:  otpdpa^pret  cgv^kom  usw. 

Demgegenüber  steht  die  umgekehrte  Erscheinung,  daß  in  einer  Kon- 
sonantengruppe, wo  an  erster  Stelle  ein  stimmloser  und  an  zweiter  ein 
stimmhafter  Konsonant  ist,  der  erste  stimmhaft  ist.  Dasselbe  gilt  auch 
von  den  Präpositionen,  wie  auch  überhaupt,  wenn  ein  Wort  mit  einem 
stimmlosen  Konsonanten  endet  und  das  nächste  mit  einem  stimmhaften 
anfängt,  so  wird  auch  der  stinmüose  stimmhaft.  Auch  ein  stimmhafter 
Konsonant  im  Anlaute  des  folgenden  Wortes  stellt  die  stimmhafte  Aus- 
sprache eines  auslautenden  stimmlosen  Konsonanten  her,  welcher,  wenn 
auch  etymologisch  stimmhaft,  wenn  das  Wort  selbständig  gesprochen 
wird,  nur  stimmlos  lautet,  z.  B. :  gda  (K^kA^)»  g  bogu  [k  bogu)^  bog  daP 
gesprochen  bo-gddfl)  usw.  Besonders  ist  zu  erwähnen,  daß  der  c-Laut 
vor  stimmhaften  Konsonanten  als  dz  (3)  ausgesprochen  wird,  z.  B.  otbc^ 
bok  {ottr^zbok). 

Hier  können  wir  noch  erwähnen,  daß  -7»-  vor  dem  tönenden  -b  zu 
-m^,  also  n-&  wie  auch  nb  zu  mb  [m-b)  wird,  z.  B.:  meniü-se  (sprechen 
miteinander)  —  ^menF-ba  >  memba^  brä^niti  —  ^obran-ba  >  obramba 
{»Podobrambo  tvoj'o^  ein  Marien-Gebet)  usw.;  oder  solche:  hvc^en  bog 
statt /a/en  bog  wird  zafdlem  bog,  und  statt  za  pet  ran  boiP  wird  za 
petrcfim  boz^  gesprochen. 

Die  Sibilanten  8  und  z  werden  yor  den  Palatalen  c  (c  und  d),  i,  I,  n 
zu  den  entsprechenden  Palatalen,  also  suis^z  zu  z,  mit  Berücksichtigung 


Beitrüge  zur  serbokroatiechen  Dialektologie.  329 

der  erwähnten  Regel,  d.  h.  i  vor  den  tönenden  Zj  n  wird  selbst  zn  i  und 
beide  i  yerschmelzen  in  eins,  dagegen  tönendes  i  vor  i,  c  wird  tonlos, 
z.  B.  8  ceifuij  i  (z)  cov^^ka,  ialtv^m  (s^ialivom  Hirtenflöte),  i  liPm,  z 
^ffa  (*A  ne^mj  *z  i^egci)^  'z^fm  {*s  ienQm\  ^iahe  (=  z  zale)  nsw. 

1.  Dentale  d  nnd  t. 

Was  die  Qmppe  d'\-j\  t-\-j  anbelangt,  so  stimmen  die  Dialekte 
der  Podravina  diesbessflglich  mit  den  Stokavischen  Dialekten,  n&mlich  ihr 
regelmäßiger  Reflex  ist  d  nnd  c  (identisch  mit  dem  etymologischen  c—h) 
z.  B. :  pr^doj  niqda^  rodaPk,  iuäj  pogoden  nsw. ;  sr^a^  svPca. 

Knr  einige  Beispiele  haben  auch  j  statt  des  d  wie  vojke  [t>odice^ 
Zflgel),  nazdfij\  dann  mlajii^  slajSi^  räjii^  giäj'^i;  nicht  hierher  gehören 

•  ■  , 

die  FäUe  wie  pPem^  ^icfi^em^  dökem  nsw.  gegenüber  stok.  podem  nsw., 
sondern  diese  Formen  sind  vom  Infinitiv  *poji%y  ndfijtij  döjli  nsw.  zu 
erklären. 

Die  Gruppe  d  +j  zeigt  schon  im  XVI.  Jahrh.  in  der  Sprache  Pergosic 
nnd  Yramec  für  das  Eajkavische  gleich  üblich  d  und/,  im  XVU.  Jahrh. 
schon  äußerst  selten/,  sondern  gewöhnlich  d.  Auch  die  heutigen  kaj- 
kavischen  Dialekte  zeigen  nicht  einen  einheitlichen  Reflex,  sondern  die 
einen  ausschließlich  cf,  die  anderen  ausschließlich  /,  und  in  der  Mitte 
stehen  solche  mit  beiden  Reflexen/  und  d]  gegen  die  Sakavisch-sloveni- 
sehe  Grenze  überwiegt  das/,  gegen  die  stokarische  Sprachgrenze  das  d. 
Obwohl  man  heute  nicht  mehr  als  Hauptmerkmal  zur  Scheidung  des  Sa- 
kavischen  Dialektes  vom  stokavischen  das/  annehmen  kann,  sondern  als 
Gemeingut  der  ganzen  serbokroatischen  Sprache  (Divkovic  takoje,  tuj'i, 
meu  {meju)j  Re]koyi(5  takojer  und  noch  heutzutage  überall  bekannt  go- 
spoja)  doch  von  der  urslav.  Gruppe  d+j  hat  der  Westen  das  explosive 
j  nnd  der  Osten  die  Affricata  d  vorgezogen. 

Wichtig,  um  erwähnt  zu  werden,  sind  die  Formen  wie  Jec—j6cte 
^jed — *jedte:  lt}KAi^ — MAMT^)  nnd/?8f?fc— ^oü^cte  (*poved — *po- 
vedte:  RlEHCAfc^ — BlEAHTi),  wo  nach  der  2.  Person  Singul.  auch  die  2. 
Plural,  gebildet  ist.  Diese  zwei  Formen  kommen  auch  noch  in  Pitoma6a, 
dem  äußersten  Punkte  des  Eajdialektes  vor. 

Auch  begegnen  einige  Beispiele,  bei  welchen  die  Entpalatalisation 
eingetreten  ist,  welche  auch  überall  in  Podravina  bekannt  sind,  wie  mlad 
(Neumond,  vgl.  sloven.  fnlaj\  med  (fOr  medu). 

Die  sekundäre  Gruppe  t+j  und  (/+/  (entstanden  durch  den  Aus- 
fall des  Halbvokals)  geht  nicht  in  c  und  d  über,  sondern  bleibt  unver- 


330  Franjo  Faneev, 

ändert,  also  als  ^'nnd  dj\  wie  die  folgenden  Beispiele  zeigen:  czeije^ 
prQtje  (I.,  ni.  Gruppe  prutje\  la^e  (Pitom.  lafje)^  zä^n^tje^  sadje  (tob 
sad  Pflanzung),  mladje  (ron  mldPd^  junge  Bäume],  oder  Instr.  Sing,  der 
f-Stämme  wie  smrtj^m^  spot^dj^m  (von  spov^  oonfessio);  doch  bildet 
eine  Ausnahme  la^da  (von  ladja,  AaAHH,  russisch  Ä^ho). 

Geigenllber  dem  akslay.  TpfTkH,  dem  das  Stokav.  treci  entspricht, 
wo  auch  eine  sekundii«  Gmppe  tf  nach  dem  Ausfall  des  Halbvokale  k 
entstanden  ist,  kennt  der  Dialekt  Ton  Ylije  trUij  irMa,  trete  und  irgfÜ^ 
ire/tüy  trS/te,  PitomaSa  nur  treti,  treta^  trete,  dagegen  Oola  nur  trejti, 
tretjQy  tr^'fje,  Hlebine  dagegen  tretjiy  tretja  (Zbor.  I.  191,  192). 

Was  von  der  Gruppe  (;' und  <(;*  gilt,  dasselbe  gilt  auch  von  der  Gruppe 
stj  und  zdj\  nämlich  wenn  sie  primär  ist,  so  gehen  ^tj  und  zdj  zu  ic 
(=  SS^  und  id^  Aber;  dagegen  in  sekundärer  Stellung  bleiben  sie  un- 
Terändert,  z.  B.:  Iricen,  zagvozdHn  aber  kostje^  breetje  (yon  hr^et 
Ulmenbaum),  Instr.  müoetj^m,  kreposlj^m ;  grQzdje  (Viije,Gola,  Pitom.). 

Entsprechend  der  Assimilation  der  Gruppen  tn,  dn  und  Ü,  dl  (siehe 
Yondräk,  Vergleich.  Gram.  I.  S.  279)  sind  analog  gebildet:  jen  (nur  in 
jenpoty  sonst  nxa  Jed^n),  jena^jeno,  fjena  und  tje^n  Gen.  pL  (von 
fjed^n  Woche)  Virje,  Jena,  jeno,  Jen  put  Pitom.  usw. 

In  tmica  läßt  der  Dialekt  von  Virje  das  t  zu  k  werden,  kniica,  knii" 
cerij  aber  nur  tml^n  neben  termn\  ebenfalls  in  Gola  und  in  Pitoma^ 
kmicüj  kmicno. 

2.  Gutturale  k^  g,  h. 

Abgesehen  von  dem  uralten  zweifachen  Wandel,  den  die  Gutturalen 
im  Slavischen  erlitten  haben,  nämlich  entweder  in  c,  i,  i  oder  in  c,  dz-z^ 
8  in  den  Wurzelsilben,  wie  z.  B. :  cesati — ko$a  (kämmen — Haar),  ielezo 
(Eisen),  srhiem  (Homiß)  <  spseni  (>  sichern)  oder  cina  (Preis),  zilo 
(vehementer),  haben  die  Dialekte  von  Podravina  die  Assibilation  der 
Gutturalen  aufgegeben,  in  der  Deklination  Nom.  Plur  der  männlichen  o- 
Stämme,  Loc.  Plur.  der  o-Stämme  überhaupt,  dann  in  Dat.  Loc.  Sing,  der 
a-Stämme  und  in  den  1:-Easus  der  pronominalen  Deklination;  bei  den 
Verben  LEI.  4.  Gr.  tritt  statt  der  erwarteten  Assibilation  die  Palatalisa- 
tion  nach  der  Analogie  der  anderen  Formen  ein. 

Z.  B.  Nom.  PL  masc.  o-St.:  kurjä^ki,  vQki  (Wölfe),  r^gi  (Hom), 
dühi  (Geister);  loc.  PL  o-St.:  cgveke^  (süOB'ki^'kj^'k),  roge^  (po3t)fk), 
dühle^  (AOYC'KY'K);  dat.  loc.  sing.  a-St.:  r^ki  (aber  auch  rohe^  loc  sg., 
p^i^lK),  n^^t  (oder  auch  noge\  HOSlc),  mMi  (uoyct:);  ^Kasus  der 


BeitrSge  zur  BerbokroatiBclieii  Dialektologie.  33 1 

pronomin.  DekL  ie^m  (iBStr.  sing.  lil*Ktlk),  tulikVm^  kuHX^'{hdiky'o), 
druff^mi  usw.  (akalav.  TOAHi^'ktlk  tantus,  KOAHU*K]|pk  qnantos  usw.). 
In  der  Eonjngation  Imperat  L  El.  4.  Gr.;  r^ci — rqcite^  p^ci—pqc^te^ 
itrÜi^  iiri£^tej  pffmozi—pifmdrtj  p^m^S^te—p^mifr^te  ubw.  (akslav. 

pkUHy  nki^H,  nki4*KTf,  U03H,  uoa'kTf). 

Die  assibilierton  Formen  im  Imperatiiy  habe  ich  in  einem  alten  Qebete 
gehOrty  welches  wohl  anch  in  Gebetbüchern  zu  finden  ist  Anfangsworte 
sind  >Pod  obrambo  tvojo  pobeiimo,  sreta  mati  boiac ;  im  dem  Gebete 
kommen  die  Formen  >ne  odvrzi  nas«  und  >nego  ....  nas  pomozic  yor. 

Palatalisierte  neben  den  nichtpalatalisierten  Formen  beg^;nen  bei 
einigen  Imperativen  von  dem  EomparatiYsuf&x  e^ii^  wie  z.  B.  kr^p^k 
(Kp'tsn'kKlk),  im  Eompar.  kr§pce*ii  und  kr^pke^H  (iak.:  krepcSji  Nem. 
in  54  firmior),  globok:  glgboce^ü  und  globgke^H  (neben  glopit^  iak« 
dibociß  1.  c.  profundior]  u.  a. ;  aber  nur  suhe^H^  gluhPii  u.  a. 

Gruppe  sk^  zg.  Wo  die  Gutturalen  k^g  mCyi  übergehen,  dort  wird 
anch  ßk^  zg  aus  *sc^  *zz  durch  Assimilation  zu  icy  ii^  weiter  zu  iti^  i(H. 
Für  das  Urslavische  setzen  wir  also  ifh  und  id'i  voraus,  und  von  diesen 
ifi^  icPi  können  wir  alle  Reflexe  in  slavischen  Sprachen  erkllbren.  Im 
Akaiav.  wurde  ifi^  zd^z  zu  if  und  i(f  vereinfacht.  Das  Serbokroatische 
(sto-Dialekt)  zeigt  dieselbe  Entwickelung,  nur  daß  es  kein  weiches  t\  d^ 
kennt.  Die  kigkavischen  Dialekte  der  Podravina  sind  bei  der  Aussprache 
der  palatalisierten  sk^  zg  als  ifi  [ic)  und  id^  geblieben.  Die  Aussprache 
ic  kennen  alle  kajkavischen  Dialekte  (siehe  Lukjanenko  Eiew.  YHHBepcBT. 
HsBtcTifl  1905  Mart.  S.  141);  nur  der  Dialekt  von  Prigorje  h&t  ein  i,  was 
Oblak  (Archiv  f.  sl.  Ph.  XVII.  S.  288)  als  eine  Assimilation  von  U  über 
i6  zai  erklärt 

Beispiele:  de^ic  (A'kJKAk,  Begen),  gen.  deid^a,  mgzd^äm  (von 
Il03rk,  Hirn),  brizdraii  (iterat.  zu  brizgati,  spritzen);  Ücem  (von 
iskatiy  suchen),  trV&ce  (zu  treska,  Splitter),  Suffix  •ticejjogMicej  gra- 
dlice  usw. 

Sonstige  Veränderungen  von  Gutturalen.  Das  k  geht  (über  h)  vor 
dem  ^  in  i  über  in  einigen  wenigen  Beispielen,  wie:  ito  (KlkTo:  hto  ]> 
iio)^  so  auch  riUce^  nMce^  deren  ce  äkrabec  Aui*mhtze,  *nehtze  zurück- 
führen möchte;  in  scibe  (Yirje)  ist  vielleicht  durch  die  Annäherung  an  sakt 
(RkcaKik  quivus)  s  ausgefallen;  in  Gola  spricht  man  aber  saice.  Ebenso 
ifili-^iiel  (von  y^kTtSTH — jfOTtTH,  wollen). 

Sehr  verschiedene  Entwickelung  zeigt  in  den  Dialekten  der  Podra- 
vina das  h.  Yor  allem  ist  zu  erwähnen,  daß  sie  alle  den  etymologischen 


332  Frai\jo  FaneeT, 

A-Lant  im  An-,  In-  and  Auslante  gut  kennen,  doch  in  allen  diesen  Stellnn- 
gen  iflt  er  auch  den  Yeränderongen  unterworfen.   Zuerst  im  Anlaute. 

Im  Anlaute  fiUlt  das  h  vor  dem  r  und  /  gewöhnlich  ab;  diese  Regel 
ist  allen  Dialekten  Podravinas  gemeinschaftlich;  nur  einige  lassen  das  h 
auch  sonst  abfallen:  rä^niti  (Aront^*  nfthren),  ra^st  (/<ra«^ Eiche),  räpqf 
(hrapav  heiser),  rä^kati—räf^ckati  (hrakati  ausspucken) ;  lä^d  (A/a^8ohat- 
ten),  luce  (A/a^^  Hosen),  l^b  [hieb  in  der  Bedeutung  Laib  Brot),  ladlefina 
[hladetina  Sülze)  usw.;  "iia^  iga  (hiza^  higa  in  Virje)  Novigr.,  intöf 
(Atn^^/ Yirje)  EloStar;  oie  {l&ie  und  ote  in  Virje)  Katalena,  üada  [hin 
\ada  Virje)  KalinoY.,  po  iiaj  [po  hizä^j  Virje)  Zdelice  usw.  In  hrpa 
(Haufe)  geht  das  h  in  v  über  und  lautet  vrpa — vrpicß  (Viije),  hv  in 
hvaliti  und  in  hvatati  ergibt y,  so  haben  wa  fötlti^  faß^la^  faiaii^  fcfit 
{hvat  Klafter),  zqfalüjem  (EloSt.). 

Im  Inlaute  und  im  Auslaute  bleibt  das  h  entweder  unverftndert  oder 
einerseits  wird  es  zaj]  anderseits  zu  t?,  oder  es  fällt  gänzlich  ab,  z.  B.: 
a)  unverändert  düh^  /crüh,  ffre^h,  prä^h\  rliho^  vühoy  müka^  strdhaxi&w. 
(Viije);  podsnehala  (Zbor.  I.  172),  greha  (253),  cehaju  (307)  Eopriy., 
duhana  (Elost.),  ifdhove^ifi  hiiam  (Ealin.);  ß)  zaj:  nij^f^  Mi/olanci 
(statt  Miholanci),  drej\  smei/a  (g.  sg.  von  smeh  und  sme/j^  loc.  plur.  o- 
Stämme-a;'(-acA%):  2ö»5^',3foft?a^'usw.  (Virje,  Molve,§emov.);  -^^'(-acÄ*) 
und  ej:  dr^\  sfiw\/a  (Novigr.),  or^'  (Klost.),  na  livadaj  {livadachi}^  orej\ 
orejof  (Fitom.);f  knigäj  (Buöiov.);  büja  (fttr  buha),  na  Jfo/eq;' (Ojur- 
gjev.) usw. ;  y)zuv:  X&iuf-^a  (koiuh Pelz), prisluvaPväii  [prültihavatt)^ 
duva  (neben  duhä)^  rüvo  (neben  ruho  vestitus)  usw.  (Viije);  büoa^  vüvo 
(Novigr.),  sküva  (=  skuha)  (Gjurgj.),  büva  (Kaiin.). 

Daß  wir  in  den  FiUlen  wie  Loc.  Plur.  der  o-St.,  dann  Gen.  Loc.  PI. 
pronom.  adjek.  Deklination  mit  ihren  e*  {-'^X'^f  A^l4'fc]|f'k,T'k)flk)  statt 
des  erwarteten  -e^j  (wie  q/'zu  AJif'k)  nicht  etwa  den  Abfall  des  auslauten- 
den -A,  sondern  eine  Verschmelzung  des  e*  mit  dem/,  vor  sich  haben, 
zeigen  auch  die  Beispiele  wie  stne^j  ffre*  (neben  sme];)  ffre*h). 

[3.  Labiale  p,  6,  v,  f,  m. 

Die  Lautgruppen  p  +y,  b  -f-y,  v  +/  und  m  -\-j  (primftr  und  se- 
kundär) gehen  in  p^ — pl,  b^ — W,  f?| — vi,  ml — ml  über,  z.B.  irplavin 
(der  viel  ertragen  kann),  J^ple  (von  krpa  Fleck,  Lappen) ;  ilble  (von  kiba 
Rute),  vrble  (von  vrba  Weide),  nadrgbleno  [drobtti  brOckeln);  drevle 
(von  c^r^o  Baum-Holz),  zdrä^vle  (aber  zdraofice  und  zdrav(ice  Gesund- 
heit), blagosTdvlen  (gesegnet),  rlvlem  [rivati  stoßen);   zqm^a  (Erde), 


BeitriSge  zur  serbokroatiBcheii  Dialektologie.  333 

fffm^e  {zaffrm  Gebttseh),  möm^a^t  (mnnneln),  seihst  klöplä^m  (yonkl^p), 
cevlä^j[ron  ce*v)  usw.;  aber  zä^bji  vüfbc  (von  iaba  Kaulquappe)  und  mrar- 
Rnak  (vom  mravRce  neben  mravlice  (Ameise — Ameisenbanfen);  hier 
können  wir  noch  erwähnen  l  statt  l  in  plutäti^  phtn&ti^  pluckati\  plu- 
va^cnica  (pluvati,  nAksaTH  —  haioh^th  speien],  pluskätty  plu8ndti\ 
plüsia  (ple^i-ohrfeigen),  hluväti  (brechen).  Dieses  Schwanken  zeigt 
schon  das  Akslav.  in  RAioiUTa  (ans  *pljufja)  und  nAcyiiiTA  mit  den 
Reflexen  beider  Formen  in  den  slav.  Sprachen,  poln.  piuca^  dagegen 
bOhm. plice.  In  Gjnrgjev.  haben  wir  zemla  und  zem^a  gehört;  in  Zbor. I. 
finden  wir  sablu  (176),  hobliAe  (206),  zemlu,  zdravlu  (181 — 2)  Pitom., 
spravlalij  zemle  (192),  aber  anch  sablami  (193)  nnd  zdravja  (216). 

Sonstige  Verändemngen  bei  Labialen.  Das  v  fült  im  Anlaute  vor 
dem  /,  und  in  tork  vor  dem  t  ab,  z.  B.:  lä'dätij  lastovit  [vlcLdati^  vlast- 
herrschen,  eigen),  lä^t  [vlat),  latafi  se  (vlatatisej  Ähre,  in  Ähren  schießen), 
lä^kno  (Flachs),  Ki98  (ein einzelnes  Haar);  samolä^den  (den  man  nicht  be- 
herrschen kann),  ste^ci  (ausziehen),  zte*ci  (izvuci  herausziehen)  usw. ;  str 
f^iirmsräka  («2>raia Elster),  srä^hk  [svracak  Gartenammer),  srä^b — 
srbeti  se  (Krätze) ;  tvr  gibt  tr  in  ceifti —  öet^tlnka  (der  vierte,  ein  Vier- 
tel), ffd  [tvrd  hart);  v  schwindet  im  Anlaut  vor  «:  v'is  —  sä^  —  «?: 
(skCk — Kkca  (Bkcti)  BkCf  omuis)  *v8a^  *vse  ebenso  säki — säce — sa^ 
haMf  usw. 

Weiter  ist  zu  erwähnen,  der  Übergang  der  Gruppen  mn  zu  t?»  und 
tn  zu  ml  (selbst  m/)  z.  B.:  vnogi — vngiina  (zu  U'kHOrik,  viel)^  güvno 
(zu  ^mbno  Dreschtenne), /)/4f?na  und  daraus  selbst  ^/äf?m  (nAauu, 
plamen  Flamme),  plavndti  (in  Flammen  aufflackern);  andererseits  mldk 
(von  BikH^K*k  Kindeskind)  in  Pitom.,  Gol.  vnuk^  Gotal.  vnok  (vergl. 
stok.  dialekt.  mlogi  (ftlr  m^nog^)^  naramläti — ram^ice  {ravnice)  zu  fid- 
RkHlk,  >planus«  (selbst  in  PitomaSa). 

Dem  b  in  b%6ela  (Biene)  entspricht  ein  m  und  durch  die  Metathese 
bekommen  wir  cmela^  cmehc  (in  Pitom.  auch) ;  dem  p  in  p%tica  und 
piAenica  ein  t?,  welches  vor  den  stimmlosen  t  und  i  selbst  stimmlos  wird: 
flica — ftic\fiefiica  (Gjui^.,  aber  in  Virje/>i^Vca);  demp  in plando- 
vati  entspricht  ein  b:  blanduväti^  bland^ce. 

Einige  Male  begegnet  auch  n  statt  m  in  den  Beispielen:  Jadan 
und  Jadä^mc  (von  Adam)^  Abrahan  (von  Abraham)\  dann  in  8ed^n'' 
dqset^  g8^nde8€t^  neniki  (»deutsch«)  (auch  in  PitomaSa  noch),  pe*nhc 
(Bdhme),  päntiti  Budin. 

Fremdwörter.   Einem  b  des  heutigen  nhd.  steht  ein  p  gegenüber  in : 


334  Franjo  Fancev, 


A 


pe^mc  (Böhme),  pß^^a^» — peilä^r  (betteln,  Bettler),  pä^ßläti  (beatein)  -/>ä;- 
ÜtHj  p&klaf^  pük^a  (buckelig),  pere*c—prhe^c  (Bretze),  pä^nüin  (Band-), 
pänt  (Band),  plä'^m  (blau),  pe*lda  (Bild),  ptfikhk  (Bund-),  patä^^fia  (Ba- 
taille),  praha  (Brachfeld),  ialäpQj'ka  (-Balken),  krompe*r  (Omndbinie) 
usw.  Dem  w  gegenüber  ein  6  in:  hf^tä^i — h^catM  (Wirt — Wirtshaus), 
filboht  (Sduldwache) ;  auch  in  volta  (ital.  Wölbung,  Gewölbe)  zu  b^lta^ 
S5U  Schwefel  steht  iv^ptl^ 

4.  Sibilante  c,  s,  «. 

Von  dem  Ursprung  wie  auch  von  der  Aussprache  dieser  Konsonanten 
ist  nichts  zu  sagen,  da  dasselbe,  was  für  das  Blavische  ttberhaupt,  auch 
flir  die  Dialekte  der  Podravina  gilt.  Wo  diese  Dialekte  unter  dem  Ein- 
flüsse der  Analoge  der  Formen  mit  den  erhaltenen  Gutturalen  die  Aai- 
bilation  aufgegeben  haben,  wurde  schon  bei  den  Gutturalen  besprochen. 
Es  war  auch  davon  die  Rede,  wo  die  Sibilanten  durch  Assimilation  in  die 
Palatalen  übergehen  (wie  /  cof>ekom^  i  riom,  z  nega]  usw.,  oder  Tor  den 
stimmhaften  Konsonanten  selbst  stimmloses  s  zu  dem  stimmhaften  z 
machen  (wie  zhQgom^  zutra  usw.),  unter  denselben  Umständen  wie  auch 
im  sto-Dialekte  gehen  die  Sibilanten  in  die  entsprechenden  Palatalen  (czu 
c,  z  VI  z^  s  zu  i)  tlber,  wie  z.  B.  r§zäii — re*iem^  cesäti — ceiem. 

Von  der  Assimilation  der  s-z  in  der  Gruppe  sk-zff  an  die  Palatale 
c,  i,  welche  durch  die  Palatalisation  der  Gutturale  k  ff  entstanden  sind,  ist 
auch  schon  bei  sk-zff  die  Rede  gewesen. 

Den  Ausfall  der  Konson.  t-d  vor  dem  -c  haben  wir  in  den  Worten 
mit  dem  Suffixe  -%c  (-ec,  stok.  -ac)  nach  dem  AusfaU  des  beweglichen  -z 
(e)  in  den  Kasus Obliqui,  mej'dca  {j'dUc)^  söca  (s^dhc)  usw.;  ebenso  be- 
kommen wir  durch  die  Assimilation  das  c  aus  der  Gruppe  -ts^^^'j  -&«««■ 
wie  z.  B.:  hrvä^cki  (hrvatskt),  sveckt  {svetski}^  lucki  (ludski),  ggtiecki 
(govedski)^  ggspoctvQ  {gospodstvo)^  bogä^ctvo  [boffatsvo)  usw.;  ebenso 
^Ißvoc.^  ^jgvoe.  2ti  c,  z.  B. :  oc2ci  (odseci)^  pdcek  (podsekj  Tflrschwelle), 
pocnehä^la  {podsneha^a^  bei  der  Hochzeit),  prece^däti  (predsedati  prä- 
sidieren). 

Ebenso  wie  man  diva  neben  §lwa^  sleme  neben  ileme  (auch  sleme) 
hat,  wurde  das  8  in  Slavonija  durch  die  Assimilation  an  das  palatale  ( 
palatalisiert  zu  >Slavünija*. 

5.  Palatale  i^  iy  ^ij- 

Von  der  Aussprache  des  c  (=&tok.  c  aus  tj)  ist  nur  so  viel  zu  sagen, 


Beiträge  zur  serbokroatischen  Dialektologie.  335 

daß  68  gänzlich  mit  dem  c  [h)  zusammengefallen  ist,  so  daß  kein  ünter- 
sclded  zwischen  beiden  besteht. 

Die  Gruppen  er,  zr,  ir.  Was  das  er  anbelangt,  so  stimmen  unsere 
Dialekte  einerseits  mit  den  ätokavischen  ttberein,  d.  i.  er  geht  zu  er  über 
in:  crn  [crhn^h),  crlen  [crhvljem]^  crf  [crhvh)\  anderseits  lösen  sie  aber 
das*er  wie  auch  zr,  Sr  zu  c'**-r,  z^^'^r,  i^'^^r  auf  wie  in:  cerevo  {crijevo 
Darm),  cere^p  (crij'ep  Dachziegel),  cerepiine,  cerepina  (Scherben);  auch 
c^e^ina  (*creSna  fflr  ^r^ina  Kirsche),  i^re*be  (irib^ — zdrijebe)^  z^re^Hc, 
zer^biea  (junger  Hengst  —  weibliches  Ffillen).  Vgl.  die  Fremdwörter: 
iaro/ (Schraube),  iora^^^e  (Schrägen).  JncrSn  ist  das  rausgefallen:  c^s. 

Das  intervokalische  i  geht  in  r  über  in  den  Beispielen:  mdrem — 
mgrf  (moiem  von  mo6i  können);  in  -;^d  zu  ^re:  nigdatj  nigder^  -god^ 
(roA'fe — 3K^))  tukar  [turkorr),  tukareka  (tu^ka-re-ka),  tukarekar  (tu- 
ka-re-korr)  usw. ;  vre  (akslav.  oy^Kf — lOHCl,  slov.  uie^  t^ie^  ure  »schon«), 
morti  [moze  biti  »yielleicht«),  borme  [boze-me)  usw. 

Beim  palatalen  Spiranten/  ist  vor  allem  seine  zweifache  Aussprache 
henrorzuheben.  Im  Anlaute,  im  Auslaute  und  intervokalisch  in  solchen 
Fällen  wie  boj\  boja^  znoj\  znoja  (aber  schon  ozfuAen)  wird  der  palatale 
Spirant /als  ein  gewöhnliches  serbokroatisches  /  (gleich  dem  »Halbrokal 
I«,  d.  L  dem  t  im  Dienste  des  Konsonanten,  vgl.  Sieyers  Phon.^  §§  ^^1  > 
422);  dagegen  interyokalisches/,  sei  es  etymologisch,  sei  es  statt  des 
etymologischen  A,  wird  besonders  vor  einem  i  oder  vor  einem  e  sehr 

■  ■  •  •     , 

reduziert  ausgesprochen,  z.  B.  moj"  mo^e,  mo^ega^  tro^emu,  svc^e^m, 

•  •  •  • 

zuvah  {*zuvajo),  kä^  Hgoder  ....  [kajji  [joj]  goder),  dobi  h  [dobijo 
[ju  acc.  sing,  fem.]),  pc^i  (pojes=podei),  skr&a  (s  kraja) ;  smej — 
«me^,  grf^a  {grej'a),  dry'  or^^a  usw. 

Das  sekundäre  y,  abgesehen  von  jenem,  welches  sich  im  Anlaute  vor 
einigen  Vokalen  entwickelt  hat,  haben  wir  in  vojsk  (t^o^aA;  Wachs),  mä/li 
[malt  klein). 

Das  i  in  iti  wurde  in  den  Kompositis  mit  den  Präpositionen,  welche 
mit  Vokal  auslauten,  entvokalisiert  und  es  wird  gesprochen  d^ti,  nä^jti, 
prejtij  dann  selbst  im  Präs.  dQjem,  nä^jem,  prejem  usw. 

Es  wäre  noch  hier  zu  erwähnen,  daß  auch  zwischen  zwei  Worten  in 
der  gewöhnlichen  Sprache  (was  noch  häufiger  in  den  Liedern  vorkommt), 
wenn  ein  Wort  mit  dem  Vokal  auslautet  und  das  andere  mit  dem  Vokal  t 

•  «  ■ 

anftngt,  ein  »reduziertes  ^<  gehört  wird,  z.  B.:  po  Hmenu,  preHskati^ 
noHgrati  se^ja  Hdem  usw.,  um  den  Hiatus  aufzuheben. 

Fremdwörter.   In  den  Wörtern  lat.  Ursprungs  begegnet  i  statt  des  s 


336  Franjo  Fancey, 

in  Oremui  (Spitsname  »Oremtis*)^  oHtja,  leHija^  iakratn^tU^  Erhiui, 
Jezui,  domeitruväti  (mimBtneTeji)y  iekreiüja  (sakrtstijä),  preiencija 
(procesija)^  kaitlga — kaSiigäti,  ilabekuväti  [syllabico)  usw. 

In  den  deutschen:  z  gegenüber  s  in  iv^ph^,  z^^ra^fritbk^  zlaga\ 
zv^rc  (SchwÄTze),  i  aus  z  (s):  petr^zil  (Petersilie). 

6.  Liquide  r,  /  und  Nasale  n  (m). 

Die  Dialekte  der  Podravina  unterscheiden  die  konsonantische  und 
vokalische  Funktion  dieser  Laute,  doch  bei  /  und  n  ist  die  Tokalische 
Funktion  nicht  so  ausgesprochen  wie  bei  f ,  da  man  öfter  auch  einen  sehr 
reduzierten  Halbvokal  %  [e)  vor  diesen  zwei  Lauten  (/,  n)  zu  hören  glaubt. 
Die  Yokalische  Funktion  kommt  in  solchen  Fällen  vor,  wo  ein  beweg- 
liches a  im  stokavischen  Dialekte  sich  einstellt,  wie  z.  B. :  P^tf^  ^4kfj 
dobr^  pfpg'  {papar)j  pM^,  p^pl  (aber  g.  pfp^la)j  misl  [müf^l — tnülij^ 
d'^bl  (und  dehl  Bber  debela)]  plävn — plavhn  {^.  plavna)^  d$zn  (und 
dfhn),  prä^zn,  zalosn  (oder  zalostbn)  usw. 

Konsonantische  Funktion  der  /-r-fi.  In  der  konsonantischen  Funk- 
tion unterscheiden  unsere  Dialekte  l  (mittler.),  n  und  r,  dann  weiches  { 
(ib),  ik  (h>)  und  rj  (nicht  erweichtes  /).  Unter  welchen  Bedingungen  ein 
7,  n  statt  der  erwarteten  weichen  ^,  h  auftritt,  sind  wir  nicht  im  stände 
genau  zu  bestimmen,  doch  man  kann  so  viel  konstatieren,  daß  die  Eni- 
palatalisation  häufiger  dann  eintritt,  wenn  ihnen  ein  Konsonant  voraus- 
oder  nachfolgt.  Palatale  (,  n  kommen  nicht  nur  dort,  wo  die  Palatalisa- 
tion schon  im  Akslav.  vorhanden  ist,  sondern  auch  in  den  sekundären 
Gruppen  nach  dem  Ausfall  des  Halbvokals  (wie  hj\  nhj')\  das  r  wurde  im 
Auslaute  entpalatalisiert,  sonst  aber  fllllt  es  mit  dem  rhj  zu  r/zusammen. 

Beispiele:  {:  lüdi  (Ijudhje),  z^m^a,  v^^a,  {üba  (neben  ltiba\  prvjfij 
vese^e [vesehje), ze^e (zehje)  usw.,  aber  /(statt  des  ^  iS/it,  lucki [Ijudski^^ 
klüc  [kljuch  Schlüssel),  klün  [kJjum  Schnabel),  klutäti  {krhüati-kFu/q 
picken),  j9/e^üa^t,  prij^tel  (priStePh  Freund),  tmcttel  (uciteP  Lehrer), 
lüsc'itij  luzdhM  [luitiii  schälen  usw.)  (Virje),  luplna  [odlupiti  ist  wohl 
ursprünglicher  als  ^upine)]  podsnehala^  sablu^  ludiy  hobline^  ikrebe^ 
talka^  nevolfi  (Zbor.  I) ;  aber  vpelavane,  vpelana  (fpelan^  Virje),  kiklu 
(206,  255)  (AtA^a  Virj.),  ikrlak  255  (ikrijiä^kYiTJ.),  kluku{Z01)  Zbor.  L 
Koprivnica;  zem^u,  zalubil,  podsnehdla^  ze^e  (Zbor.  I.,  Pitomaca),  aber 
auch  vucitel — vuctt^la,  deteVtna^  Uläda  usw.  Ojurgj.,  bdle  DrAe.,  jöocf- 
snehdlaj  spravlali,  zemley  ze^e^  dopelali^falen  (Zbor.  I.  Hieb.),  aber  auch 
lubami,  sablami  Zbor.  I.  usw. 


Beiträge  zur  serbokroatnehen  Dialektologie.  337 

Soweit  ich  unterrichtet  bin,  kennt  Oola  kein  ^,  sondern  nur  /. 

is:  kÖHj  kanlij  Ao^%  ^ff^j  ^i«^  nsw.,  praiüej  dane^  zrfie^pe^ 
cetö\  aber  ffnil  {gnio  fanl),  grUda  [gAida  Nisae),  gn^'\  könski^  k^nce^ 
si^fice  (von  8vina)y  opä^nka  (g.  sn  opä^mJc)^  lisiä^nka  (zn  lütaihk 
Wsde),  cünka  {xacü/izk  Fetzen)  naw.  (VDr|e).  Bbenso  in  Oola.  i^  (g.  ag. 
fem.),  poit^,  abetfkniffäj  Kai. 

rj:  tn&rye  (mcre\  z6rjaj  ierjcfifka  (ieravica  glühende  Kohle), 
zfüf^javiea  (igansüica  Sodbrennen),  vniirjem  [innrem)^  ^em  [orern), 
pretArjen  {prevaren)j  razdrjen  (razoren),  zmhjen  (ixmjeren)^  odurfö^ 
väH^  nagmsW^jäti^  zame^jdU^  veherjaii — vecerya  nsw.,  aber  zidä^-^t 
(z%dar%\  zlataf^r-a  {zlaiart),  ffospgdä^,  pasttr  {pa^yrt)  naw.  Ebenso 
in  GoIa  irad  in  PHoma&t. 

b)  Metathese  von  Konsonanten. 

Die  Metathese  Ton  Konsonanten  kommt  in  folgenden  Beispielen  zum 
Voniehein:  gä9rvan  [gaioranh  Rabe),  cmela  [bitcela  Biene),  iticu  (hJUca 
LMel),  im^r^ti  (Wurzel  m^i-  die  Augen  geschlossen  hatten),  bhtfuTUcej 
blä^nduväti  (von  pladne  Bfittagoruhe  halten),  panduriti  -voti  pod^-mariH 
ontertauchen),  robd\na  (neben  rodlüna  die  Verwandtschaft). 

c)  Aus-  und  Abfall  von  Konsonanten. 

Wir  haben  schon  erwfthnt,  daß  das  h  und  das  v  yot  dem  l  (wie  z.  B. 
tdfidätiy  laH  oder  /|i,  lä^d  usw.),  dann  das  v  vor  dem  s  in  ves-sa^  se 
(statt  9«a,  ose)  oder  sakak^f  (statt  vsakakof)  usw.  regelmäßig  abfallen ; 
ebcBSO  wurde  wik<m  der  Ausfall  des  o  in  der  Konsonantengmppe  süt- 
(wie  z.B.  srä^b  [statt  svrab],  sräka  [statt  avrakd]  usw.)  erwfihnt.  Hier 
k5nnten  wir  noch  dazu  erwähnen:  bQm  .  .  .  statt  bQdem^  mä^m  statt 
makom^  nScem  statt  nehcem  oder  neSoem. 

ni.    Betonnng  und  Quantität. 

Auf  dem  Gebiete,  welches  wir  zur  Aufgabe  unserer  Besprechung 
genommen  haben  und  in  der  Lautlehre  in  drei  Gruppen  geteilt  haben, 
werden  wir  beaflgUch  der  Betonnng  nur  zwei  Gruppen  unterscheiden. 
Die  erste,  deren  Virje  Hanptrepräsentant  ist  und  welche  Gegenstand  un- 
serer Betrachtung  bildet,  beefteht  in  der  Eigentttmlichkeit,  welche  noch 
bei  keinem  serbokroaüschen  wie  auch  slovenischen  Dialekte  konstatiert 
wurde,  für  welche  wv  aber  Parallelen  in  den  bulgarischen  (mazedonischen) 
Dialekten  gefmid^  haben,  nämlich  in  der  Eigentfimüchkeit  des  Zwei- 

AnhiT  fttr  •IftTiiehe  Philologie.   XXIX.  22 


338  Fraiyo  Fancev, 

silbenakzentes,  d.  i.  nnr  die  Torletzte  und  letzte  Silbe,  sei  es  in  ^em 
Worte,  sei  es  in  einem  Wortgefttge,  können  den  Akient  tragen.  Die 
zweite  Gruppe,  mit  welcher  wir  nns  hier  nicht  beschftftigen  nnd  welche 
östlioh  Ton  Virje  mit  EloStar  nnd  westlich  diesseits  Drave  schon  mit  Hle- 
bine  beginnt,  kennt  dieses  ZweiBilbengesetz  nicht,  obwohl  sich  die  Be- 
tonung des  Ortes  Elostar  nnd  aller  Dörfer  westlich  von  PitomaSa  (Otro- 
vanec,  EJadare,  Grabrovnica,  Diievec)  von  der  Betonung  des  kigkavischen 
Dialektes  von  PitomaSa  ebenso  unterscheidet,  wie  dieser  wieder,  obwohl 
näher  der  stokavischen  Betonung,  doch  von  dieser  abweicht.  Ebenso 
stimmt  die  Betonung  der  Dörfer  EHebine,  Sigetec,  Dr&e,  Peteranec,  dann 
der  südlich  liegenden  Dörfer  Zdelice,  Babotok,  Rakitnica,  JabuSeta  mit  der 
Betonung  der  ersten  Gruppe  im  großen  und  ganzen  überein,  und  nur  das 
Fehlen  des  yoUkommen  durchgefohrten  Zweisilbengesetzes  scheidet  diese 
Dörfer  von  der  ersten  Gruppe. 

Das  Zweisilbengesetz  beherrscht  Yollkonmien  die  Betonung  der  fol- 
genden Dörfer:  Novigrad  (samt  Delovi],  Viije  (samt  Miho]anec,  Hampo- 
vica,  äemovec,  Sv.  Jana),  Moire,  Gola  (samt  Gotaloro),  Gjurgjerec  (samt 
MiSetinec,  Cepelovec,  Budrovec),  Kalinovec  nnd  Ferdinandovec 

Neben  der  erwähnten  Eigentümlichkeit  des  Zweisilbengesetzes  kennt 
die  erste  Gruppe  noch  eine  andere,  die  ihr  auch  einen  besonderen  Platz 
in  der  Betonung  der  serbokroatischen  Dialekte  g^bt  und  im  Verhältnisse 
des  Akzentes  zur  Quantität  besteht. 

a)  Zweisilbengesetz. 

In  diesen  Dialekten  ist  am  wichtigsten  die  begrenzte  Beweglichkeit 
des  Akzentes.  Parallelen  zu  der  in  unsem  Dialekten  beobachteten  Zwd- 
Silbenbetonung  findet  man  auf  dem  bulgarischen  Sprachgebiete.  Während 
nämlich  die  bulgarische  Schriftsprache  (mit  ihrem  »oÖn^otS'KirapcROTo 
y^apoHHe«)  eine  vollkommen  bewegliche  Betonung  besitzt^  kennen  einige 
mazedonische  Dialekte  eine  beschränkte  Betonung.  Das  sind  in  erster 
Reihe  der  Dialekt  von  Voden  (mit  »ABycpiraHO  y^apemie),  dann  mit  dem 
fixen  Akzente  von  Eostur  und  Prilep  (der  erste  mit  »BTopocpiriHO  yxa- 
peHHe«,  der  zweite  mit  »TpeTbocpH^HO  y^apenne«].  Vergleiche  darüber 
B.  Conev  »3a  y^apenHOTo  b-b  Ö'B.irapcKH  oseicl«  S.  22 — 27  und  L.  Ma- 
sing  »Zur  Laut-  und  Akzentiehre  der  mazodoslav.  Dialekte«,  B.  109 
bis  110. 

Im  Dialekte  von  Virje  (gemeint  ist  die  ganze  erste  Gruppe)  gilt  als 
feste  Regel,  die  keine  Ausnahmen  kennt,  daß  der  Hauptton  in  einem 


BeitrSge  snr  serbokroatiBcheii  Dialektologie.  33^ 

Worte  oder  in  änem  Wortgefüge  (d.  L  ein  Wort  mit  ihm  folgenden  En- 
klitiken, welche,  eine  oder  mehrere,  mit  diesem  Worte  als  ein  Wort  mit 
einem  Hanpttone  ausgesprochen  wird)  immer  anf  die  zwei  letiten  Silben 
fidlen  muß,  so  daß  in  einem  Wortgeftige  der  Haaptton  nicht  mit  dem 
Hanpttone  des  selbständigen  Wortes  llbereinstimmt,  sondern  das  selb- 
stftndige  Wort  yerliert  gänzlich  die  Betonung,  welche  es  als  selbständiges 
Wort  hat,  und  wird  in  diesem  WortgefQge  immer  diejenige  Silbe  betont, 
welche  die  rorletzte  ist.  Demnach  mflssen  wir  die  Betonung  der  Torletsten 
und  letzten  Silbe  bei  den  selbständigen  Worten  unterscheiden.  Nur  einige 
Beispiele:  jaVdka — jaVOika  (gegenflber  skroat  ^Bit^Aia,  slov.  jahlko 
(dialekt  Bohi£.  yait«A;a,  'Bau.  jdbelko)  ^  russ.  iÖJOKO,  bulg.  jdtf'Bjnca), 
ebenso  jagdda^  macaha^  J^z^ro^  oldvo  usw.,  mit  der  Betonung  auf  der 
letzten  Silbe  in  solchen  Fällen,  wie:  kömcfir  (skr.  kdmär,  slor.  komär, 
mss.  KOM&p'L,  bulg.  KOHdp),  ebenso  rökä^f^  ggapgdin  (5ak.  gospodin 
Kern.  L  65),  oder  kumstvQ  (5ak.  küin$tvd  ü.  9),  ggddvnQ^  peSeiü,  loc. 
sing,  wie  rökS*,  ngge*^  auch  zem{e\  äsjm peklü^  selüj  nebü\  gen.  sing, 
wie  r&ga — ngge,  r^ka — roKe^  aber  Kuah  jaboke^-jaggde  usw. 

In  einem  Wortgefbge:  me^micä  ^e  taMf  b^t^k,  zemi  mü  ga\  vqU 
da  sd  8^  fägda  dve*  snUhe  dogovaPrföle^  vngtre^  s'^ji  zapfl  usw. 

Wichtig  ist  die  Bezeichnung  des  Akzentes  bei  Belostenec  (in  seinem 
»Gazophylacinm  illyrico  latinumc  herausgegeben  erst  1740  in  Agram, 
obwohl  er  1595 — 1675  lebte).  Die  Betonung  Belostenecs  Gazoghylacium 
weicht  auffallend  von  der  gewöhnlichen  serbokroatischen  und  auch  von 
der  Betonung,  welche  wir  bei  Petreti6  und  anderen  Schriftstellern  des 
XYI.  und  XVn.  Jahrhs.  des  kaj-Dialektes  finden,  ab  und  gerade  diese 
Abweichungen  nähern  sie  der  Betonung  unserer  Dialekte.  Im  Stokavi- 
Bchen  geht  die  Ausgleichung  in  der  Betonung  einer  Ableitung  von  dem 
Grundworte  davon  aus,  daß  di^  Ableitung  die  Betonung  des  Grundwortes 
annimmt,  dagegen  bei  Belostenec,  wie  auch  in  unseren  Dialekten,  hat  die 
Ableitung  eine  vom  Grundworte  verschiedene  Betonung  und  zwar  bewegt 
sich  diese  Unterscheidung  in  der  Richtung,  daß  die  Betonung  gewöhnlich 
die  vorletzte  Silbe  betrifft  Die  folgenden  Beispiele  werden  das  beleuchten : 
iäma — -jamica^  j<Uova^  jalof>%ca^  cüba — cubtca^  briiva — brittica^  bra- 
mtel — branitelica^  izgonitel — izganitelica^  lopäta — lopaüca^  mHla — 
meilica^  miritel — miritelica,  nadaritel — nadaritelica^  ebenso  kokoia- 
ricüj  kokoiica^  kratücay  koiica^  kozica^  maternkca,  preslica^  punicüj 
sbiibenica,  priatelica^  plepelica]  mehköcUj  dalekoca,  gladkoca,  ial- 
köca]  neutr.  auf  Aice^  ^iney  -dne,  wie  godisce^  gnojnüce^  sedaliiSej 

22* 


340  Frai^  FMioeT, 

skroviihe^  hhd^e^  jedH^e^  beline,  blaffo^hvUne,  d^puio^^  cur^ne^ 
ovilhie;  UcuvAAe^  dostifavdAe^  ^vdne  ubw.  Aber  es  gi^  aooh  AIk 
weiCrkmigea  wie  iUica^  sUnica^  Hvtca^  iufenica  oder  iiMühe^  Helene 
lum.y  aber  welche  Bind  in  viel  geringerer  Zahl  yorkaaden  als  di^eiuge% 
die  den  Aka^lt  auf  der  Yorletsten  Sübe  haben.  Neeh  anffaUender  ist  die 
firsekefitnng,  welche  wir  schon  bei  unseren  Diaiektea  k<mstatiert  haben, 
nftm^oh  die  Beobaelrisang  der  6il%keit  des  ZweisilbengesefeBes.  Wir  fti*> 
den  1»ei  Belostenec  solehe  Beiq^iele  wie  büint-^ielim  se^  iÜDam^-^cuoam 
8tf  doticem — datiSimse,  hähm — holämee^  obläcim — obtaSimäe,  ohih^ 
nüJeffhshUnujim  se,  fdaini — foshn  se^  wetim — svettm  se^  f)idfm — 
vidim  80^  selbst  *V€pya  nd  et*  nsw.  Hior  können  anch  folgende  Bd- 
s^le  angeMhrt  werden,  wie:  duzen  eem  (aber  düznoy  virov:  dozm  shm) 
zodovo^^fem^  vkaniteRoa^  z^ica^  iituvdnfe^  iieüce^  bldfoHho  nsw. 
Doch  wir  gehen  Iner  nicht  naher  darauf  m,  da  uns  das  zu  weit  fahren 
wUrdC)  g6nng,  man  hat  es  hier  mit  einer  fthnlichen,  ja  sogar  ganz  iden- 
tbohen  Erscheinung  zn  tan,  die  uns  anch  ans^e  Dialekte  zeigen,  nur  daß 
sie  sich  in  nnseren  Dialekten  enr  voUkonunenen  Regelmäßigkeit  ent- 
wickelt. 

Naoh  dem  Gesagten  haben  wir  es  mit  einem  Zweisilbengesetze  za 
tun,  moht  in  dem  Binne  des  Zweisilbenakzeiites  bei  Masing  (fianptformen 
des  serbochorwat.  Akzentes),  sondern  im  Sinne  4es  griechischen  and 
lateinischen  Dreisilbengesetzes,  d.  h.  wie  sich  in  diesen  zwei  Sprachen  die 
Betonnng  auf  drei  letzten  Silben  bewegen  kann,  so  bewegt  sich  die  Be- 
tonnag bei  nns  nnr  anf  zwei  letzten  Silben. 

Unser  Zweisilbengeeete  kommt  nnter  bestimmten  Bedingungen,  wie 
jenes  der  griechischen  und  lateinischen  Sprache  zur  Geknng.  Die  End- 
betonung erscheint  nnr  dort,  wo  die  Betonmig  (wenigstens  in  einer  Gmppe 
Yon  Worten,  dann  dnreh  Analogie  anch  airf  andere  übertragen)  nrsprfing- 
lieh  lag  nnd  die  betonte  SUbe  lai^  war,  oder  spftter  verllngert  worden 
ist  (vielleicht  infc^ge  d^r  steigenden  Intonation  nnd  überhaupt  der  Be- 
tonung). Außer  einigen  Suffixal  der  Masculina  wie  -a^c,  -aV,  -a^£,  -li> 
usw.,  der  Neutra  auf  -jej  -ne^  einiger  Kasus  (wie  gen.  instr.  sing,  fem., 
gen.  loc.  instr.  sing,  masc,  loc.  inst.  pl.  neutr.  unddat  loc.  plur.  fem.)  zeigt 
uns  sekundäre  Lftnge  loc.  sing,  (wie  peklüj  nebu^  selüj  zem^e*j  rdke\ 
kgpe\  peciy  noc%  (6ak.  weist  gewöhnlich  die  Kürze  der  E^asusendungen 
in  Loc.  Sing.);  auch  die  Neutra  auf -^üo  im  slov.  wie  auch  serbokroat. 
Dialekten  (Sakav.,  kajkav.)  mit  der  Kürze  in  der  Endsilbe,  hier  aber 
Lftnge  z.  B. :  Sakav.  Xnlmstvdj  tröjsM  II.  9,  slov.  iritvdj  zensiicd^  lud- 


Bdtriige  zur  serbokveatMoben  Dialektologie.  34  t 

sivb^  maiM  (Va)a¥eo  Sad  OXXXII.  8.  16S);  Dialekt  Ton  Virj«:  kum^ 
si9f,  bictü^j  proileeii^f,  ux^h  ffpdävnf  (Namenstag). 

Sonst  aber,  wenn  die  letato  SISm  kurz  war,  wenn  anck  batont,  kornkte 
sie  den  Akzent  nicht  behalte,  sondern  hat  ihn  durch  die  rftokg&ngige 
YersdiiebBng  anf  die  Torletate  Silbe  llbergehen  lassen,  wie  z.  B. :  />^a 
(skroat.  ^^o,  ross.  nepcS),  a^to  {sSlo — cejö),  vMa  {vdda — boa&),  zoe^zda 
(zvifezda — sais^iä)  nsw. 

Neben  der  Ultimabetoanng  haben  wir  sonst  immer  die  PemdtMUK 
betonung,  d.  i.  die  Betonung  Mit  auf  die  Torletste  SUIm;  ^bes  kenunt 
nnr  dann  zun  Vorschein,  wenn  die  letzte  Silbe  knrz  war,  mochte  sie  be- 
tont oder  unbetont  gewesen  s^,  oder  wenn  sie  erst  sekundär  in  diesem 
Dialekte  kurz  geworden  ist,  so  daß  wir  keine  Länge  auf  der  iiach  der 
Pemiltknabetonung  fdgenden  Mibe  haben  können,  sondern  sie  wird  immer 
yerkflrzt,  wenn  sie  urspring^ch  nicht  betont  war.  So  hat  unser  Dialekt 
Tom  altMi  Erbe  in  bezug  auf  die  zwei  letzten  Silben  die  alteHochtensteUe 
nnverändert  erhalten,  wenn  sie  auf  der  vorletzten  Silbe  lag;  dagegen  wenn 
sie  auf  der  letzten  Silbe  lag  nur  dann,  wenn  diese  Silbe  lang  wai  oder 
erst  lang  in  diesem  Dialekte  geworden  ist  (ftuBerst  seltene  Fälle) ;  wenn 
aber  diese  Silbe  ursprünglich  schon  kurz  war,  ist  die  Betonung  regdmäfiig 
um  eine  Silbe  gegen  Wortanfang  verschoben  worden. 

Prof.  Beäetar  (Sfldwestl.  serbokrat.  Betonung  S.  12)  hat  bezttglich 
der  Akzentnation  in  skroat.  Dialekten  3  Typen  konstatiert,  er  sagt  näm- 
lich: »Wir  iSnden,  daß  in  Bezug  auf  den  Umfang,  in  welchem  die  äMere 
Akzentuiemng  sich  erhalten  hat,  die  dabei  in  Betracht  kommenden  Sto- 
kavischen  Dialekte  drei  verschiedene  Stufen  aufweisen,  je  nachdem  der 
ältere  Akzent  a)  in  allen  SUben  ohne  Unterschied  sviläj  sasträj  lep&iaj 
fezikj  neprätda^  vodSj  b)  in  allen  Silben  nut  Ausnahme  der  kurzen  offenen 
im  Aufllante,  also  wehl  lopäta^jezik^  n^praeda^  vode,  aber  k^  sviläj 
seatrS,  e)  nur  anf  langen  Silben  beibehalten  wurde,  also  nur  nspravda^ 
vodij  aber  weder  lopStaj/0ztk  noch  «vi/ä,  sesirS.  Wenn  man  nun  be- 
denkt, daß  es  IHalekte  gibt,  welche  nur  in  kurzen  offenen  auslautenden 
Silben  die  alte  Betonung  aufgegeben  haben,  so  ist  der  Schluß  wohl  be- 
rechtigt, daß  in  den  stokavisehen  DiaMct^i  Oberhaupt  die  neu^e  Be- 
tonung sich  zunächst  von  dieser  Kategorie  von  BUben  mü iä,  sesträ  zu  ent- 
widceln  begann«. 

Nach  dem  von  Prof.  ReSetar  Gesagten  stimmt  unser  Dialekt  mit 
keiner  Omppe  vollkozamen  flberein,  mit  der  Gruppe  b)  hat  er  gemeinsam 
das  Behaltm  des  Akzentes  der  vorletzten  Silben  ganz  unberflhrt,  mit  der 


342  Franjo  Fancey, 

Gruppe  oj  die  Verschiebuig  des  Akzentes  aneh  von  den  kurzen  geBchlos- 
senen  anslantenden  Silben.  Ähnliehen  Vorgang  zeigt  uns  die  Betonung 
Petretid  (Evangeliomi  1651)  und  Belostenee  (Oazophylacinm  1740);  bei 
ihnen  ist  die  Entwiekelnng  der  neueren  Akzentnation  erst  im  Laufe  ge- 
wesen, und  wir  begegnen  bei  ihnen  schon  yorgesehobenem  Akzent  yon 
der  kurzen  offenen  SUbe  im  Auslaute  (mit  weniger  Ausnahme),  viel  häufi- 
geres Verbleiben  bei  der  älteren  Akzentnation  der  kurzen  geschlossenen 
auslautenden  Silben,  die  alte  Betonung  der  langen  offenen  wie  geschlosse- 
nen auslautenden  Silben  ebenfalls  gut  erhalten  (besonders  bei  Belostenee). 

Nur  einige  Beispiele:  rdvno  253  (neben  ratmb  255),  kruio  22 
(neben  krütb  64,  und  krutd  44),  jäko  [lak^jako),  pridi — -pride^  pojdi 
— -p^'de^  dojdi — dojde  usw.,  gldve  162  (was  witgldfoa  hinweist)  usw.^ 
aber  rogydk  54,  gospoddr  157,  dohre^  gori^  vodij  troje  usw.  als  gen. 
sing.,  Jüdovdm  (dat.  PL  56),  zemlüm  (instr.  sing.  178),  iinagög  81,  av^ 
als  Oen.  PL,  pusUm  (3  mal  56),  Sintnij  opiju  3.  Präs.  PL  25,  rtuiüj 
predü  3  Plur.  1 1 1  usw.  bei  Petreti^;  gläva^  rüka^  nöga^  gdra,  büha^  aber 
auch  igräj  krpäj  krastä;  dann  kondpy  kokdi\  präs.  1.  Sing.:  -^,  äm^ 
tm;  Acyektiraauf  dt^  it  {wi^  hramlydm^  kai^,gutätn^grgräm^  ümämy 
izepirämj  igräm,  hranim^  kraüfnyjeldv^jesendv^  jaldv^  korenit^  Sesiit 
usw. ;  aber  auch  cutim^  driim^  hrv&o^  klobükj  sme^e^  aber  siromah  usw. 
bei  Belostenee. 

Von  den  Dialekten  des  slovenischen  Sprachgebietes  und  von  den 
kajkavischen  des  skroat.  Sprachgebietes  (vgl.  Va^avec  Rad  vom  Jahre 
1878—1891  Prinos  k  naglasu  ....  Ro&iö  Dialekt  von  Prigorje  Rad  CXV, 
GXVI  u.  CXVUI;  Oblak  Dialekt  von  Medumurje  Zbor.  I)  unterscheidet 
sich  der  Dialekt  von  Viije,  abgesehen  vom  Zweisilbengesetze  gegenflber  der 
vollkommenen  Beweglichkeit  des  Akzentes  jener  Dialekte,  nur  in  bezug 
auf  die  zwei  letzten  Silben,  vor  allem  darin,  daß  er  keinen  kurzen  Akzent 
in  der  Endsilbe  dulden  kann,  erhaltene  ursprflnglich  betonte  Kürzen  wur- 
den in  der  Endsilbe  unter  dem  Akzente  verlängert 

Kehren  wir  zum  Zweisilbengesetze  zurflck,  um  vielleicht  eine  an- 
nehmbare Erklärung  dieser  Erscheinung  zu  finden.  Wenn  wir  die  Be- 
tonung der  Sakavischen  und  stokavischen  (und  auch  kajkavischen)  Dia- 
lekte, dann  auch  der  slovenischen  und  russischen,  näher  betrachten,  sehen 
wir,  daß  schon  ursprflnglich  eine  sehr  große  Anzahl  von  Worten  die  Ultimsr- 
oder  Penultimabetonung  hatte,  also  auf  den  zwei  letzten  Silben,  und  gewiß 
war  nicht  größer  die  Zahl  der  Worte  mit  dem  Akzente  auf  einer  andern 
Silbe,  da  wir  ja  auch  aUe  zweisilbigen  Worte  hierher  rechnen  können. 


Beitrilge  zur  serbokroatiBcheii  Dialektologie.  343 

Aber  es  sind  selbst  bei  mehr  als  zweisilbigeii  Wörtern  mehrere  mit  der 
Betonimg  anf  den  zwei  letzten  Silben  als  mit  der  Betonung  auf  einer  andern 
Silbe,  so  z.  B.:  3  silbige  Nentra  bei  Nemanid  (Öakay.-Eroat.  Stnd.  II) 
sind  1 60  mit  der  Betonung  anf  den  zwei  letzten  Silben  gegenflber  66  mit  der 
Betonung  auf  der  ersten  Silbe;  in  Prozenten  macht  das  29  ßi  auf  der 
ersten  Silbe  und  11  ß(  auf  den  letzten  zwei.  Bei  dreisilbigen  Femininen 
kommt  der  Akzent  bei  6 1  ^  auf  den  zwei  letzten,  bei  39  ^  auf  der  ersten 
Silbe.  Etwas  anders  verhält  sich  die  Zahl  der  Worte  mit  Ultim»-  oder 
Penultimabetonung  bei  viersilbigen  Femin.  Hier  entfallen  auf  die  letzteren 
nur  35)1^  (genauer  35,26^)  gegenflber  65 >^  (genau  64,74^)  mit  der 
Betonung  auf  der  ersten  oder  zweiten  Silbe,  doch  ^e  viersilbigen  Worte 
sind  Ableitungen,  welche  gewöhnlich  den  Akzent  des  Grundwortes  ange- 
nommen haben. 

Im  Dialekte  von  Virje  sehen  wir  bezfiglich  der  Betonung  aller  Femin. 
ausnahmslose  Ausgleichung  in  Genit.  Instr.  Singular,  Dat  Local.  Instr. 
Flur. ;  größtenteils  auch  bei  Mascul.  im  Genit.  Dat.  Loc.  Flur. ;  in  der 
Quantität  alle  Neutra  im  Flur.  usw.  Daraus  können  wir  den  Schluß 
ziehen,  daß  in  diesem  Dialekte  die  Ausgleichung  in  der  Betonung  eine 
große  Rolle  spielte.  Wenn  also  dieser  Dialekt  besondere  Vorliebe  fDr  die 
Ausgleichung  zeigt,  so  glauben  wir  diese  Vorliebe  zur  Ausgleichung  auch 
hier  zur  EBlfe  nehmen  zu  können,  um  das  Zweisilbengesetz  zu  erklären. 

Zuerst  hat  dieser  Dialekt  die  Betonung  der  kurzen  offenen  Silben 
im  Auslaute  um  eine  Silbe  gegen  Wortanfang  verschoben,  vielleicht  erst 
später  auch  die  Betonung  der  geschlossenen,  aber  die  Betonung  der  inne- 
ren Silben  hat  er  unberflhrt  gelassen.  Die  Betonung  der  langen  (offenen 
und  geschlossenen]  auslautenden  Silben  ist  ebenfalls  unberflhrt  geblieben. 
So  hat  sich  eine  noch  größere  Zahl  der  Worte  mit  der  Betonung  auf  der 
vorletzten  Silbe  gebildet.  Jetzt  hat  diese  Überzahl  mit  der  Fenultimabe- 
tonung  auch  auf  andere  Wörter,  deren  Betonung  auf  einer  weiter  liegen- 
den Silbe  war,  begonnen  einzuwirken  und  sie  hat  audi  alle  an  sich  ge- 
zogen und  so  ist  es  gekommen,  daß  zuletzt  die  Betonung  nur  auf  der 
vorletzten  Silbe  stehen  konnte.  Zugleich  als  die  Kasus  mit  der  Penultima- 
betonung auf  den  entsprechenden  der  Wörter  mit  einer  anderen  Betonung 
gewirkt  haben,  haben  auch  die  Kasus  mit  erhaltener  Endbetonung  der 
langen  Silben  den  entsprechenden  Kasus  nach  sich  gezogen  und  so  wie 
Bieh  jäbukor-jäffoday  lästavica^  prijateltca,  ditelina  usw.  mit  loVida^ 
sveX^GypepelügOy  stareitna^  lepdta  (von  lepotä),  vrucina  (von  vru6in&) 
usw.  ausgeglichen  haben,  haben  sich  auch  nach  Gen.  Instr.  Sing,  wie 


344  Fmyo  Faucey, 

noge^  ienij  rüKe^  lepdtSj  tfrucini,  nogoniy  rukonij  lepdüm^  vru6inom, 
dann  Dat.  Loc.  Plnr.  ienätnj  rükäm^  lepotSmj  nrucinäm^  ienaj\  rükaj\ 
lepotaj^  vrucinaj  n&w.,  anoh  ribe — trave  (6ak.  riba — rtit,  trMa — 
träoi)  oder  rü>ifn^  trävom,  jagode-^jagodomj  laeUmce — lägtavicom; 
rib^m^  ribä^j\  irä^vä^m — iräPväPj\  jagodä^fn-^affadoPj^  läPstavi- 
cä^m,  lä^staeiccPj  naw.  gerichtet.  Die  Spurea  der  alteren  Akzentuaition 
haben  aich  in  der  Qaantitftt  erhalten,  welche  gewöhnlieh  jener  anderer 
Dialekte  entspricht,  aber  es  kommt  anch  vor,  daß  sie  gerade  unter  dem 
Einflasse  des  Akzentes  verändert  worden  ist,  z.  B.:  hä^rocaj — nä^ro^ 
oaj'a  (Sak.  ndrucajl,  58),  Ucice  (Uciee  IL  12),  söncSc6y  greinica  {grei-- 
nica  n.  37)  usw.,  oder  lä^stavica  {laataoica)^  pä^säAo  (Sak.  pazduha 
n.  33),  prestica  [prhUca)^  träjlca  {tr&jica),  dvöfica  [dvdßca)  nsw. 
Aach  die  Beispiele  pod  roko,  na  glävo  usw.  weisen  auf  pod  rokoj  na 
glavo  hin,  da  das  Gesetz,  nach  welchem  die  unbetonten  Längen  nach  dem 
Akzente  verkllrzt  sein  mußten,  wie  in  g^lob  (ätok.  golüb)^  mlinar 
(mlinär),  älter  ist. 

Diese  Beschränkung  des  Akzentes  auf  die  vorletzte  Silbe  hat  ihre 
Geltung  auch  im  Satze.  In  dieser  Beziehung  erinnert  unser  Dialekt  an 
den  nordwestmazedonischen,  wo  wie  Masing  (Zur  Laut-  und  AkzentLehre, 
S.  112)  sagt,  daß  die  Eigentflmlichkeit  in  »der  eigentlichen  Akzentuation 
hervortrat,  wonach  die  mehrsilbigen  Wörter  sämtlich  baryton,  die  mehr  als 
zweisilbigen  stets  auf  der  drittletzten  Silbe  betont  werden«.  Auch  wenn 
dem  Worte  der  pos1|»ositive  Artikel  folgt,  wird  diese  Eigentflmliohkttt 
nach  den  Worten  Masings  »wenn  der  postpositive  Artikel  angefligt  wurde, 
so  verschob  sich  die  Akzentuation  um  eine  Silbe  g^;en  das  Wortende«, 
aufrecht  erhalten,  dagegen  im  Sfldwestmazedonischen,  wenn  der  Akzent 
auf  der  vorletzten  Silbe  steht,  kommt  der  enklitische  Artikel  nicht  in 
Betracht.  Vgl.  auch  Conev  (1.  c.  26).  Im  Dialekte  vonVoden  (vgl.  auch 
Sbomik  1891,  Sofia  S.  1 1 4 — 120)  beeinflussen  der  postpositive  Artikel  und 
die  Enklitiken  das  Gesetz  der  Zweisilbenbetonung  (»ABycpn^HO  yxa^ 
peHHe«)  nicht,  wae  aber  im  Dialekt  von  Prilep  der  Fall  ist  Darüber  sagt 
Conev:  »HanpoTHBi»  urbKh  bt»  HapiqneTo,  kocto  HapeKoxMe  üpiuincKo 
Bjni  TpeTbocpiriHO)  ne  caMO  ^jich'bt'b,  ho  h  owaami  Apyrn  eHiuaiTHKH 
(na  H  HeeHXJDiTHiai)  AiKCTsaTL  na  yAapenHeTo  h  ro  npanUkTB  x& 
ce  MilcTH,  sa  Aa  aaesie  onpiA^jieHOTo  ch  Micro;  tbh  nanp.  KaaearB 
Ha  üpud^ncKO  Hapi^HO  ne  eaMo  rbAHHa — roAteasa,  on»  i^apHi^i< — 
n;ap^aTa,  ho  h:  ocraHsuia  mh,  npoxenn  ce,  na  Aopn  n  A^ceT  napn, 
dejiCHÄ  Benei^,  Öask  Ay^as,  rjiy'a  A,o6kj  cy^arä  sptfa  h  np.  (S.  26). 


Beiträge  zur  serbokroatiBohen  Dialektologie.  34SV 

B<mst  ist  HUB  niehta  aaaloges  bekannt  —  auch  die  polnisehe  ^aohe 
UUIt  die  Enklitiken  anf  die  Betonung  dee  Wortes  nicht  einwirken  —  wo 
diese  EigentHmliclikeit  der  besdirftnkten  Betonnng  so  gnt  im  Worte  wie 
auch  im  Satze  diurckgefObTt  wftre,  imd  fie  Akzentnation  dieser  Gmppe 
der  DialAte  der  Podravina  (Noyigrad-Yiije-BnrdeTec)  ist  volBcommen 
Tom  »Zweisilbengesetze«  (oder  ZweisilbenbetoDiing)  beherrscht,  das  keine 
Ausnahmen  weder  bei  den  selbständigen  Wörtern  (als  Wortakzent),  noch 
im  Satze  (als  Satzakzent)  kennt  nnd  diesen  Dialekten  den  eigenen  Platz 
in  der  serbokroatischen  Betonnng  gibt. 

b)  Verhältnis  der  Quantität  zur  Betonung. 

Neben  dem  Zweinlbengesetze  ist  noch  als  besondere  Eigentflmlich- 
keit  dieser  Dialekte  das  Verhältnis  der  Quantität  zur  Betonung  zu  er- 
wähnen. Wir  wissen,  daß  in  den  heutigen  ätokavischen  und  kajkavischen 
(Dialekt  von  Prigorje)  Dialekten  mit  neuerer  Akzentnation  keine  Länge 
vor  dem  Hochtone  stehen  kann,  dagegen  in  den  Dialekten  mit  der  erhal- 
tenen älteren  Akzentnation  (besonders  Sakavisch)  nur  in  der  Silbe,  welche 
dem  Hoehtone  vorausgeht  und  in  den  Dialekten  mit  der  neueren  Akzen- 
tnation steht  in  solchen  Silben  nach  der  Verschiebung  des  Akzentes  um 
dne  l^be  gegen  Wortanfang  jetzt  der  lange  steigende  Akzent  (wie  z.  B. 
rüka — rükuj  gläva — gläca  Usw.).  Darüber  sagt  Prof.  Leskien  (Unter- 
such, ttber  Quantität  und  Betonung  in  den  slav.  Sprach.  L  S.  74):  »Der 
enge  Zisammenhang  der  Lage  des  Hochtonee  mit  den  Quantitätsverhält- 
nissen des  Wortes  zeigt  sich  vor  allem  in  der  Hauptregel,  daß  vor  der 
Hoehtonsilbe  keine  Silbe  lang  sein  kann,  Längen  abo  nur  in  oder  nach 
der  Hoehtonsilbe  erscheinen  können.  Da  nun  der  Hochton  im  Serbischen 
nieht  mehr  die  alte  Stellung  hat,  sondern  um  eine  Silbe  nach  dem  Wort- 
anfang zu  verschoben  ist,  so  verändert  sich  jene  Regel  bei  Wiederher- 
stellung der  älteren  Lage  dahin,  daß  eine  Länge  nur  in  der  (älteren) 
Hochtonsilbe,  in  der  dieser  unmittelbar  vorangehenden  und  in  den  ihr 
folgenden  Silben  stehen  konnte«.  Doch  finden  wir  im  Öakavischen  (Ne- 
maniö)  einige  Ausnahmen,  welche  Leskien  als  nur  scheinbare  nennt,  wie 
pdtfwöün  (JI.  S.  69),  Upegä^  lepemü  (neb^  tepiga^  lepiga  und  lepdmu) 
in.  S.  16,  ebenso  rävnegäj  rävnemü  in.  S.  26.  Abgesehen  von  diesen 
Paar  Beispielen  kennen  die  stokavischen  und  iakavischen  Dialekte  wii^E- 
lich  keine  Ausnahmen,  so  kann  unser  Dialekt  (Viije)  dieses  Verhältnis 
der  Quantität  zur  Lage  der  Hochtonstdle  nicht  entkräftigen,  obwohl  es 
diesbezfiglich  bei  ihm  ganz  anders  ist.   Hier  ist  die  Quantität  der  der 


J 


346  Fraiyo  Fancev, 

Hochtonstelle  yorangehenden  Silbe  auf  die  Lage  dieser,  d.  i.  die  Hoeh- 
tonstelle  gar  nicht  gebunden,  sondern  mehr  anf  die  Ursprflngliohkeit  mit 
Berfloksichlignng  der  spezifischen  Regeln,  welche  in  diesem  Dialekte  die 
Betonung  beherrschen.  Die  L&nge  der  der  Hochtonstelle  vorangehenden 
Silben  bleibt  gewOhnDch,  doch  nicht  ansnahmslos,  erhalten,  sie  ist  von 
der  Hochtonstelle  ganz  nnabhftngig,  welche  durch  dasZweisUbengesetz  anf 
den  letzten  zwei  Silben  oder  in  yerschiedenen  Kasus  auf  bestimmte  Plätze 
gebunden,  die  Hochtonstelle  wechselt,  die  Quantität  der  Silben  bleibt  aber 
dadurch  unberflhrt.  Nur  einige  Beispiele:  täProd — nä^rod^m^  prUtka 
— ffilikey  vröcina — vröcine  oäer  lä^stavica — lä^stavic — UfistamcaPm^ 
presfica — presUc^m  usw. 

Parallel  mit  den  iakayischen  und  kigkavischen  Dialekten  geht  der 
Dialekt  von  Virje  auch  bezüglich  der  Silben  (in  unserem  Falle  nur  einer), 
welche  der  Hochtonstelle  folgen  und  wie  in  diesen  die  Länge  solcher 
Silben  verktlrzt  wird,  so  auch  hier.  Der  Dialekt  von  Virje  kennt  keine 
unbetonte  Länge  in  der  Endsilbe.  Die  Yerkflrzung  der  Längen  nach  dem 
Hochtone  scheint  älter  zu  sein  als  das  Zweisilbengesetz,  was  wir  aus  den 
Fällen  wiepgd  gl&vg^  na  glciiooy  za  rdkg^  pgd  brädg,  od  gVadi  {glaPd) 
usw.  (von  pdd  glävoy  z&  rdkOj  päd  brädo  dann  zu  pdd  glävo^  zä  roko^ 
pdd  brädo  od  gladij  dann  nach  der  Entwickelung  des  Zweisilbengesetzes, 

pod  glävoj  za  roko^  pod  brädoj  odglädi  usw.)  erschließen. 

Nach  diesem  Verhältnis  der  Quantität  zur  Lage  der  Hochtonstelle 
steht  unser  Dialekt  wie  auch  mit  dem  Zweisilbengesetze  unter  den  serbo- 
kroatischen Dialekten,  soweit  man  sie  heute  kennt,  ganz  vereinzelt;  er 
nimmt  eine  besondere  Stelle  ein  auch  unter  den  kajkavischen  Dialekten, 
welche  unbetonte  Längen  schon,  ganz  wie  auch  das  Slovenische,  verloren 
haben;  dagegen  hat  er  mit  dem  Cakavischen  und  mit  dem  Kigkavischen 
das  Aufheben  der  Längen  nach  der  Hochtonstelle  gemeinsam. 

c)  Silbenakzent 

Wir  kommen  jetzt  zur  Frage,  die  eigentlich  schon  frflher  hätte  auf- 
geworfen werden  sollen,  welche  Akzente  besitzt  der  Dialekt  von  Virje 
(als  Vertreter  der  ganzen  Gruppe  mit  dem  Zweisilbengesetse),  ob  wenig- 
stens hier  eine  Übereinstimmung  mit  den  anderen  serbokroatiBchen  und 
slovenischen  Dialekten  zu  konstatieren  ist. 

Wie  bekannt,  besitzt  das  ätokavische  vier  Akzente,  zwei  nach  der 
Qualität  verschieden,  d.  i.  fallenden  und  steigenden  und  bei  diesen  unter- 
scheiden wir  nach  der  Quantität  je  zwei,  so  bekommen  wir  im  ganzen  vier 


BeitrSge  zur  serbokroatisclien  Dialektologie.  347 

Akzente  und  zwar  eisen  kurzen  fallenden  (bezeichnet  mit  '';  er  entspricht 
einem  nrsprtlnglichen  kurzen  nnd  auch  einem  langen  mit  steigender  In- 
tonation wie  z.  B.  vrana,  mss.  Bopöiia,  böhm.  vrdna)]  zweitens  einen 
langen  fallenden  (bezeichnet  mit  ";  er  steht  auch  gewöhnlich  auf  dem  ur- 
sprOngliehen  Platze}.  Fflr  den  stokav.  Dialekt  gilt  als  Regel,  daß  diese 
zwei  Akzente  nur  anf  der  Anfangssilbe  stehen  kOnnen,  nnd  andere  zwei 
Akzente,  d.  L  der  kurze  steigende(»^ «)  und  der  lange  steigende  (»'«)« neben 
der  Anfangssübe  auch  auf  aUen  anderen,  ausgenommen  nur  die  letzte. 
Das  gilt  aber  nur  fflr  die  Dialekte  mit  der  neueren  Akzentuation. 

Yon  den  kajkaTischen  Dialekten  hat  der  von  Prigorje  ebenso  vier 
Akzente  wie  das  ätokavische.  Roiid  sagt  darflber  (Rad.  CXY.  8.  97): 
ȟ  prigorskom  dijalektu  Setiri  su  akcenta  kao  i  u  stokavaSkom  dijalektn: 
jaki  kratki  "" ,  slabi  kratki  \  jaki  dugi  "  i  slabi  du^  ' .  Sporedna  akcenta 
u  prigorskom  dijalektu  nema.  Akcenat  ""  i  '  ipak  nije  u  svim  rijeSima 
tako  izrazit,  kao  u  StokavaSkom  dijalektu,  jer  se  u  prigoiju  u  nekim  rye- 
Sima,  rekao  bi  iovjek,  kao  zamjenjuju,  t.  j.  mnoge  rijeSi  mogu  imati 
sad  ""  sad  \  Slabi  kratki  ^  rado  prelazi  u  '",  kadu  se  ie&6e  govori«. 
Yaljaveo  nimmt  fOr  das  Eajkavische  (in  semen  Prinosi)  wie  auch  fflr  das ' 
Slovenische  drei  Akzente  an;  ebenso  werden  auch  fflr  das  Öakavische  ge- 
wöhnlich nur  drei  (MaSuraniö,  Jagi6  usw.,  Nemanid  nur  zwei)  angenommen. 
Diese  drei  sind  folgende:  nur  ein  kurzer  (fallender  "")  und  zwei  lange 
(fallender  und  steigender). 

Der  Dialekt  von  Yiije  kennt  auch  drei  Akzente,  aber  drei  nur  nach 
der  Quantität,  d.  i.  kurzen,  mittellangen  und  langen.  Nach  der  Tonqua- 
lität können  wir  weder  in  langen  und  noch  weniger  in  mittellangen  und 
kurzen  Silben  steigende  Intonation  konstatieren,  sondern  nur  fallende 
(oder  wenigstens  keine  steigende).  Daß  wir  wirklich  keine  steigende  In- 
tonation haben,  zeigen  uns  am  besten  solche  Beispiele,  welche  in  slove- 
nischen  wie  auch  skroat.  Dialekten  steigende  Intonation  aufweisen,  die 
ihrem  Ursprünge  nach  in  die  urslav.  Periode  hineinreicht,  weil  sie  gemein- 
slavisoh  ist  Diese  Tonqualität  in  unserem  Dialekte  ist  ganz  identisch 
mit  der  Tonqualität  jener  Beispiele,  die  von  Ursprung  an  (auch  slov.  und 
skroat)  fallende  Intonation  hatten.  Das  sind  folgende  Beispiele:  praPh-^ 
(slov.  auch  prah)  neben  krä^-a  (slov.  kräl-krälfl) ;  Gen.  PI.  gla9f  (zu 
glä^vüy  iiok,  gldva:  glave^  russ.  röjiOBLi  N.  PL  aber  fojiöb'l  gldvä)^  strähn 
(zu  CTopÖHi,  strdnä)  neben  yS^m  (jamay  ^iok.  jUma-jamäj  slov. /aiwo- 
jam)j  düi  (düia^  böhm.  düi\  müh  (mJiAa,  mühäy  böhm.  mtich)\  ebenso 
hrdi^  mäti  (mit  ursprünglich  steigender  Intonation)  zajökoy  vüAo,  m^je^ 


348  Franjo  FftAeev, 

n^lfo  vtBw.  (balg,  omb,  yxb,  Mope,  i3/e6h  usw.  weg«a  faliondar  Intonsr- 
tion)  usw. 

Anftnglioh  waren  wir  dar  Meinung^  daß  der  Dialekt  von  Virje  kouM 
steigenden  Akzente  besitzt,  sondern  nnr  fallende,  und  iwar  kurzen  "^j 
mittellangen  ^  und  langen  "  Akzent.  Um  uns  nicht  nur  auf  d«a  eigene 
Gehör  zu  verlassen,  haben  wir  uns  an  Herrn  Prof.  Resetav  und  an  einige 
Studierende,  die  selbst  dialektologiache  Studien  betreiben,  gewendet;  aber 
weder  Herr  Prof.  Besetar  noch  einer  der  Herren  Studierenden  konnte  die 
steigende  Tonqualität  benMarken.  Auch  ein  geborene  Virovan,  namena 
äiroki,  der  musikalisch  gebildet  ist  und  das  Gymnasium  in  echt  stokayi- 
sehen  Gegenden  (Bjelovar  und  Srijem.  Earlovei]  besucht  hat,  wo  er  uek 
die  gute  stokavische  Aussprache  angeeignet  hat,  konnte  den  ateigenden 
Akzent  für  die  Yirjaner  Aussprache  nieht  bemerken,  seine  Wofte  simd 
»uzdi£u6ega  naglasa  na  nalazim«.  Er  hat  aadi  die  Virjaner  Auaspradie 
in  Noten  gesetzt.  In  sdnen  Noten  unterscheidet  er  auch  drei  (oder  nodi 
besser  vier,  zwei  bei  langen)  und  zwar: 


W¥^^=^     »-t  ^  j^       ^izf.^^^ 


m 


mu  -  ha  bä   -    ba  kd    -  ra 


oder  — 5 


kö    -    re  mu  -  h% 

ba  -b8 

Wenn  wir  kora  des  Dialektes  von  Virje  mit  grada  (Masing,  Haupt- 
formen, nach  Vlajids  Aussprache  S.  77] 


^ 


grä    -    da 
oder  nach  der  Aussprache  Badosevids  im  Worte  aüdim  {stuüm) 

^     I       1=     , 
— ^ —  oder 


SU    -    dim;  sü  -  dKm 

yergleichen,  so  muß  uns  der  Unterschied  zwischen  beiden  sofort  aufSallen, 
weil  in  den  letzten  zwei  Beispielen  [gräda^  südim)  der  hochtoaige  Teil 


Beiträge  zur  serbokroatbcheA  Dialektologie.  849 

der  betontea  SUb«  viel  k<lrseT  ist  als  der  tieftonige  (»der  Ton  fiUlt  plötz- 
tieh,  vtosk  und  imseh  ib  die  tiefe  Lage«,  sagt  Maeing  1.  c.  S.  77);  dem- 
gegenllber  Beben  wir  in  kora  (Dialekt  von  Yiije)  das  nmgek^uite,  der 
hoehtonige  Teil  der  betositen  Bilbe  dauert  viel  Iftiiger  als  der  tieftonige, 
man  könnte  fast  sagen,  daß  wir  liier  eine  ebene  (»die  Stftike  des  Ans- 
atmnngBdmdces  nnd  daher  die  Höhe  des  Tones  bldbt  nnvertLndert« 
ICkloiicIi,  Ober  die  lang.  Yoc.  8.  5),  d.  h.  gerade  Länge  haben,  da  der 
tiellonige  Teil  ekie  sehr  kovze  Zeit  «innimmt,  so  daß  dieses  Fallen  der 
Höhe  um  732  iKor  dazn  notwendig  ist,  mn  als  Gieitton  die  hoehtonige  Silbe 
mit  der  Mgeoden  tieftonlgen  zn  verbinden. 

Viel  ansgesproehttier  ist  das  Fallen  der  Tonhdhe  in  den  ansUniteaden 
Langen  wie  in  Beispielen 


oder  — H^ — -  d       oder 


bo  -  ü^  *  ni  -  o@  b&  -  b8  pri  -  pö  -  ve    - 

mu  -  he 

Was  den  stekaTischen  knnen  fallenden  [^)  anbelangt,  welcliem  wir 
den  Iniraen  fallenden  des  Dialdctes  von  Viije  gegenüberstellen  (dooh  sei 
es  hier  gleich  bemerkt,  diese  zwei  nnr  qualitativ  vergleichend),  so  sagt  von 
ihm  Ilasing  (1.  o.  8.  65)  »Außer  in  einsilbigen  Wörteni  hört  man  ihn  (den 
Binsilbenakseat)  auch  in  mehrsilbigen,  doch  immer  nvr  anf  einer  Stelle, 
nämlich  in  der  ersten  Wortsilbe. 

Hier  dürfte  es  wohl  schwieriger  sein,  die  fallende  Bewegong  des 
Tones  wahrznnehmen,  man  empfindet  den  Akzent  nnr  als  einfallen  Iktos, 
der  die  eine  Silbe  mit  knizem  Vokal  kräftig  hervorhebt,  worasf  die  Stimme 
sofort  in  der  folgenden  Silbe  mit  nachgelass^ier  Spannimg  sich  in  Tiefton 
fortbewegt.  €  In  der  Bezension  des  Sajkovidschen  Werkes  >I>ie  Betonung 
in  der  Umgangssprache  der  Gebildeten  im  Königreich  Serbien,  Leipzig 
1901 «  und  der  Besultate  des  Bonsselotsohen  Instrumentes  sagt  Prof.  Be- 
setar  (Arch.  frl.  Ph.  Bd.  24  8.  25 1)  »wo  wir  alle  —  Anhänger  und  Geg- 
ner der  Budmani-Eovaievidschen  Theorie  —  ein  einfaches  Fallen  des 
Akzentes  zu  hören  glauben,  finden  wir  in  obigem  Schema  eine  vollkommen 
gerade  Linie,  was  mich,  aufrichtig  gesagt,  nicht  wenig  wundert,  denn 
es  scheint  mir  noch  immer,  daß  ich  auch  in  solchen  Fällen  wie  S^o,  wo 
also  die  erste  Silbe  aus  einem  einzigen  stimmhaften  Laute  besteht,  ein 
Sinken  des  Tones  in  der  ersten  Silbe  höre;  doch  das  ist  der  Punkt,  wo 


350  Franjo  Fancev, 

ich  noch  am  ehestea  geneigt  wäre,  eine  Eonzession  zu  machen.«  Der 
Akzent  der  kurzen  Silben  im  Dialekte  von  Viije  weist  nach  meinem 
eigenen  Gehöre  und  nach  der  Aufzeichnung  äirokis  auch  kdn  Fallen  des 
Tones  auf,  sondern  zeigt  sich  als  ein  einfacher  Iktus  (wie  möAa,  gglg^ca^ 
bghcnica,  Igh&da^  laldka  usw.). 

Der  dritte  Akzent,  von  welchem  wir  noch  zu  sprechen  haben,  be- 
trifft die  mittellangen  Silben.  Eine  Silbe  kann  nur  dann  mittellang  sein, 
wenn  sie  betont  ist;  unbetonte  Silben  können  nur  kurz  oder  lang  sein, 
unter  welchen  Bedingungen  eine  Silbe  mittellang  wird,  sind  wir  nicht  im 
Stande  zu  sagen,  ebenso  in  ursprünglich  betonten  wie  unbetonten,  mit 
ursprünglich  steigender  wie  auch  fallender  Intonation.  Der  mittellange 
Akzent  ist  ein  ausgesprochen  fallender. 

So  haben  wir  im  Dialekte  von  Virje  zwei  Akzente  mit  keiner  ausge- 
sprochen fallenden  Intonation  (kurzen  und  langen)  und  den  dritten  aus- 
gesprochen fallenden. 

Die  Stelle  des  Akzentes  selbst  spricht  fOr  die  fallende  Tonqualität 
der  betonten  Silben;  auf  den  zwei  letzten  Silben,  welche  allein  in  unserm 
Dialekte  betont  sein  können,  standen  schon  frflher  (vgl.  das  Cakavische) 
gewöhnlich  die  Akzente  fallender  Tonqualität,  und  dann  haben  nach 
diesen  aus  Vorliebe  zur  Ausgleichung  auch  die  Silben  mit  steigender  Ton- 
qualität die  Qualität  jener  angenommen.  Hier  können  wir  gleich  erwäh- 
nen, daß  dieser  Dialekt  die  Unterscheidung  verschiedener  Formen  durch 
verschiedene  Tonqualität  aufgegeben  und  die  Unterscheidung  durch  ver- 
schiedene Quantität  vorgezogen  hat  (z.  B.  kräj — kr^f'u  als  dat.,  kraPju 
als  Loc.  Sing.,  ebenso  ghrazu — gbraPzu^  mostu — mostu^  vddi^  zhnli^ 
ndgi — vfdi  (corf?*),  zetn^i  [zeml€}\  n^gi  (noge*]^  n^bu — ncbu  {nebu)j 
vdli  (Nom.  plur.)  -vfli  (Inst  PL,  auch  voli) ;  koi^i^-k^Äi — koM  usw.). 

Selbst  der  Regel  der  stokavischen  Dialekte,  daß  der  fallende  Akzent 
nur  auf  der  ersten  Silbe  stehen  kann,  widerspricht  unser  Dialekt  nicht, 
obwohl  er  nur  auf  den  zwei  letzten  Silben  den  Akzent  hat.  Fflr  den  Dialekt 
von  Virje  können  wir  noch  eine  besondere  Eigentflmlichkeit  konstatieren, 
das  ist  das  Verhältnis  der  unbetonten  vorangehenden  Silben  zur  Silbe, 
welche  sich  in  der  Hochtonstelle  befindet  und  diese  Eigentflmlichkeit  er- 
klärt sich  aus  der  Natur  der  Akzente,  welche  fallend  sind;  jedes  Wort, 
welches  den  Hochton  nicht  auf  der  Anfangssilbe  hat  (aUe  zwei-  und  mehr- 
silbige mit  der  Ultima-,  alle  drei-  und  mehrsilbige  mit  Penultimabetonung) 
wird  in  zwei  Teile  geteilt.  Im  ersten  Teile,  d.  i.  im  tieftonigen  bemerkt 
man  zwischen  zwei  benachbarten  Silben  das  in  kleinem,  was  zwischen  der 


BeitrSge  zur  BerbokroatiBcheii  Dialektologie. 


361 


letzten  tieftonigen  des  ersten  Teiles  des  Wortes  nnd  der  Silbe  mit  dem 
Hoehtone  im  großen,  man  yemimmt  keinen  Gleitton  zwischen  zwei  be- 
naehbarten  Silben,  wie  z.  B.  zwischen  der  betonten  nnd  der  ihr  folgenden 
tiefkonigen,  sondern  jede  Silbe  wird  ftlr  sich  aasgesprochen.  Das  ist  die 
Folge  der  fallenden  Tonqualität  einer  jeden  Silbe,  jede  steht  im  Anfange 
hoher  als  zu  Ende,  die  fallende  Tonqualität  der  tieftonigen  Silben  ist 
besser  bemerkbar  bei  den  langen  als  bei  den  kurzen,  doch  am  besten 
kommt  sie  zum  Ausdruck  vor  der  Silbe  mit  dem  Hochtone.  Da  wir  kein 
Übergleiton  vom  Tief  tone  der  letzten  unbetonten  zum  Hochtone  der  be- 
tonten Silbe  haben  und  da  doch  die  Stimme  eine  gewisse  Zeit  braucht, 
um  die  notwendige  Höhe  zu  erreichen,  so  entsteht  eine  kleine  Pause  zwi- 
schen der  letzten  unbetonten  und  der  betonten  Silbe;  diese  Pause  ist  des- 
wegen weniger  bemerkbar  bei  den  tieftonigen  Silben,  da  das  Intervall  in 
der  Höhe  zwischen  zwei  benachbarten  Silben  ein  sehr  geringes  ist  und 
die  Stimme  eine  sehr  geringe  Zeit  braucht,  um  die  notwendige  Höhe  zu 
erreichen,  dagegen  braucht  sie  eine  längere  Zeit  zwischen  unbetonten 
und  betonten  Silben,  da  hier  das  Intervall  ein  viel  größeres, ist.  YgL  die 
in  Noten  (von  äiroki)  festgesetzte  Aussprache: 


oder 


mä<>j-ld-ca 


8le>  -  pt  -  oa 


b9   Il6  nii   ca 


pri  -  p9  -  ve*  -  äSfi 
Aus  der  Hebung  und  Senkung  der  Stimme  geht  noch  eine  Eigen- 
tOmlichkeit  hervor,  d.  i.  das  angebliche  Vorhandensein  mehrerer  Töne, 
deren  jeder  fflr  sich  Hochton  zu  sein  fflr  das  ungeflbte  Ohr  in  Anspruch 
nehmen  kann.  Diese  Eigentflmlichkeit  ist  so  zu  erklären:  die  Stimme 
bewegt  sich  in  fortwährendem  Heben  und  Sinken  des  Tones  ohne  den 
Oleitton  und  jede  SUbe  hat  eine  fallende  Tonqualität;  es  scheint,  die 
nächste  Silbe  sei  mit  einem  höheren  Tone  gesprochen  als  die  voran- 
gehende und  deswegen  scheint  sie  als  hochtonig.  Ähnlichen  Grund 
werden  auch  solche  Fälle  bei  den  kajkavischen  Schriftsteilem  haben, 
wo  wir  zwei  (oder  mehrere)  Akzente  bezeichnet  finden,  wie  z.  B.  düinö 
(neben  duin6\  vSlim^  cini^  clöviciy  ciövecdnstve  (loc.  sing.},  pöpevcyfu 
usw.  bei  Petretiö,  mat^r^y  beteimk^  sogar  vesele  se  bei  Ifilovac  usw. 


2^2  Frsnjo  Fasoev, 

Noch  einige  Worte  Aber  die  tiefionige  Silbe  naeh  der  Hoditonstelle. 
Von  dieser  kGanen  wir  Masiags  Worte  (L  c.  8.  66)  anwenden ,  der  aagt: 
»la  aUen  diesen  BeispieLeii  wird  aar  die  jedesmal  erste  Sübe  (hier  Paen- 
niitima)  hoch  und  stark  betont,  aUe  übrigen  (Mer  nur  Ultima)  werden  in 
Tieften  und  mit  einem  yerhiUaiismaiMg  geringen  Aufwand  an  8tamndcraft 
gesprochen;  letetere  nimmt  dabei,  innerhalb  des  Tieftenes,  noch  alimAh- 
lieh  weiter  ab.«  Nachdem  unser  Dialekt  nur  den  Akzent  mit  fallender 
Tonqualität  kennt,  so  ergibt  sich  schon  aus  der  Natur  des  Akzeates,  daß 
die  ihm  folgende  Silbe  tieftonig  sein  muß. 

d)  Quantität. 

Der  Dialekt  Ton  Yirje  kennt  dr^  Stufen  Fon  Quantität,  d.  L  Kllne, 
Mitteüänge  und  Länge.  Kliree  und  Länge  sind  die  gew(yfanlichen  Arten 
der  Quantität;  sie  kommen  in  betonten  nnd  unbetonten  Klben  Tor;  die 
MitteUänge  kommt  nur  in  einer  betonten  SUbe,  wenn  aber  eine  solche 
Silbe  den  Akxent  verliert,  so  verliert  sie  anch  die  Ifiittelünge  und  ^eiclit 
sich  mit  anderen  unbetonten  kurzen  Silben  ans. 

Bezüglich  der  Quantität  (d.  i.  nur  der  Eflrze  und  Länge)  gelten  die 
von  Prof.  Leskien  in  seinen  Untersuchungen  über  die  Quantität .... 
(Leipzig  1885,  1893,  Arch.  f.  sl.  Phil.,  21,  24)  au%estefiten  R^eln  im 
großen  und  ganzen  auch  ftr  den  Dialekt  von  Yirje  (z.  6. :  I.  X&hj  ff&ba^ 
rdda  (vodä)  usw.;  11.  düsa  {düiajj  ste^na  (stena),  anaPga  [simga)  usw.; 
III.  slama  (cojöna — sVSima)^  vrana  (sopÖHa),  krava  (Kopöna),  zla^to 
(aÖjroTo),  graPd^graPda  (r6poÄ'B-rdpoAa),  phva  (klruss.  nojLOBdu-plf&va)^ 
dre*vo  {js.^^eBO-drijevo)  usw.  (Unters.  1893.  S.  532  [6]).  Ebenso  bezüg- 
lich der  schweren  Suffixe  (Arch.  f.  sl.  Ph.  21  S.  323),  welche  keine  Länge 
vor  sich  dulden,  stimmt  unser  Dialekt  überein,  z.  B.  rokami — roka^m — 
rokä^j  usw. 

Doch  finden  wir  sehr  viele  Beispiele,  welehe  gegenüber  der  Kürze 
(Begell  und  m,  Unters.  1893)  im  Stokavischen  und  Öakavischen  in 
Yirje  die  Länge  aufweisen,  das  sind  die  Fälle  sekundärer  Dehnung,  wie 
z.  B.:  aloga^  vo^a,  kd£a,  metla^  plece\  die  Länge  des  Nom.  SingnL  in 
allen  Kasus  bei  tä^st^  laPf^  ccfist^  la9zy  vüi  asw.;  die  Loe.  Sing,  wie 
pasiUj  kropuy  bojuy  dvorUf  krokuj  gno/uy  nosuj  rodu^  vozu  usw..  (von 
Nom.  p&st-^^ta  (Ma£.)  post^dsta  (Yuk.)  £ak.  pöst-pdeta  NenL,  mss. 
nocrB-nocTä,  krdp^krdpa  (Ma£.),  iak.  krdp-krdpa  usw.  oder  böf^Vija 
(MaS.)  russ.  Öoh-66h  usw.  Leskien  L;  kraPsta  (Blatter  ^o^to-KopdcTa), 
sräka  («f  ro^o-copÖKa),  bluto  {bläto^OÄOTo}^  bräino  (irJüf}<M$op6mHo)| 


Bdtrige  m  serbokrofttiseheii  Dialektologie.  353 

loe.  aiBg.  /  grä^hu  {ffrAha'jfr&h-a  rop6z^rop6za),  ebenBo  mrSPzu 
(mrtbMi  Kopds'^Mopöaa);  %kra  ^kra)^  Ukra  i^kra)^  Moa  (tüta)^  vUAa 
{vUiia),  kttf^iOna,  n^inniti  (stok.  krifh-klina,  iak.  klin-klina,  tubb. 
BXHB%-iUDiHa,  Btok.  und  6ak.  fiitHÜtiy  nus.  HHTb-HHTH);  c^sta^  treska 
(itok.  c^ta,  trhka  (Splitter);  cäia  (cäta-^ima),  dläka  (dläka)^  gäie 
{gctde)^  kaia  (kaia  Brei),  mläka  {mläka  Lache),  iäka  {icika Handvoll); 
maslo  {mäshj  ni88«  m&cjio),  fcä^au  {cäs^  cäsa^  itok.  SSta-a  Augenblick), 
zm^sU  (stok.  mistig  mas.  mocth),  nfsti^  p^ü,  r^Si^  t^6i^  ty>sü  se  möci^ 
hötU  (Mf^r-tfoern  stoßen)  usw. 

Seknndtre  Verkflrxungen  wurden  schon  erwfthnt  (8.  346),  lA^pod 
glli/oo\  solche  sind  j^qA  podgrMor'  (za  grä^da^^  *pddgräda)f  besrSma 
i^hez  srämy  sräPm-srä^ma)  nsw. ;  ebenso  seknndäre  Yerkflrznng  haben 
wir  in  9ne^kr9niga  [nüjeg-mijega\hlk.  anch  snigsniga  neben  sniga; 
hrPk-hr^ga  (bi^jeg^brijega). 

Ans  den  erwähnten  Beispielen  ist  es  nicht  möglich,  eine  Schlußfol- 
gerung lu  aiehen,  warum  eine  Kürze  yerlängert  wird;  das  Heranziehen 
der  Tonqualität  hilft  uns  auch  bei  der  Erklärung  sekundärer  Längen 
nicht   (Vgl.  Yondräk,  Vgl.  Gramm.  L  218.) 

Die  Dehnung  der  Eflrzen  kann  noch  durch  Position  yerursacht  wer^ 
den;  es  kommt  auch  vor,  daß  die  Länge  von  solchen  Formen,  wo  sie 
durch  Position  yerursacht  ist,  auch  in  die  Formen,  wo  keine  Position  yor- 
fiegt,  eingedrungen  ist.  Kurze  Vokale  werden  in  geschlossenen  auslauten- 
den Silben  besonders  yor  den  Konsonanten  /,  ^,  r,  m,  ti^  ri,  o  und/  yer- 
längert (ebenso  wie  ätokay.  Vondrik  1.  c.  230);  yor  anderen  Konsonanten 
werden  sie  nur  mittellang.  Position  entsteht  auch,  wenn  mit  diesen  Kon- 
sonanten noch  ein  Konsonant  eine  Gruppe  bildet  Z.  B.:  1.  a):  k^n 
[k&i/iaj  Stok.  KQn\  vfii  (üSiia,  stok.  von^vöAu^  iak.  aber  vdn^vd^),  grfm 
{grdma\  9ißl  (stöla^  aber  na  sfoly  St.  atö^  stdla^  iak.  aiol^  aber  stdla)^  mQj\ 
iv^'  {mSja-tvdja)  usw.  ß):  pöp^^dpa  (päp-pdpa,  noirB-non&),  kr(^ 
[krdparkrdp-krdp  [Mai.],  Sak.  krdp^ajj  brät  (auch  brdta-brätnojj  dlän 
(dlanaj  Sak.  dlän-ni)^  gräh  (grähorj  st  grah-graha)^  km^t  {km^ta^y  st 
kmBt)^  zfi-z^ta  usw. 

/}'):  JänhC'läncaj  zdhnc^zdenca^  ühc-ielca,  rastephnc-raste- 
penca,  Iqßtnc-lajqfca  usw.  ß"):  staPrto^tä^rca  (iak.  stärac-stärcdjj 
pa^hc'pä^lca  (iak.  p(Sdac-pälc(i\y  so  auch  zaPjbc^  ikSfihc^  lakbt  (neben 
Okt),  pgk£aOfbc  ipof^^^). 

Was  die  Frage  anbelangt,  wann  eine  Kurze  mittellang  wird,  ist  dies 
ebenso  schwer  zu  sagen^  wie  auch,  wann  und  warum  eine  sekundäre 

Inkir  tta  sUvisoh«  PhUolofi«.  XXIX.  23 


354  Fru\{o  Fancev, 

Länge  (irie  v^a^  k^za  luw.)  entsteht;  nnr  soviel  kann  als  sicher  ange- 
nommen werden,  daß  die  Mittell&nge  einen  Schritt  zur  Verlftngemng  der 
betonten  Kürzen  bildet,  welche  Yerlftngemng  im  Sloyenischen  sohon 
dnrchgefohrt  ist.  In  einigen  Beispielen  wechseln  selbst  ifittellftngen  mit 
Langen,  wie  in  matt  und  mäti  (aber  matqre^  dat.  mä^^rt),  brät-braia 
nnd  brät-bräta  (brät^m  dat.  pl.)  nsw. 

e)  Quantität  der  stammbildenden  Soffixe  der  mehrsilbigen  Nomina. 

a)  o-StSmme. 

Da  einzelne  BofiBxe  meistens  dieselbe  Qnantitätsersoheinmigen  (dar- 
nach anch  dieselbe  Betonung)  aufweisen,  werden  wir  hier  dieselben  auf- 
zählen. 

-47'  -äja  (wie  pot^läj'pol^ictja  (Ausnahme  silaj  -^a  Ochsname}. 

-aV  -aPra  (wie  zlatSfir^  straicfir)  usw.  Ausnahmen:  kQiar  (stok. 
Jcdiar\  so  auch /^fcc/r,  Htar^  ku^ar^  mlinar^  Mar^  iumar  u.  einige  m. 

-an  "äna  (=  stok.  -anin  und  -an)  und  cPn  -aPna  (=  stok.  an)  wie 
a^^lan  -una^  i&pan  (stok.  iüpän);  pura^n,  duhSfin^  riäaPn  usw. 

-a^i  -ä^ia  :  (velikä%  meda%  TomäH^  plemenita^i  usw.). 

-a^A  -a^Aö  :  (teiä^k^  selä^ky  veiöä^k  (vjeitak),  deveta^k  usw.,  Aus- 
nahmen kfzjak  (kdzjak)j  gglgbinak  (stok.  golübinäk)^  rlb-hak  [ribnak\ 
svttjiak,  8ve*cnak  usw. 

-ä^c  "ä^ca  :  [btijä^c^  vikä^c), 

-a^c  -aOca  :  (Grgä'>c,  Uhä^c).       * 

-a^«  -a^za  (Matä^z^  preä^z). 

"ä^s  -ö^Äa  :  {kanä^Sy  Vrbä^s  (Oasse  in  Virje),  viää^s  (Hundsname). 

'äH  'ä^ta  :  zanä%  Hp>ä%  Banä%  holdäH  usw. 

-öV  -2Va  :  vgäe^r^  barbe*r,  gfitl^ty  kvartS^r  usw. 

-f^  -f^a  :  bariky  grabrlk^  spgvednikj  beteznikj  dginikj  Ausnahme 
zastavnik  -^ka, 

-ii  -iia  und  ii  -^a  wie  slcUkÜ^  malUj  gkglU,  sitnU^  aber  kamii 
Aia,  staHii -stä^ma. 

-fr  -Ira  :  pastir,  ieiir^  VelimiTj  Zvgnimlr. 

-€n  '%na  :  ggspgdln^  Severtn,  vlastelin^  (Varoidin'Varaidin). 


.-^s 


-ic  4ca  Wie  papeno-paperica, 
tc  -fca  wie  iS^tc-Sca,  zripciö  ^irepcicüj  Lübic-^ica  usw.,  aber  plt 
mfe,  gradicy  Lukic  usw. 

-^^  -oto  :  £ivgt-iivdfa^  tSpgl^  UkgMiBta^  Aher/alot. 
-oü  -of?a :  h&rigfy  lopgf^  ^dof^  aber  hini^. 


Bdtrige  snr  serbokroatisehea  Dialektologie.  355 

-jtf  'lia  :  iägoi,  CUoi,  häjgi,  migi,  hüdpi,  ktcgi, 
-or  'Ora  :  «yor,  tä^bgr,  cöpgr,  iStgr^  Sddgr  naw. 
-ä^  -t!^  :  hqfdükj  bajük^  klohük, 

-im  'Una  :  bagün  (Sohweinsname),  bggaiün^  ralsun^  aber  söpäny 
pöplün  usw. 

-är  ^ra  :  mehür^  kgaiürj  pandür, 

"ül  -ula  :  poni^  -pasüla. 

-äA  -äAa  :  A8ie«A  -öAa,  /$/mA,  Scw A,  rSj9uA. 

-t!f  -ä;a  :  «favf^;'  -«/aotya  usw. 

fij  a-Stämme. 

^aca  :  vgdaiäca  (todiiiaoa)^  Sfmeiiaca  (sjSmeiiacajj  pgkriväcOy 
IgmacGy  rghäca,  ägväca  f^llotaca)^  slatnAäia  (aVSimnaca)  naw. 

"ora  :  deicäroy  svüäraj  Ukärüf  pecara  nsw. 

-ona  :  riäana  (in  ridä^n\  barui&na^  kafoina, 

-o^  :  kqpo/ha. 

^ia  :  Igpäta. 

"üva  :  driäoaj  fnelSva\  smSvOj  beläva  (KvimBmen);  Afumahmen: 
otava,  paAäva. 

'Ola  :  spiräla,  'ä^ia  :  medä^a^  primaria. 

-8^  :  dq(^la^  kgd^la^  ned"4la;  -hia  :  Marina^  Katöna^  Dorina\ 
-^Rna  :  babeünaj  labeüna^  teteüna,  trneümi^  ggseüna  usw. 

-eolita  ('^thina)  kra^evina,  carevinaj  bä9ndvina  nsw. 

ntoa  :  vgdicGj  baSica^  zimicüj  ko£ic<iy  lä^atatüca  und  -ica :  tattcay 
baniea.  cartca^  kralica,  Nemica,  Svabicay  KraMca^  lavica  usw. 

•^a  :  lutrya,  patoPt^a^  kglija^  tnä^storija,  duhandhja  usw. 

47a  :  kgmia,  ggmila. 

-€|a  :  dofilaj  b^ltla. 

-ina :  batitMj  zidinoj  noitirSmi,  vozarina^  zemfarina]  Tomitia^ 
itefina^  Jakupina^  Lgvt^na^  li'ancina  (Franciscus  und  Francina 
[neben  F^anc9na]  Francüca). 

-9iia  :  b^Kina,  kufiiAa^  tarl^Aa,  slusBna  übw. 

Htto :  rak^ia. 

-^ka :  mgHkaj  sgftka^  cemerikaj  karikaj  kaiika  nsw. 

-^ba  :  ief&dba^  kgsidba^  prgsidba, 

-Sto :  greKbta^  divSta^  m«78to,  sramdta,  strahdia^  aber  dgbrota, 

-oda  :  b^snffcOj  vr^n^ca,  kratk^ca,  cUtQca, 

-oba  :  grdfba^  rugQba^  hud^ba^  aber  vütriba  \^iroba), 

23* 


356  Fnjaio  Ftnoev, 

-8^  :  jabdka^  laldka. 

''^a :  ce<jPäla^  dat^a\  ffizdüla^  Sir^a,  t)»ndi{a(Ealmameii);  kgSUla. 

-üra  :  cotürCf  gud&ra^  glavüraj  divofcära,  pijandüra. 

-äya  :  jarüffüj  pepe^a. 

-ka  :  divQjka^  vretenka^  kokfSka,  pltnoä^ka^  reietka,  slä^mka^ 
ipricä^lkaj  nd^fka^  magarka^  lutgraPnka^  zelenka^  pecenka  qbw., 
aber  i^/ia. 

-ia  :  svfdü^bc^  pogMha^  nä^gMba  usw.  usw. 

y)  Neatrale  o-StSmme. 

"je  :  perje^  Hble^  l9^fe^prQtjey  kameAe^  korSAe^  remede  obw.,  ab«r 
smetjef  latje^  peceAe^  belene,  loieiä^  daiä^  grafü  oBir.,  gen.  Bing. 
amefja^j  lafjä^. 

Avo  :  predivOf  pecivoj  vafivo  usw. 

'tüo  :  klepeialo^  klecälg^  s^dälg  (pL  veiäla), 

'ilo  :  zelenilg,  b^^lg^  c^d'ilg  usw. 

'tvo  -tvo/ä^ :  drüitvg^junä^ctcg^  sirgmäHtvg^  cgvecä^nstvg  usw., 
aber  kumstv^^  luctv^j  gospoctc^^  proklectvf  usw.,  gen.  sing.  Awm- 
stva^  UBw. 

"See  :  gosecej  tqlece^  d^üce  (de^te)^  aber  söncice. 

-^SSe  :  grad'Üce^  jggMice^  tgpgMee^  ietatiice^  dvgrUie^  aber 
eäi^Üce. 

d)  A^ektiTa. 

-ao  (spr.  q^)  -aoa-o,  aber  ä^vini^g^  z.  B.:  gizdqf-gizd&va^  aber 
gizdä^frirOi-g  (Btolz),  ebenso  gdbäf-ggba^vi  (ansBfttiig)  usw.,  aber  krvSy^" 
krvä^va^krva^vi  (stok.  Ä#rat)). 

-ör  (flpr.  o/)  -8ca  -8co  nnd  ^»  -8f?a  -8po,  s.  B.:  brisigfj  zetof^ 
nufdv^dgf'y  krä^ef^  prijat^ef  nsw. ;  Pronom.  A^jekt  haben  nnr  -o/* : 
k<ik^  (ni-j  ne-),  tak^^  g^ok^^  gnakQf^  sakvack^f;  anoh  Aeg^,  Mj^f. 

-fe  (gespr.  if)  -^va -^ro,  aber  Co^va-ivo,  z.B.:  plaH%f  -toa  -S90, 
iUbw  plailivi  -iva  -f«o,  so  auch  lüaitf  (liiäjiv  mit  der  Fleehte  behaftet), 
beteil%f  (kränklich),  marlif  (fleißig)  nsw. 

•^t  -ata  "äto  aber  a^tt  -ä^ta  -äHo.  z.  B.  kösmai  ^aia  -o,  aber  ifco«- 
ma^^'  -a  -o  (haarig),  gölcat-^glcd^ü  (stok.  ^8/ea^  fiadennaekt),  nd/cai 
{rHvcät  nen)  nsw. 

-^^  *a5to  -a«^o,  aber  ä^sti  -a-g  z.  B.:  /itfo«^  "Ksäsia  -o,  aber  ^ 
«a^«^f  -a  -p  (stok.  TJ^a«^  maenla  alba  insigniB),  bo  anoh  c6ba$i  (Ton  hibe^ 
»einer,  der  dieke  Lippen  hat«),  iduaat  naw. 


Beitritge  bot  serbokroatiaehen  Dialektologie.  35t 

"ok  'dka  -0  aber  ^ki  -a  -o  z.  B.:  visok  -vibdka  -o,  aber  vtsoki 
vüoka  -p ;  80  aneh  firgkj  gl&bgk. 

"U  -^ta  -o  oder  it  -ita  -o,  aber  beide  iti  -a  -o  z.  B.  s!^dit  ^srdtta  -o 
oder  AameM^a-Of  aber  srditi  -a  -p  oder  kameniti  kamenita  -p;  mit 
-l<  noch  plemenit  (pldmenit)^  glasgvit  {glasdvit)^  straAgvit  [strahd^ 
vü)  n.  n.  e. 

-ik  -ika  -^kOf  "iki  -a  -p,  s.  B.  o|/t%  -^Kka  -p,  aber  oe/li^t  -a  -p; 
auch  hier  Mft'^  -^ti/i£,  anäliky  gvülik  usw. 

-«1»  -$na  -py  aber  ent  -a  -p,  z.  B.  vöd^n  --vgdi^  -o,  aber  vgdeni 
-a  -g^jöffAbfif  zajöcthnj  pfprbn;  aber  anoh  Sn  -a  -p  wie  in  cr/Sn  -a  -p, 
;sa2Sn  -a  -p,  steklen  usw.,  anoh  -enl  wie  jggnenl  h^teg^  stekleni  -ä^  -$. 

-In  -3/ia  -p,  z.  B.  i^ntn,  maniicin^  strinin  nsw. 

-iti  -5^  -^  neben  -»I  -a  -p,  wie  z.  B.  dargvni  {dardvnx\  kupgvni 
{iupävrd)^  ngcnl^  vratni  {vratnä^  kf^f)  nsw.,  aber  anoh  s^Uni  (z.  B. 
sffdni  de^n)^  letdinf\  de^ne^inij  n^gdd^ini  nsw. 

-M  -a^  -^  neben  ~6ki  -a  -p,  z.  B.  ^<^r^f,  mpiXri,  Mademkä^j 
svüuX^  (z.  B.  svinsk^  mSso)  nsw.,  aber  zenaki^  gpctnski  nsw. 

f)  Betonung  der  Wortformen. 

In  diesem  Kapitel  werden  wir  die  Betonung  der  Wortformen  be- 
sprechen. Da  n&mlioh  einige  Formen  den  Akzent  auf  dem  alten  Platze 
bewahrt  haben  nsw.,  nehmen  wir  hier  nnr  auf  die  Fälle  mit  Endbetonnng 
Rücksicht;  es  ist  wichtig,  hier  auch  solche  Fälle  zn  erwähnen,  wo  sich 
die  Quantität  verändert  hat,  nm  die  gleichlantenden  Formen  wenigstens 
durch  die  Quantität  auseinander  zu  halten,  da  die  Tonqualität  wie  auch 
die  Beweglichkeit  des  Akzentes  aufgegeben  wurde. 

In  der  Deklination  werden  wir  von  einigen  Kasus  sprechen  müssen 
und  die  anderen,  welche  dem  Zweisilbengesetze  folgen,  können  wir  ganz 
unberücksichtigt  lassen.  Bezüglich  der  Betonung  sollen  hier  erwähnt 
werden:  der  Gen.  Dat.  Loc.  Instr.  Plur.  masc,  der  Dat.  Loc.  lostr.  Flur, 
nentr.,  der  Gen.  Instr.  Bing.  Dat  Loc.  Plur.  fem.  bei  den  Substant.;  der 
Gen.  Sing,  fem.,  der  Instr.  Sing,  aller  drei  Genera,  ebenso  der  Gen.  Dat  . 
Loc.  Plur.  bei  den  A^jekt.  Bezüglich  der  Quantität:  der  Accus.  Sing, 
fem.,  der  Loc.  Sing,  aller  drei  Genera,  der  Nom.  Acc.  neutr.,  der  Gen. 
Plnr.  aller  drei  Genera. 

In  der  Koi^ugation  ist  für  die  Betonung  die  erste  Sing.  Präs.  für 
den  ganzen  Sing,  maßgebend;  die  dritte  Plur.  Präs.  weist  eine  eigene 
Betonung  auf. 


358  Frsi^o  Fanoev, 

i.  Sabstanüya.  a)  Masonlina.  Die  Mascaliiia  seigen  Eodbetonung 
gewöhnlich  im  Oenit.  Dat.  Loc.  nnd  Instr.  Plur. ;  in  aUen  diesen  Kmsob 
können  sie  auch  den  Akzent  auf  die  Paennltima  zurückziehen,  doch  nur 
dann,  wenn  diese  Silbe  lang  ist  oder  in  diesen  Kasus  yerlängert  wird; 
z.  B.  cov^k^f:  hapeid?nof  (von  kapetä^njj  ludef^  sinom^  zqiom^  ko^m^ 
siramaPk^m;  koAe*,  vole\  röiä^ve*\  vragi-vrafftni^  pajdä^H  usw., 
aber  auch  hapetoPnof^  orä^cef\  sinom^  siromä^kom ;  pri  *?äi,  v^K; 
klä^firi  (oder  klaftri)^  kravä^ri  usw. 

Auf  dieselbe  Weise,  wie  die  Masculina  den  Dai  Loc.  und  Inatr. 
Plur.  betonen,  betonen  diese  drei  Kasus  auch  die  Neutra,  d.  L  neben  der 
Endbetonung  kommt  auch  diePaenultimabetonungvor,  z.  B.selä^m-^eiam^ 
pere^-peri,  vräHi-^räHi  usw. 

Beztlglich  der  Betonung  im  Genit.  Plur.  (und  Loc.  Sing,  wie  peklü^ 
nebüj  selü)  können  wir  annehmen,  daß  sich  die  Betonung  auf  dem  ElaauSf- 
sufißx  -ov  (-u),  wie  der  Kasus  selbst,  unter  dem  Einflüsse  der  ti-StBinme 
entwickelt  hat,  und  da  dieses  Suffix  -^v  (vgl  klruss.  -iv  wie  rpkxiB, 
KosaiciB  oder  -de  wie  ap^höb,  peM^HÖB,  Hanusz,  Arch.  f.sL  Phil.  VIL 
S.  327,  skroat.  -dm)  lang  war,  so  hat  sich  die  Endbetonung  behaupten 
können;  im  Loc.  Sing,  war  der  Kasussuffix -4«  kurz,  die  Betonung  konnte 
sich  nicht  behaupten  und  sie  mußte  verschoben  werden.  Da  aber  unaere 
Dialekte  die  gleich  lautenden  Formen  nur  durch  verschiedene  Quantitftt 
oder  durch  verschiedene  Stelle  des  Akzentes  (vgl.  Nom.  und  Instr.  Plur. 
kMi^könij  vdli-vfli  usw.),  nicht  aber  durch  verschiedene  Tonqualit&t 
(wie  in  stokav.  Dialekten]  unterscheiden,  so  wurde  notwendigerweise  die 
vorletzte  Silbe  im  Loc.  gegenüber  dem  Dat.  verlängert,  doch  müssen  wir 
gleich  hinzufügen,  daß  dies  nicht  konsequent  durchgeftlhrt  ist,  z.  B. 
dvdru  (dat.),  dvoru  (loc),  so  auch  gndjti-^ndju,  obrazurobrä^zUy  kräju^ 
kräyu  usw.  Für  den  Dat.  Loc.  und  Listr.  Plur.  ist  es  nicht  notwencUg, 
die  Endbetonung  mittelst  der  u-Stämme  erklären  zu  wollen  (wie  dies 
Haretiö  bezüglich  des  Russischen  tut,  vgl.  Bad  Bd.  102^  S.  52);  das 
Öakavische  zeigt  in  diesen  Kasus  bei  den  Stämmen  mit  Endbetonung 
auch  Betonung  der  letzten  Silbe,  z.  B.  popön  (dat.),  popeh  (loc),  popi. 

Die  Länge  im  Qenit.  Plur.  wie  kön^  pol^  sei  usw.  ist  ursprünglich 
durch  nachträgliche  Dehnung  (vgl.  Vondräk,  Vgl.  Oram.  L  8.  193 ff.; 
Sakav.  kmit-a^  Qen.  PL  km^iy  pdp^a^  Qen.  PL  pöpj  rälthral  usw.  Nem. 
£ak.  Stud.;  slov.  könj-  Oen.  PL  kgnj\  skroat  kdit-  Gen.  PL  kdAä  oder 
pole-polä  usw.) ;  sekundäre  Dehnung  haben  wir  in  der  vorletzten  Silbe 
in  Nom.  Accus.  Plur.  Neutr.,  welche  wir  auch  aus  der  Notwendigkdt  der 


Beitriige  zur  sdrbokroatisehen  Dialektologie.  369 

Untencheidiiiig  dieser  zwei  Kasiu  vom  Genit.  Sing,  und  der  gleichlauten- 
den Dnalform  (neben  der  echten  Dnalform  auf  -f )  erklftren,  z.  B.  Ǥ2o/a- 
sela  (N.  Ace.  Plur.),  Siig/a-iitaj  pblejarpola^  p^ojarpera^  J^^^ojar 
jezera^  veiä^la  (viiala  Nem.  11.  8.  11),  r^l^tg^^ieta;  "im^m^na- 
ünena  U8W. 

Diejenigen  Neutra,  welche  im  Nom.  Sing,  endbetont  sind,  behalten 
diese  Endbetonung  in  der  ganzen  Deklination  unverändert,  und  diese 
Bndsilbe  ist  immer  lang  (5akay.  auch  so,  Nem.  ü.  S.  8,  16,  hotji  -a, 
kameAi  -d)  z.  B.  prokJectt? -ä^ -ü^  daiÜe-ä^^xusw.  »Gespenst,  Furcht- 
bfld«). 

ß)  Feminina.  Die  Feminina  haben  im  Gen.  Instr.  Sing.^  Dat  und 
Loo.  Plur.  ausnahmslos  Endbetonung.  Wie  wir  schon  gesagt  haben,  ist 
diese  Endbetonung  unter  dem  Einflüsse  jener  endbetonten  Feminina  ent- 
standen, wo  eine  solche  Betonung  ursprOnglich  war  (z.  B.  5ak.  noffäj 
Gen.  nogiy  Instr.  nogün^  Dat.  Fl.  nogdn^  Loc.  nogähj  lepotär-lepoti^  le- 
poiün,  lepotdnj  lepotäh  usw.);  femer,  weil  die  Betonung  einer  langen 
Silbe  (Loe.  PL  €fij\  sekundäre  Positionslänge)  nach  der  neuen  Betonung 
in  diesen  Dialekten  erhalten  wurde,  so  muEte  sie  auch  hier  im  Takte 
bleiben.  Erst  nach  der  yoUkommenen  Umwälzung  der  alten  (beweglichen) 
Betonung,  welche  in  der  Richtung  vor  sich  gegangen  ist,  daß  je  größere 
Ausgleichungen  zu  Stande  kommen,  wurde  die  Endbetonung  einiger  Sub- 
stantiva  bei  allen  durchgeftthrt,  also  nach  noge^ngg^m^  nogcfimrnoga^j 
u»w.,  auch  hraoe-hrwoom^  hravSfimy  kravä^j^jahoke^  jahok^m^  jaho- 
kä^m^jalokäy  usw. 

Die  Länge  des  Gen.  Plur.  ist  alt,  doch  auch  hier  haben  wir  einige 
Neuerungen.  Der  alte  Unterschied  in  der  Intonation  kommt,  wie  schon 
gesagt  wurde,  nicht  zum  Ausdruck  (z.  B.  n^g  von  fidga,  skroat.  n^^o- 
noga^  sIoy.  noga-ngg^  böhm.  noha^  ab.  nuoh  [nuh]^  nb.  noA),  oder  k^z^ 
g9r  usw.,  wie  strähn  (von  8trä^n[a]^  skroat.  stränä,  sIoy.  strdn,  russ. 
cTopÖH'L),  ^/ä^  (^/dva),  düiuBw.,  wie  SLUch  jä^tn  (yonyäma,  skroat 
jama-jämäj  sloy.  jäma'jam\  müh  (skroat  mühäj  slov.  müh)  usw. ;  bei 
den  mehr  als  zweisilbigen  Stämmen  fäUt  die  Betonung  immer  auf  die  letzte 
Silbe,  z.  B.  wie  lopä%  liüä^d^  prilik  (nach  livädj  Nem.  II.  38)  oder 
desetä^c  (charta  decem  florenorum),  t^ngkZi^  iivotiA  (nach  korenik,  1.  c. 
S.  58)  usw.,  so  auch  macä^h  (8ak.  mä6eh  Lc.  32),  cipel  (calceus),  lal^k 
(maxiUa),  lobfd  (atriplex)  usw.;  neben  jabQk^  jag^d  auch  jä^bok^ 
ja^god.  Die  Endungen  der  (/-Stämme  in  der  i-Deklination  fOr  den  Dat 
und  Loo.  Plur.  wie  auch  im  Instr.  Sing.  -Jörn  zeigen  auch  nur  Endbe- 


360  FmBio  Faiioey, 

tonmig,  z.  B.  kgstjff^  stvafyfm  usw.,  rehjä^m^  rtJ^ä^j^  kgkgijSP] 
kohqijaPj  usw. 

Die  alte  Endbetonung  liat  sioh  in  einigen  Beispielen  aneh  im  Loo. 
Sing,  mit  der  Dehnung  erhalten,  z.  B.  zfmp\  rgke*^  nqge^^  hopV'^  b« 
den  »-Stämmen  in  jpecf,  noh^  (Sak.  no^  oder  nod^,  fei^  oAßsped^  (Nem. 
n.  S.  66). 

Das  Femin.  gospSfi  bewahrt  seine  Endbetonung  in  der  ganzen  De- 
klination. 

2.  AdjektiTa  nnd  Pronomina.  Obwohl  unsere  Dialekte  zw«  ge- 
trennte Anwendungen  der  AdjektiTon,  d.  i.  in  der  bestimmten  nnd  unbe- 
stimmten Form  nicht  mehr  gut  unterscheiden  können,  so  kennen  sie  dooh 
einen  Unterschied  in  der  Quantität,  wenn  auch  ein  unterschied  in  der 
Form  nicht  zum  Ausdruck  kommen  kann;  dieser  Untersdiied  in  der 
Quantität  kommt  meistens  in  der  Bichtung  zum  Vorschein,  daß  die  Ad- 
jektiva  in  attributiver  Stellung  eine  andere  Quantität  als  in  prädikativer 
Stellung  aufweisen,  z.  B.  üah  (spr.  iläp)  släba-slabg^  aber  slä^bi  -a  -o, 
z.  B.  t^j^  v^i^  slabo^  aber  slä^p  de^te^  slä^bi  cov§k  usw.,  so  aucli 
blät^-blatna  -o,  aber  bläHni  -a  -o;  dobf  d&bra  -o,  aber  ddbri  -a  -o, 
cänd^ctfy  cand^äva  -o,  aber  dand^ä^vi  -a  -o,  firgk  hroka  -o,  aber  ür^ü 
-a  -p,  pgboihn-pgb^hni^  ty^Uh-v^tika  -p,  aber  vetiki  -a  -o. 

Die  Endbetonung  ist  gebunden:  an  den  Instr.  Sing.  (-£*m)  ICaseoL 
und  Neutr.,  an  den  Gen.  und  Instr.  Sing.  Femin.  (wie  auch  bei  den  Sub- 
stantiv. o-Stämmen),  dann  an  denGen.Loc.  (-6*-'K)f'k),  Dat.(-6'm-*kll'k), 
Plur.  aller  drei  Genera;  außerdem  weisen  einige  Adjektiva  in  bestimmter 
Form  (besonders  auf  -ski)  Endbetonung  auch  sonst  auf,  z.  B.  trUrwUi9 
-$,  vetr^nt  -a°  -9,  jogik^l  -a^  -ß,  vrätn%  -a^  -^,  mgilA  -o^  -5,  lucki 
-a^  -^  usw.  Neben  den  erwähnten  Fällen  haben  wir  noch  Endbetonung 
im  Gen.  und  Dat.  Sing.  masc.  und  neutr.  nur  bei  vp£*  (derjenige):  «e- 
nogä^y  venomu;  die  übrigen  Kasus  zeigen  auch  Endbetonung,  so  loe. 
ven^niy  dat.  und  loc.  fem.  vene\  acc.  ven$  usw.,  wie  auch  vrl9  i^, 
vrlfm  cgvi^ku  usw. 

3.  Numeraüa.  Bei  den  Numeralia  (cardinalia)  haben  wir  nur  die 
Betonung  jener  von  11  angefangen  zu  erwähnen,  da  jene  bis  10^  welehe 
zweisilbig  sind,  nur  die  Penultima  betonen.  In  der  Deklination  haben 
alle  dieselbe  Betonung  wie  in  den  entsprechenden  Kasus  die  Adjektiva. 
Die  Numeralia  von  11  bis  19  betonen  immer  die  letzte  Silbe,  z.  B.j'ede^ 
najstj  dvanäjstniev^tnäjst;  dvä^des^tt,  tridea^ti  betonen  die  vorletzte, 
die  Zahlwörter  von  bet^deset  bis  devedeset  die  letzte.   Die  Ordinalia  be- 


BeHrSge  zur  serbokroAtiBohen  Dialektologie.  361 

tonen  anBnabrndos  die  Torletste,  so  fhn  drügi  .  .  .  äysiiy  jedenäPjstif 
devffyufijsti^  -^ti :  dvadeseti^dwedeseti. 

4.  Adverbia  (eomparatiya).  Die  Adverbia  eomparatiya  anf-ä^  (=  ^'§) 
betonen  ohne  AoBnahme  die  letzte  Silbe,  z.  B.  raräf^ßriSf^  cisü*j  brie^jisw. 

5.  Konjugation.  Anch  hier  liegt  es  uns  am  meisten,  jene  FftUe  zu 
erwümen,  wo  wir  der  Endbetonung  begegnen,  da  wir  nur  in  solehen 
FftUen  von  der  alten  Stellung  des  Akzentes  sprechen  können,  während 
die  Paenultimabetonung  eine  Neuerung  ist.  Die  Ultimabetonung  kennt 
nur  das  PrSsens.  In  der  1.  Sing,  (wie  auch  2.  und  3.)  haben  unsere 
Dialekte  Endbetonung  nur  bei  den  Verben  der  HI.  und  IV.  Klasse,  in 
wdohen  Fällen  sie  die  ältere  Betonung  bewahrt  haben,  z.  B.  igl^mjefi 
(▼on  i^titiy  stok.  i^Rm)^  trpimJU~trpe*m  (von  ttpl^ti,  stok.  irpimj  russ. 
Tepiuib  aber  T^piramii},  drzimjü  (von  driati^  stok.  cß*iim,  russ.  Aepxf 
aber  x^pssmi»),  aber  ttdim  (von  vid'itiy  stok.  vidim^  russ.  BHxy-BKAHmb) 
usw.;  ebenso  herrscht  Übereinstimmung  auch  bei  den  Verben  der  IV. 
Klasse,  z.  B.  ggsHm/U  (you  ggsdH^  stok.  gdsüm^  russ.  ron^,  rocTnmi»), 
veseRm  (von  veseriti,  itok.  vesiRmj  russ.  Beeejob,  necaiHmL)  usw.,  aber 
hdaim  (tou  ngsiti^  stok.  näsim,  russ.  Honrf ,  aber  H6cHmi>),  vSdim  (von 
voditij  stok.  f>id%mj  russ.  Bosy,  aber  BÖAimii»)  usw.;  g^enllber  dem 
msaiaehen  roBop^roBopHnn»  haben  wir  govStim-^S  usw.,  StoL  auch  gd~ 
vorifn  (=  *govdrim),  vgl  Vondräk,  Vgl.  Gramm.  S.  199  ff. 

In  der  3.  Plur.  haben  die  Verba  aller  Klassen  Betonung  auf  der 
letzten  Silbe  mit  Ausnahme  jener  der  III.  und  IV.  Klasse,  welche  in  der 
1.  Sing,  die  Paenultima  betonen;  wo  noch  in  der  3.  Plur.  -^jo  (eju)  und 
-Hiffo  (-q;'t<)  gesprochen  wird,  wird  die  vorletzte  Silbe  betont,  z.  B.  pl^to^ 
P^i  r^^^,  mgrfj  dignQ^  sian^^  razmQ^  leßj  drie^  ggsüe^  ve$eß^  pti^^ 
di'läPj  ber^f  igl^^  zgv^j  kopüjQ^  gospgdüj^. 

g]  Enklisis  und  Proklisis. 

Eine  Eigentflmlichkeit  unserer  Dialekte  besteht  auch  darin  —  was 
wir  flbiigens  schon  erwähnt  haben  — ,  daß  die  Enklitiken  und  Proklitiken 
die  Betonung  beeinflussen^  und  zwar  in  derBichtung,  daß  das  Zweisilben- 
gesets  auch  im  Falle,  wenn  einem  Worte  eine  oder  mehrere  Enklitiken 
folgen  oder  einem  einsilbigen  Worte  mit  kurzer  Sübe  eine  Präposition 
vorangeht,  aufrecht  erhalten  bleibt.  Dasselbe  haben  wir  bei  einigen  bulga- 
risohen[mazedonischen]Dialekten,s.  Coney,3ayAapeHHeTO. . .  S.A.  aus  dem 
Bbom]kSofial891,Masing,l.c.S.109— 110).  Beispiele:  dem  Worte  folgen 
Enklitiken:  tMl^micc^  ^  taktf  ieteg^  vozü  «$  ^^  zemi  mü  goy  Jcqj  ii  «$ 


362  Fnmjo  Fuicey, 


jq  Mjalj  veda  tni  se  usw.,  dem  Worte  gehen  Proklitiken  yoraa:  za  groi^ 
na  stolj  na  vrt,  na  kr  st,  na  rit\  po  ^o,  prS  nem,  pri  Ai\  naP  m^,  po 
mq,  po  käj  iiBW.y  aber  na  n^s,  za  lä%  pgd  vQs  (voz)  usw. 

B.  Formenlehre. 

I.  Deklination. 
1.  Nominale  Deklination,     a)  o-Stibnme. 

Im  Smgnlar  weisen  die  0-Stftmme  (Maao.  nnd  Neutra)  nnr  wenige 
Verändernngen  auf.  Nominativ,  Genitiv,  Dativ  haben  keine  Entwickelnng, 
durchwegs  alte  Formen  erhalten.  Accus.,  Sing,  hat  hier  einen  Schritt 
weiter  gemacht  als  im  §tokavischen.  N&mlich,  was  mehr  syntaktische 
Eigentümlichkeit  ist,  der  Genitiv  steht  fOr  den  Accusativ  nicht  nur  bei 
lebenden  Wesen,  sondern  auch  bei  leblosen  Dingen,  wenn  diese  ohne 
Präposition  stehen,  wie  z.  B.  mekni  toga  atola  fkräj\  ja^  «hm  zguhü 
mojega  noza  usw. ;  diese  Erscheinung  steht  schon  im  XVL  und  XVII. 
Jahrh.  bei  den  EaJ-Schriftstellem  vor,  wiePergosiö:  Dekrettim  koterega 
je  ,  .  .,  bei  Vramec,  gda  vre  daju  od  sehe  saada]  dobrovero,  kriöansko 
Ijubav  i  sada  dajoöt  (S.  10),  dura  duha  svetoga;  diceü  boga  %  mtra 
Ijudem  nazvesöaiuöi  usw.,  oder  in  der  Kronika:  toga  svieta  boÜim 
premeni.  Bei  Petretiö:  jednoga  novoga  katekizmtda]  ar  vu  toUkcm 
vremene  sünce  svojega  kolobära,  imenom  Zodifikma,  cez  jedno  leio 
obhdgya  usw.  Die  alte  Form  des  Accus,  hat  sich  in  zamoi  (zamuz)  üi 
erhalten,  welches  als  ein  einheitliches  Wort  aufgefaßt  wird  und  von  ihm 
ist  ein  Adjektiv  zamohn  (heiratsfähig)  weitergebildet. 

Locat.  Sing,  zeigt  uns  dieselbe  Ausgleichung  wie  auch  in  stokav. 
Dialekten,  d.  h.  einerseits  Anlehnung  an  den  syntaktisch  nahestehenden 
Dativ,  andererseits  das  Annehmen  der  Form  der  t^-Stämme  fflr  den  Lo- 
cativ.  Die  kajkavischen  Schriftsteller  des  XYI.  Jahrhs.  (Pergosiö  und 
Vramec)  zeigen  noch  gewöhnlich  die  alte  Endung  e  (Pergosi6  sogar  mit 
ziemlicher  Eonsequenz  e  nach  den  harten  und  t  nach  den  weichen  Stim- 
men), die  Schriftsteller  des  XVII.  Jahrhs.  schon  regelmäßig  ein  Uy  welches 
im  XVI.  Jahrh.  noch  äußerst  selten  vorkommt,  z.  B.  Pergosi^:  orsage 
E^ap.  11,  80,  n.  5,  iivote  Kap.  63,  dvore  Kap.  U.  18,  spole  U.  51,  eiole 
n.  52,  aber  tituluH  Kap.  9,  41,  i?  svojem  kotari  (r  ist  weich  hier;  gen. 
sing,  lautet  kotaria)  Kap.  84,  sudci  IL  65,  na  konci  67,  v  ogni  II.  16 
usw.,  aber  auch  listi  als  Loc.  Sing.  Kap.  43 ;  ein  ti  hat  er  in  iitku,  poslu^ 
oraagu  12,  II.  5,  voüku  II.  13,  betegu  11.  30,  putu  IL  30^  zahgu  IL 


BeiMgB  sor  serbokroAÜsehen  Dialektologie.  363 

71  usw.  beimaso.;  meste^  tyeh^  hiitve^  gospoctvey  kolene  nBw.,  aber 
sugem^  zmenkani  22,  26,  hogteni  76,  imyeni  78,  lici  n.  27  {na  lici 
zemlte)  IIL  3  (po  lid...)  usw.]  u  in  gospoctvu  71  Kap.  Vrameo  kennt 
bei  Maac.  nur  e  und  u  (svete  3,  5,  17,  18  nsw.,  oce  5,  12,  16,  21  nsw., 
ognee  7,  varaie  7,  38,  62,  irale  7  oaw.  Eron.;  u  in  kanovniku^  zaceir 
ku^  boju^  gradu  naw. ;  bei  Nentr.  e  (sehr  selten  «)  und  u  wie  morje  4, 
9,  16,  53,  spravüöe  23,  lete  56  nsw.,  Eron.  aucb  rnarju]  nur  in  Po- 
atiUa  ein  t  in  znameni  lA  {po  predebtve  %  znamem)^  cinjeni  15  {vsakatn 
za  to  dele  %  cmfeni  naiem).  Im  XVII.  Jahrb.  ist  schon  das  e  sehr  selten 
nnd  das  gewöhnliche  SnfBx  ist  im  Loc.  Sing,  ein  u. 

Ein  Best  der  alten  Endung  im  Loc.  Sing,  ist  in  i^pozutri^  erhalten, 
wo  der  Beflex  des  akslay.  'k  in  unbetontem  Auslaute  zu  einem  t  wird 
{pozutri  libermorgen,  zutra  morgen).  Ob  auch  vraglf  (von  o  vrage*  — 
beim  Teufel)  hierher  zu  rechnen  ist,  ist  schwer  zu  sagen;  nach  seiner 
Form  wie  auch  nach  der  Bedeutung  könnte  es  ebenso  SinguL  wie  auch 
Flur.  sein. 

Im  Plural  kennen  die  Dialekte  der  Podravina  die  Bildung  durch  den 
Erweiterungssuffix  -ov,  ausgenommen  den  Oenit.  Plur.,  nicht,  sondern 
nur  solche  Formen  wie  pSpi^  vdlij  aini  (Nom.),  Hn^mj  pgpQm  (Dat), 
sine  (Accus.)  usw. 

Die  alte  Form  fltr  den  Oenit.  Plur.  haben  nur  einige  Masculina  er- 
halten, die  regelm&ßige  Bildung  dieses  E^asus  ist  durch  den  Bildungssuffix 

der  tf-Stamme  —  (gespr.  Qf) ;  die  Neutra  dagegen  haben  die  alte  Form 

des  OenitivsPL  gut  aufbewahrt  und  nur  diejenigen  Neutra,  welche  in  der 
auslautenden  SUbe  eineEonsonantengruppe  haben,  können  eine  Analogie- 
bildung nach  der  adjekt-pronominalen  Deklination  mit  dem  Bildungs- 
sifffixe  i^  haben.  Die  Masculina  mit  der  alten  genitivischen  Form  sind 
köA-k^n^  z6p{zubyz9p,  p^nü^zi-pfnes]  bei  den  Substant.,  welche  junge 
l^ere  bezeichnen,  wie  gd^Ui  (von  gaska)  -g^stCj  pürici  (pura)  -puricj 
rä^cici  {raca  Ente)  -rcficic^  tetici-ielic  usw.,  zuletzt  bei  einigen  Substant. 
mit  beweglichem  e  {^^  Stok.  bewegliches  a),  wie  z.  B.  Idmcy  Ic&mc^  zvdmc, 
rezdmcj  kläftf  [klaftar\  l^enidfci^  Mijglcfind^  tjSd^f  h&vT^c  usw.,  im 
Oen.  PI  l^mcj  kQmc^  zvQrvbCj  rezä^ncj  klaPft^j  Senidvbc^  MijglSPmc^ 
tjen  (von  tjednyn^jenYimjed^\  nQ^yiCy  plicend-pticinhc. 

Einige  Masculina  können  die  Endung  der  i-Stämme  haben,  wie/o- 
r^U^  kKfiftri^faPH  (hmt),  aber  gewöhnlich  sagt  man  doch  \udef  und 
▼iel  seltener  \udi. 


364  Fn^jo  Fmic6t, 

Bei  den  Nentren  Bind  die  gewöhnlichen  Fonnen  Yri^sitg^sit^s^lo-^ly 
jetra-jetf,  vraPtorvraH^  stMlo-siekly  sC^gno-siegn  neben  sieffne^,  pUmg- 
plsm^j  zrcalg-zrcä%  kofitg^kQrit^  fm^tmSn,  vim^-vimen. 

In  Dat  Log.  nnd  Instr.  Plor.  kommen  bei  den  Mascolinen  nnr  die 

alten  Formen  (^M^])  ^^-^  (^  locai  -*6X''^)  ^^^  ^  (neben  »  ftir  in- 

(gtmment.  ^);  im  Instniment.  die  Endung  -fnl  deri-Stftmme.  Das  loca 
tiyigche  ^  erklären  wir  ans  dem  älteren  *e*j  (-'kX 'k  wie  anch  ä^j  fDr 
-a)fik  wie  ienäy-^iHAXik  nsw.).  Neutra  haben  die  alten  Formen  fSr 
den  Loc.  und  Instr.  Plur.  bewahrt,  dagegen  fOr  den  Dat.  Plur.  kommt 
als  gewöhnliches  Bildungssuf&x  die  Endung  Him\  wir  haben  auch  -q;' 
und  ami  fOr  Loc.  und  Instr.  doch  solche  Formen  sind  gar  nicht  llblich. 
Im  Instr.  begegnet  anch  bei  den  Neutr.  die  Endung  -mi  der  t-Stibnme. 
Das  locativische  e*  («)  ist  ebenso  zu  erklären,  wie  auch  bei  Mascul. ;  das 
{  yerhält  sich  xu  ff  auch  hier  so,  wie  schon  bei  »pozütri*  gesagt  wurde, 
ein  e*  in  auslautender  unbetonter  Silbe  wurde  verkfirzt  und  reduziert  sa 
i.  Die  Ausgleichung  dieser  drei  Kasus  durch  eine  Form  (wie  im  ätokayi- 
schen)  kommt  nie  vor. 

Einige  Beispiele:  Dat  mascul.  sveti  Ojurgj. /iß  giizda  kurjaPkom 
oder  kurja9k$mj  vraPcem^  kgiüm^  vglom  usw.,  neutr.  seläm-aela^m^ 
vrä^täPtn^  kglaPm  usw.;  Loc.  kgAe*'kfn%f  vote^-v^li^  aber  nur  pgpe^^ 
zgbe\  z^pe^y  Äo/S'usw.;  neutr.  seU^^aelij  po\e^'pQj^^  kQll^  ora^ß  usw.; 
aber  auch  kglcPj^  vrataPj  und  besonders  häufig  bei  rukaf^jy  pnaPj 
[prse%  jetraPj  {Jetre*)^  pluiaPJ [pluce^)  usw.;  Instr.  8  koMiz  vQli  (voU 
auch),  cgv^kij  zgbmi  (auch  zgbni)^  vragm%^  ludml  usw.,  neutr.  vrä^ti^ 
kQlij  seit,  drevmij  leHmi  (letima,  zle^ti}  usw.;  zuletzt  noch  kölSmif 
vräHümij  slgvämi  usw. 

Die  Nachbildung  nach  den  Endungen  der  a-Stämme  (-am«,  "Ochhj 
•^mi)j  begünstigt  durch  das  a  des  Nominat  und  Accus.-PluraL,  kommt 
bei  den  Neutr.  schon  im  XVI.  und  XYII.  Jahrh.  und  zwar  im  Lokal,  ein* 
mal  auch  bei  Mascul.  Pergosiö  hat  dugovaniah  59,  63,  121  Kap.;  das- 
selbe auch  bei  Kuku).  in  einer  Urk.  aus  dem  J.  1598  (Nr.  331);  Petretiö 
hat  dugovaniah,  pistnah  (45),  srdcah  (117)  usw.,  ErajaSeyi<5:  polyah 
(354),  bei  den  Masc.  kommt  im  Beispiele  po  svo/ih  lütyah  (Kuk.  Nr.  335 
J.  1598). 

Die  alte  Endung  -» im  Accus.  Plur.  hat  sich  nur  in  einem  Beispiele 
erhalten  und  zwar  in  na  Viri,  z.  B.  idem  na  Viri  usw. 

Was  die  Dualformen  anbelangt,  so  können  die  Masoulina  die  Duat- 


BeiirSge  snr  serbokroAtisoheii  Dialektologie.  365 

fonn  fttr  den  Nom.  und  Aecns.  haben,  doch  kommen  ziemlich  hftofig 
auch  die  Plnralformen  ror;  besser  sind  die  Doalformen  bei  den  Nentr. 
erhalten.  Es  wird  gesproohen:  dvä^  k&i^,  dm^  Ddla^  tri  cgvi^ki,  ceüri 
fVfca  (pyara/?)  aber  auch  dm^  Ä8Ät,  dva^  vUi^  caviü,  cetiri  pVfci^ 
racaPkij  ffdttSPki  osw.;  aber  gewöhnlich  nur  dve^  sSl^^  tri  Utq^  cetiri 
dre*v^  naw.  Die  Formen  fttr  den  Gen.  Loc.  nnd  Dat.  Instr.  sind  spur- 
los Torloren  gegangen. 

b)  o-StSiome. 

Anöh  bei  den  Femin.  haben  die  Dialekte  Podravinas  keine  nenen 
Formen  geschaffen;  sie  halten  an  den  alten  Formen  fest.  Im  Dativ  nnd 
Locativ  wären  wir  fttr  unsere  Dialekte  mehr  geneigt,  die  Endung  i  nicht 
als  Verallgemeinerung  des  f  der  weichen  Stämme,  sondern  als  eine  laut- 
physiologische  Entwickelung  eines  kurzen  geschlossenen  f  (t:)  in  unbe- 
tontem Auslaute  zu  erklären.  Was  uns  dazu  führt,  ist  das  Eajkayische 
des  XVI.  und  XVII.  Jahrhs.  Während  Pergosid  (Dekretum  1574)  auch 
hier  wie  bei  den  o-8tämmen  (masc.  und  neutr.]  noch  gut  den  Unterschied 
zwischen  den  weichen  und  den  harten  Stämmen  kennt  und  bei  den  wei- 
chen nur  ein  t,  bei  harten  dagegen  nur  ein  e  vorweist,  wie  z.  B.  devoikey 
iene  usw.  (dat.),  aber  voli  (5  Kap.),  meäi  usw.  oder  hratie  (36  Kap. 
sesire  (34  Kap.),  süe  (78),  vode  (133)  usw.,  aber  zemli  (Kap.  133  »na 
vode  i  na  zemli^)^  vu  kakove  gode  gracke  medi  (Kap.  29),  po  pogkp- 
vnikove  nUloM  (IL  64)  usw.,  kennt  Vramec  diese  Unterscheidung  nicht, 
er  schreibt  ebenso  zemli  (Post.  5. 20),  wie  zemle  (Krön.  1, 3, 12, 25  usw.), 
^tfmmct  (Krön.  45),  sber  postele  (Krön.  52)  oder  zemlje  (Post.  4,  16), 
pustine  (Post.  10,  13),  miloSce  (Post.  2),  oitarie  (Post.  15)  usw.,  also 
schon  vorherrschend  ein  e  auch  bei  den  weichen  a-Stämmen,  wie  bei  den 
harten  ausnahmslos.  Das  XVn.  Jahrh.  weist  bei  harten  wie  bei  weichen 
nur  ein  e  (siehe  Petretiö,  KrajaSevid,  Milovec, •  Habdeli<5  usw.);  die  kaj- 
kavischen  Urkunden  (Starine  30)  aus  Koprivnica  1636  und  1644  haben 
tf,  seltener  ein  «,  wie  z.  B.  o,  pri  Koprivnice,  v  cirkve^  na  Komamice^ 
aber  pri  Koprivnici  (1636),  na  ove  kraine  aber  v  ikoli  (1644);  Ur- 
kunde aus  Sigetec  1639  (Starine  30)  nur  ein  «,  wie  po  volje  und  pri 
Draoe.  Daraus  sehen  wir,  daß  man  in  kajkavischen  Dialekten  frflher 
an  VeraDgemeinemng  der  Endung  der  harten  Stämme  als  jener  der  wei- 
chen denken  mflßte  und  doch  haben  heute  die  kigkavischen  Dialekte  ge- 
wöhnlich ein  f  in  diesen  zwei  Elasus.  Unsere  Vermutung  betrefEs  der  laut- 
physiologisohen  Ikavisierung  der  geschlossenen  kurzen  f  in  unbetontem 


366  Franjo  Faneer, 

Auslaute  unterstützen  auch  einige  Beispiele  aus  dem  KajkaTisehen  ans 
Virje.  Im  Dat.  Sing,  haben  wir  keine  anderen  Beispiele  mit  Endbetonung 
als  gospe*  (von  gospdfi),  im  Locai  dagegen  mehrere  und  zwar  haben  wir 
in  solchen  F&llen  nur  ein  J*'  (-t:)  aber  nie  ein  i  (das  Zeichen  '  drflckt  hier 
keine Tonquaütät,  und  die  Länge  ist  durch  Betonung  verursacht);  ein  -^' 
(lang,  als  Reflex  des  akslav.  -*K)  steht  nur  in  betontem  Auslaute,  wie  z. 
B.  zqmle*^  gö^P^*)  roke*,  vode*,  noge^j  kope^  (Straßengraben),  ein  t  (durch 
Reduzierung  des  kurzen  geschlossenen  ^  als  Reflex  des  akslav.  *k  in  kur- 
zen Silben)  in  unbetontem  Auslaute  in  denselben  Beispielen,  z.  B.  zemp^ 
r^Kij  v^cK,  nQgirn&gi  usw. 

Im  Instr.  Singul.  haben  unsere  Dialekte  tfm,  Gm.    Die  Endung  — 

tun 

erklären  wir  als  — [-  m,  welches  -m  den  o-Stämmen  (masc,  neutr.)  nach- 
gebildet ist;  das  ö  und  das  u  sind  gewöhnliche  Reflexe  des  akslav.  Nasal- 
lautes -^,  welchen  wir  in  der  Form  Inst.  }KIh;k  (neben  skchoür)  haben. 
Wir  würden  erwarten,  daß  alle  Dialekte,  welche  als  gewöhnlichen  Reflex 
des  akslav.  ^  ein  ti  haben,  auch  in  Instr.  Sing,  ein  -um  und  nicht  om 
aufweisen,  doch  das  ist  hier  nicht  der  Fall.  Die  Endung  -um  im  Instr. 
der  a-Stämme  haben  wir  nur  in  einem  Orte  (ELatalena)  konstatiert,  sonst 
aber  nur  ein  -om.  Dieses  -om  ist  in  den  Dialekten  der  Podravina,  in 
welchen  das  Zweisilbengesetz  die  Betonung  beherrscht,  immer  betont  und 
lang;  die  Länge  des  -^  im  Instr.  (d.  h.  die  Eontraktion  aus  0^  zu  lan- 
gem ^)  weisen  auch  einige  skroat.  Dialekte,  dann  das  Slov.,  das  Böhm., 
das  Poln.  [q)  und  das  £Llruss.  auf.  Daß  unser  -om  wirklich  auf  -;k  zurflck- 
geht,  zeigt  uns  das  kajkavische  des  XVI.  und  XYII.  Jahrhs.  Während 
in  Stokav.  Dialekten  die  Endung  -ov  (von  -OüK-o/u  ttber  ou  durch  Ent- 
vokalisierung  des  o^  zu  ot>)  schon  von  Anfang  des  XTTI.  Jahrhs.  mit  der 
Endung  -om  der  o-Stämme  sich  auszugleichen  angefangen  hat,  zdgen  die 
Eaj-Schriftsteller  des  XVI.  Jahrhs.  u  -um  (Pergos.  und  Vram.)  und  alle 
Schriftsteller  des  17.  Jahrhs.;  -o  -om  weist  nur  Vramec  auf,  da  er  auch 
sonst  den  Nasallaut  7h  mit  o  neben  u  in  gleichem  Maße  wiedergibt  Die 
Urkunde  vom  Jahre  1636  aus  Eoprivnica  (Star.  XXX)  weist  auch  zwei- 
mal {paskumj  volium)  -um  auf. 

Das  Beispiel  auf  -tim,  welches  wir  nur  durch  das  Zuhören  aber 
nicht  durch  das  Fragen  gewonnen  haben,  ist  zjapum.  Die  Endung 
-um  haben  wir  auch  in  Jabu&etar-Babotok  gehört  in  den  Beispielen  zjM^ 
num  zbrmmy  guskum.  Sonst  aber  haben,  wir  nur  ein  -om  gehört  und 


Beitriige  snr  serbokroAtisohen  Dialektologie.  367 

EHch  in  den  Beiträgen  ans  Kopriynica,  EQebine  nnd  PitomaSa  (Zbor.  I) 
gefiinden. 

Vom  Vokativ  haben  wir  Bchon  in  der  Einleitung  gesagt,  daß  er  viel 
hftnfiger  in  den  Liedern  als  in  der  gewöhnlichen  Sprache  begegnet,  die 
ihn  fast  gar  nicht  kennt  (ausgenommen  yereinzelte  Beispiele  ine  boie^ 
ffosponSy  aber  otbcnai),  sonst  wird  die  Form  des  Nominai  auch  als  Vo- 
kativ gebraucht;  beim  starken  Anrufe  wird  die  Betonung  von  der  Paen- 
nltima  auf  die  Ultima  übertragen  und  diese  Silbe  sehr  gedehnt,  wie  z.  B. 
japeif  bacekj  Petrina^  Joiinä  oder  mamicä,  neveatä,  Katenä^  Marenä 
usw.  Bei  weiblichen  Namen  kennt  der  Dialekt  von  Viije  (fOr  andere 
Dialekte  ist  uns  das  nicht  bekannt)  besondere  Form  fttr  Vokativ  mit  einer 
anderen  Quantität  als  in  der  Form  fttr  Nominativ;  bei  einigen  ist  die 
Form  ftr  Nom.  sehr  ungewöhnlich,  so  daß  wir  diese  Formen  als  Kose- 
namen betrachten  könnten,  z.  B.  Maro  (MaPra  ist  in  Vijje  nicht  ttblich, 
man  hört  es  aber  in  ironischer  Bedeutung),  Käto  {Kä^ta,  dasselbe  wie 
bei  MäPra)\  Ddro  (Dora,  ttbllche  Form),  so  auch  Bäro  [Bä^ra),  Jalio 
(Jafilza\  Jäno  (Jä^na)^  JUvo  {Jeva)  usw.,  in  gleicher  Weise  werden  ge- 
braueht  auch  maso.  Mtiko  [*MÜka\  Gjüro  (neben  Gjüro  und  Gjüra)^ 
JUo  (*Joia),  äafo  [*ätefa)  usw. 

Im  Qenit.  PI.  hat  sich  die  alte  Form  mit  Abfall  der  auslautenden 
Halbvokale  erhalten;  neben  dieser  alten  Form  haben  wir  doch  eine  Neu- 
bildung mittels  dnes  -i*;  daß  hier  dieses  e^  nicht  als  Reflex  der  Halb- 
vokale (vgl.  das  stok.  ä)  zu  betrachten  ist,  ist  mehr  als  klar;  ebensowenig 
können  wir  uns  die  Erklärung  Oblaks  (Arch.  f.  sl.  Phil.  XH.  S.  440)  an- 
eignen. Wir  sind  der  Meinung,  daß  die  Endung  -e^,  der  pronominal-ad- 
jektivischen Deklination  entnommen  ist,  wir  haben  also  mit  einer  Ana- 
logiebildung zu  tun.  Diese  Endung  -i*  kommt  gewöhnlich  in  den  Bei- 
spielen mit  einer  Konsonantengruppe  in  auslautender  Silbe  vor,  sie  kann 
aber  auch  sonst  vorkommen,  z.  B.  göske*  (neben  g^nk)^  ruike*  {rühk)^ 
aber  auch  kultko  iene*  (neben  Sdn)^  doch  in  solchen  Fällen  ist  die 
kürzere  Form  üblicher  als  die  erweiterte  durch  i*,  z.  B.  nßg  (HOr'k),  düS 

(Acyiuk)  usw. 

ImDai  Loc.  und  Instr.  kommen  nur  die  alten  Formen  -a^m  (-ail'k), 
'äPj  (-4)f*k)  und  -ämt  (-ailH)  vor;  eine  Ausgleichung  unter  diesen  drei 
Kasus  kennen  diese  Dialekte  überhaupt  nicht;  in  Pitoma6a,  Klostar,  dann 
Zdelice  haben  wir  fOr  den  Locat  die  Form  des  Dat.  gehört,  so  zenäm 
(filr  beide  Kasus). 

Außer  der  Endung  e^  im  Oen.  PL,  welche  kein  kajkav.  Dialekt  kennt 


368  Fra^jo  Fanoey, 

(fliehe  Lokjaiieiiko,  KaHKaB  Hapiide  178,  180),  weisen  nnsere  Dialekte 
keine  YerAndernng  bei  den  o-Stämmen  aof ,  welche  nicht  anch  sonst  be- 
kannt wilre. 

o)  t-Stämme. 

Von  den  i-Stftmmen  haben  sieh  noch  die  Femin.  erhalten,  die  Maaenl. 
dagegen  sind  verloren  gegangen  nnd  zu  den  o-Stftmmen  übergegangen, 
doch  finden  sich  noch  die  Spnren  dieser  Deklination  bei  den  MascnL  in 
einigen  Besten.  Zu  diesen  Resten  rechnen  wir:  pßtem  {voup^t)  als  inatr. 
sing.;  die  Endnng  -t  im  Oen.  PL,  yA<b fä^ti^  for%nti^  m^seci,  doch  pidef 
ist  gew(^hnlich6r  als  lüdi;  Dat.  Plur.  hat  sich  in  der  Form  ludern^  Aecns. 
in  ffoatif  z.  B.  na  gosti  iti  erhalten;  Instr.  Plnr.  -mt  (auch  -m)  ist  der 
Deklination  der  i-Stftmme  entnommen,  z.  B.  rogm%y  zobmv-zoinij  wagnd 
nsw.  nach  Itidml, 

Von  den  Femin.  haben  sich  im  Singnl.  alle  Elaans  nnyerflndert  er- 
halten, und  Instr.  zeigt  nur  eine  Nachbildung  nach  den  o-Stimmen,  z.  B. 
kosf/fm^  latj^m  (zu  l&%  Ähre]  usw.  Im  Plur.  haben  wir  unyerlndwte 
Formen  der  t-Deklination  nur  in  Nomin.  Gen.  und  Accus.,  dagegen  Dat 
Locat  und  Instr.  werden  gewöhnlich  nach  den  o-Stämmen  deUiniert, 
doch  im  Instr.  kOnnen  wir  neben  chni  (nach  der  a-DeUin.)  auch  die  En- 
dung -mt  der  »-Deklination  haben,  z.  B. :  reijdPm^  kürä^m  (nach  der 
a-  und  nach  der  i-DekL),  kläplä9m  (zu  kl9p  Bank),  c^läy  {c¥v  Bohr), 
kos^a^j;  kgsifömi  neben  kgstmij  r^cjamiM^cmij  läHjSmi-laPzmi  nsw. 

Von  der  Deklination  der  konsonantischen  Stämme  hat  sich  so  riel 
wie  gar  nichts  erhalten.  Die  o-Stftmme  (oder  die  M-Stftmme)  sind  dnreb- 
wegs  zu  den  Fem.  der  o-  oder  t-Stftmme  flbergegangen,  kein  *kn  (welche 
Form  noch  Pergosid  III.  str.  36  kap.  >t  ako  sem  kriv,  velik  bete  ff ^  cre- 
voboUna  kry  i  nagla  guta  dapride  na  m««,  und  Vramec  Post  1,  19, 
41  (kerv  alt  kry),  Dil  ^dapride  vsaka  kry  pravdena*^  aber  bei  ihm 
kommt  kry  einmal  als  Accus.  Post.  29  *svetu  kry  svoju  prelea^  neben 
kerv  (1, 2,  5  usw.),  kein  *cirki  nur  cirkva  usw.  Die  MascuL  resp.  Neutr. 
der  ;i-Stilmme  sind  zu  den  Hascul.  resp.  Neutr.  der  o-Stftmme  flberge- 
gangen, kein* kamt {KAWhi)  oder*p/am«(ni\4ll'ki),  sondern  makämen^ 
plämen]  auch  von  d^n  (A^Hk)  hat  sich  keine  Form  der  konsonantisehen 
Deklin.  erhalten;  es  kann  einen  zweifachen  Stamm  haben,  dnen  kurzen 
di'n-'  (gen.  sing.  dS^na^  n.  pl.  de^ni,  gen.  de^nof  usw.),  oder  einen  dmdi 
-fo-  erweiterten:  dn^v^  (g.  sing,  dneva^  n.  pl.  dheti,  gen.  dnevof)  usw. 
Von  der  Deklination  der  neutralen  n-  und  ^-Stimme  hat  sieh  nur  die 
Form  für  Nom.  und  Ace.  Sing,  erhalten,  s.  B.  nrihn^  (spHiiA)  oder  ifh 


BdMge  cor  serbokroatiBolieii  Dialektologie.  369 

(tiaa),  die  HbrigenKaaiui  werden  vom  Stamme  vremenr-  oder  ielet-  nach 
den  o-Stftmmen  dekliniert  Die  «-Stämme  sind  dnrohwegs  zu  den  o-Stftm- 
men  flbergegangen;  einzige  Beate  dieser  Stämme  wären  in  der  Endung 
-e«-,  z.  B.  t^te^Qj  cudesOf  vuiesa  usw.  Dier-Stämme  II4TH  nnd  A'^ujth 
hftben  im  Nom.  Sing,  eine  dreifache  Form  mdi%-fnäter''ma{^a^  ciSr- 
ceroj  und  im  Aocqb.  nnr  mater-^materg  (z.  B.  idi  matörg  pr6sit\  cer^ 
cerp  (z.  B.  cerdje  vdä^l);  in  den  ttbrigen  Easns  wird  maii  nach  der  o- 
DeUination,  et  nach  der  o-  nnd  ^Deklination  dekliniert 

d)  Pronominale  Deklination. 

Im  Sing,  zeigen  die  Pronom.  pers.  ja-ti  nnd  Pronom.  reflex.  dieselbe 
Entwiekelnng  wie  in  stokavischen  Dialekten,  es  treten  auch  einige  Ab- 
weiehnngen  Tom  Stokavischen  henror.  Statt  des  akslay.  as^k,  welches 
noch  Pergosid  (im  Vorworte,  Kap.  I.  77,  m.  36)  nnd  Vramec  (Post.  29)  als 
jaz  kennt,  haben  unsere  Dialekte  nur  tmjä^-Jay  was  unter  dem  Einflüsse 
des  Tokalauslautenden  t%  entstanden  ist;  Gen.  Accus.:  m^n^,  t^bq^  sqb^ 
Dat.  Loc:  m^t,  t^bi^  s^bi;  von  einem  GjurgjevSaner  haben  wir  gehört: 
ja  t^b§  drugSga  pota  ne  däm^  und  es  wurde  uns  gesagt,  daß  man  solche 
Formen  öfters  hören  kann;  enklitische  Formen  f&r  Accus,  und  Dat.  sind 
mf'i^s^^  mi'ti-si.  Im  Instr.  Sing,  lauten  alle  drei  m^m^  i^bontj  s^bom 
und  das  e  ist  hier  nach  der  Analogie  jener  Formen,  wo  es  berechtigt  ist 
(ebenso  im  Dat.  und  Loc.  Sing,  gegenüber  ilkifk),  eingedrungen.  Im 
Plur.  sind  die  alten  Formen  in  allen  Ejisus,  ausgenommen  Accus.,  un- 
berflhrt  geblieben,  also  Gen.  (auch  im  Dienste  des  Accus.)  na%  vä^s^ 

Dat  ncPtrij  va^m^  Loc.  nä^s^  vaPs^  Instr.  namt,  vam%\  enklitische  For- 
men ftr  Dat  sind  näni,  väm,  fOr  Accus.  n&,  vca.  Bei  diesen  zwei  Pro- 
nom. hört  man  auch  in  Zentraldialekten  (Virje)  im  Locat.  die  datiyische 
Form  na^m,  vaPm. 

Die  Beste  des  H-a-i6-Pronomens  sind:  Acc.  Sing,  neutr.  ^,  enkl* 
je  (akslay.  16),  Ace.  Plur.  ^  (enkl./«,  akslay.  faa  masc.  und  fem.),  na 
neben  lie  (enkL  waje^  akslay.  0)  neutr.  Interessant  ist  es  die  Form  Gen. 
PL  ikejg  zu  erwähnen,  doch  diese  ist  yiel  wahrscheinlicher  nach  doSjg 
(A'WBOio)  als  nach  leio  gebildet,  doch  yom  Suffixe  -4)0  (im  Gen.  und 
Loe.Plnr.)  entsprechend  derpronom.-adjekt.  Deklination.  Erwähnenswert 
ist  die  Form  nä^  flir  den  Locat  Plur.,  welche  nach  den  o-Stämmen 
gebildet  ist 

GenitSing.  yonHbTO,  für  welches  im  Nom.  hier  nur -^'gebraucht 
l,  lautet  nur  c^a  [n^c^sa^  nicfia^  sac^a^  kqjecq$a  usw.),  nie  cf^a, 

▲nldT  Ar  gUYlMlM  Pküolosie.    XXIX.  24 


370  Franjo  Fancev, 

c^mu  (rcuoif);  eine  Form,  entBprechend  MCCOU^Yy  ikCOU^  haben 
miBere  Dialekte  nicht. 

2.  Pronominal- adjektivische  Deklination. 

Die  Kasus  nach  der  pronom.  Deklination  lauten:  idga^  mdj^ga  (und 
fnojega)  so  auch  dobrögu^  vroc^ga ;  t6mu-'mdj''^mu  [fnöjefnu\  so  auch 
dobrömu-vrocSmu]  tom-mö/em  ebenso  dobromy  vr^dem,  ie^m-moje^m 
(die  Endung  der  harten  Stämme  verallgemeinert),  so  auch  dobre^m-vro- 
ce*m\  im  Plur.  Gen.  und  Loc.  te*-moje^  ebenso  dgbre*  und  Drdce*\  Dat 
Plur.  te^mrmqje*m  so  auch  dobre^m-vröde^m  und  zuletzt  Instr.  t^mi-mo- 
j^mi  ebenso  dobr^mi-vröc^mi.  Die  Kasus,  welche  nach  der  nominalen 
Deklination  lauten,  ausgenommen  Nom.  und  Accus.  Sing,  und  Plur.,  von 
welchen  wir  hier  nicht  sprechen  werden,  sind  te  fnoje^  döbre,  vröce  (wie 
iefie)\  im  Dat.  und  Loc.  möjij  köj'i,  döbri,  vroSi  (wie  z^nt)\  te\  w2',  als 
Dat.  '-/«,  '-m  als  Loc.  (wie  gospe*\  ebenso  v^m*  (als  Dat.  und  Loc.  von 
venaP  >eine  gewisse«);  Instr.  rngj^m-i^m^  dgbr^m-vrddöm  {wie zenöm). 
Die  gleich  lautenden  Formen  der  zusammengesetzten  Deklination  mit 
jenen  der  nominalen  werden  nur  durch  die  Quantität  und  Betonung  unter- 
schieden, so  z.  B.  döbrordobri}  (zusammengesetzt):  ddbra-ddbrg  (nom.) 
oder  so  wie  vrli,  vrlä^^  vrlö  (zu  vrl),  in  der  Anwendung  wird  der  Unter- 
schied beider  sehr  oft  verwischt  und  wo  die  unbestimmte  Form  am  Platte 
wäre,  begegnen  wir  der  bestimmten  und  umgekehrt. 

Es  ist  noch  zu  erwähnen  die  Bildung  des  Genit.  und  Loc.  Plur. 
durch  -^yb;  diese  Form  wird  keine  Neubildung  sein  und  wir  bringen 
sie  in  Zusammenhang  mit  der  dualischen  Form  -oio  (toio)  -IIO  (UOieid); 
Ausgangspunkt  wird  von  dv^g^  i'^^J9)  cetir^jg^  deset^jg  usw.,  welche 
in  den  übrigen  Kasus  gleich  den  Pronominen  und  Adjektiven  dekliniert 
werden  (z.  B.  dat.  Sing,  dve^m^  cetiie^m^  deaete^m,  Instr.  dv^i-deaet^mi 
usw.)  und  schwer  ist  nur  das  zu  erklären,  daß  wir  ein  -^b  und  nicht  -efu 
haben,  welches  dem  akslav.  -cic  entsprechen  würde. 

Die  Zahlworte  von  2  angefangen,  werden  ebenso  wie  Pronom.  und 
Adjekt.  und  zwar  nur  in  den  Kasus  obliqui  dekliniert,  im  Nominativ  wer- 
den dagegen  so  wie  im  Stokavischen  gebraucht,  d.  i.  die  Zahlworte  2 — 3 
verlangen  Dual  oder  Plural,  von  5  weiter  das  Zahlwort  in  seiner  gewöhn- 
lichen Form  und  das  Objekt  im  Genit.  Plur.,  z.  B.  dva  tricetiri  :  cgti'^ka 
oder  cgt>§ki^  iqnq  (Plur.),  sql^l§t§  (akslav.  ciAt-AtT'fe)  aber  auch  Plnr. 
dvä^  p^ra  (neben  dve*  p^r^)  usw.,  pet  k^n^  dqset  zen,  öshtn  sei  usw. ;  in 
den  Kasus  obliqui:  od  tr^'o  svin,  peie*m  kravaPm  (Dat.),  pri  deseüpjg 


BeitrSge  zur  serbokroatisohen  Dialektologie.  371 

hiiSPj^  z  devet^i  cgv^ki,  so  auch  bei  den  größeren  Zahlworten  als  10 
s.  B.  pri  trideset^jo  hüäy. 

3.  Bildung  der  Eomparativa. 

Die  Eomparativa  werden  in  den  Dialekten  der  Podravina  ebenso 
wie  im  Akslay.  anf  zweifache  Art,  d.  i.  mit  den  Suffixen  -jhs  oder  -Sjhs 
gebildet,  aber  mit  dem  Unterschied,  daß  das  s  (ui)  der  Easns  obliqoi  ans- 
nahmsTos  auch  in  den  Nomin.  nnd  Accns.  Sing.  Mascol.  nnd  Nentr.  ein- 
gedningen  ist  nnd  sie  kennen  nur  solche  Formen  wie:  drägii  (aasgespr. 
dräiii)  za  stokay.:  dräziy  akslav.  AP^^hA  (kü)  oder  slajsi  zn  stokav. 
shuUj  akfllav.  CiiaxCAHH ;  ebenso  bdlii,  mSnüy  ffdrsi;  mit  dem  -^'m,  z. 
B.  nave'ii  (zn  stok.  ndvißj  akslav.  HOB'kH),  bogaie^si  (zn  StoL  bogätifi^ 
akslay.  coraTlsH)  nsw. 

Neben  dieser  Bildung  kennen  unsere  Dialekte  noch  eine  andere, 
welche  aber  ausschließlich  nur  bei  den  Adyerbial-Eomparativen  vor- 
kommt; diese  Adverbien  sind  eigentlich  'Neutra  und  diese  stehen  aus- 
nahmsweise ohne  das  i  (lu)  der  ELasus  obliqui,  z.  B.  nove^  [S*  entstanden 
durch  Eontraktion  des  ye  [akslav.  'kie],  akslav.  lautet  dies  HOBlsie)  i 
ebenso  bgga0y  ran^  (ranije)  usw. 

Der  Superlativ  wird  so  gebildet,  daß  man  vor  den  Eomparativ  (sei 
ee  adjektivisch  oder  adverbiell),  näy-  (akslav.  Haii-),  setzt  z.  B. :  näy- 
dragiij  fMfijslijH^  naPjbogate*H\  so  auch  rwPjratie^  usw. 

n.  Konjugatioii. 

Der  Zustand  der  urslav.  Verbalformen  hat  in  unseren  Dialekten  wie 
Oberhaupt  im  Eajkavischen  sehr  viele  Verluste  erlitten.  Das  Imperfektum 
und  der  Aorist  sind  voUkommen  verloren  gegangen,  ebenso  das  Partici- 
pium  praet.  aet  I. ;  die  Form  des  Particip.  praes.  act.  wird  nur  noch  ad- 
verbiell gebraucht;  um  den  Eondicional  auszudrücken  wird  die  Form 
BHUk  des  aoristischen  Optativ,  welche  hier  ftlr  alle  Personen  nur  »5t« 
lautet,  gebraucht.  Das  Futurum  wird  ausgedrfickt  entweder  durch  das 
Praesens  eines  perfektiven  Verbums  (so  auch  im  Akslav.),  oder  durch 
das  Partcp.  praet  act.  ü.  in  Verbindung  mit  i^m,  b^d%m\  in  den  Liedern 
drfiekt  man  es  auf  dieselbe  Art  aus  wie  im  Stokavischen  (nämlich  Infinit, 
mit  cti-c^m},  aber  als  Beeinflussung  seitens  des  Stokavischen.  Eine  ver- 
gangene Handlung  wird  mit  demPerfectum,  welches  vom  Partcip.  praet. 
aet  n.  oder  pass.  mityi^^m-^Tym  gebildet  ist,  ausgedrflckt    Wichtig  ist 

24» 


372  Franjo  Fancev, 

zu  erwflhnen,  daß  sich  den  Verben  der  Bewegung  in  unbestimmter  Zeit 
ein  Supinum  erhalten  liat. 

Aber  nicht  nnr  yerschiedene  Verbalformen  sind  Terschwnnden,  anoh 
sonst  hat  das  Verbnm  Yerlnste  erlitten.  So  ist  durchwegs  Dual  (wie  anoh 
in  Deklination)  yerschwunden;  auch  die  3.  Sing.  Imperat.  ist  verschwun- 
den und  wird  (wie  auch  die  3.  Flur.)  durch  Umschreibung  mittels  nSPj 
und  der  3.  Sing.  (resp.  Plur.)  Praes.  gebildet  Neben  den  Verlusten  kom- 
men auch  die  Abweichungen  in  Bezug  auf  dnzelne  Formen  in  Betracht, 
doch  darflber  bei  den  einzelnen  Verbalformen. 

1.  Praesens. 

In  stokay.  Dialekten  hört  man  noch  als  1.  Pers.  Sing.  ho6u  (jfOUiT;^), 
mogu  (lior^),  ve\u  (sf  auk),  ^o\u  (boauk)  und  tidu  (kh3KA^)i  unsere 
Dialekte  sind  in  der  Durchführung  des  -m  in  der  1.  Sing,  weiter  gegangm, 
da  man  auch  oHmrbbm  ()^oujt^]  oder  morem^  -mrem  aber  auch  ocu 
doch  kein  *mogu  (uor^)  hört.  Reste  der  alten  Personalendung  -^  sind 
r^ko  (d.  i.  in  der  Bedeutung  »ich  sage«);  in  einem  von  meiner  Mutter  mir 
▼orgesungenen  Liede  kommt  es  zweimal  ^idu  Ix  tijapomoci^^  wo  »tc/uc 
in  der  1.  Person  Sing,  steht,  sonst  ist  dieses  >%du€  nicht  flblich,  was 
schon  das  »u<  statt  des  regelmäßigen  o  fdr  den  Nasallaut  ^  zeigt. 

Von  den  2.,  3.  Sing.,  1.  und  2.  Plur.  ist  nichts  zu  sagen,  da  in 
diesen  Formen  gegenflber  den  stokavischen  keine  Abweichung  stattfindet 
Erwähnenswert  ist  die  Eontraktion  der  Endungen  -^KijiRT'k  :  yo  und 
auKTik  :  ajo  zu  ö  und  dP^  welche  in  den  III.  1.  und  V.  1.  zum  Vorschein 
kommt  (z.  B.  razm$  [razumiju],  de^lä^  [zu  djelajti^.  Diese  Eontraktion 
ist  an  Virje  gebunden,  in  den  anderen  Orten  begegnet  sogar  die  Aus- 
dehnung der  Erweiterung  durch  -ju  auch  über  andere  Elassen,  s.  B. 
Pitom. :  budeju,  treseju,  cujej'u,  11.  E^ass.  -eju,  UL  2.  lettju  (von  leCeti^ 
usw.  Diese  Erweiterung  durch  -ju  in  der  3.  Plur.  ist  auch  anderen  kaj- 
kavischen  Dialekten  bekannt  (siehe  Lukjanenko  S.  226 ff.);  bei  Vramee 
kommen  auch  Formen  vor  hoceju  (Post.  9,  44  [2  mal])  neben  ne  iSe/u 
(52,  77)  und  ne  ceju  (33,  81),  daneben  auch  hole  (4,  5  [3  mal],  45  usw., 
nehote  (6,  11)  auch  ne  hte\  hier  können  wir  gleich  hinzufügen,  daß  Per- 
gosiö,  Vramee,  Milovec,  Habdeliö  usw.  auch  die  Form  ho6em  neben  ko6u 
in  der  1.  Sing,  kennen  (Perg.  II.  78  Eap.,  Vram.  Post.  14,  23,  29,  39, 
68  usw.,  Mil.  56,  Habd.  Zerc.  58).  Neben  der  Erweiterung  der  3.  Pbir. 
durch  -ju  haben  wir  auch  die  erweiterten  Formen  mit  -du  in  PitomaSa 
gehört,  und  dieses  -  Ju  findet  man  angeblich  auch  im  Dialekte  von  Va- 


BeitriSge  xnr  serbokroatigohen  Dialektologie.  373 

(vgl.  Lnlganenko  8.  230);  die  Beispiele,  in  welchen  wir  dieses 
-c^u  gehört  haben,  sind  vucidu  se  (neben  vuciju  8«j  vuce  se)  govoridu 
neben  -t/u],  sluiadu  (nnd-a;iu);  in  Zbom.  I.  180  liest  man:  ^naprsten 
zapijadu€^  sonst  aber  nur  btideju,  rastejUj  skubeju,  cujeju  (neben^cu;t<), 
hukneju  (-fiti)  (11.)  glediju^  leüju,  zeliju  (III.)  nsw. 

Von  den  Formen  der  athematischen  Yerba  hat  sich  mit  Ansnahme 
▼on  l6CMk  *sum€  sehr  wenig  erhalten.  Zn  den  Resten  können  wir 
rechnen:  1.  Sing.  [p(h)ve*m  [vem^  vim,  v%jem),j?*m]  dcfim  (zn  znä^tn) 
und  imam  gehören  nicht  hierher,  obwohl  von  imam  der  alte  Infinitiv 
noch  erhalten  ist  %m%ti  (akslav.  hmIlth,  bei  alten  SchriftsteUem  ifn%t%)\ 
1.  Plnr.:  [po)  ve*mo^je*mo\  2.  Plur.:  po-ve^ste^je^ste^  daPste  (akslay. 
B*kCTl,  ucTf,  fi^i^cTi)\  das  -c^  in  der  3.  Plor.  hat  seine  Begründang 
ao8  alten  Formen  B^KA'^'^'^  •  •  -^  obwohl  hier  die  Personalendnng  eine 
andere  ist  nnd  nnr  die  Formen  ppc^df,  J^d^,  dad^  (auch  znadQ)  und 
nicht  *pov^de  nsw.  vorkommen;  dieses  d  ist  nur  anf  die  3.  Pers.  Plnr. 
beschränkt  nnd  kommt  nicht  anch  in  anderen  Personen  wie  im  ätokavi- 
schen  vor,  also  kein  *dctdem,  jedem  nsw.,  sondern  nnr  däm-däPi,  je*m' 
föi  nsw.  Eine  Abweichung  von  den  Formen  lecuk  begegnen  wir  nur 
in  der  3.  Pers.  Sing.  Der  Dialekt  von  Yirje  kennt  die  Form  V^tri^rjest 
nicht,  fttr  ^jeü  kommen  nur/i?  -j^^  (=y*^  +y<^  i^*ch  neje).  Inter- 
essante Formen  fAn^j^ga-ne^ga  (=jest  ga^  neje  ga\  welcher  Bestand- 
teile vergessen  worden  sind  und  sie  werden  als  3.  Sing,  von  den  Verben 
*jegatx  und  *negati  aufgefaßt  und  um  Vorhandensein  oder  Nichtvor- 
handensein von  etwas  auszudrücken  sagt  man:  jqga  ga,  ne^ga  ga\  wir 
haben  in  Vijje  auch  solche  Formen  gehört:  rä^gam  (ich  habe  es  nicht), 
j^gai  (du  hast  es). 

Anmerkung.  Durch  den  Ausfall  von  ganzen  Silben  sind  solche  For- 
men entstanden  wie:  b^m-bQi  usw.,  von  b^dem-b^des  usw.;  hpi  von 
hocei\  nei  von  -ne  hodei  -ne  cei\  Me  von  hodte-hotte  zu  ^ote^  vis  von 
wdü^  vielleicht  nach  der  Analogie  des  Imperativs.' 

2.  Imperativ. 

Im  Imperativ  haben  unsere  Dialekte  nur  noch  die  2.  Pers.  Singul., 
1.  nnd  2.  Plural;  für  die  3.  Person  Singul.  und  Plur.  wird  die  ent- 
sprechende Form  des  Praesens  in  Verbindung  mit  näPj  (zu  Stokav.  neka) 
gebraucht.  In  der  2.  Pers.  Sing,  haben  wir  nur  wenige  Abweichungen 
vom  Standpunkte  des  Akslav.  (und  des  Skroat.  überhaupt),  welche  darin 
bestehen,  daß  dem  akslav.  -/t  gegenüber  nur  ein  •;;'  stehen  kann  wie  im 


374  Fnmjo  FaaeeT, 

dtokayisohen;  es  wird  auch  •^V-gesproeheiiy  z.  B.  pij  nnd/^yt  (akslaT. 
nkH)  »trinke«,  »Hj-züji  (von  zuti  »ausziehen  die  Schuhe«)  (L  7);  Ulej^ 
räzmy  (akslav.  cyMlSH)  (in.  1);  de^laj  (AtLiiaH)  (V.  1);  Vaj  neben  lo^j% 
sSj  neben  se*ji  (V.  4);  kgpüj  und  kgpüji^  ohe^düj  und  ob^düji  (YI).  In 
der  1.  und  2.  Person  Plnr.  werden  die  Personalendungen  an  den  Stamm 
in  allen  Klassen  und  Gruppen  mit  dem  f  (1:)  selbst  nach  den  Palatal- 
lauten verbunden:  nes§te^  dign$te  usw.,  auch  pißte  (n^HTi'pijte  stok.), 
trp$te  (TpknHTc),  mol^mo^fäPl^te^  s^'^te^  kgpüf^te  usw.;  wo  das  -ß 
in  der  2.  Pers.  Sing,  zu  •;;*  wird,  dort  kann  es  auch  im  1.  und  2.  Plur. 
werden,  also  cüj'-cüjmo-cüjte^  deHaj :  de^läjmo'ds^läjte  usw. 

Bei  den  Verben  ohne  thematischen  Vokal  haben  sich  die  alten  For- 
men erhalten  in:  pd-v^c  {c  aus  d  im  Auslaute,  akslav.  B*k;KA^)  und 
jec  (akslay.  IS^KAk);  nach  der  2.  Person  Sing,  wurde  auch  die  2.  Plur. 
gebildet:  pg-v^Sc-te  {*ved^te,  stimmhaftes  d  vor  dem  stinmdosen  t  selbst 
stimmlos], ySc-^  {*jed'te)]  fi^AUk  *dabo*  bildet  den  Imperativ  wie  auch 
SHaTH  :  3HaH  :  znaj'-daj-dajte. 

3.  Imperfekt  und  Aorist 

Worin  sich  das  Eajkavische  des  XVL  und  noch  des  XVIL  Jahrhs. 
von  den  heutigen  kajkavischen  Dialekten  besonders  unterscheidet,  ist  das 
Vorhandensein  der  Imperfekt-  und  Aoristformen.  Die  Eaj-SchriftsteUar 
wie  auch  die  Urkunden  (Eukulj.)  dieser  zwei  Jahrhunderte  kennen  diese 
Verbalformen  noch  gut  (z.  B.  Pergosid  biaie  5  Kap.,  byeie  62,  behu  10, 
20,  govoriaahu  71,  moreie  IE.  15  usw.  als  Imperfekt,  povedah  17,  p<H 
vedahmo  84  usw.  als  Aorist;  Vramec  Post.:  govoriahota  98,  behota  42, 
iskahotaZl^  iskahulZ  usw.  als  Imperfekt,  vmorista  15,  siaie  iOj  Eron. 
povedase  22,  oglasiie  22  Post,  als  Aorist;  ebenso  dasmo  [1585  Hiia- 
novec,  Gredice,  1589  Tmava  NedelisSe  1595  Nr.  322]  usw.  als  Aorist, 
behu  [Tmava  1589],  beie  [Nede}is6e  1595  Nr.  322]  als  Imperfekt).  Die 
heutigen  kaj-Dialekte  kennen  diese  zwei  Verbalformen  nicht  Ich  habe 
zwar  in  einem  Liede  von  meiner  Mutter  solche  Formen  gehört  wie  ^junak 
jo  mo\c&e^  da  ga  ne  ostavlaie€^  doch  die  zwei  sind  der  einzige  Rest,  sie 
kommen  auch  in  den  Liedern  sonst  nicht  vor,  aber  daß  auch  bei  diesen 
zwei  kein  Verständnis  für  solche  Formen  vorhanden,  zeigt  am  besten 
i^ostavlaiet.  Ffir  andere  kajkavische  Dialekte  vgl  Lulganenko  S.  215 
bis  1 1 7). 

4.  Infinitiv  und  Supin. 
Vom  Infinitiv  ist  nur  so  viel  zu  erwähnen,  daß  er  das  auslautende 


BeitrSge  zur  serbokroatiBchen  Dialektologie.  375 

-I  nie  abfallen  Iftfit.  Neben  Infinitiv  lebt  in  den  Dialekten  Podravinaa 
wie  flberhanpt  im  Kajkavisehen  (vgl  Lnkjanenko  8.  219)  in  seiner  vollen 
Oeltong  auch  noch  das  Snpinom  und  es  erscheint  immer  nach  den  Verben, 
welehe  eine  Bewegung  ausdrücken.  Die  Form  des  Supinums  unterscheidet 
sich  von  jener  des  Infinitivs  nicht  nur  darin,  daß  Infinitiv  auf  -ti  und 
Snpin  auf  ^t  auslauten,  sondern  sehr  oft  haben  sie  auch  verschiedene 
Qnantitftt  z4ti  (Inf.),  z4t  (Sup.)  so  aueh  p^ci-pSc^  späti-spä^t;  Beispiele: 
Kad  so  Uli  prvo  noiko  spavat;  odij  zorjOy  sesira  moja^  endo  gledat 
sim ;  ia^alajejocka  iskat ;  idemo  ga  mi  dva  glet  (Zbor.  1. 1 76)  Eopriv. ; 
hajda  spatj  hajda  spat^  ioji  $te  pospani  (Zbor.  I.  193)  Hlebine  usw. 

5.  Participien. 

Von  den  slav.  Participien  kennen  unsere  Dialekte  als  echte  Parti- 
cipien nur  noch  Prtcp.  praet.  act.  n  auf  -/,  und  Prtcp.  praet.  pass.  auf  "cn, 
-n  und  -i\  von  den  anderen  (Prtcp.  praes.  pass.  ist  schon  in  vorhistorischer 
Zeit  in  der  skroat.  Sprache  verloren  gegangen)  Prtcp.  praes.  act.  hat  sich 
wenigstens  seiner  Form  nach  noch  erhalten,  obwohl  es  seine  ursprüng- 
liche partidpieUe  Bedeutung  gänzlich  aufgegeben  hat  und  jetzt  nur  noch 
adverbiell  gebraucht  wird;  Prtcp.  praet.  act.  I  ist  dagegen  gänzlich  ver- 
loren gegangen.  Prtcp.  praes.  act.  wird  so  wie  im  Skroat.  überhaupt  ge- 
bildet, d.  h.  die  Form  des  Nom.  Plur.  Masc.  (akslav.  n/ifTi^uiTC,  \S.A' 
A  AUJTi,  akroat.  pletuöe,  hvaleöe)  wurde  verallgemeinert,  da  diese  Form 
auch  schon  früher  ohne  Rücksicht  auf  Zahl  und  Geschlecht  adverbieU  ge- 
braucht wurde  (vgl.  Zima,  Nekoje  veöinom  sintakticne razlike . . .,  S.  320ff.) ; 
in  unseren  Dialekten  lautet  sie  -öc  (-uc)  und  -ec  und  als  eine  kajkavische 
Neuerung  sind  die  Formen  auf  -c^i,  -cke  (siehe  darüber  Va]avec  Bad  CI 
und  CII  unter  dem  Titel  »Adverbi  na  ski,  ske,  ke,  ce,  ice  u  Eajkavaca« 
und  Lukjanenko  1.  c.  S.  220 — 3);  nur  einige  Beispiele:  plä^S^c,  ktenQc^ 
pitaj9cj  vmtrj'fCj  aber  gewöhnlich  nur  na  lezecj  na  s^dec,  na  klecec,  na 
SepeCj  doch  ckoniecj  spec  usw.;  auf  cki^cke:  abdecke  oder  s^decki,  so 
auch  leieckej  zmerecke  und  auch  na  sedecki/e,  na  leieckt/e,  na  stoje^ 
cki/ey  na  zmereckt/e  usw.  Echte  A^jektiva  sind  geworden:  noseci  nur 
in  noseca  z^na,  onäj'e  noseca\  aber  auch  emj'e  purcaf,  kaktida  hi  bü 
no^2c  usw.  (bedeutet  »schwanger«);  cft^S^r  (wohlriechend),  «mrc^ci  (z. B. 
smrdeci  Martin  Stinkkäfer,  stinkend),  kipöci  (z.  B.  kipoca  vöda  sieden- 
des Wasser),  srbeci  (z.  B.  srbeci  beteg  Krätze,  Jucken),  ckomeci  (z.  B. 
ckameca  sniha  schweigende  Schwiegertochter),  tekoc  (z.  B.  teköca  v&da 
fließendes  Wasser)  usw. 


876  Frai^o  Ftooer, 

Von  den  Partieipien  praet.  act.  n.  und  praet.  paas.  brancben  wir 
hier  Aber  ihre  Bildung  nichts  zu  sagen.  Von  den  Yerba  I.  2  können  wir 
nur  erwähnen,  daß  sie  in  Prtcp.  praet.  pass.  ihre  Sibilanten  naeh  der 
Analogie  der  Yerba  lY.  Klasse  auch  palatalisieren  können,  s.B.  daneien 
neben  donesen,  vgriien  neben  vgrizen,  streien  neben  stresen.  Es  wftre 
noch  zn  erw&hnen,  daß  die  Bildung  des  Prtcp.  praet.  pass.  mittels  des 
Suffixes  't  viel  öfters  als  im  Akslar.  der  Fall  ist;  im  Dialekte  Ton  Ylije 
finden  wir  -^  als  Suffix  des  Prtcp.  praet.  pass.  neben  den  fug^etf  zacet^ 
zety  zakUt  usw.  I  5,  zamrtj  prestrt  (von  -CTp'kTH,  stol  je  prettrt^ 
»aufdecken«),  potrt  1.6;  auch  solche  wie  napit  {jonpiti  »trinken«)  oder 
spit^  z.  B.  vodaje  8  kopane  Bcfi  sptta;  skrit  (you  -KpuTH),  tmit 
(-  U'KITH  waschen),  nadet  (von  A*kTH  tun,  legen),  Mtd  (von  OCOY*****) 
usw.  I.  7;  dann  dtgnot  neben  digiienjpolSgnot  neben  polegnen  usw.  II.; 
zehräH  (von  EkpaTH),  pozvä^t  (von  S'kBATH)  usw.  Y.  3. 

m.  Adverbien.     Präpositionen.     Konjunktionen. 

Die  gewöhnlichsten  Bildungssuf&xe  der  Adverbien  sind  -ce  (-ice)^ 
skije  (vgl.  darflber  Y^avec,  ,Rad<  Gl,  Maretiö  XCYI  ,Rad'  und  Oblak, 
Archiv  f.  sl.  Ph.  XTTI  in  krit.  Anzeigen  S.  609):  höioncey  kasce^  naglafce^ 
pikcdy  gsgfce,  na  lesce  {*leiice)j  pgckgnce ;  pei'ice  usw.,  po  gospdcki 
oder  kaktiy  kak^  käj  göspon),  po  nenski  (deutsch),  po  maderskij  auch 
svinsX^  (oder  käj\  kakti  sviAa\  vlaiM  [oier  po  vlaiki)  usw.,  die  Form 
Instr.Sing.  adverbiell  gebraucht  wie  in  fnä9m  (<^ma^Aam),  redom^  kror- 
dom,j  silQm  (wie  ienQm)  usw.,  mit  der  Präposition:  senUrotn  oder  zmi- 
rom  (»fortwährend«),  zredom(a]f  na  mälom,  na  blizorn,  na  brzom^  na 
skörom  (oder  auch  hlizom^  skorom  (casa)  usw.  Gen.  Sing,  mit  der  Prä- 
position: zrqda^  Btij'aj  auch  postija  von  sh  tihä),  akraja  usw.  Yen  der 
adverbiellen  Anwendung  des  Adjektiv  (Neutr.)  ist  nichts  zu  sagen. 

Den  Adverbien  werden  oft  im  Auslaute  hinzugefflgt:  -m  (z.  B. 
joscem^  potlam,  doklem,  tijam  usw.);  -^^c:  doniac,  dovlaCf  doklaS 
(AOKOii*K  usw.)  usw. ;  -k(a)  tuka,  ovd^k^  ondek  usw.,  -ia  -r(6)  wie  tukar 
ovdekar  usw. ;  beides  redupliziert  ergibt  -karekar[e)  :  iukarekar  (auch 
tukareka)^  tamgkarekar^  simgkarekar  usw. 

Einige  Präpositionen  sind  nur  noch  in  den  Kompositionen  mit  Bub- 
staut.  Adjekt.  oder  Yerb.  erhalten  (wie  pro-,  pre-,  raz-).  IGt  Genitiv 
stehen:  prez^  do,  od^  z  [s]  =  ^,  von  (de)  (z.  B.  ^ne  zihl  8  Üoga  m^to«), 
z  («)  =  HSTk  »aus«  (ex)  (z. B.  vre  si  döila  8  ctrkve) ;  zärad  »wegen«,  krqf 
(kre)j  z.  B.  kr§  m^nq  und  gkräj  (okrq)^  gkräj  hiSh  (»um  das  Haus  her- 


Beiträge  sor  serbokroatifloheii  Dialektologie*  377 

um«),  okolu  (x.  B.  d$ca  se  lovle  okolu  köla),  pdl^g  (i.  B.  pdleg  tvoje 
vöp]>ikBßh  deinem  Willen«;  polef  negve  hize  »bei  seinem  Hause«), 
ober  (<[  *obvrh  »ober«);  mit  Dativ:  k  (welches  sehr  oft  —  ja  gewöhn- 
lich —  aasgelassen  wird,  z.  B.  idem  t^ci  [k  ieci]  oder  idem  starrt  ma- 
tt^ [s  k  staroj  mamici]  usw.),  />o,  welches  im  Aslay.,  wenn  es  »den 
Baum  beseiohnet,  über  den  sich  etwas  erstreckt«  noch  Yorhanden  war,  ist 
in  unseren  Dialekten  auch  nicht  erhalten;  den  Accusat.  verlangen:  v-vu 
»in  nach«,  za  (m  der  Bedeutung  statt  m$8to^  fQr  und  hinter),  na  (wohin) : 
na  FSr»,  na  Mdlve;  wann:  na  rä^^,  ob  (z.  B.  ob  de^n  i  ob  nöc),  po 
(z.  B.  itipo  koga)j  nad^  pod;  mit  Locat.:  v-vu  »in«,  na  (wo:  na  Vire^ 
und  j9o,  pr%\  mit  Instr.  za  (»hinter«,  za  lähn  %ti\  nach  xixkati  za  neK¥m 
(iL  i.  tikati  koga)^  med  »zwischen«,  nad^  pod,  pred,  z-s  (=s  s^  »mit«). 

C.  Einige  syntektische  Eigentflmlichkelten. 

1.  Substantiva. 

Von  der  Kongruenz  der  Wörter  wie  slüga,  jäpajapica  — ,  welche 
ihrer  Form  nach  Feminina,  der  Bedeutung  nach  aber  Masculina  sind, 
wollen  wir  nur  soviel  sagen,  daß  sie  in  unseren  Dialekten  xarä  aivBCiv 
und  nicht  der  Form  nach  sich  richten,  z.  B.  naPi  slüga^  negöfjäpa  usw., 
doch  im  Plur.  hört  man  auch  die  Kongruenz  nach  der  Form,  z.  B.  vetikq 
pustafi/^j  aber  noch  häufiger  werden  solche  Substantiva  im  Plur.  nach 
den  o-Stämmen  dekliniert,  z.  B.  slügi,  ptistatiji  usw. 

Nicht  selten  sind  in  den  skroat.  Yolksliedem  solche  Beispiele,  wo 
zwei  Substantiva  nebeneinander  stehen,  wo  ein  Substantiv  das  Adjektiv 
ersetzt;  in  unseren  Dialekten  kommen  sehr  oft  solche  zwei  Substantiva 
auch  in  der  gewöhnlichen  Sprache  nebeneinander  vor,  wenn  ein  Substantiv 
Genus  und  das  andere  Spezies  (besonders  bei  Obstnamen)  bezeichnen, 
z.  B.  Sardai'skri^ak,  aoldairguslar^  crlenika  jabuka^  fiihk  i  slaoibbkj 
traPva  -d^te^ina;  oier jabdkchi^tvenka^  -pisanika,  -zelenikoj  -ruhnor 
finka ;  rtUka-üpka^  aViva-bestricay  ür^-kosoPk,  Maria-ze^icq^  grahr 
Ma^ä^r  usw. 

2.  Adjektiva. 

Die  A^ektiva  in  attributiver  Stellung  kommen  gewöhnlich  in  be- 
stimmter Form,  in  prädikativer  dagegen  in  unbestimmter  vor,  wo  ein 
Unterschied  zwischen  beiden  Formen  vorhanden  ist;  Ausnahmen  sind 
selten,  z.  B.  attribut:  to  j^  bil  dosii  beda^.sti  jei,  aber  ajei  ialöstbn 


378  Franjo  Fancev, 

prieme . . ,,  köj  n^jqjencPko  i>^ik  %  sirok^  akoje  cov^kjena9ko  visok 
i  sirok  usw. 

Was  das  Adjektiv  räd-^-^  anbelangt,  so  geht  seine  Anwendong 
parallel  mit  jener  in  anderen  kajkavischen  Dialekten  (vgl.ZimaNekoje.., 
S.  22  ff.,  Lokjanenko  S.  262),  z.  B.  a)  statt  des  Adverb,  rado  kommt 
gewöhnlich  Adjektiv  rad^a-o:  grii  bi  rddi,  da  jo  zSm^,  dl  kad  jo  oft 
n¥ma  räd .  •  •)  l>)  ^<^  bi  . , ,  mit  Infinitiv  oder  mit  Particip.  praet  act. 
n. :  na  gni  bi  mekoli  rad  i  pienico  s^ati  oder  «^'a/,  c)  um  die  Stei- 
gerung auszudrücken  werden  gebraucht:  Adverbia  räjÜ^  najräjiij  vo- 
le*ii^  najvgl^^H  :  räjSi  bi  vmrd^ti-vmrlay  neg  täkvg  sramotg  doUv^ti 
usw.,  najvole^ii  bi  sada  vmrVti'VtnH  usw. 

3.  Pronomina. 

Gleich  üblich  wie  in  anderen  kajkavischen  Dialekten  (vgl.  1.  c.  216, 
263)  kommt  auch  hier  die  Anwendung  der  enklitischen  Pronomina  mf- 
ti^i  als  Dativus  commodi,  ethicus  und  possessivus,  z.  B.:  a)  baPr  mi 
td  getätigte  a  drugd  si  s^  pober^te  slgbono]  üc$  si  drugöga  slügo;  b) 
no  sedn^te  si  malo  tukareka;  pomisl^fe  si  käj  rni  se pripetVo]  c)  pii- 
st^te  jg  ide  si  iskat  covl^ka  (d.  i.  svojega  cov^^ka),  de^tq  ti  se  rasplä^ 
kalo  usw. 

Besonders  hervorgehoben  zu  werden  verdient  das  Pronom.  vene*^ 
welches  eine  demonstrative  Bedeutung  hat.  Von  ihm  haben  wir  auch 
Weiterbildungen  v^ak^v,  vengdija,  Verba  veng'iti,  vengdijati.  Alle 
diese  werden  dann  gebraucht,  wenn  man  was  allen  bekanntes  sagen  will 
und  man  kann  sich  nicht  gleich  erinnern,  z.  B.  venVjq  bil  tukareka  . . . 
v^rie^  mije  to  pripgve^dal  usw. 

Auch  unsere  Dialekte  können  käj  za  oder  käj  zaj'^dbn-a-o^  welche 
Zima  fOr  Germanismen  erklärt  hat  (vgl.  8.  63). 

4.  Verba. 

Die  Eigentümlichkeit  der  kajkavisch-Sakavischen  Dialekte,  daß  die 
perfektiven  Verba  im  Praesens  das  Futurum  ausdrücken,  ist  auch  unseren 
Dialekten  eigen;  darnach  wird  hier  das  Futurum  bei  den  perfektiven 
Verben  mit  der  Praesensform,  bei  den  übrigen  mit  b^dem-b^m  .  .  .  und 
Prtcip.  praet.  act  n.  ausgedrückt,  z.  B.  dgj'em  [=  doöiöu),  ja^  ti  daPm 
(=  dadu  ti  ja)j  pöj'em  (=  pociöu)  usw. 


BeitrSge  snr  Barbokroatiachen  Dialektologie.  379 


D.  Einiges  ans  dem  Wortschatz. 

In  diesem  Glossar  werden  wir  nicht  alle  anderen  Dialekten  unbe- 
kannte (meistens  onomatopoetisch^)  Wörter  anfzählen,  sondern  nnr  solche, 
deren  Erwähnung  von  Wichtigkeit  ist;  aus  demselben  Grande  werden 
anch  nicht  alle  Fremdwörter  (dent.,  magy.,  rom.)  erwähnt,  sondern  nnr 
die  wichtigeren. 

bäffloy  ARj.  (Vnk.  fasdculas,  sveian)  griech  (p&%BXov\  hier  in  der 
Bedentong:  bagla  sena^  slame  usw.  Schober,  mehr  als  plcfisnica. 

bäPlia,  kleine  Hacke  (magy.  balta). 

hantuvätij  (magy.  baut),  auch  zbantuvati  (z.  B.  boga)  yerletzen. 

bamävoj  bämeij  magy.  bama,  dunkelbraun;  hier  Euh-Ochsname. 

baratatiy  ital.  barattare,  negotiari,  conversari;  »  Vedso  turci  kupo^ 
vali^  klff  bi  z  liemi  barataiU, 

basatij  errare. 

baike^iij  bedeutet  fescher,  z.  B.  onj^  baikeü  neg  ti, 

bätrifj  bdfitriti  bedeutet  audax;  animum  addere  (magy.  bätran). 

beJAnü'^  bedeutet  schlechter  unfruchtbarer  Boden,  oder  mageres 
schwaches  Vieh. 

beteg-betSzhrij  betSz^ifj  Krankheit,  krank,  kränklich. 

bitängaj  ARj.  magy.  bitang,  erro. 

bötUy  ARj.  bota,  udarac,  itaL  botta,  hier  aber  Stock. 

bl^iciti  siy  bleiclictf  etymol.  mit  blSsh-. 

brckätiy  zV^öM^  zbrckcfitaü  se,  ausklauben,  wählerisch  sein. 

brehätif  tussire. 

brenkaj  brenta  ital.  brenta,  sIoy.,  Weinfaß. 

briigatiy  briid^äHj  spritzen,  hierher  gehört  vielleicht  auch  rizd^äti 
mit  dem  abgefallenen  b. 

brkatij  bereden,  z.  B.  brci  ga^  noPj  döje^  refl.  brce  se  tä^. 

brözdäti  (vielleicht  auch  bordaitj^  broiditi^  waten  im  Schmutze. 

bf-ican^  ARj.  britan^  Efeu. 

zoF-brtviHf  z.  B.  vodu^  verstopfen. 

b^laf^  burla^vi  kon^  ein  Pferd  mit  verdorbenen  Fllßen. 

bucäü  86^  stin^  s^  bticaP  ranzen  (subare,  von  Schweinen). 

cältaf^  olserb.  calta,  ahd.  zelto,  nhd.  Zelte,  ital.  cialda;  kruhnli 
koläPoje  caltqfd,  i.  nicht  genug  von  der  Gäre  aufgegangen. 

candra^  cündrqfy  1)  Fleck,  2)  zerlumpt 


L 


380  Frai^o  Fancer, 

capa^  ital.  Eunpa,  Tatze;  anch  taca^  z.  B.  da/  taco  (oder  eapo) 
s%m\  hierher  gehört  auch  capkati^  patschen,  ital.  zappare. 

cSckn^Scbkj  von  dent.  Zitze,  ital.  zizza;  man  hört  aach  ctce,  cicieef 
cehati^  sangen. 

cimatij  ital.  oimbellare,  qnassare. 

cmizdriti  se,  rannzen;  daneben  anch  cmo^ti. 

cmukäti,  vielleicht  mit  cmokati^  lutsohebiy  znzeln. 

cükati^  zncken. 

cükaiif  mingere;  anch  scati. 

dk 
cuz-jT,  cuzica,  Fflllen. 

cvä^nKatiy  Fener  mit  der  Glocke  signalisieren. 

cv^kj  clavns  (magy.  cöyek). 

ivapäti^  iväpla,  bedeutet  tropfen,  Tropfen. 

dgndaca^  Regenbogen. 

dotmSPr  (=  do-tma-^ze^^tjrxL  mit  TkUa,  eine  große  Zahl;  hier 
bedeutet  es  »sehr  viel«. 

dr^v^j  zadf^^neii  se,  starr  werden. 

dr^g,  Stange. 

o-drmea^ni,  «nftohtlrfen,  dasselbe  sueh  vraziii. 

drdncaü  se,  sich  rfltteln. 

druzffäti,  zerdrücken. 

drvoce^p,  ARj.  (Bjel),  lignile. 

dum-  zdutnlfiPvati,  zdümiti,  hier  steht  es  näher  dem  russ.  xyvaTB, 
poln.  duma<5  (denken) ,  als  bnlg.  jsjwah]  1)  von  jemandem  etwas  zu  er- 
fahren trachten,  2)  von  jemandem  etwas  erfahren. 

dedSrng-deddrbn,  kflhn,  mutig. 

föcuky  uneheliches  Kind  (magy.  fattyü). 

fafu^bk,  floccus. 

fajeW,fajeWka  (magy.  feh€r,  weiß);  Ochs-,  Euhname 

foPjta  (magy.  fiyta)  die  Basse. 

fcfijiati,  feuchten. 

foTinga,  fcd^ti,  Fehler,  fehlen. 

falihn,  falsch. 

faf^na,  Fahne. 

fantiü  se,  sich  rächen. 

fän,  fein;  bedeutet  1)  fesch,  2)  fest. 

/drg/;  Pfarrhof. 


Beitrüge  snr  serbokrottlsoheii  Dialektologie.  381 

fUa^  die  Art,  Otttang  (magy.  ffl). 

feränge^  Yorhftnge. 

fercatij  Torzeiolmeii  (magy.  f6ro). 

fermati^  firma^  firmen^  Firmuxig. 

fi«t^  fest,  z.  B.  hak  ga  Je  fest  vMrü;  es  bedeutet  auch  »fesche, 
s.  B.fest  dScko. 

Jilip^r,  Schmetterling. 

fietbn^  hurtig  (mhd.  vlaetec  sauber). 

ySr/,  fort;  daneben  auch  »semirom«. 

fra^jati^  deut.  yerreifen,  bIoy. 

fraf^loj  Fräulein. 

fofifliiy  bedeutet  näseln. 

frUati^  drehen,  flechten. 

f^ho-f^lcy  Sprosse. 

frdiWeb{yfrdi^ati^  Frflhstück. 

ftia^l^  ABj.  (Bjel.  Jambr.  Volt),  magj.  fertälj,  deut.  Viertel. 

früntaj  dasselbe  bedeutet  auch  d^vf'nta,  Enorre,  Auswuchs. 

fucatij  ABj.  (Bjel.);  fiirere,  farcare. 

fürtkj  ABj.  (Jambr.);  magy.  furkö,  cjepanica,  Scheitholz. 

füta^  bedeutet  Haarzopf. 

futeräd  se^  vielleicht  mit  »fürchten«  im  Zusammenhange;  bedeutet 
respektieren. 

za^d^jitij  gcfijka^  ABj.  in  der  Bedeutung  »pflegen«;  eine  weitere 
Bedeutung  hat  dieses  Wort  im  Dialekte  YonVirje:  um  gepflegt  werden  zu 
können,  muß  etwas  beschfltzt  werden,  z.B.  zagajiti sinoK&io  oder  mekUtOf 
d.  L  verbieten,  daß  eine  Wiese  oder  ein  Ackerfeld  nicht  als  Weide  benutzt 
werden  darf;  Zeichen  mit  dem  man  ;2;a^(}^'(6i&e  bezeichnet,  heißt  *ga9jka*. 

gaf^lge  oder  gaf^lde^  galzenak^  Galgen. 

go^fkati  {gazkati)j  bellen. 

gdAhk  (auch  gank)j  Gang. 

gamilice^  EjuniUe,  ital.  eamomilla. 

gantaTy  magy.  gantir,  Ganter. 

gengäü  se^  (ABj.  g^ati  sc),  träge  gehen. 

gtngafj  hier  bedeutet  es  träge. 

g^cany  grca^Abk^  gurgulio. 

grintOy  grintbij  grintafj  vom  deut.  der  Grind. 

gürafj  giirbiy  gura^Oy  ABj.  in  der  Bedeutung  »gekrflmmt«,  hier 
bedeutet  es  dasselbe,  was  im  itokav.  mriavy  mager,  schlecht 


382  Franjo  Faneev, 

ffvina  Gewinde. 

hcfibäti  se,  hcfibaij  eaveo;  da  hd  dmge^m  na  hdf^baij  ab  Mahnung. 

haf^k^ej  vom  dent.  Hacken. 

halabä^jsati  bedeutet  herumbummeln. 

halcfisiti^  yielleicht  mit  hala^s,  magy.  haläsz,  Fischer  im  Zusammen- 
hang; bedeutet  durchsuchen,  z.  B.  halä^titipo  iepe*. 

hal^ka^  bedeutet  Patsch ;  dieselbe  Bedeutung  auch  ludupaPk  (minnl.), 
hdlupaca  (weibL). 

hapiü  sej  z.  B.  hapiü  se  dila^  angreifen. 

hariti  se^  derselben  Bedeutung  sind  noch:  harmazdiü  \^ü  s^)\ 
hende^ti  (-^j  s^\  rosiiti  [-ü  s^\  d.  h.  sich  reiben. 

hasbn^  hasn^tiy  hasridvit^  vom  magy.  haszon,  Nutzen. 

hataPr^  in  Verbindung  mit  magy.  hatär  «[  slair.  hotar) ;  hier  bedeutet  es 
Territorium  einer  Gemeinde,  z.  B.  virofsM^gjurgeveckiy  hata9r\  vu  virofs- 
k$m  hataf*ruj  d.i.  aufdem  Territorium  von  Yirje;  Bezirks  immer  X;ö^r. 

henp^h^  henpast,  ungeschickt. 

hezffati,  bedeutet  was  auch  titati,  ausschlagen  (mit  Fflßen). 

higa  magy,  iga,  Joch. 

hintdf^  magy.  hintö. 

hitvaPhn^  schwach  (magy.  hitväny  gering,  schlecht). 

Kiza^  bedeutet  1.  a)  Haus,  b)  Zinmier,  2.  Boden  (tavan). 

K&lba^  Halbe. 

hgmatiy  etymol.  mit  K&müj'j  handvoU;  bedeutet  hrava  sije  zaho~ 

V 

fnüa  p^ne  z^be  traf^vSj  d.  h.  gieng  das  Maul  voll  stopfen. 
höiiti^  bedeutet  dasselbe  wie  halasitx. 
hrckatij  zorhrckaü  se,  ertrinken,  ersaufen. 
hrdätij  nagen. 
huncmut,  Hundsfott. 

hnlzc,  hrnica,  AEj.  (hniOy  lirAav)  bedeutet  Schnautze. 
hurkati,  fortstoßen. 
hurmaf^kj  scharweise. 
jadrkaj  Kern. 
ja^l,  ja^hnj  Neid. 
ja^rhkf  jarüga,  1.  Graben,  2.  Schlucht. 

jap^-k,  japa,  japica^  magy.  apa;  es  ist  interessant,  daß  »of»cc  £ut 

verdr&ngt  worden  ist. 


Beitrige  zur  BerbokroatiBchen  Dialektologie.  3g3 

f^rba  (deat  Reserve),  bedeutet  1.  Reservegemeinde  wagen,  2. 
MilitftrreBerye. 

kaca^  Schlange;  zmija  sehr  angewOhnlich. 

ianaf^s  (magy.  kanäsz)  nur  Schweinehirt  (za  kravafir^  koiiSfir^  birkSf^Ty 
von  birka  ovca,  magj.  birka). 

kapüsta  (im  Gegensatz  zn  palüika)^  Kohlkopf  (im  ganzen]. 

kä^rmina^  epulnm  fanebre  (lat.),  von  carmina. 

karlaf^tj  bedeutet  Kollier  beim  Hunde  (collaretto). 

karika,  magy.  karika,  Ring. 

kelihj  Kelch. 

kela,  vom  deut.  Kehle. 

kepenk  oder  kepi'h>k^  vom  magy.  köpenyeg  (Mantel). 

kHuiy  sketusitt  se,  bedeutet  der  Gefährte,  der  Genosse  in  einer 
Unternehmung  (magy.  kettös). 

kip,  in  der  Bedeutung  nur  »Bild«,  nie  »Statue« ;  slika  ist  nicht  üb- 
lich; spodöba  (fflr  slika)  in  der  Bedeutung  Figur,  Antlitz  des  Menschen. 

klenkati^  bedeutet  Läuten  mit  dem  cinkhky  wenn  jemand  gestorben  ist. 

klepesiüra  (neben  kostura,  krancbCj  Skl$ca,  klinga),  bedeutet  das 
kleine  Messer. 

kglgba9r,  Ring,  Reif. 

kolgmijaj  Wagengleise. 

kglompa^r,  magy.  kolompar,  Blechschmied,  Zigeuner. 

komuraPt,  Kamerad. 

kQrsqfy  vom  magy.  korsö,  Krug. 

koicfiky  die  Rückenflftche. 

kötriffy  bedeutet  articulus. 

közlatij  bei  kleinem  Kinde  kriechen. 

kr^pij  kropogaje  obraza^  bedeutet  klein  (rund). 

^ca,  kuüiiy  Handvoll,  zusammenscharren. 

kunkac  (oder  zaf*bl%  vufbc)^  Kaiquappe. 

küriü  (neben  loziti  pec)  heizen. 

k&rtustj  vom  magy.  kurta,  kurz,  colurus. 

ktiindti,  koküvati  usw.,  kttssen. 

ladtca,  laPältrij  Lade. 

läjrbf,  nhd.  bair.  Lftge,  Faß. 

läj'ty  magy  lajt.  Faß. 

lampe  (oder  auch  cvale)^  Rachen  (=  rale). 

la^ntrnay  vom  magy.  lantoma,  schlechtes  Fleisch,  dasselbe  ilündra. 


384  Fnnjo  Fanoer, 

I4b  [I4p  =  hlib)j  man  imtersohddet  in  der  Bedentong:  kruh  (Brod) 
und  l^b  (Laib). 

lebodtkäj  (gen.  lebodicesa)^  besteht  ans  U  bodi  kqf\  bedeotet 
nichtswtirdig. 

lepört^  Rapport. 

lefc^baj  anch  sIot.  (PL),  Lichtseherbe. 

lesk^ütiy  besonders  schnell  laufen,  daß  es  nnr  blitst;  identiaeh  mit 
l^icati. 

Itbif  (z.  B.  lil^to  mSso)  Bjel.,  pulposus. 

l^'tra^  Leiter. 

%>a,  Laube. 

lopsatiy  slov.  Plet.  IQpsatirlopati^  schlagen,  schlappen. 

lopuiitie,  Idpuh,  nütlat.  lapatica,  lappa. 

luihi^  der  Achsennagel;  ahd.  lun,  luna. 

lüiati  (z.  B.  za  vuho)  bedeutet  beim  Ohre  ziehen. 

tnäiüy  vom  magy.  mäzsa  (ss  der  Zentner) ;  bedeutet  Sack. 

mü^niü  se  und  spominaü  se,  colloquor. 

mertSkf  vom  magy.  m^rt^k  (vom  slav.  fnira)^  ein  Maß. 

meäupcfijstor  (vom  magy.  megypasztor)  neben  po^r. 

mizdra,  -rf^,  Baumsaft. 

nüza^en^  von  tnizga^  saftig. 

tnldhafj  schwach. 

rngsikati  (-ü  $e\  ?  blitzen. 

mdzgly  Schwiele. 

mrhuij  vom  lat.  membrana. 

fnüzffotif  Würz,  mozg-^  Trauben  stampfen. 

nahrba^  vom  den!  bair.  Närb. 

nä^rbd^  der  Weberstuhl. 

neristbc^  Eber. 

neiepuhy  einer,  der  schwer  atmet 

nicemuThnj  nichtsnutzig,  nichtig. 

obeivica^  bedeutet  Manchette. 

gdoitbk,  Nachkonunenschaft. 

okorat,  vom  itaL  accurate. 

omT^tii  ohnmflehtig  werden. 

gplebbky  das  Leibchen  der  Frauen. 

pä^citiy  spaf^cküj  vom  ital.  impacciare,  stören. 

p€thu{nafiky  bedeutet  Baum,  wo  Spreu  aufbewahrt  wird. 


Beitrüge  zur  serbokroatiBohen  Dialektologie.  385 

pofceky  Schweinehen. 
pajdSfii^  vom  magy.  pajtäs,  Gefährte. 
pajiä^k^  LinUer  (stoL  iuvak). 
pafijÜati^  püjtlin^  beuteln. 
palütka  bedeutet  halben  Kohlkopf. 
panduriü  se^  nntertauehen. 
pänty  Band. 
pSfinÜm^  Bändehen. 
paprkaxiaii^  Nachlese  halten  (pabir6iti). 
parluff^  Lauge  (magy.  pärlüg). 
pa^rma  (ahd.  pamo,  nhd.  barm,  bam),  Heuboden. 
paseratij  passieren. 

pasminay  M.  Et.  sagt :  bulg.  pasmina  (S.  233)  rasse  erinnert  an  d.  faselj 
pä^hlf  Afterklaue. 

pe^ldGj  vom  deut  Bild,  Aber  magy.  pelda. 
pe^iti^  vom  ital.  pigliare. 
pentafj  stotternd. 
petrQiü^  Petersilie,  BjeL  petrösil. 
plä^jba  bedeutet  Senkblei,  Richtsehnur. 

pätbij  von  Würz,  shk  (auch  poscäk  kennt  nur  das  Kijkayische), 
Rute  des  Stiers. 

pinihk  -«c,  Btlndchen. 

ppdarkuoaü  sey  vielleicht  ^leicla  not  potrkuvatij  etwas  anwerfen. 

pocutica^  eine  Art  Haube,  slov.  pocelica,  ital.  fazzolletto. 

^^oto,  Stall 

pöphrn^  ngriech.  TtAitkiafia^  Bettdecke. 

por4ükj  vom  ahd«  phorro,  porrum. 

poiira^kf  An£sng  der  Speiseröhre. 

pröhüj  Brachfeld. 

pramalei  (ein  »-Stamm),  zu  Stok.  premaledSy  Frflhling. 

prapärbo,  Schelle. 

pr^khny  pr^kSija  usw.  flbermfltig,  Übermut. 

prÜg^  Loch. 

prelgCf  Henkel. 

pmS^d'lifj  y>r{h)nätij  bedeutet  morsch,  morsch  werden. 

pUk^t-<ifj  puk^Uj  buckelig,  Buckel 

pulkaUy  das  Qetreide  in  einem  Holztroge  worfehi. 

pitni^i  Schopf,  gewifi  im  Zusammenhange  mit  deut.  binden. 

AreUT  fir  ilftTlsck«  Plulolofi«.    XXOL  25 


386  Franjo  Fancer, 

pünt€Ui  se,  püntOj  --arija^  vom  dent.  Band. 

pupi^j  ital.  pnppilla. 

pürcüj  pürca/j  bauchig,  bauchförmig. 

püshl^  Büschel. 

pütra  ""ica,  ein  enghalsiger  irdener  Krug. 

raca,  magy.  r^ce,  nhd.  Retschente. 

rädo,  s.  B.  rado  j^  dohl  bedeutet  wie,  es  scheint  gekommen  su  sein, 
oder  rado  bö  d^zd^a  es  schemt,  daß  es  regnen  wird. 

räJvbl  (rak^j  locker. 

zarä^jtati^  von  nhd.  bair.  raiten,  mhd.  reiten. 

rakoj  hier  nur  in  der  Bedeutung  Sarg. 

rä^sdhey  Heugabel. 

re^iü  86  (vielleicht  zu  rale)^  weinen  (stok.  krevelüi  se)\  ra^  (vom 
deui  Bachen]  Schnauze. 

rSs'  in  zre*sna  (bedeutet  wirklich);  akslav.  p*KckiiOTa-p*kCkH*k, 
veritas,  verus,  certus;  slov.  rSsy  rSsen,  indekl.  zrSs^  in  der  Tat 

r^tbk-rehh  (slov.  Plet.  rSzelj]  Schnitte,  rezenj\  dasselbe;  Iv.Broz. 
rezan.  Schnitz);  hier  bedeutet  es  1.  Riß,  Spalte,  2.  Apfelschnitte. 

rezen  bedeutet  auch  beim  Totengeläute  einen  von  den  drei  (bd 
Männern)  oder  zwei  (bei  Frauen)  Abschnitten. 

rif^ti  (d.  \.fläke\  prati,  riffeln. 

rimk-rincica,  Ring. 

röl,  vom  deut.  Rohr. 

rgienicafej  Dachsparren;  Iv.  Broz.  röznik^  oder  rog  trabs  tecti  ob- 
liqua,  Bjel.  tignus. 

rud  (spr.  rüt,  -^uday^  Iv.  Broz.  riida^  slov.  Plet.  rüdo;  magy.  rdd 
Deichsel. 

ruit  -räita,  Gferttst(e). 

rüzitiy  Lärm  mit  Wagen  erheben. 

sägGj  slov.  Plet.,  vom  magy.  szag,  bedeutet  Geruch. 

samonltna  stidha^  d.  i.  ein  Mädchen,  welches  ein  uneheliches  Kind 
hat  und  welches  unbedeckten  Hauptes  nicht  mehr  gehen  darf;  es  ent- 
spricht Stokav.  samontk, 

sapläha,  Sausewind,  Windbeutel. 

saf^ra/e,  sariccy  vom  magy.  szara,  die  Sliefelröhre. 

skäble,  slov.  Plet.  skaba^skabltka^  Fettropfen  auf  der  Suppe. 

skecatij  ächzen,  winseln. 


BeitrSge  sur  aerbokrotÜBohen  Dialektologie.  387 

sikgpgvu—aHf  sklaptAÜii^  hierher  anch:  klapa^k,  naklapatt  {ikri- 

fi^ia)  oder  sklapüi.  beim  Ohr  ziehen. 

skaniinaj  skfminä  mije  oder  skornino  im^ti^  Verlangen,  Begierde 

nach  etwas;  Bchwerlich  von  derselben  Wnrzel  ckatn^ii,  pockom—  taceo. 

skoznuvati^  wachen. 

sküla  (und  «Afi/a),  sMlaf^  bedeutet  Geschwür,  voll  Geschwflre. 

gmafyndtij  mit  der  Peitsche  jemand  schlagen  oder  plötzlich  fortlanfen* 

smantrati  oder  smaniraziti^  Plet.  slov.  marlratij  vom  dent  mar^ 
tem,  hier  bedeutet  es  vernichten. 

shäbgkj  Brautwerber;  v  snobdke  iti  eine  Braut  werben  gehen 
(ebenso  slov.). 

idc^  8ati,  talog. 

sdifäHf  bedeutet  herumirren. 

spröffle^  Plet.  slov.  sprQga^  nurWeberspreize;  hier  bedeutet  Regen- 
streife; derselben  Wurzel  s^pr^g  (wie  s^s^d)  oäier  pSprog^  eloy.podprög 
Banehgnrt;  Sech,  popruh,  pol.  popr%g,  Gurt,  It.  Broz.  poprug  (Lika.  Cm. 
Gora)  Sattelgurt 

sprpmiti  (oder  aperpuiiti)  bedeutet  vertreiben. 

stq^kij  slov.  Plet.  st^pkiy  die  Rflhrmilch,  Buttermilch. 

gietxrilOf  OBtecfirUi^  von  der  Wurzel  trii  (M.  Etym.),  vielleicht  von 
trowlo  (slov.  Gift):  *travilo  (akslav.  OTpasii,  orpaBa,  Gift)  durch 
Metaih.  zu  tvatHoy  Gift^  vergiften. 

svdra  der  Langbaum,  der  durch  das  Vorder-  und  Hinterteil  desWirt- 
sehaftswagens  geht. 

ialtvoj  Schalmei 

iä^nii/ay  das  Kopftuch,  wodurch  ein  Unterschied  zwischen  einer  ver- 
heirateten Frau  und  einem  Mädchen  gemacht  wird  (bei  jungen  immer  rot). 

iantalä^ba^  Giebel,  stok.  zabat 

iarafigle  Sehragen  (mhd.  schräge),  Aber  magy.  saraglya. 

iixrcfijzlin^  Geschirreisen. 

kcfirga^  id^rgic^  vom  magy.  särga  (gelb),  als  Pferdename. 

iatrija^  iaHräti^  Matz.  Ciz.  vom  ital.  sciateria;  slov.  Plet  auch 
iatr^ay  bedeutet  ars  magica,  Zauberei. 

ioepci^  Fmgerspitzen. 

ü^lä^oR  se^  repudio,  wie  im  stok.  neökuti  se, 

üga^  der  Branoh,  die  Sitte. 

25* 


388  Frai^o  Fftneer, 

iemper^  vom  magy.  sarampö,  Sohlagbaum. 

iil^bäti^  raikr^bany  auswalzen. 

ikäfj  ikatäla  Iv.  Broz.,  ahd.  soaf,  lat  gcaphiam,  BohachteL 

ikriiiaj  priikr{ii%kf  It.  Bros.  Plet.,  ahd.  scrini,  Schrein. 

priikrndtij  anschranben. 

ttahekuvati^  vom  lat.  sjllabioare. 

i\aprcbkj  Bjel.  släpertek,  ovnm  irritnm,  verdorbenes  Ei. 

ilaptatij  schlappen. 

sUgnMi^  iligati  (auch  ipigat%\  peitschen,  anch  schwingen  (Ober- 
haupt) und  vielleicht  davon  abgeleitet. 

sdpätij  fattem  (schoppen). 

ipoUspotati^  spotancija^  vom  dent.  Spott  usw. 

iptdlay  Spule. 

Sreky  vom  deui  sehrflge. 

stäntj  Stand,  die  Bude  eines  Verkäufers  auf  dem  Markte. 

itenge^  Stiege. 

itigltnbc  (itiglecj  gen.  itigleca)^  nach  dem  deut.  Stieglitz. 

Hlmäü  se  Iv.Broz.  Plet.,  1.  bedeutet  meinen,  z.B.  liAj  ü  »^  itima^ 
je  l  d^jq.  was  meinst  du,  kommt  er  (slov.  auch];  2.  stolz  sein,  z.  B.  hi 
sq  i  ti  itimalj  da  b'i  sq  imql  sce^m;  auch  preitima9väii  se^  preititnan, 

itentatif  vom  itaL  stentare,  Mflhe  haben,  zaudern. 

itrapäf^c,  strapaceräti^  vom  deut.  Strapaze,  strapazieren. 

itrhenkaUy  slov.  Plet.  strbunkniti^  mit  einem  Worte  herausplatzen, 
(aber  auch  klimpern). 

itrbdnknätij  slov.  Plet,  bedeutet  hineinplumpen  tu  e^do. 

zaStrenkndtij  itrencati^  sperren,  schließen. 

itrkati^  prskätif  hier  regnen. 

iirükblj  vom  deut.  bair.  struckel. 

Hüb^l^  Höhlung,  Baumhöhle;  düplaj 

iturkatij  mit  dem  Schnabel  hacken,  picken. 

iüpa  (Iv.  Broz.  vojvod)^  vom  deut  Schoppen,  Schuppe. 

iuj^ti  (oder  ctisnoti),  Ohrfeige  geben. 

hä^sÜ^ti  bedeutet  säuseln,  knirsen. 

t^kot  (plur.  iekotijf  die  Federlaus. 

teAoj  slov.  Plet  ein  bestimmt  begrenzter  Schatten  (z.  B.  eines  Mannes 
Hauses),  das  Schattenbild ;  äna  (von  thl^k)  bedeutet  eine  auf  der  Bisfliche 
ausgeschnittene,  dann  wiederum  zugefrorene  Stelle  mit  dünnem  Eis. 

tqntuh  bedeutet  Schleier. 


Beitrüge  sur  Berbokroatischen  Dialektologie.  389 

torma^n,  vom  magy.  torma,  bedeutet  Erenn. 

töScay  bedeutet  einerseits  Walddicbte,  anderseits  {ftoSci)^  Wald- 
schatten. 

tröHe^  Iv.  Bros.,  vom  deut.  Trage  (aucb  tragle), 

trcfim^  bair.  Tram,  Tragbalken. 

^cast  (kleiner  dicker  Mensch),  derselben  Wurzel  wie  trcbk^  slov. 
Plet  trcelj  und  tfceky  Banmstrunk. 

trüc^  trucdtif  Trotz,  trotzen. 

iü^äfkay  em  hohler  Cylinder,  so  auch  sloyenisch. 

tuiSica^  1.  Ellbel  für  Käse,  slov.  Ettbel,  Schmalzkflbel;  der  Käse 
heißt  nach  tuMca  tuMcncfiky  2.  BrunnenkronC;  nach  deut.  Tonne. 

tör,  türg^  Iy.  Broz.  tur^  der  Hosenlatz. 

vändric^  Tom  deut.  Wanderer. 

värguy  vom  magy.  varga,  Schuster. 

vedäü  Sßj  veda  m9  se^  Bjel.  pertaedet  me 

verestüvätiy  slov.  Plet.  t?—ro«^ot>a^«,  wachen,  aus  magy.  mra^^;/. 

6 

tmaAt  (auch  hmahi)^  schlecht. 

vghaiif  akslav.  ^j^aTH,  slov.  vohati^  [Bkr.nj'tUliti),  riechen. 

-ooi  in  slepov^i  -ia,  Blindschleiche. 

vrbcfinbCy  Matz.  Ciz.  ital.  fervenza,  rum.  ferbinca,  Rotlauf. 

zä^/riff  bedeutet  Einbrennen,  von  frigati  (friggere). 

zä^letäfkaj  der  Türriegd. 

zatapilcUij  verbergen. 

zbeznUtiy  aus  einem  Loche  etwas  hinaustreiben,  vgl.  slov.  zbezäti. 

zälta/j  ranzig,  icfiltUy  Sommersprosse. 

ialuväfi  se,  ialuvafine,  bereuen,  Reue. 

zarffdclifj  sagt  man  vom  Speck,  wenn  er  ungedeihlich  geworden  ist. 

ildffaj  der  Weberrechen;  vom  deut.  die  Schlagen. 

Hündra^  slov.  ilQdra^  vom  deut.  Schinder. 

hniäklarj  auch  zmikati 

iMra,  Schnurr. 

i2l/a,  slov.  iupaj  Suppe. 

zvä^kätij  kauen;  preiivatiy  (wiederkäuen),  zvale. 

iven^tty  slov.  Plet.,  klingeln. 

io^c,  slov.  Plet  iv^ca,  vom  deut.  Schwärze,  Wagenschmiere. 

iv^pb^j  slov.  Plet.  iviploy  vom  deut.  Schwefel,  ahd.  suöüal. 


390 


Beiträge  zur  Enltargeschichte  des  serbisehen  Volkes. 


L  Serbische  Sehnleii  (1768—1778). 

Die  Geschichte  der  Schnlen  bei  den  Serben,  die  Geschiehte  im  vollsten 
Sinne  des  Wortes,  beginnt  erst  in  den  siebziger  Jahren  des  ÄVJLIi.  Jahrh. 
Es  gab  zwar  anch  Tor  dieser  Zeit  serbische  Schnlen  in  österreioh-üngam, 
selbe  waren  jedoch  dorchans  primitiv  nnd  tmgen  einen  privaten  und 
lokalen  Charakter.  Die  meisten  Lehrer  dieser  Schnlen  besaßen  nnr  ober 
flächliche  Kenntnisse,  nnd  die  Aufsicht  über  sie  föhrten  entweder  die 
Kirchengemeinden  oder,  in  manchen  Orten,  allein  die  Priester,  hie  nnd  da 
gab  es  auch  höhere  Schnlen,  aber  anch  diese  trugen  keine  nationalen  Merk- 
male. Die  Volks-  sowie  anch  die  höheren  Schnl6n  entstanden  nnter  dem 
Einflüsse  der  einzelnen  patriotisch  gesinnten  Bischöfe  nnd  Metropoliteni 
welche  die  Bedeutung  von  Schule  und  Kultur  erkannten,  doch  die  Schnlen 
fanden  ihr  Ende  nach  dem  Hinscheiden  ihrer  Gründer.  Von  den  Schulen 
als  Eigentum  und  Errungenschaft  des  ganzen  serbischen  Volkes  kann  alao 
bis  zu  dieser  Zeit  keine  Rede  sein. 

Die  Ursache  davon  ist  leicht  zu  finden.  Die  politische  Lage  des  aer- 
bischen  Volkes  in  Österreich-Ungarn  war  nach  der  Einwaaderang  nnter 
dem  Patriarchen  Öarnojevic  trotz  aller  von  den  österreichischen  Herrschern 
von  Zeit  zu  Zeit  verliehenen  Privilegien  nicht  präzisiert  Die  Privilegien 
sicherten  zwar  die  besondere  Lage  und  Autonomie  den  Serben,  aber  beide 
waren  sehr  unklar,  denn  die  Privilegien  ergänzten  oder  widersprachen 
sich  manchmal.  Selbst  jene  Rechte,  welche  in  diesen  Privilegien  ausdrück- 
lich garantiert  wurden,  erlangten  nie  die  Ej-aft  eines  wahren  Oeaetses.  Die 
schlaue  Politik  der  österreichischen  Regierung  wünschte  einzig  nnd  allein 
durch  diese  Privilegien  und  Versprechungen  sich  in  gewissen  Momenten 
die  Anhänglichkeit  des  serbischen  Volkes  zu  sichern.  Die  ungarisehe 
Hof- Kanzlei  bekämpfte  aus  Eifersucht  die  Sonderstellnng  der  Seiben 
nnd  bot  ihren  ganzen  Einfluß  auf,  daß  die  Privilegien  in  der  Praxis 
auf  ein  Minimum  herabgedrttckt  wurden,  und  die  mächtige  katholische 
Strömung  strebte  dahin,  die  Serben  um  jeden  Preis  zur  Union  zu  zwingen, 
ohne  sich  viel  um  die  Bestimmungen  der  Privilegien  zu  kümmern.   Alle 


Beiträge  zur  KnltorgeBcliicbte  des  serbiBohen  Volkes.  3i91 

diese  Umstftnde  waren  von  nngttnstiger  Wirkung  auf  das  politische  nnd 
kulturelle  Leben  des  serbischen  Volkes  nnd  erstickten  jede  Entwicklung. 

unter  solchen  Umständen  konnte  das  serbische  Volk  als  solches 
nichts  für  seine  Schulen  leisten.  An  gutem  Willen  und  an  Versuchen  fehlte 
es  nicht.  Die  serbischen  nationalkirchlicheu  Kongresse  betonten  im  Laufe 
des  XVm.  Jahrh.  bei  jeder  Gelegenheit  die  Notwendigkeit  der  Schulen 
nnd  erbaten  sich  vom  Herrscher  die  Erlaubnis  ein  Gymnasium,  Seminar- 
schulen  und  eine  Buchdruckerei  fttr  serbbche  Bücher  zu  errichten.  Aber 
alle  diese  Bitten  blieben  ohne  Erfolg.  Der  ungarischen  Hof-Kanzlei  und 
der  katholischen  Strömung,  welche  die  Union  der  orthodoxen  Serben  an- 
strebten, sagte  es  durchaus  nicht  zu,  daß  das  serbische  Volk  seine  Schulen 
erhält  und  seine  Kulturzustände  verbessert 

Doch  in  den  siebziger  Jahren  des  XVXII.  Jahrh.  änderten  sich  un- 
Terhofift  diese  Verhältnisse.  Unrichtig  ist  die  Meinung  serbischer  Histo- 
riker, daß  damals  die  Osterreichische  Regierung  endlich  den  Bitten  des 
serbbchen  Volkes  nachgekommen  und  ihm  die  Erlaubnis  zur  Errichtung 
Ton  Schulen  erteilt  habe.  Die  Gründung  und  Organisation  der  serbischen 
Schalen  und  Buchdruckerei  rührt  nicht  vom  Volke  her,  sondern  die  öster- 
reichische Regierung  arbeitete  damals  lebhaft  dahin,  indem  sie  sich  Preußen 
und  andere  Staaten  des  westlichen  Europas  zum  Muster  nahm,  um  das 
Unterrichts  wesen  im  ganzen  Staate  zu  heben  und  zu  erweitem.  Die  Männer, 
weiche  damals  die  Staatsgeschäfte  führten,  begriffen  ungewöhnlich  stark 
die  Bedeutung  von  Schalen.  Die  unzähligen  Sitzungen  des  Hofkriegsrates, 
der  illjrischen  Hof-Deputationen,  der  ungarischen  Hof-Kanzlei  und  Hof- 
Kammer  hatten  sich  damals  der  Schulfrage  gewidmet.  Zahllose  Akten 
liegen  im  Wiener  Finanz-  und  Kriegs- Archiv  vor,  voll  von  Vorschlägen, 
Beaolationen  und  Verordnungen,  die  den  Zweck  hatten,  das  Schulwesen 
zu  verbessern  und  die  Schalen  zu  vermehren. 

Ich  habe  jene  Akten,  die  sich  auf  unsere  Verhältnisse  beziehen,  ge- 
sammelt und  werde  es  versuchen  auf  Grund  derselben  die  damalige  Kultur 
und  Entwicklung  der  Schulfrage  bei  den  Serben  zu  schildern.  Ich  wählte 
die  Zeit  von  1768 — 1778,  weil  dann  die  Wendung  im  Kulturleben  des 
serbisehen  Volkes  eingetreten  ist.  Der  russisch -kirchliche  Charakter, 
den  bisher  die  serbische  Kultur  getragen  hat,  ftogt  in  dieser  Zeit  an  za 
verschwinden,  und  an  seine  Stelle  tritt  der  Einfluß  der  deutschen  Kultur. 
Deronbegrenste  Einfloß  des  serbischen  Klerus inSchulangelegenheiten,  den 
er  von  Klöstern  her,  noch  aus  dem  Mittelalter  mitgenommen  hat,  wurde  in 
dieser  Zeit  stark  zurückgedrängt  und  seine  Stelle  nahm  die  Staatskontrolle 


392  Aleksa  Iviö, 

ein.  Es  wurde  fftr  den  Druck  serbischer  Bflcher  eine  Dmekerei  gegrOndet, 
die  Zahl  der  Schalen  bedeutend  vermehrt  nnd  anf  diese  Weise  bekam  die 
Anfklärnng  einen  großen  Schwang  in  breitesten  Schichten  des  Volkes. 

Im  Laufe  des  ganzen  XVIII.  Jahrh.  kämpfte  das  serbische  Volk  in 
Österreich-Ungarn  ununterbrochen  und  bemühte  sich  seine  Religion  vor 
dem  Drange  des  Katholizismus  zu  verteidigen  und  seinen  Privilegien  die 
gesetzliche  Kraft  zu  verschaffen.  Dieser  Kampf  war  umso  schwerer,  da 
die  Serben  in  mehrere  Gegenden  zerstreut  waren  und  unter  mehreren 
Verwaltungsbehörden  standen.  Alle  diese  Verwaltungsbehörden,  mögen 
an  ihrer  Spitze  Deutsche  oder  Ungarn  gewesen  sein,  waren  gleich  feind- 
selig gegen  die  Serben  gesinnt.  AUe  diese  Behörden  haben  es  versucht^ 
dieselben  zur  Union  zu  bringen,  sei  es  durch  Bestechung,  sei  es  durch 
Gewalt  oder  durch  Betrug.  Damit  ist  man  so  weit  gekommen,  daß  das 
serbische  Volk  in  nichts  Vertrauen  hatte  zu  dem,  was  von  den  öster- 
reichischen Behörden  kam.  In  jeder  Verordnung  der  Regierung,  in  jedem 
fremden  Buche,  in  jedem  österreichischen  Beamten  erblickten  die  Serben 
die  Unionspropaganda.  In  stetem  und  ununterbrochenem  Kampfe,  ihre 
orthodoxe  Religion  in  ihrer  ganzen  Reinheit  zu  bewahren,  wurden  sie  von 
Rußland  unterstützt. 

Den  russischen  Büchern  und  russischen  Lehrern  schenkten  sie  vollen 
Glauben  und  in  der  Liebe  für  ihre  Religion  gingen  sie  so  weit,  daß  sie 
nach  und  nach  die  russische  Sprache  in  ihre  Literatur  einführten  und 
krampfhaft  die  Verbindungen  mit  dem  russischen  Volke  unterhielten. 
Das  serbische  Volk  war  damals  einfältig  und  ungebildet,  selbst  seine 
Intelligenz,  die  Priester,  Offiziere  und  Kaufleute  hatten  keinen  hohen 
Bildungsgrad.  Es  gab  damals  viele  Priester,  in  jedem  Dorfe  waren  ihrer 
mehrere,  aber  die  Hälfte  von  ihnen  konnte  nicht  einmal  ihren  Namen 
ordentlich  unterschreiben.  Unter  den  Mi^liedem  des  hohen  Klerus  gab 
es  zwar  Männer  mit  guter  Bildung  und  guten  Kenntnissen,  aber  die  meisten 
unter  ihnen  hatten  die  durchschnittliche  Bildung  der  Priester.  Die  Offi- 
ziere studierten  größtentheils  in  deutschen  Orenzerschulen,  die  auf  einem 
ziemlich  niedrigen  Niveau  standen,  denn  die  Lehrer  waren  gewöhnlich 
ausgediente  deutsche  gemeine  Soldaten  ^).  Kauf leute,  Gewerbetreibende 
und  reiche  Bauern  besuchten  die  Volksschulen,  deren  es  nur  wenige  gab 
und  die  meistens  von  reichen  Kirchengemeinden  erriohtet  worden  waren. 
Sie  erwarben  sich  aber  da  sehr  spärliche  Kenntnisse,  denn  die  Lehrer 


1)  Hof-Kriegs- Archiv  1 774,  20—60. 


BeiMge  zur  Knlturgefehichte  des  serbiBehen  Volkes.  393 

pieser  Seliiileii,  welche  entweder  MOnche,  Eirehensftnger  oder  Priester 
ohne  Diözese  waren,  wnBten  selbst  nicht  viel.  Hie  nnd  da  gab  es  auch 
in  verschiedenen  Orten  Seminare,  aber  ihrer  Grflndnng  wnrden  ebenfalls 
grofie  Hmdeinisse  in  den  Weg  gelegt.  Als  Beispiel  dafär  können  wir  das 
Seminar  in  Temeschwar  anfahren.  Jahrelang  wnrden  Verhandlungen  ge- 
pflogen, jahrelangBittgesnche  geschrieben,  bis  man  endlich  die  Bewilligong 
bekam  ^).  Ein  Gymnasium  aber  konnte  das  serbische  Volk  nicht  bekommen. 
Welche  Stimmung  in  Begiemngskreisen  gegenflber  den  Serben  herrschte, 
illustriert  uns  am  besten  ein  Fall,  der  sich  im  Jahre  1759  ereignet  hatte. 
Die  ungarische  Hof-Eanzlei  erfuhr,  daß  die  Serben  ein  Gymnasium  in 
Karlovits  errichteten.  Der  Ausschuß  beeilte  sich  sofort  eine  Anfrage  an 
den  Kriegsrat  zu  stellen,  wie  so  etwas  überhaupt  geschehen  konnte  und 
ob  der  Herrscher  davon  Kenntnis  gehabt  habe?  Zugleich  fügte  er  hinzu, 
dafi  die  Serben  es  nur  aus  Neid  gegen  die  Katholiken  getan  hfttten.  Und 
jetzt  beginnt  in  Angelegenheit  dieser  Schule  in  Karlovitz,  die  sich  über- 
haupt nicht  ein  Gymnasium  nennen  konnte,  denn  das  echte  Gymnasium 
begann  erst  vom  Jahre  1791  an  zu  existieren,  eine  lange  Explikation'). 
Das  erste  Bdspiel,  das  sich  die  österreichische  Regierung  um  die  serbischen 
Sehnlen  kümmerte  und  an  ihre  Regulierung  dachte,  erhalten  wir  im 
Jahre  1763.  Am  1 1 .  Dezember  dieses  Jahres  entsendete  die  Hof-Kammer 
zwei  besondere  Schreiben,  eins  an  den  Bischof  von  Karensebesch,  Jovan 
Gjorgjeviö,  das  andere  an  den  Bischof  von  Temeschwar  Vinzenz  Jovanovi<S- 
Vidak,  in  denen  diese  um  die  Meinung  gefragt  werden,  ob  es  gut  wftre 
n  ihren  Diözesen  einige  Schulen  zu  errichten  und  gebildete  Lehrer  an- 
zustellen»)? 

Schon  am  13.  Jänner  1764  sandte  Bischof  Vinzenz  die  Antwort  und 
einen  umfangreichen  Vorschlag,  wie  man  die  serbischen  Schulen  ver- 
bessern könnte.  In  der  Einleitung  dieses  Schreibens  beklagte  er  sich  über 
böse  Leidenschaften  und  Fehler,  die  sozusagen  ein  Bedürfriis  in  seinem 
Volke  geworden  sind.  Diese  Fehler  waren  Viehdiebstahl,  Schlftgerei, 
Mord  nnd  Bigamie.  Durch  die  Vermehrung  und  Verbesserung  der  Schulen, 
meinte  er,  könnte  man  das  Volk  zum  Dienste  für  den  Kaiser  fiüiig  machen 
und  in  ihm  christliche  Tugend  und  Liebe  erwecken.  Sein  Vorschlag  ent- 
hielt neun  Punkte,  nach  ihm  sollten  die  Volksschulen  und  das  Seminar 


1)  Finanz- Archiv  Fase.  32,  Nr.  19  u.  Nr.  5. 
S)  Hof-Kriegs-Areh.  1759,  o.  74—203. 
S)  Flu.  Arch.  Fase.  a2,  Nr.  10. 


394  AlekBft  Iviö, 

in  Temeschwar  auBSchließlich  vom  Elerns  verwaltet  werden,  die  mate- 
riellen Opfer  hätte  aber  nicht  der  Staat,  sondern  das  Volk  dnrch  Stener- 
erhebnngen  zu  tragen  ^]. 

Bischof  Jovan  Gjorgjevid,  der  sich,  wie  bekannt,  um  die  Schulen  nieht 
viel  kümmerte^),  hatte  auch  bei  dieser  Oelegenheit  den  BegierongSTor- 
schlag  sehr  leicht  aufgefaßt.  In  seiner  Antwort  vom  6.  Februar  1764 
sagt  er,  daß  Schulen  in  seiner  Diözese  unnötig  seien,  weil  er  selber  daflir 
sorge,  daß  die  Jugend  die  notwendige  Belehrung  im  Christlichen  Glauben 
erhalte  '}. 

Diese  Antworten  übersendete  die  Hofkammer  am  4.  März  desselben 
Jahres  an  die  Landes- Administration  in  Temeschwar  mit  dem  Auftrage, 
sie  möge  auf  der  Basis  dieser  Antwortschreiben  einen  Beschluß  fassen, 
was  in  Sachen  der  Verbesserung  der  serbischen  und  walachischen  Schulen 
im  Banat  zu  tun  notwendig  wäre  ^).  Die  Landes- Administration  hielt  wegen 
dieser  Frage  am  29.  Mai  1764  eine  Sitzung  unter  dem  Vorsitze  des  Grafen 
Johann  Perlas  und  in  Anwesenheit  beider  Bischöfe  des  Banats  ab.  Wie 
alle  andern  Behörden  damals,  so  war  auch  die  Banater  Landes- Administra- 
tion feindselig  gegen  die  Serben  gesinnt  und  sie  bestand  mit  ganzer  Kraft 
darauf,  die  Errichtung  von  serbischen  Schulen  zu  verhindern.  Der  Vor- 
schlag des  Bischofs  Vinzenz,  neue  Schulen  zu  errichten,  die  alten  zu  vei^ 
bessern,  ein  Seminar  in  Temeschwar  zu  gründen,  die  Eltern  gesetzlich  zu 
zwingen,  ihre  Kinder  in  die  Schule  zu  schicken,  wurde  mit  der  Motivierung 
zurückgewiesen,  die  neuen  Schulen  wären  unnötig  und  würden  das  Volk 
viele  Opfer  kosten.  Alle  Kinder  können  so  wie  so  nicht  die  Schule  be- 
suchen, denn  die  Serben  und  Rumänen,  besonders  die  ärmeren,  brauchen 
ihre  Kinder  für  Feldarbeiten  und  zum  Viehhüten ;  sie  hätten  daher  nur 
Schaden,  wenn  ihre  Kinder  gezwungen  wären,  die  Schule  zu  besuchen. 
Der  Vorschlag  über  die  Errichtung  eines  Seminars  mußte  ebenfalls  fallen, 
denn  es  sei  nicht  möglich  ein  Seminar  zu  erhalten,  da  die  Serben  keinen 
Fond  haben  und  das  Ärar  bereits  vollständig  erschöpft  sei,  Erhebungen 
von  neuen  Steuern  aber  sei  ein  ausschließliches  Recht  des  Herrschers, 
über  welches  sie  nicht  verfügen  dürfen.  Bei  dieser  Beschlußfassung  kam 
der  Landes-Administration  der  Bischof  Gjorgjevid  zu  Hilfe,  denn  er  be- 
hauptete auch  jetzt,  daß  in  seiner  Diözese  die  Schulen  unnötig  wären,  da 


i)  Flu.  Arch.  Fase.  32,  Nr.  14. 

^  PaJHk,  HcTopHJa  KaTBZusBia,  Seite  25. 

3;  Fin.  Arch.  Fase.  32,  Nr.  41.  *]  1.  c.  Fase.  32,  Nr.  15. 


zur  Enltorgefehiohte  des  serbischen  Volkes.  395 

er  selber  dafür  sorgt,  die  Jugend  in  Glauben  nnd  Oottesfiiroht  zu  erziehen« 
Auf  Grand  dieser  Behauptung  des  Bischofs  Gjorgjeviö  legte  die  Landes- 
Administration  dem  Bischof  Vinzenz  ans  Herz,  er  möge  sich  ein  Beispiel 
an  dem  Bischof  Gjorgjevi^  nehmen  und  sich  ebenfalls  in  seiner  DiOzese 
um  die  Erziehung  der  Jugend  kammern.  Das  Resultat  dieser  Bewegung 
in  der  Bchulfrage  ist  der  Beschluß  der  Landes- Administration,  daß  zu- 
künftig die  serbischen  Kinder  in  die  deutschen  Schulen  im  Banat  auf- 
genommen werden  können.  Nachdem  der  Hof-Eammer  in  Wien  der  Bericht 
Aber  den  Verlauf  der  Sitzung  der  Landes-Administration  erstattet  wurde, 
billigte  sie  gftnzlich  ihren  Standpunkt  und  damit  war  die  Schulfrage  für 
eine  gewisse  Zeit  von  der  Tagesordnung  verschwunden  i). 

Russische  Bflcher  und  Lehrer,  den  Einfluß  der  rassischen  Kultur, 
ein  und  dieselbe  Religion,  die  Stammverwandtschaft  der  Russen  und  Serben, 
alles  das  ftlrchteten  die  Osterreichischen  Behörden.  Diesen  russisch-ser- 
bischen Beziehungen  schrieben  sie  auch  die  Auswanderung  der  Serben 
nach  Rußland  Tom  Jahre  1751 — 1754  zu,  die  einen  großen  Schaden  dem 
Kaiserreiche  yerursachte,  weil  dadurch  seine  südliche  Grenze  gegen  die 
Türkei  bedeutend  geschwftcht  wurde.  Aber  da  seit  der  Auswanderung 
nach  Rußland  diese  Beziehungen  noch  enger  wurden,  beschloß  die  öster^ 
reichische  Regierung  eine  Buchdrackerei  zum  Dracken  serbischer  Bücher 
SU  gründen  und  verbot  die  Büchereinfuhr  aus  Rußland;  weiter  beschloß 
sie,  serbische  Schulen  zu  errichten,  um  dadurch  den  russischen  Einfluß  zu 
verdrängen  und  das  serbische  Volk  vom  russischen  gänzlich  zu  isolieren. 

Die  Banater  Serben  waren  damals  die  hervorragendsten  und  die 
Daten  über  ihre  Lebensverhältnisse  sind  größtenteils  erhalten.  Dank  den 
vielen  Berichten  der  Landes-Administration,  die  an  die  Hof-Kammer  und 
die  illjrische  Hof-Deputation  gerichtet  waren,  können  wir  heute  ein  ganz 
klares  und  bis  in  die  Einzelheiten  gehendes  Bild  der  damaligen  Entwick- 
lung der  serbischen  Schulfrage  im  Banat  herstellen.  Die  Hof-Kammer 
interessierte  sich  am  meisten  für  die  Banater  Serben,  weil  ihre  Zahl  groß 
und  sie  in  nächster  Nähe  der  rassischen  Grenze  und  des  rassischen  Ein- 
flusses waren.  Anfangs  1768  (24.  Jänner)  beschäftigte  sich  die  Hof- 
Kammer  wieder  mit  der  serbischen  Schulfrage  und  verlangte  von  der 
Landes-Administration  den  Bericht,  wie  viele  Schulen  im  Banat  von  der 
serbischen  und  rumänischen  Jugend  besucht  werden;  was  für  Lehrer  in 
Schulen  seien;  was  bis  jetzt  in  dieser  Richtung  geschehen  und  was 


^)  flu.  Arch.  Fase.  32,  Nr.  41. 


396  AlekBE  Ivid, 

man  znkfinftig  zu  tim  gedenkt  ^)  ?  Die  Landea-Administration  antwortete 
anf  die  gestellten  Fragen  nnd  am  9.  Oktober  1768  übersandte  die  Hof- 
Kammer  diese  Antwort  an  die  illyrische  Deputation.  Ans  der  Antwort 
der  Landes- Administration  konnte  man  ersehen,  daß  die  Grflndnng  und 
Verbesserang  der  serbischen  Schulen  unbedingt  notwendig  sei ;  deshalb 
fragte  die  Hof-Kammer  die  illyrische  Deputation  um  ihre  Meinung  in  dieser 
Sache  ^).  Unter  den  Akten  im  Finanz-Archiv  kann  man  nicht  finden,  was 
die  Hlyrische  Hof-Deputation  antwortete. 

Damals  lebte  in  Wien  ein  gewisser  Daniel  Lazarini,  Jurist  und 
Studierender  der  Finanzwissenschaft.  Die  Hof-Kiunmer  beschloß,  ihm  die 
Reorganisation  der  serbischen  Schulen  and  das  Verfassen  eines  Schulbuches 
zu  überlassen.  Zugleich  bot  sie  ihm  an,  die  Aufsicht  über  die  Schulen  in 
seine  Hllnde  zu  nehmen  und  zugleich  verlangte  sie  von  ihm  men  Entwurf, 
wie  die  Reform  der  serbischen  Schulen  auszuführen  wäre.  Lazarini  war 
im  Banat  geboren,  aber  es  ist  mir  nicht  klar,  welcher  Nation  er  angehörte. 
Er  selber  sagte,  er  sei  ein  serbisch-rumänischer  Nationalist  Die  Ver- 
hältnisse seiner  Heimat  kannte  er  sehr  gut  und  in  Schulsaehen  war  er 
ebenfalls  bewandert  Anfangs  1769  unterbreitete  er  seinen  Entwurf. 
Dieser  kann  der  Hauptsache  nach  auf  folgendes  reduziert  werden: 

1.  Es  sind  wenigstens  in  größeren  Dörfern  geschickte  Schullehrer 
anzustellen,  die  zugleich  das  Dor&otariat  fahren  könnten.  In  diesen 
Dorfschulen  wären  Katechismus,  Lesen,  Schreiben  und  die  vier  Arten  ein- 
facher Rechnung  zu  lehren. 

2.  Ein 'Schulbuch  sei  zu  verfassen,  das  die  Einleitung  in  das  Gebet- 
lesen  undRechnen,  einige  Schriftformulareund  die  Belehrung  in  den  Haupt- 
pflichten enthielte.  Das  Buch  sei  in  Rymnik,  in  der  Groß- Walachei  zu 
drucken. 

3.  In  Temeschwar  wäre  eine  Schule  zu  errichten  für  diejenigen,  die 
weiter  lernen  wollen.  Hier  sollten  die  Religionslehre  in  der  Muttersprache, 
Rechnen,  Grammatik  wenigstens  bis  zur  Syntax  in. drei  Sprachen,  der  ser- 
bischen, lateinischen  und  deutschen,  außerdem  die  Hauptregeln  der  Rhetorik, 
Buchführung,  Logik,  Ökonomie,  Weltgeschichte  und  Geographie  vor- 
getragen werden. 

4.  Von  denjenigen,  die  ihre  Kinder  nach  dem  8.  und  9.  Jahre  die 
Schule  nicht  besuchen  lassen  wollen,  wäre  eine  Steuer  zu  erheben,  die 
man  zum  Besten  der  fleißigen  Schüler  verwenden  sollte. 


1)  Fin.  Aroh.  Fase.  32,  Nr.  31.  >}  1.  o.  Nr.  36. 


Beitri&ge  znr  Enltargeschiohte  des  serbiflchen  Volkes.  397 

.  5.  Jene  2  000  Gulden,  die  die  Earloyitser  Metropolie  von  dem  Ätat 
bekommt  nnter  derBedingang,  sie  znm  allgemeinen  Besten  sn  verwenden, 
wären  ftlr  die  Schulen  zn  verwenden. 

Was  die  Inspektion  der  Schulen  und  die  Abfassung  des  Schulbuches 
anbelangt,  so  nimmt  es  Lazarini  auf  sich  unter  der  Bedingung,  daß  ihm 
zugleich  irgendwo  eine  Stelle  in  der  Landes-Eanzleioderim  Landesgericht 
in  Temeschwar  gegeben  und  ihm  ein  neunmonatlicher  Urlaub  gewährt 
wfldre,  um  die  begonnenen  Studien  zu  vollenden. 

Über  diesen  Vorschlag  Lazarinis  verhandelte  die  Hof-Kammer  im 
Juli  1769.  Der  Referent  war  Hofrat  Herteli,  der  den  Entwurf  Lazarinis 
in  Vielem  korrigierte  und  ergänzte.  In  seinem  Beferat  sagte  Herteli,  daß 
man  in  jedem  Orte,  wo  wenigstens  60  Häuser  sind,  eine  Schule  eröffnen 
sollte.  Der  Gehalt  dieses  Lehrers  in  diesen  Orten  wäre  30  Gulden  jähr- 
lich. In  den  Orten,  wo  mehr  als  60  Häuser  sind,  hätte  der  Lehrer  40  und 
in  den  Orten  mit  mehr  als  100  Häusern,  hätte  er  60  Gulden  jährlich. 
Die  gesamten  Kosten  trägt  die  Gemeinde.  Das  Schulbuch  wäre  in  beiden 
Sprachen,  der  serbischen  und  rumänischen,  zu  verfassen  und  dem  Volke 
kostenlos  zu  geben,  um  es  auf  diese  Weise  möglichst  zu  verbreiten.  Der 
Referent  ist  nicht  damit  einverstanden,  daß  man  in  Temeschwar  eine 
Schule  errichte,  denn  die  wenigsten  Serben  und  Rumänen  werden  diese 
Schule  besuchen,  auch  scheint  es  ihm  nicht  klug,  eine  höhere  Schule  an 
der  Staatsgrenze  zu  errichten,  sondern  er  w^de  vorschlagen  gute  deutsche 
Schulen  in  Temeschwar,  Groß-Becskerek,  Maria  Teresiopel,  Verschez, 
Lugosch,  StMiklosch,  Karansebesch,  Weiß-Kirchen,  Öakovo  und  anderen 
größeren  Orten  zu  errichten.  Diese  Schulen  sollte  in  erster  Zeit  der  Staat 
aushalten,  damit  die  Leute  ihre  Kinder  lieber  in  diese  Schulen  schickten. 
Außerdem  schlägt  er  vor,  den  braven  Schülern  von  Zeit  zu  Zeit,  besonders 
aber  bei  der  Prüfung  kleine  Geschenke  in  Elleidem  oder  anderen  Sachen 
zu  machen.  Er  ist  nicht  damit  einverstanden,  daß  man  von  denjenigen, 
die  ihre  Kinder  nicht  die  Schule  besuchen  lassen  wollen,  Steuer  erhebe, 
weil  man  in  dieser  Weise  den  Haß  des  Volkes  gegen  diese  Neuenmg 
hervorrufen  könnte.  Endlich  ist  er  einverstanden,  daß  man  dem  Lazarini 
die  Stelle  des  Schul-Inspektors  gäbe,  da  es  scheint,  daß  er  die  nötigen 
Kenntnisse  dazu  habe,  und  es  wären  ihm  jährlich  600  Gulden  zu  bestimmen, 
außerdem  noch  12  Schober  Heu  für  die  Pferde  i). 


1)  In  seinem  Bittgesuche  unterschrieb  sich  Lazarini  »Daniel  Lazarini, 
beeden  rechten  und  cameraU-wissenschafift  zuhörer«  Fin.  Arch.Fa0c.d2,  Nr.  44. 


398  AlekM  Ivid, 

In  dieser  Zeit  wurde  der  serbische  Eirchenkongreß  abgehaltmiy  der 
nebst  der  Wahl  des  neuen  Metropoliten  nnd  der  vielen  anderen  Angelegen- 
heiten anch  noch  die  Aufgabe  hatte,  über  die  serbische  Schulfrage  zu  yor» 
handeln.  Als  Kommissär  des  Königs  bei  diesem  Kongresse  fungierte 
Oraf  Hadik.  Am  20.  Oktober  referierte  er  der  Hof-Kammer  von  dem 
Wirken  des  Kongresses  behufs  Gründung  von  serbischen  Schulen.  In 
seinem  Referate  schlug  er  dem  Herrscher  vor,  eine  Kommission  im  Banat 
einzurichten,  die  den  Stand  der  Schulen  prüfen  und  ihm  Bericht  erstatten 
würde.  Die  Illyrische  Hof-Deputaüon  sandte  an  die  Hof-Kammer  dieses 
Referat  von  Hadik  und  unterstützte  ihrerseits  seinen  Vorschlagt). 

Inzwischen  vollendete  im  Oktober  1769  Lazarini  seine  Studien  nnd 
begab  sich  nach  dem  Banat,  um  dort  eine  Stelle  zu  suchen.  Unterwegs 
erkrankte  er  und  blieb  so  lange  in  Preßburg,  bis  er  wieder  gesund  wurde. 
In  Wien  hatte  man  keine  Ahnung,  was  mit  Lazarinigeschehen,  und  die  Hof- 
Kammer  forderte  in  einem  Dekrete  Lazarini  auf,  das  Lesebuch  für  die 
serbischen  und  rumänischen  Schulen  zu  verfassen.  Diesem  Dekrete  legte 
sie  noch  eine  präzise  Anleitung  bei,  an  die  er  sich  beim  Verfassen  dieses 
Schulbuches  halten  müßte.  Die  Polizei  suchte  Lazarini  in  Wien,  um  ihm 
das  Dekret  zu  übergeben,  aber  vergebens.  Am  9.  Dezember  meldete  der 
Hof- Kammer  ein  gewisser  Krüpl,  der  zum  zweiten  Male  den  Auftrag 
erhielt,  Lazarini  aufzusuchen,  daß  er  ihn  trotz  aller  Mühe  nicht  finden 
konnte  ^).  Zuletzt  erfuhr  man,  daß  Lazarini  nach  Temeschwar  abgereist 
sei  und  sich  bei  dem  dortigen  Bischöfe  befinde.  Deshalb  beauftragte  die 
Hof-Kammer  am  23.  Dezember  1769  die  Landes-Administralion  von 
Temeschwar,  Lazarini  aufzusuchen  und  wenn  er  wirklich  dort  ist,  ihm 
den  Auftrag  zu  geben,  das  Schulbuch  zu  verfassen;  wollte  er  es  nicht 
tun,  so  möge  die  Landes- Administration  einen  anderen  finden,  der  im 
Stande  wäre,  diese  Sache  auf  sich  zu  nehmen').  Aber  wie  gesagti 
Lazarini  lag  krank  in  Preßburg  darnieder.  Die  Landes-Administration 
von  Temeschwar  suchte  ihn  eine  geraume  Zeit,  aber  vergebens;  dann  am 
3.  März  1770  schlug  sie  auf  Anraten  des  Metropoliten  und  illyrischen 
Volkssekretärs  Nenadovid  der  Hof-Kammer  zwei  andere  statt  Lazarini 
vor,  nämlich  den  unierten  Archimandriten  Arsen  Popoviö,  der  in  Qroß- 
wardein  lebte  und  einePension  von  tOOO  Gulden  genoß,  oder  den  Sekretär 
des  ehemaligen  nicht  unierten  Bischofs  von  Kronstadt,  DemetriusBostasiuBy 


i)  Flu.  Arch.  Fase.  32,  Nr.  56.  ^  1.  e.  Nr.  32. 

>}  1.  c.  Nr.  104. 


BdtrSge  zur  Enltnrgeschichte  dee  serbischen  Volkes.  399 

der  Ka  dieser  Zeit  in  Kronstadt  in  Siebenbtirgen  lebte.  Beide  sprachen 
YoUkonunoi  deutsch,  lateinisch,  rum&nisch  und  serbisch;  sie  waren  frtther 
selbst  Lehrer  gewesen  ^). 

Um  diese  Zeit  wnrde  Lazarini  in  Preßbnrg  gesund  und  führte  den 
ersten  Teil  des  Schulbuches  zu  Ende  und  sandte  ihn  an  die  Kammer. 
Dem  Manuskripte  fügte  er  noch  ein  Schreiben  bei,  in  dem  er  die  Schwierig- 
keiten, mit  denen  er  zu  kämpfen  gehabt  hatte,  bis  er  diesen  ersten  Teil 
vollendete,  schilderte.  Für  die  andern  zwei  Teile  habe  er  schon  das 
Material  gesammelt  und  wolle,  wenn  der  erste  Teil  angenommen  würde, 
die  andern  gleich  beginnen.  Zugleich  bat  er,  ihm  die  versprochene  Schulr 
Inspektion  zu  gebend). 

Über  dieses  Schulbuch  und  Bittgesuch  Lazarinis  wurde  in  der  Sitzung 
der  Hof-Kammer  vom  1 1.  März  1770  beraten.  Die  Elammer  gibt  zu,  daß 
das  Schulbuch  im  Großen  und  Ganzen  nach  den  Instruktionen  ausgearbeitet 
sei,  es  haben  sich  jedoch  gewisse  Fehler  eingeschlichen.  In  dem  Dekrete, 
das  Lazarini  zum  Verfassen  des  Schulbuches  beauftragte,  wurde  ins- 
besondere der  Wunsch  geäussert,  beim  Schreiben  des  Schulbuches  die 
lateinischen  Buchstaben  zu  verwenden,  aber  gleich  auf  den  ersten  Seiten 
hatte  Lazarini  auch  die  russischen  Buchstaben  als  eine  Erleichterung  beim 
Lernen  verwendet  Daran  scheiterte  die  hauptsächliche  Absicht  der 
Österreichischen  Regierung,  welche  durch  die  Einführung  der  lateinischen 
Buchstaben  in  den  serbischen  Schulen  jedwede  Beziehung  zwischen  dem 
russischen  und  serbischen  unterrichte  abbrechen  wollte.  Deshalb  mußte 
man  diese  Buchstaben  auslassen,  die  lateinischen  Buchstaben  anwenden, 
um  den  Schülern  diese  Buchstaben  zu  lehren.  Das  Buch  fiel  zu  groß  aus, 
viel  größer,  als  man  es  wollte.  Zuletzt  wäre  dieses  Schulbuch  einer 
strengen  Zensur  lu  unterwerfen,  da  es  aber  der  Ejunmer  nicht  bekannt 
war,  wem  man  diese  Aufgabe  mit  Sicherheit  anvertrauen  könnte,  so  mußte 
man  deswegen  die  Kaiserin  Maria  Theresia  fragen,  ob  man  das  der 
illyrischen  Hof-Deputation  oder  der  Temeschwarer  Landes-Administration 
anvertrauenkönnte,  nämlich  dieZensur  zu  besorgen.  Die  Kaiserin  beschloß, 
vorläufig  die  Herausgabe  des  Buches  zu  sistieren  und  dem  Metropoliten 
au&utragen,  er  möge  einen  Katechismus  für  den  Druck  vorbereiten,  aus 
welchem  die  serbische  und  rumänische  Jugend  die  nötige  Belehrung  im 
Glauben  bekommen  würde.  Zu  gleicher  Zeit  erlaubte  sie,  daß  Lazarini 
für  zwei  Jahre  provisorisch  als  Schul-Inspektor  ernannt  werde. 


1)  Fin.  Arch.  Faso.  32,  Nr.  66.  ^  1.  c.  Nr.  59. 


400  AlekMlvid,  ^ 

Diesem  Beschlüsse  entsprechend  gab  man  am  12.  Mai  LaEarini  an 
wissen,  daß  er  die  weitere  Arbeit  am  Bache  nicht  fortsetEcn  mOge,  daß 
er  aber  snm  Schal-Inspektor  ernannt  wnrde^]. 

Inzwischen  hielt  aach  die  illyrische  Hof-Depatation  eine  Sitanng  am 
22.  April  1770  wegen  der  serbischen  Schalfrage  ab.  In  dieser  Sitsung 
worde  beschlossen,  das  Mannskript  Lazarinis  zn  verwerfen,  denn  es  ent- 
spreche nicht  den  Bedllrfnissen  eines  Volkes,  wie  es  das  serbische  nnd 
das  ramänische  sei  Graf  Hadik  hatte  es  noch  am  vorigen  Kongreß  dnreh- 
gefohrt,  daß  statt  der  bisherigen  Seminare,  in  jeder  DiOzese  die  klerikalen 
Schalen  für  Priesterkandidaten  gegründet  werden.  Deshalb  beschloß  die 
Depatalion,  den  Metropoliten  and  die  Bischöfe  am  Rat  zn  fragen,  welche 
Personen  als  Lehrer  in  diesen  klerikalen  Schalen  zn  ernennen  wären. 
Aaßerdem  möge  jeder  Bischof  erklären,  wie  viele  Waisen  er  in  die  Schale 
seiner  Diözese  anfnehmen  nnd  ihnen  die  Nahrang,  Kleider  and  Bfloher 
geben  könnte.  Nach  der  Meinang  der  Deputation  wäre  diese  Frage  sehr 
wichtig,  weil  dann  die  Kirchengemeinden  nicht  gezwangen  wären,  nnr 
solche  Kinder,  die  die  Mittel  zum  Lernen  besitzen,  in  die  Priesterschale 
anfzanehmen,  sondern  es  würde  aach  arme  Priester  geben,  welche,  da  sie 
kein  Eigentam  besitzen,  nicht  an  die  Stelle  gebanden  sind,  weshalb  aie 
der  Diözesan  nach  Bedarf  leicht  versetzen  könnte.  Der  Metropolit  mttßte 
Soi^e  tragen,  daß  jeder  Bischof  einen  Bericht  über  den  Znstand  der  Schüler 
seiner  Diözese,  von  ihren  Fähigkeiten  and  dem  Fortschritte  in  der  Schule 
nsw.  erstattete.  Daraof  ging  man  aaf  die  Volksschalen  über.  In  diesen 
herrschte  bisher  viel  Unordnung,  der  man  ein  Ende  machen  maßte.  Be- 
sondere Aafmerksamkeit  müßte  man  darauf  verwenden,  daß  die  Lehrer 
moralische  nnd  gebildete  Männer  sind,  widrigenfalls  man  sie  enüassen 
sollte.  Sobald  das  Kind  das  fünfte  Jahr  vollendet,  müsse  man  es  in  die 
Schale  schicken.  Der  Lehrer  müßte  pünktlich  in  der  Schale  erscheinen 
and  dürfe  nicht  vor  der  bestimmten  Zeit  die  Schalstanden  anterbrechen 
Jede  Schale  müßte  drei  Klassen  haben,  die  erste,  zweite  nnd  dritte.  So- 
lange ein  Kind  die  eine  Klasse  nicht  vollständig  erlernt  hat,  sollte  es  nicht 
in  die  höhere  kommen.  Der  Lehrer  müßte  jedes  Halbjahr  einen  Beridit 
aasarbeiten  über  den  Fortschritt  der  Kinder  im  Lernen  nnd  diesen  Bericht 
durch  den  Metropoliten  an  die  Hof-Kammer  senden.  Die  serbischen 
Schalen  befinden  sich  in  einem  sehr  schlechten  Znstande  und  es  gibt 
hrer  auch. nur  wenige.    Ebenfalls  sehr  schwer  könnte  man  einen  Lehrer 


»)  Pin.  Arch.  Fase.  32,  Nr.  59 


Beiträge  snr  Knltorgeflohiehte  des  serbisohen  Volkes.  401 

ans  jener  Gegend  auftreiben,  der  den  Ansprüchen  nachkommen  könnte. 
Im  Interesse  des  Staates  ist  die  Beform  notwendig  nnd  die  Hof-Depntation 
bittet  die  EaLserin  diesen  Plan  zn  genehmigen  nnd  in  Sachen  der  Beform 
der  serbischen  Schnlen  eine  Konferenz  einzubemfen,  an  welcher  anßer 
den  Yertretem  der  illyrischen  Hof- Deputation  anch  noch  die  Vertreter 
des  Hof-Kriegsrates  nnd  der  ungarischen  Hof-Ejmzlei  teilnehmen  würden. 
Gegen  diese  Beform  der  serbischen  Schnlen  hatte  sich  nur  der  ungarische 
Hofrat  GjOry  geäußert  aus  Furcht,  daß  durch  diese  Beform  neue  Aus- 
gaben notwendig  sein  würden,  die  dem  Staatsärar  zur  Last  fielen. 

Die  Kaiserin  genehmigte  den  Vorschlag  der  illyrischen  Hof-Depu- 
tation, daß  die  höchsten  politischen  Behörden  zusammentreten  und  ge- 
meinsam einen  Plan  für  dieBeoi^anisation  der  serbischen  und  rumänischen 
Schulen  ausarbeiten.  Sie  äußerte  bei  dieser  Gelegenheit  auch  den  Wunsch, 
der  Metropolit  möge  möglichst  bald  einen  kurzgefaßten  Katechismus  zur 
Belehrung  der  orthodoxen  Kindern  ftlr  den  Druck  7orbereiten  ^).  Auf 
Grund  dieses  Beschlusses  sandte  am  13.  Hai  die  iDyrische  Deputation 
ei&e  Zuschrift  an  die  Hof-Kammer,  in  welcher  diese  aufgefordert  wurde, 
die  Deleperten  für  die  gemeinsame  Zusammenkunft  zu  wählen^).  Zu 
gleicher  Zeit  ist  wahrscheinlich  auch  eine  Einladung  an  den  Kriegsrat  und 
die  ungarische  Hof-Kanzlei  ergangen.  Im  Finanz-Archiy  ist  der  Beschluß 
der  Hof-Kammer  in  dieser  Sache  aufbewahrt,  wodurch  dieselbe  den  Baron 
Stopan  als  Delegierten  bei  dieser  Zusammenkunft  bezeichnet  hat*). 

Die  Delegiertenkonferenz  der  höchsten  politischen  Behörden  hatte 
die  Aufgabe,  sich  im  allgemeinen  über  die  Begulierung  der  serbischen 
nnd  rumänischen  Schulen  zu  yerständigen.  Diese  Arbeit  war,  ohne  den 
Znstand  der  damaligen  serbischen  und  rumänischen  Schulen  zu  kennen, 
undurchführbar.  Die  Berichte,  die  bisher  über  die  genannte  Frage  aus- 
gegeben wurden,  waren  unvollständig  und  flüchtig.  Sehr  oft  widersprachen 
sie  sich.  Wir  haben  keine  sicheren  Daten,  waxm  diese  Konferenz  ab- 
gehalten wurde  und  wie  sie  yerlief ,  aber  aus  indirekten  Daten  ersieht 
man,  daß  sie  zu  keinem  positiven  Besultate  gelangten,  sondern  die 
Delegierten  verständigten  sich  nur  darin,  emen  präzisen  Bericht  von  dem 
Znstande  der  serbisohen  Schulen  zu  verlangen.  Baron  Franz  Keller, 
Präsident  des  Hof-Kriegsrates,  sandte,  beauftragt  von  dieser  Konferenz, 
am  30.  August  1770  ein  Schreiben  an  die  Hof-Kammer,  de  möge  ihm 
den  obengenannten  Bericht  verschaffen.  Am  8.  September  dieses  Jahres 


1)  Fin.  Arch.  Fisc.  32,  Nr.  121.   .  >)  Ibid.  ^  Ibid. 

AreUT  ftr  lUiiteli«  P]iUologie.    ZXIX.  26 


402  Aleksa  Iviö, 

sandte  die  illyrische  Hof-Deputation,  aufgefordert  von  der  Hof-Kammer, 
len  Auftrag  an  die  Landes-Administration  von  Temescbwar,  die  Daten 
über  die  serbiaehen  und  rumänisehen  Scbulen  zu  sammehi  ^). 

Inzwiscben  weilte  Daniel  Lazarini  ununterbrocben  in  Temesebwar, 
wo  er  Stadtsyndikus  geworden  war,  was  damals  als  eine  angesebene  Stellung 
betraebtet  wurde.  Die  Landes-Administration  übermittelte  ibm  den  Be- 
scbluß  der  Kaiserin,  wodurcb  sein  Scbulbucb  verworfen  und  er  provi- 
soriscb  für  zwei  Jabre  zum  Scbul-Inspektor  ernannt  wurde.  Lazarini  war 
es  scbwer,  seine  sicbere  Stellung  aufzugeben  und  er  sandte  durch  Ver- 
mittlung der  Landes-Administration  die  Bedingungen,  unter  welchen  er 
die  Scbul-Inspektion  annehmen  würde.  Er  verlangte  j&hrlicb  900  Gulden, 
das  Futter  ftlr  seine  zwei  Pferde,  außerdem  für  das  Verfassen  der  Schul- 
bücher und  Anleitung  der  Lehrer  einen  besonderen  Bezug  und  noch  dne 
höhere  Stelle  beim  Staate  oder  wenigstens  das  Versprechen,  daß  er  die- 
selbe bekommen  werde,  sobald  er  aufhörte  Scbul-Inspektor  zu  sdn^. 
Schon  die  Landes-Administration  in  ihrem  beigelegten  Briefe  vom 
25.  August  17  70  bemerkte,  daß  diese  Bedingungen  übertrieben  seien  und 
als  solche  erkannte  sie  auch  die  Hof-Kammer.  Der  Mitregent  und  Sohn 
der  Kaiserin,  Josef,  der  als  ein  Freund  der  Volks-Aufkl&rung  bekannt 
war  und  der  sich  auch  für  serbische  Schul- Angelegenheiten  interessierte, 
faßte  den  Beschluß,  die  Frage  über  den  Schul-Inspektor  vorläufig  auf- 
zugeben ^j.  Und  nach  diesem  verschwindet  aus  den  Akten  von  der  Reform 
der  serbischen  Schulen  der  Name  Daniel  Lazarini. 

Einen  umfangreichen  Bericht  betrefib  der  Zahl  der  Schulen,  der 
Fähigkeiten  der  Lehrer,  der  Zahl  und  Erfolge  der  Schüler  in  unseren 
Gegenden  auszuarbeiten,  war  eine  schwere  Arbeit  und  die  Landes-Ad- 
ministration vom  Banat  war  lange  Zeit  nicht  in  der  Lage  aUe  Schwierig- 
keiten zu  überwinden.  Dagegen  verlangte  Kaiser  Josef,  daß  die  Frage 
betreffs  der  serbischen  und  rumänischen  Schulen  so  bald  als  möglich  er- 
ledigt werde  *).  Deshalb  forderte  die  Hof-Kammer  öfters  diesen  Bericht, 
weil  sie  ohne  ihn  nicht  an  die  Schulreform  herantreten  konnte.  Aus  die- 
sem Grunde  sandte  sie  am  22.  Dezember  1770  zwei  Schreiben,  das  eine 
an  die  Illyrische  Hof-Deputation,  das  andere  an  die  Landes-Administrar 
tion  von  Temesebwar^).  Nächsten  Jahres  am  23.  März  verlangte  die 
Hof-Kammer  aufs  neue  und  zwar  sehr  energisch  den  obengenannten  Be- 


1)  Fin.  Arch.  Fase.  32,  Nr.  48.  «)  1.  c.  Nr.  104.  »)  Ibid. 

*)  I.e.  Nr.  11.  5)  I.e.  Nr.  104. 


BeitrSge  ziir  Eultnrgeschichte  des  serbiBchen  YolkeB.  403 

rieht  Ober  die  serbiBchen  und  rnmänischen  Schulen  und  forderte  eine  Er- 
klftning,  aus  welcher  Ursache  diese  Angelegenheit  so  lange  verzögert 
wurde  1).  Am  18.  Juni  1771  endlich  kam  der  verlangte  Bericht  und  die 
Hof-Kammer  sandte  ihn  schon  am  26.  Juni  zur  Prüfung  an  die  Dlyrische 
Hof-Deputation  2). 

In  dieser  Zeit  nahm  die  Zahl  der  Bittgesuche  um  die  Lehrerstellen 
immer  mehr  zu.  Der  Erzpriester  von  Cakovo  Eamensky,  geboren  in  einer 
polnischen  Gegend,  unweit  von  Kiew,  hatte  schon  am  30.  August  1770  um 
die  Stelle  des  Schul-Inspektors  gebeten,  aber  die  Hof-Kammer  legte  diese 
Bitte  bei  Seite,  da  damals  schon  Lazarini  zumSchul-Inspektor  ernannt  wor- 
den war  ').  Im  Jahre  1771  wiederholte  Kamensky  seine  Bitte  mehrmals,  her- 
vorhebend, daß  er  der  Sohn  adeliger  Eltern  sei  und  daß  er  in  seiner  Gegend 
auch  bisher  die  Schul-Inspektion  gehabt  habe.  Am  23.  März  wurde  ihm 
geantwortet,  daß  solange  die  Schulfrage  nicht  geregelt  ist,  sein  Gesuch 
in  suspenso  bleiben  müsse  ^].  Als  aber  Kamensky  sein  Gesuch  wieder  im 
April  d.  J.  einsandte  und  als  gewisse  Dinge  an  den  Tag  kamen,  die  für  ihn 
nicht  gar  lobenswert  waren,  antwortete  ihm  die  Hof-Kammer  am  22.  Mai, 
daß  sie  seiner  Bitte  keine  Folge  leisten  könne  ^).  Außer  vielen  anderen 
bewarb  sich  zu  dieser  Zeit  um  eine  Lehrerstelle  auch  ein  gewisser  Johann 
Cupka,  ein  ausgedienter  gemeiner  Soldat.  Ihm  antwortete  die  Hof-Kammer, 
er  möge  sich  an  die  Landes -Administration  wenden  und  sich  dort  einer 
Prüfung  unterziehen^).  Das  Jahr  1772  brachte  keine  wesentliche  Ver- 
änderung in  der  serbischen  Schulfrage.  In  den  Wiener  Archiven  sind 
keine  Daten  aufbewahrt,  die  sich  im  allgemeinen  auf  diese  Frage  beziehen 
würden. 

Anfangs  1773  wurde  die  Frage  des  Schul-Inspektors  für  deuBanat 
erledigt.  Am  6.  Februar  d.  J.  verständigte  die  Hof-Kammer  die  Landes- 
Administration  von  Temeschwar,  daß  zum  Schul-Inspektor  der  serbischen 
und  rumänischen  Schulen  im  Banat  Theodor  Jankovi<^,  der  bisherige 
Sekretär  des  serbischen  Bischofs  von  Temeschwar,  ernannt  wurde.  Von 
dieser  Zeit  an  spielt  dieser  Jankoviö  eine  sehr  wichtige  Rolle  in  der 
Geschichte  der  serbischen  Schulen.  Er  ist  in  Syrmien  geboren  und 
studierte  in  Wien,  wo  er  die  Vorlesungen  des  Professors  Sonnenfels  be- 
suchte, bei  welchen  er  die  vorgeschriebenen  Prüfungen  an  der  philoso- 
phischen Fakultät  der  Wiener  Universität  ablegte.    Auf  die  Empfehlung 

«)  Pfai.  Arch.  FaBC.  32,  Nr.  94.  ^  l  c.  Nr.  112. 

«)  1.  c.  Nr.  52.  *)  1.  c.  Nr.  94.  »)  1.  c.  Nr.  104. 

«)  I.e.  Nr.  109. 

26* 


404  AlekBalviö, 

der  Orafen  Glary,  dee  Präsidenten  der  Landes -Administration,  dem 
Jankoyi6  wegen  seiner  Reinheit  im  Privatleben,  seiner  Bescheidenheit  und 
Fähigkeiten  halber  gefiel,  worde  er  von  der  Hof- Kammer  znm  Schnl- 
Inspektor  ernannt.  Als  jtiirlicher  Gehalt  wnrde  ihm  von  der  Eammo- 
600  Gnlden  nnd  ein  Deputat  fttr  seine  Pferde  bestimmt  i). 

Die  Beschlflsse  des  serbischen  Kongresses  von  1769  wurden  der 
illyrischen  Hof-Depntation  übergeben,  die  sie  am  27.  September  1770 
unter  dem  Titel  das  »Illyrische  Regulamentc  veröffentlichte.  In  diesem 
Regulament  wird  an  zwei  Stellen  von  den  serbischen  Schulen  gesprochen 
und  man  gab  das  Versprechen,  in  einem  besonderen  Regulament  die  Frage, 
wiedieserbischen  Volks- undanderen Schulen  zu  reformieren  sind,  zu  lOsen. 
Die  Abfassung  dieser  Schulstatuten  wurde  der  illyrischen  Hof-Deputation 
anvertraut,  die  sich  im  Laufe  1773  sehr  oft  mit  ihnen  befaüte.  Es  wurden 
viele  Sitzungen  zur  Beratung  über  die  Regulierung  der  serbischen  Schulen 
abgehalten.  Anfangs  debattierte  man  nur  über  die  Hauptpunkte,  die  man 
regulae  directivae  nannte.  Aus  den  Akten  dieser  Sitzungen  ersehen  wir, 
daß  die  bisherige  deutsche  Ausschließlichkeit  und  die  katholische  Unduld- 
samkeit bedeutend  nachgelassen  hatten  und  statt  dessen  gewahrte  man 
vernünftigere  und  gesündere  Ansichten  der  österreichischen  Gesetzgeber 
dieser  Zeit.  Die  regulae  directivae  hatten  zur  Basis  die  Statuten  der 
deutschen  Schulen  und  die  Berichte  der  Landes- Administration  über  den 
damaligen  Zustand  der  serbischen  Schulen.  Wie  ein  roter  Faden  durch- 
zieht die  Diskussion  dieser  Sitzungen  das  Bestreben  der  Deputation,  die 
'serbischen  Schulen  von  der  Vormundschaft  der  Kirche  zu  befreien  und  sie 
selbständig  zu  machen. 

Anfangs  1774  waren  die  regulae  directivae  fertig  und  die  illyrisehe 
Deputation  schickte  sie  an  die  Hof-Kammer.  In  ihrer  Sitzung  vom  9.  März 
d.  J.  prüfte  die  Hof-Kammer  diese  regulae  und  bewilligte  sie.  Zugleidi 
beschloß  sie,  daß  sich  in  Temeschwar  eine  Kommission  bilde,  deren  Vor- 
stand der  Landespräsident  sein  sollte  und  in  welcher  als  Mi^lieder  einige 
Administrationsräte,  der  Schul-Inspektor  und  ein  oder  zwei  Priester  beider 
Konfessionen  ihren  Platz  haben  würden.  Diese  Kommission  würde  in  den 
Schulfragen  entscheiden.  Den  Bischöfen  und  Priestern  müsste  man  es 
nahe  legen,  daß  sie  kein  anderes  Recht,  ausgenommen  dasjenige  des 
Religionsunterrichtes,  in  der  Schule  haben.  Ebenfalls  wäre  es  sehr  not- 
wendig, daß  man  einige  Männer,  die  serbisch  und  deutsch  können,  nach 


1)  Fin.  Arch.  Fase.  32,  Nr.  12. 


BdtrSge  cur  Enltargeaehiohte  des  Berbischen  Volkes.  405 

"^en  beriefe  und  sie  daselbst  die  neae  Schnllehnnethode  stadieren  ließe. 
Diese  könnten  naohher  die  anderen  serbiscben  und  rnmftnischen  Lehrer 
in  dieser  Methode  belehren  i). 

Die'Haaptponkte  des  Scholregnlaments,  bekannt  unter  dem  Namen 
regnlae  directivae,  sind  folgende: 

1.  Um  den  Mangel  an  Bildung  zu  beseitigen  muß  man  der  Jagend 
überall  die  Gelegenheit  versehaffen,  sich  auszubilden. 

2.  In  allen  Orten,  in  deren  Nfthe  weder  eine  griechisch  orthodoxe 
noch  eine  katholische  Schule  ist,  wo  aber  die  Aussicht  vorhanden  ist, 
daß  man  eine  solche  Schule  erhalten  kann,  muß  man  eine  neue  Schule 
bauen. 

3.  In  den  Orten,  wo  viele  Katholiken  wohnen,  soll  man  katholische 
Schulen  errichten  und  katholische  Lehrer  einsetzen,  in  jenen  Orten  dagegen, 
wo  nur  die  Griechisch-orthodoxen  wohnen,  oder  die  ELatholiken  in  großer 
Minderheit  sind  und  diese  keinen  Priester  haben,  muß  man  nicht  unierte 
Lehrer  anstellen.  In  jenen  deutschen  Schulen,  welche  von  den  serbischen 
ELindem  besucht  werden,  muß  man  diesen  freundlich  entgegen  kommen 
und  darf  man  ihrer  Beligion  kein  Hindernis  in  den  Weg  legen. 

4.  Die  alten  Schulgebäude  muß  man  renovieren. 

5.  Es  wird  als  Regel  angenommen,  überall  dort,  wo  sich  eine 
serbische  Pfarre  befindet,  eine  Volksschule  zu  eröffiien^). 

Erst  jetzt,  wo  die  regulae  directivae  fertig  waren,  konnte  man  ernst- 
hafter an  die  Lösung  der  serbischen  Schulfrage  herantreten.  Am  11.  Jnn 
sandte  die  Hof-Kammer  die  »Regulae  directivae«  an  die  Landes-Ad- 
ministration  von  Temeschwar  mit  dem  Auftrage,  sie  möge  den  Bestim- 
mungen dieser  Regulae  directivae  folgend,  mit  dem  Bau  und  der  Reno- 
vierung der  Schulgebäude  beginnen.  Kach  dem  Plane  sollten  373  neue 
Schulgebäude  erbaut  und  2 1  renoviert  werden.  Da  dies  aber  mit  großen 
Ausgaben  verbunden  war,  faßte  die  Hof-Kammer  in  der  Sitzung  von 
24.  Oktobtr  1774  folgenden  Beschluß:  1.  Man  muß  für  den  Schulbau 
das  Holzmaterial  kostenlos  liefern,  2.  Ebenfalls  umsonst  mußte  man 
die  notwendige  Schuleinrichtung  geben,  3.  Es  sollten  auf  Staatskosten 
10  000  Stück  Schulbücher  (Alphabetbücher)  gedruckt  und  den  Schulen 
gesehenkt  werden,  4.  Man  sollte  alljährlich  eine  Summe  von  1 500  Gulden, 
die  man  dem  Staatsärar  entnehmen  sollte,  darauf  verwenden,  Geschenke  fOr 


t)  Fin.  Arch.  Fase.  32,  Nr.  83. 
S)  Ibid.  und  Nr.  15. 


406  AlekBarltid, 

fleißige  Schiller  zu  kaufen  i).  Zugleich  beauftragte  die  Kaiserin  den  Baron 
Andreas  Matesen,  Feldmarschallentenant  und  Eommissftr  am  serbischen 
Eirchenkongreß,  im  Einremehmen  mit  dem  Bischöfe  Ton  Temeschwar 
und  der  Landes-Administration^  an  der  Verbesserung  der  Schulen  im 
Banate  zu  arbeiten.  Diesem  Befehle,  der  in  Wien  am  24.  Mai  1774 
gegeben  wurde,  wflrden  die  »Regulaedirectivae«  und  genaue  Instruktionen, 
nach  welchen  sich  Matesen  in  seine  Arbeit  zu  richten  hatte,  bei- 
gegeben^). 

Die  verwickelte  Schulfrage  kl&rte  sich  in  dieser  Zeit  immer  mehr  und 
mehr  auf.  Die  Kaiserin  Maria  Theresia,  noch  mehr  aber  ihr  Sohn  Joseph, 
waren  vom  aufrichtigen  Wunsche  durchdrungen,  im  ganzen  Lande  und  in 
allen  Schichten  des  Volkes  Aufklärung  zu  yerbreiten.  Deswegen  wurde 
am  1.  Mai  1774  der  Abt  Johann  Fellbieger,  der  schon  zu  dieser  Zeit  die 
Schulreform  in  Preußen  durchgefflhrt  hatte  und  in  ganz  Europa  berflhmt 
war,  nach  Wien  berufen.  Fellbieger  begann  sofort  zu  arbeiten,  machte 
den  Plan  für  die  Regulierung  der  Schulen  und  ftihrte  die  neue  moderne 
Lehrmethode  ein.  In  Wien  hielt  er  Vorlesungen,  in  denen  er  die  Lehrer 
und  Lehrer-Kandidaten  in  der  neuen  Methode  unterrichtete. 

Schon  im  Oktober  1774  trat  man  an  die  Einführung  der  Methode 
Fellbiegers  heran.  Von  Wien  aus  wurden  nach  allen  Richtungen  diejenigen 
Lehrer  geschickt,  die  die  Vorlesungen  Fellbiegers  besucht  und  bei  ihm 
die  Prüfung  gemacht  hatten.  In  dieser  Zeit  konnte  man  schon  genauer 
die  Einteilung  der  Schulverwaltungsbehörden  bestimmen.  Die  Militftr- 
schulen  in  serbischen  Gegenden  hatten  in  jedem  Regiment  eine  besondere 
Verwaltungsbehörde  und  in  jeder  Militfirgrenze  eine  Schulkommission. 
Darnach  waren  auch  die  Schulen  in  das  Banater  Regiment  deutscher 
Ansiedler,  in  die  Banater  illyrische  Militärgrenze,  in  die  Banater  rumä- 
nische, in  die  Banal  Militärgrenze,  in  die  Karlstädter  und  slayonische 
eingeteilt.  Nach  jeder  von  diesen  Militärgrenzen  wurde  ein  Schiller  Fell- 
biegers als  Schuldirektor  und  einige  von  ihnen  als  Triviallehrer  entsendet'). 
Zu  gleicher  Zeit  veröffentlichte  man  die  Statuten  ftlr  die  deutschen  Schulen 
und  das  Schulbuch  (Abcbuch)  in  deutscher  Sprache  gedruckt.  Nach 
der  Schukeform  von  Fellbieger  teilte  man  die  Schulen  in  die  Normal-, 
Mittel-  und  Volks-Schulen  ein.  In  jeder  Provinz  war  je  eine  Normalschule. 
Die  Mittelschulen  wurden  in  größeren  Orten  und  die  Volksschulen  in  jeder 
Pfarre  eröffnet. 

1)  Fin.  Arch.  Fase.  32,  Nr.  1 7.  «j  Ibid. 

8)  Hof-Kriegs-Archiv  1774,  24—274. 


Beiträge  snr  EultnrgeBobichte  des  serbischen  Volkes.  407 

Durch  die  Emennnng  des  Theodor  Jankovid  zum  Schulinspektor  ist 
eioe  glflckliche  Wahl  gemacht  worden,  weU  Jankovid  seiner  Anfgabe 
gewachsen  war. 

In  den  Akten  des  Finanz- Archivs  finden  wir  wiederholt  seinen  Namen 
und  die  Berichte  über  seine  Arbeit.  Für  die  dem  Staate  geleisteten  Dienste 
verlangte  er  in  einem  Bittgesnche  von  9.  Jnli  1774  von  der  Hof-Kammer, 
ihm  den  Adel  zn  verleihen  ^).  Die  Hof-Kammer  wies  vorläufig  sein  An- 
suchen ab,  als  er  es  aber  am  20.  August  wiederholte,  wurde  ihm  der 
Adel  mit  dem  Prädikat  »liGrjevo«  verliehen  '].  Als  Schulinspektor  bezog 
er  einen  ziemlich  kleinen  Gehalt  und  die  Reisekosten  waren  groß;  des- 
wegen wandte  sich  Jankoviö  zu  Ende  des  1775  an  die  Hof-Kammer  mit 
dem  Ansuchen,  ihm  noch  150  Gulden  jährlich  als  Reisekosten  gelegent- 
lich der  Schulbesichtigungen  zu  geben.  In  der  Sitzung  vom  21.  Jänner 
und  4.  März  1775  wurde  dem  Ansuchen  Jankovid'  Folge  geleistet'].  An- 
fangs dieses  Jahres  wurde  er  zum  Konsistoriumsmitgliede  der  Diözese 
von  Verschetz  gewählt;  zu  gleicher  Zeit  wurde  auch  der  uns  gut  bekannte 
Stadtsyndikus  von  Temeschwar  Daniel  Lazarini  zum  Konsistoriumsmit- 
gliede der  Diözese  von  Temeschwar  gewählt.  Diese  beiden  Wahlen 
wurden  am  22.  April  1775  von  der  illyrischen  Deputation  bestätigt^). 

Im  folgenden  Jahre  veröffentlichte  man  noch  einige  wichtige  Ver- 
ordnungen für  serbische  Schulen ;  es  wurde  endgültig  der  Text  des  Schul- 
regulaments  bestimmt  und  dieses  Regulament  sowie  das  Schulbuch  (Abc- 
buch) gedruckt.  Am  11.  April  wurde  die  Sitzung  der  illyrischen  Hof- 
Deputation  abgehalten,  bei  welcher  der  Abt  Fellbieger  seine  Meinung 
über  die  Regulierung  der  serbischen  Schulen  äußerte.  Er  brachte  einen 
Vorschlag,  wodurch  man  Jankovid  nach  Wien  berufen  und  ihm  da  die 
Abfassung  des  Schulbuches  für  die  serbischen  Schulen  anvertrauen  sollte. 
Jankovid  soUte  in  Wien  einen  Kurs  bei  Fellbieger  nehmen,  um  sich  wo- 
möglich besser  in  der  neuen  Methode  zu  vervollkommen.  Nach  Fellbiegers 
Meinung  genügte  für  Jankovi6  ein  zweimonatiicher  Kurs,  weil  er  auch 
sonst  ein  kenntnisreicher  und  begabter  Mann  sei.  Um  so  früher  sollte 
Jankoviö  kommen,  da  schon  am  18.  November  1774  den  Bischöfen  von 
Temeschwar  und  Verschetz  befohlen  wurde,  die  geeigneten  Personen  aus 


i)  Fin.  Arch.  Fase.  65,  Nr.  18. 

^  Ibid.  Er  unterschrieb  sich  von  jetzt  angefangen:  »Theodor  Jankovich 
von  Myrievo«. 

^  1.  c.  Fase.  24,  Nr.  44  und  Nr.  16. 
^  1.  c.  Fase.  33,  Nr.  64  und  Nr.  29. 


408  Alekia  iTid, 

dem  BerbiBchen  Volke  in  die  Wiener  Normalschnle  za  adueken,  was  aber 
big  jetst  nicht  geschah.  Außerdem  schlug  Fellbieger  Tor,  daß  die  Kinder 
unter  8  Jahren  die  Schule  über  Sommer  und  die  ttber  8  Jahre  Aber  Winter 
besuchen  sollen,  da  sie  im  Sommer  den  Eltern  in  der  Arbeit  helfen 
mflssen  ^).  Er  brachte  noch  einige  weniger  wichtige  YorschUlge  und  viele 
wurden  von  der  illyrischen  Hof-Deputation  angenommen.  So  beschloß 
sie  am  15.  Juni  Jankovid  nach  Wien  zu  berufen  und  bestimmte  ihm,  so 
lange  er  sich  in  Wien  aufhielte,  3  Gulden  täglich  2). 

Am  21.  August  1776  wurde  in  Wien  eine  außerordentliche  Sitsaag 
abgehalten,  bei  welcher  Baron  Beischach,  Graf  Koller,  Abt  Fellbieger, 
die  Hofräte  Greiner  und  Weingarten  und  Franz  Kees,  Beferent  der  Hof- 
Kommision,  anwesend  waren.  Es  wurden  viele  Beschltlsse,  die  sieh  auf 
die  serbischen  Schulen  bezogen,  gefaßt  Zu  dieser  Zeit  hatte  schon  die 
Schulreform  bedeutende  Erfolge.  Im  Banat  selbst  waren  1 83  Schulen  mit 
ziemlich  guten  Lehrern ;  auch  in  andern  serbischen  Gegenden  vermehrte 
sich  die  Zahl  der  Schulen  so  sehr,  daß  fflr  diese  Avram  Mrazovi6  und 
Stephan  YiganovskizuSchulinspektoren  ernannt  wurden*).  Es  wurde  auch 
das  illjrische  Begulament  abgeändert  und  das  Gesetz  Aber  serbische 
Schulen,  das  sich  in  dem  Begulament  befand,  bedeutend  umgearbeitet 
Die  obengenannte  Kommission  beschloß,  das  Begulament  an  die  Bischof- 
Synode,  die  am  21.  September  d.  J.  zusammenkam,  zur  Begutachtung  zu 
senden.  Zugleich  wurde  die  Aufgabe  der  Schulkommission  und  der 
Wirkungskreis  des  Schulinspektors  genau  festgesetzt 

Inzwischen  war  Jankovid  mit  seinem  Schulbuohe,  welches  er  nach 
dem  deutschen  Schulbuche  ausgearbeitet  hatte,  fertig.  Das  Manuskript 
Jankoviö'  wurde  einem  gewissen  Atanasius  Sekeresch  zur  Prüfung  gegeben, 
der  in  ihm  Fehler  fand  und  einige  Abänderungen  vorschlug.  Die  Hof- 
Ejunmer  aber  wies  die  Vorschläge  ab  und  ließ  im  Oktober  1774  das  Schul- 
buch von  Jankovid  unverändert  drucken^).  Am  9.  Oktober  referierte 
Jankovid  der  Hof-Kammer  auch  über  den  zweiten  Teil  seines  Buches, 
Aber  die  Lehrmethode.  In  diesem  Beferat  beklagte  er  sich  über  viele 
Schwierigkeiten,  die  er  beim  Verfassen  dieses  Buches  überwinden  mußte  ^. 

Die  bedeutendste  Arbeit  jedoch  in  diesem  Jahre  waren  die  Statuten 
fllr  die  serbischen  Schulen,  die  unter  dem  Titel  »Das  Begulament  der 


i)  Fin.  Arch.  Fase.  32,  Nr.  83.  >)  1.  c.  Nr.  7  und  Nr.  1. 

«)Lc.  Nr.  41.  *)  I.e.  Nr.  41.  »)  L  e.  Nr.  40. 

8}  Ibid. 


BeiMge  svr  Knliiiigescliidita  doB  Berbkehen  Volkefl.  409 

ülyrifloheii  Deputation«  von  2.  November  1776  fOr  die  illyrisehen  Volks- 
Bchnlen  gedruckt  wurden.  In  diesem  Begnlament  ist  es  genau  bestimmt^ 
wo  man  das  Schulgebftude  bauen  soll  und  wie  es  sein  muß ;  was  man  alles 
von  dem  Lehrer  verlangt,  welohe  Rechte  der  Schulinspektor  und  welche 
die  Schulkommission  habe,  was  alles  in  der  Schule  gelernt  werde,  wie  lang 
der  Schulunterricht  dauern  soll,  welche  Kinder  verpflichtet  seien,  die 
Schule  zu  besuchen,  welche  Bücher  Schulbttcher  sind,  usw.  Durch  dieses 
Schul-Begulament  wurde  die  schwere  Arbeit  der  Lösung  der  serbischen 
Schulfrage  zu  Ende  gefOhrt. 

Durch  die  Schulreform  wurde  das  Ansehen  des  Lehrerstandes  be- 
deutend gehoben.  Bisher  waren  die  gemeinen  Soldaten  und  Kirchendiener 
Schullehrer,  jetzt  aber  muBte  jeder  Lehrer  vorerst  einen  Kurs  besuchen 
und  sich  dann  einer  Prüfung  unterziehen.  Ihr  Oehalt  wurde  ebenfalls 
stark  erhöht.  Aus  den  Referaten  über  die  Einnahmen  und  Ausgaben, 
die  aus  den  einzelnen  Orten  an  den  Hof-Kriegsrat  geschickt  wurden,  sieht 
man,  daß  die  Lehrer  ziemlich  gut  bezahlt  waren  und  angesehene  Stellen 
inne  hatten  ^). 

Die  Referate  der  Schul-Kommissionen  im  Laufe  1777  und  1778 
weisen  schon  auf  eine  regelmässige  und  fortschreitende  Arbeit  hin.  Die 
Zahl  der  Kinder  war  für  damalige  Verhältnisse  bedeutend.  Dagegen  wurden 
die  deutschen  Schulen  immer  seltener  und  seltener  von  den  serbischen 
Sandern  besucht.  So  z.B.  in  Weiß-Kirchen  von  122 Schulkindern,  die  die 
Schule  im  Schuljahre  1776/1777  besuchten,  waren  nur  fünf  serbische 
Schüler.  Die  Grenzerlehrer  erhielten  ihren  Oehalt  aus  der  Militärkasse, 
waren  im  Range  des  Feldwebels  und  durchwegs  deutsch  und  katholischen 
Glaubens. 

Was  die  Gründung  der  Klerikalschule  in  Neusatz  betrifft,  so  gab 
Graf  Franz  Koller  im  Auftrage  des  Herrschers  schon  am  2.  November 
1774  eine  Note  heraus,  wodurch  ihre  Erbauung  gestattet  wird^).  Vor- 
läufig aber  wurde  für  diese  Klerikalschule  gerade  so  wie  für  das  Gym- 
nasium in  Karlovltz  nichts  weiter  getan. 

In  dieser  Weise  wurde  die  serbische  Schulfrage  ihrem  Ende  zugeführt. 
Sie  verschwindet  zu  gleicher  Zeit  mit  der  illyrisehen  Hof-Deputation,  die 
sieh  mit  ihr  durch  so  viele  Jahre  unermüdlich  befaßt  hat.  Die  Lösung 
der  serbischen  Schulfrage  wurde  ohne  Mitwirken  des  serbischen  Volkes 


t)  Hof-Eriegs-Archiv  1776,  38-^1. 
>)  Fin.  Arch.  Fase.  32,  Nr.  30. 


41 0    Aleksa  Iviö,  BeiMge  sor  KnltoigeBehiclite  des  serbiBehen  Volkes. 

begonnen  nnd  ohne  dasselbe  aach  gelöst.  Erst  im  Jahre  1778  beklagte 
sieh  der  Metropolit  Vinzenz  Jovanovid-Vidak  im  Namen  des  serbischen 
Volkes,  Ober  unzählige  Ungerechtigkeiten,  die  dem  serbischen  Volke  dnrch 
das  illyrische  Regnlament  gemacht  wurden.  In  seiner  Beschwerde  berflhrt 
der  Metropolit  anch  die  serbischen  Schulen  und  legt  den  Standpunkt  des 
serbischen  Volkes  in  dieser  Frage  auseinander^).  Diese  Beschwerden 
des  ehrlichen  Metropoliten  wurden  aber  bei  Seite  gelegt,  und  niemand  be- 
achtete sie. 


1)  Hof-Kriegs-ArchiY  für  das  J.  1778,  Depart  lit  B. 

Aleksa  Iviö. 


Kritischer  Anzeiger. 


Dr.  Wenzel  Vondräk.  Yergleichende  slayische  Grammatik.  I.  Band. 
Lautlehre  und  Stammbildangslehre.  Oöttingen  1906.  X  +  531. 

Eine  ^)  recht  schwere  Aufgabe  hat  sich  Yondrik  gestellt,  denn  man  wird 
wohl  zugeben,  daß  bei  dem  gegenwärtigen  Stand  der  Wissenschaft  »das  Be- 
düri^s  nach  einer  Grammatik,  die  das  Shivische  mit  den  anderen  und  zwar 
insbesondere  mit  den  zunächst  verwandten  indoeuropäischen  Sprachen  er- 
klärend zu  vergleichen  hätte«,  wenn  auch  lebhaft  empfunden  wird,  so  doch 
nicht  allzu  leicht  befriedigt  werden  kann.  Erstens  fehlt  es  noch  sehr  an  Vor- 
arbeiten auf  dem  weiten  Gebiete  der  slavischen  Philologie  (z.  B.  vermißt  man 
bisjetzt  erschöpfende  Darstellungen  der  Sonderentwicklung  der  meisten  sla- 
vischen Idiome),  und  zweitens  sind  die  Ansprtlche  und  Forderungen,  die  an 
eine  »Vergleichende  Grammatik«  gestellt  werden ,  keineswegs  zu  gering. 
Dazu  ermächtigt  uns  der  gewaltige  Aufschwung  der  Sprachwissenschaft  seit  . 
etwa  30  Jahren.  Was  nun  das  uns  vorliegende  Buch  betrifft,  so  bin  ich  leider 
gezwungen,  schon  im  voraus  zu  sagen,  daß  es  die  Lücke,  von  der  oben  die 
Rede  war,  nicht  ausfüllt.  Die  Schuld  daran  tragen  zum  Teil  die  äußeren  Ver- 
bältnisse, zum  Teil  trägt  sie  der  Verfasser  selbst,  da  sein  Werk  der  ganzen 
Anlage  nach  ftlr  verfehlt  zu  betrachten  ist.  Eine  ausführliche  Begründung 
dieses  Urteils  sollen  die  nächstfolgenden  Zeilen  bringen,  wobei  alles,  was  un- 
wesentlich ist,  unberührt  bleiben  muß. 

Zu  einer  längeren  Auseinandersetzung  gibt  Anlaß  schon  die  erste  Seite 
des  Vorworts.  Es  handelt  sich  nämlich  um  folgende  Äußerung  des  Verfassers : 
»Das  Slavische,  das  hier  (d.  h.  in  ,einer  Grammatik,  die  das  Slavische  mit  den 


^}  Obgleich  unsere  Zeitschrift  bereits  eine  Besprechung  der  »vergleichen- 
den slavischen  Grammatik«  Prof.  Vondriks  von  Prof.  Brückner  gebracht  hat, 
so  trägt  die  Redaktion  doch  kein  Bedenken,  einer  zweiten,  eventuell  auch 
einer  dritten  usw.  Besprechung  des  Werkes  Raum  zu  gönnen.  Auf  diese 
Weise  kommen  verschiedene  Gesichtspunkte  zur  Geltung  und  die  wissen- 
schaftliche Einsicht  kann  dabei  nur  gewinnen.  Die  vorliegende  Besprechung 
betont  hauptsächlich  prinzipielle  Fragen  der  »urslavischen«  Grammatik,  d.  h. 
berührt  das  Verhältnis  der  slavischen  Grammatik,  als  Einheit  gedacht,  zu  den 
verwandten  indoeurop.  Sprachen,  resp.  Grammatiken.  Es  gibt  aber  auch  an- 
dere (jesichtspunkte,  die  zur  Sprache  kommen  könnten.  F.  •/'. 


412  ELritiBoher  Anzeiger. 

anderen  and  zwar  insbesondere  mit  den  zunächst  verwandten  indoenropMi- 
schen  Sprachen  erklärend  zn  vergleichen  hättet  zunächst  in  Betracht  kbne, 
wäre  freilich  das  Urslavische ...  Das  Urslav.  kann  aber  nnr  ans  den  lebenden  oder 
wenigstens  schriftlich ...  erhaltenen  slav.  Sprachen  erschlossen  werden.  Wenn 
auch  hierbei  dasAltkirchenslavische  als  die  älteste  ans  schriftlich  überlieferte 
slav.  Sprache  in  erster  Beihe  steht,  so  darf  man  es  doch  nicht  durchwegs  in 
der  Rolle  des  Urslav.  auftreten  lassen,  in  mehrfacher  Hinsicht  kann  es  sie 
allerdings  übernehmen.  Man  muß  also  in  einer  vgl.  slav.  Gramm,  in  erster 
Beihe  die  vorhandenen  oder  überlieferten  slav.  Sprachen  berücksichtigen, 
wenn  man  nicht  den  Boden  unter  den  Füßen  verlieren  will.«  Den  Boden 
unter  den  Füßen  darf  man  gewiß  nicht  verlieren,  aber  man  tut  es  doch  sicher- 
lich, wenn  man  das  Altkirchsnslavische  die  Bolle  des  Urslavischen  »in  mehr- 
facher Beziehung«  spielen  läßt,  denn  ein  mixtum  eompontufn  aus  erschlossenem 
Urslavisch  und  dessen  Tochtersprache  ist  ja  geradezu  unzulässig  i).  Da  an- 
dererseits eine  »vergleichende  slavische  Grammatik«  ohne  Urslavisch  über- 
haupt undenkbar  ist,  so  erweist  sich  als  erste  Aufgabe  die  Bestimmung  des 
Laut-  und  Formenbestandes  desselben.  Erst  dadurch  wird  die  Grundlage  ge- 
wonnen, auf  der  wir  unser  Gebäude  weiter  ausführen  dürfen,  denn  das  direkte 
Zusammenstellen  der  einzelnen  Slavinen  mit  den  verwandten  Idiomen  wider- 
spricht den  methodischen  Grundsätzen  der  vergleichenden  Sprachwissen- 
schaft. 

Was  das  Urslavische  selbst  betrifft,  so  kann  es,  der  Meinung  des  Ver- 
fassers nach,  »nur  aus  den  lebenden  oder  wenigstens  schriftlich  erhaltenen 
slav.  Sprachen«  erschlossen  werden.  Dagegen  ist  einzuwenden,  daß  wir  kein 
Becht  haben,  nur  diejenige  Stufe  in  der  Entwicklung  des  slavischen  Zweiges 
Urslavisch  zu  nennen,  die  der  Zersplitterung  der  slavischen  Spracheinheit  in 
einzelne  Sprachen  unmittelbar  vorausgegangen  ist,  denn  Urslavisch  nennen 
wir  doch  die  Sprache  des  slavischen  Stammes  von  dem  Moment  an,  als  auf 
dem  älteren  vorslavischen  Grande  speziell  slavische  Züge  hervortraten,  bis 
zur  Zeit  der  Auflösung  dieser  Sprache.  Zwar  wissen  wir  nicht,  wie  lange  die 
urslavische  Periode  gedauert  hat,  aber  eine  relative  Chronologie  der  sprach» 
liehen  Erscheinungen  läßt  sich  doch  mehrfach  gewinnen.  Nun  ist  es  ohne 
weiteres  klar,  daß  weder  die  Geschichte  des  Urslavischen  innerhalb  der  ange- 
gebenen Grenzen,  noch  der  Ausgangspunkt  der  speziell  slavischen  Sprach- 


1)  S.  lY  lesen  wir:  »Wird  bei  einem  Worte  die  Provenienz  sonst  nicht 
näher  bezeichnet,  so  ist  es  in  der  Begel  altkirchenslav.  (bez.  kirchenslav.,  wo- 
rüber in  der  Einleitung)  und  in  solchen  Fällen  meist  auch  urslav.«  Diese  Be- 
merkung kann  einen  wenig  erfahrenen  Leser  öfters  auf  Abwege  verleiten. 
Erstens  muß  man  doch  in  einer  Vgl.  Sl.  Gr.  altslavisch  und  kirchenslavisoh 
auseinanderhalten,  was  der  Verfasser  gelegentlich  auch  tut;  öfters  aber  ver- 
zeichnet er  kirchenslavische  Wörter  als  altslavische  (altkirchenslavische);  vgl. 
S.  104  vydra,  S.  283  vkna,  S.  83  erscheint  sogar  ein  koH,  kothk%.  Zweitens 
kann  man  doch  nicht  behaupten,  daß  ein  Wort  ohne  nähere  Bestimmung  der 
Provenienz  in  der  Begel  altkirchenslav.  und  in  solchen  Fällen  meist  auch 
urslav.  ist,  wenn  man  Wörter  wie  noiib  (S.  81),  inajqüa  (S.  125)  u.dgl. m.  ohne 
solche  Bestimmung  aufiummt 


Vondräk,  Vergleichende  bI&v.  Grammatik,  angez.  yon  Porzeziiski.  413 

entwieUtmg  ohne  Vergleichnng  der  letzteren  mit  den  anderen  verwandten 
Sprachen  erschloBsen  werden  kennen.  Der  Verfasser  tut  es  ja  selber  in  dem 
uns  vorliegenden  Bnche,  und  ich  hätte  die  Worte  über  den  Weg,  der  allein 
znm  Urslavischen  führen  soll,  ohne  Widerlegung  lassen  sollen,  wenn  die  ganze 
Darstellung  der  Schicksale  der  etzteren  nicht  deutlich  davon  spräche,  daß 
wir  a.  a.  0.  keine  gelegentliche  Undeutlichkeit  im  Ausdruck,  sondern  eine 
Nachwirkung  des  Grundfehlers  sehen  müssen,  von  dem  weiter  unten  die  Rede 
sein  wird.  Es  wird  sich  herausstellen,  daß  Vondr^  verschiedene  Stufen  der 
Spraehentwicklung  öfters  zusammenwirft  und  überhaupt  manchmal  keine 
Grendinien  zieht,  wo  dieselben  gezogen  werden  müssen.  Daher  stammt  auch 
das  uns  befremdende  StiUschweigen  über  die  Beziehungen  der  slavischen 
Sprachen  zu  den  baltischen,  deren  gar  nicht  erwähnt  wird :  weder  im  Vor- 
wort, noch  in  der  Einleitung  äußert  sich  der  Verfasser,  und  doch  hätte  er  uns 
sagen  sollen,  was  er  darüber  denkt,  denn  im  Buche  selbst  taucht  hier  und  da 
was  »baltisch-slavisches«  oder  »litauisch- slavisches«  auf.  Wenn  man  die 
baltisch-slavische  Spracheinheit  nicht  anerkennt,  muß  man  doch  auseinander- 
setzen, welche  Gründe  dagegen  sprechen,  wenn  man  sie  anerkennt,  muß  man 
diese  Periode  im  Leben  der  slavischen  Sprachen  folgerichtig  berücksichtigen ; 
gelegentKche  Erwähnung  der  baltisch-slavischen  Ursprache  hat  keinen  Sinn. 
I.  Schon  das  Wenige,  das  ich  bisjetzt  berührt  habe,  gibt  uns  eine  Vor- 
stellung von  den  schwachen  Seiten  des  uns  vorliegenden  Buches.  Der  wich- 
tigste Fehler  ist  das  eben  besprochene  Zusammenwerfen  der  Tatsachen,  die 
auseinandergehalten  werden  müssen.  Es  will  mir  sogar  scheinen,  als  ob  der 
Verfasser  Überhaupt  nicht  der  Meinung  ist,  daß  nur  folgerichtiges  Unterschei- 
den der  einzelnen  Stufen  der  bez.  Sprachentwicklung  zur  richtigen  Beurteilung 
derselben  führen  kann,  denn  anders  ist  sein  Verfahren  kaum  zu  erklären. 
Man  müßte  sonst  annehmen,  dies  Abweichen  von  den  Grundbedingungen  der 
linguistischen  Forschung  sei  zufälligen  Ursprungs  und  beruhe  auf  ungenügen- 
der sprachwissenschaftlicher  Schulung.  Wie  dem  auch  sei,  den  Weg  zum 
richtigen  Verständnis  der  Geschichte  der  slavischen  Sprachen  hat  Vondräk 
sich  selbst  abgesperrt.  Wenn  man  nun  die  Frage  aufwirft,  was  für  einen  Wert 
unsere  Rekonstruktionen  sprachlicher  Zustände  haben  können,  insofern  die- 
selben nicht  direkt  belegt  sind,  so  ist  es  ohne  weiteres  klar,  daß  der  ultra- 
skeptische  Standpunkt,  den  z.  B.  MeiUet  in  seiner  »Introduction  k  T^tude 
comparative  des  langues  indo-europ6ennes<  vertritt,  nicht  berechtigt  ist  Die 
erschlossenen  Tatsachen  sind  mehr  als  bloße  Symbole,  obgleich  so  manches 
nur  annähernd  bestimmt  werden  kann.  Man  darf  nur  nicht  vergessen,  daß 
unsere  Rekonstruktionen  ganzer  Sprachperioden  notgedrungen  mehr  ideell, 
als  man  wünschen  möchte,  ausfallen  werden,  weil  alle  Stufen,  die  eine  Sprache 
durchlaufen  hat,  in  ihrer  Reihenfolge  genau  zu  unterscheiden  wir  [nicht  im- 
stande sind  und  öfters  auf  einer  Fläche  dasjenige  zusammenbringen,  was  in 
Wirklichkeit  nie  zusammengehört  hat.  Es  heißt  nicht,  unsere  Aufstellungen 
sind  durchschnittlich  falsch,  sondern  es  heißt  nur,  wir  entwerfen  ein  mehr 
oder  weniger  ideelles  Bild,  indem  wir  mit  vollem  Bewußtsein  einer  besimmten 
Periode  sprachlicher  Entwicklung  alles  zurechnen,  was  eine  Veriinderung  im 
Vergleich  mit  dem  älteren  Zustand  aufweist  und  dabei  eine  spätere  Stufe  noch 


414  EritiBcher  Anzeiger. 

nicht  erreicht  hat,  ohne  GewShr  dafür  leisten  zn  können,  daß  der  Prozeß  in 
allen  Ponkten  gleichmäßig  verlaufen  ist,  nnd  unsere  Bekonstmktion  eine  in 
einem  bestimmten  Zeitpunkt  gesprochene  Sprache  wirklich  darstellt  Die 
Fortschritte  der  Wissenschaft  auf  dem  Gebiete  der  vergleichenden  Grammatik 
der  indoeuropäischen  Sprachen,  insbesondere  manche  glänzende  Entdeckung 
der  letzten  Dezennien  seit  Anfang  der  70-er  Jahre,  bieten  den  besten  Beweis 
dafür,  daß  wir  wirklich  vorwärts  rücken;  das  zuerst  aus  großer  Entfernung 
aufgenommene  Bild  der  Gesamtentwicklung  unseres  Sprachstammes  ge- 
winnt  immer  mehr  an  Sch&rfe  und  Klarheit,  wobei  die  anfangs  unvermeid- 
lichen Perspektivfehler  allmählich  berichtigt  werden.  Dagegen  versetzt  uns 
das  Buch  von  Yondräk  in  die  Zeiten  der  ersten  Anläufe  und  Anstrengongen, 
indem  es  ein  verschwommenes  nnd  ganz  schiefes  Bild  der  Sondergeschiehte 
des  slavischen  Sprachzweiges  gibt,  das  den  Anforderungen  der  Gegenwart 
nicht  mehr  entsprechen  kann.  Man  wolle  z.  B.  folgende  Passus  vergleichen, 
die  ich  herausgreife,  um  dieses  Urteil  zu  rechtfertigen. 

1)  S.  13  liest  man  im  Abschnitt  Über  >  Ursprung  nnd  Bestand  der  nrslav. 
Vokale«,  daß  ein  >ursprachliches  a  zu  o  wurde,  was  eben  auch  die  geschlos- 
sene Aussprache  verrät,  o  blieb  zwar,  aber  unter  bestimmten  Bedingungen 
wurde  es  so  verengt,  daß  es  zu  u,  aus  dem  ein  i  geworden  ist,  führte  (-m,  -on 
im  Auslaute)«.  Vom  ursprachlichen  a  zum  urslavischen  o  führt  also  ein  direk- 
ter Weg;  ein  ursprachliches  o  blieb  im  Urslavischen,  wurde  aber  unter  be- 
stimmten Bedingungen  zu  ti,  augenscheinlich  zu  der  Zeit,  als  ein  a  noch  nicht 
zu  o  geworden  war.  Über  das  Verhältnis  zum  Baltischen  wird  a.  a.  0.  kein 
Wort  gesagt.  S.  80  ff.  findet  man  aber  gleich  im  Anfang  der  eingehenden 
Untersuchung  der  Schicksale  des  slav.  o-Lautes  die  Lehre  von  der  Entstehung 
eines  o  aus  e  auf  urbaltisch-slavischem  Boden  in  heterosyll.  e^  mit  der  Be- 
merkung: >in  einzelnen  slav.  Sprachen  kann  es  sonst  noch  unter  bestimmten 
Bedingungen  aufkommen,  z.  B.  r.  ozero  ,SeeS  akaLJezero,  lit  Heros  ,Teich, 
kleiner  See'«.  Etwas  weiter  (S.  82)  wird  gesagt;  »Urspr.  kurzes  a  führte  eben- 
falls zu  0.  Da  auch  im  Lit.  a  und  o  dasselbe  Besultat  ergeben,  nämlich  ein  a, 
so  scheint  urspr.  a  schon  in  der  Zeit  der  baltisch-slavischen  Urgemeinschaft 
mit  0  zusammengefallen  zu  sein«.  Dies  alles  widerspricht  doch  dem  oben  mit- 
geteilten  Passus  von  S.  13,  wo  ein  direkter  Übergang  des  urspr.  a  ins  slav.  o 
angenommen  wird.  Es  stellt  sich  weiter  heraus,  daß  der  Satz :  >a  wurde  zu 
0  ...,  0  blieb  zwar,  aber  unter  bestimmten  Bedingungen  wurde  es  .....  verengt« 
den  Tatsachen,  die  S.  82  besprochen  werden,  geradezu  widerspricht:  wenn 
nämlich  urspr.  a  und  o  schon  im  Urbaltisch-Siavischen  zusammengefallen  sind, 
so  ist  es  ohne  weiteres  klar,  daß  slav.  o  zu  der  Zeit  verengt  wurde,  als  es  nur 
einen  o-Laut  gab,  in  dem  urspr.  a  und  o  aufgegangen  waren.  Was  die  Er- 
wähnung der  urbaltisch-slavischen  Periode  betrifft,  so  verfährt  der  Verfasser 
a.  a.  0.,  wie  auch  anderwärts,  folgendermaßen:  im  Abschnitt,  wo  die  Cre- 
schichte  der  Laute  in  großen  Zügen  skizziert  wird,  findet  man  in  der  Begel 
darüber  kein  Wort,  dagegen  erscheint  gelegentlich,  aber  keineswegs  folge- 
richtig, das  Urbaltisch-slavische  in  den  speziellen  Paragraphen,  wobei  ge- 
wöhnlich eigentlich  nur  die  litauischen  Entsprechungen  erwähnt  werden;  man 
vergleiche  z.B.  S.  24  ff.,  die  der  Geschichte  des  •  gewidmet  sind,  oder  S.  32  ff. 


Yondr&k,  Vergleichende  slav.  Grammatik,  angez.  von  Porzezi^akL  415 

wo  ttber  die  Aussprache  des  lit  e  einiges  mitgeteilt  wird,  obgleich  der  Leser 
nichts  davon  erfährt,  was  für  ein  Zosammenhang  zwischen  slav.  e  und  lit.  e 
angenommen  werden  muß.  Demnächst  hebe  ich  hervor,  daß  der  Schloß:  »Da 
anch  im  Lit.  a  und  o  dasselbe  Resultat  ergeben,  nämlich  ein  a,  so  scheint 
nrspr.  a  schon  in  der  Zeit  der  baltisch-slavischen  Urgemeinschaft  mit  o  zu- 
sammengefallen za  sein«  keineswegs  zwingend  ist.  Der  Zosammenfall  vom 
orspr.  a  und  o  im  Litanischen  hat  an  und  fUr  sich  doch  nichts  zu  sagen:  es 
könnte  ja  eine  speziell  litauische  Erscheinung  sein.  Daß  dem  nicht  so  ist, 
beweisen  die  anderen  baltischen  Sprachen,  die  uns  zu  der  Annahme  eines 
urbaltischen  a  zwingen.  Endlich  bemerke  ich  noch,  daß  die  Behauptung,  ein 
o  ktfnne  in  einzelnen  slavischen  Sprachen  unter  bestimmten  Bedingungen  auf- 
kommen, entschieden  irre  führen  kann,  da  sie  nicht  in  den  Znsammenhang 
paßt  und  ungenau  nur  auf  S.  48  verweist,  wo  über  das  russ.  o  in  ozero  u.  dgl. 
gehandelt  wird. 

2)  S.  32  ff.  enthalten  die  Untersuchung  über  »Ursprung  und  lautliche 
Geltung«  des  e.  Vondr&k  beginnt  mit  der  Lehre,  daß  der  ursprachliche  kurze 
e-Laut  im  Slav.  »entschieden  zu  einer  geschlossenen  Aussprache  hinneigte«. 
Daher  wurde  es,  seiner  Meinung  nach,  oft  zu  b,  »im  Lit.  wurde  hingegen  das  e 
meist  sehr  offen  ausgesprochen,  weshalb  es  auch  zu  a  werden  konnte,  vgl.  lit 
väkaras  ,AbendS  üksh vererb;  naaarä  ,SommerS  aksl.  re^na  ,FrtthlingS  gr./ia^«. 
Was  die  Ausdrücke  »oft«,  »meist«,  »auch«  in  den  angeführten  Sätzen  betrifft, 
so  stehen  dieselben  in  solch  einem  Zusammenhang,  der  unwillkürlich  gute 
alte  Zeiten  in  Erinnerung  bringt,  als  man  die  Spracherscheinungen  nur  be- 
schrieb, anstatt  sie  zu  erklären,  aber  für  jetzt  wollen  wir  das  beiseite  lassen 
und  unsere' Aufmerksamkeit  daraufrichten,  daß  der  Verfasser  absolut  falsch 
das  lit  a  aus  e  beurteilt,  indem  er  solche  Erscheinungen  zusammenwirft,  die 
auseinandergehalten  werden  müssen.  Das  dialektische  a  aus  e  im  Litauischen 
darf  doch  nicht  mit  vorlitauischem  o  auf  eine  gleiche  Linie  gestellt  werden, 
denn  in  väkaras  sowie  auch  in  vasarä  haben  wir  nach  dem  Zeugnis  des  Letti- 
schen (vgl.  lett  vakarsy  vasara)  jedenfalls  mit  einem  vorlitauischen  a  zu  tun, 
was  wir  über  seinen  Ursprung  auch  denken  mögen.  Die  gewöhnliche,  auf 
J.  Schmidt  zurückgehende  Erklärung  (Pluralb,  p.  196  ff.)  sieht  in  dem  a  dieser 
Wörter  ein  Assimilationsprodukt 

Die  Geschichte  des  e  auf  slavischem  Boden  weiter  verfolgend,  lesen  wir 
bei  Vondrik  von  der  Veränderung  des  e  zu  b  (S.  35  ff.).  Hier  sucht  der  Ver- 
&flser  bestimmte  Bedingungen  zu  entdecken,  die  diesen  Übergang  beeinflußt 
haben,  also  1)  wird,  seiner  Meinung  nach,  6  zu  b  vor  %  (j),  z.  B.  aksl.  goattje; 
2)  vor  anderen  palatalisierten  Konsonanten  (ist  dennj  ein  palatalisierter  und 
nicht  vielmehr  ein  palataler  Konsonant?),  z.  B.  aksl.  ;>bct ;  3)  nach  (f,  i,  i  dia- 
lektisch, p.  csUery,  geg.  aksl.  ietyre;  4)  sonst  äußerst  selten,  ptzditi.  Dies  alles 
ist  auch  ein  schönes  Beispiel  vom  Zusammenwerfen  ganz  verschiedener  Tat- 
sachen. Der  Übergang  «  :  b, »  vor  J  ist  doch  grundsätzlich  was  anderes,  als 
die  von  Vondr&k  im  Anschluß  an  einige  Sprachforscher  angenommene  Wand- 
lung eines  e  zu  einem  b  vor  palatalisierten  Konsonanten,  nach  ^,  i,  i  und  »sonst 
äußerst  selten«.  Es  ist  doch  vollkommen  klar,  daß  einerseits  in  v^V,  trhje  eine 
speziell  slavische  Erscheinung  vorliegt,  deren  Grenzen  und  Ursache  schon 


416  KritiBeher  Anzeiger. 

längst  erkannt  worden  sind;  die  baltischen  Sprachen  behalten  dageges  vor  j 
das  alte  0,  vgl.  lit.  vejü  (lett  viju  ist  eine  Analogiebildung).  Anderers^ts 
haben  wir  ein  solches  slav.  b,  dem  ein  baltisches  t  znr  Seite  steht  Zwar  ent- 
sprechen genau  einander  in  Beziehung  auf  den  Wurzelyokal  nur  urslav.  tin 
(aus  *w  +  vb)  und  lit  ws,  sowie  urslay.  bhzdiU  und  lit  hizdius,  aber  es  kann 
doch  nicht  daran  gezweifelt  werden,  daß  man  in  all  den  Beispielen,  die  Yon- 
dr^  den  Kategorien  2—4  zurechnet,  kein  speziell  slavisches  h  vorfindet  Der 
Versuch,  dies  h  als  eine  slavische  Veränderung  des  e  zu  erklären,  der  ver- 
schiedentlich  gemacht  worden  ist  (vgl.  Archiv  XXVI,  S.  571  ff.  und  XXYII, 
S.  142),  führt  nicht  zum  Ziele  und  konnte  es  auch  nicht  tun,  da  man  1)  die 
litauischen  analogen  t  (z.  B.  in  kibü)  nicht  in  Betracht  zog,  und  2)  zwei  Grup- 
pen (altslay.  pbci  und  hdij  von  der  dritten  Gruppe  (r.  bzdk^  zu  trennen  ver- 
suchte. Dazu  kommt  auch  der  Umstand,  daß  im  Siav.  ein  %,  dem  ein  baltisches 
u  zur  Seite  steht,  in  einigen  Stammsilben  mit  ursprOnglichem  e :  o-Vokalismos, 
in  solcher  Umgebung  erscheint,  die  den  Gedanken  von  speziell  nrslavisohem 
Wandel  des  0  zu  einem  ^  vollkommen  ausschließt  Als  Beispiele  seien  ange- 
führt altslav.  eh%tit%  {neben  chotkt);  altslav.  nikhda;  lit  ugnU.  Vondrik  ver- 
sucht S.  89  dieses  «  anders  zu  deuten,  aber  der  Weg,  den  er  einschlägt,  ist 
z.  T.  sehr  unsicher.  Altslav.  ehztiti  wird  dabei  auf  ein  ^chniiti  zurttckgeftthrt; 
dazu  kommt  noch  die  S.  146  gegebene  Erklärung  des  0  in  ehoUti,  das  schon 
urslav.  ans  betontem  ^  entstanden  sein  soll.  Der  Verfasser  sucht  seine  Ver- 
mutung über  das  ^  in  ch^titi  durch  die  ganz  und  gar  unwahrscheinliche  An- 
nahme eines  urslavis  chen  0  aus  betontem  «  zu  retten.  Bezeichnend  ist  der 
Umstand,  daß  eben  ch^tit^  die  Haupstütze  dieses  Lautgesetzes  ist,  das  allen 
Tatsachen  widerspricht  Altslav.  nik%€Ui  mOchte  Vondrik  mit  ai  kuha  ver- 
binden, also  k^'  aus  ku-  herleiten,  was  an  und  für  sich  möglich  ist  (vgl.  Bmg- 
mann.  Kurze  v^.  Gr.  §  497).  Wenn  man  dies  letzte  Beispiel,  als  doppeldeutig, 
auch  beiseite  läßt,  so  ist  es  doch  ziemlich  klar,  daß  altslav.  ehhtüti,  lit  ti^nU, 
lit  upe  (preuß.  ape)y  ein  solches  ^  und  ein  solches  u  haben,  die  aus  den  slavi* 
sehen,  resp.  baltischen  Lautverhältnissen  nicht  abzuleiten  sind.  Der  Gedanke, 
daß  lit  i  in  kibü  usw.  und  slav.  h  in  phci  usw.  auf  den  Schwaehstnfenvokal 
zurückzuführen  sind,  lag  ziemlich  nahe  und  wurde  verschiedentlich  ansge- 
sprochen  (vgl.  Wiedemann,  Das  lit.  Prät  S.  8,  Hirt,  IF.  Vn,  154,  nota);  ja 
Vondr&k  selbst  hat  S.  15  den  Gedanken  geäußert,  ein  reduziertes  0  werde  im 
Slav.  zu  6,  im  Lit  zu  t;  es  folgen  aber  keine  slav.  Beispiele;  S.  161  erseheiBt 
wieder  derselbe  Gedanke,  wobei  hjati  nndphzditi  angeführt  werden.  Fortn- 
natov  untersuchte  die  ganze  Frage  im  Zusammenhang  mit  den  analogen  Er- 
scheinungen der  verwandten  Sprache  und  seit  Mitte  der  90-er  Jahre  lehrte  et 
in  seinen  Vorlesungen  über  das  balt-slav.  i  und  u  aus  dem  Schwachstofen- 
vokal  der  e-o-Beihe,  den  er  den  irrationalen  Vokal  nennt;  vgl  seinen  Anfiuiti 
über  die  indoeurop.  Liquiden  im  Altindischen  in  Xagtcv^gia.  Sbomik  State) 
V  6est'  Koria,  Moskva  1898,  der  im  XVI.  Bande  KZ.  (NF.)  in  deutscher  Über- 
setzung erschienen  ist  Umjedem  Mißverständnis  vorzubeugen,  bemerkeich 
noch  ausdrücklich,  daß  ich  in  dem  vorliegenden  Buche  eigentlich  nur  das  Za- 
sammenwerfen  aussetzen  möchte,  denn  urslav.  h  aus  0  vor  j  und  ufslay. »  in 
den  eben  besprochenen  Beispielen  sollten  doch  verschiedene  Großen  anch  für 


Vondrik,  Vergleichende  slay.  Grammatik,  angez.  yon  PonezinBki.  417 

desjenigen  bleiben,  der  an  nrslav.  Ursprung  des  h  ans  e  in  phei  nsw.  zn  denken 
vorzöge,  trotzdem  alles  dagegen  spricht. 

Was  die  >Verdnmpfiing  des  e  zu  oc  betrifft,  worüber  der  Verfasser  S.  39  ff. 
handelt,  so  mnß  ich  hervorheben,  daß  auf  Grund  solcher  Erscheinungen  wie 
altslav.  tyh  niUliofm  Gloz.  844  und  b.  didto,  p.  dioto,  r.  doioto  altslavischer 
Wandel  e :  o  angenommen  wird.  Dies  ist  entschieden  falsch.  Erstens  kOnnen 
b.  dl&to,  p.  dioio,  sowie  auch  kirchenslav.  und  bulg.  dlato,  deren  der  Verfasser 
hier  nicht  erwiümt,  nur  die  Existenz  eines  urslav.  *dolto  beweisen,  also  hat 
man  es  augenscheinlich  mit  einer  nrslav.  Variante  zu  *delto  zu  tun,  die  mit 
einzelsprachliohem  Lautwandel  gar  nicht  zusammenhängt.  Zweitens  darf  auch 
vübUomb  samt  den  anderen  Beispielen  S.  86  keineswegs  als  Beweis  des  auf- 
geeteUten  Lautgesetzes  betrachtet  werden.  Es  handelt  sich  doch  um  Lehngut, 
das  den  im  Altslavischen  geltenden  Verhältnissen  angepaßt  wurde. 

»Die  Verdumpfung  des  e  zu  o*  tritt  nach  VondrÄk  »in  den  meisten  slav. 
Sprachen,  allerdings  unter  modifizierten  Bedingungen  auf«  (S.  39).  Sie  soll 
»vereinzelt  schon  im  Aksl.«  erscheinen  (die  Beispiele  haben  wir  eben  be- 
sprochen) und  »wurde  also  durch  einen  nachfolgenden  harten  Kons,  veranlaßt 

aber  so  recht  ausgeprägt  hat  sich  dieser  Prozeß  im  Russ.,  P.  (Kas.)  und 

Sorb.  Aber  hier  sehen  wir,  daß  noch  ein  anderer  Faktor  dazu  kommen  mußte 
und  zwar  ist  es  insbesondere  im  B.  klar,  dem  e  mußte  nämlich  ursprünglich 
ein  Palatallaut  vorhergehen«.  AUes  nebensächliche  beiseite  lassend  (z.  B.  »in 
den  meisten  slav.  Sprachen«),  mache  ich  darauf  aufmerksam,  daß  Vondr&ks 
Auafllhrungen  auf  Sand  gebaut  sind.  Der  Hauptfehler  ist  immer  derselbe. 
Wie  darf  man  einen  Prozeß,  der  in  verschiedenen  Einzelsprachen  »unter  mo- 
difizierten Bedingungen«  auftritt,  summarisch  behandeln,  ohne  vorher  be- 
stimmt zu  haben,  was  der  Sonderentwicklung  der  betreffenden  Sprachen 
zufällt  und  was  wirklich  urspraohlich  ist,  wenn  man  selbstverständlich  triftige 
Gründe  hat,  ihn  in  die  Ursprache  zu  verlegen?  Es  kommt  dazu  der  Umstand, 
daß  aus  den  besprochenen  vitbUomb  und  dlato  und  nur  daraus  der  Schluß  ge- 
zogen wird:  »also  durch  einen  nachfolgenden  harten  Eons.«  usw.  Man  darf 
doch  nicht  jedem  Leser  zumuten,  daß  er  ebensoviel,  wenn  nicht  mehr,  als  der 
Ver&sser  selbst,  weiß,  und  den  Teil  des  betreffenden  Abschnitts,  wo  von 
einaeisprachlichen  Erscheinungen  die  Bede  ist,  früher,  als  die  einleitenden 
Bemerkungen  lesen  wird.  Wie  dem  auch  sei,  zerstört  Vondrak  selbst  durch 
nähere  Ausführung  die  Vorstellung  von  der  »Verdumpfung  des  0  zu  o«,  die 
man  auf  Grund  seiner  Worte  von  S.  39—40  sich  bilden  wollte.  Wenn  man 
auch  zugeben  möchte,  daß  der  e- Vokal  urslav.  geschlossen  war  und  eine  Er- 
weichung des  vorhergehenden  Konsonanten  herbeiführte,  die  in  dem  Prozeß 
»der  Verdumpfung«  mitspielte,  so  ersieht  man  aus  S.  42  folgendes:  »Das 
Kleinr.  sticht  in  dieser  Hinsicht  ab  (d.  h.  vom  Großrussischen).  Nach  den 
Palatallauten  finden  wir  hier  zwar  auch  o  ..,  Nach  anderen  Kons,  ist  dagegen 
das  e  frühzeitig  zu  einem  mittleren  ohne  Erweichung  —  also  wie  im  Sttdslav. 
—  geworden«.  Daraus  kann  man  nur  den  Schluß  ziehen,  daß  die  »Ver- 
dumpfung« nach  Vondräk  im  Kleinrussischen  einzelsprachlich  ist  Der  Be- 
hauptung, dieser  Lautwandel  sei  urslavisch  mit  rechter  Ausprägung  in  einigen 
Sondersprachen  .ist  jede  Stütze  entzogen.   Zwar  spricht  nicht  der  Verfasser 

InhlT  Ar  siaTbok«  PhUologia.  IUI.  27 


4 1 8  Kritischer  Anzeiger. 

direkt  von  urBlayisch,  aber  zu  dieser  Annahme  wird  man  dnrch  seine  Beweis- 
führung verlockt 

Wenn  man  also  an  ein  urslay.  o  ans  e  nicht  denken  darf,  so  ist  es  trotz- 
dem klar,  daß  unter  gewissen  Bedingungen  schon  im  Urslawischen  das  e  zu 
einem  Ubialisierten  Vokal  werden  mußte,  der  zu  den  ff-Lanten  gehörte.  Das 
anzunehmen  werden  wir  gezwungen,  da  z.  B.  p.  zi6b^  sorb.  Hob,  b.  Hab  und 
andererseits  s.  Ü^ifeb,  slov.  Heb,  b.  Heb  auf  urslavische  Varianten  zurBckzu- 
führen  sind;  vgl.  noch  p.  cziony  ezianekf  o.s.  SiSnk,  n.s.  eionky  b.  Slaneky  s.  iiSn, 
altkirchenslav.  ihm,  neben  bulg.  ilenj  b.  ^/«n,  slov.  Sien  i).  Selbstverständlich 
müssen  die  Doppelformen  ursl.  *d4Ho  und  *dotto  femgehalten  werden,  da 
*dolto  aus  *deUo  isoliert  dastünde  (all  die  übrigen  Beispiele  haben  vor  e  einen 
urslav.  weichen  Konsonanten) ;  der  alte  o-Vokalismus  wird  für  *doHo  durch 
das  preuß.  dalptan  bezeugt.  Wir  sehen  also,  daß  schon  im  Urslav.  ein  e  nach 
urslav.  weichen  Konsonanten  zu  einem  gewissen  Vokal  der  vorderen  labiali- 
sierten  Reihe  geworden  war.  Wenn  man  diese  Erscheinung  näher  untersucht, 
so  findet  man  leicht  auch  die  Bedingung,  darunter  dieser  Vokal  schon  urslav. 
sich  einem  o-Laute  näherte;  das  geschah  nur  in  den  <f«//-Gruppen,  wo  deinen 
urslavischen  erweichten  Konsonanten  darstellt,  und  auch  da  nur  dann,  wenn 
der  folgende  Konsonant  vollkommen  hart  ward ;  es  mußten  also  ursprünglich 
Seit  und  iif^U  je  nach  der  Beschaflfenheit  der  folgenden  Silbe  wechseln,  es 
wurden  aber  im  Laufe  der  Zeit  die  Differenzen  ausgeglichen,  wobei  das  Re- 
sultat in  verschiedenen  Dialekten  verschieden  ausfiel.  Das  ist  Fortonatovs 
Meinung,  äachmatov  ging  früher  weiter  und  dachte  an  urslav.  ö  vor  Jedem 
harten  Konsonanten  (obgleich  im  Urslavischen  die  Palatalvokale  die  >harten« 
Konsonanten  nicht  vollkommen  erweichten,  so  wurde  doch  dieZungenstellnng 
derselben  z.  T.  vorausgenommen,  es  blieben  also  die  Konsonanten  vollkom- 
men hart,  wenn  kein  Palatalvokal  folgte);  darauf  beruft  sich  Torbiümsson, 
indem  er  selbst  auf  »phonetische  Einzelheiten«  nicht  eingeht  und  auf  dach 
matovs  >Izsl6dovaiga  v  oblasti  russkoj  fonetiki«  einfiftch  verweist  (Die  Li- 
quidametathese S.  36  f.).  Das  war  früher  auch  meine  Meinung,  es  haben  mich 
aber  äachmatovs  Ausführungen  in  »Izvistija  Otd6lenja  russk.jaz.i  slov.«  VIT, 
S.  295  f.  endgültig  überzeugt,  daß  wir  zu  der  ursprünglichen  Auf&ssnng 
zurückkehren  müssen,  die  wir  Fortunatov  verdanken  (vgl.  seine  Votlesungen 
über  die  Lautlehre  der  altslovenischen  Sprache,  die  Torbiömsson  zitiert  und 
die  weiteren  Kreisen  leider  unzugänglich  sind,  da  bisjetzt  nur  Bogen  1 — 11 
gedruckt  vorliegen). 

Schließlich  muß  ich  noch  bemerken,  daß  Vondr&k  S.  305  aksl.  Üatn  aus 
ilim^  p.  ezion  aus  *Slm  erklären  müchte.  Das  ist  rein  unmöglich,  denn  im 
Polnischen  hätten  wir  doch  *esthny  *zlob  zu  erwarten  (vgl  wlokfj  phn)  und  im 
Altslav.  müßte  doch  ein  Slim  bleiben.  Das  glagoffate,  worauf  sich  Vondrik 
beruft,  hat  doch  ein  weiches  /  gehabt,  nach  dem  ein  i,  das  aus  beriie  ver- 
schleppt wurde,  ein  a  werden  konnte.  Gegen  Sachmatov,  der  an  urslavischen 
Ursprung  solcher  Bildungen  wie  glago}jaU  denken  müchte  (vgl.  Izvistija  VI, 


1)  Andere  Beispiele  s.  bei  TorbiOmsson  »Die  gemeinslavische  Liquida- 

metathese«. 


Yondrak,  Vergleichende  bUv.  Grammatik,  angea.  von  Poneu^ski.   4t  9 

4y  200  f.),  möchte  ich  einwenden,  daß  derartige  Imperative  speziell  altala- 
visch  sind. 

3)  S.  250  ff.  wird  die  Geschichte  der  slavischen  Konsonanten  im  allge- 
meinen besprochen.  Hier  erwähnt  der  Verfasser  des  gegenseitigen  Verhält- 
nisses von  Lit.  nnd  Slav.  in  Betreff  der  Schicksale  der  k-  und  ^-Beihen  und 
tut  es  in  folgenden  Worten :  >Die  beiden  ersten  Reihen  (d.  h.  die  rein  volaren 

und  die  labiovelaren  k  nnd  g)  sind  im  Lii  nnd  Slav.  zusammengefallen 

Bei  der  dritten  Reihe  stimmt  aber  das  Lit.  mit  dem  Slav.  nicht  mehr  überein, 
trotaMlem  beide  Sprachen,  wie  die  balt.-slav.  Gruppe  überhaupt,  zu  den  «a^9ni- 
Sprachen  gehören,  k  wurde  im  Slav.  zu  «,  desgleichen  im  Lett  und  Preui3., 
dagegen  im  Lit  zu  m  (/)€  usw.  Die  Worte:  »trotzdem  beide  Sprachen«  usw. 
sind  geradezu  verwirrend.  Aus  dem  Umstand,  daß  zwei  Sprachen  zu  der 
«afom-Gruppe  gehören,  darf  man  doch  keineswegs  den  Schluß  ziehen,  sie 
müssen  auch  im  Endresultat  der  Entwicklung  der  A-  und  ^-Laute  zusammen- 
fallen. Und  was  für  ein  Slavisch  wird  hier  gemeint,  das,  wie  die  baltisch- 
slayisehe  Gruppe  überhaupt,  zu  den  «afom-Sprachen  gehört?  Der  Satz  wäre 
wenigstens  formell  richtig  nur  dann,  wenn  anstatt  Slavisch  Altkirchenslavisch 
stünde.  Weiter  muß  hervorgehoben  werden,  daß  Slavisch  (im  Sinne  von  Ur- 
slavisch)  direkt  mit  Litauisch  verglichen  wird,  obgleich  an  dessen  Stelle  das 
Urbaltische  treten  müßte.  Zwar  spricht  der  Ver&sser  S.  251  nota  vom  Balt- 
Slay.,  aber  weiter  heißt  es  wieder  einfach  Litauisch. 

4)  S.  325  f.  bietet  der  Abschnitt  »Andere  Veränderungen  der  Nasale« 
schöne  Beispiele  des  Zusammenwerfens  verschiedener  Stufen  der  Sprachent- 
wieklung.  Erstens  wird  hier  in  kurzer  Fassung  das  Schicksal  der  Lautver- 
bindnng  Vokal  -i-m,  n  im  Urslavischen  angedeutet  Gleich  darauf  folgt 
ein  mixtum  eomponhtm  aus  sehr  verschiedenen  Größen:  man  findet  einzel- 
spraohliche  Assimilationen  und  Dissimilationen  (dial.  b.  hamba  aus  hanba, 
r.  makutyrb  aus  manastyrb),  Lautsubstitionen  in  Fremdwörtern  {Mikuläi  aus 
Nikolaus)  und  schließlich  wieder  was  urslavisches  (Ersatzdehnung  beim  Aus- 
fall der  Nasale),  das  ich  nicht  auf  meine  Verantwortlichkeit  nehmen  möchte 
vgl  auch  das  ablehnende  Urteil  von  Brugmann,  Gr.  I^,  S.  388  Anm.). 

n.  An  den  vorgeführten  Beispielen  habe  ich  zu  zeigen  versucht,  daß 
unkritisches  Zusammenwerfen  verschiedener  Stufen  der  Sprachgeschichte 
die  Ausführungen  des  Verfassers  stark  beeinträchtigt  hat;  wie  wir  gesehen 
haben,  wandelt  er  Öfters  auf  falschen  Bahnen  und  bringt  manchmal  eine  solche 
Darstellung  der  Lautprozesse,  die  den  Leser  geradezu  verwirrt,  es  sei  denn, 
daß  derselbe  im  Slavischen  gut  bewandert  ist  Dies  ist  aber  leider  nicht  der 
einzige  Mangel  von  prinzipieller  Bedeutung;  wie  wir  uns  gleich  Überzeugen 
werden,  ist  in  dem  vorliegenden  Buche  so  manches  fehlerhaft  aus  dem  Grunde, 
weU  öfters  Tatsachen  herangezogen  werden  ohne  vorherige  genaue  Prüfung 
jedes  einzelnen  Beispiels.  Solches  Verfahren  wird  insbesondere  da  gefahrlich, 
wo  man  verwandte  Sprachen  vergleicht,  weil  es  sich  leicht  herausstellen  kann, 
daß  dies  oder  jenes  Glied  der  Gleichung,  das  man  aus  dem  Zusammenhang 
ohne  weiteres  herausgreift,  ins  falsche  Licht  gerückt  wird.  Diesen  zweiten 
Einwand  mögen  folgende  Beispiele  begründen: 

1}  Der  Abschnitt  über  Akzent  und  Quantität  könnte  in  mancher  Hinsicht 

27* 


420  EritiBcher  Anzeiger. 

entschieden  besser  gelingen,  wenn  der  Verfasser  mit  mehr  Kritik  nnd  ümsicfat 
in  dem  oben  genannten  Sinne  ans  Werk  gegangen  wäre.  Die  Erkenntnis,  daß 
dieser  oder  jener  Gelehrte  anf  dem  Gebiete  der  vergleichenden  Betonnngs- 
lehre  vieles  falsch  beurteilt  hat,  ist  kein  großer  Trost,  denn  bei  systematischer 
Darstellung  der  Frage  in  den  Grenzen  eines  engeren  Sprachgebietes  ist  die 
Gelegenheit  geboten,  die  Tatsachen  einer  eingehenden  PrOfong  von  nenem  zu 
unterziehen.  Z.  B.  wird  S.  207  angenommen,  daß  lit.  rcmkq,  r.  rüku,  s.  rOku 
den  unverschobenen  Akzent  haben,  der  seine  alte  Stelle  im  Lit  und  Slav. 
unter  dem  Einflüsse  des  Akk.  der  t-  und  u-Stämme  behauptet  hat,  obgleich 
die  Endsilbe  »gestoßen«  betont  war  i).  Der  Verfasser  meint,  seine  Erklärung 
sei  derjenigen  vorzuziehen,  die  den  Akk.  der  <>-StSmme  dafür  verantwortlieh 
macht  (Hirt).  Es  fragt  sich  nun,  auf  welchem  Wege  gelangten  Hirt  nnd  Von- 
dräk  zu  der  Erkenntnis,  daß  im  Akk.  der  ä-Stämme  im  Lit  und  Slav.  der 
Akzent  verschoben  werden  mußte.  Der  Ausgangspunkt  beider  Gelehrten  ist 
richtig,  denn  das  Gesetz  der  Akzentverschiebung,  das  von  Saussure  filrs 
Litauische  und  von  Fortunatov  fürs  Baltisch-slavische  unabhängig  von  einan- 
der gefunden  und  begründet  worden  ist,  kann  nicht  bezweifelt  werden  (vgl. 
weiter  unten,  wo  über  Vondr&ks  Auffassung  dieses  Gesetzes  die  Rede  ist), 
was  aber  die  weiteren  Ausführungen  von  Hirt  und  Vondrük  betrifft,  so  sind 
dieselben  nicht  einwandsfrei.  Muß  denn  jede  »gestoßene«  Silbe  im  Balt-Slav. 
auch  »gestoßen«  bleiben?  Lehrt  uns  nicht  vielmehr  die  vorurteilsfreie  Unter- 
suchung, daß  auf  dem  Gebiete  der  Betonungsverhältnisse  der  oben  genannten 
Sprachen  so  manche  Umwälzungen  stattgefunden  haben?  Ehe  ich  diese  Frage 
zu  beantworten  suche,  mache  ich  auf  folgenden  Umstand  aufmerksam:  dem 
Beispiele  Fortunatovs  folgend,  ziehe  ich  vor,  von  unterbrochener  {preryvisfafa 
doigota)  und  fortdauernder  Länge  [dlitelnaja  dotgota)  zu  sprechen,  denn  anf 
Grund  dieses  alten,  aus  der  Ursprache  ererbten,  Unterschiedes  entwickelten 
später  die  einzelnen  baltischen  und  slavischen  Sprachen  sehr  verschiedene 
Betonungsverhältnisse,  es  wäre  also  ungenau,  von  »gestoßenem«  und  »ge- 
schliffenem« Akzent  im  Balt-Slav.  oder  gar  im  Urindoeurop.  zu  sprechen. 
Nicht  einmal  fürs  Litauische  sind  diese  Ausdrücke  richtig,  da  sie  ihrer  Be- 
deutung nach  den  Verhältnissen  nicht  entsprechen:  die  gestoßene  Betonung 
ist,  was  die  Tonbewegung  betrifft,  fallend,  während  die  geschliffene  Betonung 
steigend  ist,  obgleich  in  verschiedenen  Dialekten  das  Steigen  des  Tones  nicht 
auf  die  gleiche  Weise  geschieht  und  der  Ton  dialektisch  sogar  fallend-steigend 
ist  (vgl.  Eurschats  Beschreibung  der  »geschliffenen«  Betonung  im  Vorwort 
zum  Deutsch-Litauischen  Wörterbuch,  die  wesentlich  von  seinen  Worten 
über  denselben  Gegenstand  in  der  Grammatik  abweicht). 

Es  ist  eine  anerkannte  Tatsache,  daß  der  Stammauslaut  der  a-Stämme 
im  Urindogermanischen  fortdauernde  Länge  (»gestoßenen  Akzent«)  besaß; 
daraus  folgt,  daß  ursprünglich  kein  Unterschied  zwischen  den  Ansangen 


1)  Ich  halte  mich  an  den  Wortlaut  der  betreffenden  Stelle,  wo  von  dem 
Intonationswechsel  unter  dem  Einfluß  des  Akk.  der  t-  und  u-Stämme  keine 
Rede  ist;  früher  (BB.,  XXX,  149  f.)  hat  Vondrak  anders  gedacht,  vgL  wdter 
unten. 


Yondrik,  Vei^leieliende  slav.  Orammatik,  angez.  von  Ponesinaki  421 

des  Akk.  und  Instr.  sg.  vorhanden  war,  was  den  ä-Lant  selbst  betrifft.  Das 
Lit.  aber  beweist  nnrjallzngnt,  daß  z.  Z.  des  Aufkommens  der  Auslantsgesetze 
im  Akk.  die  Länge  unterbrochen  war,  denn  alte  fortdauernde  Länge  wurde 
gekürzt  (ein  Nasalvokal  wurde  dabei  nur  in  einsilbigen  hochbetonten  Wörtern 
erhalten),  vgl.  instr.  rankäy  iä  (alte  Enklitika),  andererseits  dial.  tdaxuitq;  ge- 
rdja,  dial.  gerqja  ist  wie  ger&fi  zu  beurteilen).  Nun  fragt  man  nach  der  Ur- 
sache solchen  Qualitätswechsels  der  Länge.  Darauf  gibt  Fortnnatov  eine  Ant- 
wort, die  den  Tatsachen  gerecht  wird.  Was  diejenigen  Leser  betrifft,  die  des 
Bussischen  nicht  mächtig  sind,  so  kann  ich  auf  seinen  Aufisatz  in  BB.,  XX, 
S.  153  ff.  verweisen  (S.  1 85  ff.),  dessen  er  in  der  Anmerkung  S.  40  des  XXXVI.  B. 
von  KZ.  erwähnt.  Nach  Fortnnatov  hatte  also  der  Instr.  sg.  im  Indoeuropäi- 
schen einen  nicht  kurzen  Nasal,  dagegen  gab  es  im  Akk.  sg.  ein  -öm  mit 
kurzem  m. 

Bei  der  Oelegenheit,  da  wir  gerade  auf  die  Frage  vom  Qualitätswechsel 
der  Länge  im  Balt-SIav.  gekommen  sind,  mache  ich  auf  S.60  aufmerksam,  wo 
die  Lehre  vorgetragen  wird,  daß  lit  gerf-Ji,  was  die  >gestoßene  Intonation« 
betrifft,  mit  gr.  olxoi,  ayad^ol  übereinstimmt,  indessen  lit  takal,  darhal  den 
alav.  rahi,  roei  entsprechen  sollen;  im  Lit  also  gibt  es,  nach  Yondrak,  einen 
alten  Unterschied  zwischen  substantivischen  und  pronominalen  auch  adjek- 
tivischen o-Stämmen,  das  Slav.  hat  dagegen  auch  im  Adjekt  ein  -»,  das  alte 
»geschleifte«  Intonation  voraussetzt  Die  Ansicht,  daß  lit.  geri-ji  und  gr.  «ya- 
9^i  die  indoeurop.  »gestoßene  Intonation«  ererbt  haben,  ist  ziemlich  ver- 
breitet, aber  es  fällt  nicht  schwer,  dieselbe  zu  widerlegen.  Wenn  man  nämlich 
damit  einverstanden  ist,  daß  der  Nom.  pl.  der  pronominalen  o-Stämme  in  der 
Ursprache  »gestoßen«  betont  war  (fortdauernde  Länge  des  -ot  hatte),  so  muß 
man  entweder  das  Gesetz  verwerfen,  nach  dem  ein  -o«  mit  unterbrochener 
Länge  im  Urslav.  schließlich  ein  -t  wurde,  oder,  wenn  man  es  anerkennt,  das 
slav.  -t  im  Nom.pl.  dem  lit  -ai  gleichsetzen  und  zu  gleicher  Zeit  diese  Endung 
vom  lit  't  trennen.  Den  ersten  Weg  hat  Hirt  gewählt  (IF.  I,  S.  31,  Indog. 
Akz.  S.  89, 114)  und  das  lit  -ai  als  Umgestaltung  des  ursprünglichen  *di  nach 
dem  Muster  der  verdrängten  Endung  *-o«,  die  dieser  Form  von  Haus  aus  zu- 
kam, zu  deuten  versucht  Dieser  Erklärungsversuch  ist  unhaltbar,  denn 
erstens  darf  man  an  dem  oben  genannten  Gesetz  nicht  zweifeln,  wie  auch 
Vondräk  S.  59  meint  ^),  und  zweitens  schwebt  vollkommen  in  der  Luft  die 
Annahme,  daß  -al  den  ~  dem  Einfluß  des  verdrängten  *-08  verdanke.  Wenn 
man  aber  fürs  Slavische  uralte  »geschliffene  Intonation«  (unterbrochene  Länge) 
der  Endung  N.  pl.  anerkennt,  so  bleibt  man  die  Antwort  schuldig,  warum  das 
litauische  -ai  auf  dieselbe  Intonation  (Länge)  zurückweist,  während  das  lit 
gBi\  davon  abweicht.  Im  ersten,  wie  auch  im  zweiten  Falle  besteht  noch  die 
Schwierigkeit,  daß  gr.  'lad-fioX,  otxot  genau  dem  urslav.  rabi  entsprechen  % 


1)  Was  das  Gesetz  von  Streitberg-Meillet  betrifft,  so  muß  ich  hervor- 
heben, daß  Fortnnatov  lange  vor  1892  in  seinen  CoUegien  dasselbe  begründet 
hat,  und  zwar  im  vollen  Umfang  (i7  wurde  zu  t  im  Anlaut  bei  unterbrochener 
Länge,  mag  er  dem  alten  e,  oder  ot-ot  entstammen). 

^  S.  61  wird  angenommen,  daß  im  gr.  -ol  im  Lok.  alte  »geschliffene  In- 


422  Kritischer  Anzeiger. 

während  nrslav.  rabi  eine  genaue  Parallele  in  gr.  ityaS-oly  olxot  hat:  otxai^ 
'Iff&fdoX  hatten  von  Hans  ans  -o«  mit  nichtknrzem  nnBflbiachem  t,  was  «ach  im 
Slav.  der  Fall  gewesen,  denn  anderenMs  hätten  wir  dasselbe  Beanltat  wie 
im  N.  pl.  zu  erwarten.  Es  fällt  demnach  auch  die  letzte  Stütze  der  Annahme 
uralter  >gestoßener  Intonation«  im  N.  pl.  der  o-Stämme.  und  was  folgt  da- 
raus? Das  Lit.  hat  in  dem  -ai  altererbtes  Gnt  nnd  es  bleibt  noch  die  Frage, 
warum  diesem  -ai  in  einsilbigen  Wörtern  ein  -i,  in  mehrsilbigen  WOrtem  ein 
-t  (in  den  Pronomina  und  Adjektiva)  zur  Seite  steht.  Fortunatov  ist  in  seinem 
EoUeg  über  das  Litauische  der  Meinung,  daß  ein  -ai  in  einsilbigen  Wertem 
zu  einem  e  mit  fortdauernder  Länge  wurde,  daher  das  -t  in  geri,  das  seine  En- 
dung von  den  Pronomina  bezogen  hat;  tS  bekam  schließlich  regelrecht  sein  i 
anstatt  *i,  denn  es  war  ein  einsilbiges  Wort  (ygl.  t^u  und  gertyu).  Lit  mi  usw. 
(Belege  bei  Bezzenberger,  Gesch.  S.  163)  aus  *nU  ist  als  Enklitika  zu  deuten; 
slav.  mi  und  gr.  f*oi  sind  regelrechte  Entsprechungen. 

S.  206  äußert  sich  der  Verfasser  gegen  die  Versetzung  des  Gesetzes  der 
baltischen  und  slavischen  Akzentverschiebung  in  die  baltiBch-slavische  Ur- 
sprache, indem  er  die  von  Fortunatov  aufgestellte  Regel  zu  widerlegen  sucht 
Sein  Gedankengang  ist  folgender:  wenn  man  im  Slav.  irgend  eine  Formen- 
kategorie auffindet,  die  den  verschobenen  Akzent  bietet,  wo  nachweislich  der 
neu  betonten  Silbe  ursprünglich  »geschliffene  Intonation«  zukam,  und  wo 
also  erst  auf  slavischem  Boden  ein  Intonationswechsel  stattgefunden  hat,  so 
bleibt  nichts  übrig,  als  die  Wirkung  des  in  Bede  stehenden  Gesetzes  der  slav. 
Ursprache  zuzuschreiben.  Es  erweist  sich,  daß  eine  solche  Bildung  der  slav. 
Imperativ  sei  (vgl.  r.  nesi,  nesite).  Ehe  wir  zur  Prüfung  dieser  Annahme  Über- 
gehen, muß  noch  der  Ausführungen  von  S.  207  gedacht  werden.  Hier  wird 
der  Gedanke  hingeworfen,  daß  lit.  rankqy  sowie  auch  entsprechende  slavische 
Formen  (r.  i-uku,  s.  rüku),  für  >eine  schon  urbalt-slav.  Akzenterweichung« 
sprechen  konnten.  »Es  ist  aber  einfach  so  zu  erklären,  daß  sich  unter  dem 
Einflüsse  des  Akk.  der  t-  (und  u-Stämme),  der  auch  stammbetont  war,  sowohl 
im  Lit  als  im  Slav.  der  Akz.  hier  behauptete  und  nicht  verschoben  werden 
konnte.«  Diese  etwas  unklare  Stelle  wird  verständlich,  wenn  wir  die  beiden 
Aufsätze  des  Verfassers  in  BB.  XXX,  100—153  und  KZ.  XLI,  S.  133—153  zu 
Rate  ziehen,  deren  erster  der  V.Gr.  zeitlich  vorausgeht  Es  erweist  sich  näm- 
lich, daß  Vondräk  früher  für  möglich  hielt,  den  Intonationswechsel  in  -am 
dem  Sonderleben  des  Litauischen  und  der  slavischen  Sprachen  zuzuschreiben, 
wobei  seiner  Annahme  nach  gegen  die  Verlegung  des  Prozesses  in  die  halt- 
slav.  Ursprache  das  slav.  -o  sprechen  würde,  denn  andemfaUs  hätten  wir  ein 
-^  zu  erwarten  (BB.  XXX,  S.  150  f.).  Diese  Auffassung  soll  also  den  Beweis 
liefern,  daß  die  Akzentverschiebung  nicht  baltisch-slavisch  ist  In  dem  spä- 
teren Aufsatz  (KZ.  XLI,  S.  1 37)  siebt  Vondräk  die  schwache  Seite  seiner  Be- 
weisführung selbst  ein  und  ist  der  Meinung,  die  erwähnte  Form  allein  genfige 
nicht,  um  das  zu  beweisen,  zumal  sie  auch  andere  Deutungen  zulassen  könnte. 
Die  Erklärung,  die  weiter  der  betreffenden  Form  gegeben  wird  (S.  138],  fällt 

tonation«  vorliege,  weshalb  slav.  -i,  als  Analogiebildung  nach  tyhi  aufge- 
faßt wird. 


Vondriik,  Vergleichende  slav.  Gnmmatik,  anges.  von  PoneBiÄaki   423 

mit  den  oben  angeführten  Worten  ans  der  Vgl.  Gr.  znBammen.  Demnach  muß 
lit  rtmkq,  r.  niku  bei  der  Frage  über  das  Alter  der  Akzentverschiebung  ans  dem 
Spiele  gelassen  werden.  Als  einzige  Stütze  der  Theorie  von  Vondr&k  bleibt  also 
die  Akzentstelle  des  slav.  Imperativs,  worüber  S.  201  f.  gehandelt  wird.  Ist  aber 
diese  Sttttae  auch  inverlassig?  Ich  meine:  nicht  im  geringsten. 

Den  Hauptpunkt  der  ganzen  BeweisfÜhmng  bildet,  erstens,  die  An- 
nahme, daß  bei  der  in.Eoiy.  2.  Gruppe  im  Imper.  sg.  dem  i-Yokal  »gestoßene 
Intonation«  zukam,  während  >im  Plnr.  das  i  wahrscheinlich  geschleift  betont 
war«  {^trptje^  aber  tgpt-lUf  woraus  nach  dem  Verhältnis  *vedi  (später  Hedt) : 
vedite,  dann  Hjrpi :  *t^tte  entstand,  wobei  im  Flur,  das  i  wahrscheinlich  ge- 
schleift betont  war  (Kontraktion  zweier  langer  Vokale).  Weiter  lesen  wir: 
»Da  sich  beim  Imper.  der  PI.  meist  nach  dem  Sg.  richtet,  drang  die  gest  Int 
auch  in  den  PI.  ein.  Analog  wohl  auch  bei  der  IV.  Koi\j.,  daher  auch  r.  nosi- 
noHte ....  Nun  hatte  aber  die  Mehrzahl  der  übrigen  Imper.  im  Anlaute  eine 
geschleifte  Int.,  so  insbesodere :  aksl.  vedi'VedSte,  dvignüdvignite,  k&Ü-kaiitey 
wie  uns  das  Lit  zeigt:  ie-sakS  (Endbetonung  hier  speziell  lit.),  also  aus  -oU, 
unter  dem  Einflüsse  der  früher  erwähnten  Imper.  der  III.  Kl.  2.  Gruppe  und 
der  IV.  Kl.  drang  auch  hier  die  gest  Int.  durch  und  so  wurden  auch  edise 
Formen  bei  den  angegebenen  Bedingungen  endbetont«  Ich  muß  nun  hervor- 
heben, daß  der  Verfasser  eines  schwerwiegenden  Umstandes  sich  selbst  be- 
wußt ist  und  ihn  abzuweisen  versucht;  ich  meine  seine  Annahme,  das  lit 
fo-mAr#habe  spez.  lit  Endbetonung.  Wenn  wir  die  Betonungsverhältnisse  im 
Idt  durchgehen,  so  überzeugen  wir  uns  von  der  Unhaltbarkeit  der  Erklärung 
Vondr&ks,  die  er  auch  nicht  begründet  hat  Wo  sind  die  Beispiele  einer  sol- 
chen Akzentverschiebung?  Und  an  so  was  mußte  doch  der  Verfasser  denken, 
denn  augenscheinlich  sucht  er  die  sich  aufdrängende  Zusammenstellung  der 
betreffenden  lit  und  slav.  Bildungen  abzuweisen,  indem  die  Akzentstelle  in 
te-tukS  für  spez.  lit  erklärt  wird.  Das  ist  also  der  erste  schwache  Punkt  Der 
Verfasser  merkt  aber  auch  nicht  den  Widerspruch,  in  dem  er  zu  seinen  Aus- 
führungen S.  199  und  S.  508  steht  Da  er  hier  fürs  Slavische  eine  Verallge- 
meinerung des  aoristischen  Typus  annimmt,  so  muß  doch  ein  r.  neH  den  regel- 
rechten (für  slavische  Verhältnisse)  Akzent  bieten.  Was  wird  also  ans  der 
sehr  komplizierten  Geschichte,  die  das  ursl.  ^nesi  auf  *nes%  zurückführt  und 
zum  »Intonationswechsel«  Zuflucht  nehmen  muß?  Wie  wir  gesehen  haben, 
konstruiert Vondrak  fürs  Urslavische  das  Paradigma  *trp%'je,  *frpi-tif,  woraus 
unter  dem  Einfluß  von  *vede :  *üedite  ein  irpi  :  trptte  geworden  ist  Kann  das 
plausibel  gemacht  werden  ?  Der  Verfasser  setzt  ein  ursl.  *dadje  an,  nach  des- 
sen Muster  er  sein  *trpt'je  entstanden  sein  läßt  {*dadje  :  *dadUe  a=  irpt-Je  : 
i^pt'tie).  Das  urslav.  *dadje  ist  aber  rein  unmöglich.  Zwar  erklärt  der  Ver- 
üüser  in  seiner  Altkirchensiav.  Grammatik,  S.  202,  aufweiche  Weise  ein  dadß 
zu  einem  aksl.  daidh  werden  konnte  (» . . .  trat  eine  Verkürzung  des  e  ein, 
wahrscheinlich  infolge  der  Verschiebung  des  Akzentes  von  der  Endung  auf 
den  Stamm«),  aber  man  braucht  nicht  allzuviel  Mühe,  um  diesen  Versuch 
zurückzuweisen,  da  er  im  grellsten  Widerspruch  zu  all  dem  steht,  was  wir  von 
Urslav.  wissen.  Zweitens  wird  man  wohl  die  Frage  aufwerfen  müssen,  ob  der 
Gedanke  an  ein  *i^pi-ite  dem  Angriff  der  Kritik  standhalten  kann.    Die  Ant- 


424  Kritisoher  Anzeiger. 

wort  kann  nur  ablehnend  aus&llen.  Wir  wKren  sonst  za  der  Annahme  ge- 
zwungen, daß  die  altererbte  Optativform  nach  dem  Muster  einer  spSrlich  ver- 
tretenen Bildungsweise  umgeformt  wurde,  denn  an  ein  altererbtes  *irpp^ie 
darf  man  keinen  Augenblick  lang  denken  i}. 

Es  ergibt  sich  also,  daß  Yondräk  seine  Annahme,  im  Slav.  gäbe  es  noch 
Spuren  der  Akzentverschiebung  auf  eine  Silbe,  die  erst  auf  slav.  Boden  >ge- 
stoßene  Intonation«  bekommen  hat,  nicht  bewiesen  hat  und  es  auch  nicht  ton 
konnte,  da  seine  Aufstellungen  in  unkritischem  Heranziehen  des  Materials 
ihre  Hauptstütze  haben. 

2)  S.  29  und  S.  110  f.  werden  zwei  sehr  verschiedene  Erscheinungen  sn- 
sammengeworfen ;  der  Verfasser  macht  nSmlich  keinen  Unterschied  zwischen 
der  Dehnung  eines  h  und  z  in  iterativen  Verbalstämmen  und  der  Dehnung  der- 
selben Laute  vor  j  :  tretij,  dohryj.  Das  darf  man  doch  nicht  tun,  denn  im 
ersten  Falle  erstreckt  sich  »die  Dehnung«  auch  auf  andere  Vokale  und  ist 
zweifellos  kein  phonetischer  Prozeß :  man  hat  hier  eine  deutlich  ausgeprSgte, 
weit  um  sich  greifende  Analogiebildung  vor  sich,  deren  Ausgangspunkt  alte 
lange  Vokale  in  abgeleiteten  Verbalstämmen  bilden.  Dies  ist  die  gewöhnliche 
Erklärung,  die  den  Tatsachen  gerecht  wird  (vgl.  z.  B.  Brugmanns  Gr.  n, 
S.  1137). 

3)  S.  296  versucht  der  Verfasser  der  vollkommen  richtigen  Beobachtung, 
daß  im  Slav.  gewisse  geschlossene  Silben  nicht  geduldet  wurden,  eine  zu 
weit  gehende  Bedeutung  beizulegen,  indem  er  ohne  weiteres  ein  *oUdaii  zn 
*oto'dati  und  weiter  zu  *otzdati  werden  läßt:  »Unter  dem  Einflüsse  der  an* 
deren  Präp.  wie  v«,  n  usw.  nahm  dann  wohl  auch  das  o  in  *oio  die  Färbung 
des  %  an«.  Analog  soll  es  sich  bei  slav.  v^z^,  iz^  usw.  verhalten.  Kann  denn 
eine  solche  Lehre  auf  irgend  eine  Weise  plausibel  gemacht  werden?  Was 
*oi^  und  *ot  betrifft^  so  kann  in  *ot  wirklich  ein  altes  *ot  vorliegen,  das  mit 
dem  lit.  ai  zusammenhängt,  aber  ein  *ot  kann  auch  aus  *ot%  entstanden  sein, 
ebenso  wie  ein  *iz  aus  einem  *irb  geworden  ist.  Das  *oH  ist  mit  altind.  ataa 
zu  vergleichen  (der  Pronominalstamm,  der  dieser  Bildung  zugrunde  liegt,  hatte 
e :  0- Vokalismus).  Das  urslav.  kamy  erklärt  Vondräk  aus  *okmön,  indem  er 
zunächst  daraus  ein  *okamön  entstanden  sein  läßt,  »was  dann,  vielleicht  um 
den  vok.  Anlaut  zu  meiden,  zu  Aömön,  aksl.  Aamy  führte«.  Hier  hilft  sich  also 
der  Verfasser  mit  einer  neuen  Annahme  durch  und  beruft  sich  auf  das  Streben, 
den  vokalischen  Anlaut  zu  vermeiden.  Dieser  Weg  ist  recht  bedenklich,  denn 
es  ist  doch  ziemlich  klar,  daß  der  Grund  der  besonderen  Entwicklung  der 
anlautenden  or-  und  o/-Gruppen,  wenn  ihnen  ein  Konsonant  folgte,  in  der  Be- 
schaffenheit derselben  zu  suchen  ist  ^.  Dagegen  kann  man  keine  Beweise  auf- 
bringen, um  eine  Metathese  bei  ursprünglichem  o  H-  Geräuschlaut  +  Kons. 

1)  Zu  den  obigen  Ausführungen  bemerke  ich  noch,  daß  ich  Vondrak  in 
seiner  Auffassung  verschiedener  Eigentümlichkeiten  der  slav.  Konjugation 
nicht  folgen  kann.  Eine  ausführliche  Auseinandersetzung  wird  aber  erst  dann 
am  Platze  sein,  nachdem  der  2.  Band  der  Vergl.Sl.Gr.  erschienen  sein  wird. 

^  Ich  drücke  mich  absichtlich  so  aus,  wie  es  oben  steht,  denn  die 
Schwierigkeit  bleibt  dieselbe,  wie  auch  die  »Liquida-metathese«  aufgefaßt 
werden  mag. 


VondrAk,  Vergleiehende  bUit.  Gnummatik,  angez.  von  PorzeEi£Bki.   425 

wahneheinfich  zn  machen.  Wir  können  swar  für  altsl.  kamy  keine  Erklärang 
anfweisen,  welche  all  den  Schwierigkeiten  gerecht  würde,  aber  der  Weg,  den 
Yondr&k  eingeschlagen,  ist  entschieden  der  falsche.  Übrigens  mnß  ich  her- 
vorheben, daß  anch  sonst  in  den  indoenrop.  Sprachen  so  manche  Beispiele 
vorliegen,  die  das  Verhältnis  von  kamy  zn  lit.  akmS  wiederholen  nnd  die  Hirt 
als  «xe^'-Basen  zn  denten  versucht  (Ablant,  §  684  ff.).  Seine  scharftinnigen 
Aofstellnngen  sind  aber  Überhaupt  leider  derart,  daß  sie  bei  dem  jetzigen 
Stand  der  Wissenschaft  z.  T.  für  nichts  weiter  als  Hypothesen  zn  betrach- 
ten sind. 

4)  S^262  erwühnt  Vondr&k  meiner  Annahme,  daß  im  Polab.  f  nnd  d'  mit 
dem  Beibnngsgerftnsch  ans  k  nnd  g  vorliegen,  in  solch  einem  Znsammenhang, 
der  höchst  verhängnisvoü  für  meine  Worte  werden  kann.  Wie  ich  ausdrücklich 
bemerkt  habe  (Izvist  7,  Heft  2,  S.  196  f.),  handelt  es  sich  dabei  nur  um  solche 
k  nnd  ^,  die  vor  einen  weichen  Vokal  gerieten,  nachdem  die  alten  Erweichungs- 
prozesse schon  abgeschlossen  worden  waren.  In  diesem  Zusammenhang  be- 
rühre ich  noch  S.  272  ff.,  wo  der  Verfasser  die  »spätere  Erweichung  der  Gut- 
turale« bespricht  Hier  finden  wir  kein  Wort  darüber,  in  welchem  Zusammen- 
hang die  besprochenen  Tatsachen  zu  einander  stehen,  wobei  der  umstand, 
daß  nur  die  altslav.  Beispiele  genauer  bezeichnet  werden  (nnd  das  sind  Lehn- 
wörter) den  unerfahrenen  Leser  irreführen  kann,  denn  er  wird  wohl  leicht  auf 
den  Gedanken  verfallen,  es  handele  sich  überhaupt  z.  B.  auch  im  Russ.  nur 
um  Lehnwörter,  und  wird  weiter  daraus  solche  Folgerungen  fUr  dieBeurteUung 
der  angeführten  Wörter  ziehen,  die  ihn  gänzlich  auf  Abwege  leiten  können. 

IIL  Nun  ist  aber  Zeit,  meinen  dritten  Einwand  zu  formulieren.  Derselbe 
lautet:  der  Verfasser  hätte  auf  seine  phonetischen  Ausführungen  mehr  Acht 
geben  sollen.  In  einem  modernen  sprachwissenschaftlichen  Werk  darf  man 
doch  nicht  fehlerhafte,  längst  abgetane  Ansichten  an  den  Tag  legen.  So  was 
wäre  an  und  fttr  sich  unzulässig,  es  wird  aber  noch  unzulässiger,  wenn  ver- 
altete Anschauungen,  die  nachweislich  falsch  sind,  weitgehenden  sprach- 
geschichtlichen Aufstellungen  zugrunde  gelegt  werden.  Man  woUe  all  die 
Stellen  nachlesen,  wo  Vondr&k  die  Erweichung  der  Konsonanten  beschreibt 
(z.  B.  S.  11,  21,  35,  255  ff.),  und  man  überzeugt  sich,  daß  er  von  der  falschen 
Vorstellung  ausgeht,  ein  erweichter  Konsonant  sei  eine  Verschmelzung  des 
entsprechenden  harten  Konsonanten  mit  y,  die  zwar  etwas  modernisiert  wird 
(»Die  Palatalisiemng  des  Kons,  besteht  in  der  Anpassung  der  Zungenstellung 
an  jene  des  >«,  S.  35).  Wenn  ich  richtig  urteile,  hat  diese  Auffassung  ihren 
Ursprung  dem  Umstände  zu  danken,  daß  VondrÄk  die  neuere  phonetische 
Literatur  nicht  in  dem  Maße  gewürdigt  hat,  wie  es  sich  gehörte.  Dieser  Um- 
stand ist  für  ihn  verhängnisvoll  geworden,  da  der  Weg  zum  richtigen  Ver- 
ständnis der  slavischen  Palatalisation  versperrt  wurde.  Es  wird  eine  förmliche 
Jagd  nach  einem  j  eröffnet,  das  doch  der  theoretischen  Vorstellung  gemäß 
jedesmal  erscheinen  muß,  um  die  Erweichung  des  Konsonanten  zu  ermöglichen, 
und  schließlich  wird  noch  die  Behauptung  ausgesprochen,  die  gegen  Sievers 
gerichtet  ist:  »Vom  slavischen  Standpunkte  aus  müssen  wir  hervorheben,  daß 
eigentlich  nur  ein  i  {j)  die  Palatalisiemng  hervorrufen  kann  (vgl.  das  bei  den 
palatalisierten  Verschlußlauten  nachfolgende  Geräusch)  c.    Erstens  ist  i  was 


426  Kritischer  Anxeiger. 

anderes  tAsj  (früher  ist  nur  vonj  die  Rede  ^wesen);  zweitens  ist  »das  nach- 
folgende Geräusch«  nur  Folge  and  keineswegs  Ursache  der  Erweichnng^; 
drittens  wäre  es  doch  richtiger  gewesen,  den  Satz  umzukehren :  da  nach  mei- 
ner (d.  h.  des  Verfassers)  Auffassung  die  Mouillierung  nur  durch  /  hervoige- 
rnfen  sein  kann,  so  ist  auch  die  slavische  Palatalisierung  historisch  auf  dieae 
Weise  zu  erklären.  Und  man  muß  gestehen,  der  Ver&sser  gibt  sich  recht  viel 
Mühe,  um  desj,  das  ihm  so  ndtig  ist,  habhaft  zu  werden  (S.  21  f.).  Man  vg^ 
auch  S.  ]  5,  wo  die  Frage  behandelt  wird,  was  aus  einem  e^  auf  slavischem 
und  litauischem  Boden  werden  mußte.  Aus  e^  soll  ein  o^  entstanden  sein, 
»aber  nicht  auf  einmal,  vielmehr  war  die  Assimilation  so,  daß  das  e  zuent 
etwa  in  der  zweiten  Hälfte  sich  dem  u  näherte,  so  daß  wir  ein  ^ou  {^^)  erhiel- 
ten«. Aus  dem  reduzierten  e  wurde  im  Slav.  b,  im  Lit  t^  also  das  ursprfing'- 
liche  war  ein  t.  Das  weitere  wird  nicht  genau  beschrieben,  aber  man  kaiiii 
kaum  daran  zweifeln,  daß  aus  dem  t  hier  schließlich  ein  i  ij)  werden  mußte; 
zu  diesem  Schluß  zwingt  uns  der  Gredankengang  des  Verfassers.  Merkwürdig 
ist  auch  die  fehlerhafte  Auffassung  der  litauischen  Schreibung  %au,  wo  das  t 
nach  polnischer  Art  doch  nur  die  Erweichung  des  vorangehenden  Konsonan- 
ten bezeichnet,  also  als  bloßes  Schreibzeichen  gilt. 

Ein  Gegenstflck  zur  Lehre  von  der  Palatalisation  bietet  der  Abschnitt 
über  »Labialisierte  Vokale«  (S.  23  f.).  Hier  wird  die  irreführende  Behauptung 
ausgesprochen,  daß  die  Gruppe  »labialis.  Kons.  +  o«  soviel  als  »Kons. 
-hffo«  sei. 

S.  128  f.,  aufweiche  auch  MeiUelf  in  seiner  Anzeige  der  Vgl.SL  Gr.  ver- 
weist (RcTue  gritigjie,  1907,  Nr.  13,  p.  249),  enthält  eine  ungenaue  Beschrei- 
bung der  Artikulationsbewegungen  des  Gaumensegels  und  eine  sehr  mangel- 
hafte Vorstellung  von  dem  Prozeß  der  Nasalierung.  Ich  hebe  hervor,  daß  der 
Gaumensegel  den  Mundraum  teilweise  nicht  absperrt,  indem  er  sich  von  der 
hinteren  Rachenwand  abhebt;  daß  verschiedene  Stärkegrade  der  Nasaliemnir 
von  der  Weite  der  Offhung  zwischen  dem  Gaumensegel  und  der  Baehenwand 
abhängen;  daß  schließlich  folgende  Bemerkung  mir  unverständlich  bleibt: 
»Durch  die  erwähnte  Öffnung  des  Gaumensegels  an  der  Rachenwand  kann 
man  Vokale  mit  der  intensivsten  Nasalität  hervorbringen,  wie  sie  z.  B.  das 
Französische  hat  und  wie  sie  wohl  auch  im  Urslav.  vorhanden  waren.  Nicht 
so  intensiv  ist  sie  bei  den  p.  Nasalen«.  Der  Verfasser  hätte  doch  auseinan- 
dersetzen sollen,  wie  er  sich  »die  Offliung  des  Gaumensegels  an  der  Rachen- 
wand« vorstellt  und  wovon  die  intensivste  Nasalierung  abhängt,  derer  hier 
erwähnt  wird.  Was  die  französischen  Nasalvokale  betirfft,  so  verweise  ich 
auf  Sievers  (Phonetik^,  §  278),  der  mit  gutem  Recht  vor  dem  Streben  warnt, 
die  Nasalvokale  der  französischen  Sprache  als  Repräsentanten  xttr*  l^ox^y 
der  Gattung  der  intensivsten  Nasalvokale  auftreten  zu  lassen. 

IV.  An  vierter  Stelle  muß  ich  hervorheben,  daß  manche  Seite  der  Laut- 
lehre uns  in  die  gute  alte  Zeit  versetzt,  da  man  noch  so  harmlos  mit  Laut- 
entsprechungen und  Lauttibergängen  umging  und  wo  es  den  Störenfried  noch 
nicht  gab,  der  in  der  Gestalt  der  Lehre  von  der  Ausnahmio  sigkeit  der  Laut- 
gesetze seit  1876  auftritt.  Einige  Beispiele  haben  die  vorausgehenden  Seiten 
dieser  Besprechung  in  anderem  Zusammenhange  gebracht  (vgl.  z.  B.  die  Auf- 


Vondrik,  Vei^leiehende  alav.  Grammatik,  angez.  von  Ponezi^ski.   427 

faBBimg  des  Wandels  eibi  »Sonst  geht  das  e  änßerst  selten  in  h  über«,  S.  37], 
und  ich  möchte  jetzt  in  aller  Kürze  noch  darauf  anfinerksam  machen,  daß  die 
Behandlang  der  Lantentwicklnng  der  modernen  Slavinen  besonders  deutliche 
Spuren  eines  zu  freien  Umganges  mit  Lautgesetzen  bietet   Man  vgl.  z.  B.  die 
Darstellung  der  Schicksale  des  «-Lautes,  die  unter  der  Rubrik  »Yerdumpfung 
das  «  zu  o€  besprochen  werden  (S.  39  ff.).  Hier  wird  in  erster  Linie  eine  allge- 
meine Fassung  des  betreffenden  Gesetzes  vorgebracht,  die  an  und  für  sich 
unrichtig  ist,  da  eine  jede  slavische  Sprache  ihren  eigenen  Weg  gewählt  hat 
(Vgl.  oben).  Der  Verfasser  merkt  es  selbst,  aber  beruhigt  sich  gelegentlich 
bei  einer  Erki&rung,  die  zu  seiner  eigenen  Annahme  in  Widerspruch  steht 
Z.  B.  kann  man  noch  an  der  Bichtigkeit  der  allgemein  gültigen  Auffassung 
von  r.  oUe  usw.  zweifeln,  da  man  selbst  das  Gesetz  »der  Yerdumpfung«  in  den 
Worten  formuliert  hat:  »Es  (d.  h.  das  o  aus  e)  wurde  also  durch  einen  nach- 
folgenden harten  Kons,  veranlaßt?«  Kann  man  nur  wenige  Zeilen  weiter  be- 
haupten: »Daß  die  Palatallaute  <f,  i,  iS,  £und  c  nicht  wie  harte  Konsonanten 
auf  das  vorhergehende  e  wirkten  . . .  muß  so  verstanden  werden,  daß  sich  hier 
ihre  verdumpfende  Wirkung  nicht  auf  die  vorhergehenden  Vok.,  sondern  nur 
auf  die  nachfolgenden  ursprünglich  erstreckte?«    Das  Kleinmssische  bietet 
für  Vondr&k  erhebliche  Schwierigkeiten,  und  auf  folgende  Weise  sucht  er  aus 
der  Verlegenheit  zu  kommen:  es  wird  die  Vermutung  ausgesprochen,  das 
Kleinr.  habe  nach  anderen  Kons,  als  cT,  i,  /  das  alte  e  zu  einem  »mittleren  ohne 
Erweichung«  umgestaltet;  die  Schreibungen  alter  Denkmäler,  die  dagegen 
dny«  aufweisen,  »wodurch  eine  Weichheit  ausgedrückt  werden  sollte«,  sind 
auf  den  Einfluß  der  großruss.  Graphik  zurückzuführen  oder  finden  eine  ge- 
hörige Erklärung  in  der  ehemaligen  Existenz  eines  Grenzgebietes,  wo  e  das- 
selbe Los,  wie  im  Großrussischen,  traf,  das  aber  später  von  dem  anderen, 
größeren  €(ebiet  des  harten  «-Lautes  beeinflußt  wurde;  nur  das  gedehnte  e  in 
Verschlußsilben  wurde  vor  einem  harten  Kons,  zu  einem  ö,  nachdem  es  den 
vorhergehenden  Kons,  erweicht  hatte.   Es  werden  also  mehrere  Hypothesen 
aufgestellt,  und  die  ganze  Beihe  wird  durch  ein  Lautgesetz  geschlossen :  ein 
e  wurde  zu  5  vor  einem  harten  Konsonanten.   Wie  erklärt  man  aber  den  Um- 
stand, daß  ein  i,  das  im  Kleinrussischen  doch  mit  «  zusammengefallen  ist  und 
von  Vondrik  S.  69  ausdrücklich  auch  als  langes  verengtes  e  definiert  wird  (im 
ürslav.  ist  es  seiner  Annahme  nach  ein  ie  mit  offenem  e  gewesen,  vgl.  S.  55), 
gerade  wie  das  e  (. . .  zu  e  gedehnt,  dieses  war  geschlossen,  S.  42),  das  Schick- 
sal des  a  nicht  geteflt  hat?  Die  Antwort  bleibt  aus.  Es  wird  weiter  vom  Ver- 
fasser vergessen,  daß  im  Kleinruss.  ein  o  aus  e  nicht  nur  nach  uralten  Pala- 
talen vorkommt  (vgl.  z.  B.  Sobolevskij,  Lekcii  ^,  S.  6H,  und  mit  gutem  Grund, 
denn  wie  sind  diese  Beispiele  im  Hahmen  seiner  Theorie  zu  deuten?   Als 
»Schreibfehler«  wohl  nicht,  es  bleibt  also  nur  die  zweite  Möglichkeit— Dialekt- 
mischung.  Und  erst  diese  Annahme  —  hat  dieselbe  irgend  einen  Anhalts- 
punkt? Ich  glaube  nicht  Zum  Schluß  sei  bemerkt,  daß  die  ganze  Frage  eine 
gehörige  Beleuchtung  durch  äachmatov  bekommen  hat,  vgl.  seinen  Aufsatz 
»Busskij  jazyk«  im  russischen  Brockhaus. 

V.  Nun  muß  ich  zu  meinem  letzten  Einwand  übergehen,  der  all  dem  oben 
Gesagten  zur  Seite  steht,  da  er  auch  von  allgemeiner  Bedeutung  ist.   Der 


428  Eritisoher  Anzeiger. 

YerfasBer  hat  nämlich  die  schon  vorhandene  Literatur  nicht  gehörig  aosge- 
nntzt.  Deshalb  kommt  es  vor,  daß  so  manche  Frage  nicht  genügend  beleuchtet 
ist,  obgleich  an  der  Hand  der  Vorarbeiten  dies  nicht  nnmOglich  gewesen 
wäre.  Wenn  man  z.B.  die  Stellen  durchgeht,  die  der  Geschichte  der  russischen 
Sprache  gewidmet  sind,  so  merkt  man  gleich,  daßVondrak  sich  fast  aus- 
schließlich damit  begnügt,  was  in  dem  sehr  verdienstlichen  Werke  von  So- 
bolevskij  steht  Leider  ist  es  aber  keine  historische  Grammatik  der  russischen 
Sprache,  und  darin  ist  die  Erklärung  des  Umstandes  zu  suchen,  daß  auch  in 
dem  vorliegenden  Werke  die  Geschichte  der  russischen  Sprache  streng  ge- 
nommen so  kümmerlich  aussieht,  als  ob  die  zahlreichen  Arbeiten  von  Sach- 
matov  gar  nicht  da  wären.  Ich  will  nicht  sagen,  daß  der  Verfasser  dieselben 
einfach  abschreiben  sollte,  ich  behaupte  nur,  ein  näheres  Studium  derselben 
hätte  ihm  die  Möglichkeit  gegeben,  viele  wichtige  Punkte  wirklich  sprach- 
geschichtlich zu  behandeln.  Auch  in  der  übrigens  zu  kurzen  Übersicht  der 
wichtigsten  Hilfsmittel  (S.  7)  vermißt  man  ungern  unter  vielem  Anderen  die 
Erwähnung  des  Artikels  »Russkij  jazyk«,  den  Sachmatov  fUr  den  russischen 
Brockhaus  verfaßt  hat. 

Mit  dem  oben  hervorgehobenen  Mangel  hängt  auch  der  soeben  berührte 
Umstand  zusammen,  daß  die  Literaturnachweise,  wie  Meillet  richtig  bemerkt 
hat,  sehr  ungleichmäßig  ausfallen  und  öfters  fast  gänzlich  fehlen  (vgl. z.B.  die 
sehr  wichtigen  Abschnitte,  welche  ^  und  b,  die  iort-  usw.  Gruppen  behandeln). 

Schließlich  sei  noch  darauf  verwiesen,  daß  manche  slavische  Sprache 
öfters  zu  kurz  kommt;  z.  B.  enthält  S.  100  f.  unter  der  Überschrift  »Verände- 
rungen des  u  auf  slav.  Boden«  eigentlich  nichts  weiter,  als  die  Darstellung  der 
Schicksale  dieses  Lautes  in  der  böhmischen  Sprache. 

Nun  sind  wir  zu  Ende  gekommen.  Zwar  könnte  man  noch  recht  viele 
Einzelheiten  berühren,  aber  das  liegt  schon  außerhalb  der  Grenzen  dieser  Be- 
sprechung, denn  für  jetzt  beschäftigen  uns  nur  solche  Mängel,  die  allgemeiner 
Natur  sind  und  die  ganze  Anlage  des  vorliegenden  Buches  beeinflußt  haben. 
Ehe  wir  aber  von  der  »Vergleichenden  slavischen  Grammatik«  scheiden,  muß 
ich  doch  der  Fehler  im  fremdsprachlichen  Gut  gedenken,  deren  einige  Meillet 
in  seiner  Anzeige  (S.  249)  verzeichnet  hat.  Seine  Liste  läßt  sich  vermehren 
(vgl.  z.  B.  lii  mötey  mote  —  »Mutter«  anstatt  »Weib,  Frauenzimmer«,  S.  59,  ob- 
gleich S.  75  die  Bedeutung  richtig  gegeben  ist;  lit.  üdrüU  —  »trächtig  sein« 
anstatt  üdrUti,  S.  104),  und  ich  kann  nicht  umhin,  mein  Bedauern  auszu- 
sprechen, daß  der  Verfasser  selbst  das  Litauische  ohne  gehörige  Vorsicht 
zitiert  hat. 

Zum  Schluß  noch  ein  paar  Worte.  Meine  obige  Besprechung  berührt 
nicht  die  Stammbildungslehre  (S.  389 — 521).  Dies  hat  seinen  guten  Grund 
darin,  daß  der  soeben  genannte  Teil  im  allgemeinen  zu  denselben  Einwänden 
Anlaß  gibt,  wie  die  ausführlich  behandelte  Lautlehre.  Dazu  ist  die  Darstellung 
sehr  knapp  gehalten  und  bietet  nicht  viel  mehr,  als  ein  Verzeichnis  der  Stämme 
nach  den  Formanten  geordnet.  Es  erschien  mir  also  für  zweckmäßig,  über 
die  Stammbildungslehre  im  Zusammenhang  mit  der  Formenlehre  zu  referieren, 
nachdem  der  11.  Band  erschienen  sein  wird. 

Moskau,  im  Mai  1907.  TT.  Fanezintki. 


Schrsder,  Sprachvergl.  and  Urgeschichte,  angez.  von  Brückner.      429 

Sprachvergleichung  und  Urgeschichte.  Linguistisch -historische 
Beiträge  zur  Erforschnng  des  indogermanischen  Altertums,  von 
0.  Schrader.    Dritte,  neubearbeitete  Auflage.    Jena  1907.    Zwei 

Teile.  8«.  S.  X.  235  und  559. 

Quantnm  mutatus  ab  illo  —  von  jenem  0.  Schrader,  dessen  »Real- 
lexikon« im  Archiv  XXIII,  S.  622  ff.  angezeigt  ward.  Bei  aller  schuldigen  An- 
erkennung der  Vorztlge  des  trefflichen  Werkes  ward  dort  die  allzu  geringe 
Berücksichtigung  des  slavischen  Materials  scharf  bemängelt,  was  der  Verf. 
selbst  erkannt  und  beklagt  hatte.  Jetzt  hat  er,  was  auch  ohne  jenen  Angriff 
geschehen  wSre,  die  Wandlung  vom  Saulas  zum  Panlus  durchgemacht,  ist 
selbst  Efinder  des  Slavischen  und  seiner  Wichtigkeit,  speziell  des  Bussischen 
geworden;  russische  Parallellen  auf  Schritt  und  Tritt,  weitläufige  Berücksichti- 
gung  der  sfldslavischen  und  russischen  Stammesorganisation,  der  zadmga  und 
des  Mir,  der* Raub-  und  Eaufehe,  der  Totenbräuche  u.  dgl.  haben  sich  zu  förm- 
lichen slavistischen  Exkursen  ausgewachsen.  Die  russische  Literatur,  speziell 
die  Werke  eines  Melnikov-Pe6erskij ,  §ein,  Ch  vojko,  sind  am  häufigsten 
sitiert,  nicht  zum  Nachteil  der  Darstellung,  deren  Farbengebung  förmlich  leb- 
hafter geworden  ist;  die  neuen  slavischen  Zflge  heben  sich  wirkungsvoll  von 
dem  arischen  Hintergrunde  ab. 

Bei  einer  dritten  Auflage  die  große  Bedeutung  und  wohl  verdiente  Be- 
liebtheit des  Werkes  hervorzuheben  oder  die  Grundanschauungen  des  Verf. 
ausführlich  beetreiten  zu  wollen,  wäre  müßiges  Unterfangen.  Nur  kurz  sei 
hervorgehoben,  worin  des  Verf.  Ansätze  angefochten  werden  können.  Er  ver- 
schiebt, lokal,  die  Heimat  der  Arier  zu  sehr  gegen  Süden,  der  Steppe  und  dem 
Schwarzen  Meere  zu  —  dies  soll  nach  ihm  das  arische  mure-morje  sein;  zeitlich 
setzt  er  das  Auseinandergehen  der  Arier,  d.  h.  die  damals  von  ihnen  erreichte 
Kultur,  zu  sehr  in  das  neolithische  Zeitalter  zurück  oder  hinauf,  bestreitet  z.  B. 
eine  Metallkenntnis  (außer  Kupfer),  während  doch  die  Sprachen  beweisen,  daß 
den  Ariern  Gold  und  Silber,  zum  mindesten,  außer  Kupfer  und  Bronze,  bereits 
wohl  bekannt  waren.  Sprachliche  Tatsachen,  die  mit  der  Grundanschanung 
Seh  raders  streiten,  werden  von  ihm  weginterpretiert,  auch  auf  Kosten  der 
Konsequenz. 

Neben  allgemeinen,  d.  h.  in  allen  oder  fast  allen  arischen  Sprachen  sich 
wiederholenden  Gleichungen,  gibt  es  gar  viele  partielle,  die  sich  z.  B.  nur 
in  je  zwei  Arinen  wiederholen.  Was  beweisen  oder  besagen  solche  Gleichungen? 
Für  die  Ziege  z.  B.  gibt  es  ihrer  drei,  die  Schrader  vollkommen  genügen,  um 
die  Vertrautheit  der  Urarier  mit  der  Ziege  zu  erweisen;  aber  für  Gold  gibt  es 
ihrer  ebenfalls  drei,  die  noch  dazu  gewichtiger  sind  als  die  Ziegengleichungen 
(man  denke  nur  an  den  Anlaut  von  idato  und  GoldV),  und  doch  haben  sie  für 
Schrader  keine  ähnliche  Beweiskraft  mehr  —  eine  um  so  größere  für  mich. 
Ähnlich  verhält  es  sich  mit  dem  Namen  für  Silber.  Die  bedeutsamen  Überein- 
stimmungen von  aurum  =  urlitauisch  ausas  (das  speziell  litauische  ks  hat  nichts 
in  besagen!),  von  argenfum  usw.,  erklärt  Schrader  ein&ch  als  Entlehnungen 
weg!  iJso  die  Kelten  hätten  von  den  Italikem  den  Namen  des  Groldes  schon 


430  Kritischer  Anzeiger. 

mit  dem  r  entlehnt,  dagegen  hätten  ihn  die  Uriitauer  ohne  den  Wandel 
des  »zur  bekommen!  Wir  wissen  doch,  wann  znm  ersten  Male  ein  B0mer  das 
Bemsteinland  betreten  hat;  wir  wissen,  daß  Deutsche  die  Vermittler  zwischen 
Italien  und  Preußen  abgegeben  haben,  daher  die  deutschen  Namen  Ar  alles 
Litauische  bei  Tacitus,  und  nun  sollen  wir  auf  einmal  glauben,  daß  ausas  ans 
italischem  atMom  entlehnt  ist!!  Und  auf  diese  grundfalsche  Entlehnung  von 
auioa  aus  aurum  beruft  sich  Schrader(n,97)  ausdrücklich,  um  auch olavo ans 
album  (sc.  plumbum)  entlehnt  sein  zu  lassen:  so  entfliUt  diese  Stütze.  Noch 
schlimmer  ergeht  es  den  Silbernamen;  ich  sehe  von  den  lateinischen  usw.  ab, 
aber  shrebro  mit  seinem  ursprünglichen  r  (got  silubr  ist  doch  offenkundig  an 
*s%nibr  dissimiliert),  aus  dem  Namen  der  alten  pontischen  »Silberstadt«  AXv^, 
herzuleiten  —  diesen  Ein&U  V.  Hehns,  der  die  Sprachwissenschaft  nnr 
diskreditiert,  hätte  Schrader  nicht  wiederholen  sollen.  Und  noch  schlimmeres, 
wenn  hier  eine  Steigerung  möglich  ist,  passiert  dem  Messing:  die  Chronologie 
wird  auf  den  Kopf  gestellt;  das  deutsche  Wort  soll  aus  dem  Slayischen  ent- 
lehnt sein,  Messing  aus  mospdxb^  statt  umgekehrt ;  statt  der  einzig  richtigen  Ab- 
leitung aus  maasa^  wogegen  die  Polemik  von  Kluge  gar  nichts  triftagee  ein- 
zuwenden hat,  soll  der  Name  des  Metalls  ans  dem  Völkemamen  der  Mossy- 
nOken  herstammen!!  Wir  erwarten  bestimmt,  daß  in  der  kommenden  vierten 
Auflage  beide  Einfälle,  von  AXvfii^  wie  von  den  Moaüvyoixoi^  nur  noch  der 
Kuriosität  halber  erwähnt  werden.  So  ist  das  Kapitel  von  den  Metallen,  zum 
Teil  infolge  jener  Grundanschauung  des  Verf.,  am  unbefriedigensdten  ausge- 
fallen: freilich  werde  ich  ihn  allein  nicht  dafttr  verantwortlich  machen,  daß  wir 
noch  immer  betreffs  der  Etymologie  der  Metallnamen  im  Finstem  tappen. 

Während  der  Verf.  bei  den  Metallnamen  die  vorhandenen  Gleiehungen 
allzu  gering  einschätzt,  legt  er  andererseits  allzu  großes  Gewicht  auf  das  Fehlen 
von  Gleichungen,  obwohl  er  selbst  zugeben  muß,  wie  wenig  das  Nichtvor- 
handensein sprachlicher  Gleichungen  eigentlich  sagt.  Es  sei  mit  seinen  eigenen 
Worten  auf  einen  eklatanten  Fall  der  Art  hingewiesen:  »blickt  man  auf  die 
doch  fast  nur  dialektisch  verschiedenen  indisch-iranischen  Sprachen,  so  findet 
sich  aus  der  gesamten  Pflanzenwelt  fast  nur  die  Somapflanze  mit  einem  einheit- 
lichen Namen  bei  beiden  Stämmen  benannt«  (II,  161).  Wenn  dem  so  ist,  wie 
dürfen  wir  uns  wundem,  daß  z.  B.  gemeinsame  Fischnamen  den  Ariern  fehlen 
und  wie  dUrien  wir  aus  diesem  Fehlen  irgendwelche  Schlüsse  auf  Vernach- 
lässigung von  Fischfang  oder  Fischnabrang  bei  den  Ariern  ziehen,  die  gewiß 
früher  Fischer,  als  Hirten  waren?  Es  wäre  verfehlt,  für  die  Namen  von  Fischen, 
Angeln  usw.,  dieselben  konstanten  Gleichungen  zu  erwarten,  die  wir  fUr  Zahlen, 
für  verwandtschaftliche  Begriffe,  für  persönliche  Pronomina  und  für  den  — 
Bauschtrank  besitzen.  Bei  letzterem  fällt  nun  wieder  auf,  daß  gerade  für  den 
Urheber  dieses  köstlichsten  Produktes  der  Urzeit,  d.i.  für  die  Biene,  ursprach- 
liche Gleichungen  fehlen,  während  solche  für  jeden  Dreck,  Fliege,  Floh,  Ameise, 
saus,  Wespe  usw.,  vorhanden  sind!  Daraus  folg^  nun  weiter  ein  prinzipieller 
Gegensatz  unserer  beiderseitigen  Auffassung;  während  z.  B.  Schrader  (II,  18 
L.  0.)  folgert:  »Wenn  somit  aus  der  Sprache  die  Bekanntschaft  der  ältesten 
Arier  mit  dem  Schmiedehandwerk  in  keiner  Weise  hervorgeht  usw.«,  folgere 
ich  aus  denselben  sprachlichen  Tatsachen  nur  folgendes:  »Wenn  somit  in  der 


Schrader,  Spraehyergl.  und  üi^schichte,  angez.  von  Brückner.      431 

Sprache  die  Bekanntschaft  der  Sltesten  Arier  mit  dem  Schmiedehandwerk 
keine  deutliche  Spnr  hinterlassen  hatc ;  für  ihn  bieten  die  sprachlichen  Ver- 
hiütnisse  keinen  Anlaß ,  die  Ansbildnng  des  Schmiedehandwerks  in  die  arische 
Urzeit  zu  verlegen  (S.  28),  mich  hindern  sie  daran  keineswegs,  nnd  ich  wUrde 
gar  nicht  zögern,  auch  einem  Götterschmied  den  Platz  im  arischen  Olymp  an- 
inweisen. 

Yerinst  alten  Sprachgntes  ist  nämlich  etwas  alltSgliches ;  der  Verf.  widmet 
dieser  Erscheinung  sogar  ein  besonderes  Kapitel  (1, 160—165),  ohne  aber  des 
näheren  daranf  einzugehen  —  nnd  doch  sind  die  Gründe  dafür  äußerst  inter- 
essant, zumal  wenn  man  die  Verhältnisse  bei  wilden  Völkern  mit  ihren  Wort- 
verboten  zur  Erläuterung  heranzieht  Auch  die  Arier  werden  oft  alte  Worte 
absichtlich  fallen  gelassen  haben.  Wenn  z.  B.  die  Slaven  den  BUxenmedvidb 
nennen,  so  haben  sie  absichtlich  den  ursprünglichen  Bärennamen  {ttrausy 
ttQXToc  usw.)  angegeben  und  ihn  durch  eine  Umschreibung  ersetzt,  etwa  wie 
sie  das  Fieber  ieika  nannten,  um  den  Bösen  nicht  an  die  Wand  zu  malen,  ihn 
nicht  zu  reizen  {nie  woiaj  wilka  z  lasa  oder  o  ujxlku  mowa  a  toilk  iu  sind  ja  ge- 
läufige Sprichwörter- Analogien  dazu);  sie  und  die  Litauer  in  ihrer  Bärenheimat 
hatten  allen  Grund,  in  der  Wahl  der  Bärennamen  vorsichtig  zu  verfahren  — 
wie  häufig  entscheidet  das  Streben  nach  Euphemismus  über  den  Verlust  alter 
Worte;  kein  Wunder  daher,  daß  die  arischen  Göttemamen  z.  B.  gar  nicht 
Übereinstimmen. 

Die  schwersten  Verluste  alten  Sprachgutes  (neben  Verboten,  Euphemis- 
mus, Vergessen)  bringt  Jedoch  oft  das  Eindringen  von  Fremd-  und  Lehnworten 
in  die  Sprache.  In  Bezug  auf  Einschätzung  der  Lehnworte  trennen  sich 
nun  wieder  unsere  Auffassungen.  Ich  hatte  aus  Anlaß  einer  andern  Schrift 
Schraders  die  Heranziehung  von  russischen  Lehnwörtern  wie  no^Tamn, 
naRrays'B  u.  dgl.  als  zwecklos  bemängelt;  der  Verf.  verteidigt  sie,  obwohl  sie 
uns  nichts  anderes  besagen,  als  die  stillose  Barbarei  ihrer  Herübemahme  — 
da  waren  die  Alten  mit  ihrem  hogoslov  und  yubomudrije  doch  verständiger  und 
anständiger.  Wenn  er  weiter  annimmt,  daß  Lehnworte  im  allgemeinen  her- 
flbergenommen  werden,  wenn  sie  etwas  neues  besagen,  eine  neue  Nuance  u.  dgl. 
hervorheben  sollen,  so  wflrde  ihn  gerade  das  Beispiel  der  slavischen  Sprachen 
eines  anderen  belehren,  wo  Westslaven  und  Slovenen  aus  dem  Deutschen,  Sfld- 
slaven  aus  dem  Türkischen,  Litauer  aus  dem  Slavischen  und  Deutschen,  ohne 
ieden  Grund,  ganz  ziel- und  zwecklos,  borgen  und  kostbares  einheimisches 
Spracbgut  willkürlich  preisgeben.  Darüber  geht  der  Verf  zu  leicht  hinweg, 
wenn  er  auch  (I,  196)  etwas  von  der  Mode  sogar,  die  dabei  mitsprechen  kann, 
einfließen  läßt.  Die  Litauer  haben  z.  B.  ein  uraltes  Wort  ftlr  Storch,  gandras, 
sie  ersetzen  es  heute  allgemein,  auch  in  Rußland,  durch  das  deutsche!  Den- 
selben Storch  nannten  die  polnischen  Weichselflößer  im  XVI.  Jahrh.  schon 
Ksiqdz  WojUh  (Priester  Adalbert)  und  wehe  dem  Neuling,  der  ihn  anders 
nannte:  woher  diese  sonderbare  Bezeichnung?  man  hat  richtig  erkannt,  daß 
sie  den  niederdeutschen  Namen  des  Storches,  Adebar,  zu  Adalbert  umdeuteten 
und  übersetzten ;  gerade  diese  alte  Flößersprache  ist  an  solchen  geradezu  künst- 
lichen oder  erkünstelten  Entlehnungen  reich  (vgl.  Poradnik  J^zykowy  1907). 

Man  wende  ja  nicht  ein,  dies  wären  junge  Erscheinungen,  etwa  Willkür- 


432  EjritiBcher  Anzeiger. 

lichkeiten,  wie  in  den  Gaunersprachen  n.  dgl.»  nnd  bewiesen  nichts  fUr  uralte 
Zeiten.  Im  Gegenteil,  mir  scheint  es  klar,  daß  wenigstens  flir  das  Slavische 
(ähnlich  scheint  es  im  Urfinnischen  zu  liegen),  das  6niebisie  schon  in  die  Ur- 
zeit hinaufreicht  Denn  wenn  die  Urslaven  mliko,  cklibi,  i^do,  k%nfdzh  u.  a.  von 
den  Deutschen  entlehnten,  taten  sie  es  einfach  nur  der  Mode  halber,  ja  nicht 
aus  irgendwelchem  Bedürfnis,  nicht  etwa,  weil  mit  den  neu  aufgenommenen 
Wertem  eine  besondere  Milchspeise  oder  Brotart  u.  dgl.,  die  den  Slaven  vor- 
her unbekannt  gewesen  wären,  bezeichnet  werden  sollten;  es  ist  nur  dasselbe, 
wie  etwa  die  Polen  für  iskaö  —  aztikaö,  für  irz^  —  los  u.  dgl.  sagen.  Hier 
könnten  auch  die  »versteckten«  LehnwOrter  besonders  erwähnt  werden,  d.  h. 
einheimische  Wörter,  deren  Bedeutung  nach  dem  fremden  Korrelat  geregelt 
wird,  z.  B.  jutrzyna  «  Morgen  (für  mansus),  samek  s=  Schloß  (für  an)  usw., 
worin  schon  die  taktvollen  Griechen  Meister  gewesen  zu  sein  scheinen. 
Außerdem  könnte  der  Umstand  hervorgehoben  werden,  daß  die  Literatur- 
sprachen oft  gar  nicht  den  Grad  der  Verderbnis  erkennen  lassen,  die  bereits 
die  Umgangssprache  ergriffen  hat.  Und  noch  eine  Bemerkung  betreffs  Lehn- 
wörter :  meinen  im  Archiv  geführten  Nachweis,  daß  der  preußische  Wortschatz 
vom  Polnischen  vollständig  durchsetzt  ist,  ignoriert  der  Verf.  und  fährt  fort^ 
preußische  Worte  anzuführen,  als  ob  sie  irgend  etwas  zu  besagen  hätten  — 
er  mag  sie  ja  nennen,  aber  sie  wenigstens  in  Klammem  setzen,  um  ihre  Un- 
selbständigkeit anzuzeigen.  Er  hätte  dabei  die  nicht  ^^linteressante  Beob- 
achtung machen  können,  daß  mitunter  eine  vollständige  Prutenisirung  des 
polnischen  Wortes ,  eine  Umsetzung  seiner  Laute  in  echt  preußische  erfolgt, 
die  sogar  gewiegte  Spraohkenner  täuschen  könnte,  z.  B.  kektdU  aus  poln. 
czechei,  hekers  aus  poln.  ciecierz  (nicht  aus  deutsch  Kichererbse),  waldwieo  aus 
wiodyka  usw.;  ähnliches  können  wir  an  slavischen  Lehnwörtern  aus  dem  Deut- 
schen, z.  B.  bei  6fdo  u.  a.  wahrnehmen.  Dieselbe  Bemerkung  gilt  für  das  Li- 
tauische, dessen  Entlehnungen  aus  dem  Bussischen  oder  Polnischen  (z.  B.  dyha 
u.  a.;  vgl.  auch  u.)  der  Verfasser  höchst  überflttssigerweise  paradieren  läßt,  was 
bei  dem  mit  dem  eigentlichen  Verhältnis  unvertrauten  Leser  nur  Verwirrung 
erregen  muß,  da  dieser  unwillkürlich  annehmen  wird,  es  handle  sich  um  selbst- 
ständige Positionen,  um  altes  Sprachgnt,  während  es  nur  junge,  nichtssagende 
Entlehnungen  sind. 

Da  ich  schon  einmal  beim  Preußischen  bin,  sei  erwähnt,  daß  der  neueste 
Aufsatz  des  trefflichen  Germanisten  F.  Kluge,  Zum  altpreußischen  Wortschatz 
(Indogermanische  Forschungen  XXI,  S.  358—361)  darum  wenig  neues  bringt, 
weil  Nesselmann,  bereits  in  seinem  Thesaurus  linguae  prussicae  1873,  die 
mundartlichen  deutschen  Ausdriicke  des  Elbinger  Vokabulars  erklärt  hatte, 
wasBerneker  daher  in  seiner  Preußischen  Sprache  1896,  nicht  zu  wieder- 
holen brauchte.  Aus  diesem  Aufsatz  Kluges  ersah  ich,  daß  vor  mir  L  e s ki en 
bereits  den  preußischen  Namen  für  deutsch,  mikskai,  aus  Mikas  s=  Jfic^e/ her- 
geleitet hat,  an  einem  mir  unzugänglichen  Ort  (1897),  dessen  Priorität  ich  so- 
mit gerne  anerkenne:  die  Polemik  Kluges  gegen  diese  Erklärung  hält  nicht 
stand,  weil  diese  Erklärung  von  dem  Alter  und  Ort  der  Redensart  »der  deutsche 
Michel«  unabhängig  ist;  ebenso  benennen  z.  B.  Mordvinen  die  Bussin  einfiicb 
Katja:  Kluge  wollte  nUkskai  mit  niemieeki  vereinigen. 


Schiftder,  SprachvergL  und  UrgeBchiohte,  angez.  von  Brückner.     433 

Nach  prmzipieUeren  AiiBemanderBetznngen  seien  noch  einige  Einzel- 
heiten hervorgehoben.  Es  ist  schon  betont,  mit  welcher  Energie  nnd  mit 
welchem  sehOnen  Erfolge  der  Verf.  sich  ins  Bnssische  hineingearbeitet  hat  — 
jetst  wird  es  ihm  leichter  fallen,  anch  polnische  Quellen  und  Bearbeitungen  zu 
verwerten.  Hätte  er  z.  B.  die  vortrefflichen  Materyaly  ^rodlowe  benützen 
kOnnen,  die  der  Krakauer  Botaniker,  Prof.  Joz.  Bostafinski  zur  Säkular- 
feier der  Jagellonenuniversität  1900  herausgegeben  hatte,  so  hätte  er  sich 
manchen  Irrtum  und  Zweifel  erspart  Über  das  Werk,  das  Ergebnis  eingehen- 
der Geschiehtskunde  der  Pflanzen,  ihrer  Verbreitung,  Anbaues  usw.,  ist  seiner- 
zeit im  Archiv  XXIV  (1902)  S.  187  f.  berichtet  worden.  Daß  es  Schrader 
nicht  beachtet  hat,  hat  sich  nur  an  ihm  selbst  gerächt.  So  spielt  in  seinen  Aus- 
fflirongen  über  die  Urheimat  der  Arier  der  Waid,  Isatis  tinctoria,  als  uraltes 
Färbemittel  (zum  Tätowieren),  noch  immer  eine  gewisse  Rolle  (vgl.  II,  S.  270 
und  ^9);  auch  ohne  Krause,  hätte  er  ausRostafinski  (S.  176)  lernen  können, 
daß  Isatis  eine  planta  culta,  d.  h.  nicht  wildwachsend  ist  und  daß  »in  den  ost- 
europäischen Sprachen  einheimische  und  altertümliche  Namen  für  den  Waid« 
—  nicht  vorkommen,  wenigstens  was  die  slavischen  betrifft  Denn  poln.  z<'gfen 
Waid  ist  einfach  ==  Kohle  (und  nur  für  Kohle  primär);  uret  und  urzef  (die  so- 
gar Miklosich  besonders  nennt;  schon  der  Wechsel  von  r  und  rz  müßte  ja 
jedem  auffallen),  ist  nach  Rostafinskis  scharfsinniger  Deutung  nur  aus  toety 
d.  i.  aas  dem  deutschen  Namen,  von  einem  Schreiber  entstellt;  sinilo  ist  ganz 
jung;  bOhm.  ryt  ist  =  Röte;  so  bleibt  kein  alter  Name  fttr  Waid  übrig  und  die 
Pflanze  ist  für  immer  aus  den  Heimatsbestimmungen  auszuscheiden.  Ebenso 
verhält  es  sich  mit  den  Cucurbitaceen,  die  nach  Schrader  (II,  199 f.)  »auf 
das  südliche  Rußland  als  Heimat  der  Arier  vielleicht  mit  nicht  unerheblicher 
Ansdehnung  in  die  benachbarte  asiatische  Steppenregion«  schließen  lassen ; 
von  den  einschlägigen  Gleichungen  scheint  ihm  »namentlich  die  dritte,  griech. 
asxova  (!),  cUvs^  Qurke  »  slav.  ti/ky  (tykwa)  Kürbis,  wohlbegründet« ;  daß  es 
damit  nichts  ist,  daß  das  griech.  und  das  slavische  Wort  nichts  miteinander 
gemein  haben,  hätte  er  ebenfalls  aus  RostafiDski  (S.  317)  ersehen.  So 
sehwindet  die  letzte  auf  die  pontischen  Gestade  hinweisende  Spur  und  das 
mare  kann,  wie  andere  hervorgehoben  haben,  mit  mehr  Recht  auf  die  Sümpfe 
der  Pripet  oder  Berezina  gedeutet  werden;  zu  Einbäamen  brachten  es  die 
Arier  auf  ihren  Flflßen,  nicht  auf  den  gefährlichen  Fluten  des  ungastlichsten 
Meeres. 

Überflüssige  Skrupel  bereitet  dem  Verf.  der  Umstand,  daß  die  Baumnamen 
der  Arier  gar  schwankend  sind,  aber  wie  schwankt  z.  B.  der  deutsche  Gebrauch 
von  Tanne,  Kiefer,  Fichte,  Föhre!  VonRostafinski  hätte  er  den  Grund 
dieses  Schwankens  erfahren  können,  d.  h.  worauf  es  beruht,  daß  ein  und  der- 
selbe Name  hier  die  Eibe,  dort  die  Weide  bezeichnet  [iva) ;  warum  die  Ulme  = 
hnost  (zur  Bildung,  von  Mza,  vgl.  miost  zu  mlass^)  nach  der  Birke  bezeichnet 
ist  nnd  daher  nicht  mit  armen,  barii  (gegen  S.  175)  verglichen  werden  darf 
Hätte  er  die  Ausführungen  von  Rostafinski  S.  142 f.  gelesen,  wäre  er  nicht 
darauf  verfallen,  russ.  ilem  und  viaz  Ulme  für  arische  Gleichungen  zu  ver- 
wenden; wie  poln.  ilem  beweist,  ist  nämlich  ersteres  nur  ein  deutsches  Lehn- 
wort und  viaz  ist  poln.  tciqz,  lit.  winkszne  (daher  nicht  von  toiqzaS  abzuleiten, 
ArohiT  für  slftruehe  PhUologi«.  XXDL  28 


434  KritiBcher  Anzeiger. 

wie  es  poln.  Botaniker  schon  im  XVL  Jahrh.  taten:  »zowi^  wifxem  stfd,  ii  s 
niego  fyka  mocne  bywaj^  kn  tüiftamu*  ?).  Oberhaupt  rSch(  rieh  mehrfach  die 
NichtberttckBichtigiing  des  Polnischen,  z.  B.  für  die  Sippe  mssiBch  hii-  ist  poln. 
i^  Gerte  (davon  der  slavische  Name  für  Pnppe,  iqika  luika)^  charakteristiBch; 
bei  yitez  Weide  hätte  poln.  viüina  (hente  toiklina,  wie  wqkliea  Topf  fllr  altes 
wqUka)  dass.,  genannt  werden  sollen;  S.  203  wird  zu  skrt  eari  spinnen  lit 
krätai  Gitter  genannt,  aber  das  ist  doch  spätes  Lehnwort  ans. dem  poln.  kraty, 
das  seinerseits  ans  dem  romanischen  stammt!  Dem  Verf.,  der  so  erfolgreicfa 
die  Schwierigkeiten  des  Bnssisohen  Überwunden  hat,  wird  es  jetzt  nicht  meiir 
schwer  fallen,  auch  die  übrigen  Slavinen  zu  berücksichtigen  und  das  lataniseh- 
preußische  richtiger  einzuschätzen.  Für  manches  ist  er  Ja  ttbeiiianpt  nicht 
verantwortlich,  sondern  seine  Quellen  oder  Vorgänger,  z.B.  für  die  ÜEÜBche 
Deutung  von  iupa  als  Weidebezirk,  für  den  unslavischen  Ursprung  von  konh  n.  a. 

Das  Werk  zerfällt  in  vier  getrennte  Abhandlungen:  die  Geschichte  der 
»linguistischen  Paläontologie«;  ihre  Methode  und  Kritik;  das  Auftreten  der 
Metalle;  die  Urzeit,  wo  in  16  Kapiteln  Haustiere,  Waldbäume,  Wohnung, 
Kleidung,  Recht,  Beligion  u.  dgl.  behandelt  werden.  Das  Werk  kann  und  soll 
das  ungleich  reichere  »Reallezikon«  nicht  ersetzen,  da  es  oft  gerade  bezOglieh 
der  Einzelheiten  auf  dieses  einfach  verweist;  man  möchte  fast  sagen,  daß  es 
die  populäre  Zusammenfassung  jenes  Hauptwerkes  darstellt  Daher  kann  hier 
von  weiterer  Prüfung  aller  Einzelheiten  abgesehen  werden:  für  folgende  Auf- 
lagen sei  jedoch  noch  manches  hervorgehoben.  Es  verdiente  ausführlicher 
z.  B.  die  arische  Bienenzucht  (d.  i.  Waldbienenzucht]  besprochen  zu  werden, 
denn  von  der  einstigen  Bedeutung  derselben  (trotzdem  arische  Gleichungen 
für  den  Namen  der  Biene  selbst  fehlen!),  zeugt  entschieden  der  Name  des 
Methes,  der  unauslöschlich  an  den  arischen  Sprachen  haftet,  noch  inniger  als 
z.  B.  der  Name  von  Vater  oder  Gott!  Der  »Honigesser«,  der  Bär,  wird  den 
Ariern  den  Weg  auf  die  alten  Föhren  und  Eichen  (daher  Schwanken  auch 
dieser  Baumnamen?)  mit  den  Beuten  gewiesen  haben:  wie  viele  Arier  mögen 
bei  diesen  Kletterttbungen  Hals  oder  Beine  gebrochen  haben!  sie  werden  auch 
schon  zur  Anlegung  eigener  Beuten,  darct,  für  die  Waldbiene  vorgesehritteii 
sein  und  da  sei  denn  auch  der  Verf.  an  das  altehrwürdige,  merkwürdige  poln. 
Zeidlerrecht  erinnert,  das  wir  aus  den  Jahren  1559  und  1616  besitzen,  das  in 
den  Wäldern  entstanden  ist,  die  nur  eines  Ariers  Fuß  betreten  hat  —  biaher 
haben  ja  die  Neuroi  gesessen;  das  so  eigenartig,  altertümlich  ist,  dem  Ruß- 
land und  Litauen,  trotz  ihrer  Honigwaldungen,  nichts  zur  Seite  zu  stellen 
hat,  wenigstens  nichts  geschriebenes!  Auch  hier  sind  die  Slaven  unmittel- 
bare Fortsetzer  der  Arier  geblieben,  anders  als  Germanen,  denen  man  bekannt- 
lieh gerade  in  der  Bienenzucht  slavische  Einflüsse  und  Entiehnungen  vielfach 
zuspricht. 

Hier  sei  mir  eine  Zusammenstellung  gestattet,  die  vielloicht  auch  grund- 
falsch ist.  Litauisch  heißt  die  Beute  dravis  —  daher  stammt  der  Name  des 
litauischen  Gaues  Nadrovien ;  ich  möchte  das  Wort  in  poln.  dn^*ki  süß,  süßlich, 
fade,  sich  ziehend  wie  Honig,  wiederfinden.  Zweifelhaft  werde  ich  an  dieser 
Znsammenstellung  nur  durch  die  völlige  Vereinzelung  des  poln.  Wortes,  das 
sonst  in  keiner  Slavine  wiederzukehren  scheint  —  steht  es  nicht  für  druwki 


Schnder,  Sprachvergl.  und  ürgeachlchte,  angez.  yon  Brttekner.     435 

eiwm,  die  die  HolzXpfel  bezeiohnen  und  die  man,  allerdings  sehr  problematisch, 
avB  dem  Deutschen  herleiten  möchte?  Über  den  Gannamen  NadroYien  s.n. 
eine  Yermntnng. 

Litauisch  und  Russisch  zusammen  haben  einmal,  fürchte  ich,  den  Verf. 
arg  verftihrt  Während  ihm  die  russischen  priiski  gute  Dienste  bei  der  £r- 
UXmng  von  fiixaXXoy  leisten,  haben  ihn  Ut  pats  (selbst  und  Herr),  russ.  sam 
(ebenso)  zu  der  Aufstellung  verleitet,  daß  auch  arisches  potü  Herr  nur  aus 
einem  Siteren,  pronominalen  potis  selbst  (vgl.  lat.  suopU  u.  S.)  entstanden  ist 
Ich  glaube  entschieden,  daß  hier  die  Chronologie  auf  den  Kopf  gestellt  ist: 
das  litauische  ist  wie  das  russische  (der  polnische  Gebrauch,  namentlich  in 
litauen  einheimisch,  mag  auf  bloßer  Nachahmung  beruhen),  sp&t  und  selbst- 
BtSndig  —  schon  das  preußische  kennt  ja  kein  paU  selbst  (dafür  subas),  und 
paus  scheint  überall  den  Eheherm  zu  bezeichnen,  vgl.  noch  preuß.  paüniskun 
Ehe;  Kr6eks  Ausführungen  über  das  Fortleben  von  *po^  Herr  im  Poln.  sind 
übrigens  irrig.  Es  mag  somit  der  alte  B  o  p  p  mit  Recht  die  Zusammengehörig- 
keit beider  Worte  bestritten  haben;  jedenfalls  kann  der  junge  litauische  und 
russische  Sprachbrauch  für  die  Urzeit,  die  vom  concretum  zum  abstractum, 
nicht  umgekehrt,  vorschritt,  nicht  maßgebend  sein.  Es  ist  dies  die  ausHihr- 
lichst  begründete  Etymologie  im  ganzen  Buche,  doch  keine  glückliche,  wie 
gerade  die  Verwandtschaftsnamen  den  Verf.  mehrfach  im  Stiche  lassen:  seine 
Herleitung  des  deutschen  Schwager  aus  dem  slavischen  wak  (ans  svojak)^  hat 
W.  Seh  ulze  durch  den  Hinweis  auf  die  älteste  Nennung  des  deutschen  Wortes 
(in  der  verbrannten  Jordaneshandschrift)  entkräftet  Nebenbei  sei  bemerkt, 
daß  gerade  zur  Deutung  der  Verwandtschaftsnamen  die  Parallelen  von  den 
Sprachen  der  >Wi]den<  her,  die  sie  oft  noch  in  alter  Durchsichtigkeit  erhalten 
haben,  von  Nutzen  sein  konnten:  Sehr  ad  er  meidet  ethnologische  Parallelen 
fäst  prinzipiell. 

Die  Belesenheit  des  Verf ,  sein  Berücksichtigen  auch  der  allemeuesten 
Literatur  (noch  in  den  Nachträgen),  kann  nicht  rühmend  genug  hervorgehoben 
werden.  Doch  vermisse  ich  einen  wichtigen  Nachweis:  in  ü,  18 ff.  handelt  der 
Yert  über  den  in  der  deutschen  Heldensage  hochberühmten  Schmied  Wieland 
a  YOlundr  der  nordischen  Sagen,  in  einem  besonderen  Kapitel,  >der  Schmied 
in  Sage  und  Sprache«,  dessen  Ausführungen  in  der  meiner  Ansicht  nach  irrigen 
Folgerung  gipfeln,  daß  die  Ausbildung  des  Schmiedehandwerkes  nicht  in  die 
arisehe  Urzeit  zu  verlegen  ist  Mit  Hecht  dagegen  verhält  sich  Sehr  ade  r 
skeptisch  gegen  die  auf  Kuhn  zurückgehende  Identifizierung  von  Wieland 
und  Sephaiitoa-Daidalos;  ich  hätte  nur  gewünscht,  daß  er  auch  die  Kuhn- 
sche  Identifizierung  der  Eiben- Alf en  mit  den  indischen  Ribhus  als  ein 
Mlrehen  (würdig  der  bekannten  Max  MüUerschen  von  Sdramiya- Hermes  usw.), 
zurückgewiesen  hätte;  ebenso  hätte  er  andeuten  können,  daß  die  als  Schmiede 
berühmten  Zwerge  bei  Griechen  (die  Idäischen  Daktyler)  und  Germanen  auf 
eine  vorarische  europäische  Zwergrasse,  deren  Spuren  man  jetzt  überall  auf- 
stöbert, zu  beziehen  wären.  Endlich  hätte  er  ~  denselben  Fehler  begeht 
Veselovskij  —  den  russischen  Arzt-Schmied,  den  h.  Kuzma,  nicht  auf  eine 
Stufe  mit  den  ^oiTrar-Schmieden  der  Griechen,  den  Daktylen,  steUen  sollen, 
denn  Ktäma  ist  nur  durch  eine  Volkse^mologie  {Kuznee)  zum  Schmiedepatron 

28* 


436  KritiBcher  Anzeiger. 

geworden,  ebenso  wie  der  h.  Kirik  znm  Htihnerpatron  ward,  nni  weil  sein 
Name  an  die  kury  Hühner  erinnert  nnd  nicht  etwa,  weil  in  seinem  Wesen  jl  dgL 
etwas  darauf  sich  bezog.  Aber  nun  zu  Wieland  selbst  —  ttber  den  die  neueste, 
eingehendste  Untersuchung,  aus  der  Feder  von  A.  Veselovskij,  Sehr  ad  er 
entgangen  ist. 

Sie  ziert,  leider  ein  opus  posthumum,  die  Petersburger  Izvistija  Ki06, 
IV,  3,  S.  1—190  (darin  von  S.  130  ab  als  Beilage  die  Übersetzung  von  Stücken 
aus  der  Thiedrekssaga,  gefertigt  von  seinen  Schülern),  u.  d.  T.  >die  Russen  und 
Wiltinen  in  der  Thiedrekssaga« ;  von  Wieland  speziell  handeln  Abschnitte  V 
und  VI,  S.  80— 113.  Die  erstaunliche  Belesenheit  (doch  fehlen  einige  inter- 
essante Angaben,  die  S ehr a der  bietet),  die  scharfsinnige  Kombination,  die 
das  entlegenste  zu  verwerten  weiß,  die  kritische  Methode,  die  sofort  das 
Schwache  in  jeglicher  Beweisführung  oder  Annahme  herauskennt,  feiern  aneh 
hier,  wie  in  allem,  was  aus  dieser  Feder  hervorgegangen  ist,  ihre  Triumphe. 
Es  handelt  sich  um  die  Wiltinen  (nicht  Wilkinen)  und  ihren  König-Eponymas 
selbst,  dann  um  deren  Gegner,  die  Bussen  und  deren  Herrscher,  zumal  um 
Ilias  von  Beußen,  dessen  von  Chal ans kij  vorgeschlagene  Identifizierung  mit 
Ohg  mit  Becht  zurückgewiesen  wird.  Wenn  Ilias,  statt  von  Griechen  (jarl 
einn  af  Greka),  jarl  einn  af  Gersekeborg  in  einer  Handschrift  genannt  wird, 
d.  i.  nach  dem  aus  den  livlfindisch- russischen  Stampfen  wohl  bezeagten 
Gercike  (1205  u.ö.),  so  erkennt  Veselovskij  darin  mit  Becht  nur  eine  lokale 
Anpassung,  nicht  erstaunlich  bei  den  niederdeutschen  Livlandfahrem ;  auf 
niederdeutsche  Überlieferung  geht  ja  die  nordische  Thiedrekssaga  zurück. 
Ebenso  richtig  weist  er  M  ü  1 1  enhof  f  s  Deutungen,  die  sich  eines  unbestrittenen 
Kredits  erfreuen,  z.  B.  über  die  Identität  von  Hertnit  und  Ortnit,  die  nur  die 
Namen  treffen  kann,  oder  über  die  Taciteischen  Dioskuren  bei  den  Nahanar- 
walen  als  gleich  den  Hertnits  (Ortnit)  der  Sage  u.  a.  zurück.  Dagegen  scheint 
Veselovskij  in  den  eigenen  Ausführungen  diesmal  weniger  glücklich  ge 
wesen  zu  sein. 

In  den  Welten,  die  er  in  den  Wiltinen  der  Sage  wieder  erkennt,  möchte 
er  nicht  eine  slavische,  sondern  eine  litauische  Völkerschaft  erkennen,  deren 
Namen,  man  weiß  nicht  wie  und  warum,  auf  Slaven  übertragen  wurde.  Desto 
dankbarer  nehmen  wir  die  reichhaltigen  Zusammenstellungen  über  die  vniitty 
und  voiotovki  (Biesengräber)  in  Bußland  auf.  Besonders  wichtig  ist  der  Hin- 
weis (S.  26],  wo  die  Deutsehcn  auf  Ilias  gestoßen  sein  mögen,  obwohl  sich  da- 
mit der  Kampf  zwischen  Wiltinen  und  Bussen  noch  inmier  nicht  zeitiich  oder 
örtiich  fixieren  läßt.  Verfehlt  scheinen  die  Kombinationen  von  Suders  der 
Ortnitsage  (mit  ihrem  Ilias  von  Beußen),  nicht  als  =  Tyrus,  sondern  als  Sndak, 
Suroi  und  im  Zusammenhange  damit  die  Wiederholung  der  Erklärung  vom 
Fürsten  Bravlin  der  Stephanslegende,  als  verderbt  aus  MraoUny  und  dies  als 
Übersetzung  von  MvQfAid<jjt^  ijiVQiuTj^),  wie  die  Griechen  die  Steppenstiimme 
(am  schwarzen  Meer)  zu  nennen  pflegten  (vgl.  noch  die  ähnliche  Erklärung  des 
Terminus  Mauringa,  Manrnngania  S.  45  Anm.).  Diese  Erklärung  ist  ebenso 
phantastisch  wie  die  von  Chalanskij,  dem  Bravlin  &=  MravUn  s=  Morotlm 
schließlich  zu  einem  Normannen  fuhrt!  Wenn  man  schon  die  Phantasie  so  toll 
spielen  läßt,  könnte  man  z.  B.  Märchen  auf  Märchen  häufend  bei  Bravlin  oder 


Schrader,  Sprachvergl.  und  Urgescliichte,  angez.  von  Brückner.      437 

Bravalin  sogar  an  die  sagenberühmte  Bravaüaschlacht  denken,  ihn  etwa  all 
einen  Bravallakämpfer  bezeichnet  anffasBen:  sprachlich  läge  dies  näher  nnd 
sachlich  könnte  diese  Dentang  nicht  schlimmer  sein,  als  jene  beiden,  nnr  wäre 
sie  gleich  nnntitz.  Desto  schärfer  nnd  treffender  ist  die  Kritik,  S.  51  ff.,  gegen 
Chalanskijs  Annahme  (Ohg%  =  Volga  =  Eligas  =z  Uja);  sie  zeigt,  wie 
tänschend  alle  die  Argumente  sind,  die  Chalanskij  znmal  ans  späten,  fabel- 
haften, völlig  wertlosen  Ausschmückungen  russischer  Chroniken  ins  Feld 
führt;  sonst  pflegten  die  Ausführungen  Yeselovskijs  etwas  schwankend 
und  zweifelnd  zu  sein,  wie  es  ja  die  Natur  seines  Gegenstandes  mit  sich 
brachte  —  selten  fand  ich  sie  so  entschieden  und  so  präzise,  wie  gerade  hier, 
namentlich  auch,  was  den  Mißbrauch  symbolischer  Auslegungen  betrifft,  ob- 
wohl y eseloYskij  selbst  (z.  B.  bei  dem  Gegensatz  Volga  —  Mikula,  Uja  — 
STJatogor,  bei  der  Wielandsage)  solchen  symbolischen,  sozialkulturellen  Um- 
deutnngen  der  Sagenmotive  gar  nicht  aus  dem  Wege  geht,  obwohl  man  auch 
diese  gar  sehr  bezweifeln  kann. 

Die  Wielandsage  selbst  soll  nach  ihm  finnischen  Ursprunges  sein,  ent- 
standen auf  finnisch-aistisohem  (litauischem)  Gebiete  und  übertragen  in  den 
finnischen  Norden;  wird  doch  in  der  Yölundarkvida  Wieland  der  Sohn  eines 
finnischen  KOnigs  genannt,  in  der  Tidreksage  ist  er  ein  Wiltine.  Und  nun 
werden  andere  Namen  oder  richtiger  Varianten  der  Sagen  in  derselben  Rich- 
tung ausgedeutet:  also  der  Berg  Kaliava  (andere  Lesart  Baüofa  usw.),  auf  dem 
die  schmiedenden  Zwerge  hausen,  ist  finnisches  Kaleva;  Nidudr,  der  jütische 
König,  der  Wieland  gefangen  hält,  herrscht  über  die  Niarar  =  Nerar  —  das 
soll  nun  nicht  mehr  schwedisches  Noerike  u.a.,  wie  man  annimmt,  sein,  sondern 
die  litauische  Nehrung^  nerga,  neria,  ja  vielleicht  die  Landschaft  Neronia^  Xo- 
roma  der  ältesten  Chronik  (Varianten  Norova,  Narova  usw.) ;  im  Gegensatze  zu 
allen  bisherigen  Erklärem  möchte  ich  darin  den  Namen  Nadrovia  wieder  er- 
kennen, 8.  o.;  die  Nennung  innerhalb  lauter  litauisch -lettischer  Gaue  in  der 
Chronik  paßt  durchaus  zu  einer  solchen  Lokalisierung,  wird  doch  dieser  Nam 
sogar  mit  Samogitien  identifiziert,  während  Kuniks  Deutung  aus  dem  Fin- 
nischen oder  gar  Sjögrens  Hereinziehung  der  Woten(!!)  jeden  Zusammen- 
hang verletzen.  Den  Fluß  Vitara^  auf  deiA  Wieland  von  den  Zwergen  (Kallavas) 
nach  Thiodi  in  Jütland  gelangt,  lokalisiert  nun  der  Verf.  auch  nahe  dem  litau- 
ischen Boden,  als  einen  der  kurischen  Zuflüsse,  eventuell  als  den  Libauischen 
See,  Esestua  der  Urkunde  von  1230:  sowohl  Visara  als  dieses  Esesfua,  d.  i. 
Esertaa  leitet  er  von  lit  eieras^  ezars  See  ab;  das  erstere  ist  rundweg  abzu- 
wmsen,  und  ist  denn  Usestua  überhaupt  litauisch?  liegt  nicht  »finnische«  Her- 
leitnng  näher?  Neben  diesen  äußerst  problematischen,  vielleicht  nur  ganz 
irreführenden  Deutungen  bewegt  sich  Veselovskij  auf  etwas  sichererem 
Boden,  wenn  er  sorgfältigst  aUe  Übereinstimmungen  in  der  Wielandsage  und 
der  Kalevidensage  aufweist,  die  ja  schon  von  anderen,  zum  Teil  noch  von 
Hannhardt,  namentlich  von  Krohn,  hervorgehoben  waren;  Krohn  sah 
deatsohe  Einflüsse  in  diesen  finnischen  Reminiszenzen,  Veselovskij  schlägt 
nun  den  entgegengesetzten  Weg  ein. 

Was  ist  davon  zu  halten?  Wäre  die  Wielandsage  nur  nordisch  —  aber 
sie  ist  germanisch,  haftet  gerade  in  Niederdeutschiand  am  zähesten  und  ist 


438  KritiBcher  Anzeiger. 

Ton  dort  erst  nach  dem  Norden  gebracht,  also  woher  kibne  ihr  Ostiicher  Ur- 
sprung? Wären  dann  nicht  die  Ähnlichkeiten  mit  dem  Daidalos-  Hephaisto»- 
m3rthn8  da  (man  hat  ja  sogar  die  Wielandsage  daraus  entlehnt  sein  lassen!)  — 
oder  sind  anch  diese  griechischen  Mythen  finnischen  Ursprunges?  Ich  sdie 
davon  ab,  daß  die  Parallelen  oft  nur  äußerliche,  zufSUlige  sind;  daß  im  Kern 
die  Sagen  auseinandergehen;  daß,  wie  Sehr a der  hervorhebt,  die  finnische 
metallurgische  Terminologie  gerade  von  der  deutschen  abhängig  ist.  Ja,  hätte 
sich  Veselovskij  darauf  beschränkt,  den  bekannten  litauischen  Sonnen- 
mythus  aus  dem  Finnischen  herzuleiten  —  das  läßt  sich  wohl  hOren,  denn  die 
Conception  von  der  geschmiedeten,  an  den  Himmel  gehangen  Sonne  scheiiit 
durchaus  unarisch  zu  sein,  echt  finnisch.  Dazu  kommen  die  urgermaniBohen 
Personennamen,  Wieland  usw.,  gegen  die  die  ganz  problematischen  Ortsbe- 
zeichnungen,  sogar  wenn  sie  von  Veselovskij  richtig  gedeutet  wären  (was 
ich  entschieden  bestreite),  gar  nicht  aufkommen  können. 

Hier  eine  prinzipielle  Bemerkung  gegen  diese  Namendeutungen,  die  sich 
nichtnurgegenVeselovskijjMiljukov,  Ghalanskij  richtet.  Man  vergißt 
nur  zu  leicht,  daß  in  russischen  Bylinen  wie  in  deutschen  Heldensagen  viele 
Orts-  und  Personennamen  genau  soviel  zu  besagen  haben,  wie  etwa  die  Namen 
Ada,  Nelly  oder  Mitzi,  die  die  Modisten  ihren  Schöpfungen,  den  Binsen  oder 
Kostümen,  beilegen :  sie  sind  rein  willkürlich  gewählt,  beweisen  gar  nichts  fHkr 
die  Provenienz  des  Liedes,  der  Sage;  die  Varianten  z.  B.  von  dem  Wirianischea 
Meere  im  Liede  vom  Solovej  Budimirovi6  besagen  ebensowenig,  wie  daa 
Gercekeborg  beim  Uias ;  aus  derlei  Namen  (z.  B.  Iren  soll  Markgraf  Gero  sein!) 
geschichtliche  Anknüpfungen  zu  folgern,  heißt  ihnen  nur  Grewalt  anton.  Bei 
Veselovskij  stößt  dann  besonders  der  Umstand  auf,  daß  er  alle  mOfi^chen 
Erklärungen  der  Namen,  die  einander  doch  völlig  ausschließen,  nebeneinander 
aufzählt,  ohne  sich  irgendwie  zu  entscheiden,  dadurch  verliert  die  ganze  Dar- 
stellung alles  sichere.  Kaleva  z.  B.  ist  bald  litauisches  kalva  Hügel  oder  kahü 
Schmied  (aber  kahva  ist  Riese,  nicht  Hügel  noch  Schmied!}  und  wird,  gans 
willkürlich,  in  altlitauischen  Ortsnamen  wiedergefanden,  oder  wiederum  ist  es 
kolbjag  =  hylßngr  =  seylfing:  ich  verstehe  nichts  vom  Finnischen,  aber  dabei 
kann  ich  nur  an  Voltaires  Definition  der  Etymologie  denken;  dem  unerfahrenen 
Leser  wird  ganz  schwindelig  zu  Mute,  der  erfahrene  weist  einfach  alles  ab. 
Ebenso  verhält  es  sich  mit  Lindanüa:  daß  dies  wenigstens  nicht  =  Ledenee 
ist,  wie  Miljnkov  meinte,  ist  doch  unbedingt  sicher.  Und  noch  in  einem 
Punkte  könnte  Veselovskij s  Verfahren  bemängelt  werden:  nur  zu  oft  läßt 
er  den  Namen  eines  Helden  als  Eponymen  eines  Volkes  gelten;  bei  Vfltiniis 
ist  dies  ganz  sicher,  aber  schon  den  Visinus  vermag  ich  wenigstens  nicht  ab 
den  Eponymus  der  VesB  gelten  zu  lassen  und  noch  viel  weniger  den  deutschen 
Becken  Wadi  als  den  der  Vof  oder  gar  den  Heima  als  den  der  lam'  (HSme, 
Hämelaiset)  und  seinen  Genossen  Vitege,  Wielands  Sohn,  als  einen  Vidigoja, 
d.  i.  Bewohner  des  samländischen  Vidlandes  (der  Vidivarier). 

Nicht  ohne  Wehmut  legt  man  diese  Blätter  aus  der  Hand.  Ich  habe  nnr 
hervorgehoben,  worüber  man  anders  denken  kann,  verschwiegen  dagegen  die 
Fülle  von  Belehrung  und  Anregung,  die  man  aus  ihnen  schöpft,  die  weiten 
Ausblicke,  die  so  manche  Bemerkung  eröfinet  Besonders  interessant  wirkt 


Sehnder,  Sprachvergl.  und  Urgeschichte,  angez.  von  Brückner.     439 

die  neae  Orientienuig  Y eselo vBkij b  gegenüber  so  manchem  Bylinenproblem, 
nach  dem  Westen  und  seinen  Einflüssen ;  ich  verweise  nur  deshalb  auf  die 
Analyse  der  Byline  von  Yolga  nnd  dem  Indischen  Beiehe  (S.  61  ff.)  im  Zu- 
sammenhang mit  der  Ortnitsage.  Doch  kehren  wir  nach  dieser  Abschweifnng, 
die  wir  ja  den  Manen  des  nnvergeßlichen  Forschers  schuldig  waren,  noch  ein- 
mal ZQ  S  ch raders  Buch  zurück. 

Die  dritte  Auflage  unterscheidet  sich,  wie  hervorgehoben,  durch  die  aus- 
führliche, kundige  Einschätzung  des  slavischen  Elements  von  den  vorigen. 

Dieses  interessiert  uns  am  meisten,  wir  verweilten  bei  ihm  gerade  am 
längsten,  mit  dem  Verf.  in  der  Regel  völlig  übereinstimmend.  Nur  hier  und 
da  wichen  wir  von  ihm  ab,  z.  B.  in  der  Beurteilung  von  dem  Verhältnis  tnosfdzb 
aus  Messing,  das  er  unrichtigerweise  umkehrte;  dasselbe  wiederholt  sich  bei 
vMbqd^.  Er  deutet  es  als  »Riesentier«  {velij  und  hqdqV.)  und  läßt  daraus  das 
got  ulbandM  entlehnt  sein,  beides  unmöglich;  v0lhhqd^  mit  dem  Vorschlag  des 
V  t^ohlbqdh]  ist  ja  sicher  aus  dem  gotischen  entlehnt,  nicht  umgekehrt!  die 
Slmven  behielten,  anders  als  die  Griechen,  nur  zu  gern  die  fremden  Namen 
bei.  Oleich  darauf  läßt  er  völlig  überflttssigerweise  gqsh  aus  Gans  entlehnt 
sein  und  beruft  sich  beide  Male  auf  Peiskers  Ausführungen  über  die  Stellung 
der  Slaven  unter  Turkotataren  und  Germanen,  die  hier  nur  irreführen.  Und 
wiederum  bei  columba  übergeht  er  mit  Stillschweigen  den  golqbb  (zur  Un- 
stimmigkeit im  Anlaut  vgl.  slavisch  k%lpb  Schwan  =  lit  etc.  gulb  is  dass.). 
£t«/t^t  verzinnen  (S.  532)  ist  Lehnwort.  Ein  wichtiges,  der  arischen  Mythologie 
gewidmetes  Kapitel  (S.  415—458)  haben  wir  absichtlich  gar  nicht  berührt, 
weil  Verf.  selbst  auf  einen  demnächst  erscheinenden,  ausführlicher  zusammen- 
fassenden Artikel  verweist,  den  wir  mit  Ungeduld  erwarten. 

Bei  der  Fülle  des  Stoffes  wäre  noch  mancherlei  zu  erörtern,  doch  brechen 
wir  nunmehr  ab.  Wir  betonen  nochmals  mit  besonderer  Anerkennung  die 
eingehende  Berücksichtigung  des  Slavischen,  und  wenn  unsere  Ausführungen 
in  polemischer  Richtung  sich  bewegten,  so  hindert  dies  uns  nicht  im  mindesten, 
die  Trefflichkeit  des  Werkes  nach  Gebühr  anzuerkennen.  Kein  anderes  dürfte 
geeigneter  sein.  Freunde  der  Sprachwissenschaft  zu  werben,  Verständnis  für 
ihre  Aufgaben  nnd  Leistungen  zu  verbreiten ;  das  reiche  Wissen,  die  vorsichtig 
abwägende  Methode  und  E^ritik,  Reiz  und  Anmut  der  Darstellung  vereinigen 
sich  zu  einem  harmonischen  Ganzen.  Moderne  Schlagwörter  und  Theorien 
verführen  nicht  den  Verf.;  eine  gesunde  Skepsis  hat  ihn  vor  jeglicher  Über- 
stürzung oder  Einseitigkeit  gehütet;  er  wahrt  seinen  Standpunkt,  aber  er  kennt 
und  berücksichtigt  die  Einwände  anderer;  ihm  sind  die  Arier  weder  Tugend- 
bolde noch  Troglodyten,  er  sucht  stets  die  goldene  Mitte  zu  wahren  und  tut 
es  mit  Erfolg.  Man  kann  mit  ihm  über  das  eine  und  das  andere  streiten,  aber 
man  muß  seinem  Buche  die  größte  Verbreitung  wünschen:  zur  Auf klärung 
über  die  Vorzeit  trägt  es  bei,  wie  kein  anderes.  Wohlweislich  beschränkt  der 
Verf.  seine  Aufgabe  und  sein  Arbeitsfeld:  nicht  die  Urzeit  als  solche,  nicht  die 
Entstehung  von.Famüie,  die  Entdeckung  der  ersten  Werkzeuge,  die  Zähmung 
der  ersten  Haustiere  u.  dgl.,  beschäftigen  ihn,  sondern  die  Arier  auf  der  Kultur- 
stufe, die  sie  vor  der  endgültigen  Lösung  uralten  Zusammenhanges  erlangten: 
darüber  hinaus  läßt  er  seine  Blicke,  und  mit  Recht,  nicht  weiter  schweifen;  er 


4  40  EritiuEicher  Anzeiger. 

fragt  auch  nicht,  wie  denn  z.  B.  Europa  in  der  Uraeit  gestaltet  war,  er  lecknefc 
nur  mit  dessen  historischen,  ich  möchte  sagen,  heutigen  Bodenverhältniaaeii. 
Wir  scheiden  von  dem  Werke  nur  mit  Ausdrücken  lebhaften  Dankes  fOr  die 
reiche  Belehrung  und  Anregung,  die  wir  von  ihm  erhielten. 

^.  BHickntr. 


Alexander  Brückner:   Dzieje  jqzyka  pohMego^  z  121  ilostra- 

cjami.  Lw6w-Warszawa  1906,  str.  186. 

Es  ist  ein  populäres  Buch,  nicht  für  die  Fachmänner,  sondern  fBr  das 
intelligente  Publikum  bestimmt.  Daraus  erklärt  sich  vieles.  Als  Zusammen- 
stellung von  wichtigeren  charakteristischen  Erscheinungen  der  polniBchen 
Sprache,  die  den  Forschem  bekannt  sind,  bietet  es  dem  Laien  eine  anmutige 
und  sehr  interessante  Lektüre ;  da  es  weiter  in  der  entsprechenden  Literatur 
an  solchen  Werken  fehlt,  könnte  das  Buch  dem  PubUkum  schöne  Dienste 
leisten,  leider  ist  es  aber  nicht  frei  von  verschiedenen  Inkonsequenzen, 
mannigfaltigen  Ungenauigkeiten,  Undeutlichkeiten,  ja  sogar  von  Fehlem.  Ln 
folgenden  führe  ich  einige  von  diesen  und  jenen  an,  die  —  obwohl  hier  nnr  in 
kleiner  Zahl  gegeben  —  doch  den  wissenschaftlichen  und  populären  Charakter 
dieses  Buches  genügend  kennzeichnen  werden.  Der  Verfasser  saprt  z.  B.,  daß 
die  polnische  Sprache  dieselben  Konsonanten  wie  das  Ursbivische  besitze  nnd 
daß  »sie  (d.  h.  die  poln.  Konsonanten)  sich  nach  denselben  (d.  h.  urslavischen) 
Grundsätzen  richten;  also  k,  g,  ch  gehe  vor  den  palatalen  («,  i,j)  in  es,  s,  « 
über«  (S.  11).  Das  ist  doch  undeutlich,  da  die  besagte  Erscheinung  einen  ur- 
slavischen Wandel  vorstellt.  —  Oder:  »Von  miVoitf  —  sagt  Prof.  Brückner  — 
leiten  wir  miiostny ...  ab,  yon  po8t  —  postny,  sproBtny<  (S.  38).  Wieso :  9proHny 
von  post'^  —  »Schaf«  —  belehrt  er  S.  67  den  Leser  —  heißt  »lateinisch  nnd 
litauisch  om««,  fürs  Litauische  sollte  avis  dabei  stehen.  —  Die  Ortsnamen 
Pszczyna  und  Plskow  leitet  Brückner  gleichzeitig  von  pUso  und  pio  (S.  53)  ab, 
ohne  irgendwelche  Erklärungen  über  das  wechselseitige  Verhältnis  von  diesen 
beiden  Grundwörtern  zu  geben.  Auch  andere  Zusammenstellungen  sind  für 
einen  Nicht-Fachmann  unklar  dargestellt,  z.  B.  neben  der  Zusammenstellnng 
Atorf  —  lat./ero  usw.  (S.  14)  finden  wir  rudy  —  lat.  rufw,  daraus  folgt  also, 
daß  den  polnischen  h  nnd  c/das  lat. /entspricht;  natüriich  wäre  das  fidneh: 
ruf  US  ist  eigentlich  nicht  »lateinisch«,  vgl.  lat.  ruber. 

Die  von  Brückner  rekonstruierten  Formen  (ich  bemerke  dabei,  daß  sie 
nicht,  wie  es  Üblich  ist,  mit  dem  Sternchen  versehen  sind)  sind  öfters  ganz 
wunderlich,  z.  B.  finden  wir  auf  S.  11 :  damea,  dorne,  dorn,  also  schon  e  auB  %, 
aber  doch  im  Auslaute  noch  s;  vgl.  weiter  S.  36 :  dtfä  aber  merin,  also  hier  noch 
t,  aber  im  Auslaut  schon  verschwunden;  oder  noch  verwunderlicher  S.  74: 
sepn  =  sen,  schon  e  (aus  ^,  ü)  und  es  fehlt  der  Wandel  im  Auslaut,  aber  wir 
finden  noch  p  im  Inlaut;  usw.,  usw.  —  Auch  die  chronologische  Darstellung 
der  verschiedenen  sprachlichen  Tatsachen  ist  in  manchen  Fällen  ganz  rtUsel- 
haft  und  sonderbar;  so  spricht  z.  B.  der  Verfasser  Über  die  polnischen  Ver- 
tretungen der  urslav.  tj,  <(;',  d.  h.  über  die  poln.  c,  dz  erst  nach  der  Bespreehunip 


Brückner,  Gesch.  cL  poln.  Sprache,  angez.  yon  Ultanju.  441 

der  Yertretongen  der  urslav. «,  h  und  e^  i  (S.  35--36) !  Oder  er  nimmt  z.  B.  erst 
nach  der  Besprechung  solcher  Erscheinungen  wie  der  Wandel  im  Polnischen 
fid,fiik^,d£,rz  nnd  solcher,  wie  die  Vereinfachung  der  Gruppe  -stn-  in  -«n- 
(Z.B.  miiomy)  usw.,  —  die  Vertretung  der  urspr.  /,  r  (a.  B^mlk,  targ  usw.)  und 
die  Verbindungen  o,  #  4-  r,  i  (z.  B.  jwo«>,  sioma  usw.)  vor  (S.  39—40)! . . 

Nachdem  der  Verf.  die  Formen  rog — roga  besprochen,  sagt  er:  >8o  auch 
soU  man  die  Verschiedenheit  ehUh  (chUh)^ehUha\  pan  [p<m)'--pana\  r^ka— 
rqk;  mifso — nu'qif  hoi^o^iwiqi  verstehen«  (S.  29).  —  Meiner  Ansicht  nach 
eben  nicht  »auch  so«.  Hier  gibt  es  keine  Parallelen:  d,  d  in  chUh^p&n  [pon) 
sind  wegen  der  Geschlossenheit  der  Silbe  mit  einem  stimmhaften  Konso- 
nanten eingetreten  [sog.  »polnische  Dehnung«];  in  rqk^  miqsy  ätoiqt  .  .  . 
aber  haben  wir  die  Vertretung  der  urspr.  Längen  ganz  unabhängig  von 
der  Form  der  Silbe.  Also  nicht  alle  aufgezählten  Beispiele  darf  man  eben 
so  verstehen,  wie  sie  Brückner  erklärt  —  Unrichtig  ist  auch  die  allgemeine 
Behauptung,  daß  »die  pohuschen  Längen  (,dhigie-pochylone*)  sich  nicht 
mit  den  ursprünglichen  Längen  zusammenstellen  lassen.  Sie  haben  mit  die- 
sen —  fUhrt  er  weiter  aus  —  nichts  gemeinsames.  Das  sind  alles  Längen,  die 
im  Polnischen  entstanden  sind  . . .«  (S.  29).  Es  ist  aber  doch  bekannt,  daß 
solche  Formen  wie  z.  B.  mqkaf  kqt . , .  unmittelbar  die  urslavischen  langen 
Nasale  vertreten  (lang  geblieben  vor  dem  Akzent ;  vgl.  die  Arbeiten  Lorentzs, 
Kulbakins  . . .) ;  die  Dehnung  im  Polnischen  ist  wieder  ein  anderer  Vorgang. 
Die  Erklärung  dieser  Dehnung  (S.  29—30)  ist  im  allgemeinen  von  Brückner 
sehr  unklar  dargestellt,  und  so  weit  es  solche  Genitive  pl.  betrifft,  wie  rqk, 
miqs  usw.,  sogar  falsch,  da  es  hier  eigentlich  keine  Dehnung  gibt:  die  ur- 
sprünglichen Längen  sind  als  solche  geblieben. 

Ich  kann  auch  nicht  dem  Verf.  beistimmen,  wenn  er  sagt  (S.  39 — 40),  daß 
in  der  polnischen  Sprache  einst  Worte  in  folgender  Gestalt  existierten :  witlk 
wiereh,  wUnn,  tSrg  . .,  deigi,  teisty^  aelnce  ...  In  diesen  Worten,  in  den  Ver- 
bindungen der  silbenbildenden  Liquiden  (^,  /)  mit  den  ihnen  vorausgehenden 
nicht-sUbenbildenden  «,  b,  reflektieren  die  letzteren  im  Polnischen  nicht  wie 

die  silbenbildenden  «,  b,  und  daher  ist  auch  die  Transkription  der  genannten 
Wörter  —  wie  es  Brückner  tut  •—  irreführend,  besonders  für  den  uneinge- 
weihten Leser,  ftir  welchen  er  sein  Buch  bestimmt  hat  Meiner  Ansicht  nach 
muß  man  mindestens  für  die  westslavischen  Sprachen  die  Baudouin  de  Conr- 
tenaysche  sonantische  Theorie  annehmen,  da  nur  die  Annahme  der  Grund- 
formen mit  r,  /  uns  zur  Zeit  am  besten  die  Mannigfaltigkeit  der  polnischen 
Verbindungen  ir  {er),  ar,  m,  tV,  ei,  oi,  iu . . .  samt  den  ^echischen,  sorbischen 
usw.  Entsprechungen  erklärt  Nur  bei  dieser  Hypothese  sind  auch  die  For- 
men mit  tr,  fV . . .  oder  rci,  ^ . . .  ohne  Annahme  einer  Metathese  verständlich: 
die  Liquidae  verloren  mit  der  Zeit  im  Polnischen  ihre  sübenbildende  Selbst- 
ständigkeit, sie  entwickelten  neben  sich  (»aus  sich«)  das  vokalische  Element, 
das  mit  der  Zeit  die  silbenbildende  Rolle  übernahm;  in  der  Abhängigkeit  aber 
von  den  versehledenen  Umständen  nahm  dieser  Vokallaut  diese  oder  jene 
Nuance  an,  und  entwickelte  sich  zu  dieser  oder  jener  Seite  des  Konsonanten 
[vgl.  auch  analoge  Bemerkungen  in  E.  Herzogs  »Streitfragen  der  romanischen 


442  Kritischer  Anieiger. 

* 

PhiIologie<  (Halle  1904),  I,  36—37];  also  nicht  toilk  und  nicht  dhtgi  entstanden 
mittelst  der  Formen  *t0t^/%-,  *dSig» . . .,  wie  uM  aus  *wU8ii  (nach  der  Brttek- 
nerschen  Transkription)  ans  älterem  vuiy  —  sondern  mittelst  der  Formen 
*o^^A>,  *d^g' . . .  ans  ursprünglicheren  *f  (ft-,  *dfg' . . .  Und  wie  so  —  wenn  man 
die  Brücknerschen  Urformen  annimmt  —  erscheint  ^toUreh  im  Altpolnischen 
als  iriVzcA?  Das  neupolnische  wUrzeh  entwickelte  sich  Ja  ans  dem  letzteren. 

Die  Darstellung  der  Konsonantenassimilation  im  Polnischen  ist  Ifieken- 
haft;  der  Verf.  anerkennt  nur  die  Assimilation  des  vorhergehenden  Konso- 
nanten an  den  folgenden;  die  umgekehrte  ist  von  ihm  übersehen,  vgl.  s.  B. 
kfiai  (kuna€)^  äßat  [dwiat],  otf6r  {otwdr),  ifardy  [twardy) .. .,  kszj/k  {krajfk},  knak 
(krzak) . . .,  chfaia  (chwala)^  woher  dialekt  und  altpoki.  fala  (S.  62),  weiter  diaL 
und  altpoln.  wielgi  (wielki)  und.  endlich  schrifüich  fixierte  phonetische  Lau- 
tungen: »fora  (aus  *vhvora\  obßty  (aus  *opJUgy  *opwüyy  vgl.  altpoln.  ophoity], 
ufa6  (aus  upfa6^  upwad,  *upvxxt%)j  kszyk  (eine  Yogelart;  aus  krzyk\  upi^kna6 
(altpoln.  upi^rtadj  vgl.  altpoln.  pifkry)  usw.,  usw. 

Poln.  ezekaS  neben  ezaka^  erklärt  Brückner  (S.  33)  in  der  Weise,  daß  sich 
die  Sprache  mit  der  Zeit  an  die  Nebeneinanderexistenz  von  *a\'e:  la9\w  Issie 
gewohnte,  daher  sekundär  czekad  aus  czakaö;  aber  er  übersieht  dabei,  daß  wir 
für  das  poln.  ezekaS  phonetische  Entsprechungen  auch  in  den  anderen  slavi- 
schen  Sprachen,  die  ja  nicht  den  oben  genannten  Lautwandel  (»EntpaUtali- 
sierung«)  kennen,  besitzen,  z.  B.  aksl.  HaKam  |  SfKaTH,  serb.-kr.  il^kati, 
6ech.  Sakati  \  iskati  usw.  —  Was  die  Form  ielezny  (neben  ielazny)  betrifft,  so 
sagt  Brückner  (S.  37),  daß  sie  einst  so  lautete;  doch  nicht  nur  »einst«,  da  eine 
solche  Form  (ieUtny)  dialektisch  noch  heute  existiert,  sogar  auch  in  der  noch 
»reguläreren«  Form:  ieleiny;  zu  den  Formen ^rzofny  |  przainy  (S.37)  bemerke 
ich,  daß  auch  przesny  \przeäny  im  Altpolnischen  existierten.  [Näheres  zu 
diesen  beiden  Einzelheiten  vgl.  in  meiner  Arbeit  »Ober  die  Entpalatalisierung 
der  urslav.  e-Laute  im  Polnischen«,  S.  52.] 

Ob  nep'B,  nepen'L  das  Bnssische  —  wie  Brückner  S.  38  meint  —  entlehnt 
hat,  ist  möglich,  aber  nicht  bewiesen,  und  es  wird  schwer  zu  beweisen  sein, 
vgl.  aksL  flknpk  auch  nkilkpk,  griech.  mne^;  —  dagegen  hat  das  russische 
npflHuu  unzweifelhaft  nichts  mit  dem  Polnischen  zu  tun,  es  gründet  sich 
doch  auf  *phprim^  weiter  aus  dem  ^pprSm^  prim;  zum  b-Schwund  und  -jamh 
statt  'im  [koiam]  vgl.  russ.  öarpnH'L  aus  *6a^r/n%,  jibhahou  aus  hnlnhjh  usw. 
Endlich  ist  paprika  wohl  nicht  —  wie  Brückner  meint  —  eine  »madjarisohe 
Aussprache«  des  polnischen  pieprz;  das  ma^jarische  Wort  ist  unzweifelhaft 
eine  Entlehnung  aus  dem  Serbo-kroaüschen:  päpar^  paprika. 

Weiterhin  ist  in  den  Worten  wioaio  und  nuuio  nicht  das  entsprechende 
Suffix  angegeben  (S.  20) :  Brückner  leitet  diese  Worte  von  dem  Suffl  -^o  ab 
(S.  20).  Zuerst  widerspricht  dem  die  Phonetik,  da  sonst  *wiozio,  *n%azio  zu  er- 
warten wäre.  (Ich  weiß  überhaupt  nicht,  wie  der  Verf.  zu  dem  Suff,  -die  ge- 
kommen  ist;  man  sah  hier  doch  früher  -Uo  an,  vgl.  z.  B.  Miklosich:  Yergl. 
Gramm,  d.  slav.  Sprachen,  II,  S.  101).  Weiter  ist  ]a  schon  längst  bewiesen 
und  bekannt,  daß  wir  in  den  oben  genannten  Bildungen  das  Suff.  "§io  haben« 
vgl.  z.  B.  Osthofi':  Forschungen  im  Gebiete  d.  indog.  nomin.  Stammbildung,  I 


BrOckner,  Gesch.  d.  poln.  Sprache,  angez.  von  IDaazyn.  443 

(1875),  S.190ff.;  auch  G.Mekler  in  FEPAS,  Abhandl.  zur  indog.  Sprachgesch. 
Ang.  Fick . . .  gewidmet  Göttingen  1903,  S.  256—257. 

Unrichtig  ist  die  Behauptung  (S.  11)  des  Verfassers,  daß  der  polnische 
Wortakzent  identisch  mit  dem  italienischen  sei:  unbeweglich  an  die  vorletzte 
Sübe  gebunden;  im  Italienischen  ist  doch  der  Akzent  beweglich,  vgl.  veritä^ 
pmrehk . . .,  dneora,  ämbito . . .  Auch  weiterhin  ist  die  Behauptung  ungenau,  daß 
im  Öechischen  der  Akzent  auf  der  drittletzten  Silbe  liegt;  wie  bekannt,  ist  im 
Öechischen  immer  die  erste  Silbe  betont,  z.  B.  dbcoditi  usw. 

An  solchen  Undeutlichkeiten  in  den  Erklärungen,  Inkonsequenzen,  Un- 
genauigkeiten  usw.,  die  —  wie  wir  gesehen  haben  —  auch  nicht  selten  in  die 
Kategorie  von  wissenschaftlichen  Fehlem  gehören  —  ist  das  besprochene 
Buch  sehr  reich.  Oben  habe  ich  nur  einen  kleinen  Teil  davon  angeführt: 
»Stichproben«  von  verschiedenen  Kategorien;  doch  —  meine  ich  —  es  genügt 
das  Angeführte,  um  eine  allgemeine  Vorstellung  über  den  wissenschaftlichen 
und  allgemein  bildenden  Wert  des  Buches  zu  gewinnen.  Doch  muß  ich  noch 
hinzufügen,  daß  auch  eine  beträchtliche  Zahl  von  Druckfehlern  und  eine  in- 
konsequente, nicht  einwandfreie  Transkription  nicht  nur  der  rekonstruierten, 
sondern  auch  der  nicht-polnischen  Beispiele  das  richtige  Verständnis  der 
Auseinandersetzungen  des  Verf.  erschwert.  — 

Und  zum  Schluß  noch  ein  paar  Worte  zum  Teil  pro  domo  mea.  Es  freut 
mich,  daß  Prof  Brückner  in  »Dziejej^zykapolskiego«  die  von  Elarlowicz 
übernommene,  verwirrende  und  erklärungslose  Theorie  über  den  »sporadi- 
schen Lautwandel«  der  urslav. «,  S  in  '0,  'a  im  Polnischen  aufgegeben  hat 
»Wir  wollen  uns  —  schrieb  Brückner  im  Jahre  1901  —  mit  der  Annahme  spo- 
radischen Lautwandels  begnügen«  (Arch.  f.  slav.  Phill.,  XXIII,  S.  238).  Ja, 
sogar  in  seinem  populären,  im  Jahre  1903  in  Lemberg  unter  dem  Titel  »Z 
dziejöw  j^yka  polskiego«  herausgegebenen  Büchlein  vermied  er  die  Angabe 
der  »Begel«  dieses  Lautwandels  (S.  135);  er  betonte  dagegen  die  »Zwei&ch- 
heit«  (»dwoistoftö«)  der  polnischen  Sprache,  d.  h.  nur  »sporadisch«  wandelten 
die  nrspr.  «-Laute  in  '0,  'a  um  [so  auch  —  seiner  Meinung  nach  —  in  anderen 
phonetischen  Prozessen,  ohne  irgendwelche  »Regelmäßigkeit«]  —  im  Gegen- 
sätze zu  den  anderen  slavischen  Sprachen,  in  welchen  urspr.  e  einfach  nur  als 
•  erscheint  Ja,  noch  mehr:  über  die  Form  der  Präposition  bez  »sine«  be- 
hauptete Brückner,  daß  sie  »allen  Normen  des  Polnischen  nach  unbedingt 
huz  lauten  muß«,  obwohl  eben  die  Form  *bioz  zu  erwarten  ist;  weiter  toter f 
ist  nach  Brückner  aus  demselben  Grunde  »uralte  Form«  (S.  135]  usw.  Hier,  in 
»Dsieje  j^yka  polskiego«  gibt  er  schon  die  »Begel«  an  (S.32);  bez  erwähnt  er 
gar  nicht,  und  was  wier^  betrifft,  da  drückt  er  sich  sogar  aus,  daß  diese  Form 
»von  der  Begel  abweicht  (wir  würden  mar§  erwarten)« !!  (S.  33).  Das  ist  doch 
bemerkenswert!  Zwischen  diesen  beiden  oben  erwähnten  und  so  verschiede- 
nen Äußerungen  Brückners  einerseits  aus  dem  Jahre  1901  und  1903  und  an- 
dererseits aus  dem  Jahre  1906  in  »Dzieje  j^yka  polskiego«  erschien  ja  meine 
eben  der  Frage  des  Wandels  der  urslav.  «-Laute  im  Polnischen  geweihte 
Arbeit  [»Über  die  Entpalatalisierong  der  urslav.  e-Laute  im  Polnischen«.  Leip- 
zig 1905];  so  wage  ich  zu  behaupten,  daß  eben  diese  meine  Arbeit  auf  die 
Änderung  in  den  Erklärungen  mancher  Formen  und  der  Formulierung  des 


444  KritiBcher  Anzeiger. 

erwähnten  polniachen  LantwAndels  einen  Einfloß  ausgeübt  hat  Darttber  kuui 
ich  mich  nur  freneu,  obwohl  die  genannte,  meine  Arbeit  in  »Dzieje  j^.  polsk.« 
nicht  erwähnt  ist,  doch  muß  ich  hinzufügen,  daß  Brückner  trotz  »liedem  im 
Arch.  f.  slav.  Phil.  XXVUI,  S.  567—568  eben  über  diese  meine  Arbeit  folgen- 
dermaßen sich  geäußert  hat:  daß  »das  Material  wohl  zusammengestellt  ist 
(nur?  Bez,),  dagegen  die  Einzelausftthrungen  verfehlt  sind«,  »die  historische 
Betrachtung  . . .  wird  nie  Erklärungen,  die  Ulaszyn  vorträgt,  zugeben«,  wäh- 
rend die  anderen  Forscher  wie  z.  B.  Nehring,  Eulbakin,  van  Yijk,  Bemeker, 
Vondräk  ...  in  ihren  Rezensionen  übereinstimmend  im  Gegenteil  gänzlich 
anders  meine  Arbeit  beurteilten.  Aber,  das  kann  ja  nur  Brückners  indivi- 
duelles Urteil  sein  . . .  Doch  Brückner  ist  nur  Gregner  meiner  Erklärungen  »in 
Worten« ;  in  »der  Tat«  sieht  das  alles  anders  aus.  Ich  gebe  ein  paar  Beispiele: 
früher  schrieb  er  vermeidend  die  »Regel«  der  Entpalatalisienmg,  daß  die 
Formen  mit  e  (statt  mit  dem  erwarteten  'o  '  '</)  »genau  so  alt  und  so  gut  sind« 
wie  jene  mit  'o  oder  'a  (vgl.  »Z  dziejöw  JQZ.  polsk«,  S.  135)  und  nämlich  daher, 
daß  wir  »in  alter  Zeit  diese  Wirkung  (d.  fa.  Analogie)  sonst  nicht  beobachten« 
(Arch.  f.  slav.  Phil,  XXTTI,  S.  238) ;  aber  nach  meiner  Kritik  (in  »Entpalatali- 
sierung. . .«  §§  13 — 15)  dieser  Brücknerschen  Ansichten  finden  wir  (in  »Dzieje 
JQZ.  polsk.«)  nicht  nur  keinen  »sporadischen  Lautwandel«;  ja  wir  finden  hier 
nicht  nur  die  »Regel«,  sondern  auch  eine  ganze  Reihe  von  Erklärungen  der 
abweichenden  Formen  mittelst  der  morphologischen  Assimilation  d.  h.  Analo- 
gie, die  ja  vor  kurzem  nach  Brückner  nicht  in  der  alten  Zeit  gewirkt  haben 
sollte!!  Vgl.  z.  B.  die  Erklärungen  der  aionka  (statt  ^sianka)  usw.,  oder  cusa^ 
(statt  des  älteren  czosad)  usw.,  die  Brückner  jetzt  vorträgt  in  »Dzieje  j^zyka 
polskiego«  S.  34,  37  ff.,  mit  den  von  mir  gegebenen  (»Über  Entpalat«  §§  55, 
48  u.  and.).  Also  jetzt  erkennt  er  auch  den  assimilatorischen  Einfluß  der 
Nebenfoimen  mit  dem  regelmäßigen  a  an;  ja,  jetzt  nennt  er  die  Form  czosad 
(im  Gegensatz  zu  czesatS)  sogar  »regulär«  (»poprawna«),  obwohl  früher  alle 
solche  Parallelen  für  ihn  »genau  gut«,  »uralt«  . . .  waren;  usw.,  usw.;  daß  er 
jetzt  über  die  Form  tpier§  sagt,  daß  sie  »von  der  Regel  abweicht«  —  das  habe 
ich  schon  oben  erwähnt. 

Und  noch  eins.  In  seiner  Besprechung  meiner  Arbeit  erklärt  sich  Brück- 
ner (Arch.  f.  slav.  Phil,  XXYIII,  S.  567—568)  über  meine  Korrektur,  die  ich 
zu  seiner  Formel  beigefügt  habe,  daß  im  Polnischen  nämlich  nicht  biez,  son- 
dern *bioz  zu  erwarten  sei;  Prof.  Brückner  erklärt  jetzt,  daß  er  deshalb  biez 
angegeben  hat,  weil  wir  ]}rzez  haben.  Muß  denn  also  przeSy  aber  nicht  biez  »allen 
Normen  des  Polnischen  nach  unbedingt  przez  lauten«  ?  Ich  ftige  noch  hinzu,  daß 
wir  nicht  nur  noch  przez  haben,  sondern  auch  przed^  aber  daraus  folgt  noch 
nicht,  daß  es  biez,  aber  nicht  *bioz  sein  soll,  da  bisher  niemand  —  auch  selbst 
Brückner  nicht  —  noch  erklärt  hat,  warum  mi  przez  nadprzedf  aber  nicht  */irzo: 
und  *przod  haben  . . .  Henryk  Uiaszyn. 


445 


Zum  slaylschen  Folklor. 


1.  Lad  biaiormki  na  Rusi  litewskiej.  Materyaly  do  etnografii  slo- 
wianskiej,  zgromadzone  w  latach  1877 — 1893  przez  Michata 
Federowskiego.  Tom  II.  Basnie,  przypowiesci  i  podania  luda 
z  okolic  Woikowyska,  Slonima,  Lidy  i  Sokölki.  Gz^c  I.  Basnie 
fantastyczno-mityczne.  W  Krakowie.  NaUadem  Akademii  Umie- 
j^tnosci  1902.  S.  XXII  +  359  (Michal:  Federowski:  Das  weiß- 
rassische  Volk  in  Rassisch-Litanen.  II.  Märchen,  Erzählungen  und 
Sagen.  I.  Teil.  Fantastisch-mythische  Märchen). 

Von  dem  groß  angelegten  Werke  über  die  Yolksknnde  der  WeißraBsen, 
Aber  dessen  I.  Band  im  Archiv  XXI,  2.^9  berichtet  wnrde,  erschien  später  nach 
5  Jahren  ein  zweiter  gleich  umfangreicher  und  inhaltsreicher  Band.  In  dem- 
selben ist  der  Herausgeber  in  der  Yerwirklichnng  seines  Programmes  weiter 
vorgeschritten  zni'  Mitteilung  der  in  den  von  ihm  durchforschten  westlichen 
Sitzen  der  Weißrussen  gesammelten  Märchen,  und  zwar  der  sog.  »fantastisch- 
mythischenc.  Der  Titel  ist  nicht  unzutreflfend  zum  Unterschiede  von  bloßen 
novellisÜBchen  Erzählungen  aus  dem  gewöhnlichen  Alltagsleben  geschöpfter 
Stoffe.  Doch  paßt  er  nicht  auf  alle  in  diesen  Band  eingereihten  Erzählungen, 
besonders  nicht  auf  die  die  Sammlung  einleitenden  Tiermärchen  und  Fabeln. 

Der  Herausgeber  versuchte  das  Märchenmaterial  systematisch  zu  ord- 
nen, doch  wie  wir  gleich  bemerken  wollen,  ohne  besonderen  Erfolg.  Voraus- 
geschickt sind  als  I.Teil  Fabeln  aus  dem  Tierleben  (S.  3—36)  und  diese  in 
3  Unterabteilungen  eingeteilt :  a)  Tiere  unter  sich,  b)  Tiere  und  Menschen, 
c)  Tiere  und  Geister  (bloß  eine  Nummer  »Der  Teufel  und  der  Kater«).  Wir 
finden  auch  Erzählungen,  die  durchaus  nicht  da  hinein  passen,  Nr.  35  »Ab 
Bfdziuszkü«,  d.  i.  Däumling  pflügt,  dem  Herrn  verkauft  usw.,  Nr.  36  »Jäk 
dzi^d  z  b&baju  bnob  si^jali«  von  der  bis  in  den  Himmel  hinaufgewachsenen 
Fisole,  vgl.  Archiv  XIX,  252,  Nr.  41,  42.  —  Der  2.  Teil  (S.  37—125)  enthält 
Märchen  aus  dem  »fantastischen  Leben«  von  mythischen  Wesen  und  Tieren 
mit  übematilrlichen  Eigenschaften  in  4  Unterabteilungen:  1.  Sprechende 
Tiere,  2.  »Sprechende  Tiere  und  mythische  Untiere«  (Der  Schlangenkönig, 
Der  goldene  Vogel,  Der  Greif,  Der  eiserne  Wolf,  Der  sprechende  Bär,  Der 
Drache),  3.  Tiere,  mythische  Untiere  und  Helden,  1.  Miscellanea  (Sprechende 
Bäume,  Die  den  Mord  entdeckende  Flöte,  Aschenbrödel,  Blutschande,  Heilen- 
des und  belebendes  Wasser,  Der  Schrauben- Vogel).  Diese  Einteilung  ist  ganz 
äußerlich,  begründet  auf  ganz  unwesentlichen  Einzelheiten:  so  finden  wir 
z.  B.  in  der  Abteilung  »Sprechende  Tiere«  neben  dem  Märchen  Nr.  38 :  Alle 
Wünsche,  die  vom  faulen  Burschen  im  Namen  des  (dankbaren)  Hechtes  aus- 
gesprochen werden,  werden  erfüllt,  Nr.  39 :  vom  Mann,  der  von  der  von  ihm 
erretteten  Schlange  die  Gabe  erhielt,  die  Tiersprache  zu  verstehen,  auch 
Nr.  40  vom  Räuber,  der  drei  Schwestern  nach  und  nach  entführte  und  schließ- 
lich von  der  jüngsten  überlistet  wurde  —  wegen  eines  ganz  zufälligen  Mo- 
tives :  das  Mädchen  hob  ein  aus  dem  Nest  gefallenes  Vügelchen  auf  und  trug 


446  Kritischer  Anzeiger. 

es  in  das  Nest  zurück,  wofttr  der  dankbare  Babe  das  belebende  Wasser 
brachte,  womit  die  beiden  Schwestern  belebt  wnrden,  n.  a. 

Der  3.  Teil  nmfaßt  die  »Geisteswelt«  (S.  125—316)  und  zerflUlt  gleichfalls 
in  etliche  Unterabteilungen:  1.  »Der  Mensch«  (S.  125—129)  —  hier  finden  wir 
Traditionen,  wie  Nr.  84,  85:  »wie  beteten  einst  die  Menschen«,  Nr.  86:  »wann 
hörte  man  auf  die  Greise  zn  töten«.  2.  »Wesen  in  menschlicher  Gestalt« 
(S.  129 — 134),  d.i.  Personifikationen  der  Pest,  der  Cholera,  des  Todes.  3.  »Men- 
schen-Geister« (S.  134—197),  Zauberer,  Zauberinnen,  Verwünschungen  und  Me- 
tamorphosen; da  finden  wir  unter  Nr.  1 11  die  alte  orientalische  Anekdote,  wie 
ein  Herr  durch  den  Spruch  geheilt  wird,  den  er  einst  einen  BetÜer  lehrte,  um 
damit  Krankheiten  zu  beschwören;  Nr.  121 :  »Goldlamm,  Tischlein  deck  dich, 
Knüppel  aus  dem  Sack«  wahrscheinlich  nur  deshalb,  weil  hier  diese  Wunder- 
dinge bei  einem  Zauberer  als  Lohn  gegeben  wurden.  Nr.  150:  von  drei 
Schwestern  und  was  sie  yersprachen,  wenn  sie  der  Prinz  heiraten  würde,  wie 
der  Prinz  die  jüngste  von  ihnen  heiratete  und  diese  von  ihren  Schwestern 
verfolgt  wurde;  ein  ganz  ähnliches  und  verwandtes  Märchen  von  der  Prinsen- 
braut  und  ihren  neidischen  Schwestern  wurde  unter  Nr.  49  in  dem  2.  Teile  ab- 
gedruckt Außerdem  lesen  wir  da  verschiedene  Versionen  des  Stoffes  von 
Amor  und  Psyche,  Machandelboom  u.  a.  m.  —  Die  4.  Unterabteilung  enthalt 
»Geister,  Gespenster,  Gottheiten«  (S.  197 — 269),  d.  L  Sagen  von  Vampyren, 
Gehängten,  Ertrunkenen,  Gespenstern,  meistens  vom  Teufel,  zum  Schlüsse 
auch  von  der  Teufelin,  von  der  Lojma,  die  wir  schon  aus  dem  I.  Bd.,  S.  36  f. 
kennen,  von  der  »Niedzielka«,  von  welcher  gleichfalls  der  I.  Bd.,  S.  138  f.  einige 
Traditionen  brachte.  In  diesen  Teil  wurde  u.  a.  eingereiht  unter  Nr.  274  eine 
Version  des  Meisterdiebes,  wahrscheinlich  nur  deswegen,  weil  der  Dieb  die 
Frau  dem  Teufel  verkaufte  und  sie  dann  aus  der  Hölle  holen  mußte,  oder  unter 
Nr.  292  eine  Version  des  verbreiteten  orientalischen  Stoffes  »daß  das  (Md 
immer  nur  Übel  bringt«. 

Die  5.  Unterabteilung  ist  überschrieben  »Gott,  Heilige  und  Geistliche« 
(S.  269 — 316).  —  Da  finden  wir  auch  Versionen  der  Legende  vom  Incest  (Gregor 
auf  dem  Steine)  Nr.  341,  342,  343.  Den  Schluß  bildet  die  6.  Unterabteüung 
»Ortssagen«  (S.  317 — 324)  von  versunkenen  Ortschaften,  von  Schätzen,  wunder- 
tätigen Quellen  u.  a.  —  Endlich  finden  wir  noch  Ergänzungen  und  Nachträge 
zu  den  einzelnen  Teilen  und  ihren  Unterabteilungen  (S.  325 — 347). 

Aus  dieser  Inhaltsangabe  und  den  beigefügten  Bemerkungen  ist  et- 
sichtlich,  daß  die  vom  Herausgeber  gewählte  Einteilung  seines  Märchen- 
materials, oder  wenigstens  die  Art  und  Weise,  wie  er  sich  dieses  Schema 
zurechtiegte,  durchaus  nicht  genügt.  Es  ist  gewiß  sehr  schwierig,  die  Volka- 
märchen  nach  einem  bestimmten  Schema  zu  gruppieren.  Wer  nicht  eng  ver- 
traut ist  mit  der  gesamten  Märchenliteratur,  wird  hier  leicht  fehlen,  mißver- 
kennen den  eigentlichen  Stoff  und  das  Verhältnis  der  einzehien  Motive,  se- 
kundären Motiven,  vielfach  zufälligen  Beigaben  eine  Bedeutung  für  das  Mär- 
chen zuschreiben,  die  ihnen  gar  nicht  zukommt,  und  so  die  Märchen  falsch 
einreihen,  wohin  sie  gar  nicht  gehören,  wie  z.  B.  das  oben  erwähnte  Märchen 
vom  Meisterdieb  u.  a. 

Unter  den  in  diesem  II.  Band  gedruckten  Märchen  finden  wir  nicht  we- 


Ptderoweki,  FolklorittiiehM  ans  Weifinißland,  anges.  toh  Poliyka.   447 

nige,  die  dem  Plane  des  HerauBgeben  gemäß  eigentlich  in  den  I.  Bd.  aufge- 
nommen werden  sollten,  so  z.  B.  Nr.  277  ff.  von  Schätzen  gehörten  in  die  Ab- 
teilung des  I.  Bd.  S.  42  f.,  die  über  verwünschte  Schätze  handelte ;  die  Tra- 
ditionen Ton  derNiedzielkaNr.299,300  gehörten  in  den  I.Bd.S.138f.;  Nr.d05 
stimmt  fast  wörtlich  überein  mit  der  Nr.  366  des  I.  Bd.  S.  140,  ist  auch  dem- 
selben Erzähler  nachgeschrieben. 

Der  Herausgeber  bemerkte  selbst  in  der  Vorrede,  daß  manche  Nr.  dieses 
II.  Bd.  eigentlich  im  I.  Bd.  hätte  abgedruckt  werden  sollen,  entschuldigt  dies 
aber  dadurch,  daß  das  Materialien  sind,  die  nach  dem  Abdrucke  des  I.  Bd.  ge- 
sammelt wurden.  Hätte  der  Herausgeber  diese  Sagen  und  Märchen  in  einem 
eigenen  Nachtrage  zum  I.  Bd.  abgedruckt,  so  wäre  er  eher  solchen  Vorwürfen 
ausgewichen. 

Übrigens  haben  wir  schon  bei  der  Besprechung  des  I.  Bd.  bemerkt,  daß 
in  demselben  recht  viele  Märchen  abgedruckt  wurden,  die  wir  keineswegs  als 
Material  zur  Kenntnis  der  mythischen  Anschauungen  des  Volkes  anerkennen 
können,  sondern  eben  bloß  als  Märchen,  als  ein  Zweig  der  Volksliteratur,  die 
als  Erzeugnisse  der  Erzählnngskunst  des  Volkes  einen  Wert  besitzen. 

In  der  Einleitung  lesen  wir  recht  interessante,  leider  zu  knappe  Nach- 
richten Über  das  Erzählen  von  Märchen  und  die  Erzähler  selbst  Wichtig  ist 
die  Bemerkung,  daß  sich  die  Erzähler  in  der  Begel  aus  den  intelligentesten 
Kreisen  der  lAudbevölkerung  rekrutieren.  In  der  Häuslichkeit  erzählen  ge- 
wöhnlich die  jungen  Frauen,  da  der  Bauer  der  Arbeit  und  dem  Verdienste 
nachgehend  vielfach  außer  Hause  ist,  aber  im  Ganzen  gebührt  dieses  Privile- 
gium dem  ältesten  Mitgliede  der  Familie.  Außer  den  heimischen  Erzählern 
gibt  es  noch  verschiedene,  vagierende,  Bettler  und  Blinde,  die  sich  durch 
Märchenerzählen  für  das  gebotene  Nachtlager  entgelten.  Schade,  daß  der 
Verfasser  keine  näheren  Daten  über  seine  Erzähler  uns  mitteilte.  Es  ist  zwar 
überall  genau  angemerkt  sowohl  der  Ort  als  auch  der  Name  des  Erzählers, 
aber  der  Name  ist  doch  bloß  ein  leerer  Schall  ohne  näheren  Bericht  über 
dessen  Träger.  Wir  erfahren  nichts  über  dessen  Alter,  ob  er  der  Schrift  kun- 
dig ist,  ob  und  wo  er  außer  seiner  engeren  Heimat  war,  was  seine  Beschäfti- 
gung ist,  Berichte  die  recht  wichtig  sind  und  die  z.  B.  Bomanov  gewissenhaft 
anmerkte.  Aus  den  von  Federowski  mitgeteilten  Namen  ersehen  wir  nur  so- 
viel, daß  er  gleicherweise  von  männlichen  wie  von  weiblichen  Erzählern 
schöpfte,  ja  daß  fast  mehr  Frauen  ihm  zu  seiner  Sammlung  beisteuerten. 
Seinen  Bemerkungen  entnehmen  wir  weiter,  daß  durch  den  Einfluß  der  mo- 
dernen Zivilisation  die  »abstrakten«  Traditionen  zu  schwinden  anfangen,  wo- 
gegen die  aus  dem  Alltagsleben  geschöpften,  moralisierenden,  besonders 
satirisch  zugespitzten  Erzählungen  sehr  zunehmen.  Historische  Traditionen 
gibt  es  recht  wenig,  Erinnerungen  an  nicht  besonders  lange,  kaum  vor  einem 
Jahrhundert  vorgegangene  Ereignisse  verfallen  auffallend  rasch  in  Vergessen- 
heit, die  zweite  Generation  bereits  vergißt  sie. 

Die  Märchen  unterliegen  neuen  Einflüssen,  sie  ändern  sich  nicht  bloß 
unter  dem  Einfluß  anderer  Märchenstoffe,  sondern  vielfach  bereits  unterliegen 
sie  dem  Einfluß  der  gedruckten  Literatur.  Hier  machen  sich  stark  geltend  die 
modernen  Kulturmittel,  Schule,  insbesondere  aber  die  allgemeine  Wehrpflicht 


448  KriüBcher  Anzeiger. 

Eine  für  die  Oharakterietik  der  Knltor  deB  weißrassischen  Volkes  nicht 
unwichtige' Eigentümlichkeit  der  weißrossisohen  Märchen,  eigentlich  ihrer 
Sprache  berührte  nicht  der  Herausgeber  in  seiner  Einleitang.  Polnischer  Ein- 
fluß begegnet  uns  auch  in  den  von  Romanov,  Sejn  aus  weiter  Östlichen  Ge- 
bieten der  Weißrussen  aufgezeichneten  Märchen,  doch  bei  weitem  nicht  in 
dem  Maße,  wie  bei  Federowski.  Höher  gestellte  Personen,  und  auch  übei^ 
natürliche  Wesen  sprechen  in  der  Regel  mehr  oder  weniger  polnisch:  »kruol 
zawsze  z  polskiego  zanosiö«  lesen  wir  S.87  in  Nr.  64,  und  so  spricht  der  König 
polnisch  in  Nr.  60,  64,  66,  83.  In  Nr.  340  spricht  der  heil.  Johann  polnisch,  in 
Nr.  366  eine  verwünschte  Jungfrau,  in  Nr.  96  die  personifizierte  Cholera,  in 
Nr.  179  die  Frau,  der  nach  seinem  Tode  als  Gespenst  erscheinende  Herr  nnd 
der  Lakai,  in  Nr.  69  sogar  der  Greif,  dem  der  Held  die  Jungen  vom  Tode  er- 
rettet hatte.  Polnisch  sind  auch  einige  Sprüche,  so  spricht  in  Nr.  72  die  Stief- 
tochter die  Eiche  an  *demhie^  dembüy  zioiy  klembie .  .«,  in  Nr.  322  wird  der 
Tod  mit  einem  polnischen  Spruch  in  den  Sack  gelockt. 

In  der  Vorrede  kritisiert  der  Herausgeber  die  älteren  Sammlungen  des 
weißrussischen  Folklore,  besonders  die  Sammlungen  von  J.  Karlowicz,  Wl. 
Weryho,  M.  Dmitriev,  P.  V.  I^ejn  und  die  älteste  Bearbeitung  weißrussischer 
Märchen  von  A.  J.Glinski.  Über  das  große  Werk  E.Romanovs  spricht  er  sich 
nicht  aus,  bloß  in  der  beigefügten  Bibliographie  spendet  er  ihr  die  ver- 
diente Anerkennung.  In  dieser  Bibliographie  sind  die  Arbeiten  aus  den 
Jahren  1844  bis  1894  verzeichnet,  im  Ganzen  18  Nrn.,  doch  ist  damit  gewiß 
nicht  die  ganze  betreffende  Literatur  erschöpft. 

Beigefügt  sind  noch  kurze  Anmerkungen  über  die  westweißrussischen 
Dialekte,  die  in  dem  von  Federowski  untersuchten  Gebiete  gesprochen  wer- 
den. Sie  betreffen  die  Diphthonge  i'e,  ^o  in  akzentuierten  Silben,  die  Verbrei- 
tung des  sog.  akanie,  doppelte  Akzentuation^  d.  i.  den  Rücktritt  des  Akzentes 
um  eine  Silbe,  wobei  natürlich  verschiedene  Faktoren,  größtenteils  wohl  die 
Macht  der  Analogie  wirkten,  und  einige  andere  phonetische  Erscheinungen. 

Hinzugefügt  sind  einige  Bemerkungen  von  J.Rfozwadowski),  unter  des- 
sen Leitung  das  Werk  gedruckt  wurde,  über  die  Wiedergabe  der  lautlichen 
Eigentümlichkeiten  dieser  Dialekte,  unter  anderem  auch  über  die  erwähnten 
Diphthonge.  Damach  wird  man  das  sonst  der  sprachlichen  Seite  dieses 
Werkes  gespendete  Lob  doch  etwas  einschränken  müssen,  und  beim  Studium 
der  weißrussischen  Phonetik  es  nur  mit  gewisser  Einschränkung  benfitzen 
dürfen.  Hiermit  soll  durchaus  nicht  geleugnet  werden,  daß  in  diesem  Werke, 
trotz  den  unzulänglichen  und  schwerfälligen  Mitteln  der  polnischen  Graphik, 
welche  der  Herausgeber  anwand,  die  lautlichen  Eigentümlichkeiten  der  weiß- 
rassischen  Dialekte  viel  treuer  bewahrt  sind,  als  in  den  Ausgaben  von  Sejn 
und  Romanov,  wie  es  auch  unlängst  der  beste  Kenner  des  Weißrussischen, 
Prof.Karskij,  anerkannte.  Sonst  bietet  dieses  Werk  ungemein  viel  wertvolles 
Material  für  die  grammatische  Erforschung  des  Weißrussischen.  Ohne  hierauf 
näher  einzugehen,  wollen  wir  nur  noch  auf  die  zahlreichen  Polonismen  hin- 
weisen, die  wir  da  antreffen.  Sie  betreffen  besonders  Kirchliches  und  allge- 
mein Kulturelles:  ksy^ondz  126,  keiotidza  126,  ksiefidz^oyt  256  U.Ö.,  auch  hsiqnih 
lb5,  199,  220,  usie  kröli  l[>yli  tam  i  ksiovdinta  125,  Indzi  ^t^t^/icsanii/tt  wadoja 


FederowBki,  Folkloristischen  «hb  Weißnißliuid,  angez.  von  Polivka.   44d 

BtüOB  pahoüneili  161,  duBzk  pakuti^'i^nca  129,  200,  kii^nczka  109,  tMitmika  220, 
ifi4<fftetM  67,  108,  288  .n.  0.  Auch  sonst:  jenezyö  71,  na  mhiki  162,  menczyia 
7],  pastiuzki  wiii4  mM<sa<f  75,  zmenczyia  sie  85,  t^  ni  tnenezsi»  157,  daw&j  jej^ 
mffi«2|y(f  159,  wozn  mit  Recht  ein  (sie)  bemerkt  ist;  buölszaj  trysta  ss^ö  dzi^ 
tioni  151,  papatüdni,  a  hadzini  piontef  259,  miniU:o  ni^  z  tyaionc  liet  289.  juon 
niö  Biedziö  smintny  245,  czort  niö  ni  mi^n  da  jehö  prysümpu  249.  ukUnezyia 
108,  8zei6pt€ntrowa  wieia  123,  trybiich  datül  ra^ciö,  ainim  p^nAmt«  162,  osiö 
dwanaceaiS  pofMtM  199;  nsi^  kralöostwo  päd  ich  rond  addan  195,  cihiiar 
255.  ptuflzka  ^ad0;onc0,  drewo  braja&6o,  wadä  zioinaSZO;  Hftan  ddngle  100, 
154,  auch  eiqgU  finden  wir  S.  73,  aber  mit  Recht  mit  einem  {sie)  versehen. 
Außerdem  noch :  maj^  wy  saknöliki,  a  ilitujcie  sie  nada  mnöju  175,  na  l:6bi 
Mneo^  na  pat^liey  miösiac,  a  po  bakn6ch  gwiäzdaczki  174.  dajiä  mnie  ciirku 
sw6ja.l84.  to  jeni  znnoa  Bt4nie  kahi^taju  180.  agr^bdnik  329,  Uitstyje  295. 

Der  Name  dunqj  bedeutet  bloß  einen  Flnß,  Strom :  das  treulose  Weib 
schickt  den  Mann  in  weite  Femen,  um  ihn  los  zu  werden,  schickt  ihn  um  Mehl 
ans  der  Mühle,  szto  staiö  za  dwanaccaöma  c^ttn4;'am{  i  za  dwanaccaöma  dfwie- 
r4mi  —  (S.  72),  seine  Tiere  kamen  da  adnah6  uiö  dunaja  Taki  ui^  toj  diinaj 
sayr6ki!  szto  i  ökam  niza^cihnüö  (S. 72} ....  sie  durchschwammen  dann  glück- 
lich dwanicad  dunajöy^  (S.  73),  bis  zu  jener  Mühle.  Ein  Mädchen  soll  ertränkt 
werden  ^  cichi  dunaj  (S.  109);  die  von  den  neidischen  Schwestern  verfolgte 
Königin  wird  mit  ihrem  jüngsten  Sohne  in  einem  Fasse  na  bystry  dunaj 
(S.  175)  ausgesetzt  Nach  einer  Bemerkung  Romanovs  (Bi^opyc.  C6.  IV,  138) 
heißt  bei  der  Bevölkerung  des  Bz.  Gomel  Gouv.  Mogilev  der  Dndpr  ~  Dunaj, 

Seiner  Sammlung  hat  der  Herausgeber  ein  recht  ausführliches  Register 
hinzogefligt  (S.  349 — 358)  und  dadurch  die  Benützung  derselben  einigermaßen 
wenigstens  erleichtert.  Wir  sagen  nur  einigermaßen,  denn  was  wir  Motiv 
heißen,  ist  vielfach  ungenügend  verzeichnet.  Unter  den  Stichwörtern  wie  z.  B 
czarownik,  glupi,  kogut,  ksii^dz,  macocha,  pies,  w^,  wilk  u.  a.  sind  die  ver-' 
Bchiedensten  Stoffe  und  Motive  zusammengefaßt.  So  finden  wir  unter  dem 
Stiehworte  Esi^z  angemerkt  die  Nr.  85  >wie  einst  die  Menschen  zu  Gott 
beteten«  —  die  gleiche  Nr.  84  ist  dabei  nicht  erwähnt,  weil  darin  nicht  das 
Wort  ksi^  vorkommt.  Beide  diese  Nrn.  sind  zusammengefaßt  unter  dem 
Stichworte  Modlitwa  und  auch  noch  unter  >Wiara  pierwotna«.  Weiter  finden 
wir  unter  Esi^dz  Nr.  160  von  der  Froschprinzessin  —  (Nr.  160,  101  außerdem 
noch  unter  Erölewna  zakl^ta  w  iab^),  Nr.  165  —  eine  Version  von  Grimm 
KEQC.  Nr.  11,  Nr.  275  vom  Teufel  und  dem  bösen  Weibe)  —  (dasselbe  noch 
unter  den  Stichworten  Dyabel:  na  sluibie  u  cz^owieka  und  Dyabei  straszy,  wo 
man  diesen  Stoff  kaum  suchen  dürfte.  Oder  unter  dem  Stichworte  Pies  sind 
verzeichnet  die  Märchen  Nr.  30, 31  »vom  alten  Hunde  und  dem  Wolfe«,  Nr.  39 
vom  Manne,  der  für  die  Befreiung  einer  Schlange  die  Kenntnis  der  Tier- 
sprache erlangt  — ,  Nr.  50  —  der  jüngste  Prinz  riß  dem  Goldvogel,  der  die  gol- 
denen Äpfel  stahl,  drei  Federn  aus.  —  Das  hier  wichtige  Stichwort  iar  ptak 
finden  wir  nicht,  sondern  dafür  die  nichtssagenden  >pi6rko  cudowne«,  »ptaki 
slote«,  wo  man  dieses  Märchen  kaum  suchen  würde;  weiter  finden  wir  unter 
Pin  Nr.  51  vom  schwerverwundeten  und  vom  Bauer  mit  vielen  Opfern  aufer- 
logenen  Vogel  Greif,  Nr.  52  von  der  untreuen  Schwester,  Nr.  öS,  59  von  dem 

ArchiT  flkr  ■Iftviich«  Pliüologi«.   XXIX.  29 


450  Kritischer  Anseiger. 

Tom  Tode  loBgekaoften  E&ter,  Hund  und  Schlange  and  der  treoloeen  Prin- 
xes8in,  Nr.  196  —  der  Hnnd  ist  der  treueete  Frennc!,  nicht  das  Wdb  —  ein 
besser  passendes  Stichwort  für  diesen  Stoff  würde  man  umsonst  suchen. 
Diese  Beispiele  konnten  sehr  leicht  yermehrt  werden.  Übrigens  entspricht  in 
dieser  Hinsicht  so  aiemlich  keine  einzige  slavische  Märchensammlnng,  bis  nnf 
eine  Ausnahme,  die  neue,  dritte  Ausgabe  der  Sammlung  Afanasjevs. 

Es  wäre  höchst  erwünscht,  wenn  sich  die  Folkloristen  und  speuell  die 
Stoffwissenschaft  betreibenden  Grelehrten  auf  einen  solchen  systematisch  an- 
gelegten Index  einigen  würden.  Von  den  Herausgebern  folkloristischon  Ma- 
terials möchten  wir  verlangen,  daß  sie  sich  mit  den  folkloristischen  Forschun- 
gen einigermaßen  bekannt  machen  oder  wenigstens  einen  darin  bewanderten 
Iftann  zur  Hilfe  heranziehen.  Den  betreffenden  Publikationen  der  Ejakaner 
Akademie  wird  nicht  mit  Unrecht  vorgeworfen,  daß  sie  den  heute  schon  not- 
wendigen bibliographischen  Apparat  meiden.  O,  JMioka. 


2.  Lud  biaiomski  na  Rusi  litewskiej  .  . .  przez  Michata  Federow- 

akiego.   Tom  III.   Gz^sc  II.  Tradycye  historyczno-miejscowe,  oraz 

powiesci  obyczajowo-moralne.  W  Krakowie  1903.  S.  V  +  314. 

Dieser  kurz  nach  dem  IL  Bd.  erschienene  III.  Bd.,  besser  wohl  2.  Ab- 
teilung des  II.  Bandes,  enthält  1)  »ernsthafte«  Erzählungen,  d.  h.  historische 
und  lokale  Sagen  (S.3 — 18),  ziemlich  gering  an  Zahl  und  Bedeutung;  darunter 
sind  einige  Anekdoten  von  Fürst  Karl  Badziwi}!  (Nr.  13 — 18},  in  anderen  finden 
wir  Einfluß  internationaler  Traditionen,  wie  z.  B.  in  der  Sage  (Nr.  19)  von  der 
Auflösung  des  Ordens  der  Bernhardiner  von  der  Landerwerbung  durch  eine 
zerschnittene  Ochsenhaut  ähnlich  wie  in  einer  galizisch-ruthenischen  Version 
Archiv  XXn,  S.  307,  Nr.  383.  —  Nr.  28,  S.  13  »Der  russische  König«  (polnisch 
erzählt)  ist  eine  Version  des  weitverbreiteten  Märchens  von  Abt  und  Kaiser. 
Wenig  charakteristisch  sind  die  Traditionen  von  der  Frohne  und  Ihrer  Auf- 
hebung —  das  Nr.  31,  S.  14—18  abgedruckte  »Gedicht«  ist  kaum  echt  volks* 
tümlich.  Ein  weiter  unten  S.  32  abgedrucktes  Gedicht  »Vom  Leben  und  Tod 
des  Trunkenboldes«  wird  in  der  Anm.  selbst  einem  Literaten  und  Edelmann 
des  Landes  zugeschrieben.  Folgen  ganz  kurze  Ortssagen  (S.  19 — 23,  Nr.  35— 
59),  und  hieran  schließen  sich  zwei  Sagen  von  der  Tracht 

Dieser  Teil  tritt  vollständig  zurück  vor  den  »Enählungen  aus  dem  all- 
täglichen Leben«,  welche  dann  das  ganze  Buch  fast  ausfüllen.  Der  Herans- 
geber hat  sie  gleich&Us  dem  Inhalt  nach  in  einzelnen  Gruppen  zusammen- 
zustellen versucht:  (I.  Teil),  I.Abteilung:  Das  Familienleben,  häusliche  An- 
gelegenheiten; 2.  Abteilung:  > gelegenheitiiche  Erzählungen«,  d.  i.  von 
Räubern,  Dieben,  Schwindlern,  aus  dem  Jägerieben,  von  Wölfen  nnd 
Miscellanea.  n.  Teil :  Humoristische  Erzählungen,  Schwanke:  »Familienleben 
nnd  häusliche  Angelegenheiten« ;  2.  Physische  und  psychische  Fehler,  beson- 
ders vom  Dummen;  3.  Beschäftigung,  Handwerk,  d.  i.  vom  Astrologen,  Doktor 
bis  zum  Diebe;  4.  Stände  (Bauer,  Edelmann,  Herr,  Greistlicher);  5.  Volks- 


FederowBki,  FolkloristiBches  ai»  Weißnißland,  angez.  von  Polivka.  451 

Btämme  (Weißrusse,  Zigeuner,  Pole,  Deutscher,  Busse,  Jude  u.a.];  6.  Mis- 
cellanea. 

£b  ist  dies  eine  ganz  äußerliche  Einteilung,  ohne  Bücksicht  auf  die  Ter- 
^leiehende  Märchenkunde.  So  finden  wir  in  der  1.  Abt.  unter  dem  Stichworte 
»Unbeständigkeit,  Treulosigkeit«  eine  Version  der  Witwe  von  Ephesus  in 
Nr.  63,  S.  25,  unter  dem  Stichworte  »Starrsinn,  Hartnäckigkeit«  die  altbe- 
kannte Geschichte:  Geschnitten,  geschoren  Nr.  G6,  S.  27  (vgl.  Montanus 
Schwankbttcher  352,  525,  621,  Bittershaus  Neuisländ.  YM.  450),  unter  »Miß- 
achtung der  Eltern«  Nr.  67, 68,  S.  28  zwei  Versionen  zu  Grimm  EHM.  78  (Groß- 
vater, Vater,  Enkel),  Nr.  68  ^  S.^28  f.  hängt  mit  der  Sage  »seit  wann  werden 
die  Greise  nicht  mehr  getötet«  zusammen.  Die  in  der  2.  Abt  (S.  31  ff.)  abge- 
druckten Bäubergeschichten  sind  ziemlich  originell  und  erzählen  wohl  manche 
wirkliche  Begebenheit  ans  dem  Leben,  doch  auch  da  finden  wir  allbekanntes 
Gut,  wie  von  der  mutigen  MttUerstochter  und  den  Bäubern  u.  ähnliche  Nr.  92, 
94 — 97;  weiter  »Doktor  Allwissend«  Nr.  98, 99,  von  den  Bäubern  in  der  Kirche 
und  den  zwei  Nachbarn  Nr.  101,  aber  mit  einer  abweichenden  Einleitung.  Die 
in  der  Abt  »Miscelianea«  Nr.  118,  S.  60  mitgeteilte  Erzählung,  wie  der  Bauer 
seine  20  Groschen  verteilt:  fünf  gibt  er  zurück,  fünf  borgt  er,  mit  fünf  erhält 
er  das  Weib,  fünf  wirft  er  ins  Wasser,  d.  h.  auf  die  Steuer,  ist  sehr  verbreitet 
(2lo6poBa«>CKiH  Gmo.i.  C6,  I,  380,  G6opH.  Marep.  KaBKai».  XIX,  Abt.  2,  S.  73,  Dob- 
JkiuBkf  Slov.  pov.  U,  92,  Gzambel  Slov.  re6  425,  Zingerle  KHM.  II,  121,  Ps.  Ilg 
Haltes.  M.  S.  82,  Nr.  24  u.  a.)  und  wäre  gewiß  in  die  Abt  1  einzureihen.  In 
Nr.  120,  S.  61  sehen  wir  eine  kurze  Version  der  verbreiteten  Erzählung  »Whit- 
tington  and  his  cat«  (Glouston  Pop.  Tales  a.  Fictions  H,  65  ff.). 

Im  II.  Teile  finden  wir  in  Abt.  1  u.  a.  eine  Beihe  Einderreime.  Daneben 
lesen  wir  die  bekannte  Anekdote,  wie  statt  die  Fliege  zu  erschlagen,  der  Kopf 
des  Mannes  oder  Weibes  eingeschlagen  wird  Nr.  138,  S.  69,  vgl.  Clouston  The 
Book  of  Noodles  164;  ähnlich  ist  die  früher  S.  Ol,  Nr.  121  abgedruckte  Er- 
zählung, die  wohl  näher  mit  Pantschatantra  (Benfey  I,  283,  vgl.  Max  Müller 
Essays  II,  206)  verwandt  ist 

«  In  der  Unterabteilung  vom  Jüngling  lesen  wir  auch  eine  Version  der 
alten  Schulanekdote  von  dem  Lateinschüler  S.  72,  Nr.  149;  eine  andere  ver- 
wandte in  Nr.  391,  S.  202  ist  in  die  5.  Abt  »Volksstämme«  eingereiht,  als  ob 
gerade  am  wichtigsten  wäre,  daß  so  ein  Masure  das  Latein  seines  Sohnes  prüft 
(vgl.  meinen  Aufsatz  in  der  Zs.  f.  Osterr.  Vk.  XI,  162). 

Sehr  zahlreich  sind  die  in  die  2.  Abt  zusammengefaßten  Geschichten  vom 
Dummen,  und  da  finden  wir  natürlich  recht  viele  gut  bekannte:  Nr.  18o,  S.  89 
eine  Version  des  Märchens  von  dem  Dienstvertrag,  wer  sich,  Knecht  oder  Herr, 
früher  ärgert,  dem  werden  die  Biemen  aus  dem  Bücken  geschnitten  (Köhler 
Klein.  Schrift.  1, 149).  Nr.  18J,  S.  91  hängt  mit  dem  sog.  Urteil  des  Schemjaka 
zusammen  (Köhler  I,  578,  II,  578).  Zwei  andere  Versionen  desselben  hat  der 
Heransgeber  in  die  Abt  5  unter  »Jude«  als  Nr.  471, 472  gesteckt,  da  hier  ein 
Jude  am  meisten  von  dem  Bauern  litt  Darunter  finden  wir  auch  Versionen 
von  »Unibos«  Nr.  192, 193,  während  andere  Nr.  279,  280  in  die  4.  Abt  »Stände, 
a)  Der  Bauer,  c)  Witz,  Pfiffigkeit,  Bänke«  eingereiht  sind,  und  noch  eine  an- 
dere Nr.  464,  S.  233  in  die  5.  Abt  »Volksstämme,  H.  Der  Jude,  «e.  Gier«,  weil 

29* 


452  Kritiieher  Anzeiger. 

da  ein  Herr  M aciejowski  Jaden  auf  diese  Weise  anfOhrt  Unter  diesen  Er- 
zShlongen  vom  Dnmmen  lesen  wir  noch  eine  Version  des  Miichens,  wo  die 
Prinzessin  (hier  eine  Zauberin)  denjenigen  heiratet,  der  ihr  ein  nnlOsbares 
Bätsel  auferlegt  Nr.  194,  S.  106  (vgl.  Grane  ItaL  pop.  tal.  68,  Nr.  14).  Abge- 
sondert ist  eine  Abteilung  von  der  dummen  Frau  (S.  107  ff.],  so  vom  Manne, 
der  einen  Schatz  fand,  und  einer  dummen  Frau  Nr.  200  (wie  Clouaton  The 
Book  of  Noodles  155);  dagegen  finden  wir  eine  Version  des  Schwankes  Tom 
Fttrpaß,  dem  Mann  von  der  anderen  Welt  unter  Nr.  237,  S.  131  f.  in  der  3.  Abt 
»Beschäftigungen,  Professionen,  Handwerke,  X.  Der  Betüer«,  und  dne  Va- 
riante hiervon  in  Nr.  483,  S.  243  in  der  5.  Abt  >Volksstamme,  H,  Der  Jude, 
kk.  Leichtsinn«,  weil  das  einfältige  Weib  da  eine  Jüdin  war.  Diese  Beispiele 
genügen  wohl,  um  zu  zeigen,  wie  ganz  äußerlich  und  willktlrlich  in  dieser 
Sammlung  das  Material  gruppiert  ist,  und  jedenfaUs  noch,  daß  die  vom  Heraus- 
geber erwählte  Einteilungsmethode  der  Volks-Traditionen  wissensohaftliohen 
Anforderungen  nicht  genügt 

Ohne  in  eine  vollständige  Übersicht  aller  in  diesem  Buche  abgedruckten 
Traditionen  einzugehen,  wollen  wir  nur  einige  hervorheben.  Nr.  213,  S.  HS. 
Der  Herr  wettet,  daß  sein  Diener,  Hirt,  wirklich  treu  ist  und  nie  lügt  Chauvin 
BibUogr.  arab.  VUI,  166^  Nr.  180.  —  Nr.  215,  21 5»,  S.  120  f.  Lügenmärchen. 
Wenn  der  Herr  dem  Bauern  sagt  >du  lügst«,  so  muß  er  ihm  seine  OeldbCrsc 
geben.  —  Nr.  219,  S.  125  »Warum  sich  die  Hunde  anschnüffeln«,  eingereiht  in 
die  2.  Abteilung  »Der  Jäger«  (Lügner)  Montanus  Schwankbücher  35,  486,  568, 
S6billot  Folk-Lore  de  France  m,  74.  —  Nr.  255,  256,  257,  258,  259  Meister- 
dieb. —  Nr.  261,  S.  149  Wie  der  Bauer  dem  Herrn  und  seiner  Familie  die  Gans 
verteilte.  Archiv  XXII,  305,  Nr.  121,  Holte  Die  Reise  der  Söhne  Giaffers  20:. 

—  Nr.  270,  S.  152.  Ein  Herr  verzehrte  im  Gasthaus  10  gekochte  Eier,  und  blieb 
sie  schuldig;  nach  Jahren  wird  ihm  eine  horrende  Rechnung  zugeschickt  Vgl. 
Archiv  XXI,  296;  XXII,  307.  —  Nr.  271,  272,  S.  153.  Die  der  Kirche  geopferte 
Kuh  wird  hundertfach  vergolten,  wie  schon  bei  Pauli  Schimpf  und  Ernst  324. 

—  Nr.  340,  S.  179  f.,  d.  i.  »Les  trois  bossus  m6nestrels«  Bedier  Les  Fabliaux^, 
236  ff.  Die  als  Varianten  (»odmiana«)  angeführten  Nrn.  341—344  gehören 
eigentlich  nicht  hierher.  Nr.  342  wie  auch  noch  Nr.  561  in  den  Nachträgen 
ist  näher  verwandt  mit  Cosquin  II,  320,  Nr.  79  »Der  Rabe«.  —  Nr.  344  Der  bei 
der  Bäuerin  überraschte  Pfarrer  als  Teufel  verkauft.  —  Nr.  350,  S.  187  »Wie 
die  Knaben  polnisch  sprechen  lernten?«,  d.  i.  eine  Version  von  Grimm  EHM. 
Nr.  120  ähnlich  wie  bei  den  Kleinrussen  überarbeitet,  vgl.  meinen  Aufsatz 
»My  trzej  bracia«  in  der  Zs.  Lud  n.  —  Nr.  389,  S.  200  ff.  Der  dumme  Maiur 
sitzt  auf  dem  Zweig,  den  er  absägt,  glaubt,  er  sei  schon  gestorben  u.  s-f.  Vgl. 
Glouston  The  Book  ofNoodle8t56.—Nr.l90  Der  Mazure  brütet  ein  »Pferdeei« 
aus,  ähnlieh  noch  weiter  Nr.  405  vom  Deutschen  erzählt.  Clonston  op.e.  37.—- 
Nr.  392,  S.  203,  Der  Floh  aus  Polen,  die  Fliege  aus  Preußen  wie  sonst  ge- 
wöhnlich aus  dem  Dorf  in  die  Stadt  und  aus  der  Stadt  ins  Dorf,  vgl.  Archiv 
XVn,  583;  XXI,  274;  XXH,  302.  Wisla  XIX,  220.  —  Nr.  422,  S.  213  Der 
Krebs  für  einen  Schneider  gehalten  (Slovensk6  PohPady  XX,  43,  Bartsch 
S.Mär.  Meklenb.  I,  344.  Bunker  Schwanke,  S.Mär.  heanz.  S.  28,  Nr.  11).  — 
Nr.  427,  S.  215  eine  Variante  eines  schon  von  StraparoUa  und  Des  P^riers  er- 


FederowBki,  FolkloristiscbeB  «üb  Weißraßland,  angez.  von  Polivka.  453 

sShlten  SkhwankeS}  vgl.  St  Prato  im  Archiyio  per  lo  Btadio  delle  tradix.  pop. 
VI,  43  ff.  und  meinen  Aufsatz  im  K)6ej.  CtfopHEKi . .  vh  qecn  B.  8.  Mvjuepa, 
S.  163  ff.  —  Nr.  436,  437,  S.  218  ff.  Ein  Ochs  zu  einem  Beamten,  Offizier  er- 
zogen, vgl.  aonston  The  Book  of  Noodles  1U3,  Archiv  XIX,  267 ;  XXn,  305. 
—  Nr.  461,  S.  231  Die  Belohnung  (Schläge)  teilt  der  Bauer  mit  dem  Juden. 
Vgl.  Archiv  XXn,  307.  Chauvin  Bibliogr.  arab.  V,  282,  Nr.  166.  —  Nr.  481, 
S.  242  Sin  Jude  suchte  Knechte.  Derselbe  Mann  meldete  sich  viermal  ver- 
kleidet unter  vier  verschiedenen  Namen  »Jakty«,  »Jakja«,  >Gharcho(5<,  >Ni- 
manikoho«.  Vgl.  Zs.  d.  V.  f.  Vkunde  1 905,  S.  70.  —  Nr.  484,  485  Dem  Juden 
wird  sein  Pferd  gestohlen,  der  Dieb  bindet  sich  selbst  an,  spannt  sich  hier 
selbst  ein,  und  macht  dem  Juden  weis,  er  sei  seiner  Sünden  wegen  in  ein 
Pferd  verwandelt  gewesen,  vgl.  KOhler  I,  507  f.,  hier  hinterfuhren  so  den  Ju- 
den Bernhardiner,  Geistliche!  — 

Außer  MSrchen,  Schwänken,  Anekdoten  u.  a.  werden  noch  andere  Er- 
zeugnisse des  Volkes  mitgeteilt,  zum  Schluß  auch  Auszüge  aus  Briefen 
S.  259  ff.,  diese  sind  durchweg  in  polnischer  Sprache  abge&ßt. 

Es  folgen  dann  noch  Nachträge  zu  allen  drei  Bänden  S.  269—296. 
Einige  sollen  hervorgehoben  werden:  Nr.  539,  S.  274  Die  Mutter  soll  nicht 
nach  ihrem  toten  Kinde  so  viel  weinen  (Grimm  KHM.  Nr.  109).  —  Nr.  540  zu 
»StPeter  und  seine  Mutterc.  —  Nr.  550,  S.  280  Der  Teufel  schläft  mit  einem 
Wdbe  (wie  bei  Afanasjev^  n,  331,  Nr.  212)  in  der  Gestalt  des  Gemahls.  — 
Nr.  553,  S.  282  Vom  Engel,  der  nicht  nach  dem  Willen  Gottes  die  Seele  der 
Mutter  und  ihres  TOchterchens  nehmen  wollte,  abweichend  von  den  gewühn- 
lichen  Legenden.—  Nr. 554  St. Georg,  der  Hirte  der  Wulfe.  Vgl.  Arohiv  XXI, 
276.  PoMaHOB'B  Eliopyc.  06.  VI,  108.  G.  MaKciMOB'^  He^HcraA,  HeslAOMaA  a 
RpecTHafl  cftia  441.  rpHH^eHKO  Hb'l  ycn  naposa  8,  11. 

Von  dem  (S.  299—305)  beigefügten  Sachregister  ist  dasselbe  zu  bemer- 
ken, was  bei  dem  II.  Bd.  gesagt  wurde.  Hierauf  folgt  ein  Verzeichnis  der 
Ortschaften,  wo  die  Volksüberlieferungen  aufgezeichnet  wurden  (S.  306— 307), 
ein  Verzeichnis  der  Erzähler,  die  dem  Herausgeber  den  Stoff  lieferten,  samt 
Angabe  des  sozialen  Standes  derselben  (S.  308—310]  und  Nachträge  zu  den 
Registern  des  L-II.  Bd. 

Außer  welßmssischen  Texten  kommen  hier  und  da  auch  polnische  vor. 
Sie  wurden  nicht  bloß  von  Edelleuten  erzählt,  wie  z.  B.  Nr.  17, 18,  544  von 
Alex.  Laszkiewicz  —  der  aber  mehr  weißrussische  Erzählungen  lieferte,  wie 
Nr.  68%  215%  294,  318,  436,  465,  470),  und  bürgerlichen  Stadtleuten,  z.  B. 
Nr.  28,  275,  von  Fr.  Kulesza  (neben  Nr.  265,  407  weißmssisch),  Nr.  301,  553 
von  Fr.  Werstak  neben  weißrussischen  Nr.  174,  279;  Nr.  316,  325,  326, 
382  von  Grzegorz  Tymkiewicz  neben  weißruss.  Nr.  219,  438,  sondern  auch 
von  Bauern,  so  Nr.  73, 151,  450  von  Felix  Dzieiko  neben  weißrussischen 
Nr.  360;  Nr.  463  von  Antoni  Dzieiko  neben  weißrussischen  Nr.  118, 134,  213 
(der  Hirt  spricht  aber  mit  seinem  Herrn  polnisch),  232, 253,  283,  367,  und  noch 
in  einer  halb-polnischen,  halb-weißrussischen  Mischsprache  Nr.  385  (m^drego, 
poszli  na  h^ä  trawä  rwad,  3.pl.  widzo,  dadzo,  gi^boki  w^do},  wiadomo,  zjadla 
besiy^a,  gtowie,  trza  neben  koniiö  ka6cöm,  wyskaczyö,  gen.  aocsg.  hywklaho, 
acc.  sg.  höiau  adrezali,  salömy],  dagegen  ist  in  der  versifiiierttn  »^«ydduika 


454  KritiBcher  Anzeiger. 

wAjna«  Nr.  449  das  polnische  Sprachelement  viel  schwScher  vertreten.  »Ma- 
karonitiert«  nennt  der  Herausgeber  mit  Recht  die  Sprache  einer  Banerin  ans 
dem  Bezirk  Wolkowysk  (Gouv.  Grodno)  Kr.  560:  mqni,  zam^nine  neben  sa- 
mtdbenie,  jödzie  da  muia,  prfdzej,  cztowiek,  astr6inie6ko,  kcia^a,  dsiatki 
neben  dzietki,  niedo&rze,  sonst  durchweg  r,  löpssoAo  pryjaciela,  3.  pl.  nama- 
yr]^fuö^  kilkaicie  Ict»  udöwa  miela  try  doesek  n.  a.  Sonst  sind  in  diesem  Orte 
(Kosin)  durchweg  weißmssische  Texte  aufgezeichnet  worden  Nr.  138, 143, 144, 
362,  bis  auf  zwei,  Nr.  314,  563,  die  von  einer  adeligen  Dame  herrühren.  Diese 
Zweisprachigkeit  ist  gewiß  ungemein  wichtig  für  die  Erklärung  der  sprach- 
lichen Verhältnisse  und  dialektischen  Eigentümlichkeiten  des  Weißmsaischen 
in  diesen  Gegenden. 

Die  hohe  Bedeutung  dieses  Werkes  für  die  Sprachforschung  wurde  schon 
bei  dessen  vorhergehenden  Bänden  hervorgehoben,  und  sie  wird  durch  diesen 
III.  Bd.  nur  erhöht  O.  PoUeJea, 


3.  E.F.FoMaHOB'B  E%j[opyccKiHC6opHHir£.  BunycKB  mecTOÜ.  CKa3KH. 
Mornj[[eB%.   Tnnorpa*!«  ryÖepHCKaro  IXpaBJeHia  1901.  S.  IV  +  528 

(E.  A.  Romanov  Weißrnssische  Märchen). 

Nach  zehn  Jahren,  aber  jetzt  schon  vor  sechs  Jahren,  erschien  endlich 
der  VI.  Bd.  der  großen  Sammlung  weißrussischer  Traditionen,  deren  erste 
Bände  I— V  im  Verlaufe  der  Jahre  1886—1891  bereits  herausgegeben  wurden 
und  nach  der  Vorrede  des  Verfassers  zu  urteilen  auch  bereits  vergriffen  sind. 
Diese  Unterbrechung  wurde  allerdings  nicht  vom  Herausgeber  verursacht, 
sondern  durch  den  Zusammenfall  verschiedener  Umstände,  mit  dem  Druck 
dieses  6.  Bd.  war  bereits  im  J.  1893  begonnen  worden! 

Die  Märchen  wurden  fast  durchwegs  in  verschiedenen  Gegenden  des 
Gouv.  Mogilev  aufgezeichnet,  bloß  7  Nrn.  stammen  aus  2  Bezirken  des  Gouv. 
Vitebsk.  Sie  wurden  größtenteils  vom  Herausgeber  selbst  aufgezeichnet  — 
bloß  12  Nrn.  und  3  Varianten  wurden  von  einigen  Volksschullehrem  nieder- 
geschrieben. 

Die  sprachlichen  Eigentümlichkeiten  sind  in  diesen  Aufeeichnungen 
wenig  sorgfältig  bewahrt  —  bloß  bei  einer  Nr.  17,  S.  50  f.  ist  ausdrücklich  be- 
merkt, daß  sie  »versuchsweise«  phonetisch  niedergeschrieben  wurde.  Der 
Akzent  wurde  nur  insoweit  bezeichnet,  als  er  von  der  »allgemein«  russischen 
Akzentuation  abweicht.  Für  die  weißrussische  Lautlehre  bietet  dieses  Buch 
also  wenig  zuverlässiges  Material,  höchstens  wird  man  für  die  Satzphonetik 
manches  finden  können :  z.  B.  npocHJta  tk»  469,  6paTBA  'rB  paxucTH  cnsman 
AOMoii  251,  xa  ^AHaMy  ^TAajia  115,  sama  ^»napaTopcKoe  BjuHqecTBO  299,  oxexy 
Ha  Vhh  nonajvjiH  99,  Hna  Aa^a  «mj  na  ^tb^itb  422,  xaAu  6xyMa.iacL  ixapEAa  448, 
cBaAi>6y  ^TryjiÄBmH  412  u.  a.  m.  Polonismen  sind  sehr  selten:  jfULesvaxK  129, 
oÖHiiaJia  129,  THRaBO  132,  TEicaBOCTi  218,  BaHTpo6a  262,  r'b  MicAHsÖByicy  RoiBiiy 
315,  mit  Mio*  wohl  durch  Einfluß  von  MicimB. 

Sonst  wird  aber  der  Forscher  für  das  tiefere  Studium  der  weißrussischen 
Grammatik,  besonders  der  Morphologie  und  Syntax,  in  dieser  Sammlung  viel 


RonnAnoT,  WeißnuM.  EniUiliiii^en,  uiges.  von  Folivka.  455 

nteresBiBtes  Material  finden,  z.  B.  mo^l  gilt  als  femin.  i-Stamm :  akk.  sg.  bok- 
crpyK)  Mevs  50,  inatr.  Bg.  luxByy  Bei»  Bocrpaii  ifev«Ky-caifaci«iiy  155.  Dagegen 
ist  JO]iiax&  vielfach  masknl.  nyc&ium  e  Toro  zomaxBJi  85,  na  MenufaMi  jornax» 
476.  —  SehN  verbreitet  ist  im  gen.  pl.  die  Endung  -op:  ckojibui  na  h66h  sBis- 
xova  139,  vh  9nxTh  uaciovh  275,  btuxx  iy/iac6B'&  rJESA^TL  339,  noxymaB'i  6a 
TU  pasHun  cxaxoc&Tfin  97,  a£thv&  y  uro  ee  6jäö  412  n.  a.  m.  —  Inf.  Bei»  ny- 
B&rtvB  paccHVftxB  rojioB^  442,  inf.  nacTHTi  242.  —  Part  praet.  akt.  I:  y  Ilerpa 
6ijjia  BaHXBmu  zsaiepa  16,  d.  h.  Peter  hatte  ein  Quartier  gemietet;  Be%  sa- 
cayBiDH  6uarh  307.  —  Eine  eigentümliche  Attraktion:  8xpaeH'&-3Kajii6M'&  44,47, 
491.  Sehr  hftnfig  ist  der  pleonastische  Ctebranch  der  Präposition .  (vgl.  Archiv 
Xll,  103  ff,):  ysrjiJiHyy  iiapi .  .  sa  eiuz'B  aa  cbohzi  Ha  p<v(HUX'&  cbiboj^  162,  sa 
zaM  yxe  na  CBOßk  sa  GrexxflHHoi  ropi  110,  noixaBi  nama  ki  eTOMy  xi  caiiOMy 
Vh  xymiy,  x^  Bikpsapy  22,  npixxxaa  ero  toii  uapi  vh  BoxxcxBa,  vh  BMuexh  ci  xuxib, 
Vh  xesarx  87,  Jiywu  6'b  e  xcxju  ci  Tbuci  ci  cozfifioowh  Ch  «ucxeBxaM'B,  ^xm es  8B 
eoTU]r&  Vh  rpjOHUM'B  90,  xpa^xx^  rjÄKMWh  öararupcxKici  raxacöm,  <r&  CBa- 
XXI  crh  ycxjn  xsuxo^  ca  BocxMBaHAaxx,  x  CBimxT&  6ajnmim  MaJiaAeKKBM'& 
ndCBBCTaMi,  Ol  ycxxi  CBOXXi  ca  BycTÖB'i  152  n.  a.  nu 

Ohne  uns  weiter  in  die  Charakteristik  der  Spracheigentümlichkeiten 
dieser  Sammlung  einzulassen,  wollen  wir  uns  nliher  mit  ihrem  Inhalte  be- 
•chäftigen.  Für  die  nähere  Erkenntnis  der  reichen  traditionellen  Literatur  der 
Weißrussen  und  für  die  vergleichende  Märchenkunde  mag  wohl  dieser  Band 
höheren  Wert  haben  als  für  den  Sprachforscher. 

Die  ganze  Sammlung  enthält  57  Nummern.  Bei  einigen  wenigen  sind 
teilweise  noch  Varianten  verzeichnet  Die  einzelnen  Märchen  sind  ziemlich 
lang,  sie  nehmen  durchschnittlich  6 — 10  Druckseiten  ein,  eines,  Nr.  5,  ist  sogar 
aof  26  Seiten  ausgebreitet  Bei  jedem  Märchen  ist  sorgfältig  verzeichnet  der 
Name  des  Erzählers  und  der  Ort,  außerdem  noch  nähere  Daten  über  den  Er- 
zähler, sein  Alter,  ob  und  wie  weit  er  der  Schrift  kundig  ist,  war  er  irgendwo 
außer  seiner  Heimat,  wo  und  warum.  — 

Wir  begegnen  in  diesen  Märchen  natürlich  durchwegs  Stoffen,  die  all- 
gemein bekannt  sind  wie  aus  der  russischen  und  osteuropäischen,  so  aus  der 
weatenropäischen  Literatur.  Unser  Interesse  erweckt  nur  die  Wiedergabe,  die 
Bearbeitung  allgemein  verbreiteter  Stoffe,  der  Gebrauch  einzelner  Motive,  und 
deren  Variationen.  Außer  Märchen  im  engeren  Sinne  dieses  Wortes  finden 
wir  hier  noch  eine  Wiedergabe  der  westeuropäischen  Sage  von  der  Magel  one 
(S.  3),  und  zwar  in  einer  dem  Volksbuche  näheren  Bearbeitung,  als  dem 
niflaischen  Volksbuohe.  Peters  Braut  heißt  Magdalena,  ihr  Beich  heißt  hier 
Orapi-naiBcxoe  napcxBO,  Peter  stammt  >n  sa  6yproxicxxx'&  rop%<« 

Außerdem  lesen  wir  noch  die  bekannte  Legende  von  Salomon  (Nr.  51) 
in  einer  recht  interessanten  Bearbeitung,  die  nur  ihrem  Anfange  nach  mit  der 
bei  Ao6poBancxix  Gmoi.  C6.  I.  246  f.  abgedruckten  Version  näher  verwandt 
ist  Im  Mutterleibe  bereits  entscheidet  der  Knabe  den  Streit  zwischen  zwei 
Weibern  um  ein  Fohlen,  gehört  es  der  Stute  oder  dem  Wagen,  unter  dem  es 
gefunden  wurde.  Ausgewechselt  mit  dem  Sohne  eines  Schmiedes  bekommt 
er  den  Namen  Solomon,  weil  ihn  die  Mutter  im  Stroh  (y  cojomb)  geboren  hat 
Salomon  als  Hirte,  Oberster  der  Hirten,  da  ihm  die  Frösche  gehorchten,  lehrt 


456  KritiBeher  Anseiger. 

die  Hirten  die  Schrift,  die  er  selbst  erdacht  hatte,  machte  Schießgewehre  ud 
Pulver.  Der  Kaiser  (David)  sucht  seinen  Sohn,  prüft  den  ihm  anterschobeaen 
Sohn  des  Schmiedes,  erkennt  ans  dessen  Antworten,  dai3  er  nicht  •kalBerlichen 
Geblütes  ist,  sondern  Salomon.  Aber  dessen  Mntter  legt  ihm  noch  eine  Auf- 
gabe auf:  der  Schmied  soll  kommen  weder  zu  Fuß  noch  zu  Pferd,  weder  an- 
gezogen noch  nackt  usw.  Salomon  entweicht,  der  Vater  sucht  ihn  umsonst, 
und  erst  nachdem  er  die  ganze  Welt  gelehrt  hat  —  noch  Glas  und  Spiegel 
machen,  nicht  bloß  Pulver  und  die  Kriegskunst  — ,  kehrt  er  zum  Vater  zurück 

—  als  Kaufmann,  erprobt  die  Keuschheit  seiner  Mutter  und  flberftihrt  sie,  wie 
wahr  er  gesprochen  hatte,  als  er  sie  eine  Sünderin  nannte,  gleich  wie  in  der 
alten  Sage  der  Hss.  XVII. — XVin.  Jahrh.  (JliTonHCH  pyccKOu  .iiTepaTypu  IV, 
115,  139).  Nun  blieb  Salomon  zu  Hause,  heiratete  die  Prinzessin  aus  einenk 
anderen  Reiche,  die  zwar  einen  Liebhaber  hatte,  aber  dann  Salomon  den  Vor- 
zug gab,  weil  er  der  weiseste  Mann  der  Welt  war.  Salomon  bewahrte  die 
Keuschheit  in  der  Brautnacht,  und  den  anderen  Tag  zeigte  er  auf  eine  recht 
brutale  Art,  daß  der  Hund  treuer  ist  als  das  Weib :  das  ist  weder  die  alte 
Anekdote  (vgl.  Köhler  Klein.  Sehr,  n,  461),  noch  die  russische  Sage  (vgL 
Archiv  XXI,  275,  Nr.  65),  j!lparoM&uoB'B  Majiopyc  npoA.  S.  59,  Nr.  34),  sondern 
eine  eigene:  als  Salomon  seine  Frau  durchpeitschte,  lief  sie  ihm  davon,  wih- 
rend  der  Hund  durchgepeitscht  dann  doch  wieder  gehorchte.  Nach  einem 
Jahre  zog  Salomon  seiner  Frau  mit  einem  ganzen  Heere  nach  bis  zu  ihrem 
Liebhaber.  Nun  folgt  die  gewöhnliche  Geschichte  mit  geringen  Variationen. 
Auf  dem  Rückwege  begegnete  Salomon  Christus,  sie  gingen  zusammen  bis  in 
die  Höhle,  Christus  verjagte  die  Teufel,  führte  alle  Seelen  hinaus,  aber  Salo- 
mon ließ  er  zurück.  Salomon  mißt  nun  die  Hölle,,  wiU  zur  rechten  Seite  eine 
orthodoxe,  links  eine  katholische  Elirche  erbauen,  und  zwischen  beiden  soll 
die  Mutter  Gottes  thronen.  Durch  List  fesselte  er  dann  noch  den  zwölf  kOpfigea 
»ancypar«.  Endlich  fingen  die  Teufel  Salomon  und  »warfen  ihn  aus  derHöUe 
hinunterc.  Bei  dem  Fall  auf  die  Erde  erschlug  sich  Salomon  und  starb.  —  Es 
werden  noch  zwei  Varianten  dieser  Legende  mitgeteilt,  in  der  ersten  wird 
Salomos  Weib  auf  gewöhnliche  Weise  entführt,  in  der  zweiten  bewarb  eich 
Salomon  um  die  Tochter  der  Baba-Jaga,  die  ein  früherer  Teufel  war. 

Der  Erzähler  beginnt  gewöhnlich  ohne  eine  besondere  Einleitung:  »In 
einem  gewissen  Reiche,  nicht  in  dem,  in  welchem  wir  leben«  . . .  oder ...  »es 
ist  bekannt,  in  welchem«  . . .  u.  ä.,  oder  >£s  war  ein  König  und  der  hatte  drei 
Töchter«  . . .  u.  ä.  Hie  und  da  ist  dies  etwas  weiter  ausgeführt,  mit  einigen 
subjektiven  Bemerkungen  ausgestattet:  z.B.  Nr. 5,  S.36:  »0  . .  das  war  schon 
lange.  Es  lebten  zwei  alte  Eheleute  in  einer  Residenzstadt,  ich  möchte  sagen 

—  in  Kijew  oder  in  Moskau.  Sie  waren  schon  über  70  Jahre  alt  und  hatten 
keine  Kinder  . .«,  oder  Nr.  54,  S.  486  >Es  war  eine  Witwe,  so  wie  bei  uns  in 
Soino.  Und  die  hatte  einen  Sohn«.  Ausnahmsweise  treffen  wir  Einleitungen 
wie  in  Nr.  8,  S.  Si.  »In  einem  gewissen  Reiche,  in  einem  gewissen  Staate,  in 
Numero  fünf,  in  einer  reichen  Stadt  wollte  eine  Herrentochter,  daß  sie  Jemand 
zum  Lachen  bringe:  aber  niemand  konnte  das  treffen.  Al>er  warte,  ieh  habe 
einen  Fehler  gemacht.  Ich  sollte  früher  vom  Soldaten  erzählen.  Es  diente  der 
Soldat Ivanka  25  Jahre  . . . .«    In  Nr.  13,  S.  117  wendet  sich  der  Erzähler 


Bomaaov,  Weißnas.  Enithliiiigeii,  aiigez.  von  Pohvka.  457 

gtoJehemaßen  an  den  MSichensammler:  »Sehen  Sie,  Herr,  ee  war  einmal  ein 
Kaiaer.  Q^tt  weiß,  ob  er  ein  Kaiserchen  oder  ein  Kaiser  war.  So  hatte  er  nun 
einen  Sohn,  bloß  einen  einzigen  Sohn«.  Ganz  vereinzelt  ist  die  Einleitung  der 
Nr.  20,  S.  178,  wo  dem,  der  das  Mllrchen  hOren  wird,  eine  große  Belohnung 
▼ersprochen  wird.  —  Bei  Federowski  II  hat  eine  einzige  Nr.  321,  S.  283  einige 
einleitende  Worte:  »Ich  werde  euch  vom  barmherzigen  Soldaten  erzählen. 
Nnn,  es  war  einmal  ein  armer  Soldat . . . .« 

Auch  die  Schlnßformeln  dieser  Märchen  ragen  nicht  besonders  hervor, 
am  häoügsten  fehlen  diese  überhaupt  Und  sonst  lesen  wir  gewöhnlich  die 
Sehlnßlbrmel:  »Aueh  ich  bin  dort  gewesen,  habe  Metl^und  Wein  getrunken, 
doch  in  den  Mund  ist  nichts  gekommen,  den  Bart  hinunter  nichts  geflossen . .« 
in  Tersohiedenen,  ziemlich  unbedeutenden  Vatiationen.  Ebenso  bei  Federow- 
aki  H:  Nr.  61,  66,  77,  78, 123, 156,  319.  Dazu  ist  selten  noch  etwas  hinzuge- 
fügt, so  bei  Bomanov  Nr.  19,  S.  178  trocken:  »Und  so  hat  meine  Erzählung 
ein  Snde€,  oder  bei  Federowski II,  Nr.  64  witziger:  »sie  baten  mich  noch  mehr, 
aber  später  vergaßen  sie,  und  so  trank  ich  in  diesem  Unglücke  Wasser«. 
Manchmal  ist  diese  Schlußformel  etwas  mehr  ausgeführt,  z.  B.  bei  Bomanow 
Nr.  31,  36, 40,  45,  noch  mehr  nur  in  Nr.  4,  S.  36  und  Nr.  32,  S.  297,  wie  wir  es 
in  anderen  russischen  Märchen  finden,  z.  B.  AeanacieB'Ld  1, 192;  U,  206,  308 
n.  a.  Manchmal  bestätigt  der  Erzähler  die  Wahrheit  des  Erzählten,  daß  er 
Augenzeoge  dessen  war,  ganz  kurz,  wie  Nr.  8,  S.  88,  Nr.  11,  S.  1U5,  Nr.  22, 
S.  201:  »ich  war  dort  bei  ihnen«,  etwas  ausführlicher  Nr.  47,  S.  419:  »ich  war 
dort  und  habe  idles  gesehen«,  und  noch  mehr  Nr.  24,  S.  213:  »Ich  war  dort 
bei  ihnen,  habe  Meth  und  Wein  getrunken,  war  ihr  Gast.  Und  erst  gestern 
habe  ich  mich  von  dort  hierher  begeben«.  Zu  Ende  der  Nr.  12,  S.  117  wird 
endUüt,  wie  der  Held  endlich  den  Eoi6ej  überwand  und  seine  Frau  wieder 
entführte,  und  hierzu  bemerkt:  »es  ist  nur  unbekannt,  wohin  er  fuhr,  ob  auf 
die  gläsernen  Berge,  oder  zu  Vater  und  Mutter«  und  dazu  fügte  er  noch 
hinan:  »Ich  war  auf  Flüßen  bis  hinter  Eijew,  frug  darüber  nach,  konnte  aber 
niehta  erfahren.  Wollte  zn  ihm  kommen« . . .  Der  Erzähler  von  Nr.  48,  S.  420 
fügte  im  Gegenteil  hinzu:  »Ich  war  dort  zwei,  drei  Jahre,  aber  nichts  habe 
ich  gesehen«,  und  schied  dann  von  seiner  Zuhörerschaft  mit  den  Wünschen: 
»Gute  Nacht,  angenehmen  Schlaf,  freudigen  Morgen!  Bleibt  gesund!«  Das 
sind  aber  ganz  vereinzelte  Fälle,  wo  sich  der  Erzähler  an  sein  Publikum 
wendet 

Die  von  Federowski  im  II.  Bd.  herausgegebenen  Märchen  weichen  hier 
ziemlich  ab.  Nicht  selten  spricht  da  der  Erzähler  zum  Schluß  einen  Wunsch 
um  Belohnung  aus,  um  ein  Gläschen  Schnaps.  Auch  diese  Schlußformel  ist 
typisch  und  stellt  sich  bei  den  verschiedensten  Erzählern  wie  ein  Befrain  ein 
Nr.  11,  44,  46,  55,  in  anderer  Wendung  Nr.  16,  124. 

Aui^rdem  finden  wir  da  auch  nicht  selten,  wie  sich  die  Erzählung  mo- 
ralistisch zuspitzt  und  mit  einer  Sentenz  schließt :  z.  B.  Nr.  102:  »der  Tod  als 
Gevatter« :  »Also  kann  man  sieh  auch  vom  Tode  nicht  losbitten,  zu  welcher 
Z^  er  will,  zu  der  soll  er  auch  nehmen«,  Nr.  102:  »Dem  Geizigen  ewiges  Ver- 
derben« :  »Es  ist  hiicht  recht  geizig  zu  sein,  denn  dem  Geizigen  hilft  Gott 
nicht«.  •—  Nr.  261  von  Banenlenten,  die  einen  großen  Schatz  fanden,  denen 


458  KritiBcher  Anseiger. 

der  SchatE  als  goldenei  Lamm  erBohien,  und  dem  Knechte  Teufel:  »So  sind 
alBo  die  Tenfelegelder  nicht  von  Vorteil«.  Kr.  329:  »Also  geechah  et  vor 
vielen  Jahren!  Hentsatage  kommt  bo  etwae  nicht  mehr  yor,  die  Menschen 
Bind  es  nicht  wert  —  Bie  Bitzen  biB  zu  den  Ohren  in  Sttnden«.  —  In  anderen 
ganz  kurz:  »So  geechieht  cb  dem  €kizigen<  Nr.  213,  »Anch  für  die  Tranken- 
bolde  iBt  Strafe«  Nr.  2 1 5  n.  a.  o. 

Bomanov  fHgte  den  einzelnen  MXrchen  keine  bibliographiflchen  Hin- 
weiee  auf  verwandte  Varianten  hinzn,  nicht  einmal  anf  Beine  eigenen  frttheren 
Bünde,  obzwar  er  ee  frtther  teilweiae  wenigetena  tat,  bo  im  IV.  Bd.  Beines 
Werkes.  Dessen  Benutzung  erleichterte  er  freilich  teilweise  durch  das  bei- 
gefügte Register  S.  513—528. 

Dieses  Register  hat  dieselben  MXngel,  die  wir  dem  Werke  Federowskia 
aussetzten.  Es  sind  in  dem  Register  bei  weitem  nicht  alle  wichtigsten  Motive 
angeführt,  und  soweit  sie  angeführt  sind,  sind  sie  nicht  glücklich  eingereiht, 
das  eigene  Schlagwort  nicht  glflcklich  getroffen,  und  so  finden  wir  a.  B.  an 
verschiedenen  Stellen  dasselbe  Motiv,  z.  B.  reHepsjrB  BUAaen  ce6a  sa  nöan- 
lejiE  uapcKOH  AovepH  S.  515,  und  marasx  BUAaen  ce6ii  m  mB^aMnexn.  napcKoi 
Ao^epa  S.  527,  als  ob  es  das  Wichtige  wSre,  was  fttr  eine  soziale  Stellung  der 
vermeintliche  Erretter  und  der  Verriiter  des  DrachentOters  einnimmt  Oder 
ganz  unnütz  BOpoÖLH  nouortMTb  koöujuuh  nacra  S.  514,  mepmaa  noiioraion 
KodbUHm  nacTH  S.  527,  wo  doch  wichtiger  ist  das  Weiden  der  Stuten  der  Zau- 
berin. Die  Motive  FpoMi-san  516,  Jtoagrfc-sfliB  516,  MopoB%-8jn&  522,  Goaime- 
3flTB  525,  OpejTB-BflTB  523,  GoKOJTh'ZETL  525  gehören  zusammen  »TierschwSger« 
und,  dessen  Varianten.  Der  Herausgeber  ist  augenscheinlich  sehr  wenig  be- 
bekannt mit  der  Marchenforschung  und  weiß  nicht  den  Kern  des  Märchens 
herauszufinden,  Stoff  und  Motive  und  bloßes  Beiwerk  von  einander  zu  trennen. 

In  seiner  Vorrede  bemerkt  Romanov,  daß  er  mit  diesem  Buche  bei  weitem 
noch  nicht  sein  Material  erschöpft  hat,  aber  daß  er  nicht  mehr  bloßes  Roh- 
material drucken  möchte.  Er  denkt  an  eine  neue  Ausgabe  der  früheren  Bände 
und  dazu  möchte  er  sein  noch  ungedrucktes  Material  hinzufügen,  etwa  in 
Form  von  »Schemen«  der  Märchen,  wahrscheinlich  also  in  der  Art,  wie  es 
Jurkschat  mit  den  litauischen  Märchen  machte.  Aber  zu  einer  solchen  Arbeit 
ist  eine  gründliche  Kenntnis  der  Märchenliteratur  erforderlich.  Es  wäre  im 
Interesse  der  Märchenkunde  sehr  erwünscht,  wenn  H.  Romanov  bald  all  sein 
Material  veröffentlichen  könnte,  aber  zu  der  Arbeit,  an  welche  er  nun  denkt 
benötigt  er  einen  tüchtigen  Ratgeber  und  Mitarbeiter.  O,  PoUvka, 


4.  Detya.  Monografia.   Spisal  Earol  A.  Medveck^,  rim.  kat.  küiai. 

Detva  1905.    Tlaj^ou  knfhtlaj^iame  Earla  Salvu  v  Rniomberku. 

gr.-8o.  S.330-HXV. 

Bei  den  Slovaken  Nordungams  ist  es  so  still  im  literarischen  Leben  ge- 
worden, daß  jede  größere  Erscheinung  das  größte  Interesse  hervorrufen 
muß.  Aber  auch  in  größeren  Literaturen  würde  eine  solche  Monographie  wie 
die  vorliegende  freundlich  begrüßt  werden.   Es  wird  in  derselben  das  Gebiet 


Medvecb^,  Monographie  über  Gyet^A,  «ngez.  von  Poliyka.         459 

des  StiSdtchenB  Gyetva  an  der  sfldOstlichen  Grenze  dee  Komit.  Zölyom  (Zvo- 
leJk,  Sohl)  und  in  den  angrenzenden  Gebieten  des  Komit.  Nögrad  (Novohrad) 
nnd  G0ml5r  beschrieben.  Nach  einer  allgemeinen  geographischen  und  geolo- 
gischen Beschreibung  des  Landstriches  folgt  ein  Verzeichnis  der  Flurnamen 
(S.  15—20)  »dieses  soiusagen  prähistorischen  Grundbuches  des  Volkes«,  wie 
der  Verfasser  meint  Nun  in  ein  solch  hohes  Alter  reichen  diese  Namen 
kanm,  wenigstens  bezeugt  das  gar  nichts,  im  Gegenteil  finden  wir  Namen, 
deren  jflngerer,  vielleicht  recht  junger  Ursprung  zweifellos  ist,  wie  z.  B.  Baj- 
iiak  (S.  18),  von  welchem  der  Verfasser  selbst  sagt,  daß  er  aus  dem  deutschen 
HeiUteg  entstanden  ist  Es  folgen  darauf  eine  Übersicht  der  Altertümer  der 
Gegend  (22 — 27)  und  eine  geschichtliche  Obersicht  derselben  und  ihrer  Be- 
wohner. Hier  werden  die  etymologischen  Erklärungen  des  Namens  Bfica 
erwähnt,  auch  Volksetymologien;  am  meisten  spricht  noch  an  die  Zusammen- 
stellung desselben  mit  poln.  dziaiwa^  klruss.  düva.  Der  Verfasser  polemisiert 
gegen  die  von  einigen  ungarischen  Gelehrten  ausgesprochene  Vermutung,  daß 
die  Detvaner  Nachfolger  südslavischer,  aus  der  Herzegovina  oder  aus  Bosnien 
Yon  EOnig  Mathias  eingeführter  Kolonisten  seien,  beruft  sich  auf  die  bereits 
von  J.  äkult^ty  angeführten  Gegenbeweise,  daß  besonders  in  dem  Dialekte 
der  Detvaner  keine  sttdslavischen  Reste  vorhanden  sind.  Auf  die  von  Otto 
Hermann  angeführten  Gründe,  daß  nämlich  die  Ornamentik,  wie  sie  sich  auf 
den  Werkzeugen  der  Detvaner  vorfindet,  mit  der  südslavischen  übereinstimmt, 
daß  die  Henkel  ihrer  Schöpfgeschirre,  deren  zahlreiche  Abbildungen  wir  dann 
in  dem  Buche  finden,  romanischen  Stiles  sind,  ist  der  Verfasser  nicht  einge- 
gangen, und  hat  sich  überhaupt  in  eine  endgültige  Entscheidung  der  Frage 
nicht  eingelassen.  Hierbei  werden  wohl  in  erster  Beihe  die  Ornamentik  und 
die  Grefäße  der  anderen,  die  Karpaten  bewohnenden  Völker  heranzuziehen 
sein.  In  diesem  historischen  Kapitel  lesen  wir  noch  über  die  Untertanverhält- 
nisse  der  Bauern  (S.  39  ff.). 

Es  folgen  weiter  Kapitel  über  die  Gemeindeverwaltung  (S.  67  f.),  die  Ge- 
schichte der  Kirche  (S.  72  f.),  Schulwesen  <90  f  ],  humanitäre  Institutionen  der 
Gemeinde  (S.  96  f.),  demographische  Übersicht  mit  sehr  genauen  statistischen 
Tabellen.  Hieran  schließt  sich  ein  Verzeichnis  der  Familiennamen  (S.  112 — 
1 22)  ohne  irgendwelche  Auslassungen,  nur  bei  einigen  ist  in  den  Anmerkungen 
angegeben,  woher  ihre  Trilger  eingewandert  sind.  Nun  folgt  ein  uns  beson- 
ders interessierendes,  leider  weniger  befriedigendes  Kapitel  über  den  Dialekt 
(S.  123  f.),  zuerst  eine  Sammlung  von  Wörtern,  die  diesem  Dialekte  eigen  sind 
(S.  125—137),  zum  Schluß  Phraseologie  (S.  142—149)  und  eine  Sammlung  von 
Sprichwörtern  u.  ä.,  auch  Prognostica  (S.  149  f ).  Dazwischen  eingeschoben 
ist  der  grammatische  Teil,  d.  i.  einige  Bemerkungen  zur  Morphologie  •—  hier 
ist  am  interessantesten  der  Infin.  huci.  Phonetische  Angaben  sind  leider  gar 
keine,  nur  gelegentlich  ist  bemerkt,  daß  das  aus  konsonant  ^  entstandene  v 
fast  wie  /  lautet,  auch  in  dem  Diphthonge  f^o<oe>  nach  einer  Tennis:  v 
spvolkn;  wie  das  aus  /-u  im  Partie,  praet  act  entstandene  v,  wie  v  im  Instr. 
8g.  der  ä-Stämme,  bei  dem  Pronomen  lautet  (i^enov,  mnov),  erfahren  wir  nicht 
und  sind  darüber  um  so  ungewisser,  als  der  Herausgeber  hier  verschieden 
schreibt,  wie  z.  B.  htAnj  142,  duojde  142  neben  sprolnica  131,  sirv^tka  256  se- 


460  Kritischer  Anzeiger. 

dem  rvo^kov  254,  hrvob&ek  255,  xA  sein  muoh\%  dAvno  mladoo  ienoo  byti  278, 
odskod^tt?  248,  nevedtff?  251,  hrudb  otrara»  und  daneben  krk}al  253,  donieso/und 
doniesov  254  in  demselben  Liede  n.8.w.  Selbst  ist  der  Verfasser  dnrchans  nicht 
fest  in  der  Grammatik,  besonders  kann  er  nicht  etymolog.  y  von  t  nnterschei- 
den,  so  wirft  er  zusammen  bydio  s=  imanie  nnd  hidieke  bidlo  (S.  12'^),  sehreibt 
vir  (s=  n&at&  sova  S.  1 33),  zdhidCaty  =  zäbndliv^  nnd  versucht  das  i  in  dem 
Worte  symbolisch  zu  erklären  (S.  141);  selbst  dann  im  Texte  starobtl^.  In- 
teressant ist  ao  statt  d  in  zaoduch  (z4ducha,  asthma),  zooprah,  zoopa^  neben 
zm4pa6  (S.  1 1 1  f.)  strana  v  höre,  ktor&  najskorej  siiahom  zapad&,  flbrigens  anch 
in  Mähren  gebräuchlich).  Ist  dieses  ao  ein  Diphthong?  In  zaupaS  ist  jeden- 
falls a  mit  einem  labialen  Nachklang,  wie  wir  in  polnischen  Dialekten  finden, 
z.  B.  in  Oppeln  zd^Use  u.  a.  Aber  wie  steht  dazu  oo?  An  diese  Übersicht  de« 
sprachlichen  Materials  schließt  der  Verfasser  eine  Schilderung  der  Wirtsohafta- 
und  Besitzverhältnisse  (S.  151—162),  weiter  der  Handwerke  und  der  Haan- 
Industrie  (S.  163 — 166),  und  dann  erst  geht  er  zu  dem  eigentlichen  ethno- 
graphischen Teil  über:  beschreibt  die  Tracht  (S.  167—174),  die  Stickereien 
(S.  175 — 177),  die  Gebräuche  (S.  178—201)  und  zwar  zuerst  an  den  einzelnen 
Festtagen  und  Festzeiten  des  Jahres  Tom  Weihnachtsfeste  an,  dann  im  Fa- 
milienleben von  der  Taufe  bis  zum  Begräbnis.  Hierauf  folgen  Aberglauben, 
Zauber  und  Volksmedizin  (S.  202 — 206),  z.B.  zu  einem  mit  epileptischen 
Krämpfen  Befallenen  wird  ein  erstgeborener  Mensch  gerufen,  der  den  Be- 
treffenden noch  nicht  in  solchen  Krämpfen  gesehen  hat;  der  muß  von  dem 
Kranken  die  Kleider  abreißen  und  sie  in  der  Stube  in  die  Erde  yergraben  — 
wenn  der  Kranke  nicht  mehr  die  Kleider  erblickt,  stellen  sich  keine  Kritmpfe 
mehr  ein.  £s  wird  jedenfalls  dies  auf  der  Vorstellung  beruhen,  daß  der 
Krankheitsdämon  in  den  Kleidern  seinen  Sitz  hat,  und  begraben  werden  muß, 
daß  er  niemand  anderen  befällt.  Ähnlich  wird  z.  B.  einem  kranken  Kinde  das 
Hemd  ausgezogen,  hinausgeworfen  und  wohin  es  fällt,  yergraben;  dann  ge- 
sundet das  Kind  (vgl.  Dob6insk^  Prostonir.  obyii^e,  povery  a  hry  8.  112). 
Ein  Steinchen,  um  welches  die  Schlangen  in  einen  Haufen  zusammenkrieohen, 
ist  ein  Glücksstein  (gleich  bei  Dobsinsk^  op.  c.  114),  wie  der  goldene  Kamm 
oder  das  Kreuz,  welches  eine  Schlange  am  Kopfe  hat  (Dobiinsk^  op.  e.  105), 
oder  die  zwei  goldenen  HOmchen  am  Kopfe  des  Schlangenkönigs  (Nowosieliki 
Lud  ukn^.  I,  251,  Federowski  Lud  bii^orus.  II,  Nr.  48).  Hexen  erblickt  der, 
welcher  vor  Sonnenaufgang  zum  Bache  geht  und  dort,  wo  er  sitzt,  mit  der 
DreikOnigskreide  ein  Kreuz  macht,  anders  wieder  Öasopis  mus.  spol.  sIot. 
m,  139. 

'  Weiter  werden  einige  Sagen,  Legenden,  Märchen  mitgeteilt  (S.  207 — 212): 
seit  welcher  Zeit  die  Ähren  so  klein  sind;  als  die  Türken  das  hl.  Kreuz  ans 
Jerusalem  wegnahmen  und  in  ein  mit  sieben  eisernen  Toren  befestigtes  Schloß 
brachten,  berieten  sich  der  Engländer,  Franzose,  Russe,  Slovak,  Deutsche  nnd 
Italiener,  wie  das  Kreuz  wiederzubekommen;  da  kam  ein  Detvaner,  bot  sieh 
an,  das  Kreuz  in  der  Nacht  zu  stehlen,  und  brachte  es  wirklich  den  anderen 
Tag  morgens,  nachdem  er  mit  einer  Zaubergerte  die  Wache  stair  gemacht 
hatte;  vgl.  Schott  Walach.  Märch.  S.  289,  Nr. 41 ;  der  Hirte  bei  KOnig  Mathias 
zu  Gast ;  der  Schatz  des  Janoük  ist  zu  heben  von  dem,  welcher  zwölf  Brfider 


Speranik^,  Ana  Altfigypten,  angez.  Ton  Polivka.  461 

von  einem  Vater  nnd  einer  Matter  bringt  (zwölf  HShne),  Shnlich  Öas.  moB.  spoL 
■loY.  Vn,  54;  der  Krieg  zwischen  Bär  nnd  Schwein  anf  der  einen,  Haeen, 
Fachs,  Reh,  Kater  n.  a.  aaf  der  anderen  Seite. 

Es  folgen  weiter  Kapitel  Aber  das  Hans  and  dessen  innere  Einrichtung 
(S.  213—223),  fiber  die  Omamentierang  (S.  224—230) ,  besonders  der  Grab- 
kreuze,  der  Schöpfgeschirre,  Spinnrocken,  Hirtenpfeife  (»fojarac,  bei  den  Hü- 
snlen  »fTojara«)  a.  a. 

Non  kehrt  der  Verfasser  wieder  znm  geistigen  Leben  znrttck,  gibt  Auf- 
sehltlsse  über  Lied,  Masik  and  Tanz  (S.  231—237),  erzählt  den  Inhalt  einiger 
Volksballaden,  nnd  fügt  einige  Worte  über  die  Melodien  nnd  Mnsikinstra- 
mente  bei,  leider  sind  dieser  Beschreibnng  in  dem  sonst  reichlich  illnstrierten 
Bnehe  keine  Abbildungen  der  Instramente  beigelegt,  so  daß  man  sich  kaum 
eine  so  gnte  Vorstellnng  von  denselben  machen  kann,  wie  z.  B.  nach  dem  be- 
kannten Werke  über  die  Huzulen  von  Sachevy6.  Nun  folgt  eine  allgemeine 
Charakteristik  dieses  Volksstammes  und  seines  Lebens  (S.  238—244),  —  etwas 
genauere  Moralstatistik  wäre  erwünscht  gewesen  — ,  und  zum  Schlüsse  dieses 
Kapitels  lesen  wir  noch  einige  Worte  über  die  Nahruogsweise  des  Volkes. 
Eine  ziemlieh  stattliche  Sammlung  von  Liedern  und  Melodien  (S.  247—330), 
die  mit  Zuhilfenahme  des  Phonographen  aufgezeichnet  wurden,  dann  Urkun^ 
den  zur  Geschichte  der  Gegend  und  deren  Besiedelung  (S.  I— XE)  und  ein 
bibliographisches  Verzeichnis  der  spezialen  Literatur  beschließen  das  Buch. 
Es  ist  recht  hübsch  ausgestattet  und  macht,  trotzdem  wir  eine  systematischere 
Einteilung  und  Bearbeitung  des  Stoffes  gewünscht  hätten,  einen  um  so  ange- 
nehmeren Eindruck,  je  bescheidener  und  anspruchsloser  dessen  verdienst- 
voller und  der  Sache  seiner  Heimat  opferungswilliger  Verfasser  mit  dieser 
seiner  Lebensarbeit  auftritt.  In  der  slavischen  ethnographischen  Literatur 
wird  es  gewiß  allerseits  auf  das  freundlichste  begrüßt  werden.    O.  PoUeka. 


5.  J.A.CnepaHCKiH.  Hai  JHTepaxypH  äPöbhäfo  Eranra.  BunyoK-Ll. 
FaacKasB  o  AByx'B  (SpaTHxi.  IlepBCHCTO^HHirL  cKasamH  o  Kon^ei, 
pasHO  KaiCB  H  MHornxi  Apyrax'B  cioKeTOFB  HapoAHaro  aiOBecHaro 
TBop^ecTsa.  TeKCTB  ApenHflro,  ernneTcicaro  pascRasa  b'b  pyccKOH'B 
nepeBOAi  h  ero  HCTopHKo-JHTepaTypHoe  SFia^eme.  C.  IleTepÖyprB 
1906.  p.Vin  +  264  (D.A.Speranskij.  Aus  der  Literatur  des  alten 
Ägyptens.  I.  Heft.  Die  Erzählung  von  den  zwei  Brüdern.  Die  Ur- 
qnelle  der  Sagen  von  Eoilöej,  wie  auch  vieler  anderer  Stoffe  der 
Volksdichtung.  Der  Text  der  alten  ägyptischen  Erzählung  in  russi- 
scher  Dbersetzung  und  deren  historisch-literarische  Bedeutung). 

In  der  märchenwissenschaftlichen  Literatur  ist  die  altägyptisehe  £r- 
t^MiiBC  Ton  den  zwei  Brüdern  längst  wohl  bekannt  und  war  auch  der  Aub- 
gangspunkt  mancher  Hypothesen  über  den  Ursprung ,  die  Heimat  und  das 


462  Eritiseher  Anzeiger. 

Alter  nnserer  Märchen^).  Diese  Erzählung  machte  nun  auch  ein  jttngere- 
ruBBischer  Gelehrter  zur  Grundlage  sehr  weitgehender,  kühner,  ja  phantastiachei 
Expektorationen.  Vorausgeschickt  ist  eine  russische  Obersetzung  nachMaspiros 
Ausgabe,  wie  wir  sie  ans  Masp^ros  Buch  »Les  contes  populaires  de  Tl^gypte 
anciennec  (Les  litt^rat  popul.  de  toutes  les  nations  T.  lY  1889)  kennen.  Herr 
D.  A.  Speranskij  führt  dieses  Buch  in  seinem  »bibliographischen  Verzeichnis« 
nicht  an  (S.  25 — 27),  welches  Verzeichnis  gänzlich  ttbereinatimmt  mit  Masp6ro8 
Verzeichnis  S.  3—4. 

Der  Verfasser  stellt  als  sicher  und  fest,  daß  alle  erzählenden  Produkte 
der  russischen  Volksliteratur,  die  epischen  Lieder  (Bylinen)  und  Märchen,  wie 
gleicherweise  bei  den  anderen  indoeuropäischen  Völkern  ihrer  ursprünglichen 
Grundlage  nach  fremden  Ursprunges  sind;  daß  die  schöpferische  Tätigkeit 
der  russischen  Rezitatoren  oder  Sänger  von  undenkbaren  Zeiten  an  bloß  in 
der  Übernahme  fremdländischer  Stoffe  und  in  deren  Anpassung  an  die  heimat- 
lichen Vorstellungen  und  Verhältnisse  bestand.  Die  Urquellen  aller  dieser 
übernommenen  Stoffe  waren  vorzüglicherweise,  ja  fast  ausnahmslos  die  Lite- 
raturerzeugnisse  des  alten  Ägyptens,  wie  auch  die  religiösen  Sagen  (die  Mytho- 
logie) und  die  historischen  Ereignisse  aus  dem  Leben  dieses  Volkes.  In  der 
russischen  Volksliteratur  findet  er  zahlreiche  und  klare  Spuren  von  unmittel- 
bar diesen  Urquellen  übernommenen  Stoffen,  nebenbei  nicht  weniger  inter- 
essante Reflexe  derselben  Urquellen,  die  durch  Vermittelung  anderer  Völker, 
d.  i.  hauptsächlich  der  alten  Griechen,  eingedrungen  sind.  Im  alten  Griechen- 
land erblickt  der  Verfasser  den  wichtigsten  Vermittler  für  alle  europäischen 
Völker  bei  der  Übernahme  der  ägyptischen  UrqueUen.  Kein  anderes  Land 
oder  Volk  (weder  Indien  noch  Iran)  konnten  mit  ihrer  Literatur  als  Urquelle 
in  dem  Entwicklungsprozesse  der  literarischen  Schöpfung  dienen;  im  Gegen- 
teil sie  selbst  entnahmen  hier  und  da  aus  den  ägyptischen  Urquellen.  In  der 
russischen  Literatur  waren  die  hauptsächlichsten  Ursachen  der  Abschwäcbnng 
oder  des  stufenweisen  Absterbens  der  alten  Stoffe,  d.  1.  der  Elemente  der  Ur- 
quelle, die  Annahme  des  Christentums,  das  tatarische  Joch  und  die  Verbreitang 
der  Schule  und  Bildung.  So  stilisiert  der  Verfasser  selbst  die  Schlußresultate 
seines  Studiums  am  Ende  seines  Buches. 

Er  ist  von  der  felsenfesten  Sicherheit  seiner  Ausführungen  so  sehr  über- 
zeugt, daß  er  meint,  seine  Gegner  könnten  nur  solche  sein,  welche  vom  Geiste 
des  Widerspruchs  getragen,  geneigt  sind  das  Weiße  schwarz,  und  das  Schwarze 
weiß  zu  nennen  (vgl.  S.  182).  Trotz  dieser  Gefahr  unter  derlei  Kritiker  ge^hlt 
zu  werden,  wagt  es  dennoch  der  Referent,  wenigstens  einige  Punkte  aus  dem 
Buche  hervorzuheben,  und  an  ihnen  darzulegen,  wie  schwach  begründet  die 
weitgehenden,  bis  an  die  Grenze  des  Denkbaren  reichenden  Ausführungen  des 
Verfassers  sind.  Alle  von  ihm  vorgebrachten  Meinungen  und  Einfälle  zu 
untersuchen,  würde  uns  zu  weit  führen. 

Als  die  wichtigste  Episode  der  altägyptischen  Erzählung  »von  den  zwei 
Brüdern«  dem  Einflüsse  nach,  den  sie  auf  die  Entwicklung  der  Märchenwelt 
der  neueren  europäischen  Völker  gehabt  haben  soll,  ist  nach  der  Ansicht  des 


i)  Vgl.  A.  Lang,  Mythos,  cultus  et  religions  1896,  S.  597  ff. 


y,  Aü  AitXgypten,  angM.  Ton  Polivka.  46^ 

Veffusen  ohne  Zweifel  die  Enäiilimg  tob  den  ttbernattirliclien  Eigenscluiften 
des  Heizens  des  Bitin  zn  betracliten  (S.  93).  Vollständig  von  den  Menschen  ab- 
geschieden wußte  Bitin  sein  Herz  so  zn  verzanbern,  daß  er  es  der  größeren 
Sieherheit  wegen  an  einem  zuverlässigen  Orte  in  der  Blüte  am  Gipfel  einer 
hohen  Akazie  o.  a.  verbergen  konnte.  Dieses  Herz  abgelöst  vom  Organismus 
enthielt  auf  geheimnisvolle  Weise  in  sich  die  ganze  Lebenskraft  dieses  Orga- 
nismus und  eine  unsichtbare  und  zugleich  untrennbare  Verbindung  mit  dem 
KOrper.  Sein  Geheimnis  vertraute  Bitiu  seinem  älteren  Bruder  an,  damit  er 
ihm  in  der  Stunde  der  Gefahr  zu  Hilfe  eilen  könnte,  und  dann  teilte  er  es  noch 
seinem  Weibe  mit,  doch  zu  seinem  Unheil.  Auf  Angabe  seines  verräterischen 
Weibes  wurde  der  Baum  gefällt,  das  Herz  fiel  auf  die  Erde  und  Bitiu  starb 
denselben  Augenblick.  Weiter  wird  erzählt,  wie  der  ältere  Bruder  Anupu  nach 
dem  wunderbaren  Zeichen  erkannte,  daß  Bitiu  ein  Unglück  geschah,  nach 
langem  Sueben  das  Herz  fand  und  den  Bruder  wieder  belebte. 

Bereits  Baiston  in  seiner  englischen  Obersetzung  der  russischen  Volks- 
märchen, und  nach  ihm  andere,  W.  A.  Glouston  Populär  Tales  and  Fictions  II, 
347  ff.,  Cosquj|l  Contes  pop.  de  Lorraine  1, 173  ff.,  A.  Lang  Mythes,  cultes  et 
religions  S.602  haben  daraufhingewiesen,  daß  sich  dieses  Motiv  in  zahlreichen 
Märchen  aller  europäischen  Völker  wie  auch  in  Indien  vorfindet;  ja  bereits  in 
der  russischen  Literatur  wurde  die  alte  ägyptische  Version  herbeigezogen  im 
Jahre  1887  von  Kuzmi6evskij-Dragomanov  (KieBCKafl  Orap.  1S87,  Bd.  19,  S.  208, 
PoBBiXRH  Mxz.  AparoMaHOBA  II,  160,  vgl.  Cjunovh  CoBpeneHHaE  Maiopyc.  btho- 
rpa«iji  n,  32).  Herr  D.  A.  Speranskij  konstatiert  nun,  augenscheinlich  ohne 
eine  Kenntnis  der  bisherigen  Arbeiten  über  diese  Frage,  mit  einer  so  zu  sagen 
dogmatischen  Sicherheit,  daß  es  »klar  und  zweifellos«  sei,  daß  »alle  Märchen 
vom  unsterblichen  Koi6ej  aus  der  altägjrptischen  Episode  von  den  wunder- 
baren Eigenschaften  des  Herzes  von  Bitiu  entstanden  sind«  (S.  95)  und  hieran 
knüpft  er  gleich  weiter  eine  andere  Deduktion  an  »der  alte  ägyptische  Held 
des  Romanos  Bitiu  war  das  Prototyp  des  phantastischen  Helden  der  russischen 
Volksmärchen,  des  unsterblichen  Eo&6ej«  (S.  95).  Er  untersucht  nicht  die 
großen  Unterschiede  aller  europäischen  und  asiatischen  Versionen  zusammen 
von  dem  altägyptischen  Motive.  Eotöej  und  die  ihm  nahe  verwandten  über- 
menschlichen Wesen  sind  doch  stark  von  Bitiu  verschieden,  auch  deren  Ver- 
hältnis zu  dem  »verräterischen«  Weibe  ist  grundverschieden,  der  Tod  des 
Kotöej  wird  auch  in  allen  den  näher  verwandten  Versionen,  abgesehen  von 
geringfügigeren  Unterschieden  so  ziemlich  gleich,  verschieden  von  der  alt- 
ägyptischen Erzählung  herbeigeführt,  in  allen  diesen  Versionen  ist  das  Leben, 
die  Seele  des  Biesen,  Drachen,  Ko&j^ej  doch  anders  verborgen,  als  es  Bitiu  tat, 
und  mit  Unrecht  sagt  der  Verfasser  »diese  Verschiedenheit  stört  nicht  im  ge- 
ringsten die  genetische  Verbindung  der  neueren  Varianten  mit  der  altägyp- 
tischen Urquelle«  (S.  97).  Wir  hätten  erwartet,  daß  der  Verfasser  zuerst  die 
verschiedenen  neueren  Versionen  untereinander  vergleicht,  ihr  gegenseitiges 
Verhältnis  zu  bestimmen  sucht,  vielleicht  die  ursprüngliche  allen  diesen 
neueren  Versionen  zugrunde  liegende  Form  zu  konstruieren  sich  bestrebt  und 
dann  erat  diese  Grundform  mit  der  altägyptischen  Version  vergleicht  Aber 
er  nimmt  nur  das  russische  Märchen  aus  Afanasjevs  Sammlung,  zieht  außer- 


464  £ritiaolier  Anzeiger. 

dem  nur  noch  (Uta  von  AfuiuJeT  bereite  zitierte  norwegieeiie  Mltoclieii  herua, 
and  ist  mit  seinem  Urteil  fertig.  Trotzdem  er  Goeqnins  bertthmteB  Bneh  kemit^ 
reagiert  er  durchanz  nicht  auf  dessen  Toliends  begründete  E^ltik  »Ob  remar- 
qnera  qae,  dans  les  contes  aotaels,  ce  thöme  a  plus  de  nettet6  que  daaa  le 
conte  ögyptien . . .  n  nons  semble  que  dans  le  eonte  6gyptien,  ma|gr6  zob 
antiqnlt^,  nons  avons  affaire  a  nne  forme  alt6r6e  de  ee  thöme  et  non  4  la  forma 
primitivec  (S.  LXIV). 

Alle  unsere  Märchen  Ton  dem  die  Frinzeszin  gefangen  haltendeB  Un* 
geheuer  und  deren  Befreiung  durch  den  Helden  schUeßen  natürlich  mit  den 
Tode  des  Ungeheuers.  In  der  altSgyptischen  ErzShlung  wird  aber  weiter  fort- 
gesetzt, wie  Bitlu  von  seinem  Bruder  wieder  belebt  wird.  Nun  der  Verfzsser 
erträgt  es  schwer,  daß  dieses  »ungemein  orginale  Detail  der  alteragraueB  üi^ 
quelle«  von  den  europäischen  und  russischen  Nachahmern  und  NaeherziUem 
vergessen  wurde  oder  ihnen  unbekannt  blieb.  Trotzdem  es  offenbar  isti  dafi 
unsere  Erzählungen  mit  dem  Tode  des  Ungeheuers,  des  unsterblichen  KoMe) 
und  der  Befreiung  der  Schönen  ganz  natürlich  enden,  ist  der  für  die  altigjrp* 
tische  Erzählung  einseitig  eingenommene  Yer&sser  dner  anderen  Anidcfat, 
und  versteigt  sich  bis  zur  Voraussetzung,  daß  in  den  alten,  zu  uns  nicht  ge- 
kommenen Varianten  dieses  bemerkenswerte  Siget  (?  vielleicht  eher  Motiv) 
vorkommen  mußte,  daß  es  nicht  ganz  klar  war  dem  Verständnis  dee  Volkea 
und  daher  atrophiert  wurde . . .  (S.  108).  Wir  sehen  nur  darin  den  Beweis,  dafi 
eben  zwischen  unseren  europäischen  und  asiatischen  (arabischen,  ostindiaehenj 
Varianten  des  erwähnten  Märchens  und  der  altägyptischen  Erzählung  über^ 
haupt  kein  näherer  Zusammenhang  ist,  und  daß  sie  eigentlich  nur  das  Motiv 
von  dem  verborgenen  Herzen,  Lebenstalisman,  gemein  haben. 

Der  Verfasser  geht  in  seinem  Bestreben,  die  russischen  Erzählungen  von 
Koil6ej  dem  Unsterblichen  aus  der  altägyptischen  »Urquelle«  abzuleitoB  so 
weit,  daß  er  in  diesem  Sinne,  zu  diesem  Zwecke  eine  etymologische  ErkläruBg 
dieses  Namens  versucht.  Er  sucht  nämlich  den  Namen  Eoii^\  KoUef  in  nähere 
Verbindung  zu  bringen  mit  dem  Namen  Kauiu,  Kuider  Provinz,  deren  Ver- 
walter endlich  Bitiu  wurde  und  danach  selbst  benannt  wurde.  In  einem 
neuestens  von  On6ukov  im  Pecora-Gebiete  angezeichneten  Liede  Nr.  2  will 
er  eine  dem  altägyptischen  Namen  noch  nähere  Form  Kooi^'  aufgefundeB 
haben  (S.  120  ff.). 

Aus  dieser  altägyptischen  »Urquelle«  erklärt  der  Verfasser  noch  einige 
epische  Sagen,  so  von  der  Zauberin  Marinka,  welche  Dobryika  in  einen  Anw- 
ochsen  umwandelte.  In  dieser  sind  nach  der  Ansicht  des  Verfusers  (S.  1 25)  bb- 
verkennbar  einige  Elemente,  die  mit  dem  russischen  Volksleben  und  Chankter 
durchaus  nicht  übereinstimmen,  aus  fremden  und  entfernten  TraditioBCB  UBd 
Glauben  in  die  epischen  Lieder  hinttbergenommen  worden,  und  zwar  aus  den 
Traditionen  und  Erzählungen  des  alten  Ägypten,  welche  nach  Bußland  ent- 
weder indirekt  durch  die  Ägypter  selbst,  etwa  z.  B.  zur  Zeit  des  bekaBBtea 
Eriegszuges  des  ägyptischen  KOnigs  Sesostris  gegen  die  Skythen,  oder  dnreh 
den  vermittelnden  Einfluß  der  griechischen  Mythologie  und  Literatur  gebracht 
worden.  Der  Verfasser  erkennt  zwar  an  (S.  126),  daß  das  Schema  von  der  €le- 
schichte  Bitius  und  seiner  untreuen  Frau,  wie  auch  von  der  Verwandlung 


Speranskij,  Aob  AltSgypten,  angez.  vob  Polivka.  465 

Bitiiis  in  den  Apis  in  der  rnsBiBohen  »Bearbeitangc  »fast  unerkennbar«  wurde 
—  Bitin  wurde  ja  nicht  von  seiner  treulosen  Frau  in  einen  Stier  verwandelt, 
sondern  er  verwandelte  sich  selbst,  die  ganze  weitere  Geschichte  verläuft  ganz 
eigens,  so  daß  von  einer  Verwandtschaft  der  altSgyptischen  Eraählung  mit 
dem  russischen  epischen  Liede,  noch  mit  anderen  zahlreichen  Erzählungen 
von  der  Verwandlung  des  Hannes  in  ein  Tier  von  selten  des  bösen  Weibes 
(vgl.  Archiv  XIX  S.  250  Nr.  22;  XXI  S.  300  Nr.  19),  welche  gewiß  hätten  her- 
angezogen werden  sollen,  eigentlich  keine  Rede  sein  kann.  Doch  der  Verfasser 
postuliert  im  vorhinein  eine  Verwandtschaft,  und  so  muß  er  raisonieren,  wie  so 
das  alte  Sujet  von  den  russischen  Sängern,  Bezitatoren  verdorben  werden 
konnte.  Er  läßt  sich  in  eine  üefere  Analyse  der  russischen  epischen  Sage  und 
einen  Vergleich  mit  den  näher  verwandten  Härchen  gar  nicht  ein.  Daftlr  ist 
er  überzeugt  einen  unwiderlegbaren  Beweis  seiner  Ansicht  in  dem  Beinamen 
der  Harina  gefunden  zu  haben.  Sie  heißt  Kajdalovna,  Eajdals  Tochter.  Diesen 
sonderbaren  Namen  nun  glaubt  er  zwar  nicht  direkt  in  den  altägyptischen 
»Urquellen«,  aber  in  der  altgriechischen  Sagenwelt  gefunden  zu  haben.  Und 
zwar  zieht  er  Herodots  Erzählung  von  dem  letzten  Herakliden  Kandauloa  und 
dessen  Ermordung  durch  Gyges,  den  Geliebten  seiner  Frau,  heran.  Diese  in 
der  altgriechischen  Welt  einst  sehr  verbreitete  Sage  wurde  in  undenkbaren 
Zeiten  von  professionalen  Sängern  nach  Rußland  >oder  bestimmter  gesagt  in 
das  alte  Skythien«  gebracht,  und  da  »floß  sie  nach  und  nach  mit  dem  russischen 
Volksepos  wie  auch  mit  anderen  Orientalen  oder  sogar  altägyptischen  Sujets« 
zusammen.  Der  Verfasser  bekennt,  daß  die  Episoden  der  russischen  und  der 
griechischen  Sagen  nur  in  aUgemeinen  Konturen  Übereinstimmen,  dennoch  ist 
für  ihn  deren  genetische  Verbindung  unzweifelhaft  (S.  130).  Und  so  vergleicht 
er  weiter  noch  die  Sage  von  Harina  mit  der  altägyptischen  Urquelle.  In  dem 
Verhältnisse  der  Harina  einerseits  zu  ihrem  »lieben  Freunde«,  der  Zmej  Gory- 
ny6,  Tugarin  Zmijevi6  u.  a.  heißt,  andererseits  zu  Dobryna  will  er  das  Ver- 
hältnis derTochter  der  Götter  einerseits  zu  ihrem  jungen  Gemahl  Bitiu,  anderer- 
seits zu  dem  nicht  jungen,  aber  starken  und  schrecklichen  Pharaon  erblicken. 
Zm^j  Goryny6,  der  nichts  anderes  ist  als  eine  Abart  des  Eofi6ej  des  Unsterb- 
lichen, ist  derselbe  »Zauberer«  Bitiu;  jedoch  hätte  sich  aus  dieser  altägyp- 
tischen  Gestalt  auch  Dobryna  entwickelt,  und  andererseits  erinnert  Zmej  Gory- 
ny6  wieder  stark  an  Pharaon  (S.  135, 138).  In  eine  nähere  Verbindung  mit  der 
altSgyptischen  »Urquelle«  versucht  er  noch  eine  andere  Gestalt  des  russischen 
Epos  zu  bringen,  das  IdoUSSe  poganoje.  Er  will  darlegen,  daß  die  Sagen  von 
ihm  in  uralter  Zeit  gänzlich  unabhängig  von  dem  tatarischen  Einfall  entstanden 
sind  und  sich  gebildet  haben.  Der  Name  selbst  kann  nach  des  Verfassers  An- 
sicht durchaus  nicht  in  Beziehung  zu  den  zahlreichen  feindlichen  Völkern  ge- 
bracht werden,  welche  das  alte  Rußland  des  hl.  Vladimir  oder  Svjatoslavs 
kannte  (S.  145).  In  späterer  Zeit  seien  Sagen  von  den  Tatarenzügen  in  diese 
Sage  hineingetragen  worden  und  IdoliS^e  selbst  zu  einem  tatarischen  Fürsten 
umgewandelt  worden.  Um  die  Genesis  dieser  Sagen  klar  zu  stellen,  seien  die 
späteren  Einschiebsel  und  Zusätze  loszulösen. 

Der  Verfasser  stellt  die  grundlegenden  Elemente  dieser  Sage  fest  (S.  148  ff.) 
und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  daß  dieser  Stoff  mit  der  alten  ägyptischen  Ge- 

AreUv  fttr  slaTiBche  Philolope.    XXIX.  30 


466  BLritiBcher  Anaeiger. 

sehiohte  soBunmenhängt,  in  welche  auch  die  Entstehung  der  EnüUilnng  von 
den  zwei  Brüdern  fällt,  d.  i.  mit  der  Epoche  der  XIX.  Dynastie,  mit  der 
Epoche  Bamses  IL— SeBostris.  Diese  ktthnen  Hypothesen  will  nnn  der  Ver- 
fasser wieder  mit  Hilfe  der  Etymologie  sicherstellen.  Idolid^e  tritt  anch  nnter 
den  Namen  Batyg  Batyg0Yi6,  Badan,  Badanovli,  Kalin-car  o.  a.  anf  Die  Er- 
zählungen historischen  Inhaltes  von  den  EriegszUgen  des  Königs  Kania 
(Koiej)  Sesostris  flössen  mit  der  phantastischen  Sage  von  EGnig  Kanin  — 
Bata  (Bitin)  nnd  seinen  Metamorphosen,  in  einem  Worte  yon  Kon&ej  dem  Un- 
sterblichen zusammen.  Einige  Rhapsoden  behielten  lange  im  Gedächtnis,  daß 
dieser  Bata  Ko&it  war,  d.h.  Bewohner  der  Provinz  Kni,  welche  noch  einen 
anderen  Namen  hatte,  An,  gleichwie  das  Volk  selbst  nnd  jeder  einzelne  Be- 
wohner dieses  Landes  An  hieß.  So  wnrde  zu  dem  Eigennamen  des  Konsej 
Bata  das  Epitheton  An  angefQgt:  Bata-an^  nnd  darans  wurde  mit  der  Zeit 
Batan  oder  Badan,  In  eine  spätere  Zeit  fällt  die  HinznfÜgung  des  Patrony- 
mikons  Badanoyi6:  »Die  logische  oder  faktische  Grundlage  dieses  Patrony- 
mikons  liegt  wieder  in  der  ägyptischen  Sage  von  den  Metamorphosen  dea 
Bitiu-Kou&ej,  d.  i.  desselben  Batac  (S.  154).  Batyg  ist  ein  AugmentatiTum  von 
Bata  (S.  155).  Die  Sagen  von  diesen  Heereszttgen  wurden  ursprünglich  »von 
unseren  Vorfahren  den  Skythen  in  jener  weiten  Epoche  gebildet,  als  sie  noch 
in  Asien  lebten  und  mit  vielen  anderen  Nachbarvölkern  nicht  einmal  die 
schrecklichen  Kriegszüge  der  Herrscher  zu  ertragen  hatten,  deren  Namen  sie 
nicht  im  Gedächtnis  behielten,  aber  doch  deren  allgemeinen  Titel  Koui^  (Koui&a, 
Ku&).  Dieses  tapfere  Skythenvolk  konnte  sich  aber  auch  selbst  mit  einem 
Siegeszug  gegen  Ägypten  ausweisen.  Herr  Speranskij  erinnert  an  den  von 
Strabo  erzählten  Zug  des  Herrschers  der  Skythen  Idanthyrsos  durch  ganz 
Asien  bis  zum  Nil,  »d.  i.  in  das  Gebiet  des  Kou&ej  (des  ägyptischen  Pharao) 
selbst«.  Er  erklärt  zwar  selbst,  es  wäre  riskiert  zu  behaupten,  daß  gerade 
dieser  Siegeszug  die  ursprüngliche  Grundlage  der  Sage  von  dem  Siege  des 
I^a  Muromec  über  Idolü6e-Kouiej  war  (S.  157).  Dennoch  ließen  sich  hieraus 
manche  nnd  wichtige  Details  der  russischen  epischen  Lieder  von  diesem  Stoffe 
erklären.  Die  Grundlage  der  Vorstellungen  von  Kodiej-Idoli&6e  hätten  jene 
Denkmäler  geboten,  die  Ramses  n.  in  allen  unterworfenen  Ländern  anfiichten 
ließ.  Die  Benennung  IdoliS6e  poganoje  konnte  natürlich  erst  in  der  Zelt  des 
vollständigen  Sieges  des  Christentums  entstehen  (S.  163).  Zum  Beweis  seiner 
Hypothesen  führt  der  Verfasser  noch  andere  etymologische  Erklärungen  anf. 
Badan  Badanovii  hat  in  einigen  epischen  Liedern  noch  einen  Sohn  Torokaikai 
unter  diesem  Namen  sei  der  Name  eines  späteren  Nachfolgers  Ramses  des 
Großen  erhalten  und  zwar  des  Pharao  der  XXV.  Dynastie  Ta-cha-ra-ka, 
griechisch  Taqxog,  Taoaxos.  Sogar  wenn  Badan  «oio^-a-car  geschimpft  wird, 
will  der  Verfasser  ein  Überbleibsel  aus  der  ägyptischen  Geschichte  erblicken; 
es  wären  in  der  ältesten  Redaktion  dieses  Stoffes  die  Niederlagen  erzählt 
worden,  welche  die  letzten  Herrscher  der  glänzenden  Periode  der  ägyptischen 
Geschichte  oder  wenigstens  der  ägyptischen  Selbständigkeit  erlitten  hätten. 
Sahakon  (Saßaxtay)  und  Tacharak. 

Ein  anderes  episches  Lied  erzählt  von  JSTa/sVi-car,  welcher  nach  Rußland 
zahllose  Scharen  von  Tataren  brachte.  H.  Speranskij  bemerkt,  daß  wir  ans 


Spennskij,  Ans  Altiigypten,  anges.  von  Polivka.  467 

der  Qeschichte  der  TatareneinflUle  keinen  solchen  Namen  kennen.  Er  kann 
freilich  auch  ans  der  Sgyptischen  Geschichte  keinen  Herrscher  dieses  Namens 
anführen,  aber  doch  den  Namen  eines  Negervolkes  im  alten  Ägypten  ijta  Nnbien) 
Kali  (nach  einer  anderen  Lesart  Eari  oder  Kar).  Daselbst  war  noch  ein  anderes 
Negervolk  Namens  Tar-tar.  »Auf  diese  Weise  konnte  der  schreckliche  KOnig 
Kouiej  (d.  i.  Hamses  IL  oder  sein  späterer  Vertreter  Sabakon)  in  den  Volks- 
traditionen  den  Namen  ear  Kaiin  oder  Tartarin  nach  dem  Namen  der  nnter- 
worfenen  Völker  bekommen«  (S.  16S).  In  demselben  Lied  tritt  noch  der 
Schwiegersohn  des  car  Kaiin  namens  Sartak  nnd  der  Sohn  Lonisk  anf. 
Wenigstens  den  ersten  Namen  glanbt  der  Ver£user  ans  der  ägyptischen  Ge- 
schichte erklären  zu  können.  Sar  war  bei  den  Ägyptern  der  Titel  des  erblichen 
Satrapen,  nnd  so  konnte  Sar-tak  z.  B.  der  Fürst  yon  Theben  (Tapit)  sein.  Einer 
Yon  diesen  Sars  hatte  znr  Zeit  der  Pharone  Sabakon  nnd  Tarakos  eine  nnge- 
meine  Bedentnng  in  Ägypten.  Anch  der  Name  Potyk  soll  ägyptischen  Ur* 
aprongs  sein,  es  ist  »nichts  anderes,  als  eine  anf  mssische  Weise  nmgemodelte 
(▼erdorbene)  Form  des  ägyptischen  Namens  Bata  (d.  i.  Bitin)  (S.  197).  Außer- 
dem noch  den  Beinamen  KoS6ej  TripeioviS  (Kofi6ej  syn  Tripetovii,  KoS^j 
Tripetoy)  erklärt  er  so,  nm  ihn  in  Einklang  mit  seiner  Hypothese  zn  bringen: 
Bitin-Koniej  war  dreimal  einem  gewaltsamen  Tode  nnterworfen;  mit  der  Be- 
festignng  des  Christentums  kam  der  Brauch,  das  Totenamt  über  Verstorbene 
zu  halten  {atpSca^y  nnd  so  wurde  der  dreimal  Gestorbene  vom  Volke  danach 
benannt  »der  dreimal  abgesungene«  tripUyij, 

Der  Verfiuiser  ist  so  sehr  von  der  Richtigkeit  seiner  Deduktionen,  richtiger 
Phantastereien,  überzeugt,  daß  er  sich  höchlichst  wundert,  wie  so  dieser  Zu- 
sammenhang der  russischen  epischen  Lieder  mit  der  alten  ägyptischen  Sage 
noeh  Yon  niemand  erkannt  wurde.  Er  glaubt  dies  damit  erklären  zu  dürfen, 
daß  einerseits  in  Rußland  die  alte  ägyptische  Sage  sehr  wenig  bekannt  war, 
andererseits  daß  den  westeuropäischen  Gelehrten  wieder  die  russische  Epik 
nnd  Märchenwelt  »fast  vollständig  unbekannt«  war  (S.  204),  womit  er  natürlich 
nor  seine  Unkenntnis  der  einschlägigen  russischen  wie  auch  der  westeuro- 
päischen Literatur  kund  gibt.  Herr  D.  A.  Speranskij  scheint  nicht  einmal 
Masp^ros  Einleitung  zu  der  im  Eingang  unserer  Rezension  erwähnten  franzö- 
sischen Ausgabe  der  altägyptischen  Erzählungen  beherzigt  zu  haben,  denn  er 
hätte  da  gewiß  seine  all  zu  üppige  Phantasie  in  die  notwendigen  Grenzen  ein- 
gezwängt: 

Noch  eine  Reihe  von  Motiven  der  altägyptischen  Erzählung  »von  den 
zwei  Brüdern«  gab  dem  Verfasser  Anlaß  ähnliche  Motive  neuerer,  besonders 
rassischer  Märchen  mit  derselben  in  ein  genetisches  Verhältnis  zu  bringen. 
So  besonders  das  Motiv  von  der  EmpHingnis  des  verräterischen  Weibes  des 
Bitiu  durch  den  in  ihren  Mund  geflogenen  Hobelspahnj,  der  sich  von  den 
aof  ihr  Geheiß  gefällten  Bäumen  losgelöst  hatte,  die  aus  den  Blutstropfen  des 
Stieres  »  Bitiu  emporgewachsen  waren.  Er  zieht  hier  eine  ganze  Reihe  von 
Erzählungen  von  der  übernatürlichen  Empfängnis  heran,  so  durch  eine  Erbse, 
einen  Apfel,  einen  Fisch  (S.20Sff.),  vergleicht  besonders  Cosquins  Märchen 
»Le  fils  du  pdcheur«  und  verwandte,  unter  denen  Hahn  Griech.  alb.  M.  Nr.  22, 
welches  »einige  fische  Züge  der  ägyptischen  Urquelle«  erhalten  haben  soll 

30* 


468  Kritiacher  Anaeiger. 

(S.222ft),  endlich  die  von  Akftdem.  Alex.  Weueloftky  onteranchta  nlt&asi. 
Sage  von  der  Empfängnis  der  Tochter  Abrahams  durch  die  Blüte  des  Banmea 
Yom  Elreaze  Christi  (PaducKaHlA  VI*— X,  S.  417  £).  Weiter  werden  die  Sagen 
von  der  Metamorphose  Bitios  (Stier  —  ans  dessen  Blntstropfen  zwei  Bänme) 
ontersQcht  (S.  240 ff.)  nnd  hierbei  der  Nachweis  versucht,  daß  die  Sage  einen 
ungeheuren  Einfluß  auf  die  Entwicklung  der  Y olkssagen  ansgeilbt  habe.  Eine 
ungemeine  Bedeutung  für  die  Aufhellung  des  genetischenVerhSltnisses  einiger 
typischer  indoeuropSischer  Volkssagen,  besonders  der  russischen,  mit  den 
alten  ägyptischen  »Urquellenc  hat  noch  nach  dem  Verfasser  die  Sage  von 
Kadmos  (S.  248).  Wir  brauchen  in  diesen  Sagen  bloß  alle  Eigennamen  aus- 
zulassen und  den  Haupthelden  Ivsn  Carevi6  zu  nennen,  und  wir  eriialten  das 
Schema  für  sehr  viele  russische  Yolksmlrchen  (S.  250).  Gewöhnlich  wird  dieaee 
Schema  mit  anderen  Motiven  ausgestattet,  doch  auch  diese  gehören  der  grie- 
chischen Mythologie  an.  Doch  daneben  wurden  gerade  sehr  wichtige  Motive 
in  das  russische  Epos  nicht  angenommen,  trotzdem  sie  bei  den  alten  Griechen 
sehr  verbreitet  waren.  Der  Verfasser  erwähnt  hier  insbesondere  das  wichtigste 
Motiv  von  der  Entstehung  der  bewaffneten  ELrieger  aus  den  ausgesäeten 
Drachenzähnen.  Er  hält  es  natürlich  für  möglich,  daß  diese  Episode  eben  »von 
der  griechischen  Mythologie  aus  irgendeiner  uns  unbekannten  ägyptischen 
Urquelle c  entnommen  wurde  (S.  252).  Er  untersucht  weiter  das  bekannte 
Grimmsche  Märchen  Nr.  47  »Von  dem  Machandelboomc  und- findet,  daß  einige 
Einzelheiten  desselben  kaum  verständlich  sind,  wenn  man  nicht  die  ägyp- 
tischen Stoffe  zum  Vergleich  heranzieht  Die  weite  Verbreitni^  der  Meta- 
morphose des  von  der  Hexe  entflohenen  Mädchens  (es  wird  Grimm  Nr.&6  »Der 
liebste  Roland«  als  Beispiel  erwähnt)  »kann  nur  aus  der  Gemeinsamkeit  der 
gemeiuBamen  Urquelle  (Ägypten)  erklärt  werden  und  durch  die  ungehenre 
historisch-kulturelle  Bedeutung  der  vermittelnden  Instanz,  d.i.  des  klassischen 
Griechenlands  und  teUweise  Soms«  (S.  256).  Er  zieht  noch  Grimm  Nr.  130 
»Einäuglein,  Zweiäuglein  und  Dreiäuglein«  heran,  wie  auch  die  verwandten 
Märchen  anderer  Völker.  Die  russischen  Versionen  seien  noch  interessanter, 
meint  Herr  D.  A.  Speranskij,  denn  sie  haben  mehr  Ähnlichkeit  mit  dem  alt- 
ägyptischen Original.  Das  zaubertätige  Tier,  welches  sich  da  verwandelt,  ist 
nämlich  in  den  russischen  Märehen  die  Kuh,  »wie  es  auch  in  der  ägyptischen 
Urquelle  war«.  Es  fällt  dem  Verfasser  gar  nicht  ein,  nachzusuchen,  ob  dieses 
Märchen  ganz  gleich  auch  bei  anderen  Völkern  vorkommt  oder  nicht  Ein 
Glück  noch,  daß  er  z.  B.  nicht  Haltrich  Deutsche  VM.  Siebenbttig.s,  Nr.  36 
noch  Sebillot  Cont.  pop.  de  la  Haute  Bret.  Nr.  3,  Asbjömsen  Moe  Norweg.  VM. 
I S.  128  Nr.  19  kannte,  wo  die  Bolle  der  Kuh,  der  Beschützerin  der  verfolgten 
Stieftochter,  der  Stier  übernahm.  Ein  Wunder  noch,  daß  er  nicht  den  Stier 
aus  Afanasjev  Nr.  117,  118  herangezogen  hat,  der  die  Geschwister  von  dem 
Bären  rettete  und  aus  dessen  Gebeinen,  resp.  Asche  ihnen  die  helfenden 
Tiere  Pferd  und  Hund  oder  der  starke  fausthohe  Zwerg  mit  dem  ellenlangen 
Bart  entstand.  Endlich  wurden  noch  die  Metamorphosen  eines  anderen 
Märchens  Afanasjevs  Nr.  137  »Das  Zauberpfeifchen«  herangesogen,  von  dem 
erschlagenen  Bruder,  auf  dessen  Grabe  ein  Strauch  aufwuchs,  ans  welchem 
ein  Pfeifchen  gemacht  wurde,  welches  die  Mörderinnen  verriet  Das  Märchen 


Gavriloyiö,  20  serb«  Volkienahliingeii,  angez.  von  Polivka.        469 

nMbat  m  nnterBnehen  fSllt  ihm  gu  nicht  ein,  er  begütigt  sieh  nnr  mit  der 
knnsen  Bemerkung^  daß  es  davon  eine  nngehenre  Anzahl  von  Versionen  giebt 
und  mit  dem  Hinweis  anf  Afanasjevs  Anmerkungen;  Köhlers  Abhandlung 
(AnMtae  79  ff.)  kennt  er  natttrlieh  nicht,  wie  er  Überhaupt  mit  der  einschlägigen 
Ldteratnr  herzlich  wenig  bekannt  ist  Dagegen  ist  er  in  wenigen  Worten  fertig 
mit  dessen  Zosammenhang  mit  dem  altSgyptischen.  >Fttr  denjenigen  Leser, 
welcher  nicht  die  altSgyptischen  Urquellen  kennen  lernte  noch  deren  Einfluß 
auf  die  Entwicklung  der  dichterischen  Schöpfung  der  indoeuropttisehen 
Völker«  wird  diese  Übereinstimmung  freilich  wenig  bemerkbar  sein,  meint 
Herr  D.  A.  Speransky  herablassend. 

Doch  wir  fürchten,  schon  viel  zu  viel  über  dieses  Buch  gesprochen  zu 
haben,  und  wollen  abbrechen,  obwohl  noch  manches  zu  erwähnen  wäre,  was 
der  Verfiuser  vorbrachte,  besonders  von  dem  Einfluß  der  Griechen  auf  die 
Bildung  der  Sagen  und  Märchenwelt  der  slavischen  und  anderer  Völker.  Das 
Buch  wird  hofßButlich  bald  mit  seinen  sonderlichen  Auslassungen  und  Ein- 
ftllen  in  die  verdiente  Vergessenheit  verfallen,  doch  wünschten  wir,  daß  es 
auf  den  Verfasser  selbst,  der  doch  die  russische  traditionale  Literatur  so 
riemUch  kennt,  ernüchternd  wirkt  und  ihn  auf  Bahnen  leitet,  die  eher  zu  einem 
Erfolge  führen.  O.  Polivka. 


6.  A^aAecoT  cpncKnx  HapoxHHx  npHnoBe^aKa.  G  npeArosopoM 

H  c  6ej:eiiiKaMa  3a  H3Bop  h  napaiejie  TOKCTa  HS^ao  npo».  An^pa 

raBpHJOBnh  (Hd^aBe  icH»HxeBHe  sa^sÖHHe  HjHJe  M.  Eojiapi^a 

T.  112).  £eorpaAl906.  S.  104  (Zwanzig  serbische  Volksmärchen. 

Hrsg.  von  Andra  Gavriloyic). 

Es  ist  das  die  erste  Ausgabe  serbischer  Volksmärchen,  welche  mit  ver- 
gleichenden Anmerkungen,  Hinweisen  auf  ähnliche  Versionen  und  allenfiülige 
Quelle,  wie  auch  mit  einleitenden  Bemerkungen  über  den  Ursprung  der  ein- 
zelnen Märchen  ausgestattet  ist  Dadurch  hat  dieses  Buch  Anrecht  auf  eine 
lüüiere  Berücksichtigung  in  wissenschaftlichen  Kreisen.  Freilich  hätten  wir 
erwartet,  daß  der  Herausgeber  in  seinem  kritisch-bibliographischen  Kommentar 
hauptsächlich  die  serbischen,  wo  möglich  südslavischen  Versionen  heran- 
gezogen, und  dann  auf  vergleichende  Arbeiten  hervorragender  Gelehrter 
hingewiesen  hätte.  Leider  befriedigt  in  dieser  Hinsicht  dieses  Buch  nicht.  Herr 
A.  Gktvriloviö  begnügte  sich  mit  einigen  wenigen  Arbeiten  von  Prof.  Maretiö 
und  desBef.  Seine  Parallelen  sind  fast  durchweg  aus  zweiter  Hand  entnommen. 
Bei  erkennt  völlig  alle  die  Schwierigkeiten  an,  mit  denen  ein  auf  diesem  Ge- 
biete arbeitender  Gelehrter  in  Belgrad  oder  in  einem  anderen  südslavischen 
Kulturzentrum  zu  kämpfen  hat,  um  so  mehr  der  z.  Z.  in  Nisch  wirkende  Her- 
ausgeber dieser  Sammlung,  aber  die  größeren  wissenschaftlichen  Publikationen 
der  Sttdslaven,  den  Agramer  Zbornik  za  narodni  iivot  juinih  Slavena,  den 
bulgar.  GöopHHK'B  9a  nap.  yMOTBopeHMfl  hätte  er  doch  in  größerem  Maße  heran- 
ziehen können  und  sollen,  und  da  glauben  wir  doch,  daß  diese  ihm  nicht  so 
schwer  zugänglich  waren. 


470  Kritischer  Anzeiger. 

Die  in  dieser  SAmmlong  mitgeteilten  ICSrchen  sind  nicht  so  echt  Yolka- 
ttimlich  wiedergegeben,  wie  wir  es  von  der  Publikation  Tolksknndliohen  Ma- 
terials zu  fordern  das  Recht  haben.  Die  kleinere  Hälfte,  nenn  Nrn.,  bat  der 
Heransgeber  selbst  angezeichnet  and  zwar  drei  Nrn.  von  einem  Landmann 
ans  einem  Dorf  in  der  Nähe  von  Nisch,  vier  Nrn.  von  einem  Handwerker  in 
Nisch  nnd  zwei  Nrn.  von  einem  ans  Syrmien  stammenden  Dienstmädchen  in 
Belgrad.  Leider  hat  H.  A.  Gayriloyiö  den  yolkstiimlichen  Charakter  von  diesen 
Ersählangen  gänzlich  verwischt,  er  hat  nicht  einmal  die  dialektischen  Eigen- 
tttmlichkeiten  seiner  Erzähler  bewahrt,  —  seine  Bemerkung  S.  6  sengt  von 
einer  nicht  richtigen  Schätzung  des  Dialektes  —  obzwar  es  gewiß  von  hohem 
Interesse  für  den  Dialektologen  wie  für  den  Folkloristen  gewesen  wäre,  wenn 
wir  endlich  wirklich  Volkserzähiungen  in  dem  eigentümlichen  Nischer  Dialekte 
bekommen  hätten,  und  hierin  nicht  ausschließlich  auf  die  Erzählungen  eines 
St.  Sremac,  einer  Jel.  Jov.  Dimitrijeviö  u.  a.  angewiesen  sein  müßten.  Ein  aus 
der  Herzegovina  nach  Belgrad  auf  kurze  Zeit  zugereister  junger  Mann,  namens 
Bisto  Mitroyiö,  schrieb  seine  sieben  Erzählungen  für  den  Herausgeber  selbst 
nieder,  und  diese  Erzählungen  (Nr.  1—7)  machen  keineswegs  den  Eindruck 
echter  Volkserzählungen.  Auch  die  einer  Hirtin  vom  Eopaonik  von  einem 
Lehramtskandidaten  nacherzählten  zwei  Märchen  (Nr.  9  u.  11)  sind  literariach 
bearbeitet.  Von  zwei  Nrn.  (8  u.  17)  berichtet  der  Herausgeber  selbst,  daß  sie 
ihm  Yon  einem  Literaten  zugleich  mit  eigenen  Gedichten  geschickt  wurden 
und  gibt  die  Möglichkeit  zu,  daß  sie  von  ihm  selbst  »nach  seiner  eigenen 
Kenntnis  der  Volksmärchen«  geschrieben  worden  sind.  — 

Der  Herausgeber  gibt  in  der  Einleitung  Aufschluß  über  seine  Gewährs- 
männer, wie  auch  über  die  Herkunft  der  einzelnen  Erzählungen,  was  wir  mit 
geziemendem  Dank  quittieren.  Hieran  schließt  er  einige  Bemerkungen  über 
die  gedruckten  Nummern  und  einige  bibliographische  Berichte,  die  jedoch  ziem- 
lich stückhaft  sind  und  auf  einigen  wenigen  ihm  eben  bei  der  Hand  gewesenen 
Arbeiten  sich  gründen.  Es  ist  gewiß  des  Referenten  größte  Befriedigung, 
wenn  seine  Beiträge  zur  Märchenkunde  ausgiebig  benutzt  werden  und  wenn 
seine  Beiträge  besonders  an  Stellen,  wo  nur  sehr  geringe  Literaturbehelfe  zu 
Diensten  sind,  in  die  Fachliteratur  einführen.  Mit  dem  bloßen  Nachschreiben 
der  Zitate  sollte  man  sich  aber  nicht  begnügen,  sondern  man  sollte  die  zitierten 
Parallelen  durchstudieren.  Die  bibliographischen  Beiträge  sollten  doch  nnr  als 
Hilfsmittel  zu  märchen-  und  sagenwissenschaftlichen  Studien  benutzt  werden. 
Das  ist  ihr  hauptsächlichster  Zweck. 

Wir  gehen  nun  zur  Besprechung  der  einzelnen  Nummern  über. 

Nr.  1,  S.  13  f.  eine  Variante  zu  dem  Märchen  bei  Eojanoviö-Stefanoyid 
Nr.  5,  deutsch  Archiv  V,  20  ff.,  außer  den  von  mir  im  Zbomik  za  nar.  üv.  jni. 
Slayena  YULl,  171  und  von  Gavrilovid  wiederholten  Versionen  ist  noch  eine  in 
der  Zs.  »Bosanska  Vila«  1892,  VII,  252  ff.  abgedruckte  zu  erwähnen.  Der 
Held,  ein  durch  die  Bänke  seiner  Stiefmutter  vertriebener  Prinz,  bekommt 
die  Zauberflöte  von  einem  altersschwachen  Einsiedler,  dessen  Durst  er  ge- 
stillt hatte.  Die  Vilenkönigin  nahm  später  dem  Herrn  des  Prinzen-Hirten- 
bursohen  die  Augen,  als  er  bereits  in  dessen  Dienste  längere  Zeit  war.  Er 
verläßt  später  den  Dienst,  beschenkt  von  seinem  Herrn  mit  Pferd  und  Waffen. 


Gavriloviö,  20  serb.  Volkserzählangen,  angez.  von  Poliyka.         47 1 

Ganz  kurz  wird  dann  erzählt,  wie  der  ^rinz  eine  Prinzessin  yon  einem  Draehen 
befreite,  nnd  dieselbe  —  seine  Stiefschwester  —  zur  Fran  bekam.  Die  Über- 
windung und  TOtnng  des  Drachen  wird  ganz  eigens  erzählt.  Der  Drache 
maßte  nach  der  ZauberflOte  so  lange  tanzen,  bis  er  zn  einer  kleinen  Blase  zu- 
sammenschmmpfte,  die  dann  der  Held  leicht  mit  seinem  linken  Fuße  zertrat. 

Nr.  2,  S.  21  £  Der  Herausgeber  zieht  die  in  der  serbischen  Salomonsage 
bei  Vuk  St  Earadiid  Nr.  42  erzählte  Episode  vom  Glttcksrade  heran  und  die 
▼on  Haretjö  damit  verglichene  von  Habdeliö  1674  erzählte  Sage  von  Sesostris. 
VgL  die  Bemerkungen  vonBen6  Basset  zu  dieser  Sage  in  der  Bevue  des  trad. 
pop.  VI,  681  ff.  Sohönbach  Zur  Geschichte  der  altdeutschen  Predigt  S.  101, 
B6cejiOBCKi&  CaioiioHi  m  KuTOBpacii  S.  244. 

Nr.  3,  S.  27  f.  ist  eine  Version  des  stark  verbreiteten  Märchens  von  der 
bOsen  Mutter,  die  ihren  Sohn  ihrem  Liebhaber  (einem  Drachen,  Riesen,  Räu- 
ber u.  a.)  ausliefert  und  verrät  Der  Herausgeber  erblickt  in  dieser  Version 
eine  prosaische  Wiedergabe  des  bekannten  Liedes  » Jovan  i  divski  starjelina« 
(n,Nr.8).  In  beiden  Erzählungen  wird  die  Geschichte  wirklich  ziemlich  gleich 
wiedergegeben,  doch  sind  einige  nicht  unbedeutende  Unterschiede.  Ursprüng- 
licher wird  es  z.  B.  wohl  sein,  wenn  im  Märchen  der  Sohn  selbst  sagt,  daß  er 
die  Fesseln  aus  den  Haaren  der  Mutter  nicht  zerreißen  könnte,  und  dann 
wirklich  damit  gefesselt  wird.  Außer  den  von  MÄchal  0  epose  slovansk6m 
64  ff.  zusammengetragenen  Varianten  sind  von  südslavischen  noch  zu  nennen 
JeronRC  h&t.  cpncKe  Bd.  146,  S.  115,  Nr.  3,  Ejres  V,  1885,  S.  246,  Nr.  46,  Elan- 
KapoB-b  GöopH.  ("Kirap.  sap.  yMOTBop.  IX,  406  f.,  464.  Plohl  Herdvigov  Hrvat 
pjesme  i  pripov.  I,  135  f.,  Nr.  26.  EocaH.  BsJia  IX,  1894,  S.  188.  Gnpoci-paHov& 
npntasKH  S.  101,  Nr.  19  (G6opH.  (('bjrap.  nap.  yMOTBop.  XIX).  C6opu.  öi^ir.  uap. 
yMOTBop.  XI,  Abt.  3,  S.  141  f. 

Nr.  4,  S.  35  ff.  Ein  Mann  erfährt  im  Traume  alles,  was  ihm  notwendig 
ist,  wenn  er  den  ersten  Bissen  vom  Mahle  unter  die  linke  Fußsohle,  und  den 
letzten  Bissen  unter  die  rechte  steckt. 

Nr.  5,  S.  41  f.  »Zwei  Ringe«,  sicher  nicht  echt  volkstümlich.  Ein  Mann 
kommt  in  eine  einsame  Herberge,  wo  seine  Schwester  an  den  Wirt  verheiratet 
ist  Wie  der  Wirt  seinen  Gast  morden  will,  erkennt  dessen  Frau  in  dem  Gast 
ihren  Bruder.  Der  Mann  tOtet  den  Wirt  und  hierauf  grünt  und  treibt  frische 
Triebe  der  Wald.  Der  Schluß  erinnert  an  den  Schluß  einiger  Märchen  vom 
reuigen  Räuber,  wie  bei  Afanasjev  JlereeffLT  S.  94  u.  a. 

Nr.  6,  S.  47.  Eine  Variante  der  bekannten  Sagen  von  der  Geburt  Kon- 
stantins, des  hl.  Andreas,  deren  neue  serbische  Versionen  unlängst  Fr.  S.Erauss 
in  seinen  Anthropophyteia  I,  Nrn.  48,  49  abdruckte.  Eine  andere  Version 
lesen  wir  noch  im  (Mophhk'b  Maxep.  KasKas.  XXXV,  Abt  2,  S.  72  f.  Herr  Ga- 
vriloviö  hätte  in  seiner  Anm.  auf  die  bekannten  Abhandlungen  von  Wesselof- 
sky,  Dragomanov  und  R.  Köhler  (II,  241,  355)  hinweisen  sollen. 

Nr.  7,  S.  51  f.  »Die  Krone  und  der  Hirte«.  Der  Hirte  wird  Bräutigam  der 
einzigen  Tochter  des  KOnigs,  nachdem  sich  dreimal  auf  sein  Haupt  die  in  die 
Hohle  geworfene  Krone  niedersetzte.  Sonst  wird  auf  diese  Weise  gewöhnlich 
der  neue  KOuig  selbst  gewählt    Vgl.  meinen  Aufsatz  in  dem  N&rodopisn^ 


472  KiitiBcher  Anzeiger. 

Sbomik  VI,  140  f.  —  Hiermit  ist  weiter  yerbanden  eine  Sage  von  'dem  Auf- 
finden einer  verennkenen  Kirche. 

Nr.  8,  S.  57  f.  Die  Yila  führt  den  König  ans  dem  Walde  hinana,  wenn  er 
ihr  verspricht,  auf  der  Stelle  eine  Bnrg  zn  bauen.  Gewöhnlich  muß  der  Mensch 
in  diesem  Falle  dem  übernatürlichen  Wesen  sein  Eänd  (von  dem  er  noch  nicht 
weiß,  daß  er  es  zu  Hause  zurückgelassen  hat}  versprechen.  Als  dann  der 
König  in  der  neuerbauten  Burg  vor  seinen  Grüsten  verleugnet,  daß  er  sie  für 
die  Yila  erbaute,  wird  er  von  ihr  samt  den  Gästen  versteinert  Hiermit  ist 
dann  eine  etymologische  Sage  von  der  Entstehung  Ofens  (Budim)  verbunden ; 
eine  recht  plumpe  Deutung  dieses  Ortsnamens. 

Nr.  9,  S.  61  f.  Zum  Lenorenstoff. 

Nr.  10,  S.  65  f.  Von  dem  Teufel,  seinem  ReisegefiUirten,  befreite  sieh  der 
Arme  dadurch,  daß  er  sich  bekreuzigte. 

S.ll,  S.  69  f.  Die  Zeit,  die  der  brave  König  bei  der  Besichtigong  des 
Hammels  verbringt,  verschwindet  wie  ein  paar  Augenblicke.  Vgl  Chauvin 
Bibliogr.  des  ouvrages  arabes  Vn,  102.  Die  vom  Herausgeber  in  der  Anm. 
aus  den  »Besjede«  des  Divkoviö  zitierte  Legende  ist  die  vom  verzückten 
Mönch,  den  ein  Vogel  ins  Paradies  geleitet.  Köhler  Klein.  Sehr,  n,  239  ff. 
Diese  hatte  bereits  Iv.  Mil6etid  im  Zbomik  za  nar.  iivot  juinih  Slavena  I,  2 
mit  anderen  Varianten  abgedruckt,  und  hierzu  noch  einige  Parallelen  in  dem- 
selben Zbomik  X,  S.  1  ff.  mitgeteilt,  worauf  der  Herausgeber  hStte  hinweisen 
sollen. 

Nr.  12,  S.  73  f.  Das  Weib  setzte  sich  auf  den  Teufel,  ließ  sich  von  ihm 
über  den  Fluß  hinübertragen,  und  ließ  ihn  nicht  eher  los,  als  bis  er  ihm  alle 
seine  >Teufelei<  übergeben  hatte.  Das  weitere,  was  wir  in  weißrussisehen 
Versionen,  in  einer  kaukasischen  G6opH.  Maxep.  KasRas.  XIH,  Abt  2,  S.  269,  in 
einer  slovakischen  Slov.  Pohl'ady  1895,  S.  385  f.,  in  einem  böhmischen  Waldau 
Böhm.  MB.  656  u.  a.  lesen,  wird  da  nicht  erzählt 

Nr.  13,  S.  77  f.  Zwei  Diener,  ein  braver  und  böser,  wetten,  wessen  Lohn 
recht  verdient  ist,  aber  nicht,  wie  oft  erzählt,  durch  die  Wasserprobe,  sondern 
das  soll  beweisen,  wenn  der  Rauch  aus  dem  gekauften  Thymian  gerade  zum 
Himmel  steigt.  Diese  Spendung  des  Weihrauches  hat  in  den  Sagen  gew.  nur 
den  Zweck,  die  Gunst  Gottes  zu  erlangen.  Vgl.  Bosan.  nar.  pripov.  redovn. 
omlad.  bos.  S.  140.  lUanKapeBi  G6ophhr'b  VIII,  S.  18,  Nr.  12,  G6opH.  sa  aap. 
YMOTBop.  XVI— XVn,  n.  Maxep.  S.  330.  Simrock  Deutsche  March.  S.363  (nen- 
griech.).  AeaHacBeBi»  ^^  11,  48,  53.  Xyaakob'l  BeJiERopyc.  cr.  IH.  S.  77,  Nr.  95. 
PoMaHOB'B  E^opyc.  G6.  VI,  486,  Nr.  54.  ETHorpa*.  361pHHR  XIH,  S.  173,  Nr.  353; 
XrV,  S.  243,  Nr.  41. 

Nr.  14,  S.  81  f.  Ein  Schmied  bekommt  dafUr,  daß  er  gegen  das  Kind  Jesn 
gastfreundlich  war,  einen  Ranzen,  der  ihm  immer  so  viel  Geld,  wie  er  wünscht, 
gibt.  Alle  anderen,  die  gegen  Jesu  unfreundlich  waren,  wurden  hart  bestraft. 

Nr.  1 5,  S.  85  f.  Das  Getreide  hat  eine  so  kurze  Ähre,  da  die  Leute  gegen 
die  Mutter  Gottes  und  den  Sohn  geizig  waren.  Das  Pferd  unersättlich,  da  es 
sie  nicht  über  das  Wasser  tragen  wollte,  vgl.  üraorpa«.  36ipBHK  XQ,  S.  75, 
Nr.  84,  aus  anderen  Gründen  verflucht  (es  zog  Stroh  aus  der  Krippe  Jesus). 
Kraus  Sag.  Mär.  Südslav.  H,  Nr.  68.  Kapapuh  n,  216.  draorpa«-.  06oBp.  LI,  S.  7. 


Bandonin  de  Conrtenay,  SlaviBohes  am  NorditaUen,  angez.  von  Polivka.   473 

.  Nr.  16,  S.  87  f«  Eine  Legende  von  einem  frommen  MSdolien,  welches 
jeden  Tag  BchQner,  und  einem  anfrommen  Mädchen,  welches  jeden  Tag  häß- 
licher wird. 

Nr.  18,  S.  95  f.  Varianten  zur  Geschichte  vom  zerbrochenen  Topf  Milch. 
Vgl.  Arohiv  XVI,  319;  XIX,  259,  Nr.  148;  XXI,  270,  Nr.  180;  Eraorpa*.  36ipH. 
VI,  S.  182,  Nr.  408.  Montanas  Schwankbücher  ed.  Bolte  S.  303,  603,  Nr.  53. 

Nr.  19,  S.  99.  Ein  Mensch,  der  beim  Nestaasnehmen  sich  in  großer  Ge- 
fahr befindet,  verspricht  Grott  and  den  Heiligen  alles  mögliche,  doch  nimmt 
dann  sein  GelUbde  zarUck.  Vgl.  meine  Anm.  im  Zbomik  za  nar.  £ivot  joinih 
Slavena  Vm,  S.  174,  Nr.  15.  Archiv  f.  siebenbttrg.  Landesknnde  xy^Tn, 
412,  428. 

Nr.  20,  S.  101  f.  >Das  Kaninchen  nnd  der  Hase«.  Eine  interessante  Pa- 
raUele  zor  bekannten  äsopischen  Fabel  von  der  Stadtmaas  nnd  der  Feldmans, 
welche  vielfach  ins  Volk  gedrangen  ist,  z.  B.  Cartze  Volksüberlie£  Waldeck 
180.  Kolberg  Chefanskie  n,  122  a.  23.  Q,  PoUvka. 


7.  Materialien  zur  südslavischen  Dialektologie  und  Ethnographie. 
n.  Sprachproben  in  den  Mundarten  der  Slaven  von  Torre  in  Nord- 
ost-Italien. Oesammelt  und  herausgegeben  von  J.  Baudouin  de 
Conrtenay.  St-Petersburg.  Kais.  Akademie  der  Wissenschaften 
1904  (CÖopHHK  OTÄiJ[.  pyccK.  hb.  h  cjob.  t.  LXXVni.  1905.  Nr.  2). 

S.  XXXn  +  240  *). 

Diese  Materialien  enthalten  verschiedene  Erzählangen  flber  Bosnien, 
über  Mißernte  und  Hangersnot,  endlich  Märchen,  daneben  verschiedene  Ge- 
spräche und  einzelne  Mitteilnngen,  mannigfaltige  Sprachproben,  aach  zwei 
Vateranser  (S.  23,  99),  Lieder  (S.  84  f.)  nnd  znm  Schiasse  von  Fr.  Ella  von 
Schonltz-AdaYewski  aufgezeichnete  Volksweisen  mit  Text,  anßerdem  eine 
Beachreibang  der  Hochzeit  ans  dem  Dorfe  Monteaperto  (S.  46),  der  Tracht 
ans  demselben  (S.  49)  and  einem  anderen  Orte  (S.  87),  Küche  aus  Monteaperto 
(S.  50).  Znm  Schiasse  sind  noch  von  Andern  angezeichnete  Sprachproben,  ein 
HilfsbUchlein  für  den  Beichtvater  (S.  179)  n.  a.  abgedrackt  Alle  Texte  sind 
ausschließlich  als  Sprachproben,  als  Material  za  lingnistischen  Zwecken  ver- 
öffentlicht Gewiß  beanspruchen  sie  jedoch  aach  das  Interesse  der  Folklo- 
risten. Um  diesen  den  Gkbranch  seiner  Materialien  zn  erleichtem,  hat  Prof. 
Baadooin  de  Conrtenay  allen  Texten  eine  rassische  Übersetzang  beigefügt 
Denselben  Zweck  haben  unsere  folgenden  Anmerkangen  zu  den  einzelnen 
MIrchen. 

S.  3—5,  Nr.  1.  Der  Abt  nnd  der  Kaiser.  Vgl.  Archiv  XXII,  306,  Nr.  287, 
288.  Zs.  f.  öst  Volksk.  VIQ,  151,  Nr.  64.  EocaH.  Bsiu»  XIH,  284.  ByR  BpneBHh 
Gpn.  Hftp.  npHnoB.  xpaiKe  S.  103,  Nr.  225.  Der  Pfarrer  heißt  ähnlich  wie  bei 
Crane  Ital.  pop.  tales  Nr.  92  »don  Piero  senza  pensiero«,  nar  hat  er  sich  das 

>)  Ober  den  I.  Bd.,  der  1895  erschien,  vgl.  Archiv  XVm,  620  ff. 


474  KriÜBoher  Anzeiger. 

Bogar  auf  die  Firmtafel  an  seiner  Tür  anbringen  lassen.  Gans  gleich  wird  in 
beiden  Versionen  die  Frage  nach  der  Zahl  der  Sterne  beantwortet  Doch 
sonst  hat  die  slavische  Version  besser  den  Stoff  erhalten,  als  diese  italienische 
ans  Sizilien. 

S.  29—31,  Nr.  1.  Die  Hanstiere  im  Waldhanse,  eigentlich  in  der  Höhle 
der  Wölfe;  sind  absichtlich  hingezogen,  nm  die  WOlfe  zn  vertreiben. 

S.  33,  Nr.  3.  Der  Erzähler  wird  fortfahren,  bis  die  3000  Schafe  über  die 
enge  Brücke  hinübergekommen  sein  werden;  wie  bei  Crane  S.  150,  Nr.  40,  und 
bereits  in  »den  hundert  alten  Erzählungen«,  hsg.  von  Jacob  Ulrich  Nr.  31 ,  S.d5. 

S.  40—42,  Nr.  1.  Ein  Mann  hOrt  in  der  Kirchenpredigt,  »wenn  jemand 
einen  Krenzer  gibt,  wird  er  für  einen  hundert  haben«.  Der  Pfarrer  schickt  ihn 
zum  Bischof,  der  Bischof  zu  Gott  Die  alte  Anekdote,  vgl.  Montanns  Schwank- 
bücher,  hsg.  von  Bolte  S.  412,  629,  Nr.  108,  ist  da  so  yermehrt,  doch  die  Reise 
zu  Gott  ist  weiter  abgebrochen. 

S.  68—71,  Nr.  1.  Die  Einleitung  erinnert  an  das  Märchen  yon  dem  die 
Tiersprache  verstehenden  Mann  und  dessen  wißbegieriger  Frau  Kranss  I, 
Nr.  97,  Tgl.  Archiv  Vn,  318;  XXI,  3ü0,  Nr.  17, 18.  Strohal  Hrvat  nar.pripov. 
n,  S.  13,  189,  Olaf  Broch  Die  Dialekte  des  südlichen  Serbiens  213.  Gnpocrpa^ 
HOBi  npuKaaKH  OT'B  ccjio  K'BpcRo  (GöopH.  MBU.  XIX)  S.  128,  Nr.  24.  Chanyin 
Bibliogr.  arabe  V,  170,  Nr.  104.  —  Weiter  wird  erzählt,  wie  der  Esel  dem 
Ochsen  rät,  auf  welche  Weise  er  sich  von  der  schweren  Arbeit  losmachen 
könnte.  Göophhk-b  muh.  II,  Abt  3,  S.  211,  Nr.  1,  CnpocxpaHon  npHusui  on 
c.  KipcKo  129  (06opHURx  XIX).  Asmus  &  Enoop  Sag.,  Erzähl.  Kolberg-Körlin 
S.  07  f. 

S.  90—92,  Nr.  2.  Die  bekannte  Sage  von  der  Hexe  und  dem  sie  beobach- 
tenden und  ihr  folgenden  Knecht  ist  hier  mit  der  Sage  vom  Buckeligen  ver- 
bunden; das  eigentümliche,  vom  ersten  Buckeligen  glücklich  beendigte  Lied- 
chen (vgl.  Clouston  Populär  Tales  and  Fictions  I,  352)  ist  freilich  ausgefallen. 

S.  J08— 1 11.  »Wir  drei«  zu  Grimm  Nr.  120;  vgl.  meinen  Aufsatz  in  der 
Zs.  Lud  II,  S.  9  f.  Archiv  XIX,  268,  Nr.  4;  Y^T,  267,  Nr.  121. 

S.  145,  Nr.  2.  >Vom  lahmen  Pfarrer«,  wie  er  auf^^eschreckt  von  Dieben 
in  der  Kirche  davonlief  und  nicht  mehr  lahm  war.  Ahnlich  Eocau.  BuKa  Y, 
1S90,  S.  29,  IlaMflTBHRH  ApcBuoä  nucLMeH.  1878—1879,  S.  120. 

S.  147,  Nr.  5.  Vom  geizigen  Pfarrer,  dem  das  Dienstmädchen  das  Essen 
ablernte,  ihn  verhungern  ließ  und  endlich  beerbte.  Ähnlich  EocancKa  Bbju 
vn,  1892,  S.  60.  Vgl.  Archiv  XXI,  S.  284,  Nr.  235. 

S.  148,  Nr.  7.  Das  faule  Weib  wird  von  ihrem  Manne  von  ihrer  Faulheit 
geheilt,  wie  z.  B.  im  kleinrussischen  Märchen  aus  Nordungam.  Archiv  XXI, 
296,  Nr.  27. 

unter  den  von  Frl.  Schoultz-AdaYewski  gesammelten  Texten  lesen  wir 
u.  a.  ein  Lied  vom  hlg.  Isidor,  das  sich  von  den  in  Prof  Strekelj's  Sammlung 
abgedruckten  Liedern  Nr.  586—602  ziemlich  stark  unterscheidet  Der  Vier- 
zeiler S.  206,  Nr.  7  gehört  zu  den  von  ätrekelj  II,  Nr.  3764—3768  angeführten 
Varianten.  q,  PoUvka. 


äaieU,  Aqb  dem  YolkBleben  in  AdleU&i,  anges.  yon  Gnfenaner.     475 

Bisernice  iz  belokranjekega  zaklada.    I.  V  Adlefii6ih  nabral  Ivan 
äaie^,  iapnik.  Zaioiilo  »EatoIiSko  tisk.  dru&tvo  y  Ljubljani«  (1906). 

Efai  lahr  leliOnaa  Bflchlem  folkloristLiehen  InludtB.  Der  VerfiwBer,  lang- 
jlliiiger  Pfiuier  in  Adlefti6i  in  ünterkmin,  hat  die  zwanzig  Jahre,  die  er  nnter 
den  Weißkidnem  wirkt,  gewiBsenhaft  benutzt,  um  das  sowohl  sprachlich  als 
aneh  yolkakandlich  so  merkwürdige  VOlklein  zu  stadieren.  Schon  im  alten 
>Sk>yan«,  in  den  »Drobtinice«  nnd  im  »Dom  in  Syet«  hat  er  ans  dem  Volks- 
lieder- nnd  Wortschatie  der  Weißkrainer  Einzelnes  yerGffentlioht,  hier  gibt 
er  das  erste  Bindohen  seiner  folkloristischen  Sammlung  als  Ganzes  heraus. 

Die  flamminng  ist  sehr  reichhaltig;  sie  enthält  1)  Sprichwörter  und 
Bedensarten,  2)  Yolkslieder  (87  Nnmmem):  erzählende,  lyrische  Lieder,  Ge- 
legenheitslieder, fromme,  Soldaten-  nnd  yerschiedene  Lieder;  3)  aberglänbi- 
sehe  Briinohe  nnd  Yolkssitten;  4)  »mythologische«  Stoffe;  5)  Märchen  nnd 
Sagen;  6)  ein  Wörterbuch  der  Mundart  Das  Bemerkenswerteste  in  diesem 
Büelüein  sind  die  Volkslieder  und  das  Wörterbüchlein.  Auch  der  erste  Ab- 
schnitt hat  manches  recht  Schöne  für  die  yolkstttmliche  Phraseologie.  — 
Manche  yon  den  Volksliedem^)  sind  schon  bei  ätreke^'  gedruckt,  die  Mehr- 
zahl aber  noch  nicht  Die  meisten  dieser  Lieder,  namentlich  die  älteren,  leh- 
nen sich  in  der  Sprache  an  das  Kroatische  an  und  sind  sowohl  sprachlich  als 
auch  inhaltlich  bedeutsam.  Wir  finden  hier  teUweise  den  serbokroatischen 
»deseterac«,  den  Aorist,  die  nominale  Deklination  der  Adjektiya,  den  Instr. 
der  a-Stämme  auf  -um  und  auch  phonetisch  manches,  was  mehr  dem  Serbo- 
kroatisohen  sich  nähert;  kurz,  der  Weißkrainerdialekt,  wie  er  sieh  hier  zeigt, 
ist  eine  sehr  interessante  Übergangsmundart  yom  Sloyenischen  zum  Serbo- 
kroatischen. Wie  aber  die  Dialekte  im  allgemeihen  desto  mehr  abgeschliffen 
werden,  je  mehr  der  Buchdruck  und  die  Schule  sich  Einfluß  auf  das  Volk  er- 
werben, so  geht  es  auch  hier:  der  Dialekt  nähert  sich,  wie  hnkelj  selbst  er- 
iHUhnt  (S.IV)y  immer  mehr  der  sloyenischen  Schriftsprache,  das  Charakteristi- 
sche wird  allmählich  abgestreift,  das  Allgemeinere  dringt  durch.  So  zeigen 
auch  andere  Lieder  einen  größeren  Zusammenhang  mit  den  benachbarten 
sloyenischen  Dialekten,  wohl  auch,  weil  manche  dayon  yon  dort  hierher  ge- 
kommen sind. 

Inhaltlich  ist  das  Lied  äaieU  Nr.  1  eine  Veryollständigung  der  fragmen- 
tariachen  Varianten  bei  ätrekelj  L  Nr.  58 — 59,  anderes  ist  eine  willkommene 
Ergänzung  yon  schon  bekannten  Varianten  (6a&elj  Nr.  7  —  ätreke^j  Nr.  215— 
218;  äaielj  U  -  Ötrekelj  281—286;  äaüeU  21  —  Strekelj  586-602,  u.  andere). 
Eine  ganz  beträchtliche  Anzahl  hat  aber  keine  bisher  bekannte  sloyenische 
ParaOele,  wohl  aber  yielleicht  anderswo.  In  dieser  Beziehung  ist  besonders 
daa  lied  Nr.  17  a  interessant  St  Peter  will  auf  die  Erlaubnis  Christi  hin  seine 
Mutter  an  einem  Leinenfaden  aus  der  Hölle  ziehen.  Als  sich  aber  dabei  an- 
dere Seelen  an  sie  anhängen,  will  sie  diese  abschütteln,  da  sie  ihnen  die  Selig- 
keit nicht  gönnt;  der  Faden  reißt  und  sie  fällt  nur  noch  tiefer  in  die  Hölle. 


<)  Außer  dn  paar  Liedern  hat  alles  äa&elj  selbst  in  Adleii6i  aufgezeichnet 
nnd  zwar  möglichst  so,  wie  er  es  ans  dem  Munde  des  Volkes  gehört  hat,  S.IV). 


476  Krititoher  Anzeiger. 

Bemerkenswert  ist  die  große  Verbreitung  dieses  Stoffes,  denn  selbst  die 
Schwedin  LagerlOf  hat  ihn  in  ihren  Legenden  bentttst  — 

Anch  in  der  Rubrik  m,  wo  von  YolksgUnben  nnd  Yolkssitten  die  Bede 
ist,  sind  einzehie  Lieder  eingestellt,  die  bei  venchiedenen  Gelegenh^ten  ge- 
sungen werden.  Nicht  bu  yergessen  ist  auch  die  Bemerkung  des  Verfssaeis 
(auf  S.  VI)  in  Bezug  auf  den  Abergiauben  und  die  Yo&sbriiuche,  daß  sie  im 
Schwinden  begriffen  sind,  wie  die  alten  Yolkslieder,  die  er  nur  bei  alten 
Frauen  noch  gefunden  hat,  die  aber  bei  der  Jungen  Generation  nicht  mehr 
bekannt  sind.  Auch  das  übrige  Material  ist  schön,  namentlich  aber  wertroll 
ist  das  WOrterbflchlein:  es  bringt  auf  44  Seiten  neben  anderen  über  1200  in 
Pleterüiniks  WOrterbuche  nicht  verseichnete  WOrter,  also  einen  gani  anselm- 
liehen  Wortschats. 

Das  Büchlein  ist  nach  alledem  besonders  als  eine  Erginzuag  zu  ätrdceys 
Yolksliederausgabe  sehr  zu  empfehlen. 

Erainburg,  Aprfl  1906.  Ivan  Qrafmmut. 


Zusatz.  Das  angezeigte  Büchlein  verdient  in  der  Tat  die  größte  Be- 
achtung seitens  der  slavischen  Philologie.  Es  eröffnet  einen  Einblick  in  den 
sehr  merkwürdigen  Prozeß  des  Übergangs  aus  dem  serbokroatischen  Yolks- 
tnm,  das  einst  den  Grundcharakter  der  Bevölkerung  bildete,  unter  dem  Einfluß 
des  politisch-administrativen  Lebens  und  des  dadurch  bedingten  Yexkehrs, 
dann  der  Kirche  und  Schule,  in  das  slovenische  Yolkstnm.  Ln  gegebenen 
Fall  würde  ich  von  den  zwei  Benennungen  Obergangsdialekt  und  Mischdialekt 
entschieden  den  letzteren  Ausdruck  als  den  bezeichnenderen  vorziehen.  Denn 
im  gegebenen  Falle  wurde  das  Serbokroatische,  das  die  untere,  ältere  Schicht 
bildet,  dank  sei  es  den  oben  genannten  Faktoren,  von  dem  Slovenlschen  ab 
einer  jüngeren  Schicht  Überdeckt  Dieses  dringt  durch  alle  Poren  in  die  frühere 
Sprache  ein.  Das  härtere,  widerstandsßüiigere  Material,  also  das  Lexikon,  dann 
ältere  Yolkslieder  und  Yolkssprüche,  leistet  noch  immer  Widerstand,  erhält 
sich  im  betiächtlichen  Umfange,  dagegen  die  beweglichen  Sprachformen  und 
Lanterscheinongen  haben  schon  stark  nachgegeben.  Dürfen  wir  hoffen  (das 
Büchlein  führt  ja  L  auf  dem  Titel),  daß  uns  ein  zweites  Heft  mehr  Züge  ans 
dem  Yolksleben  mitteilen  wird.  Ich  würde  namentlich  auf  die  genaue  Yer- 
Zeichnung  der  üblichen  Familiennamen  aufmerksam  machen.  V.  J, 


Kleine    Mitteilungen. 


Einige  serbokroatische  Lelmworter. 

1.  F&mp  s.  m.  »Wamme«. 

Dm  Wort  wird  nur  in  pejorativer  Bedeatang  in  ^amberach  gebraucht, 
anch  in  den  Ableitungen  fdmpan^  fanifnna^  fampük  »Dickwanst,  Dickbauch« ; 
im  SloY.  bei  Pieterinik  11  S.  747,  vamp^  vampdS,  vampa6a  etc  (Auch  bei 
Belosteaec:  yampe  intestina.)  Es  geht  «if  d.  Wampe  ^  eine  Nebenform  fttr 
Wanme,  snrüok.  Dieses  Lehnwort  aeigt  auch,  wie  sich  das  Geschlecht  slavi- 
scher  Lehnwörter  nach  dem  slav.  Auslaute  richtet  und  wie  es  gewöhnlich  un- 
abbSügig  von  dem  Qeschlechte  im  Deutschen  ist.  Ähnlich  ist  auch  iUrnja  in 
Sidielbiirg  »Stern«  (als  militärisches  Abaeichen),  vielleicht  durch  Angleichung 
an  MoijezdOf  hier  in  der  Form  zoizda^  entstanden.  Dieselbe  Unabhängigkeit 
sieht  man  auch  in  den  älteren  Lehnwörtern  aus  dem  Deutschen:  ahd.  seado 
s.  m.  >  serbokroat  ihoda  s.  £  In  serbokroat  itibra  s.  f.  <  ahd.  stwra  s.  f.  nhd. 
^eum'  ist  nur  dank  dem  gleichen  Auslaute  dasselbe  Geschlecht  geblieben. 
Ebenso  ist  es  in  kramp  s.  m.,  hrampUa  s.  f.  <  d.  krampe  (Kramme),  auch  bei 
Pleteiinik  n  S.  456  (kr&mp). 

2.  P'^^kvoy  pika  s.  f. 

Bei  Vuk  Rj.  509  wird  dieses  Wort  als  »eine  Schale  von  Eisen,  die  er- 
hitzt über  den  Laib  Eukuruzbrots  gelegt  wird,  um  ihn  schneller  zu  verbacken, 
vas  pistorium«  (Ivekoviö-Broz  ^.  U  23)  erklärt  Diese  Bedeutung  ist  nicht 
die  einzige.  P'ikva  habe  ich  auch  in  Sichelburg  gehOrt.  Es  bedeutet  hier  ein 
Tongesehirr  zum  Backen  der  Gänse  und  Truthähne.  Es  hat  mehr  eine  elypsen- 
förmige  Gestalt,  der  Boden  desselben  ist  rund  und  klein,  um  so  breiter  und 
großer  sind  die  Seiten,  so  daß  eine  ganze  Gans  oder  anderes  Geflügel  leicht 
hineinpassen  kann.  Der  Band  ist  ein  wenig  aufgestülpt.  Filipoviö  im  deutsch- 
kroat  WOrterbuche  übersetzt  es  mit  »eine  Art  Reindl«.  S.  noch  bei  PleterSnik 
n  S.  20  pikeo,  kve  vaidpikva  die  Bratpfanne.  Das  Wort  ist  deutsch:  <  mhd. 
heeke  (auch  nhd.,  s.  Grimm,  D.W.  I  S.  1215),  eine  Nebenform  für  Becken.  Es 
wurde  ein  ähnliches  v  eingeschoben  wie  in  murva  <  ital.  niora;  s.  darüber 
bei  ätrekey,  Zur  slav.  LehnwOrterkunde  S.  6  sub  he^^ca.  Bei  dieser  Gelegen- 
heit erwähne  ich  anchi  daß  das  Wort  pek  »Bäcker«,  welches  man  bei  den 

ivci  hört,  auf  oberdeutsch  Beck  (mhd.  beeke)  zurückgeht 


478  Kleine  MitteilimgeiL 

3.  lUUalj  B.  m.  »Beitel«. 

Dieses  Wort  kommt  in  ^omberach  (Sichelbarg)  yor.  Auch  ein  Zeitwort 
ist  davon  abgeleitet:  taratyäti  (B.bei  j^trekel),  Zur  Blay.LehnwOrterkonde  S.49 
bIoy.  poretljati).  Die  Wiedergabe  des  dentschen  Diphthonges  «t  doroh  m  ist 
nicht  selten,  vgl.  e8$rar<  Zeiger  (anf  der  Uhr),  s.  Tndi  elementi  n  karlova^kom 
dialekta  von  B.Strohal,  in  Nastavni  vjesnik  XVI,  S.  1S3.  Vgl  auch  ti^t^  he. 
S.  185,  in  Sichelbnrg  aber  in  der  Form  sStffik  >  d.  Seidel.  Daneben  gibt  es 
aber  noch  eine  andere  Wiedergabe  desselben  Diphthonges  oj:  /^'<fv  <  Leiter. 

4.  Strükalf  s.  m.  »ein  Stflck  Topfenstradel«, 
itrUyi  »Topfenstradel«. 

Dieses  Wort  wird  anf  dem  kigkavisohen  Gebiete  gesprochen,  so  in 
Sichelbarg  and,  wie  ich  hOre,  in  der  Gegend  von  Agram,  Wsrudin  and  im 
Podravina  (itrulnff).  Es  ist  das  deatsche  Wort  Strudel.  Die  Laatgrappe  di> 
kl  ist  öfters  anzntreffen,  so  bei  ätreke^j  o.  c.  S.  3  sab  bagUdi.  Ahnlich  wie  diese 
Grappe  geht  d.  tl  in  kl  über:  kikga  < Kittel;  piikyar,  pekyiUi^)  < Betder,  bet- 
teln (s.  dieses  Wort  anch  bei  D.  Zgrablid,  Cakavski  dijalekt  im  Jahresberidit 
des  Gymnasiams  in  Pazin  1906,  S.  3);  vgl.  anch  ^/  für  <2;  in  r^'nglik  <  Bdndel 
in  Sichelbarg,  rajngla  im  Kajkavischen,  anderwUrts  in  Kroatien,  Slavonien  und 
Bosnien  laatet  das  Wort  rdnjUka.  S.  aach  bei  Pleterinik  n,  S.  648  HHAelj. 

5.  ügUny  g.  tigdna  »der  Tiegel,  Backpfanne,  oasserole«. 

Neben  dieser  Form  findet  man  bei  Yak  (s.Ivekovid-Broz  Bj.  n  569)  noch 
ügBnjy  ifgdnja  and  das  Diminntiv  tigänjiea,  tigänjid.  In  Sichelbarg  habe  ich 
noch  tigäpja  gehört,  wo  man  für  dasselbe  Ger&t  noch  pömna  (and  popnm) 
spricht  Das  Wort  ist  in  Znsammenhang  za  bringen  mit  d.  Tiegel^  welches 
seinerseits  za  lat.  Ugula  gehört  Unsere  Form  ist  darch  eine  Art  Saffixtaneeh 
entstanden;  das  scheinbare  Saffiz  in  *tigal  wnrde  darch  -an;  nn^';  •amja  er- 
Bj9tzt,  welche  Saffixe  bei  Benennang  von  Hansgerftten  eine  nicht  nnansdinliche 
Rolle  za  spielen  scheinen;  vgl.  einige  Aasdrttcke  bei  Maretiö,  Gramm.  1 333 
obruiSn  (»lonac,  koji  je  opasan  obra6em«),  m)  and  o).  Hierher  zähle  ich  noch 
ruSk&nj  »ein  großer  Topf«,  eine  Ableitang  von  rü6ka  »Henkel«,  riSeiajt;,  -hffa 
für  schriftsprachlich  ribei;  beides  aas  Sichelbarg. 

6.  Vardiite. 

Dieser  Ort  liegt  im  südöstlichen  Bosnien  nächst  der  serbischen  Grenze 
anf  dem  Flusse  Itzav,  g.  Hzdva  (nicht  Biava^  wie  es  anf  den  Karten  steht,  s. 
Kaselja  srpskih  zema^a  ü  614).  Im  Bezirke  Yi&egrad  gibt  es  VardUte  gonife 
und  donje.  Aach  im  Bezirke  Visoko  gibt  es  ein  Vardiite  (s.  die  Haaptresoltate 
der  Volkszählung  in  Bosnien  and  der  Herzegovina  1 896).  In  Nase\ja  n,  S.  1 1 50 
finden  wir  ein  VardUte  (»odaüe  je  üao  (sc.  pat)  a  Vardiite«).  Dieser  Name 

1)  In  der  Umgebnng  von  Karlstadt  lauten  diese  Wörter:  p^lffar,  P^Hf^ 
pHlja  (&=  in  Sichelbarg  pek\jdnje\  s.  den  erwähnten  Artikel  von  Strohal,  L  e. 
S.  184.  Vgl.  auch  Meklftka  für  M^tUka  (ein  Marktflecken  in  ünterkrain)  in 
Sichelbarg. 


Kleine  Mitteilimgeii.  479 

wird  nieht  m  trennen  sein  von  vielen  Varda.  Naeh  den  erwShnten  Haapt- 
reenltoten  finden  wir  Ortschaften  niunens  Farda  in  den  Bezirken  Visoko, 
Yiüegnd,  Zenica  nnd  Mostar.  In  Naselja  II,  S.  521  wird  noch  Varda,  Vardina 
gora  im  oberen  Limgebiete  in  Montenegro  erwähnt;  im  Bezirke  Yisoko  noch 
Varda  planitM,  Ans  Serbien  ist  mir  nnr  Vardenik  im  Kreise  Yranje  (ans  Na- 
selja n  142)  bekannt  Der  Name  dürfte  sich  beziehen  anf  das  Zeitwort  vardati 
<  germ.  teardSn  »acht  haben,  spähen,  aosschanen«  oder  venez.  vardar.  Die 
Bildung  wäre  ähnlich  dem  StraiUte  im  Bezirke  Vi&egrad.  Da  diese  Ortsnamen 
nnd  das  Zeitwort,  so  viel  ich  sehe,  hauptsächlich  auf  Bosnien  beschränkt  sind, 
so  ist  nicht  unmöglich,  daß  vardati  durch  die  Sachsen,  die  bekanntlich  in 
Bosnien  Bergarbeiter  waren,  aus  dem  mitteldeutschen  toarden  zu  uns  gekom- 
men ist  Dadurch  sei  das  im  Archiv  XXYIII S.  4  68  über  vBrdati  Gesagte  vervoll- 
ständigt Auch  in  romanischen  U&ndern  wird  germ.  warddn  zur  Ortsnamen- 
bildung  häufig  benutzt,  vgl.  sehr  viele  La  Oarde  und  Beüegarde  in  Frankreich. 
YgL  noch  Vardidi  Bez.  Sarajevo  und  Konjica. 

7.  Ad  Basante,  Bassantis  <  ^o«u<. 

An  der  Savestraße,  welche  von  Sirmium  nach  Siscia  führte,  lag  zur 
ROmerzeit  eine  Station  Ad  BaaanU.  Nach  Tomasohek,  Die  vorslavische  To- 
pographie der  Bosna  etc.  Mittheilungen  der  k.k.  geographischen  Gesellschaft, 
Bd.  23,  S.  499  f.  lag  diese  Station  »der  Distanz  nachc  dort,  wo  heute 
Gradütje  (d.  h.  Gradiftte  in  Slav.),  Ausfluß  des  Boiut  (was  schon  bei  Klaiö, 
Poviest  Bosne  S.  32  in  Bosut  berichtigt  ist)  aus  der  Save,  gegenüber  dem 
Einflüsse  der  bosnischen  Tolisa.  Die  Benennung  dieser  Station  ist  ähnlich 
einer  anderen:  Ad  Dnnum  (s.  Tomaschek  1.  c.  S.  560);  darnach  wäre  in  Ba- 
sante ein  Flnßname  zu  suchen.  Klaiö  zitiert  diesen  Autor  in  seiner  Poviest 
Bosne  S.  32,  hält  aber  die  bei  Tomaschek  1.  c.  erwähnte  andere,  gewöhnliche 
Identifizierung  des  Ortes  für  richtig,  wonach  Ad  Basante  gegenüber  der  Ein- 
mündung der  Bosna  in  die  Save  läge,  was  aber  der  auf  der  Tabula  Peutinge- 
riana  angegebenen  Distanz  (20  rOm.  Meilen  von  Saldis,  56  von  Sirmium) 
widerspricht  Dasselbe  tut  Klaiö  auch  anf  seiner  historischen  Wandkarte  ^). 
Doch  glaube  ich,  daß  hier  auch  die  Linguistik  dreinzureden  hat  Auf  S.  500  1.  c. 
meint  nämlich  Tomaschek,  daß  sich  der  alte  Name  von  dem  Flusse  Bosna  aus 
ad  Basante  erschließen  läßt  Diese  Ansicht  läßt  sich  auf  keine  Weise  begrün- 
den. Es  kann  ein  bloßer  Zuflül  sein,  daß  der  Anfang  eines  ülyrischen  Orts- 
namens Bassania  mit  diesem  Übereinstimmt  Dies  wird  um  so  wahrschein- 
licher, als  man  keine  Beweise  dafür  hat,  daß  dieser  Ort  gerade  an  der  Mün- 
dung der  Bosna  (wie  Klaiö  o.  c.  S.  32  will),  oder  gegenüber  deren  Einmündung 
lag.  Nach  den  slavischen  Lautgesetzen  aber  entspricht  Bo9ut  genau  dem  Ad 


1)  Kukuljeviö,  Panonija  rimska  in  Rad  XXIII,  91  identifiziert  Bacuntius, 
Basantius  mit  dem  Flusse  Bosna;  o.  c.  S.  93, 127, 154  wird  Bassante,  Ad  Ba- 
sante in  »Yirovi  na  Bosutu«  gesetzt;  o.  c.  S.  123  »Yirovi  medju  ^npanjem  i 
Boiiyaeima«,  dagegen  S.  153  in  »Imena  panonskih  miesta  protumaöena  da- 
nainjimi« :  Ad  Basante  danas  Drlnski  utok.  Es  ist  klar,  daß  hier  bei  Kuku^je- 
▼iö  eine  große  Yerwirmng  herrscht 


480  Kl6ine  Hitteflim^^. 

Basanie  and  nicht  Borna  ^).  Lat  a  >>  o  und  an>  u  sind  allgemein  bekannte 
Dinge.  Diese  Tatsache  stimmt  mit  den  oben  erwShnten  topographischen  Er- 
wägungen überein.  Was  sollen  wir  aber  mit  Bactmiius  anfimgen,  das  bd  Pli- 
nins  Hist  nat.  in  edd.  Janas  S.  1 53  (alter  amnis  Bacnntias  in  Sanm  Sirmio 
opido  infinit  nbi  civitas  Sirmiensium  et  Amantinomm)  vorkommt  and  mit 
Bosnt^  identifiziert  werden  maß?  (Gf.  Tomaschek  o.  c.  and  Thesannis  lin- 
gaae  latinae  1672).  Anf  der  Tab.  Peating.  wird  unser  Ortsname  mit  einem  s 
geschrieben,  bei  Geogr.  Raven.  mit  Ewei  s  {Bassaniis).  Eine  Yerschreibang 
von  c  and  s,  von  u  and  a  ist  schwer  anznnehmeni  da  es  keine  abweichende 
Lesarten  in  den  Handschriften  von  Hist.  nat.  (edd.  Janas 'XU)  gibt  ^cher 
ist,  daß  Bosut  mit  Bacuntius  laatlioh  nicht  vereinbar  ist. 

8.  freuUy  g.freulsia  s.  n.  Taschentach. 

Nach  den  Mitteilnngen,  die  mir  zukamen,  kommt  dieses  Wort  in  Bosnien 
vor  (so  in  den  Elreisen  von  Sarajevo,  Travnik).  Es  ist  italieniseh/osso/^tto; 
vgl.  facdlf  facuUt  auf  der  Insel  Arbe  bei  Ku&ar,  Rapski  dijalekat,  Bad  CXYII. 
S.  17  u.  19.  Das  italienische  Sufiix  -etio  bewirkte  den  Übergang  des  Worte« 
zu  den  ^-Stämmen.  Auch  dieses  Wort  zeigt  Jenen  sonderbaren  Übergang  von 
0  >  r,  welchen  Strekelj  in  der  obenerwähnten  Arbeit  S.  34  sab  krUtka  be- 
sprochen hat 

9.  basöktaii  »  deutsch  sprechen. 

prJUlati  B=  in  fremder  Sprache  reden. 

Das  erate  Wort  kommt  in  Sichelbarg  (Zumberak)  vor  und  sicher  anden- 
wo  in  Kroatien.  Es  geht  offenbar  auf  d.  toas  sagt  (er)  ?  zurück.  Das  zweite 
Wort  soll  nach  meinen  Mitteilungen  in  Bosnien  vorkommen.  Einen  Beleg 
finde  ich  im  Sar^evoer  Tagblatt  >Srpska  rije6c  vom  25/X.  (7/XL)  1907, 
Nr.  232,  S.  3:  »Psi ....  stado&e  dahtati,  a  kuferaöi  prkelati€,  BrkeljaU  soll 
gewöhnlicher  sein.  Die  Grundlage  ist  italieniBch  perM  »warum«. 


1)  Wenn  Dr.  L.  von  ThalliSczy  in  Glasnik  zemalj.  muzeja  I,  S.  10  (in  der 
Note)  erklärt,  es  sei  vollkommen  für  die  Ableitung  von  Bosna  von  alb.  bos,  b<m9 
>Salz«  irrelevant,  ob  Bosna  mit  Basante,  Basinas,  ad  Basante  zusammenhSngt, 
so  ist  das  ein  Irrtum,  da  man  bekanntlich  bei  der  Aufstellung  einer  Etymolo- 
gie immer  von  der  ältesten  nachweisbaren  Form  ausgehen  muß.  Wenn  man 
diesen  Zusammenhang  erkannt  hat,  so  wird  man  nicht  sagen  wollen,  daß  -na 
in  Bosna  ein  slavicfches  Suffix  sei,  wie  es  der  Verfasser  S.  6  tut 

^)  So  auch  bei  Sigismund  von  Birken  a.  1694  (vgl.  Hraniloviö-Hire,  Pri* 
rodni  zemljopis  Hrvatske  Heft  3,  S.  92)  ^Bozotha,  so  des  Plinii  Bacuntius«. 
Ist  die  Endung  -a  bei  Birken  ein  bloßer  Schreibfehler,  oder  lautete  die  serbo- 
kroat  Form  zu  dieser  Zeit  wirklich  so?  Y^l.  andere  Bdsuta  in  Ak.Bj.1,  S.561. 

P.  Skok. 


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Gr.  80.    (VII  u.  316  S.)     1897.    Geh.  10  Mark. 

Diese  um  das  Jahr  1563  gemachte  Uebersetzung  der  Lutherischen  Uebersetzung 
der  Propheten  im  istrokroatischen  Dialect,  deren  erste  Ausgabe  vernichtet  zu  sein 
schien,  wurde  in  einem  einzigen  erhaltenen  Exemplar  in  einem  Stift  OberOster- 
reichs  entdeckt  und  wegen  der  Yortrefflichkeit  der  Sprache  derselben  von  dem  Akade- 
miker V.  Jagiö  mit  Unterstützung  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften  heraus- 
gegeben. 

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EIN  BEITRAG  ZUR  SLAVISCHEN  PHILOLOGIE 

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PSALTERIUM 
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INTERPRETATIONEM  VETEREM  SLAVICAM 

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ALIIS  CODICIBÜS  COLLATAM. 

AÜNOTATIONIBUS  ORNAT  AM, 

APPENDICIBÜS  AXJCTAM 

ADIUTUS  ACADEMIAE  SCIENTIARUM  VINDOBONEN- 

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Lex.  80.  (Vni  u.  968  S.)  1907.  Geh.  25  Mark. 


Der  altkirchenslawische  Bologner  Psalter  liegt  endlich  in 
dieser  prächtigen  Ausgabe  vollständig  vor.  Ihm  ist  ein  Kom- 
mentar beigegeben,  dessen  griechische  Vorlage  nächstens  er- 
scheinen  wird.  Die  Ausgabe  ist  mit  der  Unterstützung  der 
kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien  mit  ganz 
neuen  cyrillischen  Typen  gedruckt  und  enthält  außer  dem  Psalter, 
teils  in  parallelen  Texten  teils  in  kritischen  Anmerkungen,  noch 
mehrere  andere  gleichartige  Denkmäler. 


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ARCHIV 


FÜR 


SLAVISCHE  PHILOLOGIE. 


UNTER  BUTWIRKUNG 


VON 


A.  BRÜCKNER,    A.  LESKIEN,     W.  NEHRIN6,    F.  FORTÜNATOV, 

BERLIN.  LEIFZia,  BRESLAU,  ST.  PETER8BUB0. 

CJIRECEK,   ST.  NOVAKOVIC,   A.  SOBQLEVSKU, 

WIEN.  BELGRAD,  St.  PBTEB8BX7RO. 

HERAUSGEGEBEN 
VON 


\.   JAGIC- 


NEUNUNDZWANZIGSTER  BAND 

VIERTES  HEFT. 


BERLIN  1908. 

WEIDMANN8CHE  BUCHHANDLUNG. 
S.  W.  ZIMMEBSTRASSE  94. 

ST.  PETERSfiURQ,  K.  L.  RICKBR. 


INHALT. 


Abhandlungen.  2$eit« 

Der  Reflex  des  indogermanischen  Diphthongs  ^u  im  Urslavischen,  von  G.  1 1  j  i  n  s  k  i j  481 

Der  Dialekt  tou  Mostar,  ron  Vladimir  Coroviö 497 

Beitrage  zur  Kulturgeschichte  des  serbischen  Volkes,  II  von  Aleksalviö.    .  511 

Eliska  XräsnuhorskÄ,  von  Jaromir  X.  Dole^al 517 

Ein  Bruchstück  von  Moliäres  George  Dandin  in  der  Übersetzung  F.  K.  Frankopans, 

von  T.  Matiö ö29 

Die  Nomenklatur   in   den   kroatisch -glagolitischen   liturgischen   Büchern,   von 

Jos.  Vajs 550 

Kritischer  Anzeiger. 

Karasek,  Slav.  Literaturgeschichte,  angez.  von  J.  Sutnar 581 

Ostojiö,  Dositheus  Obradoviö  im  Kloster  Opovo,  angez.  von  D.  Prohaska  .    .  610 

Dr.  C^nov,  Urheimat  u.  Ursprache  der  Bulgaren,  angez.  von  S.  Mladenov    .   .  613 

Croiset  van  der  Kop,  De  morte  prologus,  angez.  von  W.  N  eh  ring 615 

Kleine  Mitteilungen. 

Jugendprozessionen  zu  Ostern  in  Lubom  im  Kreise  Ratibor  und  eine  Urkunde 

darüber  aus  dem  J.  1672,  von  W.  Nehring 618 

Die  visio  mortis  des  Polykarp  in  einer  Prager  Handschrift,  von  W.  Nehring.  621 

CyjyHÄäp — atoXTjyoQioy,  par  St.  Novakoviö 622 

Eine  glagolitische  Inschrift,  von  Jos.  Suman 623 

Ein  Beitrag  zur  Biographie  Arsenius^  IV.  Jovanovid,  von  Vladimir  Öorovid.  624 

Zur  Etymologie  von  asl.  aite,  von  A.  Musiö 625 

Eine  kroat.  Privaturkunde  (Pfandbrief)  vom  J.  1663,  von  V.  Jagid 625 

Posa,  von  Kappus 626 

Nekrologe: 

+  Jan  Oebauer,  von  V.  Jagid 629 

+  Alexander  Koeubinskij,  von  Fr.  Kidric 633 

Zur  Entgegnung,  von  A.  Brückner 637 

Sach-,  Namen-  und  Wortregister,  von  A.  Brückner 639 

Alle  Einsendungen  für  das  »Archiv  für  slavische  Philologie«  sind 
an  mich  nach  Wien  VIII,  Kochgasse  15,  zu  richten. 

y.  Jasic. 

Das  Archiv  für  slavische  Philologie  erscheint  in  Heften  zu 
10  Bogen  oder  Doppelheften  zu  20  Bogen,  je  vier  Hefte  bilden  einen 
Jahrgang.    Preis  für  den  Band  20  .^,  für  einzelne  Hefte  6  Jf, 

Der  Ladenpreis  für  die  bis  jetzt  erschienenen  Bände  I — XXTX 
beträgt  581  JK.  Dazu  gehört:  Supplementband  zum  Archiv  für 
slavische  Philologie,  enthaltend:  Bibliographische  Übersicht 
über  die  slavische  Philologie  1876  — 1891,  zugleich  General- 
register zu  Bandl— Xni  von  Fr.  Pastrnek.  gr.  8.  (VEI  u.  415  S.) 
15  ujr. 

Berlin.  Weidmannsche  Buchhandlung. 


Der  Beflex  des  indogermanischen  Diphthongs  h. 

im  ürslayischen. 


In  der  langen  Reihe  von  Verdiensten,  die  der  verstorbene  dentsche 
Sprachforscher  Johann  Schmidt  nm  die  slavische  Sprachwissenschaft  hat, 
nimmt  die  Entdeckung  des  Reflexes  des  idg.  Diphthongs  eu  im  Urslavi- 
sdien  nicht  die  letzte  Stelle  ein.  In  seinem  Aufsatz  »Was  beweist  das  e 
der  europäischen  Sprachen  ftlr  die  Annahme  einer  einheitlichen  euro- 
päischen Grundsprache?«  (KZ.  XXTTT  333  ff.]  hat  dieser  Gelehrte  zuerst 
darauf  hingewiesen,  daß  der  »europäische«  Diphthong  eu  in  den  litu- 
Blavischen  Sprachen  nicht  mit  dem  Reflex  des  Diphthongs  ou  zusammen- 
fällt (wie  bis  dahin  fast  alle  Forscher  behauptet  hatten),  sondern  in  den 
baltischen  Sprachen  in  den  Diphthong  tau  und  in  den  slaviachen  in  ju 
flbergegangen  ist.  Um  dieses  Gesetz  nachzuweisen,  f&hrt  Schmidt  a.  a.  0. 
8.  348 — 349  folgende  Beispiele  an: 

slav.  lfuh^J  got.  Hubs 

»     Ifudije^  as.  liudi 

»     bljudq,  got.  btudoj      gr.  Tceif&ofiai 

»     ihf>q  iujqj  ahd.  chiütou 

»    rjutt,  ags.  ryf 

»     hlJudOf  got.  hiups. 

Außerdem  hat  Schmidt  a.  a.  0.  S.  350  diesen  Beispielen  noch  slav. 
siverb  s=  lit.  iiaurySj  got.  aküra  tcindü^  lat  caurus  und  auf  S.  352 
slav.  pljuiia  »Lunge«  =  Ut.  plätUSei  hinzugefiOgt  Die  geringe  Zahl 
dieser  Beispiele  (von  denen  Schmidt  heute  ohne  Zweifel  einige  streichen 
würde,  weil  sie  ohne  genflgende  Beweiskraft  sind,  und  zwar  b^judo  als 
aus  dem  Gothischen  entlehnt  und  ifjioq  als  auf  idg.  *gieu-  zurtlokgehend) 
machte  ihn  nicht  irre,  sondern  veranlaßte  ihn  nur,  b\b,y.ju  s=  idg.  hi  als 
»erstarrte  Steigerung«  zu  charakterisieren.  Was  den  Übergangsprozeß 
▼on  idg.  eu  in  slav.yu  betrifft,  so  ist  nach  Schmidts  Ansicht  »der  Diph- 
thong eu  im  Slavischen  wie  im  Nordischen  auf  seinem  zweiten  Element 
betont  gewesen.  Dadurch  sank  das  erste  zu  ^  und  weiter,  da  Hiatus 
nicht  geduldet  wird,  au/«. 

▲rehiT  für  slaTiaehe  Philoloffie.   XXIX.  31 


482  G.  njinskij, 

Trotz  der  geringen  Zahl  der  von  Schmidt  znr  niustrienmg  der  von 
ihm  entdeckten  Regel  angefahrten  Beispiele  sprach  diese  so  sehr  fär  sich 
seihst,  daß  es  nicht  weiter  auffällig  ist,  daß  sie  sehr  hald  Anhänger  fand 
(vgl.  z.  B.  Th.  Korsch  ASPh.  lU  667).  Dann  aber  stieß  sie  anf  eiaen 
flberzengten  Gegner  in  A.  Bezzenberger,  der  in  einem  besonderen  Artikel 
»Gibt  es  ein  enropftisches  eu?€  (BB.  n  141 — 151)  die  Beweiskraft  der 
von  Schmidt  angeführten  Reflexe  dieses  Lantes  im  Litaslavischen  an- 
zweifelte. Um  gerecht  zn  sein,  muß  man  jedoch  bemerken,  daß  Bezzen- 
berger  gegen  das  slavische  Material  Schmidts  eigentlich  flberhanpt  gar 
keine  Einwendungen  erhebt,  wenn  man  von  seinen  Bemerkungen  ttber 
bljtulo  absieht,  das  er  mit  Recht  als  dem  Gothischen  entlehnt  betrachtet, 
und  über  sSverbj  dessen  VerhSltnis  zum  lit.  iiaurys  er  mit  Unrecht  dem 
Verhältnis  von  slav.  cSko  zu  lit.  voka  gleichstellt.  Fast  das  ganze  Arsenal 
der  Einwendungen  Bezzenbergers  richtet  sich  gegen  die  Beispiele  Schmidts 
aus  den  baltischen  Sprachen.  Er  analysiert  jedes  einzelne  dieser  Bei- 
spiele und  gelangt  zum  Schluß,  daß  es  im  Lettischen  und  Preußischen 
nur  je  ein  Wort  gebe,  dessen  Wurzelvocale  aus  idg.  eu  erklärt  werden 
könnten.  Im  Littauischen  gebe  es  dagegen  kein  einziges  solches  Wort! 
Hieraus  folgert  Bezzenberger,  daß  die  Hypothese  Schmidts  »etwas  ttber- 
eilt«  sei.  »Nach  allem  dem«,  sagt  er  weiter,  »ist  es  für  die  Frage,  ob 
die  europ.  Grundsprache  ein  eu  besessen  habe,  unwesentlich,  ob  das  ju 
der  ksl.  Wörter  lJub^J  Ijudije,  bijudq,  itij^j  rjuti  aus  eu  entstanden 
sei,  oder  nicht.  Triftige  Grflnde  lassen  sich  gegen  jene  Annahme  nicht 
geltend  machen,  sie  ist  in  der  Tat  sehr  wahrscheinlich  und  wir  mflssen 
J.  Schmidt  dankbar  sein,  daß  er  wieder  eine  sprachliche  Erscheinung  in 
neuem  Lichte  gezeigt  hat.  Aber  durch  sie  wird  doch  erst  ein  Teil  der 
Gründe,  welche  gegen  die  Ansetzung  eines  europ.  eu  sprachen,  beseitigt^ 
und  dieselbe  kann  erst  dann  auf  Sicherheit  Anspruch  machen,  wenn  der 
Diphthong  eu  in  den  baltischen  Sprachen  zuverlässig  nachgewiesen  ist 
Bis  das  geschehen  sein  wird,  muß  die  in  einzelnen  Wörtern  erscheinende 
Übereinstimmung  des  ksL/u  mit  dem  germ.,  griech.,  ital.,  kelt  eu  ebenso 
beurteilt  werden,  wie  einstweilen  die  Übereinstimmung,  die  öfters  hin- 
sichtlich des  o  zwischen  den  slavischen  und  den  sfldeuropäischen  Sprachen, 
zuweilen  auch  dem  Germanischen  erscheint,  oder  die  andere  Überein- 
stimmung, die  bezttglich  der  Behandlung  eines  auslautenden  «  zwischen 
ihm  und  den  , westgermanischen'  Mundarten  vielfach  zutage  tritt  usw.« 

Ich  werde  auf  die  Einwendungen  Bezzenbergers  gegen  die  litauischen 
Beispiele  Schmidts  nicht  eingehen,  und  zwar  nicht  nur  deshalb,  weil  dies 


Der  Reflex  des  indogermanischen  Diphthongs  eu  im  Urslavischen.     4g3 

das  Thema  meines  Artikels  wenig  berühren  wtlrde,  sondern  auch  weil 
£.  Bemeker  in  seiner  bekannten  Studie  »Von  der  Vertretung  des  idg.  eu 
im  baltisch-slavischen  Sprachzweig«  (IF.  X  145 — 167)  es  schon  in  sehr 
ausftlhrlicher  Weise  getan  hat.  Wenn  Bemeker  sich  in  seiner  Abhand- 
lung nur  auf  eine  Kritik  der  Ansichten  Bezzenbergers  beschränkt  hätte, 
so  wftre  sein  Verdienst  auch  in  diesem  Falle  nicht  gering.  Aber  sein 
Artikel  bietet  weit  mehr,  nämlich  eine  ganze  systematische  Obersicht  der 
baltisch-slayischen,  slavischen  und  baltischen  Wurzeln,  die  nach  Bemekers 
Ansicht  den  Reflex  eines  idg.  eu  aufweisen.  Allerdings  kann  nicht  alles 
im  slavischen  Teil  dieser  Liste  als  beweiskräftig  gelten,  und  einige  Bei- 
spiele, wie  wei£russ.  cipoAseHHiiiH  (neben  groBruss.  CTy^eHHuS)  ¥dder- 
sprechen  den  Gesetzen  der  slavischen  Phonetik,  andere,  wie  asl.  ho^A^ 
und  uiTOYAO  werden  an  unrichtiger  Stelle  aufgeführt  (vgl.  Nr.  8),  wie- 
der andere,  wie  asl.  baioao  (=  got.  biups)  und  slav.  iür  (s=  ahd.  für, 
sauer/)  sind,  weil  entlehnt,  nicht  zu  berflcksichtigen,  Beispiele,  wie 
njukati^  jutro^  ju  wären  besser  weggeblieben,  da  sie  pronominalen  Ur- 
sprungs sein  können;  Beispiele,  wie  lUOynAk  sind  durch  einen  zweifel- 
losen Mißgriff  in  die  Liste  geraten.  Trotz  aller  dieser  Mängel  hat  der 
Aufsatz  Bemekers  viele  neue  Tatsachen  in  den  wissenschaftlichen  Ver- 
kehr gebracht,  die  fttr  unsere  Frage  von  großer  Bedeutung  sind  und  sie 
daher  der  endgflltigen  Lösung  um  vieles  nähergerflckt  haben.  Dies  ist 
zum  Teil  schon  daraus  ersichtlich,  daß  nach  Erscheinen  der  Bemeker- 
schen  Studie  die  Schmidtsche  Ansicht  über  den  Übergang  von  idg.  %u  in 
slav.  JU  in  vielen  Werken  die  landläufige  geworden  ist. 

Indessen  verstummten  gleichzeitig  auch  die  Proteste  gegen  die 
Theorie  Schmidts  in  der  wissenschaftlichen  Literatur  nicht  Es  genttgt, 
zu  erwähnen,  daß  sich  unter  den  Skeptikern  auch  jetzt  noch  solche 
Sprachforscher  befinden,  wie  Brugmann  EVO.  §  145  und  Leskien  Hand- 
buch der  altbulgar.  Sprache^  §  10.  Aber  einigermaßen  begründete  Ein- 
wendungen hat  wohl  nur  Osthoff  Etym.  Par.  260  ff.  zu  erheben  versucht. 
Indem  Osthoff  slav.  *suka  aus  *pkeu-kä  erklärt,  mußte  er,  um  nicht  das 
postremum  refugium  des  Ablauts  zu  benutzen,  natürlich  an  der  Erschüt- 
terung der  seiner  Etymologie  widersprechenden  Schmidt-Bemekerschen 
Ansicht  interessiert  sein.  Abgesehen  von  dem  einzigen  wirklich  richtigen 
Hinweis,  daß  es  näher  liege,  asl.  lUOynAk  debilis  mit  asl.  lUT^ynAk 
und  poln.  szczupiy  id.  zu  vergleichen  als  mit  dem  seiner  Bedeutung  nach 
abliegenden  lit  suiüp^y  sind  alle  übrigen  Einwendungen  Osthofib  ent- 
weder unbegründete  Behauptungen,  wie  z.  B.  das  über  aruss.  myjura 

31* 


484  G-  Djinskij, 

Oesagte,  oder  sie  betreffen  angebliche  Abweichungen  von  der  Schmidi- 
schen  Regel,  wie  b.  B.  der  ESnweis  auf  die  etymologische  Gleiohh^  v<hi 
Iit.-leti  tauta  »Land,  Volk«,  pr.  fauto  ss=  got  piuda,  wo  die  rer- 
schiedenen  Ablantstafen  trotz  Osthoff^  gegenteiliger  Ansicht  nichts  Auf- 
fallendes bieten,  oder  sie  bemhen  endlich  anf  offensichtlichen  IGßTer- 
stftndnissen.  Ein  solches  liegt  e.  B.  vor,  wenn  Osthoff  fragt,  wamm  nicht 
auch  heterosjllabisches  eu  in  den  slayischen  Sprachen  den  vorhergehenden 
Konsonanten  erweicht  habe  »da  es  sich  ja  sonst  ganz  parallel  dem  tauto- 
syllabischen  im  slavo-baltischen  entwickelte«.  Diese  Frage  wird  nftmlksh 
einfach  gelOst,  wenn  man  annimmt,  daß  e  vor  folgendem  v  zn  av  (vor  den 
Vokalen  der  hinteren  Reihe)  nnd  zn  ev  (vor  den  Vokalen  der  vorderen 
Reihe)  wnrde.  Vgl.  Meillet  Recherches  86.  Was  die  Frage  betriiR, 
»weshalb  nicht  anstatt  der  abulg.  AC^ik  nnd  lit.  lädas  ,eis'  *ljedb^ 
*lieda8  entspringen,  da  hier  doch  nicht  minder  von  alter  Zeit  her  der  bei 
den  iu  angeblich  die  MonilUenmg  bedingende  Faktor,  das  e  hinter  den 
l"  vorhanden  war?«,  so  ist  der  Omnd  fObr  die  bekannte  afifizierende  Wir- 
kung des  e  im  Diphthong  Su  auf  den  vorhergehenden  Konsonanten  wakr- 
scheinlich  in  der  kombinatorischen  gegenseitigen  Einwirkung  beider 
Elemente  dieses  Diphthongs  enthalten. 

Ohne  sich  auf  eine  eingehende  Kritik  der  Hypothese  Schmidts  ein- 
zulassen hat  sich  auch  Mikkola  IF.  XVI  95 — 101  ablehnend  Über  m 
geäußert  und  statt  ihrer  eine  neue  Erklärung  der  uns  interessierenden 
Reflexe  im  Litauischen  und  Slavischen  geboten.  Er  nimmt  nämHch  an, 
daß  slav.yu  und  lit. /au  die  Funktion  der  Tiefstufe  jener  Wurzeln  ans- 
liben,  denen  im  Indogermanischen  die  Wurzeln  mit  9^  oder  ^u  und  im 
Lateinischen  mit  au  entsprechen.  Aber  auch  gegen  diese  Hypothese  kann 
man  verschiedene  Einwendungen  erheben. 

1)  Von  einer  sehr  bedeutenden  Anzahl  slavischer  und  Etauischer 
Wurzeln  mit  eu  und  tau  besitzen  nur  äußerst  wenige  in  den  anderen 
idg.  Sprachen  Parallelen  mit  zweifellosem  9^, 

2)  Muß  erst  bewiesen  werden,  daß  die  wenigen  lateinischen  Wurzeln 
auf  -auj  auf  die  sich  Mikkola  stfltzt,  wirklich  auf  idg.  9u  nnd  nicht  äu 
zurückgehen. 

3)  Mikkola  vermutet,  daß  slav.  bljusti  sich  zu  huditi  verhält,  wie 
*mbrq  zu  ^merti  (asl.  uptUTH)  oder  *cvhtq  zu  cvisti  usw.,  erklärt  aber 
mcht,  warum  bbdSti  nicht  in  eben  solch  einem  Verhältnis  zu  buditi  stehen 
kann,  und  weshalb  hljusti  durchaus  die  Tiefstufe  darstellen  maß  und 
nicht  die  sekundäre  Mittelstufe. 


Der  Beflez  des  indogermaniBcheii  Diphthongs  Sa  im  UrBlavischen.     485 

4)  Endlich  bietet  die  Entstehung  von  slav.  ju  ans  idg.  9u  oder  ^u 
imOberwindliche  phonetische  Schwierigkeiten,  die  dadurch  nicht  im  ge- 
ringsten vermindert  werden,  daß  Mikkola  als  Zwischenglied  zwischen  9u 
imd/tM  den  Übergangslant  *ätt  stellt.  Idg.  9U  hätte  ja  in  den  slavischen 
Sprachen  zu  (m  werden  müssen  und  idg.  ^u  zu  hu^  aber  in  keinem  Falle 
SU  ^Wu\ 

Es  ist  daher  verständlich,  daß  Vondräk  in  seinem  neuesten  Werk 
»Vergleichende  slavische  Grammatik«  I,  16  (Qdttingen  1906)  sich  der 
Hypothese  IMQkkolas  nicht  hat  anschließen  können.  Aber  nicht  gerade 
vi^  besser  ist,  was  er  selbst  an  ihre  Stelle  setzt.  Seiner  Mdnnng  nach 
assimilierte  sich  im  idg.  Diphthong  eu  e  dem  folgenden  u\  es  entstand 
der  Laut  ^ou  nnd  darauf  der  Laut  ^^u.  Das  reduzierte  e  wurde  im  Ur- 
ilsvischen  entweder  zu  h  oder  es  schwand.  »So  erklärt  sich  der  Wider- 
spruch, daß  idg.  eu  bald  u  bald/ti  entspricht.« 

Aber  indem  Vondräk  diese  Hypothese  aufstellt,  erklärt  er  erstens 
nicht,  in  welchen  Fällen  e  zu  t  wurde  und  in  welchen  es  schwand;  zwei- 
tens zeigt  das  Schicksal  des  heterosyllabischen  e^y  daß  wenn  sich  e  dem 
folgenden  u  im  Diphthong  eu  wirklich  assimiliert  hätte,  diese  Assimi- 
lienmg  schwerlich  auf  halbem  Wege  haltgemacht  hätte,  sondern  zu  voll- 
ständigem Übergang  des  eum  ou^u  geführt  haben  würde. 

Die  dargelegte  Geschichte  der  Frage  vom  Reflex  des  idg.  iu  im  ür- 
slavischen  zeigt,  daß  die  Theorie  Johannes  Schmidts,  wenn  sie  auch 
gegenwärtig  in  der  wissenschaftlichen  Literatur  in  dem  größten  Ansehen 
steht,  doch  von  endgültiger  Anerkennung  noch  weit  entfernt  ist.  Eine 
neue  Prüfung  der  Frage  erscheint  daher  nicht  überflüssig.  Aber  eine 
solche  Prüfung  wird  nur  dann  festen  Boden  unter  sich  haben,  wenn  das 
gesamte  auf  die  Frage  bezügliche  Material  systematisch  und  kritisch  er- 
forscht sein  wird.  Als  einen  bescheidenen  Beitrag  zu  einer  solchen  Prü- 
fung gibt  der  Verfasser  im  Folgenden  eine  Übersicht  über  alle  Beispiele, 
alte  und  neue,  die  seiner  Ansicht  nach  mit  größerer  oder  geringerer  Wahr- 
scheinlichkeit die  Beobachtung  des  großen  deutschen  Sprachforschers 
bestätigen. 

1)  ürsl.  *b\ftAst%  »beobachten«  (asl.  eaiocth,  russ.  Öxeocth).  Vgl 
got.  anabiudan  »entbieten«,  gr.  Tteif&Ofxai,  Die  Hochstufe  derselben 
Wurzel  ist  in  ursl.  *buditi  (asl.  coifAHTH,  bulg.  6yA]&,  serb.  CfyAHTH, 
slov.  buditty  iech.  budüi^  osorb.  budzicy  russ.  6jj!ßTh)  erhalten  neben 
pniaß.  baudint  »wecken«,  lit.  baüsti  »bestrafen«,  ai.  bödhdyati  »er 
weekt«,  die  Tiefstufe  in  ursl.  *b^diti  (asl.  s^KA*^**"",  bulg.  6ab^,  slov. 


486  G.  njinskij, 

bd^ti,  £ech.  bditi,  rnss.  6a%tl)  neben  lit.  budetij  got.  anabudun.  Vgl. 
PickI*  89,  Br.  Gr.  I^  §  213,  KVG.  §  145,  ühlenbeck  Ai.  Et.  Wb.  192, 
PreUwitz^  365,  Hirt  Ablant  §  459,  Bemeker  IF.  X  151. 

2)  Ural.  *bljuztjh  »Ephen«  (asl.  BAioiUTk,  serb.  tiA>yinT,  alov. 
bljuiSj  poln.  bluszcz^  rasa,  tfjnon;^).  Die  Vergleichung  mit  got  biugan^ 
gr.  q>BifY(a  zeigt,  daß  die  Urbedentong  des  Wortes  »eine  sich  windende 
Pflanze«  war.  Bemeker  IF.  ib.  Dieser  stellt  die  nrsl.  Form  des  Wortes 
als  *bljuktjh  wieder  her,  aber  ohne  jeden  Omnd,  da  im  ursl.  *bljuz-tftf 
z  vor  t  za  s  werden  mußte.  Was  klmss.  Öjnom  »Solanum  dulcamara« 
betrifft,  das  Bemeker  ib.  aus  *bheu^v  erklärt,  so  kann  man  es  ganz 
eben  so  gut  aus  (Jjnos  <^  öiaom  erklären,  d.  h.  aus  *bljuzjhy  wenn  es 
nicht  vielleicht  aus  ÖJiomT  entstanden  ist  infolge  Abfalls  des  auslauten- 
den t  —  Die  Hochstufe  unserer  Wurzel  haben  wir  in  slov.  btiziky 
»Weidenknospen«,  die  Tiefstufe  in  ursl.  *h>zb  »Hollunder,  Flieder«  (bulg. 
6'B3'B,  slov.  bez,  Sech,  bez^  osorb.  b6z^  poln.  bez^  mss.  6o3i}  neben  lat. 

fugere^  gr.  qyuyetv,  ai.  bhujäti  »er  biegt«,  bhüja  »Hand,  Rflssel«.  Vgl. 
Pick  I*  89,  ühlenbeck  Ai.  Et.  Wb.  202,  PreUwitz^  486,  Walde  250, 
Persson  190,  Hirt  Ablant  §  677,  Pogodin,  Gä^ku  266,  270. 

3)  ürsl.  *brjuzga  (slov.  brjüzga  »der  schmelzende  Schnee  auf  den 
Straßen €,  mss.  Öpiosra  »Bmmmbär,  Griesgram«,  vgl.  auch  mss.  tfpiosraTB 
»murmelnd  seine  Lektion  lernen«,  »brummend  memorieren«,  tfprasasaTB 
»brummen«).  In  der  Hochstufe  haben  wir  dieselbe  Wurzel  in  slov.  hrüzga 
»mit  Schmutz  vermischter  schmelzender  Schnee«  und  mss.  Öpyara  s=s 
6pi03ra.  Zweifellos  haben  wir  es  hier  mit  einer  Erweiterung  der  schall- 
nachahmenden Wurzel  *bhr'OUr  zu  tun  (vgl.  gr.  ßQvxiofiat^  lit  bruzgSü 
Matz.  LF.Vn  16),  einer  Parallele  der  bekannten  Wurzel  ^bkr^em-  »sich 
unstät  wirbelnd  bewegen,  schwirren,  surren,  brummen«  und  ihrem  Reflex 
im  deutschen  brummen^  lat.  fremere^  ai.  bhrämati  »schweift  umher« 
Persson  68.  Die  Bedeutung  »spritzen«,  die  den  slov.  Wörtern  brjüzga 
und  brüzga  zugrunde  liegt,  hat  sich  aus  der  schallnaohahmenden  Wurzel 
ebenso  entwickelt,  wie  die  ähnliche  Bedeutung  in  ursl.  *prbska(i  (bulg. 
np'BCKaM'B,  serb.  np  cKaTH,  slov.  pr'skati^  Sech,  prskati)  und  *prysiaH 
(bulg.  npncKaM'B,  iech.  pr^skatij  osorb.  pryskaö^  poln.  pryskaöj  mss. 
npucKaTb)  aus  der  onomatopoetischen  Wurzel  *pru-  (vgl.  bulg.  np^EzairB 
»schnaube«,  slov.  j^r^a^t  id.  neben  bulg.  npHzasrB).  Mit  dem  anderen 
Determinativum  -k-  (das  bei  schallnachahmenden  Wörtern  so  gewöhnlich 
ist)  haben  wir  die  Wurzel  *bhret^  in  mss.  ÖpiOKHyTB  »brummen,  mur- 
meln«.  Seine  Hochstnfe  ist  in  serb.  Öp^KaTH  ce  »lachen«,  iech.  braukaH 


Der  Reflex  des  mdogermanischen  Diphthongs  8a  im  Unlayischen.     487 

»sammeii«,  poln.  brutaö  »girren,  gurren«  erhalten,  seine  Tiefstofe  in 
sloY.  brkati  »schaben,  scharren«,  iech.  hrkati  »zwitschern«. 

4)  UrsL  *brjuch^  (iech.  hfich^  osorb.  bfyuchf  poln.  hrzuch)  and 
*brjucho  (Sech,  hücho^  osorb.  hrjucho^  poln.  brzuchOy  and  rass.  tfpioxo). 
Die  Warsei  dieser  Wörter  geht  aaf  idg.  ^bhreit'  »schwellen«  znrflck, 
auf  das  Fick  I^  493  a.  a.  mhd.  briezen  »schwellen,  knospen«  and  lat. 
Fruiis  »Beiname  der  Venas«,  %oimfrutex  »Straach«  zarückflOhrt  (vgl. 
auch  Walde  248 — 249).  In  den  slavischen  Sprachen  hat  sich  auch  die 
Hochstafe  dieser  Worzel  erhalten  in  slov.  brück  »Baach«  and  osorb. 
brttch  id.  and  die  Tiefstafe  in  balg.  tfp'BCT  »Zweige,  Schößlinge,  Jahres- 
triebe«, serb.ÖpcT  »jonge Triebe«,  ^\oY,brst  »Knospe«,  slovak.  iro«^  id., 
klross.  6pocTB,  die  Petr  BB.  XXI 210  fUschlich  mit  \Ki,frons  yergleicht. 
Mit  anderen  DeterminatiYen  haben  wir  die  Warzel  *bhreU'-  in  rass.  tipiOK- 
HyTB  »weichen,  anschwellen,  qaellen  im  Wasser«  (neben  öpioxHyTB  in 
derselben  Bedeatong)  and  ÖpfosrnyTB  »anschwellen«  and  die  Warzel 
*bhrou-  in  rass.  ÖpyuiTb  »dick  werden,  anschwellen«,  »reifen,  reif  wer- 
den«. Das  letztgenannte  Wort  and  (JpiosrHyTB  lassen  den  Gedanken 
Brandts  Aon.  sav.  47,  daß  rass.  pasÖpioxHyTi»  aas  pasÖyxnyTb  ent- 
standen ist,  anwahrscheinlich  erscheinen.  Es  ist  von  hohem  Interesse, 
daß  die  *bhreu  synonyme  idg.  Warzel  *phoU'  (vgl.  über  sie  Uhlenbeck 
Ai.  Et  Wb.  169—170,  PreUwitz^  498,  Walde  503,  Persson  199,  200, 
Potebnja  P$B.  IV  186 — 190)  in  den  slavischen  Sprachen  znweilen  in 
der  Bedeatang  »Baach«  and  »Knospen«  gebraacht  wird.  So  ist  man  yer- 
sacht  mit  slov.  brjucho  rass.  ny-30  za  vergleichen  and  mit  slov.  ^birbs-tb^ 
rass.  noqKa  aas  *jn>^6h-ka. 

5)  Ursl.  *6ubb  »Bflschel,  Zopf«  (Sech.  6ub^  poln.  czub^  rass.  -vj^'h) 
and  *6upb  (6ech.  (5t</7,  klrass.  ^tfp),  *6upa  (balg.^yna  »Mädchen  mitan- 
gekftmmten  Haaren«,  serb.  ^na]  leitet  Bemeker  IF.  X  152  mit  Recht 
ans  der  idg.  Warzel  *keuh(py  »sich  wölben«  her,  deren  Hochstafe 
sich  a.  a.  in  asl.  Koyn'k,  balg.  Kyn'L,  serb.  K^n,  slov.  küp  erhalten  hat, 
femer  in  balg.  Kynä  »Heahaafen«,  serb.  icyna  »Hänfen«,  »Becher«,  slov. 
kupa  »Becher«,  Sech,  kupa  »Heaschober«,  »Becher«,  osorb.  kupa 
»Hflgel«,  poln.  kupa  »Hänfen«  and  rass.  irfna  id.  Vgl.  lit  kaüptxs 
»Haafen,  Hflgel«,  ahd.  houf  »Hänfen«,  apers.  kaufa  »Berg«.  Fick  I^ 
27,  380,  Br.  Gr.  I2§  421.,  Matz.  LF.  VII,  39,  41,  PreUwitz«  251—252, 
Walde  160,  Znpitza  Qerm.  Ontt.  110,  115.  Es  ist  sehr  wohl  möglich, 
daß  in  den  angeführten  Worten  bjp  nnr  Determinative  der  Warze!  *kotir 
darstellen.    Wenn  dem  so  ist,  so  könnte  man  hierher  noch  serb.  T^^aTH 


488  (3r.  njinBkij, 

»<ii6  Qarben  zu  eiBem  Haufen  zusammenlegen c  neben  poln.  kueze6 
»hacken«  imäBior.küSa  »BüBchel, Schopf«,  >Garbe<,  iecL  kuSe  »Masse«, 
russ.  Ky^a  »Haufen«,  »Heuhaufen«  (vgl.  lit.  kaugS  »Heuhaufen«)  ziehen. 
Die  Tiefstnfe  dieser  Wurzel  wflrde  in  diesem  Falle  in  asl.  Kl^iCk  »Haupt- 
haar« und  sloY.  k^ka  »dichte  Haare«  enthalten  sein  und  die  Redukfions* 
stufe  in  asl.  K'kiK'k  und  KUKa  »Haar«,  bulg.  KHKa  »Flechte«,  serb.  idbca 
id.,  sloT.  kika,  russ.  KHKa  »weiblicher  Eop^utz«.  Die  Yergleichung  ron 
slav.  *kuSa  mit  *khkb  und  *kyka  macht  die  Hypothese  Strekeljs  »Zur 
slavischen  Lehn  Wörterkunde«  29,  daß  ersteres  ausrom.  Cochlea  enüehnt 
sei,  unwahrscheinlich. 

6]  ürsl.  *iuiati  »hocken«  (serb.  T^^aTH,  sIoy.  iniati^  Sech.  SuSeti 
»Edch  bergen«).  Dasselbe  Verbum  mit  der  Wurzel  in  der  Hochstufe  ist 
im  sloY.  küdati  »hocken«  und  im  apoln.  kuczed  id.  erhalten,  die  Denomi- 
nativa  des  ursl.  *kuka  »Haken«  (bulg.  KyKa,  serb.  K^Ka]  darstellen.  Alle  ' 
diese  Formen  werden  von  den  Forschem  auf  die  idg.  Wurzel  *kouk 
zurflckgeftihrt,  zu  der  in  anderen  Sprachen  z.  B.  aisl.  hokra  »kriechen«, 
und.  kodas  »das  Einschrumpfen«  u.  a.  gehören.  Vgl.  Matzenauer  LF. 
Vn  39,  Fick  I«  380,  ühlenbeck  Ai.  Et.  Wb.  56,  66,  Zupitza  Germ. 
Outt.  121,  145. 

7)  Ursl.  *Surh  »Maß,  Grenze«  (russ.  ^yp*,  qepes'L-^yp'L).  Bemeker 
IF.  X,  152  vergleicht  dieses  Wort  mit  mhd.  geMure  »sanft,  anmutig«, 
ags.  h^e  »freundlich«,  an.  hyrr  »mild«,  ahd.  ungihiuri  »unheimlich, 
schrecklich;  das  Ungeheuer«. 

8)  Ursl.  6uii  »ftthlen,  durchs  Gefühl  wahrnehmen«  (asl.  mo^th, 
bulg.  Tyib,  serb.  ^th,  slov.  iüti^  Sech,  diti^  obersorb.  6u6^  poln.  czu6^ 
russ.  ^lyri»).  Bezzenberger  BB  XAVJi  145  und  Bemeker  ib.  stellen  mit 
diesem  Verbum  got.  hausjan  »hören«  und  gr.  &Y,oi(s}  zusammen,  was 
um  so  überzeugender  ist,  als  in  den  slavischen  Sprachen  sich  auch  Bil- 
dungen auf  -f-  finden;  vgl.  Sech,  dich  »Gefühl«,  poln.  czitch  »Witterung«, 
osoib.  öuchac  »schnüffeln«,  mss.  qyxaTb  »schmecken«.  In  bezug  auf 
den  Vokalismus  der  slavischen  Wörter  kann  man  als  auf  eine  noch  ge- 
nauere Parallele  auf  das  gr.  &Y.Bi(a  (Gortyn)  hinweisen;  dagegen  bieten 
Shioifü)  und  got.  hausjan  in  ihren  Wurzeln  die  Hochstufe,  die  von  den 
Forschem  auch  in  den  slavischen  Sprachen  gefcnden  worden  ist  im  Sech 
shoumati  »vermerken,  wahrnehmen,  verstehen«  (Zupitza  Germ.  Gutt 
152—153,  Walde  21).  —  Von  *6ut%  Ulßt  sich  natürlich  ursl.  *6udo 
nicht  trennen  (asl.  ho^AO,  bulg.  ^Ao,  serb.  ^ao,  slov.  iüdo^  mss.  ^xoj 


J 


Der  Reflex  des  indogeniuiniBcheii  Diphthongs  Sa  im  Uralayifichen.     4g9 

väd  *iSudo  (ad.  i|i^A^)  ^bs.  nr^Ao)  ^} ;  aber  Bernekers  Zasammenstdlmig 
(a.  a.  0.  152)  des  Wortes  mit  der  Wnrzel  *{8)teu-  «rkl&rt  das  i  im  asl. 
MOifA^  nicht.  Znr  Literatur  vgl.  noch  Ublenbeok  Ai.  Et.  Wb.  49, 
PtBilwita^  21,  MeiUet  ^des  357. 

9)  ürsL  ^dfubb  »Höhlung  im  Baumstämme«  (poln.  dziub)  und 
*dfupb  (poln.  dziupio^  dziupel).  Die  Wnrzel  dieses  Wortes  entspricht 
ganz  genau  dem  got.  diups  »tief«.  Beine  Hochstnfe  ist  im  nrsl.  *dübh 
(poln.  dub),  *duph  (poln.  dup)^  *dupa  (slov.  düpa,  iech.  doupa,  ober- 
sorb.  dupüy  poln.  dupa)  und  lit.  daubä  »Schlncht«  erhalten,  seine  Tief- 
stofe  in  nrsl.  *d^no  (asL  A'^^^y  ^^^E-  Aho,  serb.  ah)^,  slov.  dnd,  Sech. 
dnOj  obersorb.  dno^  poln.  dnOy  ross.  aho)  nnd  lit.  dügnas  ans  *dübnas 
»Boden«.  Alle  diese  Wörter  gehen  auf  ein  idg.  *dheub[py  znrflck, 
worfiber  vgl.  Pick  I*  467,  Br.  Gr.  I^  §  103,  Bemeker  IP.  X  152, 
Walde  253,  Meillet  MSL.  Xn  430  nnd  Stades  443. 

10)  ürsl.  *djura  »Loch«  (poln.  dziura).  In  der  Hochstnfe  haben 
wir  die  Wnrzel  dieses  Wortes  im  apoln.  dura  id.  nnd  seine  Dehnstnfe 
oder  Schwundstufe  in  mss.  Aupa.  Baudouin  de  Courtenay  IP.  X  150 
und  nach  ihm  Bemeker  ib.  und  ÜJrasyn  Über  die  Entpalatalisierung  3  er^ 
klfiren  dziura  als  Contamination  von  *dora  (vgl.  poln.  d6ra^  dorka)  und 
dzieraöj  aber  dann  ist  das  Verhältnis  von  dziura  zum  apoln.  dura  wie 
auch  zum  mss.  Aupa  unrerständlich,  das  trotz  Mikl.  Et.  Wb.  41  phone^ 
tisch  aus  *dira  nicht  entstehen  konnte.  Es  fUlt  mir  schwer,  Parallelen 
zu  diesem  Wechs^  in  anderen  idg.  Sprachen  anzugeben,  aber  daß  die 
genannten  Wörter  mit  der  bekannten  Wurzel  ^dh^er--  »Tflr«  verwandt 
sein  können,  besonders  wenn  man  ftir  diese  Wurzel  die  zweisilbige  Porm 
*dke^er-  annimmt,  das  wird  auch  der  strengste  Kritiker  a  priori  kaum 
bestreiten  wollen. 

11)  tJrsL  *ffnju8h  »Päulnis«  (slov.  ffnjtis  und  iech.  hnis)  und 
*gnjushnb  »schmutzig«  (iech.  hnisnj)  neben  nrsl.  *^;if<^  »Schmutz«  (asl. 
rHoyck,  sloY.  gnusj  iech.  hnus^  poln.  gnus]  und  *gnu8Wtih  »schmutzig« 
(asl.  PHCY^i^Hlk,  bulg.  rsyceiTB,  serb.  ra^caH,  poln.  gnuiny,  mss. 
raycnuH).  Obwohl  die  Etymologie  dieser  Wörter  unklar  ist,  bin  ich 
Tcrsucht,  ihr  Verhältnis  zueinander  als  das  Verhältnis  der  Wurzeln  *gneus^ 
vnd  *gnau8'-  zu  erklären.  Die  Präge  wird  allerdings  dadurch  noch  yer^ 
wickelter,  daß  in  einigen  asl.  Denkmälem  (z.  B.  im  Euch.  Sin.)  sidi  die 


1)  Matzenauer  LlP.  VH  39  trennt  von  diesen  Wörtern  nicht  das  arass. 
ryxecB,  Kjnfichnmch  »magus«  und  sogar  myxh,  ^yxh  »Riese«. 


490  O.  njinskij, 

Form  mcck  s=  mkCb  findet;  dieses  h  kann  aber  weder  aas  u  noch 
ans  'u  abgeleitet  werden. 

12)  ürsL  *kljuti  »picken«  (slov.  kf/üHj  Sech,  kliti^  obersorb.  kluöf 
pobi.  kli^öy  russ.  KJnoH)}  neben  nrsl.  *kluti  id.  (mfthr.  klouti).  In  offener 
Silbe  haben  wir  denselben  Ablant  in  nrsl.  *kl€v  (aSech,  klev  »was  zu- 
bereitet worden  ist,  damit  die  YOgel  es  aufpicken«  und  mss.  kjob^  »das 
Picken«),  —  vgL  nlelcj  ans  yclif^io)  —  und  ^klotr-  (a&eoh.  kloveUi 
»picken«).  Von  *kljut%  kann  man  natflrlich  weder  mss.  khobii  trennen 
noch  nrsl.  *kljunb  »Schnabel«  (bnlg.  kjooh^,  serb.  ka>^,  sIoy.  klfürtj 
klmss.  khoh'b)  noch  nrsl.  *kl/uka  »Haken«  (bnlg.  KjnoKa  »Verleumdung, 
Intrigue«,  serb.  KJ>^Ka  »Haken«,  slov.  klj'üka  id.,  5ech.  klika  id.,  obei^ 
sorb.  kluka  id.,  poln.  kluka  id.,  mss.  kjodk^  id.),  noch  auch  nrsl.  *kl^udh 
»Schlüssel«  (asL  KAiOHk,  bulg.  Kjnoq'L,  serb.  Kib^,  slov.  kljud^  iech. 
kliS,  obersorb.  kluSj  poln.  klucz,  russ.  KJH)q*B).  Da  die  den  slavischen 
verwandten  indogermanischen  Wörter  entweder  auf  die  Wurzel  *klä^ 
(vgl  lat.  clävus  »Nagel«,  clävis  »Schlüssel«)  oder  auf  die  Wurzel  *kleit 
(gr.  xAij/^co)  oder  auf  die  Wurzel  *kl9^  (lat  claudo)  zurückgehen,  so 
folgt  daraus,  daß  wir  in  den  slavischen  klu-  und  klju-^  klov-  und  klev- 
nicht  einen  Ablaut  von  *kla^-  und  *Ale^-j  sondern  von  *kläuf  nnd 
*kl9^'^  haben.  Vgl.  Fick  I*  395,  PreUwitz»  226,  Hirt  BB.  XXIV  269, 
Bemeker  IF.  X  152,  Walde  126.  Walde  trennt  im  Gegensatz  zu  fHck 
und  Bemeker  lat.  claudus  »lahm,  hinkend«  (vgl.  lit  kliaudä  »körper- 
liches Gebrechen«)  nicht  von  unsem  Wörtern.  Als  vortreffliche  semasio- 
logische  Parallele  zu  diesem  Wort  können  slov.  kljükati  »hakenförmig 
biegen«,  »gebeugt,  nickend,  wankend  einhergehen«,  klj'üditi  se  »sich 
krümmen,  zusammenschrumpfen«  und  russ.  KziOK&Tb  »hinken,  lahmen, 
auf  Krücken  gehen«,  kj^^hti>  id.  dienen.  Dagegen  ist  das  asL  kaio- 
AHTH  deridere  seiner  Bedeutung  nach  vom  lat.  claudus  zu  weit  entfernt, 
als  daß  man  diese  beiden  Wörter  ohne  weiteres  fOr  identisch  halten 
könnte,  wie  Bemeker  (a.  a.  0.  181)  dies  tut. 

13)  ürsl.  *klJud^,  *kljudt  »Buhe,  Ordnung«  (Sech.  kUdy  russ. 
KJH>Ai>)  und  ursL  *kljtidtm  »ruhig«  (6ech.  klidn^j  niedersorb.  hukludny 
»niedlich«).  Die  Wurzel  dieser  Wörter  ist  in  der  Hochstnfe  in  iecL 
kloudn^  »sauber«  und  klotuiiti  »sauber  machen«  enthalten.  Znpitia 
Genn.  Gutt.  119  und  Bemeker  vergleichen  diese  Wörter  mit  got  hUUrs 
»rein«,  ags.  hlüttor  »rein,  klar«,  ahd.  hlüttar  »rein,  hell,  klar«  aas 
*klüdro8j  indem  sie  somit  ftlr  die  idg.  Epoche  dne  Wurzel  *kletid-  an- 
nehmen.   Aber  es  dürfte  richtiger  sein,  im  d  dieser  Wurzel  ein  Determi- 


Der  Befiex  deB  indogermanisohen  Diphthongs  Sa  im  Uralayischen.     491 

nativiun  zu  sehen.  Vgl.  rnss.  dialekt.  kjdobuh  »gat,  passend«  nnd  kj&- 
BhOL  id.  neben  rnss.  jsxAxm  »gut,  passend«,  jnünoTBm  »gewandt«, 
HeyKJQoadH  »plump«.  Auf  das  d  als  auf  ein  Determinativurn  weisen 
aueh  die  Formen  mit  einer  »Anlautdoublette«  bin:  lit.  iJuti  »fegen, 
wischen«,  ilüta  »Besen«,  lat.  cluo  »purgo«,  gr.  yM^w  »spflle«,  ai.  iru- 
»zerfließen«.    Vgl.  Fick  I«  48,  427,  Prellwitz^  228,  Walde  128. 

14]  ürsl.  *kl/t^ati  »lärmen,  klopfen«  (bulg.  KJiOKaM'B,  slov.  klju- 
iati,  obersorb.  klukaö)  neben  ursl.  *klukat%  (Sech,  klukati  »kollern«, 
rnss.  KjyKaTB  »schlucken«).  Neben  KjnoKaM^  »ich  klopfe«  findet  sich 
im  Bulgarischen  auch  KJooi^aBrL  »ich  schlage«.  In  der  Tiefstnfe  haben 
wir  die  Wurzel  dieses  Verbums  im  bulg.  KJii^aM'B  »ich  schlage«,  serb. 
K^aTH  »stoßen«.  Auch  hier  sehen  wir  somit  einen  Ablaut  von  oy^:  e^ 
in  der  Wurzel,  wenn  er  auch  onomatopoetischen  Ursprungs  ist. 

15)  ürsl.  *kljui^  »Pferd«  (asl.  kaicca,  serb.  Kibfce,  slov.  kljüs^j 
Sech,  klise,  poln.  klust^),  *kljusa  id.  (cech.  klisaj  poln.  kbisa)  und 
*kljusati  »traben«  (bulg.  KjDDcaM'B,  slov.  kljüsattj  obersorb.  klu8a6). 
Wie  Zupitza  Germ.  Gutt.  118  scharfsinnig  gezeigt  hat,  geht  die  Wurzel 
dieser  Wörter  auf  idg.  *kloup'8^  zurflck  und  befindet  sich  folglich  in 
naher  Verwandtschaft  mit  got  hlaupan  »laufen«  und  neuhochdeutschem 
laufen*  In  den  slavischen  Sprachen  gibt  es  noch  genauere  Parallelen. 
Es  sind:  Sech,  klus  »Trab«,  poln.  kltis  id.,  cech.  klusak  »Traber«,  poln.* 
kiusak  id.  und  poln.  klusad  »traben«. 

16)  Wie  es  neben  dem  schallnachahmenden  *klukati  im  Urslavi- 
flehen  ein  ebensolches  *kljtikati  gab  (S.  No.  14),  so  wurde  neben  ursL 
*krukati  »krächzen«  (bulg.  Kp^aH%,  poln.  krukaöj  kbruss.  KpyKaTH), 
*krjukati  (klruss.  KpiOKaTb  »quaken«)  gebraucht.  Die  Hochstufe  dieser 
Wurzel  ist  auch  in  poln.  kruk  »Rabe«,  klruss.  KpyiCL  id.  vertreten,  die 
Tiefstufe  haben  wir  dagegen  zweifellos  in  bulg.  icp'iKaiTB,  slov.  krkatiy 
Sech,  krkati.  Idg.  Parallelen  dieser  Wurzel  sind  wohlbekannt.  Vgl. 
Fick  1*30,  Uhlenbeck  Ai.  Et.  Wb.  68— 69,  PreUwitz»  242,  Walde  143, 
Persson  Zur  Lehre  194,  Zupitza  Germ.  Gutt.  124,  Hirt  Ablaut  §  519. 

17)  Ursl.  *lfuh  »lieb«  (asl.  AiOElk,  bulg.  joütfi,  serb.  iby($a,  slov. 
l/ubj  iech.  Ub^^  obersorb.  lubj/j  poln.  lubt/j  russ.  jnotf'B)  und  *ljuhit% 
»lieben«  (asl.  aiobhth,  bulg.  jnoÖiiL,  serb.  ib^ÖHTH,  slov.  Ijubiti^  iech. 
libiti^  obersorb.  /uiuf,  poln.  lubicj  russ.  jnoÖHTb).  Die  Wurzel  dieser 
Wörter  hat  eine  genaue  Parallele  in  lit.  liaupsS  »Lobpreisung«,  lidup- 
sinti  »loben«,  got.  Hufs  »lieb«.  Die  Hochstufe  unserer  Wurzel  weisen 
z.  B.  Kot  fs^i,  galaufs  »begehrenswert,  schätzbar,  wertvoll  und  ai.  lobha-^ 


492  G.  üjinBkij, 

»YerlaageB,  Gier«,  die  Tie&tafe  Ist.  lubet  und  «i.  lübhyaU  »empfindet 
h^üges  Yerkngen«.  Y^  Fick  I«  122,  304,  535,  Br.  Gr.  I^  §  220, 
467,  567,  Uhlenbeek  Ai.  Et  Wb.  263,  Walde  336,  Znpitza  Germ. 
G«it.  145,  Hirt  AbUnt  §  467,  Bemeker  IF.  X  151. 

18]  Ural  *ljud%  »Yolk«  (asl.  aica'^  i^b.  Ud^  obersorb.  ludi 
pobi.  Itidj  mfis.  joop^h)  entspriobt  abd.  Hut  »Yolk«,  ags.  leode  »Leute«. 
Die  Hoebfttafe  ^loudh--  ist  erhalten  in  gr.  eiXiiXov&a  nnd  ai.  rödhati 
»ersteigt,  wächst«,  die  Tiefstafe  in  gr.  ijkv^ov  nnd  ai.  ruhatij  falls  es 
nicht  zn  gewagt  ist,  die  Bedentang  »Yolk«  ans  der  Bedentang  »ersteigen, 
waehsen«  herznleiten.  YgL  Fick  I^  122,  534,  uhlenbeek  Ai.  Et.  Wb. 
254—255,  PreUwitz»  137,  Walde  334—335. 

19)  Ursl.  *yufyati  »wiegen«  (bnlg.  .h^jihvb,  serb.  i>yibaTH,  iedi. 
lilatij  obersorb.  luliiö,  poln.  lulaö).  Die  Hochstofe  dieser  Wnrzel  weist 
ai.  lolati  »bewegt  sich  hin  und  her«  auf,  die  Tie&tnfe  ai.  lulitas  »be- 
wegt, flatternd,  wogend«.  Ygl.  Uhlenbeek  Ai.  Et.  Wb.  265,  Bemeker 
IF  X  152.  Nach  Bemekers  Meinung  gehört  hierher  anch  serb.  Jbf3» 
lolinm,  Sech,  lüek  »ArtBUsenkrant,  hyoscyamns«,  ^ola.luleJk  id.,  klein- 
mss.  xsoÄewh  id.  Er  geht  dabei  von  der  bekannten  Beobachtung  ana, 
daß  die  Yergiftnng  mit  Lolch  oder  hjposcjamns  sich  in  Schwindel  nnd 
Taumeln  äußert.    Hirt  Abhtut  §  679  und  Walde  377  stimmen  ihm  bei. 

20)  Ursl.  *ljuph  »Schale«  hat  sich  mit  Sekundftrsnffix  in  serb. 
ib^üHHe  (pl.  t.)  id.  erhalten.  Yerbreiteter  sind  in  den  slavischen  Sprachen 
HochstufenbUdungen  derselben  Wurzel.  Ygl.  8lo7.  lüp  »Schale  an 
Frachten«,  Sech,  lup  »Schale«,  russ.  lyrrh  id.  und  sloy.  lupina  »Schale 
an  Frflchten«,  Sech,  lupina  »Schale«,  poln.  iupina  »Schale  an  Frach- 
ten«. Die  idg.  Wurzel  ist  *loup-y  vgl.  lit  lüpti  »schälen,  abziehen«, 
ahd.  htd>  »Laub«,  ai.  lümpati  »er  bricht«.  Ygl.  Fick  I^  122,  Uhlen- 
beek Ai.  Et.  Wb.  262—263,  PreUwitz ^  275,  Walde  335,  Persson  a.  a. O. 
187 — 188,  Hirt  Ablaut  567 — 568.  Wenn  man  es  als  sicher  ansehen 
könnte,  daß  in  der  Wurzel  ^loup-  p  ein  Determinativurn  darstellt,  so 
würde  auch  hierher  gehören 

21)  TmL*ljti8ka  »Schale«,  »Schuppe«  (serb.  ^^CRa)  und  *ljui6i(i 
»schälen«  (serb.  ^yinTHTH).  Und  ebenso  wie  der  Wurzel  ^Z/Wi-  im  Ser- 
bischen in  den  llbrigen  slavischen  Sprachen  die  Wurzel  *lup^  entspricht, 
so  entspricht  dem  serbischen  ^Ijusk-  in  den  anderen  slayischen  Sprachen 
*ltukj  d.  h.  die  Hochstnfe  der  Wurzel.  Ygl.  slor.  lüska  und  hiiiitij 
£eeh.  It^ia  und  louiUti^  poln.  iuska  und  iuszcydj  russ.  jycKa  nnd 
xyn^rrb.    Durch  Kontamination  von  ursl.  *lusk'  und  *lup^  sind  wahr* 


Der  Reflex  des  indogermaniBchen  Diphthongs  8a  im  UrsUvisehen.     493 

Bcheinlieh  asl.  ao^cra  und  poln.  htspina  und  dnroh  Kontamination  toh 
*l/usk^  nnd  *^p^  bnlg.  jnoona  entstanden. 

22)  ÜTsl.  *ljushnja  »Lüsstoek,  Range«  (ieeh.  Uini  »Wagenleiste«, 
poln.  kUnia),  Die  Warzel  laatet  *leus^j  Tgl.  bair.HBchw.  lettchse,  nhd. 
liuhse;  die  Hochstnfe  *loui~  ist  in  kleinruss.  jrymHii,  rass.  JTfOHfl  er- 
halten.   Vgl.  Zupitza  Oerm.  Oatt.  145,  Berneker  IF.  X  153. 

23]  ürsL  *ljutb  »graasam,  grimmig«  (asl.  AiOTlk,  serb.  JbfT^  sIot. 
Ijut,  Sech,  lit^^  pol.  lutyj  rass.  jiotuh).  Von  anderen  Ablaatstofen 
l&ßt  sich  wohl  nor  die  Tiefstofe  in  lit.  lutis  »Btarm«,  luiingas  »stOr- 
misch«  and  gr.  Xiaaa  aas  ^Xircia  »wUder  Eriegsmat,  Raserei,  Leiden- 
schaft« nachweisen.  Vgl.  Berneker  ib.  Einige  andere  Zasammenstdlangen 
bei  ühlenbeck  PBB.  XXYI  302  and  Walde  334. 

24)  ürsl.  *n/uchati  »riechen,  schnapfen«  (poln.  niuchaö,  rass. 
HSyxATb)  neben  *nuchat%  id.  (obersorb.  nuchaö,  niedersorb.  nuchaö).  Aas 
anderen  Sprachen  führt  Berneker  ib.  an  ndd«  nuster  »Nflstem«,  bair.-« 
j98t.-schles.  nuseln  »dorch  die  Nase  sprechen«,  nufitem  and  nüstern 
»sehnflffeln«. 

25)  ürsl.  *plju8kh  »Schall«  (asl.  n^iocK^,  balg.  moociTB,  serb. 
n&^caK  »Piatsregen«,  slo7.  pljüsi,  Sech,  plisk,  obersorb.  plusk,  pohi. 
plusk  »Regenwetter«)  and  *pljuskati  »platschen«,  »spritzen«  (bo^. 
lu^cKaiTB,  serb.  iL&f^cRaTH,  sIoy.  pl/äskati,  (ech.  pliskati^  obersorb. 
pluskaö,  poln.  pluskaö).  Offenbar  ist  die  Warzel  dieser  Wörter  *pf;ush' 
eine  Brweitenmg  der  schallnachahmenden  Warzel  *pijU'j  die  in  den 
slavischen  Sprachen  besonders  gat  bekannt  ist,  and  zwar  in  ihrer  Hoch- 
stnfe, die  wir  z.  B.  in  serb.  n^  »Krachen«,  Sech,  ptik  id.,  obersorb. ^A 
id.,  poln.  puk  id.,  rass.  nyicB  id.  finden,  and  in  dem  davon  abgeleiteten 
Yerbam  balg.  nyKaia'B  ce  »krache, platze,  berste«,  iech. pukatiiä.,  ober^ 
Mib.  ptikaö  id.,  ^In,  pukaö  »klopfen,  pochen«,  rass.  nyicaTb  »krachen, 
klopfen«.  In  redaplizierter  Form  haben  wir  die  Warzel  *pu-  aach  in 
serb.  nynaTH  »wie  ein  Wiedehopf  schreien«.  Schon  Berneker  IF.  X  157 
hat  daraaf  hingewiesen,  daß  die  Warzel  ^ptiskn  mit  ]ii.päuikiu  »knalle« 
verwandt  sein  kann.  Er  wagt  es  allerdings  nicht,  dies  mit  Bestimmtheit 
za  behaupten  des  lit.  pliduikinu  »mit  den  Händen  klatschen«  wegen, 
aber  es  liegt  gar  kein  Grand  vor,  dieses  Wort  fbr  alt  za  halten:  es  konnte 
ja  leicht  entstehen  darch  Kontamination  von  *piauiMnu  and  pkukoti 
»Tor  Freade  in  die  Hftnde  klatschen«  (vgl.  poln.  plaskcid  »plandem«). 
Die  Behaaptang  Meillets  £tades  220,  daß  derartige  Wörter  den  o-Vokali»- 
moB  hätten,  wird  dorch  die  in  diesem  Artikel  anter  No.  3,  14,  16 


494  O.  Djinskij, 

geführten  Beispiele  widerlegt.  —  Da  die  Wurzel  *pljusk-  nieht  nur  einen 
»Schall  überhaupt«,  sondern  insbesondere  den  »Schall  des  fallenden 
Wassers«,  »Bogen«,  »B^enwetter«  bezeichnet,  so  sind  ohne  Zweifel  poln. 
pluta  »stfirmisches  Begenwetter«,  kleinmss.  hoothtb  »es  herrscht  Un- 
wetter« neben  Sech,  pluta  » Bogen wetter«,  poln.  piuta  »nasses  Wetter« 
mit  ihr  verwandt.  Alle  diese  Wörter  bringt  Bemeker  deshalb  mit  un- 
recht mit  der  Wurzel  *pleu-  »fließen«  zusammen.  Dagegen  l&ßt  sich 
kaum  etwas  einwenden,  wenn  Bemeker  zu  der  Wurzel  ^pleu-  »schwim- 
men« stellt  — 

26)  nrsl.  *plju^'a  »Lunge«  (asl.  nAioiiJT4,  slov.  pljüöa  id.,  Sech. 
plice  id.,  obersorb.  pluco  id.).  Der  Wurzel  dieses  Wortes  entspricht  die 
erste  Silbe  von  gr.  Ttkeificav  id.  vollkommen.  Dagegen  hat  ursL  *plutja 
(asl.  nAcyiUTa,  obersorb.  piuco,  poln.  piuco)  eine  genaue  Parallele  in 
m. pläudiai.  Vgl.  auch  Leskien  Ablaut  42,  PreUwitz^  374,  Walde  500, 
Persson  231. 

27)  Ursl.  *rjuti  »brfillen«  (vom  Bindvieh)  (asl.  piOTH,  slov.  rjutij 
Sech,  ritij  poln.  rzuö).  Dies  ist  die  Mittelstufe  von  der  idg.  schaUnacb- 
ahmenden  Wurzel  ^reu-  aus  *revä~,  die  in  den  slavischen  Sprachen  sich 
z.  B.  in  obersorb.  ruö  und  mit  dem  Determinativ  -£-  auch  in  bulg.  py- 
KaBTB  »rufe,  schreie«,  serb.  pyKaTH  »brüllen«,  slov.  rükati  id.  findet. 
Die  Tie&tufe  dieser  Wurzel  ist  erhalten  in  serb.  pKa  »Schnarchen«  und 
pKaTH  »schnarchen«  und  ihre  Beduktionsstufe  in  asl.  p'UKATH,  bulg.pH- 
KaiTB,  serb.  pKKäTH,  russ.  puKaTi».  Die  Aufisählnng  anderer  Erweite- 
rungen unserer  Wurzel  würde  uns  zu  weit  führen.  Vgl.  Fick  I^  115, 
118,  525,  529,  Br.  Gr.  I  §  148,  473,  492,  594,  644,  KVO.  §  182, 
ühlenbeck  Ai.  EtWb.  254,  256,  PreUwitz^  524,  Walde  532,  Persson 
13,  197,  Zupitza  Germ.  Gutt.  137,  164,  Hirt  Ablaut  §  419,  Bemeker 
a.  a.  0. 

28)  Ursl.  *rjutiti  »werfen«  (asl.  piOTHTH,  iec3i.Htüiy  poln.rzuctd, 
russ.  piOTHTL)  neben  ursL  *rutiti  (asl.  po^'THTH,  bulg.  pyru,  SecL 
routitiy  russ.  pyrnTi»).  Vgl.  Zupitza  Germ.  Gutt.  145.  Einen  parallelen 
Ablaut  in  anderen  indogermanischen  Sprachen  anzugeben  fUlt  schwer; 
einige  Forscher  (Potebnja  P$B.  IV  191—192  und  Bemeker  a.  a.  0.) 
halten  die  angeführten  Wörter  für  verwandt  mit  der  Wurzel  *reu-  »reißen, 
graben«.   In  diesem  Falle  könnte  man  als  hierher  gehörig  auch  nennen 

29)  Buss.  (und  ursl.?)  pioxa  »Wolfsgmbe,  Hinterhalt,  Versteck« 
neben  ursl.*ru^f  »reißen,  graben«  (slov.  rüti^  Sech,  rouii,  obersorb.  ru^^ 
aruss.  pyTH  »bewegen«)  und  ihm  genau  entsprechenden  lit.  rdtUi  »aus- 


Der  Reflex  des  indogermaniflchen  Diphthongs  Sa  im  Urslavischen.     495 

reLBen«.  Die  Rednktionsstafe  dieser  Wnrzel  hat  sich  u.  a.  in  nrsl.  *ryti 
»graben«  erhalten  (aal.  puTH,  bnlg.  pLii&,  serb.  päTH,  alov.  rüiy  Sech. 
r^tiy  obersorb.  ryö,  poln.  ryd,  russ.  puTb).  Vgl.  Fick  I*  119,  528,  Br. 
Gr.  12  §  381,  ühlenbeck  Ai.  EtWb.  245,  Walde  534,  Osthoff  MU.  IV 
28,  Persaon  161,  Hirt  Ablant  §  418.  Wenn  die  Ansicht  einiger  Gelehr- 
ten (Miklosich  Et.Wb.  285,  Potebnja  F^B.  a.  a.  0.  n.  a.)  richtig  ist,  daß 
die  Wnrzel  reu-  »graben«  mit  der  Wurzel  *reus-  »bewegen«  identisch 
18t,  80  wurde  die  Zahl  der  Beispiele  fttr  die  Mittelstufe  *reu  noch  ver- 
mehrt werden  können  um 

30)  Russ.  (und  ursl.  piomaTi»)  »stören,  zerstören«  neben  ursl.  *ruiiti 
»berühren,  zerstören«  (asL  po^iUHTH,  bulg.  pym^,  serb.  p^mBrn,  slov. 
ruüiiy  Sech,  ruiitiy  poln.  ruszyö,  russ.  pymHTi»)  und  *ruchati  id.  (slov. 
rühatij  Sech,  ruchatij  russ.  pyxaTb).  Die  Reduktionsstufe  haben  wir  in 
Seeb.  rychlp  »schnell«,  obersorb.  rychl^  id.,  poln.  rychiy  id. 

31)  Ursl.  *8ljuzh  »Aufwasser«  (bulg.  cjios'b,  slov.  sljuz)  neben 
ursl.  *8luzb  (asl.  CA^aik,  serb.  cj^s,  russ.  CJys'B);  von  letzterem  Wort 
darf  man  auch  ursl.  *8lt^  »Molluske«  (slov.  slüffy  slüga)  und  *lu£ja 
»Pfütze«  (asl.  iioifxca,  slov.  lüioj  sech.  lotde^  obersorb.  iuiuj  russ. 
jysa)  nicht  trennen.  Die  idg.  Wurzel  *{8)le^'  bedeutet  »naß  sein«. 
Vgl.  Fick  I*  577,  Walde  349. 

35)  Ursl.  *i6uti  »hetzen«  (slov.  iöüii^  pohi.  8zczu6)  neben  ursl. 
idjhvati  id.  (slov.  iSsväUj  Sech,  itvdti,  obersorb.  idtoaö,  poln.  8zcztoa6). 
Bemeker  a.a.O.  155  vergleicht  diese  Wörter  mit  mhd.  8chiuhen  »scheu- 
chen, verjagen«,  ahd.  8cioh  »furchtsam«. 

36)  Ursl.  *iujh  »link«,  *iujhca  »linke  Hand«  (vgl.  serb.  m^ax 
»der  Linkler«,  slov.  iüj,  iüjca  id.,  russ.  myä,  myjibra  id.).  In  anderen 
idg.  Sprachen  ist  nur  die  Hochstufe  erhalten  in  ai.  8avyä8  »link«,  av. 
havyo  id.  Vgl.  Fick  I^  565,  ühlenbeck  Ai.  EtWb.  331,  Zupitza  Oerm. 
Gutt  145,  Bemeker  a.  a.  0. 

37)  Ursl.  *i%djata  »die  Hoden«  (aruss.  myjuTa  id.).  Bemeker 
a.  a.  0.  vergleicht  dieses  Wort  mit  lat.  edlem  »Hodensack«  »wenn 
dieses  Wort  auf  *keul''  weist«.  Diese  Etymologie  hält  auch  Walde  132 
für  wahrscheinlich. 

34)  Urslav.  *prai6urb  (asL  npaiiioyp'k  »Urenkel»,  ^\si.pr<i8zczur 
id.,  kleinruBS.  npan^yp^  id.,  mss.  npaa^yp'B  »Vater  des  Urgroßvaters«). 
Bemeker  a.  a.  0.  führt  diese  Wörter  auf  die  Wurzel  *[8)keur''  zurück 
und  sieht  in  ihr  mit  richtigem  Scharfblick  die  Mittelstufe  zur  Wurzel 
^qur-j  die  die  zweite  Hälfte  von  lit.  iSiuras^  ahd.  8U>'ehurj  gr.  invfög, 


\ 


496  ^'  müiBkij, 

«L  ivdiuras  enthalten;  mit  ihnen  ist  sweifeUos  nrsL  *sf>0khrh  (balg. 
QBemphj  serb.  csSKap,  sloy.  sviker,  iech.  avekr^  poin.  hoiekiery  mM. 
oneKopi  und  asL  CBf  Kp'k,  wenn  es  ans  CBf  K*kp'k  entstanden  ist)  iden- 
tisch. Vgl  Fiek  I«  152,  342,  578,  Br.  Gr.  I^  §  117,  279,  EVG.  §  159, 
ühlenbeck  Ai.  Et.  Wb.  322,  Meillet  Stades  410.  Weniger  wahrsehein- 
lieh  ist  die  Ansicht  Bemekers,  daß  diesen  Wörtern  nrsl.  *iurjh  »Schwa- 
ger« (asl.  iiJOifpk,  bnlg.  inypen,  poln.  szurzy)  und  *iurinh  id.  (asL  lucy*- 
pHNik,  serb.m^EH,  m8S.mypiiu'&)  verwandt  seien,  da  die  letstgenanntea 
eine  nähere  Parallele  in  ai.  syälds  »Bruder  der  Fran«  besitien.  TgL 
Br.  Or.  12  §  223,  466,  ühlenbeck  a.  a.  0.  352,  PreUwitz>  135,  Walde 
578—579,  660,  Hirt  Ablaut  §  119. 

33)  UrsL  *idurb  (asl.  ipoYP'k  »cicada«,  iech.  idr  »Qrilie«,  klein- 
mss.  Tt^Yph  »Uferschwalbe«).  Offenbar  geht  dieses  Wort  auf  die  idg. 
schallnachahmende  Wursel  *(s)keu  zurück,  deren  Hochstufe  ohne  das 
»mobile  ««  in  ursl.  *kurb  (asl.  KOYP'W,  slav.  kür^  poln.  kur,  mss.  KypBJ 
bekannter  ist.  Vgl.  lat.  caurtre  »schreien«.  Vgl.  Fick  I^  21,  380, 
Walde  108. 

32)  ürsl.  *i6ukb  »Lftrm«  (asl.  iiio^K'k,  kleinmss.  nq^iCB)  neben 
ursl.  *siukh  id.  (asl.  ctoyk'K,  pohL  stuky  russ.  CTyir&].  Ablaut  *{$)teu: 
*(s)tou.  Nasaliert  tritt  die  Wurzel  in  poln.  szozqk  »Gebell«,  szczqhai 
»bellen«  auf.   Vgl.  Zupitza  Germ.  Outt.  145. 

38)  Ursl.  *iukb  »Käfer«  (bulg.  xyin,  obersorb.  iuk^  poln.  iui, 
russ.  TBLjVh)  und  *iukaii  »summen«  (6ech.  iitkati^  russ.  syicaTB)  neben 
ursl.  *gukb  »Lärm«  (serb.  r^,  russ.  ryiTB)  und  *gtikati  »girren«  (bnlg. 
ryicaMx,  serb.  lyKaTH,  slav.  gukati^  iech.  houkati,  russ.  lyKaTb).  Auch 
hier  haben  wir  es  mit  einem  Ablaut  zweier  Varianten  einer  schallnadi- 
ahmenden  Wurzel  *goukr  und  *geuk  zu  tun  (vgl  Fick  I*  36,  406, 
Ühlenbeck  Ai.  Et.  Wb.  80, 103,  Prellwitz  ^  79,  Walde  69,  Persson  197— 
198,  Zupitza  Germ.  Gutt.  146,  Bemeker  a.a.O.,*  Lid^n  ABPh.  XXVm). 
Allerdings  bringt  Pogodin  Gj^au  236  slav.  iukb  mit  der  idg.  Wonei 
*govr  »Kuh«  zusammen,  indem  er  meint,  der  Käfer  sei  vielleicht  schen- 
weise  »öchschen«  genannt  worden  oder  habe  seine  Bezeichnung  Yom 
Mist  bekommen  können,  in  den  einige  Arten  dieses  Insekts  ihre  ESer 
legten.  Dieser  Hypothese  widerspricht  indessen  die  offenbare  Verwandlr 
schaft  Ton  ursL  ^iukb  und  *iukati  mit  ursl.  iuteh  »scarabaeus«  (asL 
SKOV^Ki Ak,  slov.  iüiel^  russ.  aKyse.n»)  und  ursl.  *iuiati  (russ.  xyxxan 
mit  sekundärem  langem  i),  entschieden  deren  Wurzel  nichts  anderes  ab 
die  »gebrochene  Reduplikation«  der  onomatopoetischen  Wurzel  *geih 


Der  Seflex  des  mdogenna&isohen  Dtplithon^  in  im  ünlavischen.     497 

darstellt  Mit  anderen  Determinativen  hat  sich  diese  Wursel  in  eerb. 
x^Öop  »Mfistem«,  Rauchen,  Rieseln c,  slov.  zubor  id.,  mss.  xyniTB 
erhalten.  In  einer  nasalierten  Variante  haben  wir  unsere  Wurzel  endlich 
in  poln.  g^ga  »Gans«  und  asl.  r^rHHR*k  fAoyiXdlogj  sIoy.  gognjäv^ 
ieeh.  kuhhav^^  mss.  ryrHHBUH,  ryrHHBUH. 

39)  ürsL  ^iuliii  »abrinden«  (serb.  zf  joith  id.,  asl.  o^ko^ahth 
»stechen«)  neben  ursl.  *guliti  id.  (serb.  rf^jraTH,  sIot.  guliti).  Über  die 
Etymologie  dieser  Wörter  haben  wir  in  dieser  Zeitschrift  (B.  XXIX  166) 
bereits  gesprochen. 

40)  Ursl.  hipa  »Oau,  Kreis«  (serb.  xyna,  slov.  iüpa^  Sech,  iupa^ 
poln.  iupa).  Die  Wurzel  dieses  Wortes  wechselt  mit  der  Wurzel  von 
ai.  gopa^  »Hirt,  Fflrst,  Herrscher«  in  der  Hochstnfe  und  mit  der  Wurzel 
Ton  ursl.  *gbpan  »Herr«  in  der  Tiefstufe  ab  (a£ech.  hpany  obersorb. 
/Hin,  poln.  pan).  Vgl.  Brugmann  IF.  XI  Itl,  Uhlenbeck  Ai.  Et.  Wb.  83, 
Hiyer  LF.  XXXI  104^107.  Das|  Verdienst  dieses  ist  es,  auf  aiech. 
Apan  hingewiesen  zu  haben,  was  entschieden  der  Hypothese  Brückners 
widerspricht  (Rozpr.  Ser.  U,  X  331),  da£  das  westslavische  pan  ebenso 
aus  iupan  entstanden  sei,  wie  russ.  cy^apt  aus  rocy^apL. 

41)  Ursl.  *iuriti  »stoßen«  (serb.  KypnTH  »eilen«,  slov,  iüriit  »nö- 
tigen«, Ueinruss.  acypHTH  »Trauer  verursachen«,  russ.  acypHTi»  »tadeln«) 
neben  ursl.  *guratt  id.  (serb.  rypaTH,  slov.  gürati),  Rozwadowski 
Qnaestiones  8er.  H  11  vergleicht  diese  Wörter  mit  got.  gdurs  »betrftbt«, 
ohne  diese  schon  frtlher  von  Zupitza  Germ.  Outt.  172  vorgenommene 
Zusammenstellung  zu  kennen. 

8t.  Petersburg.  O  Iljinskij. 


Der  Dialekt  von  Mostar. 

Ein  berichtigender  Nachtrag  zu  der  Abhandlung  H.Mllas'  »DanaSnji  mostarsk 
.  dijalekat«  (Rad  Jugoslavenske  Akademie,  Bd.  153). 


AuJBer  Vuk,  der  im  Jahre  1836  einige  Bemerkungen  Aber  die  Eigen- 
tümlichkeiten der  südlichen  Je-Dialekte  gegeben  hat,  hat  man  bis  auf  die 
neueste  Zeit  sehr  wenig  über  die  sprachlichen  Eigentfimlichkeiten  der 
Hereegovina  geschrieben.    Ein  Mönch  aus  Mostar,  Joanikije  PamuSina, 

▲rehW  fftr  fUTifoht  Philolofi«.   XXIX.  32 


498  Vladimir  CoroTiö, 

hat  2war  in  G,2(Hara3flH  1849  (Omic  EnapxHJe  Xepi^erosa^Ke)  etwas 
Aber  die  Aussprache  einiger  Konsonanten  mitgeteilt,  aber  das  war  sehr 
flfichtig  und  ongenfigend.  Erst  in  neuerer  Zeit,  mit  dem  Anfsehwnnge 
der  dialektologischen  Stadien,  hat  man  sich  auch  mit  den  hercegoraii- 
sehen  Dialekten  etwas  mehr  beschäftigt  1 895  schrieb  H.  Oj.  änrmin  in 
Nastavni  Yjesnik  III  »Njekoliko  bi](jel^aka  o  govom  hereegovaSkomc, 
wo  er  nur  die  Eigentümlichkeiten  der  Sprache  in  der  Osthercegovina  be- 
handelte. M.  Milas  gab  sein  Material  über  den  Dialekt  Ton  Mostar,  der 
Hauptstadt  der  Hercegovina,  in  Rad  Bd.  153  im  Jahre  1903.  Znletst 
findet  man  wOTtvoUe  Beiträge  zn  der  Dialektologie  der  Hercegovina  im 
Werke  H.  Prof.  JEtesetars  »Der  stokavische  Dialekte,  das  in  diesem  Jahre 
in  den  Schriften  der  Balkankommission  der  kaiserlichen  Akademie  d^ 
Wissenschaften  in  Wien  erschienen  ist.  Das  ist  auch  die  einzige  wissen-» 
schaftliche  Bearbeitung  und  Erklärung  des  Stoffes. 

Die  Angaben  Milas'  sind  nicht  immer  ganz  genau.  (Er  hat  auch, 
ohne  daß  das  notwendig  wäre,  die  Aussprache  der  Stadt  Mostar  dnen 
Dialekt,  mostarski  d^alekat,  genannt.)  Auch  die  Herren,  die  Milas  am 
Anfange  als  seine  Mitarbdter  erwähnt  und  die  ich  gut  persönlich  kenne, 
sind  ftlr  einen  Forscher  sehr  wenig  rertrauenswürdig.  Beide  (es  smd  zwei) 
haben  nämlich  etwas  mehr  gelernt  als  die  Normalschule,  aber  eine  echte 
Bildung  haben  sie  nicht;  durch  Lektflre  haben  sie  sich  manches  an- 
geeignet, sind  etwas  mehr  gereist  als  die  anderen  und  haben  endlieh  mit 
dieser  den  Halbgebildeten  eigenen  Hartnäckigkeit  das  Echte,  Volkstflni- 
liehe,  das  Unsrige  mit  Fremdem,  manchmal  auch  ünvolkstflmlichem  Yer^ 
mischt.  Wegen  der  großen  wissenschaftlichen  Bedeutung  dieser  dialekto- 
logischen Untersuchungen  und  noch  mehr  wegen  der  richtigen  Teilung 
und  Au&tellung  der  dialektologischen  Probleme  in  unserer  Sprache,  habe 
ich  —  als  gebflrtiger  Mostarer  —  diese  Arbeit  unternommen,  um  auf  das 
Unrichtige  und  Unvollständige  hinzuweisen.  Damit  aber  die  Übersicht 
und  Vergleichung  leichter  wird,  werde  ich  die  Reihenfolge  Milas'  bei- 
behalten 1). 

Ich  finde  es  notwendig  einige  Bemerkungen  Aber  die  Grenzen  der 
zwei  hercegovinischen  Aussprachen,   der  jekavischen  und  ikavischen 


1)  Es  war  nicht  praktisch  und  gerechtfertigt  von  Milas,  daß  er  nur  das 
ikavisohe  Element  in  Mostar  behandelte ;  denn  das  Ikavische  und  Jekavisehe 
(gesprochen,  wie  gewöhnlich,  nach  verschiedenen  Religionsbekenntnissen) 
fließt  so  zusammen,  lebt  so  nebeneinander,  daß  es  wirklich  unmöglich  ist, 
beide  auseinander  zu  halten. 


Der  Dialekt  von  Mostar.  499 

yoraiiBSlUcIlioken,  besonders  jetzt,  nach  dem  Erscheinen  des  Werkes  von 
H.  Prof.  Resetar.  Damit  werde  ich,  soviel  es  möglich  ist,  etwas  mehr 
detaillierte,  genauere  Begrenzung  aufstellen. 

Die  Grenze  der  beiden  Aussprachen,  die  Resetar  in  seiner  dialekto- 
logischen Karte  bezeichnete,  also  die  Grenze  mit  dem  Narentaflufi,  stimmt 
im  großen  und  ganzen :  auf  dem  rechten  Ufer  spricht  man  ikavisch,  auf 
dem  linken  jekavisch.  Die  Bevölkerung  von  der  Mündung  des  Narenta- 
fluBses,  von  Imotski,  dann  von  Slroki  brijeg,  Ljubuski  (in  der  sogenann- 
ten Bekija),  fast  hinauf  bis  Lijevno,  kann  ein  einheitliches  sprachliches 
Element  vorstellen.  Hier  kann  man  auch  eine  starke  Beeinflussung  zwi- 
schen Sfidwest-Bosnien  und  West-Hercegovina  einerseits  und  Dalmatien 
andererseits  konstatieren,  wo  öfters  vorkommende  Aus-  und  Einwande- 
rungen dem  sprachlichen  Bilde  viele  neue  Farben  und  Schattierungen 
gebracht  haben.  Von  Mostar  hinauf  bis  Eonjic,  dazu  gerechnet  am  linken 
Ufer  noch  die  ganze  Gegend,  die  durch  Prenj  planina,  Borke,  bis  hinunter 
anf  Raska  Gera  begrenzt  ist,  ist  ikavisch.  Die  Gegend  von  der  Narenta- 
qnelle  bis  hinauf  gegen  die  türkische  und  montenegrinische  Grenze,  dann 
die  ganze  sogenannte  »obere«  Herc^ovina:  Gacko,  Nevesinje;  weiter 
Bileda,  Trebinje,  Hum,  Popovo  polje  bis  Gabela  sind  ganz  jekavisch,  aus- 
genommen den  westiichen  kathoUschen  TeU  des  Popovo  polje  und  die 
Gegend  zwischen  Stolac — Capljina — Mostar,  Dubrave,  wo  die  Katholiken 
und  Mohammedaner  eine  überwiegende  Majorität  haben.  Doch  auch  da 
ist  die  ikavische  oder  jekavische  Aussprache  nicht  die  ausschließliche: 
es  sind  doch  immer  einzige  Sprachinseln,  im  ikavischen  jekavische,  im 
jekavischen  ikavische,  in  denen  die  Orthodoxen  ihre  und  die  Moham- 
medaner und  Katholiken  wieder  ihre  Aussprache  behalten:  so  in  Ljubuski, 
Öapljina,  Tasoviiöi  sprechen  die  Orthodoxen  jekavisch,  auf  der  anderen 
Seite  wieder  spricht  man  in  Gnojnice  (katholisch],  PodveleSje  (mohamme- 
danisch) ikavisch. 

Die  Geschichte  der  Sprache  zeigt  eben  dasselbe  auch  im  Mittelalter. 
Die  Urkunden  aus  Bosnien  und  der  Hercegovina  sind  teils  ikavisch,  teils 
jekavisch,  teils  gemischt  geschrieben,  einige  sogar  mit  solchem  bunten 
Durcheinander,  daß  man  da  wirklich  nicht  Bescheid  weiß.  Die  Urkunden 
der  bosnischen  Herren  und  Könige  sind  größtentdls  ikavisch,  aber  nicht 
ausschließlich:  die  Briefe  des  König  Ostoja  sind  fast  alle  ganz  ikavisch, 
die  des  Tvrtko  dagegen  weisen  sehr  oft  rein  jekavische  Formen  auf.  Aus 
Srebmica  schreibt  man  1424  ikavisch;  1437,  1447  ekavisch  (nepoBaHB, 
eB€j|OY(te,  HecMO,  CTenany  —  JireSek:  GnoMeHHXtH  GpnoKH,  Cno- 

32* 


500  Vladimir  Öoroviö, 

MeHHK  Xly  S.  86 — 87).  In  der  Hercegovina  findet  man  sehr  oft,  sogar 
öfters  jekavisch,  ab  ikavisoh,  oder  gemiseht.  Pribisav  Pohvali6,  der 
Gesandte  Sandaljs  InRagusa,  sehreibt  ikaviseh;  aus  Drijevo,  dem  jetsigeD, 
rein  ikavisehen  Gabela,  hat  man  reine  Jekavismen.  Ans  Trebinje  zwei 
Briefe,  beide  verschieden :  der  eine  ikarisch,  der  andere  jekavisoh.  Es 
ist  zwar  sehr  schwer,  ja  unmöglich,  dardber  etwas  Positives  zu  sagen 
anch  deswegen,  weil  manches  von  den  Schreibern,  deren  Heunat  and 
Geburtsort  uns  unbekannt  ist,  abh&ngt  und  auf  ihre  Aussprache  znrflek- 
zufllhren  ist.  Deswegen  habe  ich  andere  bessere  Belege  in  Grabinschrif- 
ten gesucht,  die  aber  auch  nicht  ganz  einwandfrei  sein  können.  So  finden 
wir  ikavische  Formen  ausr  dem  XIV. — ^XVU.  Jahrh.  in  Po\jiea  (Popovo 
poilje)  nopHKiaoML,  in  VeliSani  (Popovo  po^e)  CTHUKa,  Vrhpolje  no^KDi, 
Arapi  (Mostar) :  qoBmcs,  scnqe,  OpIiSi6i(Stolac):  npEMe,  8ch^€,  Batimnja: 
CTHnana,  ÖHjran»,  Boljuni:  CBne  (auch  cneqe).  Ekavisch  und  jekavisch: 
Zavala:  Acjoy,  jceTo,  Dui^i:  j[6to,  neiCH,  cMspHO,  Fojnica  (bei  Gaeko): 
Hec(ci](a),  j^itomislid:  MeceiiHHKa,  Meceua,  Ö^jniie:  bo^hh,  bgk,  Neknk: 
CHs^e,  Vlahoviöi:  £He.i]dki>,  hh6ch,  Milavad  (Dabar  polje):  Öiucfb, 
CH€qe,  Simiova  (Bileda):  I(BHeTKa,  N^anoviö:  rpexe,  Svitava:  GTienar 
HOBa,  BpneAH,  Miljanovid:  Bcne^e,  Gradac:  scne^e.  (Alle  Zitate  aus 
dem  Werke  Lj.  Stojanoviö'ä:  GrapH  cpncKH  aanncH  h  HaTnncH,  I — ^UL 
Eeorpa^  1902 — 1905.)  Die  Formen  mit  e  sind  entstanden  entweder 
deswegen,  weil  die  Schreiber  nicht  das^e  oder  ye  auszudrücken  wußten, 
oder  aus  Verwechslung  mit  dem  $;  jedenfalls  haben  sie  da  nicht  %  aus- 
gesprochen. 

Milas  hat  gut  bemerkt,  daß  bei  dem  Reflexe  eines  langen  i  nicht  ije 
sondern  \e  ausgesprochen  wird,  hat  also  die  Ansicht  Besetars  in  dieser 
Frage  gut  dokumentiert  (s.  Arch.  fttr  slav.  Philologie  XTIT).  Ich  kann 
auch  in  bezug  auf  die  Aussprache  des  langen  ^  unter  faUendem  Akzente 
seine  Richtigkeit  konstatieren :  ye  bei  den  Orthodoxen ;  die  Mohammedaner 
und  die  Katholiken  haben  t .  Interessant  ist,  daß  unsere  Bauern  ans  der 
Umgebung  von  Mostar,  in  der  Aussprache  eines  solchen  i  mit  den  Be- 
wohnern Montenegros  und  der  Bocche  von  Cattaro  fibereinstimmen:  sie 
haben  da  auch  ein  zweisilbiges  ye,  wo  das  e  lang  ist  (ye):  sltjepj  fi/eüi. 

Eine  richtige  Behauptung  hat  Resetar  in  seiner  neuesten  Studie 
(»Der  äto-Dyalekt«)  stark  betont:  »in  der  Tat  gibt  es  weder  auf  serbo- 
kroatischem, noch  überhaupt  auf  slavischem  Gebiete  einen  noch  so  un- 
bedeutenden Dialekt,  in  welchem  dem  urslavischen  i  in  allen  Filkn  ein 


Der  Dialekt  von  M ostar.  501 

mid  derselbe  Reflex  entsprechen  wttrdec  (S.  67).  Ans  nnserem  Dialekte 
fthre  ich  einige  Beispiele  dafür  an:  nisam^  nisi^  kukurikaiiy  garitij  sir 
gjetiypripotigjeti^  der  sehr  verbreitete  Familienname  £f7tV,  die  regelmäßig 
anch  von  Orthodoxen  gebrancht  werden.  Nnr  neben  sig/eti  hört  man  oft 
aneh  sjeg/eti,  welche  Form  anch  in  der  iüteren  Sprache  belegt  ist.  Die 
ikavischen  Katholiken  und  Mohammedaner  haben  dagegen  nemam  (in 
älterer  Sprache  H^MaH),  sehr  selten  nimam\  ohe^  ohedvi  (neben  ohi^ 
oüdvi^  nnd  sogar  aneh  obadvij'e,  die  jetzt  die  verbreitetste  Form  ist), 
neki.  Bei  den  Orthodoxen  kommt  trotz  grehota^  grjeinik  vor,  anßerdem 
noch  prjeönik  (der  Diameter,  ans  der  Schnle)  nnd  rjeönik ;  anch  gorje^ 
oben.  Die  Formen  sind  interessant;  denn  wenn  die  Begel  lantet,  daß  in 
kurzen  Silben  nach  einem  r  für  %  ein  «  steht,  wamm  sollte  es  dann  nicht 
anch  greinik  heißen?  Oder  ist  grehota  als  volkstflmliches  nnd  grjeinik 
als  kirchenslavisches  Wort  zn  erklären?  Fllr  älteres  Tp%6t  «ctb  haben 
wir  kein  trijeheje  (welche  Form  in  einigen  Dialekten  vorkommt),  son- 
dern nnr  treba^  potreba.    Die  Ikavci  haben  triba^  potriba. 

Vor  o  nndy,  dann  im  Part.  act.  n  sollte  %,  nach  der  festen  Regel, 
za  i  werden.  Aber  es  kommen  doch  sehr  oft  die  Formen  vor,  wie  viitßo 
(ans  bha^ji'b),  smjeo^  manchmal  anch  razumjeOj  hijeo  nnd  y'eo\  außer 
diesen  noch  poleöeo,  sleöeo.  Ich  habe  in  Mostar  nie  gehört  poletat  statt 
poli/etatt  (bei  nns  spricht  man  nur  polijeöati  und  poliöati)^  was  Milas  in 
seiner  Abhandlung  anftthrt. 

Resetar  sagt  an  einer  Stelle  (S.  73 — 74),  daß  oft  ein  etymologisches 
i  beziehungsweise  e  als  S  aufgefaßt  und  jekavisch  wiedergegeben  wird ; 
besonders  geschieht  das  häufig  bei  vor  einem  r  stehendem  t :  pästifer 
(schon  im  XYU,  Jahrh.  belegt),  kösi/er.  Ich  fahre  die  folgenden  Beispiele 
ans  Mostar  an:  poitijer,  arabadiijery  talij'er,  karocijer^  manchmal  auch 
krumpijerj  iestijer^  putijer.  Ich  fasse  das  auf  als  eine  Beeinflussung 
dnroh  die  italienische  Sprache,  die  uns  ttber  Dalmatien  herkam,  ans  den  For- 
men wie:  cameriere^  ostiere,  carrozziere;  wo  also  nach  der  italienischen 
Endung  iere  unser  ijer  entstand.  Interessant  ist  von  einer  Grabinschrift 
aus  DoAe  Hrasno  (unweit  von  Dalmatien)  die  Form  wBAnep  (SannoH 
No.  4880),  welche  sicher  analogerweise  entstanden  ist. 

durmin  in  seinem  Aufsatze  fahrt  an,  daß  in  der  Osthereegovina 
zwischen  i,  p,  v,  m,  wenn  ihnen  ein/ folgt,  kein  /  eingeschoben  wird. 
FOr  die  Oogenden  von  FoSa  und  Novi  Pazar  kann  ich  nichts  bemerken, 
weil  mir  die  dortige  Aussprache  unbekannt  ist,  fOr  Oacko  dagegen  kann 
ieh  bestimmt  behaupten,  daß  dort  iit^eti,  trpleti  gesprochen  wird.    Bei 


502  Vladimir  ÖoroTiö, 

HÜB  aber  sind  die  Formen  grmiti^  trpiH^  svrbiH  viel  häufig.  Milas  be- 
merkt, d&B  in  MoBtar  jeder  spricht:  letttj  vidity  vrtit\  man  hört  aber  sehr 
oft  auch :  leöeti^  vüteti  und  etwas  seltener  vröeti. 

Daß  man  von  den  Katholiken  and  Mohammedanern  durch  falsche 
Analogie  jetzt  t/eca  ffiipticaj  tica^  vijeno  fOr  vinOj  mjei  fttr  mU  spreche, 
hörte  ich  von  Milas  znm  erstenmal.  Wenn  er  das  anch  gehört  hatte, 
so  war  das  nur  eine  schlechte  individuelle  Aussprache. 

Ich  bemerke  noch,  da£  in  Mostar  auch  fiija  (statt  j^ry'i^)  va^^praska 
statt  hreikva  zu  hören  ist,  was  H.  Zgrabli<5  als  einen  Reflex  des  \  im 
Öakavischen  bezeichnet  hat  (Öakavski  dijalekat,  Pula  1905,  S.  12)*). 

Milas  sagt,  daß  für  irinem  se  öfters  brenem  se  gesprochen  wird;  — 
ich  habe  das  nie  gehört,  ebenso  nicht  die  Form  tddahat  ftlr  uzjahati. 

Es  wird  gesprochen  fttr  u  ein  t:  dili  fttr  duli^  was  dem  Wechsel  bei 
cupoBi — surov — siröv  entsprechen  könnte.  Dazu  noch  budnem  und 
bidnem. 

Daß  bei  den  unbetonten  Silben  die  Eontraktion  des  oo  zu  ö  ein» 
treten  kann,  ist  schon  lange  bekannt  auf  dem  ganzen  Gebiete  unserer 
Sprache  und  würe  auch  in  Mostar  nichts  neues.  Daß  aber  in  Mostar  bei 
den  betonten  Silben,  meistens  zweisilbigen,  dasselbe  geschieht,  wie  Milas 
es  sagt,  steht  nicht  fest  Do  neben  dao,  ato  fttr  stao  hört  man  in  Mostar 
nur  von  Leuten  aus  der  Provinz,  besonders  aus  der  oberen  Hercegovina. 
Die  Form  iüpo^  die  Milas  anfahrt  (von  iupa^f  habe  ich  in  Mostar  nicht 
gehört,  wohl  aber  pedo  von  peda^j  was  mir  dann  die  erste  Form  ganz 
wahrscheinlich  macht.  Bei  den  unbetonten  Silben  kann  bei  uns  aach  die 
Kontraktion  des  eo  zao  eintreten:  vHsOj  fizo,  pdid^  dtd;  bei  den  beton- 
ten aber  nie:  i6Soj  srnßo,  srSo,  »urmin  bemerkte  fttr  den  Dialekt  von 
Sarajevo,  daß  die  Kontraktion  des  eo  zu  o  nicht  dntritt,  wenn  das  eo  auf 
io  zurflckzuftihren  ist:  idSo,  poleöeoy  vüeo.  Bei  ideo  glaube  ich,  daß 
die  Kontraktion  deswegen  nicht  emgetreten  ist,  weil  das  e  betont  war; 
und  statt  vüeo  spricht  man  bei  uns  immer  nur  vüo.  Wie  ich  konsta- 
tieren konnte,  kann  diese  Kontraktion  nur  dann  nicht  eintreten,  wenn 
dieses  eo  von  solchen  Verben  kommt,  wo  ein  d  (aus  t-^-i)  im  Infinitive 
steht:  doleöeti:  doleöeo.  Auch  oo  (aus  ol)  ergibt  ein  o.  Nur  das  Bei- 
spiel l^as'  moba  in  der  Bedeutung:  »eine  Bitte«,  also  fSr  daa  flbliche 

*)  Präskva  ist  gegenüber /»er«tea»  wie  bulg.  npacxa,  durch  Übergang  des 
metathetischen  pi  in  pm,  pa  zu  erklären,  wie  dräA,  Slter  opuxK,  neben  opin— 
orih  [arjeh?) — oreh.  Die  andere  Wortform  hrJhkva  (ikavisoh  hrUka)  beruht  auf 
dem  deutschen  Medium phSrsich  (ph^f^ h).  V.  J, 


\ 


Der  Dialekt  von  Moetar.  503 

molbn^  ist  nicht  richtig  nnd  moboj  die  Arbeit,  ist  bei  uns  flberhanpt  nicht 
bekannt 

Bb  ist  aber  interessant  eine  andere  Form:  vom  älteren  Verbnm 
nariHATn,  cbi^hath.  Im  Akad.  Wörterbnche  nnd  sonst  ist  bekannt 
nnr  die  Form  nagnutiy  darans  nagao,  welche  der  filteren  wohl  entspricht. 
Bei  nns  aber  ist  üblich  nnr  die  Form  nageti^  sageti^  darans  nageo  nnd 
ntigoj  sago.  Das  ist  die  Beeinflnssnng  der  Formen  I./5.  Klasse,  der  Verba 
wie  HanATH,  b^sath,  napeti,  uzeti. 

Über  die  Aussprache  des  Lantes  h  fllhre  ich  hier  meine  Bemer- 
kungen an,  die  sich  von  Milas'  ziemlich  unterscheiden.  Milas  sagt  näm- 
lich, daß  bei  uns  h  ausgesprochen  werde  wie  Spiritus  asper  oder  das  deutsche 
h.  Er  bemerkt  noch,  daß  aus  dem  Arabischen  zu  unseren  Hohammeda- 
nem  ein  A-Laut  gekommen  sei,  ein  Laut,  bei  welchem  »dah  iz  plu^e 
odTod  dere  kroz  grlo«.  Am  Schlüsse  des  Wortes,  sagt  er,  wird  es  aus- 
gesprochen oder  nicht,  nimlich  man  braucht  »fino  uho«,  um  es  hören  zu 
können  ^).  Ich  habe  konstatiert,  daß  im  Anlaute  h  sehr  schwach,  nur 
wie  eine  schwache  Aspiration  zu  hören  ist:  'o/o/,  ^aj'de,  *\ßba.  Im  In- 
laute hört  man  das  h  deutlich:  öoha^  muha,  suhq/a  (ein  langer  magerer 
Mann),  aber  noch  immer  nicht  mit  einer  so  starken  gutturalen  Herror- 
bringung  wie  man  da%zum  Beispiel  von  den  Ragusanem  hört.  Im  Aus- 
laute ist  der  Laut,  wenn  er  nicht  zu  k  wird,  kaum  wahrnehmbar :  su(h)j 
milodt^.  Im  Inlaute  spricht  man  sehr  oft  v  statt  A,  besonders  in  den 
Dörfern  der  Umgebung:  Sota  neben  dohüj  ausschließlich  duoa^  kuvati 
neben  kuhatü  Aufier  v  vertritt  das  h  sehr  oft  auch  der  stärkere  Laut  k, 
besonders  im  Auslaute:,  dük.  Im  Inlaute:  drktati^  daktati^  daköem, 
also  hier  yor  einem  t,  denn  sonst  bleibt  das  h.  Aus  hv  entsteht  immer 
ein  f:  pofaljen^  fal^i  facaü.  Es  ist  noch  zu  bemerken,  daß  in  der 
1.  Pers.  Sing.  Aorist  das  h  fast  gar  nicht  zu  hören  ist:  reho^^  ispekcf^^ 
sieko^. 

Über  einen  interessanten  Laut  des  hercegovinischen  Dialektes,  wel- 
cher weder  i  noch  s  ist,  sondern  die  Mitte  zwischen  beiden  annimmt,  hat 
Stojan  NovakoYid  in  der  Vorrede  zu  den  Yolkserzählungen  Vuk  VrSeviö's 
(GpncKe  napoxHe  npHnosigeTKe.  EnorpsA  1868)  etwas  ausflihrlicher  ge- 
sprochen (8.  X — XI).    Der  Laut  entspricht  dem  polnischen  i,  kommt  bei 


1)  Milas  spricht  in  bezug  auf  den  Laut  A,  daß  er  oft  auch  dort  gebraucht 
wird,  wo  er  nicht  vorkommen  soll,  und  führt  unter  anderem  auch  die  Worte 
an:  Zakmn^  hoda,  hifadOf  hrana.  Glaubte  er  wirklich,  daß  da  das  h  nicht  vor- 
kommen sollte?  XiAc«  für  liiee  wird  in  Mostar  nicht  gesprochen. 


504  Vladimir  Öorovid, 

der  VerbiBdang  8  +je  vor,  wo  nach  8  ein  Je  als  der  Reflex  eines  t  steht 
Interessant  ist  anch,  daß  die  Lautgmppe  s  +  v§  zn  demselben  Resultate 
gelang  da  das  v  ansfiUlt:  cB^^TonaTH — injeTosaTH,  cb%xoüth — mje^o- 
^HTH.  In  den  älteren  Denkmälern  unserer  Sprache  wird  manchmal 
dieser  Laut  als  ui  geschrieben,  den  man  sonst  mit  c  wiedergibt. 

Bei  dem  Übergange  der  Lantgruppe  61  in  il^  i^  nnd  dieser  in  ij: 
clanak  —  ijanak^  Sjuk  —  Huk  hätte  Milaa  beim  ersteren  Beispiele  ans- 
drflcklich  sagen  sollen,  daß  das  nur  am  rechten  Narentaufer  von  den 
Katholiken,  besonders  aber  von  den  Mohammedanern  gesprochen  wird, 
das  zweite  Beispiel  aber  war  hier  ttberflflssig,  wenn  man  schon  einmal 
gesagt  hat,  daß  l  bei  den  zwei  erwähnten  Bevölkerungsschichten  (bei  den 
Katholiken  nicht  so  oft)  als/ vorkommt.  Und  außerdem  sollte  an  zwei 
ältere  Formen  dieser  Worte  erinnert  werden:  an  ikljan^  die  als  dne 
Übergangsstufe  zu  betrachten  ist,  und  an  die  sluka  (für  {Ijtdca)^  die 
Form,  die  bei  Belostenec  belegt  ist. 

Neben  plata^  was  Milas  anführt,  hört  man  noch  häufiger  placoy  und 
neben  kuöni  auch  kuönji.  An  einer  Stelle  hat  er  wieder  nicht  die  wahre 
Bedeutung  zweier  Wörter  auseinandergehalten,  bei  oddepiti  und  oSepiii, 
Odö^piti  oder  besser  o^öepiti^  mit  dem  kaum  yemehmbaren  d^  heißt 
»entsiegeln«,  »den  Stöpsel  herausnehmen«;  o6ipiti^<ASti  »jemandem  auf 
den  Fuß  treten«.  Beim  ersten  Wort,  wie  auch  bei  odietati  (Milas  schrttbt 
oietati)  hört  man  immer  nur  ein  wenig  tou  dem  d. 

Neben  ffrackiy  lucki  mit  r,  was  Milas  anfflhrt,  sagt  man  noch:  bracki 
und  packt.  Neben  glavna  hört  man  viel  öfter  glamna.  Das  Wort  Sovjeky 
sagt  Milas,  hört  man  als  dojk^  iofk ;  in  der  Tat  kommt  viel  öfter  vor 
iojekj  öojekay  im  Vokativ  aber  dode  neben  öojeie^  bei  den  Mohammeda- 
nern öovik. 

In  §  55  sagt  Milas,  daß  das  k  ausfällt  in:  neakav^  neako.  loh  füge 
hinzu  noch  preo,  pro  fOr  preko.  Preo  wird  gebraucht  mehr  in  den  be- 
nachbarten Dörfern,  preo  hrda^  preo  po^ja^  pro  dagegen  mehr  in  der 
Gegend  von  Nevesinje:  pro  phmine. 

Die  Formen  koita^  ködern^  die  als  Kontraktion  von  kojeüa^  koje-^ 
iem  bei  Müas  angeführt  sind,  sind  mir  ganz  unbekannt,  ebenso  wie  die 
Formen  neite^  Koite  für  nedete^  hoöete.  Nei  und  Koi  2.  Pem.  sing. 
Präs.,  dann  die  Form  net^  die  auch  als  die  2.  Fers.  sing,  neben  nei 
gebraucht  wird,  bestehen  bei  uns.  HM  fttr  Koi^  hodei  wird  seltener 
gebraucht. 

Das  n  am  Schlüsse  der  Formen  Mman^  vornan^  naman  habe  ieh 


Der  Dialekt  von  Moitar.  505 

nicht  gehört  (dieses  n  da  wftre  ein  parasitiBches).  Wenn  man  aber  bei 
den  Katholiken  beim  Verbnm  -t»  für  -m  hört,  so  ist  das  sicher  als  eine 
Beetnflossnng  von  Seite  der  dalmatinischen  Dialekte  zu  betrachten :  redefiy 
zapovidin  vam.  Aber  wie  schon  Resetar  konstatierte,  hält  sich  im  Aus- 
laat  das  m  bei  den  Formen,  denen  um  eine  Silbe  längere,  vokalisch  aus- 
lautende Formen  zur  Seite  stehen  (S.  125):  dim^  sam^  wegen  des  m  von 
difna^  sama.  Außer  bei  den  Verben  habe  ich  dieses  ntfBa^m  nirgends  mehr 
hören  können. 

Oft  werden  den  Adverbien  in  Mostar  die  Suffixe  na,  kana,  auch  r, 
hinzugefOgt:  ovdena^  ondena,  tamokana,  ondar,  tadar.  Man  hört  auch 
iakodena  und  durch  Metatesis:  voiena  neben  ovdena.  Die  Silben  kana 
werden  auch  den  verschiedenen  Pronomina  in  Dai,  Instr.  und  Lok.  plur. 
hinzugefflgt :  namakana,  vamakana,  nimakana]  im  Sing,  bekommen  die- 
sen Zusatz  Gen.,  Dat.,  Lokativ:  negakana,  Aemukana,  onogakana. 
Dieses  kana  wird  oft  zu  kara :  onogakara,  i^emukara,  itimakara. 

Die  Formen  des  Gen.  Plur.  kötla  (neben  kotdlä)^  klüfkäy  kop^ä 
und  kopajaj  die  Milas  anfOhrt,  sind  sehr  selten,  viel  häufiger:  kotala, 
Idufaka  oder  klupaka^  kopala.  Säb^a  fiOr  sabala,  was  MUas  zitiert, 
habe  ich  niemals  gehört.  Ebenso  habe  ich  niemals  in  Mostar  von  jeman- 
dem gehört  den  Gen.  sii^.  päsa  von  päs,  sondern  immer  nur  p8&.  Yok. 
pase  ist  auch  ganz  fremd  unserer  Aussprache,  man  kennt  nur  ps'i  oder 
psü  (psüjedan!).  Auch  die  Vokative,  von  denen  Milas  sagt,  daß  sie  nur 
u  haben,  wie  glaoäru,  närodu^  r&du^  lavuy  haben  viel  öfter  e:  glatare^ 
narodßy  lave\  rod  hat  nur  räde. 

Im  Nom.  Plur.  können  auch  folgende  Worte  die  erweiterte  Form 
haben,  die  Milas  als  Beispiel  fOr  das  Gegenteil  genommen  hat:  sni  und 
nuHimovi;  od — o6evt\  miii — mtievi]  bubiii — bubnevi;  ieil% — dei- 
^t;  lakti — lakt(wi\  jarci^-jarcevi.  Die  Beispiele  wieder,  fttr  die  er 
sagt,  daß  sie  nur  die  erweiterte  Form  haben  (»samo  s  umeikom«),  können 
auch  anders  lauten:  brkovi  auch  brci;  duhovi — duHi  cirovi — ciri; 
diveravt — diveri 

Männliche  Namen,  die  schnell  ausgesprochen  werden,  in  Zorn  und 
nit  einer  Verachtung  (oder  wenn  man  sie  von  der  Kindheit  an  behält), 
kaben  kurzen  fallenden  Akzent  und  bekommen  einen  Suffix  ka  oder  da. 
Bei  den  Namen  Märka  von  Marko  und  Jlha  von  Jovo  ist  das  nicht  so 
auffallend,  desto  deutlicher  bemerkt  man  das  aber  bei  diesen:  Rtnda  von 
JRüto,  SvStko  von  Svitozar  (hypocorist  Sveto)\  Stöjka  von  Stdjan\ 
Viatita  oder  VUda  (hyp.  Vlädo).    Das  Paradigma  MUas'  Hrcoje  hat 


506  Vladimir  Öorovi^, 

nicht  den  richtigen  Gen.  Sing.  Man  spricht  nicht  Hrvoje — Hrvoje^ 
sondern  wie  Spasoje — Spasoja  so  anch  Hrvoje — Hrvoja.  Auch  der 
Gen.  Sing,  von  nie  TmAjaje  ist  nicht  ausschliefilich  uia  und  J(i/a^  son- 
dern anch  uieta  xm^jq/eta.  Daß  die  Orthodoxen  im  Gen.  Plnr. sprechen: 
dtjela,  mijestaj  kälijenä  ist  nicht  wahr  nnd  noch  weniger,  daß  neben 
dijela  meistens  d^dlo,  iilä  rorkommt. 

Der  Dat  telacim  von  teoci  ist  mir  nicht  bekannt,  ebenso  wenig  wie 
pazuhim  von  pazuho,  (Ich  weiß  nicht,  ob  dieses  Wort  überhaupt  im 
Plnral  vorkommt)  Wie  bei  den  Substantiven  neutr.  gen.  so  auch  bei 
diesen  fem.  gen.,  welche  Milas  als  bei  Orthodoxen  vorkommend  bezeich- 
net, muß  ich  betonen,  daß  ich  sie  in  Mostar  niemals  gehört  habe :  myera^ 
vijera,  pijega^  sondern  immer  nur,  wie  dort  djela^  mj'estaj  kofena^  so 
auch  hier  mjera^  vjera^  pjega. 

Der  Yok.  von  kukavica  kann,  wie  bei  straüvica^  kukavico  lauten. 
Alle  anderen  Worte  auf  ica  haben  nur  e  im  Vokativ. 

Die  Form  sa  iderom^  iöerom,  ein  Dalmatinismus,  habe  ich  in 
Mostar  nicht  gehört ;  möglich,  daß  Milas  sie  nicht  als  seinen  Dalmatinis- 
mus gefohlt  hat.  Als  Nom.  sing,  hört  man  iöer  nur  bei  den  Katholiken; 
bei  den  anderen  iöi.  Ein  Dalmatinismus  (Ragusanismus)  ist  auch  der 
Gen.  plur.  pHi  von  prsi  statt  unserer  Form  prsiju. 

Der  Nom.  Plur.  von  nit  lautet  am  häufigsten  fäti  {moje  nüi)\,  die 
beiden  anderen  Formen,  nite  und  nita^  kommen  seltener  vor.  Man  sagt 
nicht,  wie  Milas  anfahrt:  ja  smo  %  onjedmh  doba,  sondern  jednoga 
doba  und  gewöhnlicher y^cfmA  godina.  Statt  u  $vako  doba  kommt  ge- 
wöhnlicher der  Plural  u  svaka  doba  vor. 

Neben  katkad  (itokad,  das  Milas  citiert,  ist  mir  völlig  unbekannt) 
kommt  noch  öfters  eine  interessante  Form :  dähkad.  Wie  diese  Form  au 
erklftren  ist,  dieses  däh^  ist  mir  gar  nicht  klar.  Ob  da  vielleicht  nicht 
etwas  vom  Türkischen  oder  Arabischen  steckt?  Das  Wort  hat  eben  die- 
selbe Bedeutung  wie  katkad  oder  gd/ekad*). 

Bei  uns  kommen  auch  sehr  oft  vor  die  alten  Formen  für  den  Dat 
Plur.  nty  vi;  die  Akkusativformen  fie^  ve  haben  wir  nicht  mehr.  Den 
Akk.  plur.  nje  von  8n  habe  ich  in  Mostar  noch  nie  gehört.  Auch  nicht 
die  Verbindung,  wie  diese,  welche  Milas  anfahrt:  onjeje  vidio.  Fremd 
ist  mir  auch  das  Wort  niite  ftlr  niita. 

*)  Der  Verfasser  hätte  auf  das  im  akad.  Wörterbuch  zitierte  da- da,  auf 
däda,  däiäi  verweisen  können,  welches  jedoch  nicht  richtig  mit  dem 
sehen  gäh  verglichen  wird.  V.  J, 


Der  Dialekt  Ton  Moetar.  507 

Das  Adjectivurn  von  Bog  ist  boijij  nioht  boiiji  (boija  H  9jera)\ 
bei  vraüji  hört  man  ebenfalls  das  erste  i  kanm.  Der  KomparaÜT  von 
$vet  lautet  nur  svetifi]  svedi,  was  Milas  anftlhrt,  besteht  bei  uns  gar 
nioht  Ebenso  besteht  nioht  der  Komp.  gustiji  neben  dem  übliohen  guiöi 
von  ffust. 

Im  §  106  sagt  Milas,  daß  nur  die  Poss.  A^eotiva  auf  ^t,  ski  die 
bestimmte  Form  haben;  die  anf  ov  {ev)j  in^j  nur  unbestimmte.  Und  fttgt 
hinzu:  >ali  katkad  so  ipak  cuje  na  pr.  Matinoga,  Matinome,  babinome  i 
dr. «  Ffir  die  ersten  stimmt  das,  man  sagt  nur :  boiyega^  mostarskog^ 
aber  fittr  die  letzten  ist  die  Behauptung  zu  unsicher.  Nicht  manchmal 
[katkad)y  sondern  sehr  oft,  ja  viel  mehr,  werden  bei  uns  die  bestimmten 
Formen  gebraucht:  babinoga,  Perinome^  Matinoga^  ievojdinoga^  de^ 
dinom.  Nur  einige  von  diesen  Adverbien  haben  immer  nur  unbestimmte 
Formen  und  zwar,  wie  es  mir  scheint,  wegen  des  Wohlklanges:  ixgina 
fftit  aginogOy  daidiin-daidiina  (nicht  daidiinoga),  amidiina^  Hijina. 
Die  Formen  werden  so  gemischt  gesprochen  und  bestehen  so  nebeneinan- 
der, dafi  man  da  nicht  eine  Regel  ausfindig  machen  kann:  »Preskoiio  iz 
begova  vinograda  preko  dizdarevoga  mrgi&ac. 

Beim  Z&hlen,  sagt  Milas,  hört  man  in  Mostar  jedan  i  dvädes^  dva 
i  dvddes.  Ich  habe  das  noch  nie  gehört,  außer  in  den  Fftllen,  wo  man 
sagt  dva  %  dvadeset^  um  auszudrücken :  zwei  Gnlden  und  zwanzig  Kreu- 
zer. Wieso  er  zu  dieser  Behauptung  kommen  konnte,  ist  mir  ganz  un- 
klar, denn  auch  in  der  Umgebung  hört  man  das  nicht. 

Von  Adverbien,  die  Milas  anfahrt,  werden  in  Mostar  selten  oder  gar 
nicht  gebraucht:  iiokad^  prekojuder  (sondern  prekjuSe)^  prekolani 
(sondern  preklani)^  drugoik.  Aber  sehr  oft  kommen  diese,  von  ihm 
unbemerkte.  Formen  vor:  zäksjutra  ,überttbermorgen'  und  zälyuöe 
,vorvorgestem'.  Von  Präpositionen  sind  uns  fremd:  prez  (sondern  bez 
und  brez^  daher  auch  weiter  gedrungen  breaposUn)^  sowie  suproö. 

Das  Imperf.  von  peöi  lautet  pecyah^  die  Form  peSa^  die  Milas  da- 
bei erwähnt,  ist  mir  unbekannt.  Ebenso  die  erste  Pers.  von  Meti:  kun^a^ 
—  kuAaie  ist  unbekannt.  Von  iuti  kommt  das  Impf,  sehr  selten  vor, 
mehr  von  sluiati,  Nositt  hat  in  der  3.  Pers.  Plur.  neben  nosahu  noch 
Öfters  noidhu.  Der  Imper.  von  jesti  :  jeÜ  ist  uns  ganz  fremd.  Ebenso 
die  Form  sptmi^  für  welche  wir  gewöhnlich  spasti  haben.  Die  Form 
stSä  kommt  nicht  vor,  ebensowenig  sikä  (fllr  diesem  so  geschriebene, 
Form  weiß  ich  flberhaupt  nicht,  was  sie  bedeuten  soll);  sida  sollte  wohl 
das  Impf,  oder  Aorist  sein,  aber  letzterer  lautet:  sikoh^  süe^  siie,  und 


508  Vlftdimir  Öoroviö, 

von  sßdi  haben  wir  kein  Impf,  (dieses  wird  gemacht  vom  Verb.  9ye6i 
und  lautet:  sikah^  aikaie),  Sida  oder  sj"i6a  ist  wieder  was  anderes. 
Aüoh  die  Form  Uca  existiert  nicht;  fllr  tecaie,  das  Milas  anfthrt,  ist 
besser  nnd  gewöhnlicher:  tecijaie  oder  teöaie.  Alle  die  Formen  wie 
vüka^  tü6ä^  ieiä  sind  sehr  selten.  Odert  kommt  nicht  vor,  wohl  ^oderie. 
Sätranty  die  Form  fOr  1.  Pers.  Sing.,  fOr  sairem,  höre  und  lese  ich  znm 
ersten  Male  bei  Milas,  ebenso  wie  die  Form  zövla  ftr  zovnuta.  Von 
trdati  ist  die  3.  Pers.  Plnr.  Praes.  gewöhnlicher  tr6e  als  trSu,  Stajmo 
kommt  selbständig  nicht  vor,  sondern  nnr  zusammengesetzt:  ostajmo\ 
sonst  stojmo.  Das  Impf,  von  imati  lautet  entweder  imadija  oder  imadä^ 
nie  aber  imada,  Zjati  hat  als  Praes.  neben  dem  selteneren  zjajem  viel 
öfters  zjam.  Als  Impf,  von  htjeti  kommt  neben  hotijah  auch  idah^ 
iöaie  usw.  vor;  die  Formen  Milas'  iöeda,  idedaie  sind  bei  uns  nicht  im 
Gebrauche.  Als  Gerund,  praes.  hat  man  neben  hüjuöi  auch  stijfuöi.  Die 
Form  des  n.Fut  biöu  hvalio  oder/a  6u  bit  hvalio  ist  mehr  eine  Form 
der  Schriftsprache,  im  Alltagsleben  hört  man  sie  bei  uns  nicht 

Die  Präposition  proti  ist  selten,  viel  häufiger  kommt  protiv  mit  dem 
Genitiv.  Mit  dem  Dativ,  wie  Milas  sagt,  kommt  protiv  in  Mostar  gar 
nicht  vor. 

St.  Novakovid  hat  im  Arch.  fftr  slav.  Phil.  (Bd.  IV,  S.  515)  zwei 
Formen :  muie  und  iio  no  rijek  als  Archaismen  betrachtet.  Die  Bei- 
spiele fllr  mude^  die  er  anfllhrt,  sind  eben  einem  Mostarer  Schriftsteller, 
Joanikije  PamuSina,  entnommen.  Die  Form  besteht  auch  heute  noch. 
Fflr  die  Form  ito  no  rijekj  wo  Novakovid  rijek  als  altes  part.  praet.  aet. 
betrachtet  (Jagi6  hat  in  einer  Bemerkung  sein  Bedenken  darflber  ausge- 
sprochen), möchte  ich  lieber  glauben,  daß  das  fllr  ryei^  ito  no  ryeS 
steht.  Das  von  ihm  angefllhrte  Beispiel  spricht  gar  nicht  dagegen :  »Kaji 
HM  je  OBaKO  ÖJiHsy,  mTono  pnjeK  npeT  KyhoM  Enorpa^t . .  .<  Denn  in 
Mostar  wird  auch  so  gesprochen,  mit  derselben  Bedeutung. 

Für  die  Anwendung  des  Instrumentalis  im  gekflrzten  Vergleichungs- 
satze, was  Resetar  in  Pr6aA  konstatierte,  habe  ich  aus  Mostar  mehrere 
Beispiele:  diamadafiy  ito  ga  je  on  momkom  nosio\  i  dwojkom  je 
iöela  da  nikom  duzna  ne  ostane ;  ako  mlada  budejunetom  ko  ieletom^ 
valaöe^  sagt  man  fOr  eine  Braut,  der  man  aus  ihrer  Kindheit  nur  gutes 
nachsagen  kann. 

Besetar  hat  in  Brod  in  Slavonien  eine  neue  Art  des  Verbotes  ge- 
hört: neka^  nekate  :  nika  dirat^  nikate  peovat  in  der  Bedeutoag 
nemdf\  nemojte  und  glaubt,  daß  »diese  Art,  ein  Verbot  auszudrflcken, 


Der  Dialekt  von  Mostar.  509 

nur  im  Dialekte  von  Brod  in  Slavonien  vonukommen  seheintc  (8.  2 1 8). 
In  Mostar  wird  aneh  ndkoj  ndkaie  fOr  netnoj]  nemojte  gebraucht,  nur 
niemala  mit  einem  Yerbnm :  neka  ioie^  nekaie  ludi,  nekate  brctöo^  nie 
aber  nika  diratj  nekate  peovati.  Nur  in  einer  Phraae  ist  die  Form 
flblieh:  nekate^  braöOy  duie  grijeiiti. 

Wie  ea  im  Dentachen  vorkommt,  daß  manche  Worte  abBichtlich, 
ans  Furcht  oder  Frömmigkeit,  nicht  mit  ihren  wahren  Lauten  ausge- 
sprochen werden,  wie  o  Jerum  statt  o  Jesus,  Sapperlot  oder  Sackerlot 
fiBr  Sacrament,  Pfui  Teuxel  statt  Teufel  (0.  Behaghel:  Die  deutsche 
Sprache,  Leipzig  1904.  8.  105),  so  ist  auch  bei  unseren  katholischen 
Bäuerinnen  sehr  oft  zu  hören :  Bora  mi  ftlr  Boga  mt\  iavo  statt  dävo. 

Der  Wortschatz  in  Mostar  ist  außerordentlich  reich;  ich  selbst  habe 
fOr  das  Wörterbuch  der  Serb.  Akademie  über  700  Worte  zusammen- 
gestellt, die  bei  Yuk  nicht  zu  finden  sind.  Milas  hat  am  Schlüsse  seiner 
Abhandlung  eine  ziemlich  große  Zahl  unserer  Worte  aufgezeichnet  und, 
wenn  es  notwendig  war,  erklärt.  Auch  Besetar  hat  seiner  Studie  ein 
Lexikon  zugeftlgt.  Ich  werde  mich  hier  darauf  beschränken,  nur  die  Be- 
deutung einiger  Worte,  welche  von  Milas  aufgezeichnet  sind  (M.),  zu  be- 
richtigen und  einige,  die  Resetar  (R.)  als  nur  in  Ragusa  oder  irgendwo 
anders  vorkommend  bezeichnete,  auch  als  in  Mostar  vorkommend  nach- 
zuweisen. 

Anika  (R.  sagt  in  Ragusa  nur  von  Edelfrauen  gebraucht,  bei  uns 
allgemein);  bytakmiä  barjakj  bajraktar  jm^  barjaktar\  bäsma  (M.) 
ist  schlecht  erklärt  als  »sareno  od^jelo« ;  das  ist  eine  Art  von  gekauftem 
Tuch;  bddra  f.  (R.  hat  das  Wort  als  f.  nur  in  Rag.  und  Ozriniöi  aufge- 
zeichnet); ddlma  (M.  »strop  oblijep)enc),  auch  eine  Art  Speise;  vom 
itaL  giacchetta  haben  wir  ein  diaket ;  M6e  f.  pl.  für  latein.  domus  (M.) 
ist  sehr  selten,  sondern  ku6a,  oder  in  anderen  Casus  dom\  mäntati  se 
(R.  in  Spalato) ;  nämjestiti  groide :  die  Trauben  bei  der  Weinlese  ver- 
kaufen; nasamdriti:  jemanden  aufisitzen  lassen;  naposmk  (R.  in  Rag. 
und  Pr5a£);  p^tica  die  Note  5  in  der  Schule,  auch  die  Banknote  von 
10  Kronen;  desetica  ist  von  20  Kronen.  Das  Mehl  Nr.  2,  3  usw.  heißt 
auch  in  Mostar  (R.  in  BrSka) :  dvica,  irica,  petica,  sedmica,  osmicoj 
devetica;  pdstava  (R  »Art  Oefäß):  das  Futter;  poiprdivati  se  (K  in 
Rag.);  pr^tlati  und  auch:  opret^ati  und  napret^aii  mit  derselben  Be- 
deutung: dick  werden;  püki  :püki  siromah  ein  Mann,  der  gar  nichts 
hat  (R.:  »ipsissimusc);  samäta  (M.  schlecht  erklärt:  »sareno  od^jelo«), 
das  ist:  der  Sammet;  salämet  (M.),  öfters  selamety  (M.  »sre6ac)  heißt 


510  Vladimir  Öoroviö,  Der  Dialekt  von  Moetar. 

»Olflok  bei  einer  üntemehmimg« ;  sndffa  :  mala  sndga  (R.  in  Rag.  PrS. 
»die  Ohnmaobtc),  bei  uns  heißt  es  mäUca  snaga;  stätiona  (M.),  daneben 
öfters  statt; erna  »die  Wage« ;  itäpati  se  (R.  in  Rag.)  bei  nns  nnr  po- 
itäpati  se;  üzrignuti  se  (Res.  in  Rag.  Pri.);  zmicak  (R.  in  PrS.},  bei 
nns  nnr  cmtSak]  zatrüdit  (M.),  noeh  Öfters  zatrudniti  »scbwängernc; 
zuhi  kudni  (M.)  ist  woU  nicht  richtig:  man  sagt  zubi  kutAi  oder  kutAaci. 

Nosi  hnigu  u  procipi  [procijepi)  ist  bei  Milas  nicht  gut  erklärt: 
^prodjep^  ono,  n  Sem  nose  uSenici  k&ige  n  skoln«.  Die  Schfller  tragen 
die  Bfloher  in  einer  canta  oder  amaßija\  procijep  ist  dagegen  ein  ge- 
spaltener Stock,  in  dessen  Einschnitte  die  Boten  Briefe  tragen.  Ci£i  ko 
zmija  u  procijepu!  Das  ist  ein  allgemein  bekanntes  Qleiohnis,  in  wel- 
chem die  wahre  Bedentang  des  Wortes  steckt. 

Zwei  sehr  interessante  Phrasen  sind  in  Mostar  üblich :  predrijeti  mu 
macku,  predire  mi  madkuy  dere  mi  maiku:  »einem  imponieren«,  oder 
»er  imponiert  mir«  nnd  udari  kj^uö  iz  nega^  wenn  einer  plötzlich  anszn- 
speien  anfibigt.  Woher  die  erste  Phrase  kommt,  ist  mir  unbekannt,  mög- 
lich doch,  daß  da,  wie  in  vielen  Fällen  bei  nnseren  Sprichwörtern  nnd 
Gleichnissen,  eine  kleine  Volkserzählung  den  Ausgangspunkt  gab. 

Ungenan  hat  Milas  in  seiner  Abhandlung  folgende  Worte  betont: 
VMei  (es  soll  sein :  Vilei),  dgniite  (es  soll  sein :  dgntite),  bezbili  (es 
soll  sein :  bezbeli)^  Sifteli  {iifteli),  f^povalo,  käpovala  (kupdealOj  kor 
pdf>ala)j  dr'veda  (d^rveda)^  Uta  (Uta) ;  das  Praes.  driite  ist  fremd  mit 
dieser  Betonung.  God  hat  im  Qen.  g'dda  (nicht,  wie  bei  Milas,  gdda). 
ÖMe  hat  Nom.  Akk.  V.  plur.  6eb^ta  (nicht,  wie  bei  Milas,  SibetOj  denn 
das  ist  der  Gen.  Sing.).  Posüla  hört  man  bei  uns  nicht.  Der  Name 
Düian  ist  bei  den  Leuten  aus  der  oberen  Hercegovina  immer  Däiän 
betont 

Im  großen  und  ganzen  weist  die  Aussprache  von  Mostar  sehr  wenig 
überraschendes  sowohl  in  der  Laut-  als  auch  in  der  Formenlehre  nnd 
Syntax  auf.  Und  was  ihren  jekavischen  Teil  anbelangt,  so  maß  man 
ihn  wirklich  als  ein  musterhaftes  Vorbild  unserer  Schriftsprache  auch 
weiterhin  betrachten. 

Vladimir  Öorovid. 


511 


Beiträge  znr  Enltnrgescliichte  des  serbischen  Volkes. 


n.  Joseph  Knrzboek  und  die  Erriehtnng  der  serbischen 

Buehdraekerei  (1768—1778.) 

In  der  Knltorgesohiohte  des  serbischen  Volkes  im  Laufe  des  XYIU. 
Jahrb.  bildet  ein  Kapitel  auch  dieGrflndnng  einer  serbischen  Bnchdrockerei. 
Die  Wichtigkeit  und  die  anbedingte  Notwendigkeit  einer  serbischen  Bnch- 
dmckerei  hatten  die  Serben  gleich  nach  ihrer  Einwanderung  erkannt  und 
an  allen  ihren  Eirchenkongressen  nebst  Erlaubnis  zur  Errichtung  serbi- 
scher Volksschulen  auch  die  Eonzession  zur  Orflndung  einer  serbischen 
Bnchdruckerei  verlangt.  Aber  diese,  sowie  alle  anderen  Forderungen  des 
serbischen  Volkes  blieben  lange  Zeit  unerflUlt. 

Die  Bflcher,  welche  das  serbische  Volk  damals  brauchte,  wurden 
gewöhnlich  außerhalb  des  österreichischen  Staates,  in  Rußland,  dann  in 
Venedig,  Walachei  und  Polen  gedruckt.  Es  versteht  sich  von  selbst,  daß 
unter  solchen  Umständen  ein  jedes  Buch  eine  Eostbarkeit  für  das  Volk 
bildete,  da  die  Anschaffung  eines  Buches  aus  diesen  Staaten  mit  großen 
Ausgaben  und  Anstrengungen  verbunden  war. 

Gewöhnlich  gmgen  die  serbischen  Mönche  nach  Rußland  und  anderen 
Lindem,  und  von  da  brachten  sie  dicBtlcher  mit,  die  mit  CjrriUischen  Buch- 
staben gedruckt  waren.  Aber  diese  häu6ge  Berflhmng  der  serbischen 
Mönche  mit  dem  russischen  Volke  und  das  viele  Geld,  das  die  Serben  fttr 
die  Anschaffung  der  Bflcher  verausgabten,  veranlaßten  in  den  siebziger 
Jahren  des  XVIII.  Jahrh.  die  österreichische  Regierung,  mehr  Aufmerk- 
samkeit der  Gründung  einer  serbischen  Buchdruckerei  in  ihrem  Staate  zu 
widmen.  Noch  am  2.  Juni  1766  wurde  das  Bittgesuch  eines  Buchdruckers 
beztiglich  der  Grflndung  einer  serbischen  Buchdruckerei  von  der  Hof- 
Eammer  entschieden  zurflckgewiesen  ^],  aber  bald  darauf  nahm  die  Sache 
eine  andere  Wendung.  Im  Jahre  1768  faßte  dieselbe  Eammer  den  Be- 
schluß, von  einem  Buchdrucker  einen  umfangreichen  Entwurf  zu  verlangen, 
nach  welchem  man  eine  serbische  Buchdruckerei  gründen  könnte.  Da- 
durch wollte  die  österreiche  Besserung  die  Geldsumme,  die  das  serbische 


1)  Hof-Kammer-Arohiv  (Fmanz-Arehiv),  Banatioa,  Fase.  79,  Nr.  4. 


512  Aleksalviö, 

Volk  den  Fremden  fttr  die  Bfloher  ausgab,  im  Lande  erhalten,  jedwede 
Beziehung  des  serbischen  Volkes  mit  dem  russischen  hintertreiben  nnd 
durch  den  Druck  der  fOr  die  Nichtunierten  bestimmten  Eirchenbfioher  un- 
bemerkt auch  der  Union  Vorschub  leisten. 

Dem  Beschlüsse  der  Hof-Kammer  zufolge  wendete  sich  Graf  Schön- 
bom  an  den  Universitäts-Buchhändler  in  Wien  Joseph  Eurzböck  mit  der 
Anweisung,  in  Angelegenheit  der  Gründung  einer  serbischen  Buchdruckerei 
sich  mit  dem  unierten  Bischof  von  Munkatsch,  Bradische,  zu  verständigen. 
Joseph  EurzbOck  folgte  gleich  dem  Wunsche  des  Grafen  Schönbom, 
knttpfte  mit  Bischof  Bradische  Verhandlungen  an  und  sie  wurden  bald 
einig;  doch  für  diesmal  stellte  die  Eammer  jede  weitere  Arbeit  ein.  Allein 
schon  das  nächste  Jahr  kam  dieselbe  Frage  betreffii  der  serbischen  Bneh- 
druckerei  von  neuem  auf  die  Tagesordnung.  Am  9.  März  1769  unter- 
breitete Eurzbdck  dem  Grafen  Schdnbom  einen  umfangreichen  Plan  zur 
Gründung  einer  Buchdruckerei  mit  cyrillischen  Buchstaben^). 

Um  den  Vorschlag  Kurzböcks  besser  prüfen  zu  können,  besehloß  die 
Hof-Eammer  noch  einen  Buchdrucker  um  die  Meinung  zu  fragen'].  In 
ihrem  Auftrage  wurde  am  17.  März  1769  vom  Grafen  Eugen  Würben 
an  den  Hof-Buchdrucker  Thomas  Edler  von  Trattner  ein  Dekret  aus- 
gefolgt, worin  er  ersucht  wird,  die  Bedingungen  anzugeben,  unter  welchen 
er  bereit  wäre,  eine  serbische  Buchdruckerei  zu  gründen').  In  seiner 
Antwort  vom  17.  Mai  1769  sagt  Trattner,  er  habe  schon  vor  ein  paar 
Jahren  den  Vorschlag  gemacht,  eine  solche  Buchdruckerei  in  Budapest  zu 
gründen,  sein  Vorschlag  aber  sei  damals  nicht  angenommen  worden.  Jetzt 
sei  er  bereit,  diese  Sache  zu  übernehmen,  unter  der  Bedingung,  daß  der 
nichtunierte  Elerus  selber  die  Eorrektur  der  Bücher  besorge  und  sich  ver- 
pflichte, einen  Fond  fttr  den  Absatz  dieser  Bücher  zu  gründen^). 

In  diesem  Jahre  trat  der  serbische  Eirchenkongreß  zusammen.  Am 
11.  Juli  bekam  Graf  Hadik,  königl.  Eommissär  an  diesem  Eongresse,  von 
der  Hof-Eammer  den  Auftrag,  die  Frage  von  der  Gründung  einer  serbi- 
schen Buchdruckerei  auf  die  Tagesordnung  zu  setzen,  die  Verhandlungen 
mit  den  serbischen  Bischöfen  anzuknüpfen  und  das  Resultat  mitzuteilen*). 

Nach  der  Berechnung  des  Bischofs  von  Munkatsch,  Bradische,  waroi 
damals  im  österreichischen  Staate  ungefilhr  2000  nichtunierte  Eirchen  und 

1)  Finanz-Archiv,  Bau.  Fase.  79,  Nr.  52. 
«)  Ibid.  »)  Ibid. 

*)  Fin.  Archiv,  Bau.  Fase.  79,  Nr.  115. 
5)  Hof-Eriegs- Archiv,  das  Jahr  1 769. 


BeitriSge  rar  Knltargeschichte  des  serbischen  Volkes.  513 

noch  eine  viel  größere  Anzahl  von  Priestern;  es  wurden  dnreh  je  sechs 
Jalire  wenigstens  200000  Golden  für  die  Earchenbücher  verausgabt, 
unter  dem  Volke  war  eine  sehr  kleine  Zahl  solcher,  die  lesen  konnten 
und  Btlober  brauchten.  Da  aber  gerade  damals  an  der  Verbesserung  des 
Knltnrznstandes  und  Errichtung  der  serbischen  Schulen  gearbeitet  wurde, 
so  ward  auch  die  Orflndung  einer  Buchdruckerei  immer  notwendiger. 

Die  Hof-Eammer  betraute  ihr  Mitglied  HerteUi  mit  der  Aufgabe, 
Aber  die  Bedingungen  Kurzböcks  und  Trattners  zu  referieren.  In  seinem 
Referat  schlug  Hertelli  vor,  die  Forderung  Trattners,  nach  welcher  sich 
der  nicht  unierte  Klerus  verpflichten  mtLßte,  von  einem  jeden  Buche  2000 
Exemplare  zu  kaufen  und  gleich  zu  bezahlen,  abzuweisen.  Statt  dessen 
soll  man  einen  mittelmäßigen  Vorschuß  und  die  Gründung  der  Buch- 
druckerei jenem  Buchdrucker  anvertrauen,  der  die  Bttcher  am  billigsten 
verkaufen  würde.  Demselben  Buchdrucker  sollte  man  das  Privilegium 
zur  Gründung  der  Buchdruckerei  erteilen  und  zugleich  die  Bflchereinfohr 
aus  fremden  Staaten  verbieten.  Die  Kalender  sollten  gestempelt,  aber 
die  Taxe  dafür  nicht  zu  groß  werden.  Zuletzt  behielt  Hertelli  auch  den 
politischen  Nutzen  von  der  Gründung  einer  serbischen  Buchdruckerei 
im  Auge;  deshalb  schlug  er  vor,  ein  Exemplar  des  Meßbuches  und  der 
Bibel,  so  lange  sie  noch  im  Drucke  sind,  zu  verlangen,  um  gewisse  Stellen 
korrigieren  zu  können^). 

Zu  dieser  Zeit  tauchte  die  Idee  auf,  die  serbische  Buchdruckerei  dort 
zu  gründen,  wo  die  Serben  leben.  Diese  Idee  stanmit  von  dem  Faktor 
der  Preßburger  Buchdruckerei,  Franz  Patzko;  er  richtete  an  die  Hof- 
Kammer  das  Ansuchen,  ihm  die  Erlaubnis  zur  Gründung  einer  Buch- 
druckerei in  Temeschwar  zu  geben,  in  welcher  deutsche,  serbische  und 
mmfinische  Bücher  gedruckt  werden  würden.  Die  Hof-Klammer  wollte 
nicht  ohne  weiteres  diesen  Vorschlag  ablehnen,  sondern  gab  dem  Patzko 
einen  Vorschuß  von  50  Dukaten,  damit  er  nach  Temeschwar  reise,  dort 
den  Boden  sondiere  und  nachher  nach  Wien  konmie.  Aber  bald  nachher 
stockten  die  Verhandlungen.  Am  20.  November  1769  beschloß  die  Hof-^ 
Kammer  mit  dem  Patzko  nur  hinsichtlich  einer  deutschen  Buchdruckerei 
zu  verhandeln,  denn  seine  Forderungen  bezüglich  der  Gründung  einer 
serbischen  Buchdruckerei  seien  zu  hoch  und  überhaupt  sei  das  eine  Frage, 
die  in  den  Wirkungsbereich  der  illyrisohen  Deputation  gehöre.  Einen 
Honat  später,  am  20.  Dezember  desselben  Jahres  wurde  die  Administra- 


i)  Ibid. 

AzchiT  f&r  daTifloh«  Plülologie.    XXDL  33 


514  üekBE  Iviö, 

tion  von  Temeschwar  yerstftndigt,  die  Verhandinngen  mit  Patzko  absn- 
breehen  und  mit  einem  Buchdrucker  von  Ofen  oder  irgendwo  mit  ^em 
anderen  neue  Verhandinngen  anznknttpfen^). 

Zu  dieser  Zeit  wnrde  eifrig  über  die  serbischen  Schulen  diskutiert. 
£äae  der  hanptsftdüichen  Bedingungen  fttr  die  Lösung  dieser  Frage  bildete 
die  Brrichtung  der  serbischen  Buchdmckerei.  Die  österreichische  Re- 
gierung hatte  es  eingesehen,  daß  sie  die  Frage  Aer  serbischen  Buch- 
dmckerei nicht  weiter  aufischieben  dflrfe ;  deshalb  nahm  sie,  anfangs  1 7  7  0, 
den  Vorschlag  Kurzböcks  an  und  erlaubte  ihm  die  OrOndnng  der  Bnoh- 
druekerei.  Am  14.  Februar  gab  die  ELaiserin  Maria  Theresia  dem  Kurs- 
.  böok  das  Privilegium  privativum  für  zwanzig  Jahre 2). 

Nachdem  Eurzböck  das  Privilegium  bekommen  hattCi  fing  er  gleich 
an,  an  der  Errichtung  der  Buchdruckerei  zu  arbeiten.  Um  es  zn  ver- 
hindern,  daß  das  Volk  auch  von  jetzt  an  die  Bttcher  dort  kaufe,  wo  es 
sie  frfiber  gekauft  hat,  sendete  die  Hof*Kammer  am  26.  Mai  1770  eine 
Note  an  den  Hof-Eriegsrat  und  die  illyrische  Hof-Dq[>utation,  worin  sie 
oarsucht  werden,  die  ihnen  untergeordneten  Behörden  von  der  Grttndung 
der  Eurzböckschen  Buchdruckerei  zu  verständigen  ^).  Darauf  sendete  der 
Ho^Eriegsrat  am  22.  Juni  dieses  Jahres  den  Auftrag  an  die  OeneraH- 
kommandos  von  Karlstadt,  Warasdin,  Slavonien,  Banien,  SiebenbOrgen 
und  Temeschwar,  die  durch  das  kaiserliche  Privilegium  verbttrgten  Beohte 
Kurzböcks  in  Schutz  zu  nehmen^). 

Durch  die  ersterschitfienen  Bücher  aus  der  Eurzböckschen  Buch- 
druckerei wollte  dieösterreichischeRegieningdienotwendigstenBedflr&isae 
befriedige,  nftmliohjene  Bttcher  drucken  lassen,  dieam  häufigsten  gebraucht 
worden.  Planm&fiig  sollten  zuerst  das  Gebetbuch  und  dann  der  Psalter 
gedruckt  werden.  Aber  das  serbische  Volk  war  gewöhnt,  die  Bflcher  vom 
Aaslande  zu  beziehen ;  deshalb  machte  die  Hof-Eammer  am  1 .  Septeasber 
1 770  die  ungarischen  Behörden  darauf  aufrnerksam,  daß  bald  das  Gebet- 
budi  und  der  Psalter  beim  Eurzböck  erscheinen  werden;  infolgedeBaen 
werde  die  £infuhr  der  Bttcher,  besonders  aber  jener  zwei,  aus  Petersburg, 
MoAau,  Warschau,  Eiew,  Venedig,  Leipzig,  Halle  in  Sachsen  and  aua 
der  Wallaehei  verboten^).    Bald  darauf  wurde  auch  die  Verardnnng  der 

1)  Fin.  Arch.  Fase.  79,  Nr.  78. 

2)  Ejriegs- Archiv,  das  Jahr  1770. 

«)  Kriegs-Archiv,  das  Jahr  1770,  38—78. 

«)  Ibid. 

S}  Hof-Ejiegs-Archiv,  das  Jahr  1770,  38—116. 


iBoitrü^  zur  Kaltaigeschiclite  dts  Berbiflchen  Volkes.  515 

Kaueriii  veröffiontlicht,  naeh  welcher  die  Emfahr  jener  Bücher,  imter  der 
Aiidrohnng  der  Strafe  der  Konfiskation,  verboten  wnrde^). 

Dieses  Yeibot  der  fremden  Bflcher  wiederholte  sich  von  nnn  an  sehr 
oft.  Am  4.  Oktober  meldete  die  illyrische  Deputation  dem  Hof^Eriegsrat, 
daß  die  Behörde  nnliagst  in  Eeresmezö  in  Ungarn  einen  mssischen  Bnchr 
hiüdler  angehalten  nnd  alle  Bücher,  die  bei  ihm  vorgefonden  wnrden, 
konfisziert  habe,  deshalb  wird  der  Eriegsrat  gebeten,  allen  seinen  nnter* 
geordneten  Behörden  den  Auftrag  zn  geben,  kein  einziges  Bnch  über  die 
Grenze  kommen  zn  lassen  2).  Und  anch  sonst  ging  man  der  Knrzböck- 
sehen  Bnchdmckerei  an  die  Hand.  So  waren  ihre  Bücher  nnd  Papier,  das 
an  KnrzbOck  gelangte,  fttr  drei  Jahre  von  jeder  Postgebühr  befreit*). 

Im  Jnni  1771  sendete  Knrzböck  an  die  Hof-Bnchhaltong  die  Bech- 
nong  znr  Anszahlnng  für  ein  Bnch,  das  im  Auftrage  der  Hof-Eammer 
gedruckt  wurde.  Es  war  das  illyrische  Regnlament,  das  schon  erschienen 
war  und  nach  Banat  fortgeschickt  wurde.  Dieses  Regnlament  war  in 
deutscher  und  serbischer  Sprache  gedruckt^).  Bald  darauf  waren  auch 
fie  Alphabetbücher  fertig  und  im  September  wurde  in  der  Hof-Eammer 
ffie  Auszahlung  von  540  Oulden  40  Er.  für  diese  Alphabetbücher  und  für 
das  Begnlament  besprochen ;  die  Auszahlung  selbst  geschah  viel  spftter  ^)» 
In  der  »GpncRa  EH6jDiorpa»HJa«  von  St.NoyakoYi6  geschieht  keine  Er- 
wähnung von  irgend  welchen  Abcbüchem  aus  dieser  Zeit,  es  ist  wohl 
unter  1770  von  einem  EyKnap'b  die  Bede,  aber  dieses  Büchlein  erschien 
zu  Venedig,  desgleichen  erzählen  uns  die  Dokumente  zur  Geschichte  der 
serbischen  Schulen  gar  nichts  von  diesen  Büchern. 

Allen  Verboten  zu  trotz  kamen  wiederholt  FftUe  vor,  daß  die  Bücher 
aus  Bußland  und  Venedig  in  die  Osterreichischen  Provinzen  eingeschmug- 
gelt wurden.  Deshalb  ließ  im  Jahre  1775  die  Hof-Eammer  allen  Grenz» 
behürden  den  Auftrag  zukommen,  auf  die  Bücher  strengstens  zu  aehten 
und  daß  nur  jener  ein  Buch,  das  mit  cyrillischen  Buchstaben  gedruckt  ist, 
mit  sich  ins  Beich  bringen  dürfe,  der  dazu  eine  besondere  Bewillignng  hat  *). 

Anfangs  1777  schickte  EurzbOck  an  die  illyrische  Hof-Depntation 


1)  Ibid. 

^  Flu.  Arch.  Fase.  18,  Nr.  25. 

^  1.  c.  Fase.  30,  Nr.  1. 

«)  1.  c.  Fase.  79,  Nr.  86,  29  und  102. 

6)  1.  c.  Fase.  79,  Nr.  58  und  22. 

0)  Fin.  Arch.  Fase  1,  Nr.  11  nnd  Eriegs-Arch.  1775,  24—163. 

33* 


516    AlekBa  Ivi(S,  Beilage  ssor  EnltargeBehiohte  des  flerbiBohen  Volkes. 

dieBechnungfitlrdie  »Schnlordnimg«,  welche  Ende  1776  ersoMeBenwar^). 
Bald  darauf,  am  24.  Jnli  1777,  bittet  Euizböck  ihm  die  Snmme  Ton 
143  Gulden  fllr  zwei  nengedrackte  Bflcher,  von  welchen  das  eine  »Fvro- 
^OACTBO  K  ^eoTHOCTH  H  npaBOCTH«  (Mcthodenbuch)  and  daa  andere 
»IIpaBExa  MOHamecRas«  war,  zu  bewilligen^).  Dadurch  wird  die  Ver- 
mntiing  äafariks,  daß  diese  >IIpaBHJ[a«  im  Jahre  1777  gedruckt  sind, 
bestätigt»). 

Die  andere  Absicht  der  österreichischen  Begierung,  durch  die  Grün- 
dung der  Eurzb5oksohen  Buchdruckerei  das  serbische  Volk  zur  Union  zu 
verleiten,  verfehlte  ihren  Zweck  gänzlich.  Der  Katechismus  der  linier- 
ten, den  sie  in  serbische  Schulen  und  Kirchen  einführen  wollte,  mußte  von 
der  Begierung  zurückgezogen  werden^).  Und  als  spät^  die  Begierung 
ganz  unbedeutende  Änderungen  an  dem  Katechismus  von  Jovan  Baji6  vor- 
nahm, geriet  das  ganze  Volk  in  solche  Aufrc^gung,  daß  die  Begierung  ge- 
zwungen war,  eine  Verordnung  zu  erlassen,  nach  welcher  zukünftig  die 
Beligionslehre  nicht  mehr  nach  diesem  Katechismus  von  Bajiö  gelehrt  wird. 
Kurzböck,  bei  dem  der  Katechismus  im  Auftrage  der  Begierung  gedruckt 
war,  wendete  sich  jetzt  an  die  Begierung,  sie  mOge  ihm  den  Schaden  wegen 
der  unverkauften  ELatechismen  ersetzen.  Dadurch  entstand  eine  sehr  in- 
teressante Diskussion  zwischen  den  Osterreichischen  Behörden,  wer  eigent- 
lich verpflichtet  sei,  dem  Kurzböck  den  erlittenen  Schaden  zu  ersetzen. 

Hiermit  wird  ein  zehnjähriges  Kapitel  aus  der  serbischen  Schul- 
geschichte und  Kurzböckschen  Buchdruckerei,  das  ich  auf  dem  Grunde 
des  Archivmaterials  zusammengestellt  habe,  abgeschlossen.  £&  war  nicht 
meine  Absicht,  hier  die  damalige  Schul-  und  Buchdruckereigeschichte  zu 
schreiben.  Ich  wollte  nur  das  bis  jetzt  noch  unbekannte  Material  über 
diesen  Gegenstand  ans  Licht  bringen,  um  damit  demjenigen  die  Aufgabe 
zu  erleichtem,  der  es  einmal  unternehmen  wird,  die  Geschieht^  selbst  zu 
schreiben. 


1)  Fin.  Arch.,  Hung.,  Fase.  41,  Kr.  120. 
^  1.  0.  Nr.  99. 

8)  Gl.  HoBaKOBHh,  CpncKa  EHluiorpa«EJa,  pag.  17. 

<]  ^HM.PyBapait,  ApzEMaExpEi  JosaHPaJHh  und  JleTOiiKC  »HaTHiteGpiiCRe« 
Band  96. 


Wien,  den  24.  Mai  1907.  Meksa  Iviö. 


617 


Eligka  Er&snohoT8k&. 


Unter  den  slavisehenLiteratnren  kann  nnr  die  iechische  und  polniBohe 
80  bedeutende  weibliche  Dichter  anfweisen,  wie  SvStlä,  Orzessskowa,  oder 
Eonopnicka,  Eräsnohorskä,  deren  Erscheinungen  sich  würdig  den 
männlichen  Beprftsentanten  dieser  Literaturen  anreihen.  Die  zwei  letzt- 
genannten sind  sich  in  mancher  Hinsicht  so  ähnlich,  daß  man  unwillkllr- 
Mch  zu  einer  Parallele  verleitet  wird  ^).  Beide  sind  so  vielseitig  tätig,  beide 
stehen  im  Vordergründe  der  Frauenbewegung  und  so  wie  Eonopnicka  im 
vorigen  Jahre  ihr  sechzigjähriges  Jubiläum  gefeiert  hat,  ebenso  feiert 
Eräsnohorskä  heuer  am  18.  November  ihren  60.  Geburtstag;  aus  diesem 
Anlasse  sei  hier  kurz  etwas  Aber  ihre  Bedeutung  in  der  Sechischen  Lite- 
ratur gesagt. 

Er.  ist  eine  der  ersten  iechischen  Dichterinnen  (aber  nicht  der  Dichter) 
und  ihre  umfangreiche  Tätigkeit  auch  auf  anderen  Gebieten  sichert  ihr 
einen  ehrenvollen  Platz  in  der  Sech.  Literaturgeschichte.  Ihre  Vielseitig- 
keit hat  beinahe  etwas  ähnliches  mit  der  Vrchlickf  s :  denn  sie  schrieb 
Gedichte  in  allen  möglichen  Formen,  sie  schrieb  Novellen,  Dramen,  sie 
flbersetzte  so  wie  Vrchlicky  aus  dem  Englischen,  Deutschen,  Polnischen 
und  auch  Bussischen;  sie  schrieb  literarische  Essays  und  Abhandlungen, 
sie  beteiligte  sich  so  heftig  und  eifrig  an  allen  literarischen  Polemiken  wie 
Vrchlicky  —  nur  mit  dem  Unterschiede,  daß  sie  im  Jahre  1878 — 80 
gegen  ihn,  im  Jahre  18 95-— 6  mit  ihm  kämpfte. 

Außerdem  stand  sie  mit  der  Karolina  Svitlä  im  Vordergrunde  der 
Frauenbewegung  seit  den  70er  Jahren  und  in  den  90er  Jahren  flbemahm 
sie  die  Fflhrung  selbst  —  in  welcher  Hinsicht  sie  viel  geleistet  hat.  Sie  re- 
digiert seit  dem  Jahre  1875  die  (damals  einzige)  Frauenzeitschrift  ȣensk6 
listy«  und  hier  war  und  ist  ihr  zweites  Forum  zur  Verbreitung  des  natio- 
nalen Selbstbewußtseins  in  den  Reihen  der  damals  so  vernachlässigten, 
fremdsprachig  erzogenen  Sechischen  Mädchen  und  Frauen,  dort  kftmpfte 
sie  später  für  die  Befreiung  des  Weibes  aus  den  Fesseln,  welche  ihr  nicht 
erlaubten,  sich  in  sozialen,  geistigen  und  materiellen  Verhältnissen  gehörig 


1)  Siehe  J.  Kar&sek,  Slavische  Literaturgeschichte,  n.Teil,  S.  178. 


518  Jaromir  E.  Doleial, 

geltend  zu  machen.  Dies  tat  Kr.  in  ihren  Schriften  und  half  nicht  weniger 
mit  der  Hand,  mit  der  Tat,  als  Seele  des  großartigen  »Zensky  vyrobnf 
gpolek  y  Praze« ;  sie  hat  den  größten  Anteil  an  der  Errichtung  des  ersten 
Mädchengymnasiums  >Miner7a<  in  Prag  (im  Jahre  1890,  des  ersten  viel- 
leicht in  ganz  Mittel-Europa,  wo  Griechisch  und  Latein  vorgetragen  wurde), 
aus  welchem  dann  die  ersten  Universitätshörerinnen  und  weiblichen  Dok- 
toren hervorgingen. 

Kr.  hat  es  selbst  bitter  erlebt,  wie  schwer  sich  damals  ein  Mädohen 
die  nötigen  wissenschaftlichen  Kenntnisse  verschaffen  konnte;  und  dem 
abzuhelfen,  machte  sie  sich  zum  Ziele,  was  ihr  auch  vollständig  gelang. 
Dagegen  stieß  sie  mit  ihrer  literarischen  Tätigkeit  manchmal  auf  Schwierig- 
keiten und  hatte  nicht  gleiches  Glllck.  Sie  versuchte  sich,  wie  schon  er- 
wähnt, in  allen  Richtungen,  aber  etwas  großes,  wie  »Fan  Tadenszc, 
»Boris  Godunovc,  >Ghllde  Harolds  Pilgrimage«,  »König  von  Sion«,  die 
sie  vortrefflich  übersetzte,  schuf  sie  leider  nicht. 

Einen  sehr  schönen  und  viel  versprechenden  Anlauf  hat  sie  hingegea 
genonmien  in  ihrer  ersten  größeren  Idylle  »Vlastovickyc  (1883),  die  s« 
ihren  besten  Arbeiten  gehört.  Hier  zeigt  sich,  daß  unsere  hochbegabte 
Dichterin  auf  diesem  Gebiete  viel  mehr  leisten  könnte,  wenn  sie  nicht  eben 
eine  wahre,  ftlr  ihr  Vaterland  so  begeisterte  uechin  der  Gegenwart  wäre. 
E.  Kr.  wflrde  der  Sechische  Frangois  Copp^  sein  2),  wie  Karolina  Svifli 
die  5echische  G.  Sand  geworden  ist. 

Aber  die  erste  Periode  KrisnohorskiU  literarischerTätigkeit  (seit  1871 
mit  »Z  mäje  &itf  <)  fiel  in  die  70er  Jahre,  in  die  Zeit,  wo  die  jungSedusehe 
Partei  im  Entstehen  war;  und  das  gab  ihrer  ganzen  literarischen  Arbeit 
den  Stempel  des  Patriotismus,  welchem  sie  bis  zur  letzten  Stunde  treu 
blieb.  Die  liberaleren  Jungen  waren  mit  der  .passiven  Politik  der  Attea 
unzufrieden,  weil  das  Volk  weniger  Nutzen  davon  hatte  und  in  einer 
dumpfen  Lethargie  lebte,  ganz  unbekümmert  um  das  Schi^sal  irgend 
einer  Literatur,  welche  dann  darunter  natflrlich  auch  nicht  gedeihen 
konnte;  da  sprach  man  feurige  Worte  zum  Volke.  Das  bewog  damals 
auch  Sv^tli  zur  Änderung  ihrer  Ansichten;  sie  gab  zu,  daß  sie  aidi  wie 
ihre  Zeitgenossen  geirrt  habe,  wenn  sie  glaubte,  daß  nationale  Fn^n  eine 
schon  längst  abgetane  Sache  seien  und  wandte  sich  von  nun  an  auch 
mehr  der  patriotischen  Volksauf klärung  zu'),  aber  doch  nicht  in  dem 


s)  Siehe  Ter^za  Nov&kov4  in  »Osvötac  1897,  S.  1134. 
9j  Siehe  Leander  Öeoh:  KaroUna  Svötli  1907,  S.  51. 


EHÄka  Krä8noliorBk&.  519 

ICaße  wie  Er.,  die  ihre  Muse  ganz  dem  Vaterlande  weihte  nnd  in  ihrem 
Eifer  alles  andere  vergaß.  Sie  kämpfte  leidensehaftlioh  gegen  jede  nene 
moderne  Biehtong,  gegen  die  Kosmopoliten,  gegen  die  Symbolisten  nnd 
Realisten,  bis  sie  ihr  alle  über  den  Kopf  wnehsen.  Jede  von  ihren  Ge- 
dicht-Sammlnagen  enthält  eine  ansehnliche  Anzahl  von  solchen  patrioti- 
«chtti  Gedichten,  die  alle  Treuen  ständig  in  den  Kampf  gegen  fremde  oder 
einheimische  Feinde  mfen,  die  in  flammenden  Worten  znm  Widerstände 
anfinuntem  und  die  Gleichgültigen  streng  tadeln.  Ihr  Stil  nnd  ihre  Fan- 
tasie ist  da  fast  unerschöpflich  im  Aussinnen  von  neuen  Bildern,  Arten, 
Formen  und  Wendungen;  bei  jeder  Gelegenheit  ergreift  sie  das  Wort,  sei 
es  bei  der  Erö&ung  eines  Theaters,  einer  Schule  oder  bei  festlichen  Jubi- 
läeiiy  so  daß  sie  manchmal  in  ein  rednerisches  Pathos,  in  trockenes  Morar 
lisieren  verfällt.  Nichts  ans  dem  öffentlichen,  literarischen  nnd  politischen 
Leben  entging  ihrem  scharfen  Auge,  und  bis  zu  ihrem  fOnfzigjährigen 
Jubüäum  sprach  sie  zu  allem  ein  wichtiges  Wort  Sie  ist  die  »typischste 
Bepräsentantin  des  patriotischen  Idealismus  jungcechischer  Marke  mit 
allen  seinen  guten  und  schlechten  Eigenschaften«.  Ihrer  Überzeugung 
blieb  sie  unerschütteiiich  treu:  alles  Verspotten,  Mißachten  konnte  ihre 
heiße  Liebe  zxmi  Volke  nicht  eindämmen,  auf  jedes  scharfe  Wort  in  der 
Polemik  hatte  sie  zwei  andere  als  die  Kampfeslustigste  von  allen,  eine 
wahre  Joanne  d'Are. 

Zweimid  geriet  sie  mit  den  »Jungen«  in  Streit  und  immer  hat  Patrio- 
tismus den  Zankapfel  gebildet.  Im  ersten  Kampfe,  der  nach  der  Herans- 
gabe des  Almanaohs  der  Jungen  »Mäj«  im  Jahre  1878  ausbrach,  kam  es 
nach  fast  dreyährigem  Polemisieren  zum  Kompromiß.  Die  Alten,  genannt 
Patrioten,  wie  Schulz,  Vlcek,  R.  Pokomy  und  Kräsnohorskä,  die  um 
»OsvjSta«  gruf^iert  waren,  konnten  den  »Jungen«,  »Kosmopoliten«  und 
Unpatrioten,  wie  Slädek,  Vrchlicky,  Quis,  GoU  und  der  ganzen  »Lumlr«- 
Omppe  einen  Verrat  an  der  nationalen  Sache  doch  nicht  nachweisen,  also 
reichten  sie  sich  die  Hände  zum  Frieden.  J.  S.  Machar  charakterisiert 
diesen  Streit  in  semen  »Knihy  feuilletonfl«  I.  Teil,  Seite  84  mit  einer  zwar 
etwas  drastischen  aber  passenden  Fabel^). 


*)  £s  waren  in  einer  literatnr  einmal  zwei  Generationen.  Die  schlugen 
sich,  kämpften,  wie  das  gewöhnlich  zu  sein  pflegt.  Der  Häuptiing  einer  Partei, 
ein  alter  Hahn  (F.  Schulz),  ist  aber  Redakteur,  sagen  wir  der  »Zlata  Praha«  ge- 
worden. Und  weil  er  von  den  Jungen  Beiträge  brauchte,  gab  er  still  »das  Ge- 
wehr zu  Fuß«.  Als  der  Hahn  das  getan  hatte,  was  blieb  der  aimen  verlassenen 
Henne  übrig?  Sie  ist  klüger  geworden. 


520  Jaromir  K.  Doleial, 

In  der  »HandBchriftenfrage«  meldete  sieh  Kr.  auch  mit  einem  Uuigo- 
ren  Zyklus  von  seehs  Gedichten  (»Öesk^mu  däynovSkn«  in  »Zlatä  Prahac 
1887))  wo  sie  sich  zn  besonders  heftigen  Worten  gegen  »falsche  Wissen- 
schaft«, die  solche  kostbare  Reliquien  vernichten  will,  verleiten  ließ  nnd 
noch  manche  andere  Unrichtigkeit  schrieb.  Durch  das  Abdrucken  derselben 
Gedichte  in  ihrer  vorletzten  Sammlung  (»Na  Mv6  Strunk«  1895),  also  in 
der  Zeit,  wo  diese  Frage  stillschweigend  schon  als  abgetan  betrachtet 
wurde,  zeigte  sie,  daß  sie  noch  nicht  überzeugt  ist.  In  einem  längeren 
epischen  Gedicht  Eräsnohorskäs  »Lumfrova  smrt«  (Vlny  v  proudu  1885) 
ist  auch  der  Einfluß  der  Egh.-Hdschr.  unverkennbar. 

Ihr  letzter  Kampf  entstand  um  Hälek,  verursacht  durch  den  Ar- 
tikel Machars  ^),  wo  er  sachlich  bewiesen  hat,  daß  Hälek  ein  Talent 
zweiten  Grades  war.  Hier  fanden  sich  zur  Wehr  ihres  alten  Freundes  und 
Zeitgenossen  schon  alle  die  »Jungen«  und  »Alten«  aus  dem  Ende  äer 
70er  Jahre  in  einem  Lager  zusammen,  um  gegen  die  jflngsten,  gottlosen 
Symbolisten,  Realisten  und  Impressionisten  gemeinsam  loszuziehen.  Dieser 
Streit,  in  welchem  sich  Machar  fast  allein  gegen  die  ganze  öffentUdbe 
(literarische  sowie  politische)  Meinung  so  tapfer  verteidigt  hat,  ist  selbst 
einer  besonderen  Würdigung  wert.  Kräsnohorskä  ergriff  gemeinsam  mit 
Vrchlickf ,  Schulz,  GoU  u.  a.  zweimal  das  Wort  zur  Verteidigung  ihres 
besten  Freundes  und  Förderers,  aber  sie  wurde  von  Machar  mit  ihren 
eigenen  Worten,  die  sie  schon  im  Jahre  1879  in  Osvita  Aber  Hälek 
schrieb,  geschlagen.  Trotzdem  versäumte  sie  es  nicht  bis  in  die  jüngste 
Zeit  in  ihre  Kritiken  und  literarischen  Studien  spitzige  Bemerkungen  gegen 
die  Modemisten  (mit  welchen  sie  nicht  ganz  richtig  auch  Machar  identifi- 
ziert) einzuflechten. 

So  verteidigte  E.  Er.  ihre  Prinzipien  und  ihre  Überzeugung  bis  zur 
letzten  Stunde  und  diese  Standhaftigkeit  im  Propagieren  des  allgemein 
Schönen,  Guten  und  der  Liebe  zum  Yaterlande  (wenn  es  auch  heute  keine 
Heldentat  mehr  ist,  ein  Öeche  zu  sein)  —  muß  ein  jeder,  selbst  auch  ein 
Gegner  bei  ihr  ehren.  Unnütz  waren  ihre  aufmunternden  und  predigen- 
den Worte  nicht.  Schade  ist  nur,  daß  sie  ihr  großes  dichterisches  Talent 
auf  diese  Weise  in  solchen  kleinen  Münzen  vergeudet  hat.  Denn  auf  dem 
dramatischen  Felde  oder  in  der  epischen  Dichtung  hätte  sie  gewiß  ein  Werk 
schaffen  können,  welches  ihr  für  ewig  den  Buhm  gesichert  hätte,  wenn  sie 
eben  nicht  so  vielseitig  von  dem  öffentiichen  Leben  in  Anspruch  genom- 


19  In  Naie  Doba  v.  20.  Okt  1894. 


Elifta  KrisnohorBkÄ.  521 

xnen  wire.  So  kann  ihre  dichterisohe  Tätigkeit  seht  Samminngen  nnr 
kleinerer  Gedichte  anfweisen  nnd  zwei  größere,  selbstfindige,  die  schon 
erwähnte  Idylle  »Vlastoyiiky«  1883  nnd  ein  episches  Gedicht  »Snmaysky 
Bobinson«  1887. 

Bloß  in  ihrer  ersten  Gedicht-Sammlnng  »Z  mäje  Hti«  1 87 1  (11.  Ansg. 
1874,  m.  Ansg.  1885)  nnd  in  der  letzten:  »Bozpomfnkyc  (1896)  steht 
sie  nicht  ganz  anf  dem  Standpunkte  des  engen  Patriotismus;  denn  hier 
besingt  sie  mit  warm  empfundenen,  blfltenreichen  Versen,  in  kunstvoller 
Form  auch  andere  Ideen,  Anschauungen  über  Ck>tt,  Welt,  Humanität,  so- 
ziale Fragen  und  Hofoungen,  die  sie  im  >Mai  ihrer  Jugend«  über  solche 
Probleme  nnd  Bätsei  des  Lebens  zum  Nachdenken  zwangen.  In  »Bend- 
niszenzen«  ließ  sie  dieselben  wie  in  einer  geistigen  Bevue  an  ihrer  Seite 
vorüberziehen,  betrachtend,  welche  davon  in  ErfiUlung  gegangen  sind. 
Während  dieser  25  Jahre  erreichte  E^räsnohorskä  eine  besondere,  nur  rein 
formelle  Vollkommenheit,  in  welcher  sie  als  eine  anerkannte  Meisterin 
galt,  aber  der  Inhalt  der  in  diesem  Zeiträume  ausgegebenen  Sammelbände, 
die  manchmal  Gedichte  aus  einem  Dezennium  enthalten,  klingt  immer 
stark  tendenziös  und  alle  gleichzeitigen  Ereignisse,  die  im  politischen  und 
g^stigen  Leben  das  iechische  Volk  interessierten,  spiegeln  sich  in  ihnen 
tren  ab.    Darüber  hinaus  kam  Er.  nicht. 

Es  sind  dies  folgende  Sammlungen:  >Ze  Sumavy«  1873  (11.  Ausg. 
1875),  >K  slovansk^mn  jihu«  1880,  »Vlny  v  proudu«  1885  (U.  Ausg. 
1897),  »Letorosty«  1887,  »Bäjky  velkych«  1889  und  >Na  £iv6  Strunk« 
1895  —  die  letzte  wie  absichtlich  nach  dem  großen  Hälekkampfe  » vlaste- 
neckö  bäsn^c  von  ihr  genannt.  Verhältnismäßig  am  höchsten  steht  die 
zweite  Sammlung  »Aus  dem  Böhmerwald« ;  denn  hier  schildert  sie  köstlich 
die  Schönheiten  der  prachtvollen  Urwälder,  wo  früher  frohe  Bufe  der  ta^pfe- 
ren  chodischen  Freiheitskämpfer  erklangen;  jetzt  hört  sie  dort  nur  fremde 
Sprachenklänge  und  das  muntert  sie  zu  männlichen,  mutigen  Worten  auf, 
welche  die  schlummernden  iechischen  Seelen  aufirecken  sollten.  Das 
gelungenste  Gedicht  Er.s,  das  sogen.  »Chodenlied«,  welches  eine  wahre 
Nationalhymne  von  Ost-Böhmen  geworden,  ist  hier  enthalten*). 


^)  In  Prof.  Albert's  »Neueste  Poesie  aus  Böhmen«  II.  Teil  ist  der  Anfang 
von  Mar.  Ewaysser  nebst  anderen  Gedichten  mit  diesen  Worten  übersetzt: 
>Hätt'  euch  Gott,  ihr  Berge  und  ihr  Felsenmassen, 
Bier  an  dieser  Stelle  nicht  erstehen  lassen. 
Wären  wir  alsdann  gewiß  um  euch  gekommen, 
Bätten  trotz  der  Last  euch  auf  den  Arm  genommen, 


522  JaromiT  E.  Doleial, 

Den  Böhmerwald  hat  Er.  am  hänfigsten  anfgesnoht,  80  wie  8väli 
ihren  Jeschken,  und  nahm  ans  seiner  Mitte  mandbie  ihier  Motive  und  See- 
nerien.  Über  die  Grenze  Böhmens  ist  sie  wegen  ihrer  kränklichen  Kon- 
stitation nie  gekommen.  Darin  liegt  vielleicht  auch  die  Ursache  ihres 
engen  und  unüberwindlichen  Patriotismus,  den  sie  immer  und  immer  wie- 
der verktlnden  zu  müssen  glaubte.  —  Für  die  südslavischen  Brüder  zeigte 
sie  auch  warmes  Verständnis  in  der  Sammlang  >Zum  slavischen  Süden«, 
worin  sie  nur  der  Begeisternng  der  ganzen  Öffentlichkeit  ftr  die  Tapfei^ 
keit  der  Südalaven  am  Ende  der  70er  Jahre  Ausdruck  verlieh. 

Außer  den  lyrischen  und  epischen  Gedichten  versuchte  sich  Kr.  auch 
im  Dramatischen.  Sie  schrieb  »P^ec  volnosti«,  dramatisches,  ideal 
romantisches  Gedicht  1874,  dann  »Harantova  iena«  eine  Tragödie  1881, 
gemeinsam  mit  dem  Historiker  Fr.  Dvorsky,  und  »D^c  ducha«  1884, 
ein  soziales  Drama,  wo  es  sich  zeigt,  daß  Kr.  doch  den  westeuropäiachen 
(französischen)  Einflüssen,  die  sie  so  bekämpft  hat,  nicht  fremd  gegen- 
über steht.  Einen  größeren  Erfolg  hat  sie  mit  ihren  Dramen  wegen  ihrer 
technischen  Fehler  nicht  gehabt;  desto  beliebter  war  sie  aber  mit  ihrea 
Librettis,  deren  sie  acht  geschrieben  hat.  Dir  erstes  Werk  war  übrigens 
ein  Libretto  für  Bendla  »Lejla«  1866;  außerdem  hat  sie  für  ihn  noch 
»Bltetislav«,  >Karel  §kr^ta«  und  »Dft^Täbora«  verfaßt.  Besonders  ge- 
lungene Operntexte  hat  sie  fOr  Smetana  geschrieben  (>Kuss<,  »Geheim- 
nis«, »Teufelswand«),  für  Z.  Fibich  nur  »Blanik«.  Smetana  hat  selbst 
gesagt 7),  daß  ihre  Librettis  schon  so  gut  wie  komponiert  sind;  denn  Kr. 
versteht  es,  ihre  Worte  der  Musik  eng  anzupassen,  zeichnet  sieh  durch 
fließende  Sprache,  klingenden  Reim  und  dem  Akzente  streng  angemesM- 
nen  Vers  aus. 

Ihre  Prosa  muß  der  Tendenz  gemäß,  mit  welcher  sie  schrieb,  ge- 
teilt werden.  Aus  der  ersten  Zeit  ihrer  literarischen  Tätigkeit,  wekhe 
überwiegend  der  Poesie  gewidmet  ist,  haben  wir  ein  hübsches  Bild  »Bianfk 
a  bäsnik  (1882)  und  ein  Buch  Novellen  (»Gompagnon«,  »Loupeic,  >0d 
domu  k  domu«  im  Jahre  1885  in  »Libuse«),  deren  erste  wahrsdieinliek 
ein  Stück  Selbstportrait  enthält;  doch  kennzeichnen  sie  sich  alle  ab 
Erstlingsarbeiten,  durch  manche  unbeholfene  Motivierung.  Schließlich 
besitzen  wir  von  Kr.  noch  eine  Komödie  in  erzählender  Form:  Näs  druhy 


Durch  die  Welt  getragen,  hier  euch  aufzubauen 
Und  gesagt:  Hier  Berge  ragt  in  Böhmens  Gauen . . .« 
T)  Divadelni  listy  1882. 


Eliika  Er4s]iohor8k&.  523 

flbor  1 888.  —  In  der  zweiten  Hftlfte,  wo  sie  mehr  «n  der  Frauenbewegung 
teilnahm,  schrieb  sie  eine  große  Anzahl  von  hübschen  Bflchem  erziehe- 
Tischen  nnd  didaktischen  Inhalts,  mit  welchen  sie  der  falschen  Erziehung 
«Biegen  treten  und  wieder  auf  eine  nationale  hinweisen  wollte. 

Auch  in  der  Literatargeschichte  hat  sie  das  Ihrige  geleistet.  Unter 
ihren  sehr  yielen  ernsten  und  belehrenden  Essays  finden  wir  literarische, 
knitnrhistorische  nnd  soziologische  Artikel,  welche  in  verschiedenen  BeTues 
nnd  Zeitschriften  zn  finden  sind.  Früher  waren  das:  »Jarf  vik,  Lnmfr, 
Zlatd  Praha,  Sv^tozor,  Ö.  ö.  Mnsea,  Ev^ty,  später  ist  sie  nnr  Ylieks 
»OsF^«  treu  geblieben.  Ihre  Abhandinngen  Ober  literarische  Gr()£en 
sind  nicht  immer  objektiv  nnd  einwandfrei,  aber  sie  zeichnen  sich  doch 
durch  warmes  Verständnis  für  den  Gegenstand  ihrer  Betrachtungen 
aus;  oft  haben  intime  Seelenverbindungen,  innige  Freundschaft,  gemein- 
same Arbeit  ihr  das  leichter  gemacht  (über  Sv6tU,  Podlipskä,  Bendl, 
Hilek,  Smetana,  Heyduk).  Nennenswert  sind  ihre  Artikel  über  Tyl, 
N^mcovä,  Nemda,  Gech,  Vrchlicky,  Slädek,  Lu&ickä,  Yl6ek,  Jahn,  Zola, 
Bieger,  Erben  und  Schulz.  Darunter  sind  ihre  scharfsinnigen  Kritiken 
der  literarischen,  zumeist  poetischen  Produkte  der  Neuzeit,«  in  welchen 
sie  den  modernen  Erscheinungen  entweder  auswich  oder  abweisend  ent- 
gegentrat, konsequent  und  treu  ihren  Grundsätzen,  obzwar  sie  in  die 
neue  Zeit  nicht  mehr  hineinpassen. 

Weit  größere  Verdienste  um  die  Sechische  Literatur  hat  sich  Er. 
durch  ihre  Übersetzungen  erworben,  man  möchte  beinahe  sagen,  daß  sie 
als  Übersetzerin  höher  dasteht  als  eigentliche  Dichterin.  Denn  Werke 
wie  >Pan  Tadeusz«  und  »Ghilde  Harolds  Pilgrimage«  kann  ein  mittel- 
mäßiger Dichter  nicht  gut  übersetzen  und  Er.s  Übersetzungen  sind  größten- 
teils so  schwungvoll  und  schön  wie  die  Originale  selbst.  Er.,  genannt 
Meisterin  des  Verses,  hat  hier  nicht  nur  ihre  Eunst,  sondern  auch  einen 
wirklichen  Mut  und  eine  seltene  Ausdauer  gezeigt,  indem  sie  sich  immer 
Meisterwerke  auswählte,  jahrelang  daran  fleißig  arbeitete,  um  alle  frem- 
den Schönheiten  möglichst  getreu  wiederzugeben.  Bis  zum  Jahre  1882 
war  sie  mit  Mickiewicz's  >Pan  Tadeusz«  fertig  (11.  Ausg.  1 892),  bis  zum 
Jahre  1890  mit  Byrons  »Ohilde  Harolds  Pilgrimage«,  bis  zum  Jahre  1895 
mit  kleineren  Gedichten  Puskins  und  Hamerlings  »Eönig  von  Sion«  (erst 
1901  erschienen)  und  schließlich  mit  Puskins  »£opHC%  roAyHOB%  (1905 
erschienen).  Eine  Autodidaktin,  die  keinen  Schritt  ins  Ausland  machte, 
Hbersetat  aus  vier  Sprachen,  überwindet  alle  Schwierigkeiten  der  fremden 
Laute,  Reime,  Verse  nnd  meistens  sehr  glücklich.    Man  findet  begreif- 


524  Juomir  E.  Doleial, 

licherweiae  auch  Fehler,  dies  oder  jenes  könnte  besser  übersetst  sein,  aber 
als  Oanzes  stehen  alle  diese  grandiosen  Werke  im  Cechischen  eben  so 
hoch  wie  die  Originale.  AnffaUend  ist,  daß  Kr.  fast  lauter  Byroniaten 
gewählt  hat;  da  sie  sich  mit  ihnen  während  ihrer  ganzen  literarischen 
Tätigkeit  befaßte,  ist  es  ein  Wnnder,  daß  sich  in  ihrer  eigenen  Produk- 
tion dieser  Einfloß  nicht  dentlicher  bemerkbar  macht,  als  im  Stil,  der 
immer  erhaben,  hochschwingend,  majestätisch  nnd  prophetisch  sein  wiU, 
bis  er  oft  in  ein  allzu  rednerisches,  hohles  Pathos  übergeht  Hohe  Ideale 
der  Humanität  wurden  anfangs  auch  von  Er.  besungen,  klangvolle  Titel 
»Der  Sänger  der  Freiheit«,  >Erbe  des  Geistes«,  die  sie  gewählt  hat,  zei- 
gen das  schon  an  —  aber  schließlich  blieb  sie  doch  nur  in  den  Grenzen 
des  engen  Patriotismus. 

Vom  slavischen,  philologischen  Standpunkte  wäre  es  interessant, 
hier  wenigstens  die  Übersetzungen  aus  Mickiewicz  und  Puskin  näher  zn 
besprechen. 

Mickiewicz  war  schon  seit  seinen  frflhesten  Anfiftngen  in  der  iechi- 
sehen  literarischen  Welt  bekannt.  Der  erste  Romantiker  E.  H.  Mächa 
hat  mit  der  größten  Begeisterung  polnische  Dichter  gelesen,  V.  Bolemfr 
Nebesky  hat  in  seinen  >ProtichAdci«  in  der  Schildenmg  der  Pestfrau  die 
gespenstische  Erscheinung  der  Pestjungfrau  im  Yajdelotsliede  aus  Eonrad 
Wallenrod  direkt  nachgeahmt.  Auch  J.  E.  Ghmelensky ,  frflher  ein  Gegner 
Byrons,  ist  in  die  Reihen  der  Verehrer  des  polnischen  Byron  übergegan- 
gen, ja  er  war  sogar  der  erste  Übersetzer  Mickiewicz's,  indem  er  im  Ö.Ö.M. 
1828  acht  Sonette  von  ihm  veröffentlichte.  Mehr  als  siebzig  Jahre  hat 
die  Übersetzung  des  ganzen  M.  gedauert  und  daran  haben  sich  mehr  als 
3 1  iechische  Literaten  beteiligt,  mit  mehr,  weniger  oder  gar  keinem  Glück, 
so  daß  manches  auf  diese  Weise  zweimal  und  dreimal  übersetzt  werden 
mußte;  bedeutendere  von  diesen  sind:  Y.  S.  ätulc,  Eoubek,  Havliiek, 
GoU,  J.  JireSek,  Mokry,  Jong,  Evapil,  Mu2lk,  Slädek,  Yrchlickf  und 
Eräsnohorskä. 

Das  Yerhältnis  M.s  zu  Böhmen  war  schon  von  Evapil  in  Osv^ 
(1898)  folgendermaßen  erörtert:  M.hat  »nichtschlechtiechisch  gekonnt«, 
wie  er  selbst  im  Jahre  1840  dem  Fürsten  Ozartoryjskij  schrieb,  als  er  zum 
Professor  für  slav.  Literaturen  auf  dem  College  de  France  vom  Minister 
Cousin  designiert  wurde.  Im  Jahre  1 829  ist  er  absichtlich  deswegen  naeh 
Prag  gefahren,  um  die  dortigen  Philologen  und  Literaten  kennen  zu 
lernen;  aber  dieser  Besuch  hatte  keine  besonderen  Spuren  bei  M.  hinter- 


Eliftka  Kr&snohoraki.  525 

lassen,  vielleicht  deswegen,  weil  er  snerst  mit  Hanka  bekannt  wurde  ^). 
Zinkereien  Hankas  mit  anderen  damaligen  Sehriftstellem  verhinderten 
gewiß  die  Zosammenknnft  M.b  mit  Palacky,  Jnngmann,  Gelakovsk^, 
Chmelenakf'.  Ans  dieser  Zeit  rflhrt  vielleicht  aneh  die  Absieht  M.s  eine 
historiflche  Epopöe  ans  der  böhmisohen  Geschichte  zn  schreiben,  deren 
Haaptheld  Jan  j^i£ka  sein  sollte,  wie  man  ans  dem  Briefe  M.s  an  Hanka 
vom  5.  y.  1832  entnehmen  kann;  >Eüryer  Polski«  vom  4.  XI.  1830  be- 
richtet zwar,  daß  M.  im  Auslände  ein  Gedicht  »^i^Uui«  beendet  hätte, 
aber  weiter  ist  darflber  nichts  bekannt. 

Von  allen  Werken  M.8  ist  die  Übersetzung  seines  Meisterwerkes  »Fan 
Tadensz«  von  allen  Bevnes  nnd  Blftttem  anf  das  lebhafteste  begrttßt  nnd 
als  eine  glänzende  literarische  Tat,  als  ein  Ereignis  bezeichnet  worden*), 
nnd  nicht  mit  Unrecht.  Denn  es  war  notwendig,  die  5echische  poetische 
Form  in  der  Bchnle  der  neuen  Weltpoesie  zuerst  zu  vervollkommnen,  dann 
konnte  man  den  nationalen  polnischen  Geist  und  das  nationale  Leben  in 
sttner  kflnsüerisch  vollkommensten  Erscheinung  in  eine  dichterische 
Sprache  von  eben  solcher  Pracht  und  Kraft  einhflllen.  Dieser  Aufgabe 
widmete  Er.  ihre  ganze,  glänzende  ktlnstlerische  Schaffenskraft  und  malte 
das  großartige  Bild  des  Lebens  auf  der  »Litwa«  mit  Sechischen  Farben 
ebenso  schön,  wie  das  Original,  bis  in  die  kleinsten  und  feinsten  Nuancen 
der  Gedanken  und  Worte  durchgearbeitet  Dieses  Lob  kennen  einige 
Mängel,  die  auch  vorkommen,  nicht  schwächen  —  wenn  man  bedenkt, 
daß  das  Epos  beinahe  10  000  jambische,  sechsflOßige  Verse  mit  doppel- 
tem Beim  verbunden  enthält.  —  Wahrscheinlich  wegen  des  Rhythmus 
hat  Er.  die  Titulaturen  einigemal  geändert  (im  V.  Ges.  271  ist  pan  Ta- 
deäs  statt  pan  Soplica,  X.  Ges.  306  Gervasi  statt  pane  kllSnfk,  X.  307 
almuinikem  statt  Robäkem,  wodurch  auch  die  Etymologie  und  das  Worin 
spiel  robak  =  ierv  verloren  gehen  mußte;  VIDL  391  panf  Telimena  ist 
noch  »panna  Telimena«  angesprochen.  Aus  dem  Vers  515  im  Schlacht- 
gesang  IX  ist  Widbik  verschwunden).  Das  Verbum  »kocha6<  benutzt  Er. 
auch  im  Öechischen  unrichtig  im  Sinne  »lieben« ;  ebenso  sind  Polonismen: 
9podkomoranky  bavit«  L  322,  konö  ve  stäj  däno  L  144,  listnat^  jf  berly 
m,  Seite  97,  ungewöhnlich:  zäraz,  snady,  brozdil,  tropit'  (aus  dem  russ. 

8) .  Welchem  er  auch  den  zweiten  Band  seiner  Poezye  widmete  und  im 
J.  1834  seinen  Tadeusz  aus  Paris  schickte  mit  folgender  Dedikation:  Szanow- 
nemn  Panu  Hance  po^wi^ca  jego  przyjaciel  i  wielbiciel  A.M. 

9)  Siehe  Ö.Ö.M.  82,  S.  297,  Obzor  82  v.  5/11,  Eomensk^  82,  S.  595,  Osv&ta 
82,  S.  930,  Lumir  82,  S.  448,  Pokrok  v.  30/9.  82  usw. 


1 


526  jATomir  K.  Doleial, 

ToponHTL?).  Veraltet  ist  die  Sehreibweise:  predce,  dyadoet,  jisiba. 
Kr.  nicht  ablegen  will.  —  Sonst  liest  sieh  die  Obersetiung  dnrehaaa 
fließend  und  ist  von  einem  Geist  wahrer  Poesie  durchdrangen.  —  Kr. 
wolUe  das  beste  geben  nnd  gab  es  auch  wirklich.  Man  muß  nur  bedenkcB: 
Ein  Mädchen,  eine  Dichterin  gl^ch  am  Anfang  ihrer  literarischen  Lauf- 
bahn, 23  Jahre  alt,  hat  den  Mut  eine  solche  Arbeit  zu  beginnen.  Sie  zwei:- 
feit  xwar,  gibt  aber  dennoch  nicht  nach,  bis  diese  jnnge  Bchwftrmerin  für 
alles  Slavische,  welche  in  ihrer  Zeit  der  politischen  nngfinstigen  Verhllt- 
nisse  in  Böhmen  mit  flammenden  Worten  Heldeng^edichte  über  große 
Pflichten  und  Ziele  des  Volkes  sang  —  den  ganzen  Tadeosz  zur  Anfinan- 
tenmg  der  beklommenen  Gemflter  dem  Volke  schenkt. 

Ebenso  wie  ans  Middewicz  wurde  anch  ans  Pnskin  in  der  frflhestea 
Zeit  in  das  Öechische  übersetzt.  Der  erste  war  Jan  Slavomir  TomiSek, 
der  im  Jahre  1830  in  Cechoslay  >]](uraHU«  und  in  >Ky&^«  1835  Bmch- 
Stücke  aus  >£opHCi&  Toathob^«  yerOffentlichte;  die  letzte  ist  gerade  mit 
Boris  Godunov  im  Jahre  1905  wieder  E.  Kr.  Inzwischen  kann  man  niebt 
weniger  als  62  Puskin-Übersetzer  au&ählen,  unter  denen  F.  L.  Öelakovaky'^ 
Sabina,  Petr  Dnrdlk,  Pavel  Durdfk,  A.  Durdfk,  V.  MrstOc,  J.  Jireiek, 
H.  Jireiek,  Jung  u.  a.,  die  vieles  sogar  mehrmals  übersetzten^*);  aber 
eine  vollständige  Puskin- Ausgabe  im  6echischen  kann  leider  noch  nickt 
zusammengestellt  werden. 

Kr.  hat  zu  Puskin  gewiß  deswegen  gegriffen,  weil  sie  sich  Sttt  laasem 
schon  mit  Byron  besohftftigte  und  sehen  wollte,  wie  sich  der  mssiaohe 
Byron  zu  dem  englischen  verh&lt.  Von  Vrchlicky  aufgefordert,  etwas  ftr 
>Sbomlk  sv&tov6  poesie«  aus  der  Weltliteratur  zu  übersetzen,  samnwite 
sie  ihre  schon  im  Jahre  1888—89  in  »Zlati  Prahac  verOffentiicfaten  Ge- 
dichte Puskins,  übersetzte  neue  dazu  und  gab  dann  zwd  Sammlungen 
heraus:  »Vfbor  mensich  bäsni«  1894  und  >Nikter6  bäsn&  rozpraviiöc 
1895  (Bachiisarigsky  fontän,  Kavkazsky  zigatec,  Gikäni,  MM&if  jezdee). 
Aus  der  großen  Anzahl  von  Puskins  kleineren  Gedichten  hat  sie  nur  57 
gew&hlt,  aber  das  dadurch  gezeichnete  Portrait  des  Dichters  ist  im  Grade 
genommen  richtig.  Bald  wild  tobend,  begeistert  fiOr  die  höchsten  Ideale 
der  Freiheit,  der  Hnmanitftt,  bald  wieder  sanft  fohlend,  melaacholifldli 
oder  leichtsinnig,  in  seinem  Innern  immer  so  rein  und  ganz  national,  tritt 
er  hier  in  scharfen  und  prftzisen  Linien  seiner  Charaktereigensehalten  vor 
dem  Leser  auf.    Kr.  hat  bei  ihrer  schweren  Wahl  doch  eine  glückliche 


10)  Siehe  V.  A.  Francev:  HyrnKm  vh  «emcRoft  Mteparypü,  GH^  1898. 


in  -■ kü  -1  dBi^ld 


£liÄka  Erasnohonkiu  527 

BmaA  gehabt^  nm  inhalilieh  aus  jeder  Rtehtong  das  beste  wiedenngeben, 
aber  die  FqhDi  in  welcher  sie  das  getan  hat,  läßt  manches  zn  wünschen 
flbrig.  Sie  wnrde  gleich  nach  dem  Erscheinen  dieser  Bücher  samt 
Yrchlickf  getadelt,  daß  sie  zn  viel  ihr  eigenes  selbst  in  die  Über- 
Betsnngen  legendi)  j^^  q^^  Fantasie  zn  weit  spielen  lassen. 

Es  ist  richtig,  daß  man  der  Kr.  in  diesen  Übersetzungen  üngenanig- 
keiten  in  der  Anwendung  von  Adjektiven,  Sabstantiven  nnd  Interpunktion 
nachweisen  kann,  aber  dazu  war  sie  ebenso  wie  alle  übrigen  durch  den 
Sdm  und  Bhytiimus  gezwungen.  Auszustellen  wftre  nur,  daß  sie  trotz 
dieser  poetischen  Lizenzen  die  Stellung  und  Gruppierung  der  Reime  oft 
yerweehselte  und  die  Anzahl  der  Verse  einigemal  yermehrte.  Sonst  sind 
aach  diese  Übersetzungen  fließend,  schön  und  poetisch.  Im  Vergleich  zu 
den  alten  Puskin-Übersetzungen  touF.  L.  Gelakovsky  undBendl  ist  ein  be* 
deutender  Fortschritt  zu  yerzeichnen;  Ungenauigkeiten  finden  wir  auch 
bei  OelakoTsky  ^^j.  Man  kann  die  Wahrnehmung  machen,  daß  Kr.  bei  den 
epiaehen  Gedichten  mehr  wortgetreu  ist;  dagegen  schwellen  in  lyrischen 
Partien  einfache  Verse  Puskins  unter  ihrer  Hand  an ;  diePrftgnanz  undEnge 
der  Diktion  Pnäkins  yerliert  sich,  wo  Kr.  entweder  durch  die  Form  oder 
ihre  Fantasie  zu  wortreich  und  exzentrisch  wird.  Es  wfire  vielleicht  doch 
besser,  fto  die  Übersetzungen  von  Gedichten  nach  französischer  Art  die 
Prosaform  zu  w&hlen.  Weil  man  eben  immer  zuerst  auf  die  Form  Bück« 
siehi  nimmt,  so  werden  alle  Übersetzungen  nur  zu  mehr  oder  weniger  ge- 
tiemen  Naehdiehtnngen,  ohne  daß  der  Inhalt  gänzlich  wiedergegeben  wftre. 
Der  beste  Ausweg  wftre  wohl:  Gedichte  möglichst  unter  Beibehaltung  des 
Original-Bhythmus  in  Prosa  zu  flbersetzen.  Über  diese  Frage  wurde 
aoeh  zur  Zeit  der  Erscheinung  dieser  Übersetzung^  eifrig  debattiert. 
JiH  Karäsek  hat  in  Listy  Literiml  1895  alle  Gründe  hierfür  ausführlich 
gesammelt  und  kommt  zum  selben  Besultate. 

Das  letzte  von  Ex.  übersetzte  Werk  ist  >Boris  Godunov«,  welches 
^  Nr.  87  in  »Sbomik  sv6tov6  poesie«  1905  erschienen  ist.  Eine  Über- 
setzung Godunovs  hat  schon  25  Jahre  nach  dessen  erstem  Erscheinen  im 


ii)  Siehe  »Naie  doba  11,  S.  177. 

^  Z.B. um  nur  die  2  letzten  Verse  ans  der  1.  Strophe  des  »yToiueHHXKi« 
siunflüiien: 

jü  vÄm  zase  vy  pitomci, 


0X1  jMTh  ara  mb%  pe6aTa! 
ttyae»  sam  yxe  icepr- 
Bei^'Bl 

SynRHHi. 


du,domo>faiiiitteiel! 

Öehikovsk^. 


nese  6ert  vidy  k  naii 

strani, 
koho  ^bel  utopil. 

Krisnohorski. 


528 


Jaromir  K.  Doleial, 


RuBsiBolieii  (1831)  Bendl,  seinerzeit  der  beste  Übersetzer  PnskiiiSy  yoU- 
endet.  Im  0.  ö.  M.  1857  ersehien  das  ganze  Drama  zuerst,  weiehes  dann 
im  J.  1859  zusammen  mit  »BaohSisari^sky  fontänc,  »Brath  loupeSnfoi«, 
»Cikäni«,  »ELaykazskf  plennik«,  >Hrab6  Nulfn«,  »Poltaya«  Bendl  in 
einem  Bueh  herausgab,  als  1.  Band  ausgewählter,  diohterisoher  Werke 
Puskins^'),  die  er  in  drei  Bänden  herauszugeben  beabsichtigte;  aber  nur 
der  2.  Band  mit  Eugen  On^in  erschien  im  darauffolgenden  Jahre,  zum 
dritten  kam  es  nicht  mehr. 

Bendls  Übersetzung  war  fttr  seine  Zeit  eme  sehr  gute.  Er  hat  sieh 
fast  ängstlich  an  das  Original  gehalten,  viel  mehr  als  &.,  obzwar  ihre 
Arbeit  eine  yollständigere  ist,  Bendl  hat  nämlich  zwei  schöne  Szenen 
ausgelassen,  die  am  ^flfißms^e  nojce«  und  jene  im  »3aH0Kn&  Boesoxn 
MHHnnca  b'B  Gaii6op%«  nebst  zwei  kleineren  Einsätzen,  die  selbst  in  eini- 
gen Ausgaben  Puskins  fehlen,  die  aber  bei  Er.  (8.  64 — 65  und  67)  doeh 
enthalten  sind.  Diese  letzte  Arbeit  Er.s  ist  auf  diesem  Gebiete  eine  der 
besten.  Wenn  auch  hier  Fehler  nachweisbar  sind,  hat  sie  sich  doeh  dem 
Original  am  meisten  genähert.  Denn  da  War  sie  nicht  durch  den  Beim 
gebunden  und  so  klingen  ihre  fünffüßigen  Jamben  ebenso  schön  wie  die 
Puskins  ^^). 

Bendl  hat  manchmal  Wort  fOr  Wort  Übersetzt,  wenn  es  auch  nicht 
immer  rein  Sechisch  klang;  er  hat  sogar  die  russische  RechtschreibuBg  in 
den  Eigennamen,  trotzdem  er  später  davon  wieder  abgewichen  ist  (wei- 
ches t  nach  k);  bei  Kr.  finden  wir  dafOr  gewähltere  Worte,  denn  sie  sucht 
besser  klingende,  gebräuchlichere  Ausdrücke  aus.    Beide  benutzen  pro- 


1859. 


1»)  A.S.Pu&kina:  B&snö  v^ravnö,  pM.  Bendl,  Verlag  Yetterle  in  Pisek 
1^)  Man  vergleiche  nur  den  Anfang,  um  den  Unterschied  zu  sehen: 


BopoTUHCKiu: 

HapRxeHBi  i^Li  BMtcrt  ro- 

poAi  BiAaxB, 
HO,  KasKeTCH,  HaMi  He  sa 

MocKsa  nycxa;  boox^A'B  sa 

naTpiapzciCL 
Kl»  MOHaciLipH)  nomeji'L  h 

BecB  HapoA'L. 
KaR'B     AyMaemL ,     "vkwb 

KOH^HTCH  TpeBora? 
nymKHH'L. 


Vorotynski: 

Zde  mime  spolu  mösto 

hHdati, 
le6  jak  se  vidi,  za  k^m 

hledit  nemäme ; 
anl    Moskva    pr&zdna ; 

hned  za  patriarohou 
i  vSechen  lid  t^i  ku  kla- 

iteru  Sei. 
Co  myslül?  Jak  seskon6i 

as  ten  strach? 

Bendl. 


Vorotynsky: 

N&m    rozkizÄno    spolu 

Btrici  mösta 
vSak  zda  se,  neni  koho 

hlidat  n&m ; 
jef  Moskva  prizdna;  za 

sv^m  patriarchem 
lid  vdechen  k  monas^ru 

ode6el. 
Co  myslii,  6im  se  skon&i 

cel^  poplach? 

Krisnohorski. 


Elßka  ELräsBohorBkä.  529 

miBcne:  caffeTiS-Dimitry,  Boris^bratr,  igumen-opat,  was  aber  nielit  von 
aoldier  Wichtigkeit  ist,  wie  die  zweifache  Übersetzung  des  Namen  Ioboh'l 
ala  Joan  nnd  lyan.  Kr.  hat  nebst  szenischen  Bemerkungen  des  Antors 
(S.  33,  34,  44,  119)  anch  zwei  Verse,  die  bei  Bendl  vorkommen,  ans- 
gebuwen  (S.  117,  120)^^),  Unrichtig  übersetzt  sie:  AB^HawaT%  = 
d¥aoet  S.  27,  beho  =  koralka  (B.  32,  37,  38,  aber  S.  33  wieder  yfno] 
nocT^  ==  pije  8.34,  JsjJBJsrh  =  podpatek  8. 105,  a  ^to  tu  ne  hoathth- 
naenn»  aa  b  ne  noTHTEBaemi»  =  co  to  £e  netähnes  s  nämi  8.  33  (gat  bei 
Bendl:  A  co  ty  nezpfväs  a  nepijes?).  Dies  alles,  nnr  genanigkeitshalber 
angefahrt,  ändert  nichts  an  dem  hohen  poetischen  Werte  des  Ganzen, 
daa  sich  wflrdig  Y.  A.  Jnngs  Oberseizong  des  fingen  On^gin,  die  trotz 
ahnlicher  Fehler  so  viel  gepriesen  wurde,  an  die  Seite  stellt. 

Krtaiohorskä  ist  dme  ehrenwerte  Brscheinang,  mit  ihrer 
kolossalen  Arbeitsamkeit  nnd  Ansdaner  imponierend.  Sie  liebt,  wie  ihre 
große  polnische  Zeitgenossin  Marja  Eonopnieka,  leidensohafliieh  ihr  Volk 
nnd  widmete  ihm  ebenso  wie  Konopnicka  alle  ihre  Kräfte,  alles  was  sie 
hatte,  selbst  die  Gesnndheit 

Wien,  November  1907.  Jaromtr  K.  Doleial, 


^  Es  ist  nirgends  angegeben,  welche  Ansgabe  Kr.  bei  ihren  Obersetzon- 
gen  benutzt  hat,  wodurch  die  Vergleichnngen  sehr  erschwert  werden. 


Ein  BrnehBtack  von  Moliöres  Gearge  Dandin  in  der 

Übersetzung  F.  E.  Frankopans. 

Von  T.  Matiö. 


In  der  Vorrede  zu  Frankopans  Gedichten  ^)  erwähnt  H.  Kostren5i6 
ein  im  handschriftlichen  Nachlasse  Frankopans  befindliches  Bmchstflck 
eines  ohne  Titel  erhaltenen  slovenischen  Lustspieles.    Ans  der  Inhalts- 


i)  Vrtid.  Pjesme  Fra£e  Krsta  markeza  Frankopans,  kneza  Tria6koga. 
Izdao  Ivan  Kostreniid.  Zagreb  1871. 

Archiv  für  slaviscbe  PUlologi«.  XXDC.  34 


^30  T.  Matiö, 

angäbe  bei  Eostrencid  war  es  mir  klar,  daß  wir  es  da  mit  einer  Übersetzung 
aus  Moli^res  George  Dandin  zn  tnn  haben.  Diese  nnn  in  mancher  Be- 
ziehung interessante  literarische  Erscheinung  will  ich  durch  die  vor- 
liegende Ausgabe  zugänglich  machen.  Obwohl  mein  Augenmerk  also 
hauptsächlich  auf  das  Fragment  George  Dandins  gerichtet  war,  werde 
ich  doch  auch  über  die  übrigen  in  den  Papieren  Frankopans  erhaltenen 
Gedichte  und  Aufsätze  einige  Bemerkungen  vorausschicken. 

I. 

Der  literarische  Nachlaß  Frankopans  ist  im  k.  und  k.  Haus-,  Hof- 
und  Staatsarchive  in  Wien  in  einem  aus  zwei  Eonvoluten  bestehenden 
Faszikel  erhalten  [Ungarn  Fasz.  318  (alt  122).  An&eichnungen  usw.  des 
Qrafen  Fr.  Chr.  Frangepani,  f  1671,  in  zwei  Eonvolnten  (a  und  b)]. 

Das  Eonvolutum  a  besteht  aus  189  Blättern.  Die  Blätter  1 — 2, 
7 — 16  und  43 — 103  (alle  in  Folio)  enthalten  in  italienischer  Prosa  ver- 
faßte Disputationen  über  die  Liebe  mit  stellenweise  eingeflochtenen  italieni- 
schen Liebesgedichten.  Es  werden  widersprechende  Thesen  über  das 
Wesen  der  Liebe  eingehend  behandelt,  so  z.  B.  Che  la  gelosia  e  tormento 
in  amore  (mit  einem  Sonett  Amante  geloso  alla  sua  donna)  und  Che 
la  gelosia  non  e  tormento  ma  condimento  in  amore  oder  Che  sia  piü 
lodeuol  cosa  ü  ben  parlare  cK  il  ben  tacere  oder  Dücorso  accademico 
sopra  la  bellezza  del  corpo  e  delV  anima  e  quäle  dt  quelle  pre^ 
uaglia  usw.  Das  sind  also  Vorträge,  die  fftr  eine  Accademia  bestimmt 
waren;  darauf  weist  auch  der  Titel  des  auf  dem  Blatt  46  in  Prosa  nieder- 
geschriebenen Aufsatzes  hin:  A  Cupido ßgliol di  Venere.  II minimo 
degV  Accademici  Italiani^  per  adesso  chiamato  FAbbaituto, 

Die  Blätter  3 — 6  sind  ebenfalls  italienisch  geschrieben  und  enthalten 
eine  Lode  delle  scienze  et  delV  arii  liberali  e  mechaniche^  in  commune. 
Zwischen  den  Blättern  16  und  40  befinden  sich  drei  Hefte  kleinen  For- 
mats, deren  Inhalt  lateinische  und  italienische  Gebete  und  aszetische 
Aufsätze  bilden.  Es  scheint,  daß  da  manches  aus  gedruckten  Bflchem 
abgeschrieben  wurde,  denn  auf  den  Blättern  36  und  39  finden  wir  zwei 
darauf  hinweisende  Notizen:  Antuerpiae,  Ex  officina  Plantimana 
Balthasaris  Moreti,  MDCLXII  und  Passauy.  Apud  (f)fogium^) 
Höller,  Anno  MDCXLVI,   Aszetisch  ist  auch  der  Inhalt  des  Blattes 


1]  Der  erste  Buchstabe  ist  unleserlich. 


Ein  Brachst  yon  Moli^reB  George  Dandin  in  der  Über8.F.E.Frankopans.  531 

40  (in  Folio):  das  sind  lateinische  Proposita  in  posterum  faciendi 
(zonilchst  Confessiones,  dann  Orationes,  Fasten,  Almosen  nsw.).  Die 
Bl&tter  41  nnd  42  (in  Folio)  behandeln  in  italienischer  Sprache  V  ansia- 
nita  d^  cauallieri  et  regole  sotto  quali  milittano.    Auf  den  Blättern 

r  

104  nnd  105  sind  zwei  italienische  Gedichte:  Deh  senti  mio  bene  nnd 
Dialogho  fra  moglie  e  marito  nnd  daranf  folgt  eine  Sammlnng  von 
lateinischen  Aphorismen  (Blatt  106 — 108  in  4<>):  Index  aphorismorum 
politicorum,  deren  Quelle  vielfach  angegeben  wird  (Thnkydides,  Xe- 
nophon). 

Interessant  sind  die  Blätter  109 — 181,  die  ein  Heft  in  4^  bilden 
unter  dem  Titel :  Diporti  del  Crescente.  Diuisi  in  ritne  moralij  de- 
uot€y  heroiche,  amorose.  In  Bruesela.  Appresao  Giou.  Mommartio 
MDCL  VI,  Das  sind  die  in  der  kroatischen  Literaturgeschichte  bereits 
bekannten  italienischen  Gedichte  des  Erzherzogs  Leopold  Wilhelm,  eines 
Sohnes  Kaiser  Ferdinands  U.  (cf.  EostrenSid,  Vrti<5,  pag.  X).  Ein  Exem- 
plar der  gedrnckten  Ausgabe  dieses  Werkes  befindet  sich  in  der  Wiener 
Hofbibliothek:  die  Widmung  an  Kaiser  Ferdinand  HL,  und  alle  zu  Ehren 
des  Dichters  Crescente  von  verschiedenen  accademici  verfaßten  Gedichte 
sind  in  unserer  Abschrift  weggelassen,  so  daß  diese  alsogleich  mit  den 
Gedichten  des  Crescente  selbst  anhebt.  In  der  Handschrift  ist  keines  von 
den  Gedichten  der  gedruckten  Ausgabe  ausgelassen,  —  es  gibt  da  im 
G^enteil  über  zwei  Seiten  italienischer  Verse,  die  im  gedruckten  Texte 
nicht  vorkonunen  (nach  den  Rime  heroiche  und  am  Schlüsse  der  Hand- 
schrift). Die  zwei  ins  Heft  eingeschalteten  losen  Blätter  gehören  nicht 
dazu  (ein  Verzeichnis  von  Aufsätzen,  die  —  soviel  man  aus  den  Titeln 
ersehen  kann  —  verschiedene  Regeln  der  Lebensweisheit  behandeln  soll- 
ten, und  eine  Sammlung  von  angeblich  geistreichen,  gewöhnlich  aber 
recht  trivialen  Sprüchen). 

Auf  den  Blättern  182 — 186  (in  4<^)  folgen  italienische  geographische 
Notizen:  Estratto  deüe  cose  piü  notabili  in  diuerse  parti  del  mondo. 
Das  Blatt  187  ist  eine  zu  »Neustadt  17  Xbre  1670«  in  italienischer 
Sprache  ausgestellte,  an  Domenico  Zannini  und  Sebastiano  Bomighoni 
lautende  Geldanweisung  auf  300  Gulden,  die  dem  Grafen  Mansfeld,  der 
mit  der  Aufsicht  Frankopans  im  Gefängnisse  zu  Wiener  Neustadt  betraut 
war,  eingehändigt  werden  sollten.  Auf  dem  Blatte  188  ist  auf  einer  Seite 
ein  Fragment  des  kroatischen  bei  Eostrencid  (pag.  109)  gedruckten  Ge- 
dichtes Parides  mudro  cini  spoznane  und  auf  der  anderen  ein  Entwurf 
einer  Widerlegung  einzelner  Punkte  der  gegen  Frankopan  erhobenen  An- 

34* 


532  T.  Matld, 

klftge.    Das  letzte  Bktt  189  enÜiAlt  etne  Smminlimg  ton  SlKttohttgW 

Pro  Ppe  (Principe),  die  den  klasflischen  Schriftstellern,  ^opheten,  Psul- 
men  nnd  Kirchenvätern  entnommen  sind,  mit  einigen  Anmerkongen, 
welche  offenbar  mit  der  Lage  Frankopans  nach  der  Entdeckung  der  Ter- 
schwönmg  im  Znsammenhange  sind. 

Bei  weitem  interessanter  ist  das  Konvolntnm  b,  in  welchem  folgend« 
Handschriften^)  enthalten  sind: 

1)  Das  erwähnte  Bmchstflck  von  Moli^res  George  Dandin  (drei 
Blatter  in  Folio,  ausgeschrieben  sind  aber  Bwr  Tier  Seiten  und  ein  paar 
Zeilen  der  fOnften  Seite). 

2)  Sententie  vszakoiaske  (kroatisch ;  Bwei  Blätter  in  Folio). 

3)  Drei  Blätter  in  Folio  mit  den  kroaitisohea  beiKostrenSi6  (pag.  145 
bis  147)  abgedruckten  Gedichten. 

4)  Eine  in  Prosa  geschriebene,  unroUendele  kroatiBehe  DafsteUitt^t 
des  jüngsten  Gerichtes:  Po  vszem  szuiiu  retzglasaena,  precyudna  y 
straszna  trumbita  sztsdnyegha  dneua  (fnnf  Blätter  in  Folio). 

5)  Eonsepte  und  Abschriften  kroatische  Gedichte  mit  eiftett  für 
GartUe  bestimmten  InhalitsTeraeichnisse  (42  Butter  in  4^). 

6)  Drei  italienische  Gedichte :  Deh  senti  mio  bene^  Haggio  dornte 
uno  presente  und  Mbrate,  donne  chate  (vier  Blätter  in  A% 

7)  Zganke  za  trime  skratitty  (kroatisch;  18  Blätter  in  4*). 

8)  Abschriften  von  kroatischen  Gedichten  (24  Blätter  in  8^). 

9)  Ein  aus  42  Blättern  in  8^  bestehendes  Heft,  dessen  Inhalt  eben- 
falls kroatische  Gedichte  bilden. 

10)  Eine  Sammlung  ins  Beine  abgeschriebener  kroatischer  Gedichte 
unter  dem  Titel:  Gartlicz  za  ciasz  kratitty^  bestehend  aus  20  Heften 
von  je  8  Blättern;  es  fehlt  nur  das  erste  Blatt  des  2.  Heftes;  vom  2. Hefte 
an  beginnt  eine  neue  Pagination,  die  bis  zum  19.  Hefte  inklusive  läuft 
(3 — 288);  das  20.  Heft  (ein  Verzeichnis  der  im  Gartlic  enthaltenen 
Gedichte)  hat  keine  Pagination,  denn  die  alte  (derjenigen  der  Hefte 
2 — 1 9  nicht  entsprechende)  Pagination  wurde  teils  ausradiert  teils  durch- 
gestrichen. 


1)  Das  handschriftliche  Material  des  Konvolutums  b,  welches  gar  nicht 
geordnet  war,  habe  ich  (auch  im  Eonvolutum]  in  die  sab  1 — 12  angeiührtm 
Gruppen  eingeteilt  Soweit  es  möglich  war,  habe  ich  diese  Einteilung  nach 
dem  Inhalte  vorgenommen. 


Brnobst  Ton  Moliöres  George  DMdhi  m  der  ÜberB.F.E.Fraiikopani.  533 


1 1}  JSJmxßptid  und  AlMiobrifteii  tob  krMtiaehftii  0#diehtMi  (««ht  l(«e 
BIMtor  IQ  Folio);  aätten  unter  diesen  Qediohten  befindet  flieh  auf  «um» 
Btütle  ein  Konzept  Fnmkopans,  in  welehem  er  aicb  gegen  die  Behend* 
Inni^  im  OeOngniase  beechwert,  und  enf  einem  imdoren  Blatte  ebeafaUa 
W  Konsept  einv  Beeehwerde  Tom  24.  Jannar  1671.  Die  entepmohen- 
den  Beaehwerden  sind  in  Baikis  Acta  coniuratianem  Bani  Feiri  a 
Zrinio  et  Fr.  Frangepani  iUuatrontia  (Agram  1873}  enb  n.  604  nnd 
903  b^ransi^e^eben, 

12)  Seehs  halbe  Bluter  in  Folio  (der  Länge  nach  dvrchgeBohnitten), 
TiMi  denen  Tier  Blfttter  kroaikohe  Oediehte  nnd  die  llbrigen  swei  Blitter 
italieniaehe  Gediehte  Haggio  donne  uno  presente  nnd  Mirate^  dontm 
chare  enthalten  ^}. 

Bereits  KostrenSi6  hat  herrorgehoben,  daß  am  Znstandekommen 
dieser  Handschriften  mehrere  Sehreiber  tätig  waren.  AnfGmnd  der  eigen- 
bändigen, in  denVerschwOrnngsakten  erhaltenen  Briefe  Frankopans  kann 
man  bestimmen,  was  Tom  Dichter  selbst  geschrieben  wnrde.  Entschie- 
den ist  es  sicher,  daß  Frankopan  beim  Zustandekommen  sowohl  der  kroa- 
tischen als  der  italienischen  Teile  seines  literarischen  Nachlasses  selbst 
als  Schreiber  sehr  eifrig  tätig  war,  nnd  insbesondere  bezflglich  des  Bmch- 
stflckes  Ton  Moli^res  Oeorge  Dandin  kann  man  mit  Bestimmtheit  sagen, 
daß  es  Ton  der  Hand  Frankopans  herrflhrt. 

Was  die  Gedichte  Frankopans  anbelangt,  so  sieht  man  in  denselben 
dentlich  zwei  StrOmnngen:  neben  den  secentistischen  Deklamationen  ge- 
langt eine  frische  Lebenslust,  manchmal  auch  ein  ausgelassener  Übermut 
zum  Ausdrucke.  Der  so  oft  wiederkehrende  Gedanke  der  Vergänglich- 
keit des  Irdischen  bringt  den  Dichter  —  je  nach  der  Gattung  der  Gedichte 
—  auch  bei  den  geringsten  Anlässen  (z.  B.  bei  einem  Zahnweh)  aufrecht 
ernste,  das  Irdische  Tcrachtende  und  gegen  den  Himmel  emporstrebende 
Gedanken  (Kme  dcTote,  Rime  morali),  während  in  den  Rime  amorose  der- 
selbe Gtodanke  mit  der  Aufforderung  an  die  Geliebte  schließt,  sie  soll 
solange  sie  jung  ist,  Leben  und  Liebe  genießen.  KostrenSi6  hat  auf  die 
Quelle,  aus  welcher  Frankopan  seine  dieser  Bichtung  angehörenden  Ge- 
dichte zum  Teil  schöpfte,  nämlich  auf  die  Diportidel  Crescente  (Brttssei 


1)  Die  kroatischen  in  den  Papieren  Frankopans  erhaltenen,  in  die  Aus- 
gabe Kostren&iös  aber  nicht  aufgenommenen  GMichte  und  Auüsätze  sind  in 
Yrtiö  (p.XI)  angegeben.  Vom  italienisehen  handschriftlichen  Material  wurde 
bisher  nichts  Teröffentliebt 


534  T.  Matiö, 

1656]  hingewiesen  nnd  die  Oedichte  angegeben,  welche  Frankopan  nach 
diesem  Mnster  zustande  brachte.  Ohne  die  beiden  Samminngen  von  diesem 
Standpunkte  einer  genaueren  Prüfung  unterzogen  zu  haben,  kann  ich  zu 
der  von  EostrenSic  entworfenen  Liste  der  bei  Frankopan  vorkommenden 
Nachahmungen  Crescentes  hinzufügen,  daß  z.  B.  auch  die  im  Vrtiö  auf 
den  Seiten  145—157  herausgegebenen  Gedichte  auf  Crescentes  Rime  mth- 
ralij  sowie  das  ziemlich  flotte  Gedicht  Spogahane  proSastnoga  vrimena 
(im  handschriftlichen  Gartltc  p.  105 — 1 1 0]  auf  die  Canzonetta  in  forma 
di  dialogo  [Diporti  del  Crescente  p.  143)  zurfickzufUhren  sind.  Es 
ist  aber  noch  interessanter,  daß  es  in  Frankopans  Gartltc  auch  Gedichte 
gibt,  die  mit  den  italienischen  in  die  Disputationen  über  die  Liebe  im 
Eonvolutum  a  eingeflochtenen  Madrigalen  und  Sonetten  in  einem  offen* 
baren  Zusammenhange  stehen:  vgl.  z.  B.  die  Gedichte  Lila  spogana 
TeseUf  da  ni  znal  mucati  und  Teseus  sehe  prica  nazlohnika  krived 
(Vrtiö  p.  70,  71]  mit  dem  Madrigal  und  dem  Sonette  im  Vortrage  Che 
sia  piü  lodeuole  il  hen  tacere  che  il  ben  pariere  (Konvolutnm  a, 
Blatt  64].  Wer  ist  aber  Autor  dieser  italienischen  Gedichte?  Die 
Autorschaft  Frankopans  ist  meines  Erachtens  fraglich.  Auf  jeden  Fall 
wird  man  bei  der  Beantwortung  dieser  Frage  um  so  vorsichtiger  vor- 
gehen müssen,  da  es  feststeht,  daß  gerade  im  Eonvolutum  a  fremde, 
sogar  gedruckte  Sachen  abgeschrieben  vorkommen.  Überhaupt  sind  mir 
die  kroatischen  Gedichte  Frankopans^  welche  die  Liebe  zu  Lila,  Elori  und 
ähnliche  secentistische  Themen  behandeln,  was  ihre  Originalität  anbelangt, 
alle  insgesamt  sehr  verdächtig. 

In  einem  ausgesprochenen  Gegensatze  zu  diesen  faden  Liebesdekla- 
mationen stehen  bei  Frankopan  die  Gedichte,  in  denen  eine  frische  Lebens- 
freude ohne  Phrasenballast  zum  Ausdrucke  gelangt,  vielfach  aber  in 
Ausgelassenheit  übergeht.  Einige  von  diesen  Gedichten  erinnern  an  die 
Schlichtheit  der  Volkslieder,  anderseits  aber  zeigen  sich  auch  in  solchen 
Dichtungen  Momente,  die  nach  Italien  hinweisen.  Die  Gedichte  Züire 
ko  svit  zdriuje  und  Ptica  prez  perja  (handschriftlicher  GarÜic  pag. 
60 — 65  und  70 — 73]  erinnern  durch  ihre  frivolen,  in  Zweideutigkeit  ein- 
gehüllten Anspielungen  und  Beschreibungen  des  Geschlechtslebens,  be- 
sonders aber  durch  die  gleich  in  den  ersten  Versen  an  Frauen  gerichteten 

^        ^  ^ne  drage,  poätentajte 

ter  me  malo  poslu&ajte  .... 
oder 
Poglejte,  iene  drage,  kako  je  }ubav  iaka 


Ein  Brachst,  von  Moliöres  George  Dandin  in  der  ÜberB.F.K.Frankopans.  535 

80  sehr  an  die  italienischen  canti  camascialeschi.  Zu  Zvire  ho  svit 
zdrzuje  finden  wir  ein  Vorbild  in  dem  bereits  erw&hnten,  in  den  Papieren 
Frankopans  erhaltenen  italienischen  Gedichte  Donne  haggio  uno  pre- 
sente  (im  Eonyolntnm  b  sab  12  von  Frankopan  selbst  nnd  sab  6  von  einer 
anderen  Hand  geschrieben).  Dieses  Gedicht  erinnert  aber  anderseits 
stellenweise  an  Canto  del  zibetto,  ein  canto  carnascialesco  von  einem 
unbekannten  Dichter  (herausgegeben  von  OHndo  Guerrini  in  Canti  car- 
nascialehchi^  trionfi^  carri  e  mascherate.  Müano  1883).  Auch  zn 
Frankopans  Hazgovar  med  muzem  i  zenom  (handschriftlicher  Gartlic 
p.  94 — 104),  wo  eine  untreue  Gattin  die  Yerdachtsgrflnde  ihres  Mannes 
durch  eine  manchmal  recht  sonderbar  klingende  Rechtfertigung  zu  ent- 
kräften sucht,  findet  sich  im  Eonvolutum  a  ein  italienisches  Vorbild  Dia- 
logo fra  moglie  e  maritOy  welches  ebenfalls  von  der  Hand  Frankopans 
herrührt. 

Aus  diesen  bei  einer  bloßen  Durchsicht  der  Papiere  Frankopans 
wahrgenommenen  Tatsachen  sieht  man,  daß  in  seinem  literarischen  Nach- 
lasse noch  manche  mit  Vorsicht  zu  behandelnden  Fragen  einer  Beantwor- 
tung harren.  Vor  allem  wird  man  den  Umfang  des  wirklichen  literari- 
schen Eigentums  Frankopans  feststellen  müssen :  wenn  wir  einmal  genau 
wissen,  wo  er  fremden  Fußstapfen  folgt  und  wo  seine  eigene  dichterische 
Persönlichkeit  zum  Ausdrucke  kommt,  dann  wird  man  erst  ein  Bild 
Frankopans  als  Dichter  entwerfen  können.  Seine  Obersetzungen  und 
Naohhildungen  fremder  Produkte  können  uns  zwar  einen  Einblick  in  seinen 
literarischen  Geschmack  und  in  die  geistige  Sphäre,  in  welcher  er  lebte, 
gewähren,  aber  für  die  Beurteilung  seiner  literarischen  IndiTidualität 
haben  ähnliche  Produkte  eine  sehr  geringe  oder  gar  keine  Bedeutung. 

IL 

Das  in  den  Papieren  Frankopans  erhaltene  Bruchstück  Geo^-ge 
Dandins  gehört  zu  den  ältesten  Übersetzungen  aus  Moliöres  Werken. 
Da  die  erste  Ausgabe  dieser  Komödie  1669  erschien  (die  erste  Aufführung 
fand  zu  Versailles  im  Juli  1668  statt),  Frankopan  aber  bereits  am  30.  April 
1 67 1  zu  Wiener  Neustadt  hingerichtet  wurde,  so  muß  die  Entstehung  un- 
seres Bruchstückes  in  die  Zwischenzeit  ( 1669 — 167 1 )  fallen,  —  jedenfalls 
also  kam  die  Übersetzung  noch  zu  Lebzeiten  Moli^res  (f  1673)  zustande. 
Soviel  ich  aus  den  Angaben  in  Lacroix'  Bibliographie  molieresque 
(Paris  1875)  und  in  Les  grands  ecrivains  de  la  France,  Oeuvres  de 


536  T. 

Moliire  (ed.  £.  Despois  und  P.  Hesnard)  ersehen  kann,  iriren  Slter  als 
mwer  Brnchstflck  nnter  den  Übersetzungen  ans  den  Werken  MoU^res^) 
zwei  italienische  Übersetzungen:  Trufaldino  medico  volonte^  commedia 
novella  ridicolosa  {di  FVancesco  Leoni)  (Bologna  1668)^)  und  77  vil- 
lano  nobile^  commedia  di  Cesare  Ventimonte  (Bologna  1669),  w&hrond 
zwei  holländische  Übersetzungen:  Amphitrion  von  Abr.  Peys  (Amster- 
dam 1670)  und  De  Oedwongen  Doctor  (M^ecin  malgr6  tui)  Yon  Jakob 
Soolmans  (Amsterdam  1671]  und  eine  deutsche  im  Jahre  1670  erschienene 
Übersetzung')  Ton  ftlnf  Komödien  Moli^res  [Les  Preeieuses  ridicules^ 
Sganarelle^  VAmour  mSdecin,  UAvare  und  George  Dandin)  ungefiüir 
in  dieselbe  Zeit  fallen.  Unser  Bruchstück  wftre  in  den  slavischen  Lite- 
raturen der  älteste  Versuch  einer  Übersetzung  aus  Moli^. 

Sehr  nahe  liegt  nun  der  Qedanke,  daß  der  Übersetzung  Frankopana 
Tielleicht  nicht  der  französische  Originaltext,  sondern  die  deutsche  Über- 
setzung, die  eben  in  dem  Jahre  erschien,  in  welchem  Frankopan  vor  seiner 
Deportation  nach  Wiener  Neustadt  längere  Zeit  in  Wien  zugebracht  hatte, 
zugrunde  liegt.  Wenn  man  das  Fragment  Frankopans  einerseits  mit  dem 
französischen  Original  und  anderseits  mit  der  alten  deutschen  Übersetznng 
vergldcht,  so  findet  man  sehr  charakteristische  Stellen,  die  Aber  die  Vor- 
lage Frankopans  keinen  Zweifel  zulassen.  Auf  die  wichtigsten  will  ich 
aufinerksam  machen: 


1)  Im  Catalogue  of  the  Moliire  eoUeetion  in  Harvard  eoBege  Ubrary  von 
Gurrier  und  Gay  (Cambridge  1906)  werden  unter  >£nglish  imitatioiis  and 
translations  of  Moli^es  plays«  mehrte  englische  Komödien  angegeben,  die 
aus  der  Zeit  vor  dem  Jahre  1670  stammen.  Nach  den  Angaben  dieses  Kata- 
loges  läßt  sich  aber  nicht  bestimmen,  ob  das  wirklich  Übersetzungen  oder 
nur  solche  Werke  sind,  die  zu  Moliöres  Komödien  in  irgendwelchen  Beziehun- 
gen stehen.  In  der  Bibliographie  Lacroix'  finde  ich  diese  Werke  nicht,  wäh- 
rend in  Les  grands  Serivains  de  la  Franee  zwei  von  diesen  Komödien  Uoß  als 
Imitationen  von  Moli^res  Werken  angegeben  werden. 

S)  Auch  diese  Komödie  scheint  keine  eigentliche  Übersetzung  zn  sein, 
denn  in  einer  Anmerkung  fügt  Lacroiz  hinzu :  »Cest  sans  donte  une  imitalion 
plulöt  qu'une  tiadnction  de  la  faree  de  Moli^rec  (Bibliographie  moli^esque, 

p.  148). 

^  Schau-Bühnen  Englischer  und  Frantzösischer  Comödianten.  Fraack- 
fort  am  Mayn  MDCLXX.  —  Der  dritte  Band  dieser  Sammlung,  in  welchem 
unter  anderem  auch  die  Übersetzung  George  Dandins  enthalten  ist,  befindet 
sieh  in  der  Wiener  Hof  bibliothek. 


Sm  Brachst  yon  MoliöroB  George  Daadin  in  der  0ber8.F.E.Fninkopa]iB.  537 

. . .  Toyant  sortir  Lnbin  de  chez  lux. 
Sihet  Lnbin  gegen  ihm  iieranBkommen. 
.  . .  vidi  iz  svqj'e  hiie  izliodit  Budimodra. 


H6,  dites-moi  nn  peu,  9*il  vom  platt:  vous  Tonez  de  Ui  dedans? 

Ey  hört  doch,  komt  ihr  von  drinnen  her? 

Hoj  )nbi,  akur  vam  dragUj  pravte  mi^  ste  s  le-t^  hiie  zdajc  priSü? 


Motusf  II  ne  fant  pas  dire  qne  Tona  m'ayez  yu  sortir  de  Ik. 
Ihr  mflst  nicht  sagen,  daß  ihr  mich  gesehen  habt  heraoßgehen. 
Tihu,  ne  pravte  obenom,  dar  st'  me  vidli  le-tn  von  ziti. 


Dosflement.  /'ot  peur  qa'on  ne  noos  ^nte. 

Gemach.   Man  hört  uns  sonst. 

Le  tihn,  le  tihn:  jieet  $e  baamy  kar  me  ki  «liaa. 


C^est  q»e  je  viens  de  parier  k  la  mattrease  du  Itgia  de  la  pmi 

d'nn  certain  monsienr  .... 
Ich  wolle  gern  mit  der  Frau  reden  wegen  eines  Edellmanns  .... 
Ja,  viste,  sam  hü  od  strane  enega  gospnda  pri  le-toj  guspodi&i 


Le  man,  k  oe  qnUs  disent,  est  nn  jalonx  qni  ne  vent  pas  qn'en 
fasse  ramour  k  sa  femme;  et  iiy^<H^  le  dtable  ä  quaire^ 
si  cela  venoit  ä  ses  oreilles. 

Man  sagt,  ihr  Mann  sey  sehr  eyffersüchtig  nnnd  will  nicht  leyden, 
daß  man  seine  Fran  ansehe]  er  würde  tott,  wann  er  dieses 
hl>rte. 

de  eno  sli&te,  pr'  moj'  dosi,  amisno.  Mui  le-te  gospodi&e,  ^taknr 
pravjn,  %jfira  ka  en  hndiS  ino  neSe  dar  ja  obeni  lubi;  jest 
menim,  akor  mn  k  vuhupride  |abeznost  moga  gospada,  dar 
ga  zladi  zame  odj'eznosti. 


Est-ce  ce  jeone  komme  qoi  demeure  . . . .? 
Ist  es  der  jange  Coortisan,  der  za  . . . .? 
To  je  tar  goapod,  kteri  je  priial  sim  statt  ? 


538  T.  Matte, 

. . .  la  gentilhommerie  vous  tieni  les  bras  lies. 
. .  .  der  Adel  sitzt  dir  zu  nah  auff  der  Haub. 
. . .  £e  SlalitnoBt  roke  ti  veze. 


Mon  Dieuf  notre  gendre^  qne  voub  avez  peu  de  civilis  .  . . 

Ej  wie  nnhöfflich  seyd  ihr  ... . 

MoJ  Buffj  kakur  je  grdo,  ^ubi  sifi  .... 


Mafoi!  ma  belle-mere^  c'est  quey'at  d^autres  choses  en  Ute; 

et .... 
Ich  hab  Jetzt  anders  zu  gedencken  und  .... 
GvUno^  ma  draga  mati,  e,  mam  druziga  v  glavi  kar  pre£e£e. 

Gegen  Ende  der  zweiten  Szene  sind  in  der  dentschen  übersetznng 
die  Worte  »Cela  est  vrai«,  die  George  Dandin  sagen  sollte,  ausgelassen 
und  dadurch  die  vorangehende  und  die  darauf  folgende  Rede  Lubins  in 
eine  yerschmolzen,  Frankopan  aber  blieb  auch  da  dem  französischen 
Original  treu.  Man  kann  also  wohl  mit  Bestimmtheit  sagen,  daß  der 
Arbeit  Frankopans  das  französische  Original  und  nicht  die 
Frankfurter  deutsche  Übersetzung  aus  dem  Jahre  1670  zu- 
grunde liegt. 

Das  Auffallendste  an  der  Übersetzung  Frankopans  ist  jedenfalls  die 
Sprache,  deren  sich  der  Übersetzer  bediente:  es  ist  nicht  die  kroatische 
Sprache  seiner  übrigen  Gedichte,  sondern  er  wählte  dazu  Slovenisch  und 
sicherte  sich  dadurch  in  der  Geschichte  des  slovenischen  Dramas,  wenige 
stens  chronologisch,  die  erste  Stelle.  Gerade  deswegen  aber  könnte  viel- 
leicht die  Frage  aufgeworfen  werden,  ob  diese  Übersetzung  liberhaupt 
von  Frankopan  stammt.  Bei  einer  näheren  Prüfung  aller  Umsti&nde  kam 
ich  zur  Überzeugung,  daß  keine  Gründe  vorliegen,  an  der  Autorschaft 
Frankopans  zu  zweifeln,  da  vielmehr  alles  dafür  spricht,  daß  tatsächlich 
er  der  Übersetzer  ist.  Das  Manuskript  selbst  ist  vor  allem  von  der  Hand 
Frankopans  geschrieben  und  ist  keineswegs  eine  Reinschrift  (also  etwa 
Abschrift  aus  einer  Vorlage),  sondern  die  vielen  Korrekturen,  auf  Gnmd 
deren  wir  der  Arbeit  des  Übersetzers  und  der  Entstehung  der  definitiven 
Form  der  Übersetzung  Schritt  für  Schritt  folgen  können,  weisen  darauf 
hin,  daß  wir  es  da  mit  einem  Konzepte  des  Übersetzers  selbst  zu  tun  haben. 
Daß  Frankopan  slovenisch  konnte,  ist  gar  nicht  so  auffallend:  zur  Zeit 
der  Kämpfe  mit  den  Türken  war  überhaupt  die  kroatische  Aristokratie 


_j 


Ein  Brachst,  von  Moliöres  George  Dandin  in  der  Üben.  F.  K.FrankopanB.  539 

mit  den  österreicliisehen  Alpenländern,  also  vor  allem  anch  mit  den  zu- 
nflchflt  liegenden  slovenischen  Gebieten  in  engsten  Beziehnngen,  nnd  spe- 
ziell onser  Dichter  war  in  diesen  Gegenden  begütert,  hatte  somit  von  seiner 
Kindheit  an  Gelegenheit  genug,  die  slovenische  Sprache  zu  hören.  In 
einem  Briefe  vom  1 0 .  Dezember  1634  erwähnt  sein  Vater  Yak  Frankopan, 
er  sei  mit  Edlingar  in  Verhandinngen  betreffend  den  Ankauf  des  Gutes 
Bann  (BreSice)  in  Steiermark:  ».  . .  u  traktati  s  gospodinom  Edlingarom 
u  Briskom  imaAu«.  Dieses  Gut  ging  tatsächlich  in  den  Besitz  der  Familie 
Frankopan  Aber:  ein  Bericht  Vuk  Frankopans  an  den  Kriegsrat  vom 
28.  Oktober  1640  ist  bereits  auf  seinem  Besitze  zu  Kann  datiert.  Unser 
Dichter  Fra^o  Krsto  und  seine  Schwägerin  Sophie,  die  Witwe  seines 
älteren  Bruders  Juriy  (f  1661),  berichten  in  emem  »ex  arce  Runa^  S.octo- 
bris  1661«  an  den  bekannten  Agramer  Bischof  Petar  Petretic  gerichteten 
Schreiben  über  eine  Teilung  der  Güter  der  Familie  Frankopan:  ». . .  ad 
subterfugiendos  dubios  litis  euentus  amicabiliter  et  placide  ratione  prae- 
tensionum  inter  nos  hoc  tenore  composuimus:  ut  primo  media  arz  in 
Styria  siia,  Huna^  cum  prouentibns  unicuique  nostrnm  vigore  testamenti 
eonditi  attribuenda«  ^]. 

Ja  sogar  die  Sprache  in  der  Übersetzung  George  Dandins  weist 
gerade  auf  einen  Übersetzer  hin,  der  trotz  seiner  Bemühungen,  slovenisch 
zu  schreiben,  doch  vielfach  durch  Kroatismen  seine  Abstammung  verrät. 
Dem  altslovenischen  Nasallaut  ^  entspricht  in  der  Regel  ein  u  und  be- 
sonders konsequent  ist  dies  im  Akkus.  Sing,  der  a-Stämjne  und  in  der 
3.  Pers.  Plur.  Präs.  bei  den  Verben  durchgeftlhrt:  zastupite  (2.  Szene), 
poruSila  (2),  zastupila  (2),  zastupis  (3)  neben:  roke  (3),  zaroSiti  (3); 
mol2  (2)  einige  Male  neben  mui^  (2);  guspodi(;}2«  objubit  an  pä  enu  tvoje 
glihe  dobrti  ino  pohlivnt«  (1),  guspodi£u  (1,  3),  anu  groznu  oslar^u  (1), 
ju  (2,  eam),  vsu  stvar  (2),  jednn  cedulicu  koju  . . .  (2),  tu  frajntsoft  (2), 
gospodlAu  (2),  enu  kantn  (2),  £enn  (3),  anu  gospodiSnu  (3),  hudu  reS  (3), 
pravicu  (3),  boten  (1),  denari  k  budiSu  gredu  (1),  prihaju  pa  spet  od- 
haju  (1),  bu  (2,  3),  bum  (2),  pravju  (2),  pristupeju  (4),  snprisli  (3).  Cha- 
rakteristisch ist  der  Personenname  Bt^dimoder,  daneben  aber:  Horvat 
le-taj  je  mt^der  (3).  —  Stellenweise  kommt  auch  die  ikavische  Aus- 
sprache zur  Geltung,  die  in  den  kroatischen  Dichtungen  Frankopans 
neben  der  ekavischein  auftritt:  5lovik  (2),  viti,  vim,  vis,  viste  (1,  2),  dve 


1}  Of.  Lopaiiö,  Spomenici  triaökih  Frankopana  (in  Starine  XXV,  pp.  250, 
244  nnd  296). 


540  T.lbti^, 

nü  (2),  tve  bisede  (m  wiie  aUerdinge  beMe  n  enrnrlen),  popivv«&  (2), 
miino  (2),  poUi^nn  (1),  lipo  (2),  lipü  (2),  biana  (2),  vedU  (2}^).  —  Ab 
Sefltt  dM  B.  g.  Halbyokik  kommt  («neh  in  kmaon  Buben)  a  n^ben  «  tot: 
kaknr  Mm  j6st  «tnril  (1),  Uapac  (1)  neben  Unpee  (2),  jeat  aam  In  doUe 
dei«|e  (2),  Bon  bfl  (2),  llahtui  (2),  prikl  (2),  sam  aal  (2),  poaal  (2)  -^ 
neben:  Bogateo  (2),  Mihil^ea  (3),  mndar  (3),  kosel  (3).  —  In  der  Ifovpho^ 
logie  begegnen  nne  ebenfalk  (aneb  abgesehen  von  den  bereitB  erwihnten 
Bnflnngen  im  Akk.  Bing,  der  (^Stftmme  nnd  in  der  3.  Pera.  Plnr.Piria.  bei 
im  Verben)  vielfaeh  Eroatiamen:  Instr.  Bing,  anom  goBpodi&noin  (1), 
«Bom  knnfaatom  aiapieom  (3),  mo5nom  Uafiniieom  (3);  oder  Dat.  Bing. 
oben<Hn  (2),  toj  gospodiiü  (2);  oder  Lok.  Bing,  mojoj  hiü  (2),  toj  gnapo^ 
diAi  (2),  pri  datoj  kmni  (2).  Hierher  g^ören  aneh  kontrahierte  Formen 
der  Pronomina  posseBBiYa:  na  momn  Btroskn  (1),  moga  goapnda  (2)) 
Y  momn  teln  (2),  tre  biaede  (2),  tromn  gospndn  (2),  tvega . . .  go^mda  (2), 
ma  draga  mati  (4)  —  nnd  nominale  Formen  in  der  Deklination  der  Ad- 
jektive: tu  ga  mam  napisana  (2),  enega  gospnda  taknr  iUahtna  ino  ear- 
tana  (2),  trega  cartana  goBpnda  (2).  KroatiBeh  ist  ebenfaUs  der  Dal 
Sing,  des  Pronomens  personale  joj :  joj  nii  ne  smis  stnriti  (3),  aknr  joj 
das  hndn  re6  (3).  Mit  dem  prädikativen  InstmmentaÜB  konmit  eine  kroa- 
tisehe,  im  SloveniBohen  nioht  ttbliohe  syntaktisehe  Wendm^  inr  Geltung: 
kaknr  ia  enega  praseta  jelenom  poetane  (2).  BeeonderB  beeeiehnend  aber 
sind  die  Eroatiamen  im  Wortsohatie:  gorkoat  (in  der  Bedeutung:  Bitter- 
keit, Kammer),  rei  (in  der  Bedeutung:  Wort)  —  dann  einige  im  fflove- 
niaohen  nioht  gebriueUiohe  Wörter:  pelda,  premda,  vsestae,  ntvrditi 
n.  dgL  Eine  falsehe  Analogiebildung  naeh  dem  In&dtiv  bati  se  lat  daa 
Prftaens  baam  se  (statt  bojim  Be)  —  eine  Form,  die  ein  Blovene  gewiB 
nieht  angewendet  hätte. 

Eine  interessante  Parallele  zur  Bpraehe  unsereB  Fragmentes  bildet 
das  Gedicht  Fratri  putniciy  welches  sich  im  GarÜic  befindet,  Aber  deaaen 
Antorschaft  folglich  nicht  gesweifelt  werden  kann,  da  Frankopan  BMne 
Gedichte  von  einem  Bchreiber  aus  Konzepten  in  dieees  Heft  abschreiben 
ließ.  In  Fratri  putnici  aber  tritt  das  kroatische  Element  noch  stirker 
hervor. 

Was  mag  nun  Frankopan  bewogen  haben^  in  der  Übersetzung  dar 
Komödie  Gearge  Dandin  sich  der  slovenischen  und  nicht  wie  boubI  in 


1)  imie  von  i  fUr  %  kommen  allerdings  andi  bei  den  BlovenBchen 

Sohriftstollem  des  XYI.  und  XYII.  Jahrh.  vor. 


Ein.  BroehBt  von  Moliöres  George  DattAn  in  der  Obers.  F.SLFrattkopani.  541 

mAmm  CMKchten  der  kroatiaehea  Sprache  la  bedienea  ?  Heioea  Staiobtau 
wollte  Ftanlcepaft  die  wuig  aohmeidielliafte  Rotte  elaea  betrogieiieii  Bbe^ 
fluuuiea  nioht  seiBem  Laadamaime  saweiaen,  aoadeni  waUto  daa«  dan 
mehBtoB  Naehbatii,  einen  Slovenen,  wftlirend  die  jedenfalia  ▼oitailluilliM 
Belle  daa  Liebhubera  mid  Yerfthrera  einem  kMwIiaolien  Bdelman, 
»ilnhtaB  goapnd  a  hervaekega  nraaga«,  zngedacfat  war.  Soloke  lokalen 
Boaheiten  sind  ^^en  eine  allMglieke  Braeheinang,  nad  waa  apeaiell  ikre 
BoUe  in  der  ftltenn  kroatlBohen  Literatur  anbelangt,  haben  wir  eine 
acMne  Parallele  zu  Frankopans  Verfahren  in  den  Kom(kUlen  dea  Baguaa- 
nera  Ifiarin  DtH6  (f  1567),  der  dem  Kotorania  (Einwohner  der  beaaeh- 
barfeen  Stadt  Cattaro)  gegeattber  den  Bagnaanem  eine  nkit  geradeen 
elffeaToUe  Stelle  eingaranmt  hat.  Insbeaondere  in  der  fOnltea  KomOdie 
(aaeh  der  Aasgabe  der  Agramer  Akademie  in  Staripisci)^  deren  Svjet 
anch  sonst  so  sehr  an  Moli^res  George  Dandin  erinnert^),  spielt  Tripie 
ans  Gattaro  die  Bolle  des  betrogenen  Ehemannes,  also  die  Bolle  des  Slo- 
venen  Jame  bei  Frankopan.  In  der  an  Bagnsa  in  der  ersten  H&lffce  des 
Xym.  Jahrh.  zustande  gekommenen  Bearbeitang  yon  Moli^res  George 
Dandin  finden  wir  dagegen  keine  Spnren  ron  diesen  lokalen  Sticheleien, 
sondern  die  Gegensätze  bemhen  einzig  nnd  allein  auf  dem  Unterschiede 
der  Qesellschaftsklassen  der  kleinen  Bepnblik,  was  auch  dem  franzö- 
aischen  Original  besser  entspricht. 

Von  Moli^res  George  Dandin  hat  Frankopan  nur  die  drei  ersten 
Szenen  nnd  einige  Zeilen  der  vierten  Szene  des  ersten  Aktes  übersetzt 
Der  Übersetzer  hatte  eben  sewe  Arbeit  kanm  begonnen,  als  ihm  durch 
die  traurigen  Schicksale  seines  Lebens  die  Fortsetzung  verwehrt  wurde. 
Frankopan  ist  sozusagen  mitten  in  einem  Satze  stehen  geblieben:  er  hatte 
bereite  dea  Namen  der  an  die  Beihe  kommenden  Person  medeigeachriebea, 


1)  £ine  direkte  gegenseitige  Beeinflussimg  kann  nicht  angenommen  wer- 
den, da  einerseits  Driiö  im  XVI.  Jahrh.  lebte  und  Mollöre  anderseits  kroatisch 
nicht  verstand.  Gerade  deshalb  ist  es  interessant,  daß  einige  Punkte  dieses  — 
um  von  anderen  Sammlungen  abzusehen  —  bereits  in  den  Novellen  Boccaccios 
vorkommenden  Motivs  nur  Driid  und  Moliöre  gemeinsam  sind  und  in  den 
übrigen  bekannten  Varianten  bisher  wenigstens  nicht  konstatiert  werden 
konnten.  Es  ist  ohne  Zweifel  eine  Vermittlung  Italiens,  wahrscheinlich  der 
Commedia  deU^  arte  anzunehmen.  Diese  Frage  wurde  von  Prof.  Popoviö  (Hb 
KftsxeBHocTH,  Eeoppaff  1906)  behandelt  und  später  auch  in  meiner  Studie 
aber  die  Bearbeitungen  von  Moliöres  Komödien  in  Bagnsa  im  XVIII.  Jahrh. 
Bad  der  Agramer  Akademie,  Bd.  166)  berührt 


542  T.  Matiö, 

den  Doppelpunkt  gesetzt  —  und  da  bricht  seine  Arbeit  ab.  Aus  seinem 
literarisolien  Nachlasse  geht  es  unzweideutig  hervor,  daß  er  die  uns  er- 
haltenen literarischen  Arbeiten  in  seinem  Ge&ngnisse  mit  sich  hatte,  da 
wir  auf  einem  und  demselben  Blatte  Konzepte  von  kroatischen  Gedichten 
und  von  Beschwerden  Aber  die  grausame  Behandlung  im  Qefiingnisse  ra 
Wiener  Neustadt  finden.  KostrenSid  hat  schon  hervorgehoben,  daß  neben 
einem  Gedichte  (nach  unserer  Bezeichnung  im  Konvolutum  b  in  der  Hand- 
schrift sub  9)  das  Datum  »Die  8  May  1670  in  Yiennam  Apud  D:  Comi- 
tem  de  Dann«  und  neben  einem  anderen  »Na  dan  8:  Catharine  ü  nouo 
mesztot  steht  W&hrend  das  erstere  von  diesen  zwei  Gedichten  (Kostrencic, 
Vrtid  p.  3)  mehr  im  allgemeinen  von  der  Unbeständigkeit  des  irdischen 
Glückes  spricht,  aber  sich  offenbar  auf  die  damalige  traurige  Lage  des 
Dichters  bezieht,  ist  das  letztere  (EostrenSi6,  Vrti6  p.  48)  ein  direkter 
Beflex  seines  Schmerzes,  seines  Leidens: 

U  koUpki  mi^ku  zgubih, 
u  ditinstvu  otca  stuiih, 
imam  krila  prekinuta, 
do  dva  bratca  poginuta. 

Milu  sestm,  koju  ]ubih, 
u  nevoji  sad  zaöutih, 
]abn  dragu,  s  kom  se  di6ih, 
jur  od  davna  da  ne  vidih. 

Prijate)i  prez  pomoöi, 
a  rodbina  suze  to6i, 
veme  sluge  raztreiene, 
prez  obrambe  zapusöene. 

Die  Familienverhältnisse  des  Dichters  stimmen  damit  völlig  fiberein: 
sein  Vater  Yuk  Erste  Frankopan  starb  bereits  1652  und  die  zwei  ilterea 
Brflder  des  FraAo  Erste,  Gaspar  (f  1653)  und  Juraj  (f  1661),  waren 
ebenfalls  zu  der  Zeit  schon  längst  tot,  so  daß  von  seinen  Geschwistern 
nur  noch  Eatarina,  die  Gattin  des  Banus  Petar  Zrinski,  noch  am  Leben, 
aber  als  lifitverschwörerin  gefangen  war  i).  Es  ist  gewiß  kein  bloßer  Zu- 
fall, daß  neben  diesem  Gedichte  der  Namenstag  der  Schwester  als  Datum 
eingetragen  ist.  —  Eostren6i6  hat  somit  mit  Recht  die  Entstehung  dieser 
Gedichte  in  die  Zeit  der  Gefangenschaft  des  Dichters  verlegt.  Ffir  eine 
nähere  Bestimmung  der  Entstehungszeit  unseres  Fragmentes  der  Ober- 


1)  Cf.  JRodoalov^e  hrSkih  knezova  Frankopano  im  Anhange  zum  ersten 
Bande  von  Elaiös  Kr  Ski  kne&ovi  Frankopani^  Zagreh  1901 


Ein  Brachst,  von  Holiöres  George  Dandin  in  derÜber8.F.K.Frankopaii0.  543 

Setzung  des  Moli^reschen  George  Dandin  haben  wir  allerdings  keine 
bestimmteren  Anhaltspunkte  als  die  bereits  erwähnten,  nach  denen  die 
Übersetzung  ganz  sicher  in  die  Jahre  1 669 — 167 1  fällt.  Aber  ich  glanbe 
nicht  irrezugehen,  wenn  ich  für  wahrscheinlich  halte,  daß  Frankopan  auf 
die  Idee  einer  Übersetzung  der  Komödie  Moli^res  in  Wien  kam,  wo  er 
vom  17.  April  bis  7.  September  1670  weilte,  an  welchem  Tage  seine 
Deportation  ins  Oeföngnis  nach  Wiener  Neustadt  erfolgte  ^).  In  Wien 
konnte  Frankopan  am  ehesten  in  die  Gelegenheit  kommen,  die  neue,  vor 
etwa  zwanzig  Monaten  in  Versailles  aufgeftlhrte  und  darauf  1669  im 
Druck  erschienene  Komödie  Moli^res  kennen  zu  lernen.  Vor  seiner  An- 
kunft nach  Wien  wird  er  sich  in  seiner  Heimat,  mitten  unter  den  Vor- 
bereitungen fflr  die  geplante  Revolution,  kaum  mit  Moli^re  abgegeben 
haben.  In  Wien  wurden  Frankopan  und  Zrinski  wenigstens  in  den  ersten 
Tagen  nicht  strenge  behandelt.  Am  26.  April  1670  berichtet  Marino 
Zorzi  an  die  Regierung  von  Venedig,  daß  die  zwei  gefangenen  Magnaten 
zwar  miteinander  nicht  yerkehren  dürfen,  aber  sonst:  »Nelle  loro  case  li 
alloggiano  con  nobilissimo  trattamento,  non  h  proibita  T  introduttione  de 
cavallieri  allavisita  e  allamensa,  n^  si  pro6ede  con  immaginabile  rigore«  % 
Es  ist  viel  wahrscheinlicher,  daß  Frankopan  hier  seine  Übersetzung  in 
Angriff  nahm  als  später  im  Gefängnisse  zu  Wiener  Neustadt,  wo  sich  auf 
dem  Horizonte  des  Dichters  bereits  schwere  Gewitterwolken  gesammelt 
hatten. 

Wenn  Frankopan  seine  Übersetzung  George  Daiidvis  hätte  zu 
Ende  führen  können,  so  würde  er  dieselbe  ohne  Zweifel  teilweise  auch 
kroatisch  geschrieben  haben,  denn  der  Geliebte  der  Gemahlin  des  Slove- 
nen  Jame  wird  in  unserem  Fragmente  —  wie  es  bereits  erwähnt  wurde  — 
ausdrücklich  als  ein  »zlahtan  gospud  z  horvackega  ursaga«  bezeichnet, 
und  hätte  sich  daher  wohl  seiner  Muttersprache  bedient  ganz  so,  wie  es 
die  Slovenen  Jame  und  Budimoder  ihrerseits  taten.  Ein  Gemisch  von 
verschiedenen  Sprachen  und  Dialekten  war  übrigens  in  der  Komödie  gang 
und  gäbe:  diese  Erscheinung  begegnet  uns  so  häufig  in  Italien  im  Cin- 
quecento und  auch  in  der  kroatischen  Literatur  derselben  Zeit  (M.  Driid). 

Was  die  Übersetzung  selbst  anbelangt,  so  ist  sie  in  der  in  den  älte- 
ren Literaturperioden  üblichen  Art  und  Weise  ausgefOhrt.    Der  Text  des 


>)  Ba6ki,  Acta  coniurationem  bani  Petri  a  Zrinio  et  com.  Fr.  Frangepani 
iUnstrantia,  Agram  1873  (die  Urkunden  sub  Nr.  332  und  522). 
S)  Ra^kio.c,  p.216. 


^44  T.  Matid, 

Origioab  wird  frei  wiedergegeben  und  die  Namen  der  auftretenden  Per- 
sonen entweder  dorch  die  gebr&nehlichen  efnheimiachen  Peraanannamen 
oder  dnroli  solohe  Namen  ersetet,  in  denen  eine  Anspielung  an  die  Bollft 
der  betreffenden  Person  enthalten  ist:  Moliöres  George  Dandin  f&hrt  den 
bei  den  Slorenen  üblichen  Namen  Jarne,  Lnbin  ist  Bndimoder  (=  sü  ge- 
sobeit)  geworden,  und  es  ist  vieUeieht  kein  bloÜer  Zofall,  daß  der  anf- 
geblasene  komische  Edelmann  Sotenville  nnd  seine  Gattin  in  nnaerem 
Fragmente  unter  dem  deutschen  Namen  Hozenbosser  auftreten.  Im  Gegen- 
satze zum  Verfahren  Frankopans  sind  die  Personennamen  in  der  Frank- 
furter deutschen  Obersetzung  unverändert  geblieben.  Unser  Dichter  iat 
aber  noch  weiter  gegangen,  indem  er  die  gar  nicht  näher  bestimmten  An- 
gaben Moli^es  Über  die  Heimat  der  auftretenden  Personen  durch  be- 
stimmtere ersetzt  und  somit  auch  die  ganze  Komödie  genauer  lokalisierl 
hat.  Auf  die  Frage  George  Dandins :  »  Vous  n'6tes  pas  d'ici,  que  je  crois?« 
(in  der  erwiümten  deutschen  Übersetzung:  »Ihr  seyt  nicht  hier  zu  Hanß, 
wie  ich  davor  halte?«)  antwortet  Lubin:  »Non;  je  n'y  suis  venu  que 
pour  voir  la  fdte  de  demain«  (»Nein,  ich  bin  nur  hieher  kommen  das 
morgende  Fest  zu  sehen«)  —  während  Budimoder  auf  die  entspreohende 
Frage  James  eme  viel  genauere  Auskunft  gibt:  »Naä,  jest  sam  tz  dolne 
deie^e  od  Viihe  Gare.€  Ebenso  lautet  die  Antwort  Lubins  Ober  seinen 
Herrn:  »C'est  le  seigneur  de  notre  pays,  monsieur  le  vicomte  de  .  .  .« 
(»Es  ist  der  Herr  Graff  von  Diegs  .  .  .«)  in  unserem  Fragmente  viel  be- 
stimmter: »Le-tar  je  an  i^lahtan  gospnd  z  horvackega  ursaga  .  .  .«  Ja 
sogar  dort,  wo  das  Original  nicht  die  geringste  Veranlassung  dam  bot, 
werden  von  Frankopan  lokale  Anspielungen  eingeflochten.  Lubins  Worte : 
»On  le  veut  tromper  tout  doucement«  (»Man  will  ihn  fein  allgemach  Ober 
den  Tölpel  werffen«)  werden  von  Budimoder  ganz  merkwürdig  wieder- 
gegeben: »N^  le  ajfra,  saj  mu  dobro  zdi:  kad  pe/de  v  Rogatec^  niy  pa 
pezdi«.  Den  Worten  Budimoders  liegt  ein  Wortspiel  zugrunde:  die  Ob- 
liehe  Redensart  von  einem  gehörnten  Ehemanne  wird  hier,  da  im  Slovo- 
nischen  »rogatec«  zugleich  die  Bedeutung  »ein  Gehörnter«  hat,  in  dem 
Sinne  angewendet,  daß  der  zu  betrügende  Ehemann  als  einer,  der  nach 
Bogatec  (Rohitsch)  reisen  soll,  bezeichnet  wird. 

Was  die  orthographische  Seite  unseres  Manuskriptes  anbelangt,  so 
herrscht  in  der  Beziehung  eine  ziemlich  große  Verwirrung.  In  der  Wieder- 
gabe der  speziell  slovenischen  Laute  wird  einerseits  eine  und  dieselbe 
Konsonantengruppe  zur  Bezeichnung  verschieden  gesprochener  Laute 
verwendet  und  anderseits  wieder  findet  man  für  denselben  Laut  verschie- 


Ein  Bruehst.  Ton  Moli^res  George  Dandin  in  der  Über8.F.E.Frankopan6.  545 

dene  Konsonantengrnppen.  Dies  geschieht  nicht  nnir  bei  den  Lauten  c  und  ö 
(ohne  Unterschied  ciy  czy  ch^  außerdem  fdr  c  auch  czi  und  c)  —  was  nur 
vom  Standpunkte  des  Kroatischen  auffallend  wäre,  insbesondere  weil 
Frankopan  aus  dem  Kflstenlande  stammte,  im  Slovenischen  aber  der  tat- 
sftchMclien  Aussprache  entspricht  —  sondern  auch  bei  den  Lauten  c 
(gegenflber  6  und  c],  8^  S^  ir,  i  usw.,  die  im  Slovenischen  genau  unter- 
schieden werden,  herrscht  ebenfalls  ein  Durcheinander:  ziennytba(%enitba) 
neben  zenna  (£ena]  und  zaplethena  (zapletena] ;  nycz  (niS)  neben  zdaycz 
(zdajc) ;  stroszku  (strosku)  neben  szturil  (sturil}  und  guszpodycznu  (guspo- 
dicnu)  —  ja  sogar  innerhalb  eines  und  desselben  Wortes:  posztanesz 
(postanes),  stranszkegha  (stranskega).  Für  l  und  n  schreibt  Frankopan 
lij  ly  beziehungsweise  m,  ny^  nur  im  Worte  bo]  tritt  il  fflr  /  auf.  Meine 
Änderungen  beschränken  sich  bloß  auf  die  Ersetzung  der  zur  Wiedergabe 
eines  Lautes  dienenden  Eonsonantengruppen  durch  die  im  Wörterbuche 
der  Agramer  Akademie  üblichen  diakritischen  Zeichen  und  auf  die 
richtige  Anwendung  der  Zeichen  i  und/,  u  und  v  (im  Manuskript  »und  y, 
u  und  V  ohne  Unterschied].  In  verdächtigen  und  sonst  hervorzuhebenden 
Fällen  habe  ich  die  betreffenden  Stellen  unter  der  Zeile  ganz  genau  nach 
dem  Manuskripte  angegeben. 

HL 

r 

Aetns    pryi. 

Scena  prva. 

Jame  bogatl:  Ah!  kar  ena  iena  i^lahtnega  roda  je  ena  kai^a  stropovita! 
Le-takur  mk  Senitba  more  biti  resna  pelda  vsem  deielnikom, 
koteri  sc  boten  ^)  nadici  zgora  svoje  i^lahte  ino  oienit,  kakur  sam 
jest  sturil,  z  änom  guspodicnom.  Ne  !&lahtnost  je  dobrä:  le-to  je 
vis  2),  ino  je  stvar  mo6ne  hvale,  pa  je  tudi  zapletena  z  vnogimi 
görkostmi  ino  hudobe ;  ja,  blagur  Aemu  ki  se  ne  vplendra.  Jest 
siromak  zdajc  se  vuiim  na  momu  strosku  ino  poznajem,  kakvar 
je  ilahtnost  moje  guspodide.  NiS  druziga  nemam  kar  ialost  ino 
skrbi.  Oh  Jame,  Jarne,  kakur  bi  ti  bo|  bil  sturil,  premda  mas 
blagu  ino  denarje,  nikuli  nikar  guspodicnu  ob}ubit,  an  pä  enu 
tvoje  glihe  dobrü  ino  pohlivnu,  ka  bi  ti  hiiila  ino  mamo  poslo- 
vala !  Zdajc  ti  vse  ni6  ne  prudi.  £ena,  le-ta  se  s  tobu  sramuje; 

*)  hotten.  2)  vygz. 

AreMy  ftr  sUTiBche  Philologi«.    XXH.  35 


546  T.  Hatiö, 

kad  joj  gift  pride,  vsekuli  ino  glatku  strahuje;  sluibaviiiki,  le-ti 
te  ne  postojn,  an  pa  gaspodiAu;  denari  k  hndiSa  gredn;  ja,  pai^ 
sam  ne  vis,  aknr  si  gospnd  an  pa  hlapac  na  domu.  Jame,  siro- 
mak  Jarne!  ti  si  storil  ann  groznn  oslarijn.  Nikoli  domnr  ne 
pridem,  kar  ne  najdem  stranskega,  Tsesknz  postari  ino  priefliü^) 
prihajn  pa  spet  odhajn. 

Seena  drnga.  , 

Jame  vidi  iz  svoje  hi2e  izhodit  Bndimodra. 

Jame:  Kar  hndi&a  le-tä  je  stnril^)  y  mojoj  hiü? 

Budimoder:  Da  te  plentaj,  kar  ta  (lovik  me  vidi. 

Jame :  Le-tä  zares  me  ne  poznaje. 

Budimoder:  Pr'  moj'  dnsi'),  hndö  me  varja. 

Jame:  Hej  slisisl  kar  ti  je  tesku  pozdravit? 

Budimoder:  Da  te  hndiS!  Kaknr  sam  se  baal,  da  mi  prayi,  kar  me  je 

vidil  Yun  8  hiie  pejti. 
Jame:  Pomagaj  Bnh« 
Budimoder:  Buh  vam  lonaj. 
Jame :  Jest  menim,  vi  niste  z  le-tega  varesa. 
BudJmoder:  Naä,  jest  sam  iz  dol&e  deie]e  od  Vis&e  Gore. 
Jame :  Moj  ]nbi,  aknr  vam  dragn,  praTte  mi,  ste  z  le-t^  hiie  sdaje  prisli? 
Budimoder:  St,  st,  tikn. 
Jame:  Kaknr! 
Budimoder:  NiS,  niS,  st,  st. 
Jame:  Earpa? 

Budimoder:  Tihn,  ne  pravte  obenom,  dar  st'  me^)  yidli  le-tu  vnn  ntl 
Jame:  Zakar? 

Budimoder:  Moj  Bng,  zakaj  .... 
Jame:  Kar  zakaj  ? 

Budimoder:  Le  tihn,  le  tihn:  jest  se  baam,  kar  me  ki  slisa. 
Jame:  Ojbo,  obeni,  obeni. 
Budimoder:  Ja,  viste,  sam  bil  od  strane  enega  gospnda  pri  le-toj  gospo- 

di^  (da  te  plentaj,  kakur  je  firisnal)  ino  mi  se  zdi,  dar  sn  se 

ob]nbili;  zdaj  me  zastupite? 


1)  priefliczy.        ^  Unter  den  Worten:  »le-ta  je  stnril«  findet  sich  in  der 
Handschrift  eine  Variante:  »je  le-t&  pnsloyal«.  ^  Per  moj  dnTsy. 

*)  darstme. 


Ein  Brachst  von  Moliöres  George  Dandin  in  der  LberB.F.K.Fraiikopftii0.  547 

Jame:  Ja,  pai. 

Budimoder :  Zatnr  mam  pefelii^  i),  da  varjam,  kar  me  obeni  do  vidi ;  moj 
]iibi  cartani,  lipo  yas  prosim,  ne  pravte  obenom,  dar  ste  me  vidli. 

Jame:  Na,  na,  nikoli  z  mojih  vust  ne  zide. 

Budimoder:  Ja  menim,  jest  tadi  vim  tvrdno  moliat  ino  flisno  pefeiii^) 
gtnrit. 

Jame :  Prav  je  l&-takn. 

Badimoder :  §e  eno  sliste,  pr'  moj'  dnsi^},  smisno.  Md&  le-te  gospodi^e, 
taknr  pravju,  ajfira  ka  en  hudiS  ino  nece  dar  jn  obeni  }ubi;  jest 
menim,  akur  ma  k  ynhu  pride  }abezno8t  moga  gospuda,  dar  ga 
zlndi  zame  od  jeznosti.   Saj  me  prav  razmite  ? 

Jame :  Ja,  se  preprav. 

Budimoder:  AI  pä  on  grdi  tat  nima  niS  viti  od  vsega  le-tega. 

Jarne:  Ja,  gvisno. 

Budimoder:  Naj  le  ajfra,  saj  mn  dobro  zdi:  kad  pejde  v  Rogatec,  naj 
pa  pezdi.    Ni  li  res,  saj  me  zastapite? 

Jame:  Kakor  pä,  vse  glatkn. 

Budimoder:  Sliste,  zasknzi  obenom  ne  pravte,  kar  ste  me  vidli  od 
le-tn  vnn  priti,  ar  bi  vsn  stvar  pogrdili.    Saj  me  prav  razmite? 

Jame:  Ja,  res  je.   Moj  }Qbi,  kaknr  se  prasa,  Sigar  si  slnSavnik? 

Budimoder:  Le-tar  je  an  lUahtan  gospnd  z  horvackega  nrsaga  ino  se 
pravi  gospnd  Prdi  . . .  uAk  . . .  Poprdi . . .  na^  . . . ,  Zaprezi*) 
. . .  naJi,  nikar  . . .  Zareni,  Zaieni^)  . . .  tndi  nö;  da  te  hndii 
zami,  niknli  mn  ne  znam  ime  prav  vpetiti.  Le-tu  ga  mam  na- 
pisana. 

(Izname  iz  mosi&e  od  vrata  jedna  cednlicn,  kojn  Jame  z  okn- 
lari  presto,  ter  v  jednom  rignmn  ime  najde.) 

Jame :  To  je  tar  gospnd,  kteri  je  prisal  sim  stati? 

Budimoder:  Ja,  pri  zlatoj  kmni;  ja,  ja,  le-ta  je. 

Jame  na  strani :  Prav  sam  djal,  da  ni  prez  zroka  taj  Horvat  le-sim  na 
stan  prisal;  zator  tndi  moja  gospodida  vsesknz  pri  oblokn 
poslnje. 

Budimoder:  Sliste,  pr'  moj'  dnsi,  niknli  niste  vidli  enega  gospnda  taknr 
l^laktna  ino  cartana.  Le  kar  sam  sal  pravit  le-toj  gospodi£i,  da 
moj  gospnd  2eli  de  slniavnik  biti  ino  prosi  tn  frajntsoft,  kadar 
le-tega  grdega  tata  6e  moUia  ne  bn  doma,  kar  joj  more  na  sluibn 


1)  peffelich.       ^  par  moy  dafsy.       ')  Zaprezy.       ^  Zazenai 

35* 


548  T.  Xaiiö, 


priti,  prece  mi  je  senkal  pet  ino  stirdjeset^}  ripaijey^). 

se  Kdi  od  le-tega  tringelta?   Saj  an  hlapee  od  dan  koplk,  ae  n« 

dobi  kar  desjet')  CK^dov. 
Jarne:  Oh  siromak  Jarnel  (s:  s:)  Saj  tte  posal  opraTÜ? 
Budimoder:  Kaknr  pä:  se  nis  prav  ynntar  Btapil,  prooe  mi  je  naprofi 

prisla  ena  gvisna  Eatrica  ino  akoz  dve  riii  je  moga  gospada 

pefeli&^j  zastapila,  pa  me  prece  na  gospodiin  aapefala. 

Jarne:  Ah  knrba  sentana  (s:  b:)! 

Budimoder:  Le-ta  Eatrica,  da  me  sentaj,  bisna  ka  ena  smica,  je  t 
momu  teln  zadobila  srce  ino  jetrice.  Oh  Katrica,  krota  kacaata! 

Jarne :  Moj  ]abi,  gospodida  je  rada  slisala  tve  bisede^}  ?  Je  1'  kaj  pom- 
Mla  tTomu  gospudu? 

Budimoder:  Hüm,  menim,  da  je  rada  slisala,  pa  le-takur  pravila  (da  to 
bnh  Amen,  ie  sam  pozabil!) ....  takn,  takn ....  ja,  allate:  >Jeit 
sam  slniavnica  tvega  cartana  gospada  ino  lipü  hyalim  na  firajnt- 
softi,  kar  me  )abi;  jest  tndi  rajsa  noei^  ka  zgnda  bi  z  £im  pra- 
vila, an  par  moj  mol!^  da  ga  hndii  zame,  vsestac  ka  ena  kokns 
domk  varja;  naj  le  bü,  hSem  ie  najti  glegenhajt  s  trojim  gospn- 
dom  }abeznost  utvrditi.«  Takur  je  djala  pa  enn  kanta  Sraikala 
na&egnala. 

Jarne:  Ah!  i^ena  ferdamena  (s:  s:)! 

Budimoder:  Da  te  ma  srajca:  ha,  ha,  le-to  bn  lipü,  da  mol2  ne  bu  nie 
vedil,  kakor  iz  enega  praseta  jelenom  postane !  Naj  le  ajfra  ta 
stari  kozel,  naj  le  ajfra,  moga  gospada  von  neisraafa.  Ni  li  res? 

Jarne:  Ja,  gvisno,  da  je  res. 

Budimoder,:  Eng  vas  varjaj,  jest  moram  pejti;  obenom  ne  pravte,  kar 
ste  me  yidli;  niS  ne  npajte  druzimo,  kar  sam  vam  djal,  da  le 
moli^ü  na  yaha  ne  pride. 

Jarne:  Ja,  ja,  dobra  je,  dobru. 

Budimoder:  Jest,  pr'  moj'  dnsi,  kar  mi  se  poapa,  ne  b'  drazimo  pov- 
pal  za  cel  rajnis,  ja.  Sliste,'  vi  mol6te,  jest  tadi  bam  molSaL 
(S  tim  projde  popivaja£.) 


1)  stirdierset.  ^  rSpar,  bayer.  RUblerbatzen  mit  dem  Gepräge  einer 
Rübe,  des  Wappens  des  Salzbarger  Erzbischofs  Leonhard  von  Kentschaeh 
(1495^1518).  Cf.Pleteränik,  Sloyensko-nem&kislovar,  s.y.  repar.  ^  defsiet 
«)  peffelich.       ^  tue  byfsede. 


£»  BraehBt  Ton  Moliöres  George  Dandin  in  der  ÜberB.F.E.Fraiikopaii8.  549 

Scena  treta. 

Jarne  sam  S^alostno  seSe. 

Jarne:  Nu  Jarne  siromak,  kaj  praviB?  Si  slisal,  kaknr  te  gnspodi£a 
postnva?  Yerjes  zdaj,  da  ni  tebe,  an  pa  tvoje  denaije  ob}abila? 
Zastapis,  kar  je  za  ienn  jemati  anu  gnspodiinu?  iiv  joj  mi  ne 
amifi  atariti,  £e  äiahtnost  roke  ti  ve!^;  aknr  joj  das  hadn  reS, 
nisi  £iher,  kar  te  vnn  z  hüe  kar  enega  psa  ne  stirje^).  Ja,  moj 
Jame,  takur  gr^  taknr,  kir  Be  med  i^lahtne  gospnde  zareva.  Oh 
kaknr  bi  bo)  bil  Btnril  hier  zaroiiti  botra  Jurja  an  par  botra 
Miheleca:  ne  bi  zdaj  trpil  le-te  truce  ino  gramote,  sam  bi  si 
tadar  pravion  stnril  z  anom  knnfastom  scapioom  an  par  z  moo- 
nom  mafrnicom,  kar  bi  joj  prece  z  vnst  ino  z  nosä  krv  soedilal 
Da  ja  plentaj:  zdaj  kaknr  2es  storit?  Horrat  le-ta  je  mnder; 
£ena  le-ta  je  hndobna;  jan  dmzima  sn  objnbili  glegenhajt  najti 
sknpar  se  zastati.  Aknr  molcis,  gvisno  kozel  postanes;  aknr 
kaj  pravis,  hadi2  te  vzame.  Haj  ja,  haj  ja,  jest  siromak!  Mol6, 
Jarne  1  stori  le  takar:  pejdi  prece  k  ocetn  i  materi  ino  pravi  im 
vser  glatkn,  kar  se  je  zgndilo,  te  ie^)  znati  gnspodiAn  akrotiti. 
Ja,  pr'  moj'  dasi,  dobro  bn,  dobrü,  prece  grem.  Ho  1^  1^,  Bami 
sn  pridli,  niknli  bo|. 

Scena  ietrta. 
Gospnd  i  gospa  Hozenbosser,  Jarne  takaj. 

G^»  Hosenbosser:  Kaknr  ste,  cartani  sin?  Kaj  vam  se  zgndilo,  dar 

ste  le-takn  tnrobni? 
Jarne:  £,  mam  paS  niieh,  ino  . . . 
CP.  HoaenboB. :  Moj  Bng,  kaknr  je  grdo,  }abi  sin,  kar  ne  pozdrayete 

}ndje,  kadaj  k  vam  pristapeja^j. 
Jame:  Ovisno,  ma  draga  mati,  e,  mam  dmziga  t  glavi  kar  pre£e£e^). 
G*.  Hosenbos.: 


*)  Die  Handschrift  ist  etwas  beschädigt:  statt  stirfe  k(tamte  vielleicht 
anch  itirfa  gelesen  werden.       *)  the  zie.       ^  priztnpeyn.        ^}  prezenie. 


550 


Die  Nomenklatnr  in  den  kroatisch-glagolitisehen 

liturgischen  Büchern. 


In  neaeBter  Zeit  ziehen  die  liturgischen  Bücher  der  Olagoliten  in 
Istrien,  Kroatien,  Dalmatien  und  auf  den  naheliegenden  QnameriBehen 
Inseln  mehr  als  jemals  nnsere  Anfionerksamkeit  an  sich.  Wahr  ist  es, 
daß  die  Lage  dieses  stillen  Winkels  ftlr  die  Glagoliten  immer  günstiger 
war,  als  die  der  anderen  Länder,  in  welchen  einst  die  h.  Slavenapostel 
ihre  Missionstätigkeit  entfaltet  hatten;  denn  ungeachtet  der  Verbote  der 
Synoden  von  Spalato  (924,  um  1069)  galten  doch  ftlr  die  Bischöfe  von 
Zeng  nnd  Yeglia  die  beiden  wohlbekannten  päpstlichen  Dekrete  Innocenz 
des  IV.  (1248, 1252),  welche  sowohl  die  Welt-  als  auch  die  Ordenspriester 
zam  Gebranch  der  kirchenslavischen  Sprache  bei  dem  Gottesdienste  be- 
vollmächtigten. Den  Eorchen  nnd  ihren  Schreibern  der  beiden  genannten 
Diözesen  verdanken  gerade  die  ältesten  nnd  somit  auch  die  besten  Denk- 
mäler der  kirchlichen  glagolitischen  Literatur  des  römischen  Ritus  ihr 
Dasein^). 

Bei  alledem  muß  man  gestehen,  daß  der  sonst  ;gesunde  Antagonis- 


1)  Das  bochinteressante  Missale  vom  Anfang  des  XIV.  Jahrh.  in  der 
Vatikan.  Bibliothek  sign.  111. 4  (Vatik.  4)  stammt  aus  Omisalj  (Gastromuaculnm) 
auf  der  Insel  Veglia.  Das  zweiteilige  Brevier  ebenda  sign.  5,  6  (Vatik.  5,  6}  ist 
von  Okruglo  und  Tribihoviöi,  Diözese  Zengg.  Das  glag.  Brevier  der  Wiener 
Hof  bibliothek  sign.  3  (Wien  3)  hat  Vitus  von  Omisalj  geschrieben ;  demselben 
kann  man  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  das  U.  und  IV.  Brevier  von  Vrbnik 
(Insel  Veglia)  zuschreiben,  während  das  I.  dem  Vatik.  4  sich  nähert  (Vrb.  Br.  I, 
II,  III,  IV).  Der  Paiiser  glag.  Codex  sign.  1 1  (Paris)  stammt  von  einem  Fan- 
laner,  dessen  Orden  mehrere  Klöster  in  dem  kroatischen  Efistenlande  besaß. 
Um  Veglia  und  Zengg  gruppieren  sich,  wie  um  einen  Herd,  die  schönen  Denk- 
mäler des  Fürsten  Novak  in  der  Wiener  Hof  bibl.  sign.  8  (Wien  8)  nnd  Hervojas 
von  der  einen,  die  Breviere  und  Missale  der  Beramschen  (Vermo  in  Istrien; 
EoUegiatkirche  in  der  Laibacher  licealbibl.  sign.  G.  16],  162,  163  und  164  von 
der  anderen  Seite.  —  Außer  den  genannten  Denkmälern  habe  ich  bei  dieser 
Arbeit  benutzt  die  Breviere  von  Novi  (Nov.  I,  II)  und  Missale  von  Vrbnik 
(Vrb.  Mis.  I,  II);  weiter  die  Missale  vom  Jahre  1483,  1528  (Pauls  von  Modms), 
1531  (KoHcids),  1631  (Levakoviös),  1741  (Earamans).  Die  Breviere:  Brozidsvon 
OmiSaU  1562,  Levak.  1648,  Earam.  1791.  Das  Ritual  von  Klementoviö  1512.  — 
Ghrvatsko-hlahol.  Bukopis  Siensk;^  v.  Prof  Pastmek.  Prag  1900  und  einige 
Notizen  des  i  Kan.  Parcid  im  Wörterbuche  und  Kalender. 


Die  Nomenklatur  in  den  kroatisoh-glagolitischen  litnrgiBchen  Büchern.  551 

mns  in  dem  lateinisch -slavischen  Knltorkampfe,  der  Ungleichheit  der 
ringenden  Parteien  wegen,  für  die  Slaven  keinen  günstigen  Erfolg  haben 
konnte.  Während  die  kroatisch -glagolitische  Literatur  des  Xm.  nnd 
XIV.  Jahrh.  dnrch  die  Korrektheit,  jene  des  XV.  und  XVI.  Jahrh.  durch 
die  Menge  der  Denkmäler  herrorragte,  haben  die  glagolitischen  Denk- 
mäler des  XVn.  nnd  XVIII.  Jahrh.  eine  fremdartige  sprachliche  Gestalt 
angenommen,  sie  gehören  nämlich  nicht  mehr  der  reinen  kroatischen  Re- 
zension der  kirchenslavischen  Sprache  an,  sondern  haben  vieles  mit  den 
liturgischen  Büchern  der  ruthenischen  üniaten  gemeinsam,  von  sprach- 
Uclien  Fehlem  ganz  abgesehen.  Selbstverständlich  konnten  die  so  be- 
Bcbaffenen  Bücher  keinen  Beifall  bei  den  kroatischen  Liturgen  finden,  sie 
blieben  ihnen  fremd,  und  die  Folge  davon  war  das  weitere  Sinken  des 
Olagolismus,  welchem  seit  der  Mitte  des  verflossenen  Jahrhunderts  wohl- 
verdiente Männer  wie  BerSid,  ÖmSic  und  ParSic  abzuhelfen  trachteten, 
indem  sie  zu  den  alten  Vorlagen  des  XIII.  und  XIV.  Jahrhunderts  zurück- 
kehrten. Auf  den  Vorarbeiten  seiner  Kollegen  weiterbauend  hat  zwar 
ParSiö  eine  neue  Ausgabe  des  Rom.  Missais  besorgt,  dessen  Urheber  er 
nicht  nur  im  geistlichen  Sinne  war,  da  er  für  dasselbe  sogar  neue  Typen 
eigenhändig  hergestellt  hatte;  doch  mit  dem  Meßbuche  ist  nicht  allen 
Bedürfriissen  der  Glagoliten  abgeholfen ,  die  wenigstens  eine  neue  Aus- 
gabe des  Diumals  (Breviers)  erwarten  (inzwischen  in  latem.  Transkription 
erschienen). 

Ein  Beitrag  zur  genaueren  Erkenntnis  der  erwähnten  liturgischen 
Bücher  mOge  die  vorliegende  Abhandlung  liefern,  in  welcher  die  für  ver- 
schiedene Epochen  der  glagolitischen  Literatur  charakteristische  Nomen- 
klatur behandelt  wird.  Um  in  einer  gewissen  Ordnung  vorzuschreiten, 
wollen  wir  das  Material  in  Gruppen  vorführen,  d.  h.  der  Reihe  nach  die 
glagolitischen  Kaiendarien,  Missale,  Breviere  und  Rituale  durch- 
nehmen. 

I.  Das  Kalendarinm. 

Gleich  den  lateinischen  haben  die  slavischen  Breviere  und  Missale 
ein  Kalendarinm,  wenn  auch  nicht  immer  am  Anfange,  wie  es  in  den  ge- 
nannten liturgischen  Büchern  heute  der  Fall  ist.  Der  Name  Kaji6H;i;apB 
bedeutet  in  unseren  Büchern  außer  dem  Kalendarinm  (hu^  bb  Kaj[6H;i[apH 
Mis.  Vrb.  II,  Fol.  284b)  auch  das  Martyrologium;  vgl.  Vrb.  Br.  II, 

Fol.  116c.  Cne  rpH  ahh  hg  pjieT  ce  HHrroxe  o  KajiiH;i[apa.  Nun  fällt 
die  Nomenklatur  in  den  KaJendarien  der  ältesten  Denkmäler  mit  der 


552  Jof.  Vigs, 

laleiBnohen  oft  wörtlich  zasammen.  Wir  lesen  nämlich  die  Nimen  der 
Monate  f€H£api>,  üepsapL,  Mapi>?i>,  AnpHJOi,  Man,  Hiohh  oder  HsoBb, 
HiojiHH,  ÄBFoycTi,  G€nTe6pi>  anch  Cemretipb,  ORT66pi>  oder  OirroÖpi», 
Ho6<$pi>  und  Ho6«6pi>,  ^cKeäpi»  oder  AeKTetfpb]  ohne  Übersetzong;  ebenso 
die  alte  römische  Berechnnng  nach  Galendae,  Nonae  und  Idns: 

KaieHAH  (öfters  sing.  KajieiiAa  Br.  I,  Yrbmc.  B'  cÖToy  tfjoiXHio  KaJHAH 

cKTÖpa),  HOHacb,  HAoycb,  sogar  die  Namen  der  Rangstafe  der  Feiertage 
sind  aus  dem  Lateinischen  entlehnt    Das  sogenannte  Festnm  duplex 

wird  mit  einem  Aoyai6KCB  (Aoy.x,  AoynjiKCL)  oder  mit  ^oynji»  wieder- 
gegeben, nnd  zwar  a-  seo^H  (duplex  majns]  oder  a-  hbhh  (d.  minus); 
seltener   begegnet  ccBfn^oyiuB   (semiduplex).     So  z.  B.  im  Vatik.  4, 

Fol.  160b  am  29.  Juni:  IleTpa  h  ILbja  anji  Aoy;  am  30.  Juni  ebenda: 
BcnoMsnaHi  JIbjl  cemiAoynjf.  In  dem  ;Ealend.  Yatifc.  5,  Fol.  243b  ist 
das  Fest  der  Heiligen  Petrus  und  Paulus  als  ein  Aoy  sen^,  und  der  fol- 
gende Tag  als  ein  Aoy  Mann  bezeichnet.  Das  Festum  fori  (Feiertag) 
heißt  gewöhnlich  IIpa3;^HHKi>  sanoB^A^HH  (z.  B.  in  dem  Ealendar. Vatik.  8, 

Fol.  207 :  FoHCTBO  HuHa  KpcTHTja  Aoyx  snBAb),  sonst  auch  ^i»CTkHi>  oder 
^cTHBb;  z.  B.  im  Brev.  Nov.  JI,  Fol.  261  in  der  Rubrik:  Ha  Apoymx' 

Xe  B^qpHaXl»  öirAHOBB  AOynJHXb  .  .  .  IUH  ÖJFAHOBb  ^tbhxb  bi>  hhkhxi» 

rpaAHXb  ÖHBa  TbKHo  BcnoMeHoyT'e. 

Für  das  lateinische  Festum  simplex  kommt  mehrmals  in  der  eben 

genannten  Rubrik  Majin  ÖJiarAHi»  vor.  Daß  diese  Benennung  dem  F.  Sim- 
plex entspricht,  bestätigt  die  Rubrik  selbst,  indem  sie  weiter  erklfirt: 

Main  ÖdKFAHb  pasoyM H  ce  bckh  kh  hh  Aoynxtocb  .  hjh  kh  hh  ctfo  KpsKa 

HH  anlkjn»  hh  anxB  hh  ehicTB  hh  ^cthbl  onn^Hoy  b  hhkhxb  rpaAHXK 

HJH  3Haxi>  hjh  MicTHXL  011^6  aK6  H  BCKa  oKTBa  Ka  HH  AoyiLi6Rci>  (Ebenda, 
Fol.  261b — c).     Dominica  wird  durchgehends  mit  ueA^ja  übersetzt 

(lOrpua  B  HAJiH),  Vatik.  6,  Fol.  l);  der  Name  Feria  dagegen  wird  bei- 
behalten, namentlich  wenn  von  den  Wochentagen  im  allgemeinen  die 

Bede  ist  (Vrb.  Br.  I:  ann  pvHH  jt»  c€  BspeRoyT'  b  ÖJinaLHio  npnxoAsnioy 


»epHH),  Fol.  18  a),  ebenso  wie  das  Adjektivurn  *€pH%jeKi>.  Miss.  Vrb.  I, 

Fol.  220c:  an^e  .  .  .  s'roAHT*  ce  ^hhb  «spH^jfcRH  rji€T'  c«  op  h  ^hhb 

vTHce  npie  MHHoyBmee  habj[6.    Doch  hie  und  da  finden  wir  auch  statt 

fit  ••— 

Feria  npocTH  ai>hi>;  Nov.  I,  Fol.  71:  Bnme  pe^enn  pt  h6  tat  c«  b 

npocTe  ahh;  Vrb.  Br.  I,  Fol.  9  b  u.  a.    Die  einzelnen  Ferien  heißen: 


Die  NomenkUtnr  in  den  kroatiBch-glagolitiBchen  litnrgiBchen  Büchern.    553 

noHeA^Ln>HHKi>,  BBTopLHHKb,  cpiflfi^  ^«TBpBTbKi»,  neTBKb,  coytfoTa;  in 
den  Alteren  Denkmftlem  z.  B.  Br.  I,  Yrb.:  nonB^^JOL,  Bi»TopH  (oyropH), 
^«TBpbTH,  neTH  nnd  cotfoTa.  Yigilia  nnd  Octava  werden  mit  BHbuE^, 

oKTasa  (oKTatfa)  bezeichnet  (Vatik.  4,  Fol.  15a:  Ha  vsäauano  e««iHH6; 

...  .  V  T 

NoY.  II,  Fol.  38a:  Ha  BHhjsH)  o<$pi3aHHi  xBa;  hmhh  o  poHCTBa  h  o 

cno»  noeMO  .  .  .  ßßste  ao  oktbu  posA^cTsa,  ebenda,  Fol.  24  d),  obwohl 
wir  f&r  den  ersteren  Ausdruck  schon  in  den  Ältesten  Missalen  nnd  Bre- 
vieren auch  ein  HaBcraepHs  finden  (Vrb.  Br.  I,  Fol.  26c:  HaB^pi  pox- 

Ai>cTBa  XBa;  B'  HaBH^eps  cro  jiOBp^Hi^a,  Yrb.  Mis.  I,  Fol.  230  b].  Die 
umgestalteten  Formen  0KTa6a  statt  OKraBa  sind  die  hftnfigeren;  Ähnliche 
begegnen  auch  unten  bei  den  Worten  6epami>,  tfHraTopHi  usw.  Die  oft 
wiederkehrende  Formel  infra  Octavam  wird  konsequent  Hex;(oy  ok- 

Ta6oy(!)  Ilbersetzt  (Nov.  I,  Fol.  41a:  'E^fi^e  m€K)  OKT6oy  e^^me  BCb  ^ntf 

6jaL  o  6««HH6 ;  MeK)  oKrÖoy  aiiAoy  h  mhc^  ;qpxHMO  o  onu^H  anj ,  Mis. 
Vrb.  n,  Fol.  199  c),  nur  ausnahmsweise  wird  die  Praepositio  npicb  an- 

T         — - 

gewendet  (Vrb.  Br.  I,  Fol.  58c:  o  cthx'  hxx6  Treimt  noror  ce  ^4c' 
OKTaÖoy . ..).  Die  sogenannten  Quatuor  tempora  (Qnatember  =  vier- 
mal im  Jahre  wiederkehrende  Fastentage)  heißen  in  unseren  Ealendarien 
KBaTpH;  davon  auch  das  Adjektiv  KBarpLUB.     Vrb.  Br.  I,  Fol.  20c: 

piiiHH  .  .  .  Bc TAa  rjnoT  ce  b  KBarpu  cBOHXb  ahh;  B  nexH  KsaTpHE, 
Vrb.  Ifis.  I,  Fol.  5b;  auch  T6Mnopi>Hi>  im  Vrb.  Br.  I,  Fol.  7c:  B  npocTs 

AHH  AO  cpAH  T^M'nopne.  Die  Quadragesima  wird  durch  Caresima  in 
KopnsMa  umgestaltet,  davon  auch  das  Adjektiv  KopiiSMiHii  (Nov.  U, 
Fol.  262b: 

Ha  ÖJTAaHH  KH  B  K0pH3MH  &I0yX6T  C6 

6HBa  BcrAa  BcnoMHoyT^  o  «spHs ; 

Vrb.  Mis.  I,  Fol.  100a:  nnb  otfjiqeHi»  b'  KopHSMeHu  napaM6HTi>  . '.  .). 
Die  Bettage  in  der  Kreuzwoche  werden  npoc6i>HH  a^hhs  (npomi>6i»HH), 
die  Litaneien  jisTeHue  genannt,  Vatik.  8,  Fol.  206b:  höht«  ji6T€HH€ 
bhcokhm  rjiacoiiB.  Die  Sonntage  Septnagesima,  Sexag.  und  Quin- 
quages.  heißen  gewöhnlich  hsa*  eeAMM^esTBHa,  mecTMscsTBBa,  neTb^ 

A^ccTbHa  (Nov.  n,  FoL  61a:  H^-ie  '^'  hs  r  lOTpiii;  Haji«  m€CTA<c6THc 
K  iOTpHH,  ebenda,  Fol.  63b);  in  den  Missalen  und  Brevieren  von  Vrbnik 

kommt  H^iua  b'  niose  ai  (=  axiejoyt)  noyn^asT  es  (oder  einfach 

noyu^6HH6  aJi,  Nov.  I,  FoL  234b),  H^Hja  np<A  MeeonoycTOMB,  und 


1 


554  Job.  Yftjs, 

HAHJia  Ha  M6conoycTb  statt  der  erwähnten  Benennungen  vor  {vgL  Mb. 

Vrb.  I,  FoL  23d,  25a,  26c).  —  Adventus  nnd  NatiTitas  Dni  worden 
übersetzt:  IIpHm&cTBHe,  IIpHinLCTBo,npHiin>cTH€;  Poxactbo,Po}KA€RH6, 

w—  t  T 

PoHCTBO,  PoeHH6,  Brev.  I.  Vrb.,  Fol.  la:  B  c6Toy  o  npmn'cTHt;  o 
npHin  CTBa  ...ho  H^Jie  ceAMOA^ceT  ne  ^axe  ao  hckh  no6MO  ^  pt  b 
AH6x'  hajihhx',  ebenda,  Fol.  5c.  —  Nov.  U,  Fol.  32  a:  <$oyAH  B'cnoMe- 

T  ■ 

HoyTH6  0  pohncTBa  %K  BHine;  Epifania,  Pascha  nnd  Pentecostes 
sind  den  Vorlagen  entlehnt,  vgl.  die  Rubrik  in  Yrb.  Mis.  II,  Fol.  254: 

ot'  nacKH  Ao  neTHKCTB  nt;  ebenda^  Fol.  19c:  aKO  6^6  KpaTKa  MecohnKa 

(Fasching)  o  iipn«  ha^g  no  okt6%  6<»4>hh6  ao  KopH3Me  .  .  . 

Da  die  genannte  Nomenklatur  in  ziemlich  vielen  Denkmälern  des 
XIV. — ^XVI.  Jahrh.  vorkommt,  können  wir  sagen,  daß  sie  eine  allgemeine 
Praxis  jener  Epoche  vorstellt.  Erst  von  LevakoTic  an  wird  fQr  AoyiueKCb 
ein  ABOCTpoyKB  (nojioyABOCTpoyKb),  für  oicraoa  ocMHHa  gesetzt  Kara- 
man  hat  an  erwähnten  Stellen  coyroytfb  (nojioycoyroyöi»)  und  ocaiHi^ 
In  dem  neuen  Missale  hat  sich  ParSic  in  diesem  Falle  an  die  Karamansehe 
Ausgabe  angeschlossen,  so  daß  er  das  F.  duplex  (semiduplex)  mit 
coyroyßb  (nojEoycoyroytfb),  Octava  mit  ocMHi;a,  das  F.  Simplex 
mit  npocTH  übersetzt.  Auch  in  den  anderen  Benennungen  wurden  etwaige 
Änderungen  vorgenommen.    So  z.  B.  statt  KopHSMa  q6THpA6C6THi(a  oder 

M6THp6A6C6TbHHIta;    Statt  KBaTpbUb :    ^eTB€p0Bp6M6HI>H    (vgl.    Mis.   ROUL 

Slavon.  Idiomate  1631.   Fol.  74b:  bl  neraK  qeTBspoBpHMeHHH  ?6THp- 
AGceTHi^e;   in  der  Ausgabe  von  1741,  Fol.  64a:  Bb  niroKb  q«TB6po> 

Bp6M6HHHH     ?6THpeA6e^THHi;i.        Demgemäß      auch     C6AM0A6C6TbHHI^a, 

mecTOA.  usw. 

Es  bleibt  uns  übrig,  einige  einzelne  Tage  oder  Feste  des  Kirchen- 
jahres zu  erwähnen,  deren  Benennung  in  dem  slavischen  Kalendarium 
von  dem  lateinischen  verschieden  ist;  z.  B.  die  Dom.  Palmarum  heißt 

HßÄ.  i;BiTbHa  (Mis.  Vrb.,  Fol.  72b:  B  hahjk)  i;BHT'Hoy  p^K'ine  T€pi|oy 

. . .  noHTs  cT06n^6  B  KopH  CH  aHb) ;  die  drei  letzten  Ferien  der  Charwoehe 

tragen  das  Attribut  neJHKH  (Bejni)  z.  B.  Vrb.  Br.  I,  Fol.  150d:  B  TrpTK' 

B6JHKH  Be^epe  rne;  Nov.  II,  Fol.  115b:  B  neraicb  BfijnncH  k  h)tphh  anb; 

Mis.  Vrb.  I,  Fol.  98b:  B'  cotfoToy  Bejioy  cToyio.  —  Das  Fest  Christi 
Erscheinung  heißt  auch  Kpbn^enne  rocnoAbne,  Paris,  Fol.  la:  Kj^n^cHne 

rne  Aoy  x;  Christi  Himmelfahrt  Bb3H6C6HH6  rocnoAbHS,  Vrb.  Br.  I, 

i  ■  T 

Fol.     187c:    M6H)    OKTÖOy   B3H6C6HHt   M,BX.9    ßJO    HTKCTb    OOyAH    9HHb    0 


Die  Nomenklatar  in  den  kroatisch-glagolitischen  liturgischen  Büchern.   555 

B3H6ceHH$.    Mit  dem  Namen  Bi>3H6C€HHe  wird  anch  die  Assnmptio 

B.^Mariae  bezeichnet  (Yatik.  4,  Fol.  160d:  BsHcuHe  6ufi  Aoy  3),  die  sonst 
auch  npicTasjeHHe  genannt  wird,  z.  B.  Paris,  Fol.  4b:  üpicTaBJieHHe 

<$aL&H6  Mpne  abh  Aoy  x.     Die  Annnnciatio  B.  Mariae  heißt  immer 

<5jiaroB%n^eHH8  (Vrb.  Mis.  I,  Fol.  211d:  Map^a  -9'%-  ^aHL  G^roBen^eife 

1  >  I  ^  I  I         .^  ■       Blll^  •     I         1^ 

6pi^e ;  ÖJiroB^Q^eHHe  6pA6  xoy  x,  Paris,  Fol.  2).   Maria  Schnee  wird  ctg 

MpHs  OT  cn^ra übersetzt  (Vatik.4,Fol. t60d};  dieDecollatio JohannisB. : 

oyciTi€Hne  rjKBHHsHa  KpcTja,  Paris,  Fol.  4b;  S.  Petri  ad  Yincola:  Oyxe 

cTro  HfiTpa  aiua  Aoy  x,  ebenda.    Das  Fest  Dedicationis  ecdesiae 

hei£t  einmal  CB6n^6HH6,  Paris,  Fol.  5a:  CBeu^eHHe  iq>KB6  MExanjeia  apxhja 

fifij ;  andermal  Kpn^eHHe,  Vrb.  Mis.  I,  Fol.  249  c:  Kpii^eHHe  ÜTpä  h  itija 

A  X  (vgl.  Paris,  Fol.  6a:  Kpn^eHne  i^pxne  ÜTpa  h  üsja  b  Phm^  Aoy  x) ; 
jenes  der  Unschuldigen  Eonder  (Ss.  Innooentinm)  c.  m^sachbi^b,  Br.  I, 

Vrb.,  Fol.  40a:  Ha  äh'  ctx'  MjiaÄ^HV.   Cfr.  bOhm.  sv.  Mläjätek. 

Als  Anhang  zu  diesem  Abschnitte  dürften  hier  einige  charakte- 
ristische Umgestaltungen  der  Eigennamen  bemerkt  werden;  ich  zitiere  aus 
dem  Ealendarium  des  Pariser  Cod.:  IlsxBnjm  (Felicitatis),  ÜEJOina 
(Philippi),  üopToyiiara  (Fortunati),  lÜHKCTa  (Sixti),  IlIa6HHa  (Sabini), 
UlaÖHHE  (Sabinae);  PoyinTHKa  (Rustici),  KaiHmra  (Callisti);  TnÖopi^ 
(Tiburcii),  Tnäopi^e  (Tiburciae) ;  jü^oyuaTa  (Donati),  EoysMH  (Cosmae), 
^oyHMa  (Doimi);  ÜsTpoyHHjra  (Petronilae).  Den  Namen  Chrysogonus 
schreiben  einige  Kai.  KpBmeBaHL  (Paris,  Yatik.  5) ;  jenen  des  hl.  Cyprianus 
einige  Koynpu^HB  (Yatik.  4,  5),  öfters  aber  ?oy6pii%HL  (Yatik.  5)  oder 
sogar  ^aÖpni&HL  (Yatik.  8;  Yrb.  Mis.  I,  Mis.  1483). 

n.  Das  Hissale. 

Der  Dualismus,  welchen  wir  in  den  liturgischen  Büchern  der  Slaven 
seit  der  Zeit  der  hL  Brüder  merken,  nämlich  die  zwei  verschiedenen 
Ritus  bei  der  Feier  der  hl.  Messe  und  bei  dem  Spenden  der  Sakramente, 
brachte  verschiedene  Benennung  mit  sich^  wenn  auch  oft  einer  und  der- 
selben Sache.  Im  römischen  Ritus  wurden  mehrere  Namen  aus  dem 
Lateinischen,  gerade  so  wie  im  östiichen  aus  dem  Grieehischen  enüehnt. 
Ich  erwähne  die  wohlbekannte  Doublette  uhum — jHToypmif ,  von  welcher 
der  erste  Ausdruck  außer  den  Eyjever  und  Wiener  Blättern  in  mehreren 
Denkmälern  des  XIY.  und  XY.  Jahrh.  vorkommt;  z.  B.  Paris,  Fol.  147: 

xoT€  epta  oypexA&TH  ce  kb  M^mn  rjTb;  Mina  npocHTH  noMonui  cthxb, 


556  Jos.  Vajf, 

Vatik.  8,  Fol.  166.   Neben  dieser  Form  begegnet  schon  in  den  ilteren 

Denkm&lem  nnca  (unica  b  ^ctb  cro  irpaia,  Paris,  Fol.  155;  m^  mhcc 

no  3KHoy  pHMCKe  i^pKBe,  Vatik.  4,  Fol.  t62c),  welche  allmfthlich  llber- 
handnimmt,  so  daß  in  den  späteren  Handschriften  und  Drucken  fast  nor 
diese  Form  zu  finden  ist;  z.  B.  Mis.  1483,  Fol.  118b:  Gr^a  c«  eptn 

o(^j[avn  K  Manra;  aber  ebenda,  Fol.  280:  üo^eTHe  HaBjian^HHXii  vhci>  o 

cTai^;  Mis.  1526,  Fol.  127 :  MHca  b  ^cTb  anExoMi»;  Ifis.  1631 :  Bjiaiinae 
MHHc(!)  OA  CBeTai^;  Mis.  1741:  Bjam^ee  mhcci>  o  cb^tuocb.  Auch 
ParSic  hat  in  der  neuen  Ausgabe  des  Missais  das  spätere  MHca  angenom- 
men, obwohl  der  frühere  Ausdruck  Mbma  (Mama)  den  glagolitischen  Li- 
turgen  viel  näher  ist  (Mis.  1893,  Fol.  339:  Mhch  Bjan^e«  o  CBeTi>uHxi>). 
Bei  dieser  Gelegenheit  sei  hier  bemerkt,  daß  das  Meßbuch  (Missale)  den 
Titel  MHcaii>  trägt  Gfr.  Vatik.  4,  Fol.  la:  üoqeTne  MHcaja  no  aaicoii 
pHMCKaro  ABopa;  IIoqaTH«  MHcaja  no  saKOHoy  pimcKora  ;^Bopa,  Vatik.  8, 
Fol.  5  a. 

Da  die  Einteilung  des  Missais  mit  jener  des  Breviers  flbereinstimmt, 
von  welcher  unten  die  Rede  sein  wird,  wollen  wir  hier  nur  dnige  Meß- 
formulare berOhren,  die  in  den  älteren  Denkmälern  besondere  Aufschrift 
haben;  es  sind  nämlich  die  sogenannten  Missae  votiyae  und  zwar 

unter  anderen:  Mca  sa  söopmi^e,  Vrb.  Mis.  I,  Fol.  258a — d  (jeM  Pro 

congregatione  et  familia) ;  Mca  sa  cpeeHne  (clpasm^hsr)  tipaTne,  ebenda, 
Fol.  258d — 259  (Pro  concordia  in  congregatione  servanda).  Fol.  294d: 

oa  cTanoBHTCTBO  ii^cTa  (Pro  habitantibus  in  loco);  Mca  ckosm  Özxh- 
HH«  niTH,  Fol. 259a;  dieselbe  in  Vrb. Mis.  II,  FoL  190b:  Gkosh  caÖJiax- 
Henne  nirn  (jetzt  Ad  postulandam  continentiam) ;  3a  jl^t'ho  CKoyiuenHe 
6HCKoyiiB,  Vrb.  Mis.  I,  Fol.  197a  (bei  der  Gelegenheit  eines  Provinzial- 

konzils) ;  Mca  o  MaTpHomii  (Pro  sponso  et  sponsa]  Vrb.  Mis.  II,  FoL  2  6  S  a ; 

Mca  sa  onixi»  kh  HMb  aikoys'Ha  TBope  Fol.  265  d,  ebenda  (Pro 
facientibus  eleemosynam).  Mnea  cni  B^car^a  sa  MpTsi,  Vrb.  Mia.  I, 
Fol.  182a;  m  Paris,  FoL  171b:  nnca  sa  MpxBHx';  Vatik.«,  FoL  i87b: 

Mma  HaBJamna  sa  Bce  oyvpBme,  ebenda:  Mma  na  ro^nn^e  (In  anni- 
versario  Defunctorum).  unter  mehreren  diesen  Titeln  befinden  sich  nur 
die  in  andere  Meßformulare  einzuschattenden  Gebete,  wie  es  noch  heute 
in  dem  Miss.  Romanum  der  Gebrauch  ist. 

Von  den  einzelnen  Teilen  der  Messe  selbst  ist  mehreres  herrorzn- 
heben.    Die  ursprünglichen  erstarrten  Ausdrücke  Opaipn  (Oratio)  und 


! 
f 


Die  Nomenklatnr  in  den  kroatiBch-glagolitiBchen  liturgischen  Bttchem.    557 

Ilpi^aipni  (Prefatio)  üponaipr^,  denen  wir  in  Kijeyer  nnd  Wiener 
BUttem  begegnen,  finden  sich  nicht  nnr  in  den  Handschriften  (Misaalen 

und  Brevieren)  des  XIY.  und  XY.  Jahrh.  (Paris,  Fol.  190b:  nni>  rjürh 

CH€  opi^s;  Yrb.  Br.  I,  Fol.  40a:  p'i^n  opio  o  posA^cTsa;  in  Mis.  Yrb.  I, 

Fol.  18  b:  üponi^Hio  o  poHCTsa  xsa  rjisBiu»  Aase  ao  6<&H«aHH6;  IIpmuiH) 
H  npHqen^eHHe  Hii^  b  TaHHi,  Yatik.  4,  Fol.  126d),  sondern  dieselben 
haben  sich  noch  in  den  Drucken  des  XYI.  Jahrh.  erhalten  (vgl.  das  Missal 
des  Panl  y.  Modrus  nnd  das  Brevier  Nicol.  Broziös).'  In  den  Missalen  des 
XYn.  and  XYIU.  Jahrh.  wurden  diese  Namen  durch  Mo.KETBa  und  npi- 
ABCJOBHe  ersetzt  (Mis.  1631,  Fol.  35a:  Ha  OcHHHoy  cb.  CrnnaHa  Bac 
^HH  Mhcc6  roBopHT  c€  ^Ko  Ha  A^H,  pasBH  MojHTBH  HacJ6Aoyu^e6  (•)••• 
H  IIp6ACJ0BH€  oT  PoKcTBa}.  Dagegen  die  alten  Benennungen  iiaA'B 
oiLiarBMi»  (Super  oblata)  und  no  b'lcaa^  (Post  communionem;  cfir.  Jagic, 
Glagolitica,  Denkschriften  XXXYIH,  S.  4  5  ff.),  verschwinden  schon  in  den 
mtesten  Denkmälern.  Das  ältere  Missale  der  Yatik.  Bibliothek  (Sign.  4), 
welches  Profi  Jagic  in  den  Anfang  des  XIY.  Jahrh.  setzt,  hat  schon  fttr 

^e  erste  Benennung  ein  ha  npHUi  (etwa  HaAB  npnHomeHHeMB  =  super 

oblata)  und  für  die  zweite  no  6pamH  (no  ÖpamLUBip  =:  post  edulium) 

Yrb.  Mis.  I,  Fol.  3  d:  no  tfpamani^H  opq,  welche  Ausdrücke  wieder  bleiben 
bis  zu  den  Ausgaben  Levakovics  und  Earamans,  denen  die  Tannai  (oTa- 
nna)  und  nonpnqen^eHHe  dem  lateinischen  Secreta  und  Postcomunio 
mehr  zu  entsprechen  schien.  Die  Ausdrücke  enncTOjnit  und  eBanhejH« 
sind  vielleicht  die  einzigen,  die  in  allen  Phasen  der  glagoHtliturg.  Bücher 
unverändert  geblieben  sind;  die  Passi'o  heißt  nacHOHL  oder  MoyKa,  Mis. 

Yrb.  I,  Fol.  76a:  MoyKa  ma  6^3^  6äuiii^  h  063^  rb  c  naMH . . .  a  nacHOHb 
no  aaKOHoy  cbo«mi>. 

Den  Kanon  finden  wir  in  den  älteren  Denkmälern  mit  dem  Namen 
TaHua  genannt;  die  anderen  in  jeder  Messe  wiederkehrenden  Teile  vom 
Stnfengebete  an,  also  der  Ordo  Missae,  als  mhhi>  mhcs  bezeichnet  Yrb. 
Mis.  I,  Fol.  146c:  ysinh  mhc6  no  saKOHoy  pHMCKe  iqpHKBe;  die  Rubrik 

im  Yatik.  4,  Fol.  164b  schreibt  vor:  B  qrpTK*  b6jhkb  npHJOXH  ch6  k 
TaHH%,    es  handelt  sich  um   einige  Änderungen  im  Kanon;   ebenda, 

Fol.  1 26  d:  npoiu^H)  h  npH^eu^enHe  hh^  b  TanH^  (mit  npH^eu^eHH«  wurde 
bei  den  Alten  die  zweite  Oratio  des  Kanons,  die  mit  »Communicantes«  — 
npHqen(aion^6  c«  beginnt,  bezeichnet).  Erst  von  Levakovld  an  kommt 
ftatt  Tanna,  npasHJio  vor;  vgl.  Mis.  1631,  Fol.  284:  üpaBHJio  mhcc6. 


1 


558  Jos.  VaJB, 

In  den  heutigen  Meßformularen  findet  sich  außer  den  oben  genannten 
Teilen  der  Messe  der  alten  Sakramentarien  noch  anderes  eingeschoben, 
was  früher  von  dem  Chor  gesungen  wurde.  Es  sind  die  Antifonen,  Psal- 
men  und  Versikel,  fflr  welche  das  Missale  Romanum  verschiedene  Namen 
hat.  So  am  Anfange  der  Messe  wird  die  zu  wiederholende  Antifon  mit 
einem  Verse  des  respektiven  Psalmes  mit  dem  Namen  Introitus,  die 
Verse  mit  wiederholtem  Alleluja  nach  der  Epistel  mit  der  Benennung 
Gradnale  bezeichnet.  Das  letzte  heißt  in  der  Fastenzeit  Tractus  und 
wird  für  einige  Feste  mit  einer  Sequenz  verbunden.  Desgleichen  nehnt 
man  den  das  Darbringen  der  Opfergeschenke  und  das  Ausspenden  der 
hl.  Kommunion  begleitenden  Vers  Offertorium  und  Communio.  Alle 
diese  Teile  (Introitus,  Gradnale,  Offertorium  und  Communio)  bezeichnen 

die  älteren  glagolitischen  Missalen  mit  nt  =-  n^cuB  (Vrb.  Mis.  I,  Fol.  2b: 

^  ^  

nt  K  TeÖH  FH  BasABHFi»  Aoymoy  moio;  nnHb  Ben  xaAoyiAGH  Te  rn, 

c 

ebenda,  Fol.  2c;  Vrb.  Mis.  II,  Fol.  il4b:  Xlini»  "Bkosg  sKcxaeT  ueni» 
Ha  HCTo^HHKH  B0AHH6.  Ob  dicsc  Bcueunung  in  einer  lateinischen  Vorlage 
ihren  Orund  hat,  ist  schwer  zu  sagen;  wahrscheinlich  hat  dazu  die 
Schreiber  der  glagolitischen  Missale  der  Umstand  gebracht,  daß,  wie  ge- 
sagt, diese  Teile  der  Messe  von  den  Sängern  vorgetragen  wurden.  In 
der  neuen  Ausgabe  des  Missale  Slavonicum  hat  sich  ParSic  der  lateini- 
schen Nomenklatur  angeschlossen,  indem  er  Introitus  mit  npHcroynb 
(ähnlich  wie  Levakovic  —  Karaman  hat  dafür  blxoab),  Gradnale  mit 
cTeneHBHai  (Lev.  CToynHHKb,  Kar.  cTeneuoe),  Offertorium  mit  npn- 
Hocb  (die  Anderen  ebenso),  Communio  mit  nonpH^sn^eHH«  flbersetzt 
Mis.  1893,  Fol.  [10]:  Bb  06bn^6Mb  HenoB^ABH.  h  A^Bb  n  Ha  nn^xb 
Mncaxb  Bb  Bpine  nacxoBbHoe  Bce  ÖHBaexb  iKO  HHSoy,  npHAasbmoy  c£ 
na  IIpHCToynt  np^x^e  Tic.  ABanpaTb  Aju« joyi,  h  na  K0HbI^I  IIpiiHoca 
H  IIpHqen^eHHt  eAHHOio  Xääbäoj^,  Fflr  die  zwei  flbrigra  Ausdrücke 
Sequentia  und  Tractus  lesen  wir  in  allen  älteren  Denkmälern  die  von 
dem  Lateinischen  entlehnten  Benennungen  meKB6Hi;H%  auch  meKTempi^ 
und  TpaxTb.  Vrb.  Mis.  I,  Fol.  182d:  meKBi^Hmit  saMpTBHXb;  Mis.  1483, 

Fol.  402a:  Ha  poHCTBO  6pi^6  msKBHipii;  TpaxbTb  (B)e  6os6  moh  BaHbMH 
MH,  ebenda,  Fol.  111b. 

Levakovic  hat  fbr  sie  BjieiiHHKb  (Earam.  BJieKOMoe)  und  cjeAHHiia 
(Kar.  nocJi^AOBHai)  eingefthrt;  ParJic  hat  dieselben  mit  BJi6R0Mai  und 
HOC  j^A^HHi^a  flbersetzt.  In  allen  diesen  Fällen  hat,  wie  wir  gesehen  haben, 
auch  Parciö  die  ältere  Nomenklatur  verlassen ,  indem  er  sich  mehr  dem 


Die  Nomenklatur  in  den  kroatisch-glagolitischen  litorgisohen  Büchern.    559 

LeyakoTic  oder  Earaman  näherte;  doch  sieht  man  in  der  von  ihm  ein- 
geführten Benennung  mehr  Einheit.  Die  Nomenklatur  der  älteren  Denk- 
mäler scheint  ihm  wenigstens  in  einigen  Fällen  vorgeschwebt  zu  haben, 
so  2.  B.  cTensHLHat  und  BJieKOMai  in  der  femininen  Endung  sollen  viel- 
leicht Attribute  sein  zu  dem  alten  Ausdrucke  ntcHB. 

ni.  Das  Brevier. 

Schon  der  Name  des  Buches  wechselt  in  verschiedenen  Epochen  und 
Ausgaben  des  glagolitischen  offiziellen  priesterlichen  Gebetbuches.  Wäh- 
rend die  älteren  Denkmäler  des  XIV.  bis  XYI.  Jahrh.  (cfr.  Vatik.  5,  Fol.  t : 

IIo^eTKB  ^HHa  Öp'BH^jia  no  3KHoy  phmckoml;  üo^eTHe  6pB'ijia  no  sKHoy 
pHxcKora  ABopa,  Brozi<5,  P-  71)  den  Titel  ÖpsH^Jori»  beständig  gebrauchen, 
ftiliren  die  späteren  glagolitischen  Drucke  unter  dem  Einflüsse  der  Bflcher 
der  Uniaten  dem  griechischen  OQoloyiov  entsprechend  den  Namen  ^^aco- 
cjiOBL.  (^acocJOBB  Femckhu  cjiaBHHCKHML  ^SHKOMb,  Romac  1648;  ?aco- 
cjiOBb  FHMCKHh  cjaBeHCKHHi»  ^sbHKOML,  Romac  MDCCXCI.) 

Wie  bekannt,  zerfällt  das  Brevier  in  vier  Hauptteile:  Psalterium, 
Proprium  de  Tempore,  Proprium  Sanctorum  und  Commune 
Sanctorum  gewöhnlich  mit  einem  Anhange  verschiedenen  Inhaltes 
(Benedictio  mensae,  Itinerarium  usw.). 

Den  Namen  ncajiTHpb  ausgenommen  (Br.  I,  Vrb.,  Fol.  69c:  IIc  Pix' 

czpaHH)  —  wnBL  B  ncJTHpt ;  Vatik.  5,  FoL  1 :  IIoqeTHe  caJiTHpa  no  3a- 

KOHoy  pHMCKora  Äspa  —  auch  ncajniHCTb,  vgl.  Vrb.  Br.  11,  Fol.  185b: 

BhCh   ^HHB  TBOpHT  06  ^KOSS  Bmn«  B  nadK'MHeTi(!)  n0CTaBJ6H0  ecTb), 

wurden  die  Aufschriften  der  anderen  Teile  ungleichförmig  übersetzt. 
Wiewohl  für  das  lat.  Commune  Sanctorum  hier  und  da  ein  KOMoyHB  vor- 
kommt (Vatik.  5,  Fol.  40  c:  üo^eTHS  KomoyHa  cb6ti^6ml  o  (Jp^B^^a  no 
saKouoy  phmckoml),  lesen  wir  öfters  die  Namen  oÖLnpraa  oder  36opi» ;  so 

z.  B.  Vatik.  6,  Fol.  27:  Umhh,  aHB  iotph'hh  ca  cbohmh  hcmh  hii^i  o 

onnpHe  4*  anjia.  Auch  die  Benennung  des  Commune  der  Missale  stimmt 

in  diesem  Punkte  überein ;  z.  B. :  IIoq$HH)Ti>  onn^HHe  cthxb  o  MHcajta, 

Mis.  1483;  Wien  4,  Fol.  184:  IIoqsTiie  mhci>  oxuuhhh  cthxl,  obwohl 
auch  JloHvne  mhc'  onn^Hx',  Vatik.  4,  oder  IIoqeHK)  ce  mhc6  on'u^e,  Mis. 
Hervojas,  Fol.  190  b,  noq(H)HiOTi>  online  hhc6,  Laibach  162,  FoL  193  c, 
vorkommt.  Die  Rubrik  im  Paris,  Fol.  190  b,  schreibt  vor,  man  soll  bei 
den  Exequien  das  Totenoffizium  aus  dem  Commune  rezitieren:  b  n^iay^ 


560  Jo»-  Vaje, 

p^i^T«  lOTpHoy  6h:  I^poy  enfoysse  .  nn^H  b  3^6opt;  ähnlieh  heißt  das 

Commime  36opi>  aach  in  dem  Missale,  Vatik.  4,  Fol.  217a:  eh .  Orsi- 

n^as'  ECB  peqe  .  Ecns  .  eii^  b  36op^  o  mkb  (Evangelinm:  Confiteor  tibi 
Pater).  In  dem  Inventar  der  Pfarrkirche  von  Yrbnik  (Insel  Yeglia)  rom 
J.  1550  finden  sich  neben  anderen  litnrgisohen  Bflchem  anch  iwei 
(Ana)  söopaa,  d.  h.  Commnnale,  registriert. 

Das  Wort  Proprinm  wnrde  früher  niemals  wörtlich  Übersetzt.   Die 

alten  schrieben  entweder  ohne  Bezeichnung:  üo^eTEe  cjoyaKÖb  o  erm» 

no  BC6  JTTo,  Vatik.  6,  Fol.  77a;  IIoqeTEe  cjicysatfi»  ot  crub  okojo  no 
Bce  lero,  Brey.  Brozics,  Fol.  291;  oder  mit  dem  adjektivischen  Znsaiz 

in  den  Missiden:   IIo^eTEe   naBJian^'HEX  biecl   ot  cti^>,   Mis.  Herr., 

FoL  148;  IIoqeHio  naBjan^He  srace  CTai^b  o  MEcajia,  Laibach  162, 
Fol.  148b;  ebenso  das  Mis.  1483,  Fol.  280:  IIo^eTne  naBJan^HEXB  HECb 

o  cTa£p>  0  HECja.  Sogar  noch  bei  Eo£i5i6  steht  Fol.  144b:  Ho^erne 
Bjaii^aro  ^rana  cneTai^b  nnd  FoL  200a:  IIoq6H6Ti>  onn^Ena  ejie  KOMoyHi» 
cB€Tai;B.  In  den  Ausgaben  des  XVn.  und  XYIII.  Jahrh.  begegnen  die 
Benennungen  oöu^e  und  Bjan^e  —  also  eine  wörtliche  Übersetzung  des 
lat.  Commune  und  Proprium  —  welche  auch  ParSic  in  der  neuen 
Ausgabe  behalten  hat.  Mis.  Levak.,  Fol.  [l]:  Onn^e  coeTEx;  Earam., 
Fol.  143 :  Bj[amn^66  Meccb  o  CB^TbEXb;  Partie,  Fol. [2]:  Bb  npas^^LBEKH 
AnocTOJ  E  BeaHLhejiflCTb  sbce  ^ko  na  cbocmb  m%ct%  Bb  Bjian^€Bn>  o  Cse- 
Tbi^EXB  und  Fol.  [4] :  6nECTOJiE6  e  SnanbhejiEt  .  .  .  pen^  c€  Moroyrb 
na  EHi^xB  MEcaxB  o  TOMbs^e  Oöbu^eaib. 

Beachtenswertes  bieten  die  Namen  der  einzelnen  kanonischen  Stonden- 
gebete.   Alle  sieben  Stundengebete  zusammen  machen  das  tägliche  Offir 

cium  (o«ei;ee,  ^iehb,  cjioyxöa)  aus.   Vatik.  4,  Fol.  206b:  h€io  oKT6oy 

CTFO  JoBpeHi^a  ^EHE  06  o«fli^EE  OT  B6ro;  Vrb.  Br.  I,  Fol.  47a:  na  xh* 

CTro  CejiBicTpa.  an^e  ähb  häjihe  iipbäöt' . ^ehb  ce  ^eh'  o  ci^a;  Vatik.  6, 

Fol.  77  a:  IIoqeTEe  cjioyÄÖb  o  cTin>  no  Bce  jto.  Die  zwei  Hanptgebete, 
Matutinum  und  Vesperae,  finden  wir  immer  in  den  glagolitischen  Denk- 
mälern, ähnlich  den  liturgischen  Bflchem  des  Ostens,  mit  einem  H)TpHa 

fi     

und  BeqepHa  genannt  (Paris  7:  B  neji^io  lOTpHa;  l  Basn^to  ;ia  6pE  bihc 

piHE  äp'äbmo  e  Ha  H)TpHE  ...  E  Ha  B^pHE  no  BC6  jieTO ,  Vrb.  Br.  I, 
Fol.  8  c).  Die  Umwandlung  der  kirchlichen  Praxis  im  Bezitieren  des 
Offiziums  hat  aus  dem  früheren  Offizium  Nocturnum  ein  Matutinum 
(eingeteilt  in  drei  Nocturne)  gemacht,  und  die  frttheren  Landes  Matn- 


Die  Nomenklfttnr  in  den  krofttiBch-glaf^olitischen  litorgiBchen  Büchern.   561 

tinae  mit  bloßem  Namen  Landes  bezeichnet,  welche  gewöhnlich  mit 
dem  Matatinnm  verbunden  und  nachmittags  des  vorhergehenden  Tages 
antisdpiert  werden.  Die  Glagoliten  haben  wohl  das  Matntinnm  mit 
lOTpHa  flbersetzt,  den  Ansdmck  MaTOTHHa  aber  für  die  Bezeichnung  der 

Landes  (Matntinae)  beibehalten.  Yrb.  Br.  I,  Fol.  23b:  Ma  im^  b  ncai- 

THpH;  Ha  Ma  ($oyAH  cnoMSHoyTHe  ot  poacA'cTsa,  ebenda,  Fol.  43b. 
Ähnlich  dem  ursprünglich  lateinischen  MaTOTHHa  bezeichnen  die  Denk- 
mäler die  einzelnen  sogenannten  Kleinen  Stundengebete  (Hören:  Prim, 
Terz,  Sext  und  Non)  mit  den  Namen  npnMa  (npima),  Tepi^a^  csKCTa 
(meKCTa,  ceKmTa),  nona  (Br.  Ul.  Yrb.,  FoL  174c:  k  np^ni,  k  TepiQi, 

K  meKCTH,  K  HOH$  noH:  Es  b  noHonp»  moh)]  ;  horae  im  allgemeinen  roxHHH 
(ebenda,  Fol.  173  d:  chko  nosT  C€  no  Bce  roAHHn;  hier  und  da,  aber  sehr 
selten,  kommt  auch  oypa  vor  (Brev.  Yrb.  ü,  FoL  185a)  oder  np^MSHa 
(Yrb.  Br.  I,  Fol.  68:  b  npocTe  j(hh  no  Bca  BpinsHa,  In  Feriis  per  onmes 

Horas);  vgl.  auch  die  oft  wiederkehrende  Formel:  Ma  h  tabm  an  =  Kb 
MaTOTHHa  n  roAHHaML  aHTHnoHH  (Ad  Landes  et  Horas  Ant.)  Die  späteren 
Ausgaben,  die  den  Ausdruck  ro^Hna,  welcher  doch  in  allen  glagoli- 
tischen Codices  so  konsequent  in  der  oben  genannten  Formel  gebraucht 
wird,  verworfen  und  durch  qacb  ersetzt  haben,  gebrauchen  für  das  latei- 
nische Landes  ein  cjaBOCJiOBHe,  und  übersetzen  die  Titel  der  Kleinen 
Hören  (ad  Frimam,  Tertiam  usw.)  Ha  npBH,  Tp€TH,  mecTH,  a^bsth  qacb. 
Sogar  Levakovic  selbst  bedient  sich  ausnahmsweise  der  oben  erwähnten 
Ausdrücke,  z.  B.  FoL  47a:  Gji%;^Q^a%  rjiaBHi^a  h  hhh$  na  npoqHZB 

TojpmoiKj  TJtfiTh  et;  sonst  aber  gewöhnlich  na  cjcaBOCJOBue  h  qpesb  ^acH 

aHB  (Ad  Landes  et  per  Horas  Ant.).   Ebenso  bei  Pastriö,  Fol.  28  b. 

Besonders  zu  erwähnen  ist  das  letzte Stundengebet(Completorium), 
das   die   älteren   glagolitischen  Breviere  KoyMn.i6Ta  oder  KoyMiueTb 

nennen,  Yrb.  Br.  HI,  Fol.  108b:  KoyunjeToy  fjiioti»  ^KosKe  oÖHqan  ecT'; 

KoyMHJitT'  CT8  MapHS  A^MO,  Yrb.  Br.  U,  101c.  Levakovic  hat  dafür  die 
aus  der  Fannonischen  Legende  bekannte  naBe^epHHi^a,  Karaman  ein 
noneqepHe  eingeführt 

Wenden  wir  uns  zur  genaueren  Betrachtung  der  einzebien  Teile  der 
kanonischen  Stundengebete,  so  geraten  wir  hier  und  da  in  Yerlegenheit, 
wie  diese  oder  jene  Abbreviatur  zu  lesen  sei.   So  z.  B.  schwer  zu  lösen 

war  mir  die  Überschrift  EU  dort,  wo  das  lateinische  Brevier  den  Aus- 
druck Invitatorium  hat;  erst  die  Rubrik  im  L  Brevier  von  Yrbnik, 

ArehiT  Ar  tlaTiBdie  Philologie.  XXDL  36 


562  Job.  Vajß, 

Fol.  7b:  B  npocT«  ahh  fl,o  cpAH  T^Mnopne  chh)  6hphh)  xpjRM  hat  mich 
belehrt,  die  oben  erwähnten  Bachstaben  seien  eine  Abbreviatur  des  In- 
yitatorinm  nnd  zwar  mit  femininer  Endnng  ÖnraTopHi  (statt  SHTa- 

Topni)  ygl.  auch  die  Rubrik  im  II.  Br.  Vrb.  Fol.  101c:  ann  täjot^  C6 

KaKO  B  tf  jpab'  Aoyiui» .  ÖHpne  hh  hmhh  h6  noioT^  ce).    Levako^ic  nnd 

die  späteren  Ausgaben  haben  dafür  ein  sasosb,  z.  B.  Sasni»  nocji^^oyion^ 

rJ[6T  C%   0  OCMHHH  6lIH«aHili^  ^0  HfiAJt^  C€AM0A6CiTHHt.     Bo  HHHa  Bp6- 

M6Ha  KpoMi  Binne  pe^eHnnxb  SasoBb  h  Hmhl  rjieTa  c^  .  .  .  Levak., 
Fol.  2  a,  3  b. 

Ähnlich  dem  Invitatorinm  finden  wir  auch  die  anderen  im  Offizium 

geläufigen  Ausdrücke  slavisiert;  z.  B.  Besponsorium:  pi  =  pi^mnoHi» 

(Br.  Novl.  U,  Fol.  40  c:  no^neMb  o  npnaro  ptna;  noqneT  ce  o  Apoyxaro 

pinona,  Fol.  40 d,  ebenda;  Br.  Yrb.  ÜI,  Fol.  181c:  c  npo^HMH  p^nmoHH 

H2K6  CKasaHH  coyt');  Versus,  Yersiculus:  BepBcb,  Bpnii»  Bepbmi»  b«- 

pamB,  ÖepamL  (6p),  66pami>ip>  (Vrb.  Br.  I,  Fol.  53  b:  no  ab^k)  Bepmoy 

ncajMa  B's^a  oneT*  Bpan^a  ce  an  .  paasi  er^a  npH^eT'  na  Bep'c' :  IIpH- 

A^T6;  Vrb.  Br.  III,  Fol.  160c:  o  Kora  jiiooo  ncMa  ne  roBopn  ce  ne  Ben^e 

eAaa  BepaniB ;  6pH  rosope  ce  . . .  on^e  hmhh,  6phuh(!),  ebenda  (Fol.  183  c). 
Außer  den  erwähnten  Benennungen  begegnet  fttr  das  latein.  Versns 
auch  der  aus  dem  Oriechischen  entlehnte  Ausdruck  cthxb,  Vrb.  Mis.  L 

Fol.  106c:  B'  cbh)  coöoToy  npoMHHioeT'  ce  11%  no  eiuHH  h  doh  ce  ai 
ca  CBOHVB  CTHXOMB.   Neben  pimnoHb  findet  sich  schon  in  den  älteren 

Denkmälern  otb^tl  (Paris,  Fol.  180a:  nn'  BipoysmH  b  6a  oi^k  BCMroy- 

H^aro  TBop'i^a  H6oy  h  smh  .  obtb  .  Bipoyio). 

Das  Oapitnlum  heißt  in  unseren  älteren  Denkmälern  Kn  <=  Ran»» 
Toyju»;  die  jüngeren  haben  dafür  rjanHi^a  eingeführt  (Vrb.  Br.  I,  FoL  7a: 

Bme  p?HO  ^xeHHe  B'3;(a  rjeT  ce  na  opiuteHHe  KUTja;  na  Bce  6juv(hh  <b 

jiKi^m  ^Te  ce  na  opimeni  Kn  oh'  kh  kh  e  na  hh%,  ebenda.  Brev.  Levak., 

Fol.  23b:  FjasHi^a  nocj[§Aoyn^a  rjLeTi»  c%  bb  HeA%Jri&).  Ebenso  wird 
aHTHnoHa  (auch  aHTHnoHB,  aHTH^OHB)  nnd  neaun  aus  dem  Lateiniflchen 

entlehnt;  z.  B.  Vrb.  Br.  I,  Fol.  18d:  cne  naBJian^He  asrnHE  o  hb  cjf- 

Ae^eH  noiOT  ce  n'dAa  b  cBoe  ahh;  Vrb.  Br.  m,  Fol.  173d:  chko  noer  ce 

no  Bce  roAHHH  k  6j[hi>  aHTH^oni» ;  naBn^MO  a^  hcmh  Bme  peqnn  rziOT  ce 

Ha  npM%  no  Bce  jieTo,  Vrb.  Br.  I,  Fol.  6  a ;  no  ab^H)  Bep^moy  ncjiMa  B'a^a 


Die  Nomenklatur  in  den  kroatisch-glagolitischen  liturgischen  Büchern.   563 

onet'  Bpan^a  ce  an,  ebenda,  Fol.  53b.  Für  Hymnus  lesen  wir  HMHa 
oder  HMHb  (hhhl),  vgl.  Vrb.  Br.  I,  Fol.  6a:  iMna;  ebenso  Fol.  33  a  und 
öfters  Br.  II,  Vrb.,  Fol.  11 7  d:  hmhh  hh  Knjia  He  p'i^  (non  dicitnr  Hymnus 
nee  Capitulum);  in  Br.  Nov.  H:  Hmhb,  Hmh,  Fol.  la,  3d;  dag^en  werden 
die  Gantica  gewöhnlich  ntCHb  genannt,  z.  B.  Br.  Nov.  II,  Fol.  321a: 

n%  TpHXB  oTpoKb;  321  d:  n%  SaxapHHHa;  TU  CeMHona  cTapi^a,  ebenda. 
Wie  wir  in  der  oben  erwähnten  Rubrik  des  I.  Breviers  von  Vrbnik,FoL7a, 
gesehen  haben,  bezeiehnete  man  in  unseren  Denkmälern  die  Lektionen 

des  Breviers  mit  qn  =  qT6HH6  oder  jeiopii  (vgl.  Paris,  Fol.  190b:  pi^Tc 

•eb*  JI6KHH  H  BC6  ncMH);  in  den  späteren  Ausgaben  kommt  nur  Trenne  vor, 
z.  B.  bei  Levakoviö  wird  die  übliche  Formel  Lectiones  de  Scriptura 

occurente  mit  ^TeHHi  o  IlHcaHH^  TeKoyn^aro  übersetzt.  Was  man  in 
den  lateinischen  Büchern  Ordo  oder  Directorium  Ofßcii  nennt,  kommt 
in  den  glagolitischen  Denkmälern  unter  dem  Namen  ci>Ka3L  vor  (Nov.  U, 

Fol.  261a:  cKasB  o  ^HHa);  die  einzelnen  Rubriken  heißen  zwar  in  den 
späteren  Ausgaben  auch  cKasB,  CKasb  ^epMHL  (Levak.,  FoL  1284 :  iKose 

p«^eH0  e  Bi>  CKasi^  ^epMHOMi»)  oder  ^epsenni^a  (^epseiun^  cnp^qi»  cKasn, 
ebenda  in  der  Vorrede),  aber  die  alten  nannten  sie  poytfpnRa  (vgl.  Br.  II 
Vrb.,  Fol.  249  d:  Pöpmca  o  khhtl  i^ckhxl). 

Ehe  wir  zum  letzten  Abschnitte  unserer  Abhandlung  übergehen, 
möchte  ich  etwas  bemerken  über  die  Nomenklatur  der  Attribute,  die  in 
den  drei  genannten  liturgischen  Büchern  (Kalender,  Missal  und  Brevier) 
den  Heiligen  beigegeben  werden.  Einige  werden  aus  dem  Lateinischen 
einfach  adoptiert,  andere  übersetzt,  und  zwar  in  allen  Denkmälern  gleich. 
Apostolus  wird  mit  anocTOJiB,  Evangelist  mit  esaHheJiHCTb,  Fropheta  mit 
npopoKB,  Martyr  (-in)  mit  Moy^eHHKb  (-m^a),  Confessor  mit  Hcnos^AHnKB, 
Papa  mit  nana,  Bischof  mit  ÖHCKoym»  (enncKonL),  Pontifez  mit  apxHep^n, 
Abbas  mit  onaTB  (auch  asaTi»),  Vlrgo  mit  A^Ba,  ^dua  mit  B^osa  (Paris, 
Fol.  6:  jnoAHHxe  a^a  :=  aba,  ohne  Zweifel  für  vav  =  bbaobb) 
bezeichnet.    Vgl.  die  Aufschriften  der  einzelnen  Offizien  der  betreffenden 

Hdligen,  z.  B.  Mis.  Vrb.  I,  Fol.  154 ff.:  na  BEhnzEH)  eA^nora  anjia;  na 
poHCTBo  ••!<•  MKa  ÖHCKoyna ;  na  poHCTBO  ••!••  onaTa,  na  poncTBO  ••!<• 
HcnBAHSKa  nnn;  hahb  ••!••  abh  h  MHm^e;  ähnlich  in  den  Brevieren,  z.  B. 
Br.  Nov.  II:  hb  poncTBO  ehjieTi»  bcb  ^hhl  tat  ce  o  on'npiHH  aiUL, 
FoL  329  b;  Ha  poenne  iraca  ne  6cKna  cjioyxtfH  sce  Hnp  Bme  o  6cKna, 

36* 


564  Jo».  Vajs, 

ebenda,  Fol.  333b.  Die  Doctores  ecdesiae  tragen  den  Titel  HaoyqirrejB 
oder  ÄOKToypt  (Br.  Nov.  n,  FoL  343  d:  an^e  6oyÄ«T'  Haoy^HTA  nr  ce 
sffl  .  .  . ;  CEi  oMHi  rjLT  c€  HB  Aßh  -%'  AOKToypoBb,  ebenda). 

IT.  Dm  Ritaale. 

Unter  diesem  Namen  ^)  wird  hier  das  Bnch  der  Bitnaltexte  im 
engeren  Sinne  genommen,  d.  h.  die  Zeremonien  bei  dem  Ansspenden  der 
Sakramente,  SaJkramentalien  (Segnungen  und  Weihnngen)  und  der  kirch- 
lichen Prozessionen.  Weiter  sei  hier  bemerkt,  daß  das  sogenannte 
Bitnale  Bomannm  ein  ziemlich  junges  Bnch  ist,  nämlich  ans  dem 
XYU.  Jahrh. ;  die  Olagoliten  vereinigten  ihre  rituellen  Texte  —  den 
Lateinern  gemäß  —  gewöhnlich  mit  dem  Meßbnche,  hier  und  da  auch 
mit  dem  Breviere  (vgl.  Vatik.  6,  Fol.  71 — 76;  Brev.  Brozics).  Aus  den 
kleinen  Bruchstflcken  der  selbständigen  glagolitischen  Ritualen  läßt  sich 
fbr  unseren  Zweck  wenig  erforschen ;  doch  in  den  Missalen  und  Brevieren 
findet  sich  der  eine  oder  der  andere  Ausdruck,  der  in  den  Rahmen  unserer 
Frage  hinein  gehört.  Wie  gesagt,  enthält  das  Rituale  die  Zeremonien  der 
Sakramente,  Sakramentalien  und  Prozessionen;  diese  sind  auch  die  Haupt- 
teile, nach  welchen  das  Rituale  Rom.  eingeteilt  wird. 

Wiewohl  das  Wort  Tansa  dem  mysterium,  sacramentum  ent- 
spricht und  daftlr  auch  benutzt  wird,  lesen  wir  schon  in  den  älteren 
Denkmälern  den  Ausdruck  cBSTÖa,  der  eigentlich  aytaapLog  sanctificatio 
bedeutet,  in  dem  oben  erwähnten  Sinne.  So  z.  B.  in  der  Postcommunio 
von  Ostern  fflr  das  latein.  quos  sacramentis  Paschalibus  sati- 
asti,  findet  sich  exe  nacKOBHHMH  TamiaMH  HacHrnjib  ecn  (Mis.  Vrb.  n, 
Fol.  ItSa);  neben  dem  nacKOBHHe  cb6t6h  npHi^THe  Paschalis  per- 
ceptio  sacramenti,  ebenda,  Fol.  120b  (vgl.  Br.  I,  Vrb.,  Fol.  162, 
165b,  167  usw.).  In  dem  zweiten  Gebete  des  Ordo  ad  faciendam  aquam 
benedictam  begegnet  fUr  denselben  Begriff  der  Name  CB€n^€HHe ;  Paris, 

Fol.  181b:  msL%  B  encHH«  HCKoy  poAoy  b6 JHKa  oy6o  CBeu^cHEt  b  boa'- 
HOMb  coyn^acTBi  nocTaBnjn>  ecH,  qui  ad  salutem  humani  generis 
maxima  quaeque  sacramenta  in  aquarum  substantia  con- 
didisti  usw.   Derselbe  Ausdruck  wiederholt  sich  in  den  IMQssalen  von 


1)  Wie  die  Olagoliten  das  Ritual  oder  Manuale  ritnum  nannten,  ist 
mir  nicht  bekannt;  bei  Thomas  von  Zengg  kommt  zwar  der  Name  Hapoy?&- 
HHKi  vor,  aber  sein  Hapoy^bHHKi  iLie6aHoyiii«Bb  ist.  vielmehr  ein  dogmatisch- 
moralischer  Traktat,  als  ein  Ritual. 


Die  Nomenklatur  in  den  kroaüBch-glaf^olitiBchen  litnrgiBchen  Büchern.   565 

Vrbnik  und  in  jenem  y.  J.  1483.    Bei  Elementoviö,  p.  IIb:  kommt  no- 

CBeTHJiHii^e  vor:  Obo  e  «ds*  nocTHJiHn^»  iq)kbhhx'  .  .;  Bca  Ta  »as*  no- 

CB^THJUin^  a'p^kh  ^hc'to  h  6oy  Bi^p^HO,  ebenda. 

Die  Segnungen  werden  gewöhnlich  durch  das  dem  latein.  Bene- 

dictio  entsprechendes  ÖJiarocjiOBeHHe,  später  ÖjarocjOBb  verdolmetscht 

(z.  B.  Paris,  Fol.  183:  6jhh6  npcTena  —  Benediciio  annli;  ÖJarocJOB* 

hHHHXb  M6ci>,  Elementoyic^,  p.  205b,  Öjiobi»  ciipa  h  hahi»,  ebenda,  p.  206) ; 

öfters  in  der  Infinitivform  ÖjarocjioBHTn,  z.  B.  Ha  ahi>  ctfo  Gi^naHa 

Altena  6j[th  cojn>  h  3o6\  Laibach  162;  6jbth  bhho,  6j[bhth  OBon^i, 
ebenda,  Fol.  235  ff.    Häufig  wird  dieser  Infinitiv  mit  einem  Substantivum 

^HHB,  MOJEHTBa  Verbunden,  so  z.  B.  mtb  6j[bhth  xpaML,  Paris,  p.  184b; 

^HHL  ÖJiBHTH  BO^oy  Ha  Kpii^6HHe  THS,  Wien  8,  Fol.  255  a  ff.  Es  gibt  noch 
einen  anderen  Ausdruck  fdr  das  lateinische  Benedictio  und  zwar: 
3naM€HaHE6,  3HaM6HaTH ;  z.  B.  snaMenaTH  BOflfij  na  6<i>H«aHHK>,  Laibach 

1 62,  Fol.  235 ;  Ha  aui>  cro  ÜBHa  anja  h  ehjicTa  no  mhch  3HaMHaTH  bhho, 
Laibach  164,  Fol.  186  ff.   Tritt  zu  der  Weihung  noch  die  Salbung  mit 

dem  Chrisam  (npHSMa,  Paris,  Fol.  180:  naicH  Kja^H  KpHs'Moy  bb  ba) 
hinzu,  so  heißt  sie  Co nse oratio,  obwohl  die  liturgischen  Bflcher  diesen 
Namen  auch  manchen  Segnungen  beilegen,  bei  denen  eine  Salbung  nicht 
vorkommt.  Die  glagolitischen  Denkmäler  gebrauchen  für  das  Wort  Gon- 
secratio  nocBen^cHHe  oder  Kpbn^sHH«  (auch  np^Kpbii^eHHs);    das  letzte 

wahrscheinlich  deshalb,  weil  die  Salbung  mit  dem  Chrisam  in  der  Form 

' —      ^ 
des  Kreuzes  geschieht.   Vgl.  Mis.  Vrb.  I,  Fol.   177c:  Bmns  pqeHH  op 

rJH)T'  C6  Ha  Kpn^eHH«  ojiTapn;  Nov.  U,  Fol.  351  c:  Hb  ahb  nocB€ii^6HHt 

iq>KB6  H  HL  onxoAHH  AHB;  Paris,  Fol.  6  und  mehrere  andere  Ealendarien 
am  29.  September,  8.  und  17.  November.  Auf  einer  neulich  entdeckten 
Tafel  in  der  Kirche  von  Dobrinj  (Insel  Yeglia)  liest  man :  Ka  i^pnKH  .  .  . 

(Sh  np6Kpu;6Ha  no  fhh  ÖHCKoyÖHneTpHEeMÖH  (Petrus  Bembo,  Venetus 
1564—1589). 

Eine  dem  Sinne  nach  ganz  besondere  Klasse  der  Sakramentaüen 
sind  die  Exorzismen,  bei  welchen  das  Rituale  die  Worte  exorcizo 
oder  ad  iure  benutzt,  möge  sich  um  Personen  oder  um  Sachen  handeln. 
Unsere  Denkmäler  außer  dem  saKjHnaH)  (Vatik.  8,  Fol.  193  fr.:  saKjtH- 

HaK)  T6  flflis  HeqncTH  .  .  .,  saKJiHHaH)  Te  —  boao  Cbo»  a^HBRMB)  bedienen 
sich  auch  des  Ausdruckes  snaMenaio,  SHaMenaBaH),  wahrscheinlich  wegen 


566  Job.  VajB, 

des  oft  vorkommenden  Zeichens  des  Krenzes,  mit  welchem  der  Liturg  die 
ZQ  exorzizierende  Person  oder  Bache  bezeichnet.  So  lesen  wir  in  allen 
Tanfritusformnlaren:  SHaHenaK)  T6  Tsapn  cojaai,  3HaM6HaBaH)  T6  Tnapn 
BO^'na^  (Exorcizo  te  creatnra  salis;  creatora  acqnae)  Paris,  Fol.  175by 
181.  Neben  den  Exorzismen  ist  in  dem  Ritaale  Rom.  ein  besonderer 
Abschnitt  den  Exeqnien  gewidmet,  unter  welche  der  Inbegriff  aller 
liturgischen  Handlungen  für  einen  Verstorbenen  fällt;  also  Totenoffiziumy 
Totenamt,  Begräbnis  usw.  In  den  älteren  Denkmälern  findet  sich  daf&r 
kein  entsprechender  Ausdruck.  Ein  vom  J.  1693  mit  kursiver  Glagoliza 
in  Yrbnik  geschriebenes  Testament  enthält  folgenden  Passus:  a^  Hoy 
onpase  ^oymoy  n  nera  saAoymHHH,  d.  h.  die  Exeqnien. 

In  der  neuen  Ausgabe  des  glagolitischen  Missais  hat  ParSic  fOr  das 
lateinische  Processio  o6i>xoAb  eingefilhrt ;  ob  er  diesen  Ausdruck  in 
älteren  Denkmälern  gefunden  hat,  weiß  ich  nicht;  die  Alten  schrieben 
noHÄoyTL  CB  KpHxeML,  Mis.  1483,  Fol.  109b  (Mis.  Rom.:  fit  Pro- 
cessio); BTfifi  o6HAoy  BjHseTa  -e:*  b  i^pKOB,  ebenda  109 d  (Mis.  Rom.: 
n  reversione  Processionis).  In  den  späteren  Ausgaben  findet 
sich  an  jener  Stelle  npoi^ecH^  (npoi^emu^)  Lev.  Mis.,  Fol.  144.  Ho  tom 
6HBa6T  npoi^emn^;  Karam.,  Fol.  122:  0  B03Bpan^6HHH  npoi^eccHH. 

Neben  dieser  allgemeinen  Übersicht  gestatten  uns  einige,  wenn  auch 
jüngere  Denkmäler  die  Nomenklatur  einiger  Einzelheiten  zur  Eennüiis  zu 
bringen.  So  z.  6.  in  dem  Codex  von  Siena,  p.  4  a,  heißen  die  Namen  der 
sieben  Sakramente  so:  Kpi>n^6HH6  (auch  Kpu^Ten^e  Baptisma),  Kpns- 
Manne  (KpHSMas'e  Confirmatio),  t^jo  Öoxne  Euchariatia;  noKO- 
peHH6  Poenitentia,   nocJE^A^ne  Masanne  Extrema  unctio  (Paris, 

Fol.  185  :  mmh  AaTH  neHoii^^HKoy  Masi»  ojrkBua»  cthml;  bei  Eiementovi6, 

p.  117b:  qHHb  MasaTH  neMon^'HHKa  oyjraeM'  ctbml;  ^iHHb  oyjoiiHHi, 
ebenda,  p.  118a),  ssHHTBa  Matrimonium.  In  demselben  Codex  wird 
das  Sakrament  der  Priesterweihe  mit  dem  Namen  Psab  genannt,  die 
Ordination  selbst  mit  pgahth,  na  peAi>  CTasHTn  bezeichnet;  p.  4b:  ano 
hI^kz  nonb  HanAS  ce  a^  hh  Kpu^eHB  6nj[b  HMa  ce  KpcTHTH  h  HSHOna  na 
peAb  cTaBHTH  —  debet  baptizari  et  denuo  ordinari.  Bei  Element.,  p.  1 1  b: 

P^Ai»  aKOJiHT'  .  nHCToyjcKH  (Subdiaconatus),  BauhjECKn  (Diaconatus), 
nonB,  ÖHCKoynB.  Diakonus  ist  xaKaHL,  Archidiakonns  apxHSKaKanB. 
Vgl.  in  Yrb.  Mis.  I,  Fol.  199  d:  c^BpmnxB  Ta  Mnca^B  ha  noin»  ToxacB 

ap'zHxaK'HL  c6h'ckh  h  BHKapb  TAHa  AHApni  AOKToypa  CTra  nncxa 

6HKna  cencKora  na  jtl  rAHHXb  9-»-^3,  Map'va  b. 


Die  Nomenklatnr  in  den  kroatiech-glagolitiBchen  liturgischen  Büchern.    567 

Die  dem  peripathetisclien  Systeme  entnommenen  Benennungen  ma- 
teria  {vIyj)  und  forma  [fio^tprj)  der  Sakramente  werden  mit  Tsapb  und 
TBopb  übersetzt;  ParMc  hat  diese  Namen  im  Wörterbache  angemerkt  ohne 
Angabe  der  Quelle.  Bei  Elementovic  kommt  statt  TBopb  «opaia  («oypMa] 

vor(p.  226b:  A  obo  e  «oypMa  h  noyHO  OA'pHmeHHS  no  toh  Öoyjra);  statt 
Tsapb  bei  Levakovic  uaTepiii^  (vgl.  die  Eubricae  gener.  Miss.). 

Einer  Schwierigkeit  unterliegen  die  Ausdrücke  für  die  aus  dem 
Kirchenrechte  bei  dem  Sakramente  der  BuBe  yorkommenden  ELirchen- 
strafen:  Exoommunicatio,  Suspensio  und  Interdictum.  Für 
den  Earchenbann  hat  Elementovic  iipoKji6TCTBO  (npoKJiaTCTBo) ;  p.  2 1 8b: 

Obo  8  OApHmeitHe  OA'pHmnTH  oa'  BSJiHKora  npoKJiaT'cTBa  (Ezcom.  maior); 
On^e  6  GBO  HHO  Hap^enne  OApnmeHH^  OA'pHmHTn  ojC  Majiora  npoKJiaT*- 
cTBa,  ebenda,  p.  224b.  In  dem  Codex  von  Siena  wiederholt  sich  öfters 
KJ[6TBa  und  npoKJGTb  ohne  Zweifel  für  das  latein.  Excommunicatio,  ex- 
communicatus;  i](pKB6no  Hapes^A^nHe  (Hapien'e]  scheint  hier  dem  Inter- 
dictum, das  Verb  um  oycTasHTH  dem  lat.  suspendere  (Suspensio)  zu 
entsprechen:  der  betreffende  Passus  (Fol.  2d)  aber  ist  zu  dunkel,  als  daß 
man  aus  ihm  etwas  sicheres  schließen  könnte.  Bei  Elementoyic,  p.  224a 
findet  sich  eine  Absolutionsformel  für  die  päpstlichen  reservierten  Fälle, 
in  welcher  Suspensio  mit  ckAp^xüaHHe  (coyA^pKaHHe),  Interdictum  mit 

npHnoBi^AB  (npHnoBH^b)  bezeichnet  ist.    Der  genannte  Text  heißt:  Tub 

HmB    HCB   XB   OßfEUm   t66   H   i    T6    0A(p)ui0yi0   OÖJiaCTHIO   HerOBOAIL.     H 

62CHH10  aiuioy  ÜTpa  H  ÜBja .  h  seJHKora  apxnepü  .  MaHH  noAaHo(I)  t6h 
Ba  ob'  qaci>(!)  AapoBaHo(!).  OApHmoyio  xe  oai>  BcaKs  oyse  npoKJiaT'cTBa 

BejHKora  h  Maira  .  iura  ocoyenn^  coy^p'^amii  h  npHnoBHAH.    H  oa^- 

noyn^aHB  t6h  BcaKo  npecToynJim«  nap^A^^e  &ko  cn  b'  ko  b'  naii» .  h  spa- 

maifl'  Te  b'  cähiictbo  Bepi  h  npHApoyÄeHHio  k  b^p'hhm  h  ome  k  cthmi» 

nocTHJHii^GMb  iQ)KBiinMi>.  Auf  dcu  Papierblättern,  die  später  bei  dem 
Einbinden  diesem  Buche  von  vom  beigegeben  wurden,  wiederholt  sich 
dreimal  ähnliche  Formel  der  Absolution  (zweimal  mit  der  kursiven  61a- 
golica  und  einmal  mit  lateinischen  Buchstaben  geschrieben),  in  welcher 
alle  drei  oben  erwähnten  Ausdrücke  enthalten  sind.  Die  Formel  lautet: 
rocnoAHH  Harn  ELcoyKpcT  nac  oApnmH,  h  i  oÖjacTHEO  HeroBoio  h  dia- 
xeHHX  anomTOJiOB  Ilexpa  h  IlaBjra,  n  CB6Tora  stfopa  anocTOJioKora  msiih 
o  OBOE  cTpaHH  uapeheHa  a  Bana  Aoneymena  OApnmoy«M  Bac  oa  osaxe 
3a(Be)36  npoKJiecTBa,  o6oycTaBj[6HHa  h  onoBHAH  aii^«  oy  Koy 


568  Joi.  Vajs, 

oynaiH  ct6.  (Kit.  Rom. :  DnuB  noster  Jeans  Christas  .  .  .  vos  absolFmt 
...  et  ego  auotoritate  ipsius  et  beator.  Apost.  Petri  et  Pauli  et  Sammomm 
Pontificam  .  .  .  vobis  concessa  et  mihi  in  hac  parte  commissay  absolro 
voB  ab  omni  yincnlo  excommnnicationis  .  .  .  snspensionis  et 
interdicti  si  qnod  forte  incnrristis  etc.). 

Ftlr  das  lateinische  In dn lg eniiae  (Ablaß)  habe  ich  sowohl  im 
ü.  Brevier  von  Vrbnik  als  anch  in  dem  II.  von  Novi  oTnoycTBKb  ge- 
fanden. Die  Rnbrik  im  IL  Vrb.,  Fol.  185a,  lautet:  ^aHL  6  ch  a&p'  h 
mct'  ch*  bb  BHTep'Öi  rpa^i  Jstb  fhhxb  •»•  jBi(!)  ort  -m^v-  ÖHCKoyn'- 
cTBa  Hmero  •+•  jrexo  .  HcnjraeHHe  cero  onoycT'Ka  •+▼•  jb[6To(!)  h  -9- 
AHH  Hse  6CTI»  npncToyn'Hb  kl  bclkoh  oypi  k  ^HHoy  o*  npsaro  ah6  ao 

okt6h  C6JHK0  npHMe.  Vgl.  NoY.  U,  Fol.  167b.  Die  sogenannten  Casas 
reservati  heißen  bei  Elementovic  Kasn;  so  z.  B.  p.  201:  kh  6h 
oy^HHE.»»  i^pHKBeHoy  npaBAoy  heks  iracaHoy  tfpes'  Aonoyn^eHR^  sna^a 
b'  naiiHHb  Ka3i>;  A  to  coy  ÖHCKoynjra  Kasn  khxl  H6  Mope  non'  o^'pH- 
mnTH,  ebenda,  p.  200a;  Obo  e  Hap%6HH6  oApHrnenni  sa  ohhxb  rh  mraio 

Aonoyii^6HH6  n3a6paTH  ce6n . . .  cnoBAHEKa .  kh  hhxb  o^pHnm  oa'  BcaKoro 
Kasa  aKO  h  naim  npncTOHTB,  p.  224a. 

Es  bleibt  noch  übrig,  einige  Namen  knrz  za  berühren^  die  in  keine 
der  oben  genannten  Kategorien  hineingehören;  es  sind  meistens  die  Aas- 
drücke für  die  liturgischen  Personen ,  Stätten ,  für  die  Paramente  and 
Kirchengerate  insbesondere;  endlich  die  Aasdrücke  fOr  die  Art  and  Weise 
der  litargischen  Handlangen. 

1.  Die  üblichen  Namen  für  den  Litarg  im  allgemeinen  sind  ep^H 
(Hep^H  =  legeifg)  and  nonb,  welche  Benennangen  gemeinsdiaftlich  ge- 
braucht werden,  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  in  der  Vorlage  etwa  saoerdos 
oder  presbyter  steht;  z.  B.  Mis.  Yrb.  I,  Fol.  146b:  xot6  epte  oypstTH 

C6  k'  mhch  HaHiipBO  TÄSTh  anb  (Paris,  Fol.  147,  ebenso:  xoTe  eptn  oype- 

x^^aTH  C6  KB  m'uih  tjetb)  ;  noHB  oÖJ^qeid»  b^  pnan  i^pkb6HH6,  ebenda, 
Fol.  145b.   Br.  II,  Yrb.,  Fol.  117:  cBp'niHBme  MHCoy  ep^H  aöne  cToen^e 

B  KopH  no^iHoyT'  auB.  Die  älteren  Vorlagen  und  die  von  denselben  ent- 
standenen Abschriften  unserer  Redaktion  übersetzen  IsQevg  mit  neptn, 
mit  noHB  dagegen  das  TtQBoßixeqog,  Im  Psalter  kommt  danach  Hepiv 
konsequent  vor;  z.  B.  Ps.  LXXVU.  64:  ep^H  hxb  opoyacHCHB  na^oy; 
XCVm.  6 :  MoHciH  n  'BpoyH'  b'  «p*Hx'  «ro;  ähnlich  Ps.  CIX.  4 ;  CXXXI. 
9  and  16.   Vgl.  Psalt.  Pasman.  in  Ulomci  sv.  Pisma  (J.  Beriic).    Da- 


Die  Nomenklatur  in  den  kroatisch-glai^olitiBehen  litorgisehen  Büchern.    569 

gegen  im  11.  Brev.  Nov.,  Fol.  143o:  an^e  kto  6ojraT'  b  BCb  aa  npnaoBeTL 

nomi  iq>KBHH6  (rtQogxaXeaAad'a)  toißg  TtQsaßvriQovg  rfjg  iuxlrjalag, 
Jac.  V.  14);  ähnlich  Act.  XIV.  22;  I.  Tim.  V.  17  nnd  19;  Tit.  I.  1.  In 
den  späteren  Texten  aber  begegnet  fast  immer  der  Anadmck  nonL ;  so 

z.  B.  in  dem  Tanfritns:  nah  ^hhh  KpHXL  na  ^sä%  Paris,  FoL  174b; 

niTb  npiofeTi»  oj^h  cth,  Fol.  1S5;  ebenda:  nni»  rj6TB  cne  opipie,  190b. 
(Vgl.  die  Ritaaltexte  bei  Elementoviö  nnd  Brosid.) 

Der  Name  npocBnrepi»  (TtqeaßiTBQog)  wird  in  unseren  Bflohem  nnr 
als  Attribut  der  zwei  Kirchenlehrer  Hieronymns  nnd  Beda  Venerabilis 

gebraneht;  so  im  Kalender,  Paris,  Fol.  5  a:  ßpoHHMa  nposBHTpa;  ebenso 

in  den  Anfschriften  seiner  Homilien:  om  ctfo  6poHHMa  nposBHTepa,  Brev. 

Vrb.  n,  Fol.  226b;  ebenda,  Fol.  213b:  omh  ^LCT'Haro  E^ah  npsBirpa. 
Der  Priester  als  Beichtvater  heißt  cnoB^^BHHKB,  ELlementovic,  p.  224  a 
u.  a.;  im  Codex  von  Siena:  noin>  otl  hchob^ah  (p.  2d). 

Die  anderen  an  der  Liturgie  beteiligten  Personen  sind  vor  allem  der 
Diakon,  und  Subdiakon.   In  Mis.  Vrb.,  Fol.  98  d,  liest  man  in  der  Rubrik 

jC^Kb  o6j[i^6H  b'  AAJMaTHKoy  BjH  KOToy;  weiter:  no^'neTb  nni>  aua. 

KaKaBB  ehjicKH  rjs;  in  beiden  Fällen  ist  vom  Diakon  die  Rede.  Auf 
den  Subdiakon  bezieht  sich  die  Vorschrift :  no^'A^^KOH  no^'neTL  a^th 
qT^HHs  npBO  663'  THToyza  ebendaselbst,  Fol.  100a.  Die  untergeordneten 
beim  Gottesdienste  sind  die  Kleriker,  die  bald  als  Lectores  oder  Can- 
tores  auftreten  und  zwar  einzeln  oder  im  Chor.  Der  gewöhnliche  Name 

fDr  die  Kleriker  ist  saKaHB;  Paris,  Fol.  1 85 :  HanpannT'  es  nni>  c  xaK^HH. 
Lector  heißt  in  älteren  Denkmälern  ^a>Ti>i;L  (qraip»),  Br.  I,  Vrb.  6d: 

Toy  ^LTBi];'  p'uh;  na  hhhxb  b'c^xb  ^'tghhxl  b'  koh'i^  tjetb  qrai^B .  th  ace 

ra  .  .  .  Nov.  II,  Fol.  2a;  der  Oantor  IIiBI>I^>,  Mis.  Vrb.  I,  1 14b:  na 
KOH^AH  x^TeHHH  ii^BAH  no^*HHT6  A^TH  .  .  . ;  CTaBma  ABa  no  cp^A^  xopa 
noHTa  Ao  arHOC,  ebenda,  Fol.  98  d.  Die  als  Diener  am  Gottesdienste  be- 
teiligten Laien  heißen  cjioyra,  cjoysBÖeHHKB,  Mis.  Vrb.  I,  Fol.  96  c: 

H  BCn  CJOyS^Ö^HHipi  TK06  I^BJOyiOTb. 

Mehrere  Namen  der  geistlichen  Würdenträger  sind  enthalten  in  der 
Aufschrift  der  Bulle  Urban  des  IV.  (1261—1264):  Oyp6aHi>  Öcicnii  pa($b 

paÖOBb  ÖSKBX'  qBCTHHML  B^  X^  6pHH  naTpH^pXOMB  apXH6HCK0MIi(!) 

H  npo^HMB  cTapimuHHaMi»  iq>kbh]imi»  noKzoH€HHe  n  aiucKO  Öjhh«, 
Not.  n,  FoL  167a.    Den  Ausdruck  nJOBani»  lesen  wir  in  einer 


570  Job.  Yajs, 

interessanten  Bnbrik,  die  an  einen  alten  Gebrauch  der  Eirohe  erinnert, 
nämlich  an  das  gemeinschaftliche  Begrllßen  derOl&nbigen 

T 

am  Ostertage:  H  no  tom'  er^a  onoio  lOTpino  njonan'  n  noim  h  bch 

jnoxn  MoyxH  h  aceHH  JcotfHKoyr'  cth  KpHXB  fahl  h  no  tovi»  Apoyrb 

Apoyra  jioönsae  rj6TL  .  BcKpce  xi>  .  obstb  Bhcthhoy,  Vrb.  Br.  m, 
Fol.  174a.  In  einem  neuerlich  entdeckten  Fragmente  eines  glagolitisohen 
Missais  (in  Bokitna,  Erain)  findet  sich  der  Name  Kaneaani»  in  folgender 

Note:  TG  nHoa  nnb  MapKO  AoäpoMoy  Moyxoy  r^Hoy  HBaHoy  Kane- 

janoy  es.  Hnana  na  ropn  na  jtb  fhexb  •«•»-^•v-  Die  Kirebenorden 

kommen  unter  dem  Namen  p«Ai>  vor  (Paris,  Fol.  5b:  aHTOHHi  hchbx  p^AE 

Maj[HXi>  6paTi>;  Mis.  Vrb.,  Fol.2i3b:  na  ahi>  cTroIl6Tpap6AanpoAHKi>(I) 
(Ordinis  Praedicatorum),  die  Ordensregel:  peroyja  (ÜOTieHST  peroyxa 
öpaTH«  H  cecTapb  ot  Kainna  xpeTora  pe^a  ÖJaseHora  ^an^^BCKa, 
Element.,  p.  12a:  Peroyja  noKop'HHXB,  ebendaselbst)  und  die  Ordens- 
gewänder aÖHTii:  H  p6i](H  »iHHHCTapB  cnpxoy  aÖHTa  h  cbhtl  oBoy 

MHTBoy,  p.  29  a.  Mit  dem  Namen  Pbaobehki»  wurden  auch  die  Glieder 
der  Ruralkapitel  bezeichnet;  Mis.  Vrb.  I,  Fol.  100a:  Ausfi  e  aobojs  pe- 
AOBHHKOBb  q'THT6  qpHA6iii[e  06 ;  für  die  Ordensgeistlichkeit  gebrauchte 
man  gewöhnlich  den  Ausdruck  ^paTapb  oder  KojioyAapi»  (*Hi;a}  z.  B. 
Paris,  Fol.  198 :  Maja  Öpax'^  h  KOJioyA'pH  npoAUKaB'un  .  peMerauH  xap- 
M6JHTH  KaB'qenaipi.   Ben  nonoB«  KOjLojj^fwjfi  h  bch  a'^i^i  •  bch  ce  na 

s^AB  oÖpaTHme  kko  pai9i.  Die  Zeugen  der  Taufgelflbde  heißen  Koyxb 
(Koyna  commater),  Paris,  Fol.  180a:  H  npncToyne  KoyMH  kh  xot6  Kp'cx; 
auch  coyTJb  (ital.  Santolo,  vgl.  Archiv  f.  slavische  Philologie,  T.  XXII, 
8.  527/28). 

2.  Die  liturgische  Stätte  vtaT  l^ox^iv  ecclesia,  templum  h^t 
in  den  glagolitischen  Denkmälern  iq)i>KH  (i^pHKn),  z.  B.:  Paris,  Fol.  177: 

bhuah  b  iqpKBB  6shio,  ingredere  in  templum  Dei  (Bit.  Rom.  in  dem 
Taufritus) ;  H  no  tohl  noHAoyT  c'  KpnseMB  oKOJioy  (I)  upincB^  noH>n^€ 

CH6  auH,  Mis.  Vrb.  I,  Fol.  74  c;  das  Wort  xpaMb  bedeutet  einfach  eine 
Menschenwohnung  (vgl.  die  drei  Orationen  in  Paris,  Fol.  184b — 185 

unter  dem  Titel  mtb  öjbhth  xpaMb).  In  den  slavischen  Eirchen  des 
griechischen  ßitus,  wo  der  Ausdruck  ojcTapL  den  ganzen  Raum  Ton  dem 
Iconostasium  bis  zu  der  Absis  bedeutet,  war  es  nötig,  noch  anderer  Worte 
sich  zu  bedienen,  um  die  Opferstätte  in  engerem  Sinne  zu  bezeichnen 
(xp^TBBHHiTB  u.  a.);  iu  unseren  Denkmälern  aber  begegnet  filr  das  Utei- 


Die  Nomenklatur  in  den  kroatiBch-glagolitiBchen  litorgiBchen  Büchern.    57 1 

niache  Altare  konsequent  nnr  die  Benennung  ojtTapi»,  Mia.  Yrb.  U, 

Fol.  94  d:  H  noTOML  noin>  c  xLaKHH  CBjn^H  ojiTpH  ^Toyii^e  ca  aus;  h 

HanpasH  xaK'HB  Kaiexi»  c  bhhom'  h  nojoxH  Ha  oirpb,  Fol.  1 02  d,  ebenda. 
Die  Rnheetätte  der  Gläubigen  heLßt  ipoiHTepb,  PariB,  Fol  173:  MHca  sa 
coyn^ee  b'  i^HMHTepi;  in  lüa.  Vrb.  I,  Fol.  185d  ebenso  (b'  miMHTepH). 

3.  Auch  die  Nomenklatur  mehrerer  Gegenstände  des  Eirchengerätes 
ist  ans  unseren  Denkmälern  belegbar.  Der  Kelch  wird  gewöhnlich  Ka- 
z£Xh  'genannt  (vgl  die  oben  ei-wähnte  Rubrik) ;  doch  im  I.  Mis.  Vrb., 

Fol.  90a,  lesen  wir  no  Tesa  upiiM6Tb  ^amoy  h  ap^eo  rjieTL  .  noAOÖHiiMB 
o6pa30Mi>.  Zum  Kelche  gehört  die  Patene,  aufweiche  die  Hostie  (omTHt, 
Mis.  Vrb.  I,  Fol.  90  b)  gelegt  und  mit  einer  Palla  bedeckt  wird.  Die 
Rubrik  ebenda,  Fol.  97d,  schreibt  vor:  Bpxi»  naTSHH  nojioa^H  TejiicHHKB 
Majra.  Der  Kelch  und  die  Hostie  werden  nicht  unmittelbar  auf  den 
Altar  gestellt,  derselbe  wird  vorher  mit  einem  oder  mehreren  länglichen 
Leintttchem  (Tobalea,  oy6poyci>)  bedeckt  und  außerdem  wird  in  der  Mitte 
desselben  ein  leinenes  Gorporale  (T^jcecbHHKL,  Kopnopajii»)  aufgebreitet. 
Vgl.  Mis.  I,  Vrb.,  Fol.  91  c:  h  npocLTpoyri.  eAant  oyöpoycb  na  ojETapn; 
npoc'rpH  KoyMnopajib  (sie!)  a:aKaHb  npxi»  oy6poyca,  ebenda,  Fol.  97e. 
Die  np^AOJiTapLHHi^a  (vgl.  das  Postscriptam  vom  J.  1457  in  Vatik.  4)  ist 
wahrscheinlich  ein  Altarvorhang  =Antipendium.  Ein  alter  Gebrauch 
ist  es,  den  ganzen  Kelch  sammt  den  Opfei^aben  mit  dem  Corporale  zu 
verhüllen  [1.  c.  noKpHeTb  KajrexB  TliJ[ecHHKOMi>,  Fol.  152  d);  heutzutage 
wird  dazu  ein  kleines  leinenes  Quadrat  (Palla,  t^jccehkl  Maatn)  gebraucht. 
Wein  und  Wasser  werden  zum  Gottesdienste  in  Ampeln  (Ampullae,  aM- 
^oyJ[H^H],  der  Weihrauch  in  der  Weihrauchbüchse  (Ka^H^LHincb)  gebracht; 
vgl.  Mia.  Vrb.  I,  Fol.  97 d:  sahhb  nanpasH  Ka^iLs'HHKi»  .  a  ABa  nasHBTa 
BcaKH  cTai^HHi^oy  H  Bas^rnTa  .  a  saheb  aM'noyjm^oy  c'  BOAoy.  Die  in 
der  eben  berührten  Rubrik  erwähnte  cTajnmi^a  kann  nichts  anderes  sein 
als  eine  Art  von  großen  Kerzen  (Intorticium) ;  sonst  werden  die  Kerzen 
CB§n^6  genannt,  außer  diesen  werden  in  der  Kirche,  besonders  zum  auf- 
bewahren des  ewigen  Lichtes  vor  dem  Tabernakel,  eine  oder  mehrere 
Lampen  (KaHA^B)  benutzt,  Mis.  Vrb.  U,  Fol.  94  c :  h  a&  ropH  oh' ah  ksh- 
fifiib  (alibi  KaHA^JH)  aokji^  ce  BasMe  3a  H)Tpa  ^acTHO  ca  CBHii^aMH  h  c 
KaAHJiOMi».  Der  Bestandteil  des  Altars,  das  Kreuz,  heißt  in  unaeren  Denk- 
mälern immer  KpHSi»  (BasMera  -ti-  xaKHa  Kpnau»  noKpseHB  h  cTasma 

np€A'  ojTpeMB  H  Bcnoexa). 

4.  Die  liturgischen  Gewänder  im  allgemeinen  heißen  pnan  (cbhth) 


572  Job.  Väjb, 

i^pLKBBBHHe  oder  napaMGHTb  (napaneHTn),  Mis.  I,  Yrb.,  Fol.  98b:  noni» 
oÖJi^^eHB  b'  pH3H  ipcB^HHe;  nm»  otfii^eHi»  b'  KopHS^iieHH  napaMeHTi», 
Fol.  100  a,  ebenda.  Besonders  sind  es  aiaHHTa  (cHaBii»  luaHHToy  nom», 
Mis.  n,  Fol.  1 0 1  b)  fttr  den  Priester  *) ;  fnr  den  Diakon  nnd  Snbdiakon  die 
AaiMaTHKa,  fOr  die  anderen  Kleriker  die  KOTa;  vgl.  die  oben  erwähnte 
Rubrik  a'^kl  o6jri^^6Hi>  b'  AaJMaTHKoy  iura  KOToy,  Mis.  Yrb.  I,  Fol.  98  d. 
Die  Mitra  heiüt  in  dem  Codex  von  Rbeims  Kopoyna,  Fol.  61b:  kahxb 

onTB  noA*  Kopoynoy  Mnra  cjoyKH. 

5.  Was  endlich  die  Art  nnd  Weise  der  Liturgie  selbst  betrifft,  sei 
hier  bemerkt,  daß  der  litur^sohe  Text  bloß  rezitiert  (rjaro2H)Ti»,  p€- 
KoyTB)  oder  gesungen  wird  (noiOTi>);  jedoch  von  der  Messe  sagt  man 

MHCoy  cJoysHTH,  Vrb.  Br.  I,  Fol.  33c:  h  onex'  miB  npmipaBHT  ce  cjoy- 
SHTH  MHCoy.  Die  eine  wie  die  andere  Art  des  Betons  hat  in  unseren 
Denkmälern  bestimmte  Regebi  und  Benennungen.  Die  einzelnen  Melodien 

heißen  tohh  (Mis.  Vrb.  I,  Fol.  79 d:  SHaMeHan'  C6  non  b  TOHb  ehi  (in 
Tono  Eyangelii),  und  das  Rezitieren  selbst  geschieht  entweder  clara 

▼oce  (Mis.  Yrb.  I,  Fol.  98a:  chc  p'i^  bhcokhmb  täc)  oder  yoco  sab- 
missa:  Otfpam'  ce  p'^H  jrax'KO,  Fol.  97  d:  p'ipiTe  BsracpHoy  (!)  ne  noion^e 
na  jaxKo  ^'toml,  Fol.  98b.   Der  oft  wiederkehrende  Ausdruck  secreto 

wird  vielerlei  verdolmetscht,  z.  B.:  npiicioH  ce  oyMSHo  rjeTb  b    tsh 

MHTBB  cHH)  rT«,  ebenda,  Fol.  97d;  Vrb.  Br.  I,  Fol.  8c:    mbOToii' 

BsrjcHT' ;  H  Toy  pipi .  0^6  naih  .  mj[I»komi>,  Brev.  Nov.  I,  FoL  115a. 
Das  wechselseitige  Beten  im  Chor  (altematim)  wird  mit  ^p^A^ii^s  ce 
ausgedrückt  (vgl.  die  oben  erwähnte  Rubrik,  Mis.  Vrb.  I,  Fol.  100  a),  wo- 
von ^tAi>HnKB,  hebdomadarius,  herkommt. 

Von  den  liturgischen  Handlungen  berühre  ich  nur,  daß  die  Formel 
in  forma  crucis  neben  der  wörtlichen  Übersetzung  (bb  o6pa3b  KpHxa) 
öfters  mit  bloßem  Instrumental  (modi)  übersetzt  wird;  so  z.  B.  in  dem 
Taufritus :  noÄOTSMTh  KpHS^Moy  Ha  T^Me  bl  o6pa3'  KpHxa,  Paris,  Fol.  180b; 

noMaaiH  ojiieMi»  np'cH  h  njen^  KpnseML,  ebenda;  bjAh  oAv,  bb  B^oy 

Kpiub»,  Fol.  180;  pasA^Lra  BOAoy  KpnxeMb,  Fol.  179b;  auch  Ha  Kpnxb: 


*)  Zum  Ausdruck  luaHirca  verweise  ich  auf  den  Aufsatz  Prof.  Lavrov'a 
in  den  akademischen  HsBicTin  III  (1898),  S.  532  ff.,  wo  aus  dem  Grigorovic- 
sehen  Paroemienbuch  schon  xuaniTa  nachgewiesen  wird.  Beachtenswert  ist 
das  hier  ganz  nach  griechischer  Weise  für  r^  eintretende  slavische  h  in  iLxa- 

BHTa.  V.  J. 


Die  Nomenklatur  in  den  kroatifloh-glagolitiBchen  litnrgischen  BUohem.   573 

xaxHe  Ha  SAoy  Ha  rphseb  h  rier  CHe,  Fol.  180.    Vgl.  Mis.  I,  Yrb., 

Fol.  99  o:  npHjranH  b'  CBHii^oy  6jraoy  TaM'^HB  KpHxeML. 

Als  Abschluß  dieser  ans  Mangel  der  nötigen  Texte  nnvollstftndigen 
Abhandlung  möge  ein  aus  den  glagolitischen  Denkmälern  zusammen- 
geatellter  Namenelenchus  dienen ,  in  welchem  diejenigen  Ausdrücke,  zu 
denen  ich  in  den  ftlteren  Handschriften  keinen  Beleg  finden  konnte ,  mit 
einem  *  versehen  sind  (Ende  des  XV.  und  XVL  Jahrb.);  jene  mit  ** 
registrierten  sind  diejenigen,  die  erst  in  den  Büchern  des  XYII.  und 
XYIIL  Jahrb.  Torkommen. 


Elenchus. 


Abbas. 

Absolutio. 

Adventus. 

Alba. 

Allelnia. 

Altare. 

Altematim. 

Amen. 

Ampulla. 

Aniversariadies;  aniversarium. 

Annunciatio  b.  Mariae. 

Annus ;  a.  bissextOis. 

Antipendium. 

Antiphona. 

Apostolus. 

Arehiepiscopus. 

Aqua  benedieta. 

Artieulus  (fidei). 

Ascensio  DominL  - 

Aspergo. 

Aspersorium. 

Assumptio  b.  Mariae. 

Baptisma. 
Benedictio. 


B.  agni  Paschalis. 

B.  anuli. 

B.  aquae  in  yirgilia  Epitaniae;  die 
Dominico. 


Abstl,  OnaxL. 

IIpiiiii&crBHe,  npHsncTBOi  upam&czHc. 

*Az6h,  **BiJUk  pna. 

Axiuoyi. 

Odnap&,  **3Cp&TB&HXKL. 

H^ijiemfi  c«. 

ÄMeHK. 

AMnoyjuiaa,  CBCoyx&m. 

OtfxoffLHH  abhl;  roAm«. 

EjiaroBtmeHH6,  KiaroBiiiiaHie  6.  MapH«. 

üiTo;  npicToyiu. 

^IIpixoJiTapBHHiia. 

AHTHnoHa,  AsTHnoHL,  Ahth*oh&. 

AnOCTOJKB. 

ApxiÖHCKoyiiL. 
BoAa  6xaxH>cxoBJ[6Ha. 
*H.iaHL  (q.i<Hi)  B%pH. 

B8H6C«HH6  rOCnOAH« ;  *KpHX«BO. 
ORponuTs,  IIOKpoaHTH. 

♦♦Kponnoio. 

BB9HeC«HHe,  nptCTaBJ['6HU6  6.  M. 

KpLmsHH«,  Kpm«Hi6,  KpLoii. 
E.xarocAOBHTs,  EjiaroGJiOBiieHa«,  *Eiaro- 
(MOB&,  3HaM6HaTH,  3HaMeHaHa«,  -na- 

BaHH6. 

EdiaroaioBHTH  arnma    Ha  UacKoy  (na 
BcKptmeHB«  rocnoxLB*6)|  *Ha  BasaiiB. 

£.  npCT8HB. 

E.  BOAoy  Ha  6«H*aHHH> ;  BcaKoy  HextzB). 


574 


Job.  YajB, 


B.  casei  et  ovoram. 

B.  ad  commeetibile  qaodounqae. 

B.  domoB  (yel  loci). 

B.  fructunin. 

B.  leguminnm. 

B.  mensae. 

B.  naTis  novae. 

B.  panis  et  fmctaum. 

B.  Balis  et  avenae. 

B.  uvaram. 

B.  ad  tondendoB  ei^illoB. 

BenedictuB  (Ganticam). 

Biblia. 

Breviariom. 

Bolla. 

Bona. 

Caeremoniae. 

Calendarimn. 

Galigae  (et  pedulea). 

Calix. 

Gampannlla. 

Gandelabmm. 

Ganon  (MisBae). 

GanonicuB. 

Ganticnm. 

GapellanuB. 

Gapitalani. 

GasoB  (papaliBi  epiBcop.) ;  c.  reBervatus 

Papae. 
Gelebrare  (MiBBam);  in  PontificalibiiB. 
Gella. 
GcellariiiB. 
GhriBma. 
Gingolom. 
GlauBora. 
GlericuB. 
Goemeterinm. 
Goenobita. 
Golleeta. 

Golor  (paramentomm). 
Gommendatio  animae. 
Gommemoratio. 


*Ej[aroc20BB  CLBpixoy  BcaK6  mme. 
£jiarocxoBHTHxpaicB,*&KarocjioBB  Roymc 

(HJH  Mtcra). 
KiarocjiOBMTH  otomii,  ifULsa. 
£.  co^HBo,  *6.  BapHHoy. 
*£j[arocjiOBB  CTOja,  **6.  TpancsH. 
*RxarocjiOBi  höbe«  luaBH. 
*£jiarocjiOBHTH  some  h  KpoyzL,  ^^Ejiaro- 

CJOBB  Kpoyza. 
EjiaroaEOBHTH  coji&  h  boÖb. 
£.  rpo8AB. 
MOJIBTBa  nocTpHmH  BJiaCK. 

EjiarocJioBj[^6HB;  II%chb  SazapniHa. 

EpBBHijTB,  EpBBtJIB,  **HaCOCJIOBB. 

Eoyjia. 
**MomBaa. 

HaBH^av. 

KajisHBAapB,  KoJCAapB. 
KonHTiia  a  6h^b<. 
KaJiQXB,  Hama. 

*3B0HBItB. 
ÜBimSHICB. 

TaHHa,  **npaBHJio  (loica). 

*KaHOHBKB. 
n%CHB,  RaHTHRa. 

KanuanB,  IIoApoyxBHKRB. 
KanüToy^B,  ^^r^uBma. 
*Ka8B  (naiiHHB,  6HCRoyiLn>);  r.  msb  nart 
npHcioHTB.  [sey. 

GxoyjRHTH  BCRCoy;  c.  mooy  noxa  Kopoy- 
Foynuma  (RAmsua). 
Kiio^apB,  ROHOÖapB. 
KpHSMa. 
♦*IIoicB. 

SaKJKOlIB. 

Ab^rb,  KK«prB,  SB^aRaHB. 
IXHMsrepB. 

IIiHO($KTB. 

Vide  Oratio. 

♦♦iXBtTB. 

IIptnopoy^eHi«,  Hanopoyveax«  M,ojwn. 
BBonoMcscTfm«,  BBcnoMfHoyvB«,  ButtXH 

MHHaHRe. 


Die  Nomenklatur  in  den  kroatifich-glagolitischen  litorgischen  Büchern.    575 


Commune  (Sanctorum) ;  de  Commnni. 

Oommunale  (über). 
Commnnio  (antiphona). 
Communio  (fidelium). 
Communio  (sacramentalis). 
Completorium. 

Gonfessarius. 

Confeeeio. 

Confirmatio. 

Congregatio. 

Contritio ;  contritUB. 

Gorporale. 

Gotta. 

Gmz. 

Guculla. 

Curia. 

CjcluB  «pactamm. 


Dalmatica. 

Decanus. 

Deeolatio  s.  loannis. 

Dedicatio  (consecratio  ecclesiae). 

Degrsdare. 

DiaconuB. 

DioecesiB. 

Directoriom  (Ordo  Officii). 

BiBciplina. 

Doctor  (eccleaiae). 
Dominica. 
D.  Paknamm. 
D.  PaBBioniB. 
D.  PentecoBtes. 
D.  in  QnadrageBxma. 
D.  Quinquageatma. 

D.  BesurectioniB. 

D.  SeptogeBima;  a  Septuageflima. 


D.  SeiagaBiflia. 


KoMoyHB,  OiimHHa,  3((opi,**Onm<e;  o6b- 

niHHBHB. 

*36opBnB,  ♦KoMoyHB. 

n^CHBy  **iIpH^em6HH6. 
IIpHApOy3K6HH6  (b^PBHHXB). 
EpamBHBKBj  npE^6IIt6HH6. 

KoyMnj^Ta,  KoyMn.iiTB,  ^IlaBeqepHiraa, 
'''*noBe?6pHe. 

*GnOBiABHHKB,  '^IIonB  OTB  HCnOB^AH. 

*GnaBfkKhj  ^HcnoB^AB. 

KpHBMa,  ^KpHBMaHBS. 

GxoAB,  CzoAHme. 
GBKpoymeHHe;  CBKpoymsHB. 
(EoyMnopajB),  TlxecBHVRB. 
Koia. 

KpHXCB. 

KoyKoyja. 

/(BOpB. 

**KoJO  snaRTB. 


/lajiMaTHKa. 

Ojcinenue  täabe  Hsana  Kp. 

KpBmeHHS,  CB6m6HS6. 
IIOHHBHTH. 

j!(BtKOHL,  Ab^rb;  Jl.  eBaHhuBCRH,  Ha- 

RaHB  6BaHh6JBCKX. 

EHCRoynni. 

CBRaSB  (0«HIlEi). 

*JluinHn.iHHa  (^enuiiuiHHa),   HaKasaHHe, 

xeneHse  nuiÖaMH. 
jl^ORToypB,  Haoy^iTSjai  Oy^EieJcs. 
HeAi^'t. 
H.  HBiTBHa. 
H.  MoyRJi. 
H.  ÜeTeROCTBHa. 
H.  nocTa. 
H.  Ha  MsconoycTB,  llftTAeoaTBar  **nex«- 

ceTBHHiia. 
H.  BBCRpBC6HHi  vlde  Pascha. 
H.  GeAMBAecsTBBa,  ll€ffmßEM9  ajcxoyt, 

**OeAMBffec«TBHn]|a ;    otb    uojmnaA 

ajituoyil. 
H.  np%AB  MeconoycTOMB;  H.  III«cxBXff^ 

ceTBHa,  **IIIecTBXeceTBHHiia. 


576 


Job.  VajB, 


Ecdesia. 

Epacta. 

Epiphania;  (ab  Epifania  nBqne  ad 

Cinerea). 
EpiscopatoB. 
EpiBcopiiB. 
EpiBtola. 
Eremita. 
Evangeliam. 
Excommonicatio  (e.  maior,  e.  minor). 

Ezcomunico. 
Exeqniae. 
ExorcifimiiB. 
Exorcizo. 
Extrema  Unctio. 

Facultas. 
Feria;  feriaüB. 
F.  secnnda. 
F.  tertia. 

F.  qoarta  (Cinerom). 
F.  qninta. 
F.  sexta. 
FeBtom ;  f.  fori. 

F.  duplex  (d.  maiiiB,  miniu). 

F.  Bemidnplex. 

F.  Bimplex. 

Forma  (Sacramentomm). 

Genoflecto. 

Gloria  (hymnos). 
Gradaale. 
Gratianim  actio. 
GratiaB  ago. 

HabitoB  (YeBtiB  monachi). 
HebdomaB;  h.  maior. 
HebdomadarinB. 
Hora  (oanonioa). 
HoBtia. 


Kp&RH,  **XpaM&. 

GnaKTa. 

€iui*aHHi,  €*H*aHHi,  Kpm«H'e  rocnoxE«; 

*IIp£KpBcza ;  (m«coü  =3  Mecoixxa). 
EHCRoyncTBO. 
EscRoyiu,  €iuicK0SL. 

BoHCTOJIHi. 
P«MKTa. 

6BaHh«jm. 
n.  Maji06. 

üpOKJieTH,  OTJKOy^ETB  8aKJI6TB0y. 

**3aAoymBHH. 

SauiHaHaa,  3HaHeHaKn«,  -HaaaHH«. 
3aR.SHHaxfl,  SHaifSHaiH,  -HasaTH. 
Yide  Ünctio. 

AonoymsHHe. 

$epil%,  IIpOCTH  ABHB ;  ^«pMaXBCKL. 

BLTopv,  OyTops,   BBTopaKB,   OyropaK, 

BxopHHKB. 

GpiAa  (üeatfJi&Hima). 

HeXBpLTH,  ^«TBpTBKB. 
IleTH,  IISTBKB. 

EyiarLABBB,  IIpaBAHjiKB,  GBeTBUB ;  E.  ta- 

nOBixaHE, VBCIBEB,  ^HCIHBB. 

AoyDJieRCB,AoyiLXB;  Bema^MBsa;  **/(bo- 

cxpoysB,  ♦*Coyroy(jB. 
C« MHÄoyn-MKCB ,  ♦♦üojioyÄBOcrpoyKB, 

♦♦üojoycoyroyÖB. 
MajiH  ödiarffBHB,  **IIpociH. 
TBopB,  *$opMa  ($oypMa). 

noRJioHHTH  c«  Ha  KOJc^sa ;  üptK^ioann 

ROJiiHa. 

GjtaBa  (nicHB  aHh&XBCRa). 
ntcHB,  **(jTevLeYLEiA,  "^^OroyiUHKB. 
*3azBiki*6Ha6;  ^XBaiRBBSAanae. 
'^3axBajiHTE,  zBajioy  BBSAaTS. 

*A6htb. 
CexMEua;  c.  B«ja. 

^piABHHRB,  H«A%'HHRB. 

FoffHHa,  Oypa,  **^acB ;  pl.  BpiMraa. 

0CTH%  (OniTHi),  ]KpBTBa. 


Die  NomenkUtnr  in  den  kroatiBch-glsgolitiBchen  litnrgiBchen  Bttohern.    577 


Hnmerale. 

**Harj[aBBHHK&. 

Hymnns. 

HMHa,  Hmihi. 

Incenso. 

ÜOKUHTH. 

Indnlgentiae. 

OrnoycTiKB. 

Innooentes;  festom  Ss.  Innocentanm. 

MjtLaAimH;  cb.  MjiaMaui&* 

Interdietnm. 

*npHnoBiXB,  **OnoBiXB. 

Intorticiam. 

GradiLHima. 

IntroitOB. 

nicHB,  ♦♦ÜpHCTOyEB. 

InYitatorinm  (yerstanden  $üb  in  vita- 

EHTaxopat  (BHraToprt),  **3a90Bb, 

toriom). 

Itinerariam. 

**HaiIOyTHBKB. 

Inbilenm. 

KMutH  (H)Ö«jaa). 

Lampas. 

KaHAHJIb  (KftHAtJIL]. 

Landes. 

MaxoTHHa,  '''^GLiaBoaiOBBa,  XBaju. 

Lectica. 

♦Oäpb. 

Lectio. 

JleEKHt,  ^TeHHe. 

Leotor. 

^Tiub,  **M^iiTaTejiB. 

Lintenm. 

Poy^HURB. 

Litania,  -ae. 

JI6T6HI«  plnr. 

Magieter. 

MsniTpB. 

Magnificat  (Ganticnm). 

Be  JH^UTB ;  nicHB  6.  MapH«. 

ManipnloB. 

*HapoyiiBHHRB. 

Martyr. 

Moy^eHHKB,  Moy^eHHi(a. 

Hartyrologinm. 

KajieHxapB,  **Moy^eHHKOCJKOBB. 

Materia. 

TBapB,  *MaTepB%. 

Matrimonium  (Sacramentnm). 

MaTpHMOHHH,  ^«HETBa. 

Matntinnm. 

Kh-pn'*. 

Matntinale  (liber). 

MaTOTHHajB. 

Mensnra. 

MHproyRB. 

Minister;  M.  provinciaüs,  generalis. 

*MHHHCTapB|  GioyauiTejiB,  M.«HepajB; 

npOBHHBQHiJB. 

Ministrans. 

%iRaHB,  GdEoyra  i^pkbbhh,  GioyxB6«- 

HHKB. 

Missa. 

MBmi,  MBma,  MHca. 

M.  Defhnctomm. 

M.  3a  MpxBH,  sa  oyMpmea. 

M.  votiya. 

*M.  oÖiTHat. 

M.  pro  sponso  et  sponsa. 

M.  OTB  MaTpHMOHBi,  *8a  XtHHXa   H  H6- 

BicToy.                                             ' 

M.  pro  coneordia. 

M.  Sa  CBpe3KA8HH6  (cp««Hi6)  ÖpaTHS. 

M.  pro  congregatione. 

M.  3a  36opHme. 

M.  pro  incolis  loci. 

M.  8a  CTaHOBHTBCTBO  MtCTa. 

M.  pro  synodo  annna  episcopomm. 

M.  8a  AiTBHo  CKoyiLs*«HHe  ÖHOKoym. 

M.  tempore  belli. 

M.  BB  Bp^Me  öopeHHi  (pBBaHe);  **6pau. 

▲xchiT  fikr  slikTiaobe  Pliilologi«.   lliX. 

37 

578 


Jos.  Vajs, 


M.  tempore  famis. 
M.  tempore  pestis. 

M.  ad  poBtalandam  continentiam. 
M.  ad  postnlandam  humilitatem,  pln- 

yiam,  Berenitatem. 
M.  ad  repellendas  tempestatee. 
M.  ad  repellendas  malas  cogitationes. 
M.  contra  paganos. 
M.  contra  persecntores  et  male 

agentes. 
M.  pro  constitato  in  carcere. 
M.  pro  petitione  lacrymaram. 
M.  pro  publice  poenitentiboB. 
M.  pro  qaacunqae  necessitate. 
M.  pro  quaconque  tribnlatione. 
HiBsale. 

MiBsam  legere,  dicere. 
Mitra. 
MonachuB. 
MonaBterimn. 

Kativitas  Domini. 
Nona  (hora  can.) 

Oocnrentia  festomm. 
Octava ;  infra  Octavam. 

Offertoriom. 

Officinm  (canonicum).     . 

Oratio  (Gollecta). 

Ordinatio  (GonBtitatio). 

Ordino. 

Ordo  (Sacramentnm  yel  0.  regnlariom). 

Ordo  (Miasae). 

Palinm. 

Palla. 

Papa. 

Paramenta  (vcBtCB  litorgicae). 

ParaBceye. 

ParochoB  (plebanna). 

PaBcha. 

PaBBio  (cantoB). 

Patena. 

Patriarcha. 


M.  sa  HeiuoAiio  Bptice  CKBOst  rjiaA&. 
H.  erxa  ^JiOBiuH  (zioah6),  ckoth  (cRon) 
iipoyT&. 

M.  CRBOBi  CL(jiaXH6B16  RIhTK, 

M.  npocHTH  ojuEÄ^iKEi,  x&acxa,  Baxpa. 

M.  Ha  orrousHHe  rpaAa  (Toyv«). 
M.  oinoyAHTH  aiH«  mhcjch. 
M.  npoTH(B07}  noraHoscL. 
H.  3a  pBBft^e,  npoTu(Boy)  8.uimb. 

H.  8a  npaiT&i'a  coyma  bb  oy3H. 

M.  sa  npomaEH«  cjtBSB. 

H.  sa  OHoro  rh  BcnoBtiaerB  rpixx  cbo«. 

M.  8a  Roy  roxi  norpiöoy. 

M.  8a  Rorepoy  .iKMk)  CRpLÖB. 

HBoaxB. 

Yide  Celebrare. 

KopoyHa. 

Mhhzb,  Mhhidbxib. 

MaHacTspB,  MoicxHpB. 


Po»:abctbo,  PoncTBoFocnoAR^e, 
HoHa,  **A«BeTH  ?acB. 

*npHR.soyv«HBe. 

ORTRBa,  OxTBÖa,  **OcMHHa,  **OGifBQa; 
Mezxoy  ÜKiaBoy,  vpicB  OaiaBoy. 

niCHB,  ♦♦0#ap.,  ♦♦npKHOCB. 

0«HXiaH,  Cjoyx6a,  ^heb. 

OpauHt  (OrpaERi),  MojRTBa. 

Hap6XB6a. 

Ha  PttAB  craBRTH,  sapcARTH. 

*P6AB  (CB6TH)  ;  P.  nOROpBHRZl. 
^HB  MRCH.  ^ 

Kana. 

Ti^ecBHHRB  MaxR,  **IIajia. 

nana. 

üapaMeHTB,    PrSH    RpBRBBBHae,     (^STH 
npBRBBBHR«. 

üapacReBhHt. 

ÜJiOBaHB. 

Ilacxa,  nacRa,  ^BaaaHB. 
IlacHOHB,  MoyRa. 
IlaTeHa  (IlartBa). 

üaTpHtpXB. 


Die  Nomenklatur  in  den  kroatifich-glagolitiachen  liturgischen  Büchern.   579 


PatrinüB. 

Patronus  (in  Officio). 

Pentecostes. 

Planeta. 

PoenltenB. 

Poenitentia   (Saoramentam);   poeni- 

tentialis;  cfir.  PsalmaB. 
Pontifex  (0mnmuB). 
PortariüB. 
PoBteonunnnio. 

Praefatio. 

Praelatos. 

PraepoBitoa. 

PrecoB  (in  Officio). 

ProBbyter  (vide  SacerdoB). 

Prima  (hora  canon.). 

ProceBsio. 

ProfeBBio  fidei. 

PrologOB. 

Propheta. 

Prophetia  (Lectio). 

PBalmnB,  pBalmi  poenitentiaLes. 

PBalteriom. 
Porificatio  b.  Mariae. 
Porificatoriam. 

QnadrageBima. 

QnadragesimallB. 

Qnataor  tempora;  q.  tempornm. 

Begnla. 
RegolariB  m.,  f. 

BeBponanm,  BcBponBorinm ;  Bespon- 

Bor.  breve. 
SogationcB,  B.  dies. 
Babrica. 

Sabbatom. 

SacerdoB  (vide  PreBbjrter). 

S.  Baecnlaris. 

Sacramentam. 

SanctiBBimam  (EnchariBtia). 


KoyMB,  Coyr-iB^ 

**3aiUHTHHKB,  THTOyJL. 

neraRocTH,  *AoyxoBH. 
UsaHHTa. 

nOKOpLHHKL,  -HUa. 
IIoKopeHHs;  nOKOpLHB. 

^BejHEH  ApxHepiii, 

BpaTapL. 

no   ÖpaniBHmH  (opaiixi),  **IIonpne- 

npo«aiui£,  nponaixHi,  **IIpixBCX0BMe* 
OiapiHmHHa  upbkbbbhk;  *npuaxB. 
IIpHnoymB,  npenoyncB. 
npocB6z. 

IIp03BHT«pB,  IIonL. 

npHMa,  ♦*npLBH  qacB. 
*^po^«c]I$,  *06xoÄB. 
*npo*ecB ;  vide  Symbolom. 
üpaiorB. 
üpopoKB. 

HreHHe,  **IIap«MH£. 
ücajiBMB;  *ncajiBiui  noKopBHH,  ^nc.  sa 
noRopoy. 

ÜCaJiTHpB  (CajiTirpB),  IIcaZMHCTB. 

O^HmeHEs  6.  KapH«. 
*Oy6poycB^B,  **Hhctbjbhhkb. 

KopHSHa,  *^eTHpaxec«THjma. 
*Kopa8HBHB,  **qrrapHA«c«TBHH^BHB. 
KaarpH ;  KBaTpBHB,  xeacnopBHB. 

♦P«royjia. 

*KoÄoyÄ»pB,  ^Roxoyxpma,  P«äobbhhkb, 

^parapB. 
PemnoHB,  Otb^tb  ;  PemnoHB  KpaTBu. 

**IIpoc6BHK  Aue  (ÜpomBÖBHi). 
Poy6pHKa,    *CKa8B,    **iipbicbhb    cxasB, 

**«[pBBi[8Hima. 

CkKSora,  Goytfora. 

HepiV,  noiIB,  PSXOBBHHKB,  ^GBfmeHXXB. 
nonB  *CB£X0BBHa. 

TaHHa,  GB<T6a,  CB<m8HRe,*IIocB«iKuni(e. 
TkÄO  6oacH«;  T.  XpCTOBo. 

37* 


580  Job.  Yaji,  Die  KomMÜdaftor  bt  dts  kroftt-glagolü  litaxgiioli«  Mcban. 


SaÜBfactio;  b.  imponere. 

IIoKopa;  n.  bikxbcte. 

Scala. 

GKajuk. 

Secreta. 

HaxB  npaHomsEHeia  (opaiurt),  ^Taasat. 

Seoretariom,  aacriBtia. 

**FwiBMHh. 

Sepnltnra. 

norp«6i. 

Seqnentia. 

in<xB«imt,  **noGiijuBHal^  ^'Kiciffb- 

HHiMk,  **nocjrixiaMiia. 

Sexta  (hora  oanon.). 

GeRcxa,  JilaRCTa,  GcKiiiTa^^^IIIccxE  VBCk. 

SpoüBiiB;  -a. 

^eHHXB,  HeB^cra. 

Statio  (featiyltas). 

Groem«  oy- ;  **OiotHH«,  **(>nuiBOBa. 

Stola. 

«inmia. 

SnbdiaoomiB. 

UOABAHtROHS. 

Snifragia  (Precee). 

IIOMOmH  CB6THXL. 

SoBpeiiBio. 

*C&xpBKaHM«    (Goyxp&xaan),   **06o7- 

CTaBJI[6HH«. 

Tabnla,  tabella. 

Ta6^  TfttUma. 

TempiiB  t  PaBohale. 

Otl  nacKX  ao  nsrnocia ;  **Bpta«  II»- 

CZ0BBH06. 

TempiiB  t  ab  Epifania  ad  CfBeraa. 

Mscoixxa  (Mttcobiha). 

Tertia  (hora  canon.]. 

Tspna,  ♦♦TpBTH  ^a<». 

Thoribuliun. 

KanLELHEKL. 

Tituliu;  Bine  titalo. 

TüToyjn ;  6€9  Tiroyju. 

Tobalea  (mappa). 

Oy6poyoa. 

TonuB;  t  evangeliL 

TOHL  ;  T.  SBaHfaUBi. 

TractUB. 

TpaxxL,  "^"^Bxi^BXKB,  **Bj[$KOiiat. 

Tanica. 

GoyRHa. 

Unetio  extraema. 

IIo&iiffiH^a  iiauuue,  MasL  cb.  oüii«m, 

*OyjiHtHEa. 

YelniD. 

B«jioyMB,  Oy6poyc&,  *Poytf&iiB. 

VersoB,  yerBicnluB. 

Otbxl. 

VeBperae. 

B«EepH*i. 

VicariiiB. 

*BHKapHH,  *HBMtCT&HlX&. 

Vidua. 

BBAOia. 

Vigilia. 

BshiuHt^  HaB«^«pB0,  HaB«vcpM. 

Virgo. 

ÄiBa. 

Prag,  2.  Min  1908. 


Jos.  Vajs. 


Kritischer  Anzeiger« 


Dr.  Job.  Ear&sek:  Slavische  Uteratiirgeseluchte. '^) 

IIL  Öechischer  Teil 
(Mit  TOTangehender  allgemeiner  <)  Beeprechimg  des  ganzen  Bnches.) 

In  immittelbarem  Anschloß  an  die  bereits  erschienenen  Besprechungen 
des  slovenischen  nnd  des  serbokroatischen  Teiles  folgt  hier  dieser  Aufsatz,  der 
sich  znr  Aufgabe  gemacht  hat,  die  6echischen  Bestandteile  in  der  »Slavischen 
Literaturgeschichte«  Kariseks  einer  gerechten  Kritik  zu  unterziehen  und  die 
solchen  Partien  anhaftenden  Mängel  nach  Möglichkeit  zu  berichtigen.  Bevor 
jedoch  das  Einzelbild  der  6echischen  Literatur  besprochen  werden  soll,  ist  es 
wohl  angezeigt,  über  den  —  in  vorhergehenden  Spezialrezensionen  begreif- 
licherweise nicht  berührten  —  Gesamtrahmen  (nämlich  Komposition  d.  h.  An- 
ordnung und  Verwertung  des  Stoffes)  der  Kariuekschen  Arbeit  auch  einiges 
vorauszuschicken. 

Meine  Besprechung  gilt  folglich  einer  »slavischen  Literaturgeschichte«. 
Ja,  können  wir  überhaupt  von  einer  »slavischen  Literatur«  sprechen?  Gewiß, 
denn  eine  solche  hat  es  gegeben;  und  eigentlich  nein,  denn  eine  solche  gibt  es 
längst  nicht  mehr:  £s  verhält  sich  damit  genau  so,  wie  mit  einer  »slavischen 
Sprache«.  Wie  haben  wir  das  nun  zu  verstehen?  Für  den  ältesten  Zeitraum 
muß  man  tatsächlich  den  unzweifelhaften  Bestand  eines  einheitlichen  Schrift- 
tums in  altkirchenslavischer  Sprache  widerspruchslos  anerkennen ;  das  weite 
Band  dieser  —  unter  dem  Hauche  byzantinischer  Kultur  entsprossenen  — 
Literatur  umschlang  wirklich  alle  slavischen  Stämme.  Trotz  alledem  bewegten 
sich  die  Slaven  im  Grunde  bereits  von  jeher  auf  zwei  streng  voneinander  ge- 
schiedenen Bahnen;  im  Gegensatz  zu  den  —  im  großen  und  ganzen  von  An&ng 
an  der  byzantinischen  Bildung  huldigenden  —  Südostslaven  beugten  sich  die 
Nordwestslaven  (und  zum  Teil  auch  Sttdslaven)  von  Anbeginn  an  unter  dem 
Joche  römischer  Ctesittung,  welcher  Umstand  selbstverständlich  ebenfalls  in 
den  Schriftwerken  beider  Gruppen  sehr  bald  beredten  Widerhall  fand.  Aller- 


*)  Vgl.  Archiv  XXIX,  140  ff. 

>)  Diese  Bezension  hat  nach  dem  ursprünglichen  Plan  an  der  Spitie  sämt- 
licher Spezialkritiken  über  die  Kar&seksche  Schrift  stehen  sollen. 


582  EritiBcher  Anzeiger. 

dings  bildeten  anderseits  die  Literaturen  der  Süd-  nnd  Ostslaven  miteinander 
bis  tief  in  die  Nenzeit  hinein  ein  unzertrennbares  Ganzes;  auch  bei  den  Nord- 
westslaven ging  es  natürlich  nicht  ohne  Wechselbeziehungen  ab,  wovon  schon 
die  —  durch  Befruchtung  seitens  der  6echischen  Literatur  ins  Leben  gerufenen 
—  altpolnischen  Schriftdenkmäler  lautes  Zeugnis  ablegen ;  eine  gewisse  Ver- 
mittlerrolle zwischen  diesen  im  römischen  und  jenen  im  byzantinischen  Kultor- 
lager  stehenden  Volksgenossen  fiel  eiaem  Teile  der  Südslaven  (den  westlichen 
Serbokroaten  und  den  Slovenen)  zu,  dem  es  an  Berührungspunkten  im  Schrift- 
tum (zurBeformationszeit)  ebenfalls  nicht  mangelt  usw.  Mit  der  gegen  Ende  dea 
achtzehnten  Jahrhunderts  stattgefundenen  nationalen  Wiedergeburt  gerieten 
alle  slavischen  Literaturen  ohne  Unterschied  nach  und  nach  in  das  Fahrwasser 
des  alle  Volkseigentümlichkeiten  eindämmenden  Westeuropäertums,  und  den- 
noch begegnen  wir  bei  den  Slaven  auch  da  stellenweise  gegenseitigen  Einflüssen 
auf  literarischem  Boden  (vgl.  z.B.  den  6echisohen  Einfluß  auf  denDlyrismus!). 
Auf  welche  Weise  ging  nun  die  Wissenschaft  diesem  verwickelten  Problem 
zu  Leibe,  wie  suchte  sie  dieser  schwierigen  Aufgabe  Herr  zu  werden?  Einer 
wahrhaft  systematischen  Behandlung  hat  diesen  Gegenstand  in  seiner  Gesamt- 
heit bisher  eigentlich  bloß  A.  N.  Pypin  als  erster  und  letzter  (im  Verein  mit 
W.  Spasowicz  für  den  polnischen  Teil)  unterzogen  in  seinem  berühmten  Werke, 
das  jedoch  wohl  erst  in  seiner  gänzlich  umgestalteten  und  sehr  stark  vermehrten 
zweiten  Auflage  zur  vollen  Entfaltung  gelangen  konnte^.  Welchen  methodi- 
schen Weg  schlägt  nun  Pypin  in  seiner  Arbeit  ein?  Schon  der  Titel  seines 
Werkes  in  beiden  Auflagen  spricht  von  »slavischen  Literaturen« ;  damit  stimmt 
natürlich  auch  der  Text  vollkommen  überein,  der  (in  der  zweiten  Auflage)  — 
abgesehen  von  den  zwei  allgemein  gehaltenen  Abschnitten  zu  Anfang  und  zu 
Ende  des  Buches  —  eine  Reihe  gänzlich  selbständiger  und  durchaus  unab- 
hängiger Literaturgeschichten  der  einzelnen  slavischen  Volksstämme  (mit  Aus- 
nahme der  Großrussen]  —  natürlich  unter  stetigem  Hinweis  auf  die  mit 
peinlichster  Gewissenhaftigkeit  registrierten  jeweiligen  Wechselbeziehungen 
zwischen  den  Schwesterliteraturen  —  in  ihrer  Gesamtheit  mechanisch  neben- 
einander stellt^.  Pypin  war  in  seiner  Nebeneinanderstellung  slavischer  Lite- 


^)  In  erster  Auflage  erschien  das  Buch  nur  russisch  und  führte  den  Titel: 
»Obzor  istorii  slavjanskich  literatur«  (S.-Peterburgl865).  Die  zweite  Auflage 
kam  in  zwei  Bänden  unter  dem  geänderten  Titel :  »Istorija  slavjanskich  lite- 
ratur« (S.-Peterburg  1879, 1881)  heraus;  sie  erschien  auch  Öechisch  (»Historie 
literatur  slovansb^ch . . .  preloiil  A.  Kotik«  V  Praze  1880,  1882),  deutsch  (»Ge- 
schichte der  slavischen  Literaturen . . .  übertragen  von  T.  Pech«  Leipzig  1880, 
1883/1884)  und  französisch  (»Histoire  des  litt^ratures  slaves.  Traduit . . .  par 
E.Denis«  Paris  1881  [nur  Band  1]);  zum  Unterschiede  von  der  ersten  Auflage 
erhielt  die  zweite  keinen  großrussischen  Teil,  der  erst  nach  Jahren  als  selb- 
ständiges Werk  in  vier  Bänden  (nur  russisch)  herausgegeben  wurde:  »Istorija 
russkoj  literatury«  (S.-Peterburg  1898,  1899). 

3)  Zum  Zweck  einer  Vergleichung  des  Gesamtplanes  im  Pypinschen  Werke 
mit  demjenigen  im  Earäsekschen  Buche  wird  hier  der  Grundriß  der  »Geschichte 
der  slavischen  Literaturen«  (nach  der  —  von  Pypin  mit  einem  eigenen  Vor- 
wort ausgestatteten  —  deutschen  Übersetzung)  angeführt:  »Einleitung.  (l.Etii- 


EarAsek,  SlaviBcheLiteratorgesohichte,  angez.  von  Sataar.         583 

ratorea  von  der  l&agst  erfolgten  Zerklttftang  des  Blaviflchen  Schrifttams  aas- 
gegangen.  Den  geraden  Gegensatz  za  Pypin  bildet  non  Ear&eek,  der  sich 
wieder  den  tatsächlichen  Bestand  der  einstigen  Einheit  in  der  slavischen  Ute- 
jatar  zam  Ansgangsponkte  seines  —  ftlnfandzwanzig  Jahre  nach  Pypins  om- 
f angreichem  and  streng  wissenschaftlich  geschriebenem  Werke  veröffentlichten 
jond  für  die  weitesten  Schichten  dentscher  Leserwelt  bestimmten  —  Kompen- 
diams  wählte  *}.  Ihm  schwebte  der  Gedanke  vor,  die  gesamten  Schriftdenkmäler 


nographie  nad  Statistik.  2.  Die  slavischen  Dialekte.  3.  Die  Geschichte  des 
alavischen  Volksstammes  and  die  Frage  der  nationalen  Einheit.  4.  Christen- 
thnm,  Alphabet  and  Schriftsprache.)  Erstes  Kapitel :  Die  Balgaren.  (1.  Die  alte 
Zeit.  2.  Die  Zeit  des  türkischen  Joches  and  der  Beginn  der  Wiederbelebnng. 
3.  Die  balgarische  Volkspoesie.)  Zweites  Kapitel:  Die  Sttdslaven.  I.  Die  Serbo- 
Kroaten.  (1.  Das  eigentliche  Serbien  in  seiner  alten  and  mittlem  Periode. 
"2.  Ragasa  [Dabrovnik]  and  das  serbisch-kroatische  Kttetenland.  3.  Die  eigent- 
lich kroatische  Literatur.  4.  Die  neae  serbische  Literatar.  5.  Die  »illyrische« 
Bewegang.  6.  Die  serbische  Volkspoesie.)  11.  Die  Slovenen.  Drittes  Kapitel: 
Der  rassische  Yolksstamm.  Die  partiellen  Literataren  der  rassischen  Sprache. 
I.  Die  Südrassen.  IL  Die  Volkspoesie.  III.  Die  galizischen  Rassinen.  Viertes 
Kapitel:  Der  polnische  Volksstamm.  (1.  Die  alte  Periode  bis  znr  Mitte  des 
16.  Jahrhunderts  [der  Reformation].  2.  Das  goldene  oder  dassische  Zeitalter 
der  Literatar  [1548 — 1606].  3.  Die  jesaitisch-maccaronische  Periode  [1606 — 
1764].  4.  Die  Periode  des  Königs  Poniatowski  [1764—1796]  and  die  Zeiten 
nach  der  Theilang  bis  zam  Auftreten  der  polnischen  Romantik  [1795—1822]. 
A.  Die  letzten  ruhigen  Jahre  vor  der  Katastrophe.  B.  Die  politische  Literatur  des 
vierjährigenReichstüftgs.  C.  Die  Übergangszeit  nach  der  dritten  Theilung.  5.  Die 
Periode  Mickiewicz'  [1 822— 1 863].  A.  Die  Romantik.  Die  Vorgänger  und  Zeit- 
genossen Hickiewicz\  Die  Thätigkeit  des  letztem.  B.  Die  Spaltung  der  Lite- 
ratar in  eine  Emigrantenliteratur  und  in  eine  einheimische  [  1 830 — 1848].  G.  Die 
letzten  Ausläufer  der  polnischen  Romantik  auf  dem  heimatlichen  Boden 
{1848 — 1863].  Die  schlesischen  Polen.  —  Die  preußischen  Mazuren.  —  Die  Ka- 
snben.)  Fünftes  Kapitel:  Der  6echi8che  Volksstamm.  I.  Die  Öechen.  (1.  Die 
alte  Periode.  2.  Die  hussitische  Bewegung  und  das  »goldene  Zeitalter«  der 
^echischen  Literatur.  3.  Die  Periode  des  Verfalls.  4.  Die  Wiederbelebung  der 
Literatur  und  des  Volksthums.)  II.  Die  Slovaken.  m.  Die  Volkspoesie  bei  den 
Rechen,  Hährem  und  Slovaken.  Sechstes  Kapitel:  Das  Baltische  Slaventhum. 
—  Die  Lausitzer  Serben  oder  Wenden.  Siebentes  Kapitel:  Die  Renaissance.« 
*)  Zum  erstenmal  wendet  die  bekannte  »Sammlung  Gesehen«  —  mit  zu- 
meist gediegenen  wissenschaftlichen  Beiträgen  bei  geschmackvoller  Aus- 
Btattong  und  staunenswerter  Billigkeit  —  hiermit  (Nr.  277  u.  278)  ihr  Augen- 
merk dem  gesamten  Slaventum  zu  (vorher  kamen  bloß  die  Russen  in  Betracht: 
Nr.  4,  Russische  Geschichte,  Nr.  66,  Rassische  Grammatik,  Nr.  67,  Russisches 
Lesebuch,  Nr.  68,  Rassisch-Deutsches  Gresprächsbuch,  Nr.  166,  Russische  Lite- 
ratargeschichte). Diese  Literaturgeschichte  kommt  naturgemäß  erst  nach 
vielen  andern  an  die  Reihe:  nach  der  deutschen  in  Nr.  31, 134  u.  135, 161,  der 
römischen  in  Nr.  52,  der  englischen  in  Nr.  69,  der  g^echischen  in  Nr.  70,  der 
italienischen  in  Nr.  125,  der  orientalischen  in  Nr.  162  u.  163,  der  spanischen  in 
Nr.  167  u.  168,  der  portugiesischen  in  Nr.  213  und  der  nordischen  in  Nr.  254. 
Auch  der  Sprachwissenschaft  wurde  hier  schon  gedacht,  und  zwar  der  indo- 
germanischen in  Nr.  59,  der  romanischen  in  Nr.  128  u.  250  und  der  germanischen 


584  Kritiseher  Anseiger. 

der  Slayen  za  einem  mOglicbst  organischen  Ganzen  zn  yerfichmelzen,  und  auf 
eben  das  Ziel  steuert  sein  Bestreben  los,  die  HaiiptstrGmiingen  dee  gansen 
Sehrifttams  auf  Schritt  and  Tritt  — -  nnter  bestftndiger  V ergleichong  der  räiz^- 
nen  Literatiirgebiete  miteinander  —  stnfenweise  zn  v^olgen  und  ihre  wesent- 
lichsten Charakterzüge  samt  den  ▼erschiedenen  Unregelmäßigkeiten  znsammeA- 
hftngend  in  Form  kleinerer  Abschnitte  darzustellen ;  sein  synchromstisches  Ver- 
fahren wendet  nun  Kar&sek  nach  einem  Vierteljahihundert  tatenloser  Zwisdien- 
zeit  auf  diesen  seither  bedeutend  angeschwollenen  Sto£f  an,  dessen  abermaliger 
—  auf  der  Höhe  der  Zeit  in  jeder  Hinsicht  wirklich  steh^ider  ^  BewSUigaii^ 
▼iele  Schwierigkeiten  im  Wege  stehen,  um  so  mehr  als  auch  an  die  Behandlung^ 
eines  derartigen  Materials  ein  immer  höherer  Maßstab  angelegt  wird,  denn  be- 
kanntlich gerade  wieder  in  letzter  Zeit  sind  die  seitens  der  literarhistorischen 
Methodik  gestellten  Anforderungen  erheblich  gestiegen;  leider  wurde  dem 
Werte  dieser  vergleichenden  slavischen  Literaturgeschidite  schon  von  Yom- 
herein  ein  schwerer  Schlag  versetzt  durch  ein  Machtwort  des  Verlegers,  dem 
zufolge  das  Buch  vom  russischen  Schrifttum  —  gleich  der  zweiten  Auflage  de» 
Pypinschen  Werkes  —  absieht.  (So  bekam  sogar  das  Bild  der  für  diese  Auf- 
Aussungsweise  so  hochwichtigen  altkirchenslavischen  Literatur  eine  starke 
Lttcke.]^)  In  der  Theorie  würen  also  nach  den  obigen  Ausführungen  beide 
konträren  Methoden  eigentlich  gleich  berechtigt.  Was  sagt  jedoch  die  Präzis 
dazu?  Bringt  die  neue  Auffassung  wirklich  mehr  Licht  in  den  dargestellten 
Gegenstand,  als  dies  bis  jetzt  der  Fall  war  ?  Darauf  sollen  die  folgenden  Zeilen 
Antwort  geben. 

An  der  Spitze  des  Buches  steht  ein  »Literaturverzeichnis«,  welches 
jedoch  in  der  Behandlung  des  gebotenen  Materials  keine  Folgerichti^eit  zeigt: 
Phne  jeden  triftigen  Grund  stehen  hier  die  Vornamen  der  Verfasser  bald  in 
4er  Originalsprache,  bald  in  deutscher  Übersetzung,  bald  werden  sie  voll  aus- 
geschrieben, bald  abgekürzt  (meistens  nur  mit  den  Anfangsbuchstaben),  bald 
gänzlich  weggelassen;  die  Zunamen  erhalten  bald  den  ihnen  gebührenden 
(Doktor-)  Titel,  bald  keinen,  piese  Begellosigkeit  wiederholt  sich  überall  im 
Text  und  nicht  weniger  in  den  beiden  Begistem,  wo  unter  den  zumeist  vor- 
namenlosen Autoren  z.  B.  einerseits  Bau  Matija,  Cemin,  Gundiüid  Ivan,  Hijek 
V&dav,  Eon&6  MikulÄä,  Ranjina  Dinko,  Szymonowtcz  Szymon,  Sümanov  Ivan, 
Vojnoviö  Ivo,  Vraz  Stanko  usw.  in  Register  I  oder  Ilijö  Jovo,  Mil^etiö  Ivan, 
Nömcovi,  Podlipsk&  usw.  in  Register  II  und  anderseits  Blaeewski  Martin, 
Öemy  Johann,  Häjek  v.  Häjek,  Harant  v.  Poliic,  Hieronymus  [aus  Prag],  Jei^&bek 
Franz,  Eol&r  Georg,  Lobkovic  Johann,  Martinius  v.  Dra&ov,  Nikolaus  [T&bor], 


in  Nr.  238,  aber  bezüglich  einer  slavischen  Sprachwissenschaft  haben  wir  uns 
wahrscheinlich  noch  für  lange  Zeit  mit  Geduld  zu  wappnen. 

^  Der  russischen  Literatur  wurde  bekanntlich  schon  früher  (1902)  vor  der 
KarÄsekschen  Schrift  (1906)  ein  eigenes  Bändchen  der  >Sammlung  Göscfaenc 
von  einem  andern  Verfassec  zu  teil:  »Geschichte  der  russischen  Literatur  von 
G.  Polonskij.«  -—  Vielleicht  ist  die  »Erfindung«  einer  »slavischen  Literatur- 
geschichte« überhaupt  auf  den  laienhaften  Buchhändler  zurückzuführen,  was 
jedoch  Ear&seks  Verdienst  der  Initiative  keineswegs  schmälern  soll. 


Kar&sek,  SlaviBche  Literaturgescfaichte,  angez.  Yon  Sutnar.        5g5 

Pafanotiö  Jakob,  P.  Jnniiis,  Prefat  y.  Vlkanov,  Preiss  Gabriele,  Sizt  von  Otters- 
d<wf,  Wocel,  Zierotin,  Zrinyi  Peter,  Z.  NikohtuB  ubv.  in  Begister  I  oder  Earisek 
Georg  T.  LtoyIo,  Kvapil  f^ranz,  Maciejowski  Wenzel,  Mrfttik  Wilhehn,  Njegofi 
Nikolaus  L,  Peter  11.  Njegoi  [anter  Peter !],  Preisa  G.,  Proch&zka  Ernst  usw.  in  Re- 
gister n  nebeneinander  stehen<^.]  Die  Bflebertitel  selbst  werden  in  der  Begd 
deutsch  ohne  Angabe  der  Drackorte  angeführt  (Bestandteile  Ton  Sammdwerken 
gewöhnlich  auch  ohne  Bezeichnung  der  letztem).  Sowohl  die  Vornamen  der 
VerüasBer  als  anch  die  Bttchertitel  hätten  nach  meinem  Dafürhalten  womöglich 
in  der  Originalspracfae  angeführt  werden  sollen,  wie  dies  in  allen  großen  Biblio- 
graphien schon  längst  gang  und  gäbe  ist,  nnter  Umständen  mit  der  Übersetzung 
in  EJammem,  da  die  Übersetzung  wegen  ihres  naturgemäßen  Schwankens  den 
Wert  eines  Zitats  mehr  oder  weniger  immer  beeintrtichtigt.  Die  somit  ohne- 
hixi  nicht  einwandfreien  bibliographischen  Angaben  widersprechen  mitunter 
sogar  der  Wahrheit;  außerdem  wimmelt  es  duin  nach  allen  Seiten  hin  von 
Lücken,  denn  auf  keinen  Fall  hätten  hier  —  schon  der  Vollständigkeit  halber 
—  die  Werke  von  P.  J.  Safank,  Talvj  (T.  A.  L.  Eobinson),  V.  Grigoroviö,  A. 
Mickiewicz,  G.  Krek  (über  alle  slavischen  Literaturen)  fehlen  dürfen,  was  man 
auch  immer  jetzt  von  ihnen  halten  mag'O;  so  kann  auch  die  Übersicht  über  die 
Verfasser  einzelner  Monographien  am  Schlüsse  des  »Literaturverzeichnisses« 
keinen  Anspruch  auf  Vollständigkeit  machen,  da  sie  eine  Reihe  hervorragender 
Literarhistoriker  der  Gegenwart  vermissen  läßt  8). 

^  Die  Serben  Radi6evi6  und  Milutinoviö  kommen  in  demselben  Register  II 
zweimal  vor,  das  eine  Mal  als  Branko  Radi6evi<S  (unter  Branko!  auch  Vuk 
Earadiiö  unter  Vuk  in  beiden  Registern!)  und  als  Öubro  Öojkovid  (Milutinoviö) 
und  das  andre  Mal  als  Radi6evid  Branko  und  als  Milutinoviö  Sarajlija. 

'^  Dasselbe  gilt  u.  a.  von  den  Arbeiten  folgender  Schriftsteller:  H.  Biegel- 
eisen (polnisches  Schrifttum),  P.  J.  SafaiPik  (Literatur  der  Sttdslaven),  ^.P.Simiö 
(Literatur  der  Serben),  0.  Ohonovskij  (ruthenisches  Schrifttum).  Von  &.  Surmin 
wird  zwar  »Die  Geschichte  der  kroatischen  und  serbischen  Literatur  (kroatisch)« 
genannt,  aber  nicht  das  Buch  »Hrvatski  preporod«  (Zagreb  1903,  19U4);  von 
demselben  Verfasser  wird  außerdem  der  im  »Ottuv  slovnik  nau6n^«  (dil  13, 
1898,  421—503,  nicht  »Heft  2hl,  282«,  weil  die  Lieferungen  in  gebundenen 
Exemplaren  nicht  erkennbar)  abgedruckte  Beitrag  »Die  Südslaven«  (eigentlich 
>Jihoslovaii6«.  »Ddjiny  literatury  srbsko-chorvatsk^«)  erwähnt,  gewiß  mit 
Recht,  aber  man  hätte  dann  auch  den  ebendaselbst  erschienenen  und  diesem 
Artikel  unmittelbar  vorangehenden  (403—421)  Beitrag  M.  Murkos  »Dejinjslo- 
vinsk^  literatury«  keineswegs  übersehen  sollen.  Von  P.  Chmielowski  werden 
wohl  die  Werke  »Umriß  der  neuesten  polnischen  Literatur . . .  (polnisch)«  und 
»Das  polnische  Drama  der  neuesten  Zeit  (polnisch)«  aufgezählt,  aber  nicht  die 
mindestens  ebenso  wichtigen  Bücher:  »Nasi  powie^ciopisarze . . .«  (Krakow 
1887),  »Historya  literatury  polskiej  .  . .«  (Warszawa  1899,  1900,  in  6  Bänden), 
»Najnowsze  pr^dy  w  poezyi  naszej«  (Lwöw  1901:  Wiedza  i  iycie.  Rok  IL 
Tom  6)  und  »Dzieje  kr^tyki  literackiej  w  Polsce«  (Warszawa  1902).  Von  W. 
Feldmans  angeführter  Schrift  »Das  polnische  Schrifttum  in  den  letzten  zwanzig 
Jahren  (polnisch)«  (in  2  Bänden)  ist  jetzt  bereits  eine  dritte  Auflage  unter 
dem  Titel  »Piimiennictwo  polskie  1880^1904 . . .«  (Lwöw  1905,  in  4  Bänden) 
erschienen. 

9)  Angesichts  der  hier  bloß  angedeuteten  Dürftigkeit  dieser  bibliogra- 


586  Kritischer  Anzeiger. 

Aaf  das  »Literatarverzeichnis«  folgt  noch  ein  eigener  Abschnitt  betitdt 
»Über  die  Ansspraohe«,  der  leider  ebenfalls  dem  gegenwärtigen  Stande  der 
Forschungen  nicht  Bechnong  trägt^).  Allein  lobend  hervorzuheben  ist  die 
Tatsache,  daß  Kar&sek  zur  Umschreibung  der  cyrillischen  Lettern  sich  im  all- 
gemeinen folgerichtig  der —in  ihren  Hauptzügen  jetzt  schon  so  ziemlich  durch- 
gedrungenen —  6echischen  diakritischen  Zeichen  bediente^. 

Nun  geht  EarAsek  zur  eigentlichen  Darstellung  des  Gegenstandes  über, 
wovon  hier  natürlich  bloß  ein  dürres  Gerippe  gegeben  werden  kann :  Nach 
einer  völkergeschichtlichen  Vorrede  (§  1,  »Einleitung.  Historische  Skizze«) 
widmet  der  Verfasser  sein  Augenmerk  in  erster  Reihe  dem  altkirchenslavischen 
Schrifttum  (§  2,  »Die  älteste  slavische  Literatur.  Cyrill  und  Method«)  samt 
seiner  Weiterentwicklung  auf  bulgarischem  Boden  (§  3,  »Entwicklung  der 
kirchenslavischen  Literatur  bei  den  Bulgaren«)  und  auf  serbischem  Grebiete 
(§  4,  »Altserbische  Literatur«)  sowie  dem  Bogomilismus  (§  5,  »Die  Bogomileu«). 
Hierauf  werden  wir  mit  der  »alten  kroatischen  Literatur«  bekannt  (§  6).  Nach 
einer  jetzt  folgenden  Einleitang  über  den  Einfluß  des  lateinischen  Schrifttums 
auf  die  nordwestslavischen  Literaturen  im  allgemeinen  (§  7,  »Die  nordwest- 
slavischen  Literaturen  im  Verhältnisse  zu  der  lateinischen«)  kommt  Karisek 
auf  den  Verlauf  derselben  einzeln  zu  sprechen,  wobei  wir  uns  zunächst  mit  dem 
alt&echischen  Schrifttum  (§  8,  »Älteste  &echische  Literatur«)  und  nach  einem 
—  der  Befruchtung  der  slavischen  Literaturen  durch  die  Bibel  zugedachten  — 
Abstecher  (§  9,  »Die  Bibel«)  auch  mit  dem  ganzen  mittel^echischen  Schrifttum 
in  einem  Zuge  vertraut  machen  (§  10,  »Johannes  Hus  [1369 — I415]c,  §  11, 
»HussitismuB  und  das  15.  Jahrhundert  in  Böhmen«,  §  12,  »Peter  Chelöick]^«, 
§  13,  »Die  böhmische  [mährische]  Brüdergemeinde«,  »Das  16.  Jahrhundert  in 
der  6echischen  Literatur«,  §  14,  »Das  goldene  Zeitalter«,  §  15,  »Johann  Arnos 
Eomensky  [ComeniuB  1592—1670]«);  dann  ergreift  die  Literatur  Polens  das 
Wort  (§  16,  »Anfänge  der  polnischen  Literatur«,  §  17,  »Hey  von  Naglowic«, 
§  18,  » Jan  Eochanowski  [1530—1584]«,  §  19,  »PeterSka^a[1536— 1612]«,  §20, 
»Zeitgenossen  und  Epigonen  Eochanowskis«).  Hierauf  kehren  wir  nochmals 
zum  serbo-kroatischen  Küstenland  (§21,  »Die  dalmatinische  Literatur.  Ragusa«, 


phischen  Angaben  muß  man  mit  unwillkürlichem  Neid  an  M.  Koch  denken, 
der  in  seiner  bei  demselben  Verleger  erschienenen  »Geschichte  der  deutschen 
Literatur«  (Sammlung  Groschen.  Nr.  31.  6.  Aufl.  190G)  im  Gegensatze  zuK&risek 
sogar  jedem  einzelnen  Kapitel  ein  reichhaltiges  und  aufschlußreiches  Begister 
von  Literaturangaben  mitgeben  konnte. 

^  Gleich  im  Anfange  heißt  es  z.  B.:  »Im  6echischen  Alphabet  und  nach 
ihm  im  kroatischen,  slovenischen  und  lausitz-wendischen  wurden  die  diakriti- 
schen Zeichen  angewendet . . .«  Haben  vielleicht  die  Polen  in  6,  L  6,  ö,  i,  i, 
i,  \,  t^  q  keine  diakritischen  Zeichen?  Später  wird  die  Betonung  im  Cechischen 
und  im  Polnischen  erwähnt,  die  der  andern  Slaven  mit  Stillschweigen  über- 
gangen. 

10)  Dadurch  sticht  er  sehr  vorteilhaft  von  Polonskij  ab,  der  in  seiner 
russischen  Literaturgeschichte  ganz  willkürlich  transkribiert  z.  B.  Polonskij 
neben  Skabitschewsky,  Weselowsky,  Wolkonsky.  Auch  das  »Laterator- Ver- 
zeichnis« Polonskijs  ist  womöglich  noch  mangelhafter  als  das  Kar&seksehe. 


Ear^k,  Slavisohe  Literatnigeschichte,  angez.  yon  Sutnar.         587 

§  22,  >J.Fr.  Gnndülid  [1588—1638]«)  zoTÜok.  Nach  einem  hier  anknUpfenden 
Abschnitt  Aber  die  >6echisohen,  polnischen  und  kroatischen  Schauspiele  im 
Hittelalter«  (§  23)  beschSfdgen  wir  uns  abermals  mit  den  Polen  (§  24,  >yerfall 
der  polnischen  Literatur  [1600—1750]«,  §  25,  »Die  zweite  Hälfte  des  18.  Jahr- 
hunderts bei  den  Polen«,  §26,  >Sarmatismus.  Niemcewicz«).  Drei  Kapitel 
allgemeinen  Charakters  (§  27,  »Das  Volkslied«,  §  28,  »Allgemeine  Charakteristik 
der  slavischen  Literaturen  im  19.  Jahrhundert«,  §  29,  »Die  slavisohe  Wieder- 
geburt und  ihre  Ursachen«)  beschließen  nun  den  ersten  Teil  der  Earasekschen 
Schrift,  welcher  sich  mit  der  »altem  Literatur  bis  zur  Wiedergeburt«  beschäftigt. 

Der  zweite  Teil  der  Earisekschen  Arbeit  behandelt  nun  das  neunzehnte 
Jahrhundert,  wobei  an  erster  Stelle  die  Nordwestslaven  stehen,  nämlich  die 
Polen  (§1,  »Renaissance  der  polnischen  Literatur«,  §  2,  »Die  Periode  polnischer 
Genies.  Miokiewicz,  Slowacki,  Erasifiski«)  und  die  Gechen  (§  3,  »Wiedergeburt 
des  6echischen  Schrifttums«).  Sodann  wendet  sich  der  Verfasser  den  Südslaven 
zu,  vor  allem  (eigentlich  zum  erstenmal)  den  Slovenen  (§  4,  »Anßinge  der  slo- 
venischen  Literatur«),  hierauf  den  Kroaten  (§  5,  »Illyrismus«),  abermals  den 
Slovenen  (§  6,  »Slovenische  Literatur  nach  Pre&ern«),  ferner  den  Serben  mit 
ihrem  ganzen  Schrifttum  (§  7,  »Serbische  Literatur«,  §  8,  »Serbische  Literatur 
der  Neuzeit«)  sowie  den  Bulgaren  ebenfalls  mit  ihrer  gesamten  Literatur  (§  9, 
»Bulgarische  Literatur«),  worauf  endlich  der  Best  des  kroatischen  Schrifttums 
zur  Erörterung  gelangt  (§  10,  »Neue  kroatische  Literatur«).  Nach  den  Sttdslaven 
kommen  die  Nordwestslaven  nochmals  an  die  Reihe,  und  zwar  wieder  die 
Öechen  (§11,  »Die  veijüngte  böhmische  Literatur«,  §  12,  »Unerwartete  Blüte- 
zeit der  ^echischen  Literatur.  Öech,  Vrchlick^,  Zeyer«,  §  13,  »Freunde  und 
Epigonen  Vrchlickys«,  §  14,  »Öechische  Prosa  in  den  letzten  Jahrzehnten«) 
und  die  Polen  (§  15,  »Polnische  Literatur  daheim  nach  dem  Jahre  1830.  Roman- 
tismus«,  §  16,  »Neue  polnische  Prosa  [Sienkiewicz,  Prus]«,  §  17,  »Neueste  pol- 
nische Prosa«,  §  18,  »Neueste  polnische  Poesie«).  Es  folgt  noch  ein  Kapitel 
allgemeiner  Natur  über  die  letzte  Phase  der  slavischen  Literaturen  (§  19,  »Sla- 
visohe Moderne«).  Hiermit  schließt  auch  der  zweite  Teil  und  infolgedessen 
das  ganze  Buch  ab. 

Mit  Recht  geht  der  eigentlichen  Literaturgeschichte  das  Vorwort  über 
die  ältesten  Schicksale  der  Slaven  aus  vorliterarischer  Zeit  voraus;  ebenfalls 
mit  Recht  um&ßt  der  Abriß  des  altkirchenslavischen  Schrifttums  die  frühesten 
kirchlichen  Denkmäler  aller  Slaven  im  allgemeinen  und  die  altbulgarischen  im 
besondem,  nur  muß  der  Haupttitel  »Die  älteste  slavisohe  Literatur«  —  mit 
Rücksicht  auf  den  unkirohlichen  Charakter  des  Bogomüentums  —  durch  »Die 
älteste  kirchliche  Literatur  der  Slaven«  ersetzt  werden  und  der  Untertitel  »Cyrill 
und  Method«  dem  Inhalt  gemäß  den  Zusatz  »und  das  Zeitalter  Simeons«  er- 
balten. Nach  diesem  kirchlichen  Schrifttum  sollte  gleich  das  Bogomilentum  — 
samt  den  mit  ihm  aufs  engste  verknüpften  und  fälschlich  in  §  3  erwähnten 
Lügenbüchem  —  zur  Besprechung  gelangen,  da  die  Anfänge  dieser  den  Süd- 
slaven  (undRussen)  gemeinsamen  Erscheinung  ebenfalls  bulgarischen  Ursprungs 
auch  schon  in  der  ältesten  Zeit  wurzeln  ^^).  (In  Klammem  wird  wegen  der  Voll« 


^^]  Warum  blieb  hier  Priester  Jerem^a  unerwähnt? 


n 


588  Kritiscber  Anxeig^r. 

st&ndigkeit  des  6«BamtbildeB  ttberftU  auch  der — hier  bekumtlieh  fibeigaageneA 
—  nusiBchen  Literatur  gedacht  werden.)  Jetit  wenden  wir  uns  der  ndttribal- 
garischen  und  altBerbischen  (samt  der  mittelBerbiachen)  (and  altmaejachea) 
Literatur  zu,  die  jedoch  in  ein  Ejipitel  —  anter  dem  Namen  etwa  »Mittelbal- 
gariaches  and  alt-  (and  mittel-)  aerbiaches  (and  altnuaischee)  Schrifttam«  — 
zoaammengefaßt  werden  maß,  denn  bd  dem  innigen  gegenseitigen  ZaBaBmeni- 
hange  der  einzelnen  Teile  dieser  Literatur  ist  eine  strenge  Trennung  nadi  Natio- 
nalitäten  darin  schlechterdings  undenkbar^.  Mit  Becht  gilt  unsre  Anfineck- 
samkeit  hierauf  der  »alten  kroatischen  Literatur«,  da  diese — zum  Unteracbiede 
von  dem  seit  jeher  im  kulturellen  Banne  des  byzantinischen  Südens  stehenden 
Übrigen  sttdslavisohen  (und  ostslavischen  d.  h.  rassischen)  Schrifttam  (ndt  Aus- 
schluß des  slovenisohen)  —  frühzeitig  dem  geistigen  Anstürme  des  rOmiadieB 
(später  romanisch-germanischen)  Abendlandes  eriag  —  gleich  den  nordwest- 
slayischen  Literaturen,  zu  denen  hiermit  eine  Brücke  geschlagen  ist,  aber  daa 
Kapitel  kann  richtig  bloß  »Alte  Literatur  des  serbokroatischen  Küstenlandes« 
heißen^).  Die  Existenzberechtigung  des  nun  folgenden  Abschnittes  über  den 
lateinischen  Charakter  der  ältesten  nordwestslavischen  Literaturen  ist  wohl 
als  fraglich  zu  bezeichnen  —  in  dieser  Gestalt  ohne  Heranziehung  der  in  §  6 
behandelten  serbokroatischen  Literatur,  welche  bekanntlich  in  dieser  Hinsicht 
vielfach  an  ihre  nordwestslavischen  Schwestern  erinnert;  anderseits  wieder 
besitzt  dieses  Schrifttam  (abgesehen  von  seinen  Berührungspunkten  mit  dem 
serbischen)  solch  ein  eigenartiges  Gepräge,  daß  jeder  noch  so  gelinde  Ver- 
schmelzungsversuch  dieser  Literatur  mit  den  nordwestslavischen  ein  Unding 
wäre;  unter  solchen  Umständen  muß  man  dieses  Ekapitel  ganz  fallen  lassen, 
wofür  jedoch  Verweisungen  an  passenden  Stellen  reichlichen  Ersata  bieten 
können.  Vollkommen  überflüssig  und  in  der  Fassung  auch  übel  angebracht 
ist  zweifelsohne  der  nächste  Abschnitt  über  die  Rolle  der  Bibel  bei  den  Slaven 
(meistens  über  die  Einwirkung  der  J^echischenBibelübersetzungen  auf  die  Bibel- 
übersetzungen der  andern  Slaven),  denn  die  hier  aufgehäuften  Tatsachen  wären 
gewiß  verteilt  —  unter  gegenseitigen  Berufungen  je  nach  Bedarf —  im  Rahmen 
der  einzelnen  Literaturen  viel  mehr  zur  Geltung  gekommen  (darunter  gehören 
die  lausitzisch-wendischen,  slovenischen  und  kroatischen  Werke  bereits  dem 
Zeitalter  der  Reformation  und  der  Gegenreformation  an).  Bezüglich  des  nnn 
folgenden  mittel6echisohen  Schrifttums  ist  folgendes  zu  bemerken:  Dieae 
Literatur  zerfällt  von  rechtswegen  in  zwei  Perioden,  die  der  Reformation  (des 
Hussitismus  samt  der  spätem  Brüderschaft)  und  des  Humanismus  und  die  der 
Gegenreformation;  diese  Zahl  war  auch  in  unserm  gedriingten  Literaturbild 
streng  einzuhalten,  denn  jede  gar  zu  große  Zerstückelung  des  Stoffes  (Zaweisong 


^  Li  §  4  fehlt  unter  anderm  Danilo  ü. ;  die  daselbst  erwähnte  Bosaniiea 
gehört  schon  zu  §  6. 

^  Übrigens  werden  diesem  Abschnitt  fälschlicherweise  Männer  ans  dem 
siebzehnten  und  achtzehnten  Jahrhundert  hinzagefügt,  von  denen  P.  ZriiyM 
und  Vitezovi<5  bereits  dem  eigentlich  kroatischen  Schrifttum  der  Reformations- 
zeit  angehören  und  Ka6i<S-Mio&i<S  sogar  schon  den  letzten  Ausläufer  der  ragu- 
sanischen  (dalmatinischen)  Literatur  vorstellt 


KarÄsek,  Slavische  Literatorgesohiehte,  angez.  von  Sntnar.        589 

ebener  Kapitel  sogar  ehizelnen  —  wenn  auch  noch  so  wichtigen  —  Persönlich- 
keüen,  im  ersten  Teile  des  Bnches  Öfters)  hat  natnrgemSß  dessen  Yerge- 
waUignngen  im  Gefolge  (dämm  verwickelt  sich  bei  solchen  Gelegenheiten  der 
iBhalt  der  Abschnitte  gern  in  Widersprüche  mit  der  Überschrift);  von  den  be- 
sprochenen Bwei  Zeitabschnitten  darf  hier  vorlSufig  nur  der  erste  (§  10 — 13, 
14  ohne  Schluß)  zur  Darstelhmg  gelangen,  wogegen  der  andre  (§14  Schluß 
und  15)  erst  später  —  bei  Behandlung  der  übrigen  Literaturen  zur  Zeit  des 
Yerfalles  —  an  die  Reihe  kommen  soll.  Die  Polen  betreten  den  Schauplatz  der 
Literatur  erst  später  unter  starkem  &echischen  Einfluß,  und  rttcksichtlich  der 
mittelpolnischen  Zeit  gpilt  etwas  Ähnliches  wie  hinsichtlich  der  mittel6echischen : 
Auch  da  haben  wir  es  mit  zwei  Abschnitten  zu  tun,  erstens  dem  des  Humanis- 
mus und  der  Beformation  (dem  »goldenen  Zeitalter«,  wie  bei  den  Öechen,  hier 
jedoch  nicht  erwähnt)  und  zweitens  dem  der  Gegenreformation,  von  denen 
yorderiiand  bloß  der  erste  in  Betracht  kommt.  (Mithin  sind  §§  1 7 — 20  zu  einem 
€knzen  zusammenzuziehen,  schon  wegen  Tflgung  der  unnatürlichen  Überschrift 
des  §  20  [ähnlich  später  in  Band  II  §  1 3]  und  wegen  Verbesserung  der  teilweise 
gewaltsamen  Reihenfolge  der  einzelnen  Kapitel  [§§  18, 19,  20  fälschlich  ftir 
§§18,  20, 19]  14).)  (Hier  wäre  wieder  ein  Kapitel  dem  mittelrussischen  Schrift- 
tum [bei  den  Groß-  und  Kleinrussen]  einzuräumen,  welches  langsam  dem  by- 
zantinischen Süden  den  Rücken  kehrt  und  sich  [nicht  ohne  polniachen  Einfluß] 
dem  romanisch-germanischen  Westen  zuwendet)  Ganz  richtig  erscheinen  nach 
den  Nordwest-  (und  Ost-)slaven  die  —  den  westiichen  (hier  meist  italienischen) 
Strömungen  huldigenden  —  Südslaven  wieder  auf  dem  Plan,  aber  natürlich 
muß  dieses  Schrifttum  der  Übersichtiichkeit  halber  gleichfalls  in  einen  einzigen 
Paragraphen  zusammengeschweißt  werden.  (Denn  §  22  —  mit  der  angehängten 
unvollständigen  Fortsetzung  der  ragusanischen  Literatur  trotz  des  keineswegpi 
unklaren  Titels  —  kann  als  Warnung  vor  dieser  übermäßigen  und  zwecklosen 
Zersplitterung  des  Stoffes  dienen.)  *')  Dafür  unbarmherzig  zu  streichen  ist  der 
nächste  Abschnitt  —  über  das  Drama  bei  den  äechen,  Polen  und  Kroaten  im 
Hittelalter  —  als  gänzlich  überflüssig  und  verfehlt,  denn  durch  die  Loslösung 
des  Dramas  von  der  Gesamtdarstellung  der  zuletzt  besprochenen  Literaturen 
wurde  diese  lückenhaft  und  zerfahren,  wogegen  die  ohne  jeden  zwingenden 
Grund  erfolgte  Zusammenstellung  (nur  beim  Drama)  keinen  Gewinn  bringen 
kann;  es  müssen  also  die  einzelnen  Bestandteile  dieses  unbedingt  aufzulösenden 
Kapitels  den  betreffenden  Literaturen  wieder  einverleibt  werden.  Statt  dessen 
ist  jedoch  ein  allgemeiner  Abschnitt  über  die  Reformation  und  Gegenrefor- 
mation bei  den  Süd-  und  Nordwestslaven  einzuschalten,  welcher  nebenbei  in 
zwanglosester  Weise  den  Übergang  von  den  zuletzt  behandelten  Südslaven  zu 
den  noch  zu  besprechenden  Nordwestslaven  vermittelt;  an  der  Spitze  dieses 
unerläßlichen  Paragraphen  müssen  die  beiden  südslavischen  Schwesterlitera- 


^*)  Auch  sonst  gibt  es  Mängel :  So  wurde  S.  F.  Klonowicz  in  §  20  gänzlich 
übergangen,  Orzecho wski  nur  in  §  18  flüchtig  erwähnt,  wogegen  andre  in  §  20 
z.  B.  Paprocki  sicher  überschätzt  wurden. 

^)  Vermissen  wird  man  besonders  in  §  22  die  gar  nicht  erwähnten 
J.  Buni<$-yu6i6eviö,  J.  &ordiö  und  M.  A.  Reljkoviö. 


590  Kritischer  Anzeiger, 

tnren  —  die  der  Slovenen  und  die  der  eigentlichen  Kroaten  —  stehen,  welche 
nämlich  erst  von  der  Reformation  ins  Leben  gerufen  wurden  (hier  ist  auch 
eine  Verweisung  auf  die  damaligen  Ostslaven  d.  h.  Elleinrussen  wUnachena- 
wert);  dann  hätte  man  das  größtenteils  bereits  bekannte  Schrifttum  der  Nord- 
westslaven  aus  diesem  Zeitraum  zu  streifen,  welches  wegen  Beichhaltigrkeit 
und  Kompliziertheit  (Verquickung  mit  dem  Humanismus)  einer  besondem  Dar- 
stellung bedurfte,  und  zwar  die  Literatur  auf  ^echischem  Boden,  wo  sich  die 
Reformation  am  frühesten  (mehr  als  ein  Jahrhundert  vor  der  deutschen)  mit 
einer  eigenen  Blüte  von  seltener  Farbenpracht  gemeldet  hat,  und  die  Literatur 
auf  polnischem  Gebiete,  wo  die  Reformation  nur  seichte  Wurzeln  geschlagen 
hat;  voll  und  ganz  kommen  demnach  von  den  Nordwestslaven  eigentlich  bloß 
die  Lausitzer  Serben  und  die  Slovaken  in  Betracht,  die  Lausitzer  Serben,  deren 
Schrifttum  auch  erst  seit  der  Reformation  sich  zu  regen  beginnt,  und  die  Slo- 
vaken, deren  Literatur  ihre  schüchternen  Gehversuche  (einstweilen  am  GSngel- 
bande  der  öechischen  Sprache)  sogar  erst  der  Gegenreformation  verdankt 
Weiter  ist  zu  bemerken,  daß  erst  nach  dem  jetzt  folgenden  Kiedeigange  des 
polnischen  Schrifttums  auch  des  Verfalles  der  6echischen  Literatur  gedacht 
werden  sollte,  der  etwas  später  eintritt  und  auch  später  schließt  Das  Schrift- 
tum der  Polen  in  der  zweiten  Hälfte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  ist  bereits 
ein  Kind  der  Auf  klärungszeit  und  somit — trotz  des  herannahenden  politischen 
Zusammenbruches  —  samt  dem  »Sarmatismus«  ein  Kettenglied  der  slavischea 
Wiederbelebung,  unter  deren  Banner  das  neunzehnte  Jahrhundert  steht  (Diese 
Partie  gehört  daher  schon  dem  zweiten  Band  unsres  Buches  an,  wo  die  beiden 
Kapitel  zu  einem  —  der  Aufklärungszeit  samt  dem  [hier  wenig  berührten] 
Pseudoklassizismus  gewidmeten  —  Paragraphen  zu  verschmelzen  sind.)  End- 
lich gilt  über  die  drei  allgemein  gehaltenen  Schlußkapitel  des  ersten  Teiles 
folgendes:  Der  Abschnitt  über  das  Volkslied  bei  den  Slaven  (hauptsächlich 
Südslaven)  hätte  wohl  schon  das  gesamte  Gebiet  der  slavischen  Volkspoesie 
umfassen  sollen,  wenn  auch  dabei  noch  (trotz  der  unanfechtbaren  Fortschritte 
der  neuem  Forschung)  mit  bedeutenden  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  wäre;  da 
jedoch  das  Verständnis  für  die  volkstümlichen  Dichtungen  untrennbar  mit  der 
—  erst  im  zweiten  Bande  zu  besprechenden  —  Wiedergeburt  zusammenhängt, 
so  wird  auch  die  Darstellung  der  slavischen  Volkspoesie  (schon  wegen  der 
Verschwommenheit  der  Grenzen  ihrer  Entstehungszeit)  nur  in  den  Rahmen  der 
slavischen  Wiederbelebung  einzufassen  sein.  Der  nächste  Paragraph  mit  dem 
Überblick  über  die  slavischen  Literaturen  des  neunzehnten  Jiüirhunderts  ist 
eigentlich  ein  zweckloser  Ballast,  aber  der  Verfasser  schuf  dieses  Kapitel  offen- 
bar bloß  deshalb,  um  wenigstens  hier  das  Gesamtbild  des  »slavischen  Schrift- 
tums« ungeschmälert  in  seiner  ganzen  Größe  geben  zu  können,  was  ihm  ander- 
wärts versagt  blieb,  da  bekanntlich  die  Großrussen  (und  somit  mehr  oder 
weniger  auch  die  Kleinrussen)  von  vornherein  aus  dem  Kreise  seiner  Betrach- 
tungen gestrichen  waren  (am  Ende  des  ersten  Teiles  hätte  der  Abschnitt  über- 
dies vielleicht  gute  Dienste  als  Brücke  zum  zweiten  Teile  leisten  können, 
dessen  Hauptlinien  dort  vorgezeichnet  werden);  allein  diese  Gesamtübersicht 
haftet  leider  zumeist  —  auch  für  den  knapp  zugemessenen  Raum  —  viel  zu 
viel  an  der  Oberfläche,  so  daß  damit  jenes  Ziel  lange  nicht  eixeicht  wurde;  sehr 


Karjj^Bek,  Slavische  LiteratorgeBchichte,  angez.  von  Sutnar.        591 

stiefmütterlich  bedacht  wurden  vor  allem  die  •—  nnr  da  (gleich  den  Groß-  nnd 
Kleinnusen)  auftauchenden  —  Slovaken  und  Lausitzer  Serben;  ein  großes 
Unrecht  widerfährt  ebenfalls  dem  gesamten  slavischen  Drama  der  Neuzeit,  das 
ein  für  allemal  bloß  hier  flüchtig  zur  Besprechung  gelangt.  Bezüglich  des 
letzten  Abschnittes  über  die  Wiedergeburt  wurde  bereits  gesagt,  daß  er  als 
Einleitung  zum  zweiten  Teile  schon  an  dessen  Spitze  gehört  (folglich  sind  die 
Worte  »bis  zur  Wiedergeburt«  im  Untertitel  des  ersten  Teiles  jetzt  exklusive 
zu  verstehen);  allerdings  wird  der  zweite  Band  zum  Nachteil  des  ersten  durch 
die  Zuweisung  der  ausgeschlossenen  vier  Kapitel  bedeutend  anwachsen,  aber 
das  muß  man  schon  —  im  Hinblick  auf  die  Unnatürlichkeit  der  bisherigen  An- 
ordnung und  den  unwissenschaftlichen  Charakter  solcher  EinwSnde  —  wohl 
oder  übel  mit  in  den  Kauf  nehmen. 

Das  neunzehnte  Jahrhundert  wird  durch  eine  Erscheinung  eröffnet,  die 
sämtlichen  Slaven  gemeinsam  ist,  nämlich  durch  die  nationale  Wiedergeburt, 
und  durch  ein  ebenso  allgemein  auftretendes  Phänomen  der  »Moderne« 
wird  es  geschlossen;  das  Westeuropäertum  reißt  nämlich  ün  neunzehnten 
Jahrhundert  die  Schranken  zweier  einander  bisher  fremden  Kulturwelten 
in  den  slavischen  Literaturen  allmählich  siegreich  nieder,  so  daß  die  — 
eigenttich  erst  im  neunzehnten  Jahrhundert  wiedererwachten  —  Slaven  am 
Ausgange  desselben  Jahrhunderts  um  die  achtziger  Jahre  herum  bereits 
voUzählig  an  der  reichgedeckten  Tafel  westeuropäischer  Gesittung  sitzen 
und  zum  großen  Teil  auch  gehörig  zulangen.  Innerhalb  der  oben  gesteck- 
ten zwei  Marksteine  zerfallen  die  slavischen  Literaturen  des  verflossenen 
Jahrhunderts  noch  in  zwei  ungleich  große  Perioden,  deren  Grenzscheide  etwa 
die  vierziger  Jahre  bilden  dürften  (meistens  hat  das  Revolutionsjahr  1848  die 
tiefe  Furche  gezogen).  Da  femer  nur  eine  —  in  vollste  Übereinstimmung  mit 
den  Sichtungen  des  Weltschrifttums  gebrachte  —  Anordnung  des  Stoffes  auf 
festem  Boden  steht,  was  in  diesem  zweiten  Teil  —  bei  dem  durchgehends  west- 
europäischen Gesamtcharakter  der  hier  in  Betracht  kommenden  Literaturen  — 
um  so  mehr  Gültigkeit  hat,  so  ergabt  sich  nun  aus  alledem  —  nach  gebühren- 
der Berücksichtigung  der  chronologischen  Reihenfolge  der  Literaturen  sowie 
der  Zusammengehörigkeit  der  einzelnen  Sprachgruppen  und  nach  Maßgabe 
der  Größe  des  betre£fenden  Schrifttums  —  ungefähr  folgender  Grundriß  des 
zweiten  Bandes:  (1.)  Wiedergeburt  (samt  der  in  diesem  Zeitabschnitt  eifrig 
studierten  Volksdichtung).  Aufklärung  und  Romantik.  (Ostslaven.  2.  Groß- 
ruBsen  [mit  zwei  Kapiteln]  a.  [Achtzehntes  Jahrhundert]  Aufklärung  [Pseudo- 
klaasizismus],  b.  [Neunzehntes  Jahrhundert  samt  den  vierziger  Jahren]  Roman- 
tik. 3.  ELleinrussen  [Ende  des  achtzehnten  Jahrhunderts  und  das  neunzehnte 
bis  in  die  viendger  Jahre].)  Nordwestslaven.  (4.)  Polen  (mit  zwei  Kapiteln) 
a.  (Rest  des  achtzehnten  Jahrhunderts  und  das  neunzehnte  bis  zu  den  zwanziger 
Jahren)  Aufklärung  (Pseudoklassizismus),  b.  (Der  nächste  Zeitraum  bis  1848) 
Romantik  (Erste  Hälfte  ^),  (5.)  Öechen  (mit  zwei  Kapiteln)  a.  (Ende  des  acht- 
zehnten Jahrhunderts  und  die  ersten  zwei  Jahrzehnte  des  neunzehnten)  Auf- 
klärung (Pseudoklassizismus),  b.  (Der  nächste  Zeitabschnitt  bis  1848)  Romantik 


^)  YieUeicht:  »Einzug  der  Romantik.« 


592  KriÜBcher  Anzeiger. 

(Erste  HSlfte^)).  (6.)  Slovaken  (Ende  des  achteehnten  Jahrhunderts  and  das 
neunzehnte  bis  1848).  (7.)  Lansitzer  Serben  (Der  Zeitraum  bis  1848).  Sild- 
slaven.  (8.)  Sloyenen  (Ende  des  achtzehnten  Jahrhunderts  und  das  neun- 
zehnte bis  1848).  (9.)  Kroaten  (Dreißiger  nnd  vierziger  Jahre  des  neun- 
zehnten Jahrhunderts)  lUyrismos  =  Romantik.  (10.)  Serben  (Das  aohtxehnte 
Jahrhundert  und  das  neunzehnte  bis  in  die  vierziger  Jahre).  (11.)  Bulgaren 
(Seit  dem  Ende  des  achtzehnten  Jahrhunderts :  Wegen  der  mangelhaften  jetzigen 
Entwicldung  dieses  einst  eratklaasigen  Schrifttums  überhaupt  nur  einmal  und 
deshalb  in  der  Mitte  gleichsam  als  ObergangsgUed  von  der  ersten  zu  der  zweiten 
Hälfte  des  neunzehnten  Jahrhunderts).  Romantik  (Zweite  HSlfte^''):  Etwa  Ms 
zu  den  achtziger  Jahren).  (12.)  Serben.  (13.)  Elroaten.  (14.)  Slovenen.  Nord- 
westslaven. (15.)  Öechen.  (16.)  Slovaken.  (17.)  Lausitzer  Serben.  (18.)  Polen. 
(Ostslaven.  Realismus.  19.  Großmssen.  20.  ELleinrussen.)  (21.)  Moderne  (Re- 
alismus [Naturalismus,  Positivismus  usw.:  ausschließlich  der  Ostslaven]  und 
Dekadentismus  [DiUetantismus,  Impressionismus,  Indifferentismus,  Symbolis- 
mus, Synthetismus  usw.]:  üngefitihr  seit  den  achtziger  Jahren  mit  Ausnahme 
vielleicht  nur  der  Bulgaren  und  der  Lausitzer  Serben).  (Übrigens  muß  gleich 
gesagt  werden,  daß  die  nun  vorgeschlagenen  Titel  der  einzelnen  Ej^pitel  selbst- 
verständlich keineswegs  den  gesamten  Inhalt  des  in  Rede  stehenden  Zeitab- 
schnitts erschöpfen  wollen,  sie  wollen  vielmehr  nur  dem  vorherrschenden  Gha- 
rakterzug  desselben  Rechnung  tragen.)  Aus  dem  Obigen  folgt,  daß  eine  Reihe 
von  Änderungen  im  zweiten  Teile  der  EarÄsekschen  Arbeit  unbedingt  vorzn* 
nehmen  ist,  wenn  ich  auch  hier  —  mit  Rücksicht  auf  den  vielfach  noch  immer 
brach  liegenden  Stoff  aus  diesem  Zeiträume  —  nicht  gar  zu  strenge  richten 
müchte:  §  1  und  2  sind  (samt  einem  Teil  des  §  15:  dem  »einheimischen«  Scbriit- 
tum  bis  184S)  zu  einem  Kapitel  zusammenzuschmelzen;  §  3  wird  in  zwei  Stücke 
zerfallen;  §  7  und  9  kommen  zweifellos  vor  §  6;  femer  sind  §§11—14  und  §  15 
(Rest)  mit  16 — 18  zusammenzufassen,  wodurch  wir  jedem  gewaltsamen  Titel 
(vgl.  z.  B.  §  1 1  und  12!)  und  aller  mechanischen  Einteilung  des  Materials  (etwa 
in  »neue« und  »neueste«  »Poesie«  und  »Prosa«,  vgl. z.B.  §§  16, 17 und  18!)  ent- 
rinnen werden,  freilich  ist  zugleich  aus  diesen  und  den  vorhergehenden  Ab- 
schnitten grundsätzlich  die  (mit  Unrecht  darin  berührte)  Moderne  für  §  19  (bis- 
her nur  Polen,  Öechen  und  Slovenen !)  auszuscheiden,  d.  h.  nicht  bloß  die  ge- 
samte D6cadence  (in  unserm  Buch  mitunter  schon  früher,  nicht  nur  in  §  10,  an 
verschiedensten  Orten  verstreut),  sondern  (bei  den  Nordwest-  und  Sttdslavea) 
schon  der  Realismus,  denn  man  kann  im  Interesse  der  Übersichtlichkeit  un* 
möglich  —  um  so  weniger  bei  solch  einer  verhältnismäßig  knappen  Darstellnng 
—  für  aUe  zehn  Jahre  eine  neue  Periode  schaffen. 

In  den  vorangegangenen  Zellen  habe  ich  mich  bemOht,  durch  Skizzieruag 
und  Wertung  des  Gerippes  unsrer  Schrift  ihre  gar  nicht  seltenen  großem 
Eompositionsfehler  aufeuzeigen,  und  zu  diesen  Grundfehlern  gesellen  sich  nun 
auch  in  den  Einzelheiten  Irrtümer  und  Versehen  in  großer  Füllet:  Überhaupt 


t7)  Vielleicht:  »Herrschaft  der  Romantik.« 

^  S.  z.B.  in  Band  I  auf  Seite  lOH  »Dramaturgen«  für  »Dramatiker«  und 
auf  Seite  116  Eolcov  statt  Erylov!    Überdies  soll  hier  des  bekannten  altrossi- 


Karäsek,  SlaviBche  Literaturgeschichte,  angez.  von  Sutnar.         593 

trägt  das  Kariseksche  Bach  vielfach  das  Siegel  der  äußersten  Subjektivität, 
und  zwar  sowohl  im  guten  als  auch  im  schlechten  Sinne  dieses  Wortes,  so 
daß  der  Verfasser  hiermit  vorläufig  nur  einem  Bruchteile  der  an  einen  mo- 
dernen Literarhistoriker  gestellten  Anforderungen  entsprochen  hat^^.  Auf 
Schritt  und  Tritt  begegnet  man  Spuren  von  Flüchtigkeit,  die  an  mancher  Stelle 
die  lotste  Feile  gänzlich  ausbleiben  ließ,  obwohl  anderseits  wieder  anerkennend 
auf  den  künstlerischen  Schwung  sowie  die  temperamentvolle  Darstellung  hin- 
gewiesen werden  muß,  zu  welcher  sich  diese  Schrift  oft  emporschwingt.  (Auch 
von  sprachlichen  Härten^  ist  das  Buch  ziemlich  frei.)  Allerdings  treten  an  die 


sehen  Schriftdenkmals  gedacht  werden,  welches  in  Band  n  auf  Seite  39  als 
»Lied  vom  Regiment  des  Igor«,  auf  Seite  75  schlechtweg  als  »Slovo«  und  auf 
Seite  151  als  »Bericht  über  die  Expedition  des  Igor«  angeführt  wird. 

^)  Die  Theorie  der  modernen  Literaturgeschichte  können  wir  getrost  in 
einem  einzigen  Satze  zusammenfassen:  Ein  wahres  literarhistorisches  Werk 
(sowie  kunsthistorisches  überhaupt)  ist  ein  über  Kunstwerke  handelndes  Kunst- 
werk, das  jedoch  Zoll  ftlr  Zoll  auf  streng  wissenschaftlicher  Basis  aufgebaut 
werden  muß;  der  Literarhistoriker  soll  jederzeit  bei  der  Untersuchung  sowie 
bei  der  Darstellung  seinem  Stoffe  zugleich  mit  kühlem  Kopfe  des  Forschers 
und  mit  warmem  Herzen  des  Künstlers  gegenüberstehen,  indem  er  jeder  noch 
so  bescheidenen  Einzelheit  das  größte  Verständnis  entgegenbringt,  ohne  je- 
doch die  Hauptkonturen  seiner  Arbeit  von  Details  überwuchern  zu  lassen, 
und  indem  er  Überall  in  objektivster  Weise  seine  Person  beiseite  schiebt  und 
doch  wieder  überall  in  subjektivster  Weise  seine  Fußstapfen  zurückläßt;  der 
Literarhistoriker  muß  mit  frostiger  Ruhe  rastlos  in  die  tiefsten  Schachtecken 
der  verborgensten  Zusammenhänge  seines  Gegenstandes  hinuntersteigen,  aus- 
gerüstet mit  der  schärfsten  Grubenlampe  der  ästhetisch-psychologisch-sozio- 
logischen  Analyse  sowie  mit  dem  reichlichsten  Nahrungsvorrat  aus  dem  Welt- 
Schrifttum,  aus  der  Kulturgeschichte  und  aus  der  Sprachwissenschaft,  und 
ebenso  muß  er  voll  glühender  Leidenschaft  unverdrossen  —  mit  der  Wünschel- 
rute der  fruchtbarsten  Synthese  in  der  Hand  —  die  steilsten  Bergriesen  der 
Dichtkunst  erklimmen,  damit  er  in  packenden  und  hinreißenden  Worten 
rückhaltloser  Bewunderung  den  unvergänglichen  Ruhm  ihrer  herrlichen  Myste- 
rien und  ihrer  heiligen  Symbole  verkünde.  Wenn  wir  nun  diese  Theorie  auf 
den  Geschichtsschreiber  des  gesamten  sla vischen  Schrifttums  anwenden,  so 
wird  sie  wohl  wegen  der  großen  Reichhaltigkeit  des  Stoffes  einiger  Zusätze 
bedürfen:  Heutigen  Tages  kann  man  unmöglich  noch  verlangen,  daß  ein 
solcher  Literarhistoriker  alle  —  auch  die  weniger  wesentlichen  —  in  sein  G^e- 
biet  einschlagenden  Erächeinungen  aus  erster  Hand  kennen  soll ;  darf  er  je« 
doch  in  Bezug  auf  die  nicht  maßgebenden  Schöpfungen  sich  der  Arbeiten  seiner 
Vorgänger  bemächtigen  und  sich  mit  gewissenhafter  Verwertung  dieser  Mono- 
graphien begnügen,  so  muß  er  dafür  seine  Kenntnis  der  hervorragendsten 
Denkmäler  unbedingt  vor  allem  aus  den  Quellen  selbst  schöpfen,  wenn  er  ein 
Werk  von  wirklich  bleibendem  Werte  hervorbringen  will;  voll  und  ganz  zu 
Worte  zu  gelangen  hat  die  Individualität  des  Literarhistorikers  bei  der  Auf- 
&ssung  des  Materials  und  beim  Entwürfe  des  GesamtbUdes,  das  die  schönsten 
Femsich ten  eröffnen  soll. 

ao)  Der  Verfasser  schreibt  z.  B.  in  Band  I  »Ragusäer«  für  »Ragusanert 
sowie  »ragusäisch«  für  »ragusanisch«« 

Areliiy  Ar  slavisclie  PhUologie.  XXDL  38 


594  Eritisoher  Anzeiger. 

Stelle  des  edeln  Geschmackes  häufig  schale  Redensarten,  die  mit  geistreieh- 
taendem  Schwulst  den  gähnenden  Mangel  an  eigentlichem  Verständnis  und 
Tief  blick  verdecken  wollen;  diese  Leere  wird  auch  mit  billigem  Flitterkram 
von  allerhand  Nichtigkeiten  aufgeputzt,  den  man  mit  ruhigem  Gewissen  als 
Ballast  über  Bord  hätte  werfen  künnen  um  so  mehr,  als  ohnehin  gar  manche 
Lücke  sich  bemerkbar  macht  Auch  sonst  wird  nicht  immer  der  hächate  Ge- 
Sichtspunkt  gewählt,  so  besonders  hinsichtlich  der  Ästhetik,  die  hier  mitunter 
den  Predigermantel  überwirft  und  mit  rostigen  Waffen  der  Inhaltsangaben  (und 
Übersetzungsproben}  herumfuchtelt^^}.  Derselben  allgemeinen  Quelle  der  oben 
erwähnten  Flüchtigkeit  verdanken  demnach  ihren  Ursprung  die  zumeist  bereits 
aufgezählten  zahlreichen  Willkürlichkeiten  und  Ungleichmäßigkeiten  der  Kom- 
position samt  den  kleinem  logischen  Sprüngen  der  regen  Phantasie,  wobei  eine 
falsche  Auffassung  der  Originalität  erheblich  mitgewirkt  haben  mag,  denn 
fremde  Mithilfe  wurde  von  Earäsek  trotz  der  —  die  Kraft  eines  einzigen 
Menschen  übersteigenden  —  Anforderungen  nach  Möglichkeit  verschmäht  und 
zurückgewiesen.  (Und  so  kam  es,  daß  unser  Buch  nur  zu  seinem  Nachteil  bei 
Anordnung  der  ganzen  Stoffpartien  und  bei  Abschätzung  der  einzelnen  Erschei- 
nungen innerhalb  derselben  sich  viel  zu  wenig  an  seine  Vorgänger  anschließt 
und  auch  sonst  in  manchem  Detail  durch  Nichtbenutzung  der  einschlägigen 
Spezialschriften  ganz  überfiüsslgerweise  noch  immer  altfränkischen  Ansichten 
der  Menge  huldigt.) 

Nun  hat  bekanntlich  neben  der  eben  besprochenen  Schattenseite  der 
Subjektivität  auch  ihre  Lichtseite  nicht  geschwiegen,  sondern  tatkräftig 
aufzutreten  gewußt,  indem  sie  den  Verfasser  bei  Behandlung  des  umfang- 
reichen Gresamtmaterials  von  der  breiten  Heerstraße  des  bisherigen  (be- 
quemem) Verfahrens  abgelockt  und  auf  den  abschüssigen  Gebirgssteig  einer 
neuen  Methode  geführt.  Wohl  muß  man  diese  Darstellungsart  als  eine  aus 
iremdem  Garten  verpflanzte  Blume  bezeichnen ,  die  von  den  Historikern  der 
Weltliteratur  —  meines  Wissens  von  M. Carriere  (1868),  G.Brandes  (1872)  und 
A.  Stem  (1882)  —  schon  vor  vielen  Jahren  gepflegt  worden  ist,  aber  auf  jeden 
Fall  wandte  Karasek  dieses  Verfahren  zum  erstenmal  auf  das  gesamte  Schrift- 
tum  der  Slaven  an  (allerdings  findet  sich  schon  bei  Pypin  etwas  Ähnliches 
z.  B.  im  letzten  Kapitel  über  die  Renaissance),  welche  Tat  schon  wegen  ihrer 
Kühnheit  als  unzweifelhafter  Fortschritt  anerkannt  werden  muß.  Nichtsdesto- 
weniger steckt  diese  Methode  bei  Karasek  noch  tief  in  den  Windeln,  wie  daa 
oben  meine  —  der  Klärung  des  vielfach  noch  gährenden  Stoffes  gewidmeten  — 
Fingerzeige  hoffentlich  zur  Genüge  dargetan  haben.  Oft  kann  sich  der  Ver- 
fasser von  den  Fesseln  des  Herkommens  noch  nicht  gänzlich  lossagen,  and 
noch  gar  zu  gern  klebt  er  an  Äußerlichkeiten,  oft  folgt  der  Verfasser  dem 
neuen  Gedanken  wieder  sogar  auf  Irrwege,  wo  mitunter  jeder  feste  Boden 
unter  seinen  Füßen  plötzlich  schwindet.  Der  ganzen  Arbeit  fehlt  es  an  einem 
eisernen  System  (bei  Einteilung  des  Stoffes  dienen  bald  die  Zeitperioden  und 
bald  wieder  die  Gattungen  der  Dichtkunst  [z.  B.  Drama  in  Band  I  und  Poesie 


-^)  Letzteres  auf  südslavischem  und  polnischem  Gebiete,  wo  Karasek  als 
Cache  begreiflicherweise  weniger  zu  Hause  war. 


RarAsek,  Slavische  Literatargeschichte,  angez.  von  Sntnar.         595 

und  Prosa  in  Band  II]  als  AaBgangspnnkt),  was  um  so  mehr  zu  bedauern  ist,  als 
meistens  ohnehin  kein  kräftiger  Gresamtcharakter  die  einzelnen  Literatarteile 
zasammenhält,  wiewohl  anderseits  schon  eine  bloße  Feststellang  des  Nichtvor- 
handenseins anhaltender  and  innigerer  Wechselbeziehangen  zwischen  den 
einzelnen  Gliedern  (mithin  ein  ganz  and  gar  negatives  Ergebnis)  an  and  für 
sich  aach  keine  verachtenswerte  Leistang  wäre :  Dieses  viele  Schwanken  — 
infolge  der  völligen  Rtickgratlosigkeit  des  Baches,  d.  h.  des  Mangels  an  einem 
einheitlichen  Standpunkt  —  hat  nun  manchen  Zag  des  darzustellenden  Gegen- 
standes eher  verdunkelt  als  aufgehellt  (vgl.  die  Behandlung  des  Dramas!),  und 
aus  demselben  Grund  tritt  überhaupt  kein  deutliches  Gesamtbild  an  die  Stelle 
der  klaren  Einzelbilder  Pypins,  die  ttberdies  hier  in  dem  Wust  von  Ver- 
gleichen zumeist  untergegangen  sind;  soll  jedoch  dieses  neue  Verfahren  eine 
feste  Grundlage  gewinnen,  so  kann  das  bekanntlich  nur  in  der  angedeuteten 
Weise  —  unter  strenger  Umgehung  jedes  mechanischen  Behelfes  —  durch 
den  engsten  Anschluß  an  die  Hauptströmungen  des  Weltschrifttums  ge? 
schehen ,  welche  natürlich  auch  in  diesem  Falle  den  allerhöchsten  Gesichts- 
punkt vorstellen. 

Endlich  gelange  ich  nach  einem  —  der  allgemeinen  Charakteristik  des 
Ear&sekschen  Buches  gewidmeten  —  ziemlich  ausgiebigen  Abstecher  zum 
eigentlichen  Ziele  meines  Aufsatzes,  zur  6echischen  Literatur  (29  +  58  b  87 
Seiten  —  abgesehen  von  den  gemeinsamen  Kapiteln  —  gegen  168  -f- 186  =  354 
Seiten  im  ganzen),  an  welcher  das  bezüglich  der  Einzelheiten  oben  Gresagte 
reichlich  belegt  werden  soll.  Bei  dieser  Gelegenheit  muß  gleich  bemerkt  werden, 
daß  onsre  Schrift  des  öftem  auch  in  den  nicht^echischen  Abschnitten  einen  für 
ein  deutsches  Handbuch  etwas  einseitigen  6echischen  Standpunkt  einnimmt 
(So  heißt  es  z.  B.  in  Band  I  auf  Seite  84  bei  Besprechung  polnischer  Schrift- 
denkmäler :  >. . .  Martin  Bielski  [hat] . . .  das  Gredicht  »Maitraum«  verfaßt . . . 
Dieser  »Maitraum«  darf  aber  mit  dem  gleichbenannten  böhmischen  Gedichte 
nicht  verwechselt  werden,  das  hundert  Jahre  früher  wahrscheinlich  von  dem 
Sohne  des  Königs  Georg,  dem  Herzog  von  Münster  [d.  h.  Münsterberg!],  nach 
einem  deutschen  Muster  verfaßt  worden  ist«,  und  Ahnliches  lesen  wir  in  Band  H 
auf  Seite  65  gelegentlich  der  kroatischen  Literatur:  »Stanko  Vraz  ist  nicht 
mit  dem  gleichlautenden  Pseudonym  eines  6echischen  Beiseschriftstellers,  der 
die  ganze  Welt  gesehen  hat,  zu  verwechseln ;  ans  einer  adligen  Familie  stammend 
ist  dieser  ein  würdiger  Partner  Holubs«  [nebenbei  muß  gesagt  werden,  daß 
der  auch  Deutschen  als  Afrikareisender  wohlbekannte  Holub  bloß  hier  gestreift 
wird];  hierher  gehören  gleichfalls  die  nur  ausnahmsweise  vorkommenden  Bo- 
hemismen, z.  B.  Band  I  Seite  118:  »ein  auf  [statt:  für]  seine  Zeit  epochales 
Werk«.)  Bei  diesem  etwas  einseitigen  6echischen  Gesichtspunkt  ist  es  um  so 
merkwürdiger,  daß  gerade  rücksichtlich  der  Bezeichnung  für  die  Öechen  hier 
meistens  die  größte  Verwirrung  herrscht  (In  beiden  Bänden  werden  sehr  oft 
die  geographischen  Wörter  »Böhme«  und  »böhmisch«  fälschlich  in  ethno- 
graphischem Sinne  für  »Öeche«  und  »^echisch«  und  umgekehrt  die  ethnogra- 
phischen Ausdrücke  »Öeche«  und  »&echisch<  in  geographischer  Bedeutung 
statt  »Böhme«  und  »böhmisch«  gebraucht:  So  heißt  es  in  Band  II  auf  Seite  137 : 
». . .  Klostermann  ist  nicht  nur  Kenner  der  böhmischen  [=  6echischen],  sondern 

38* 


596  Elritischer  Anzeiger. 

aach  der  deatschen  Bevölkemng  im  Böhmerwaldgebiete . .  .c;  dagegen  wird  in 
Band  lauf  Seite  63  ein  »Tagebuch  der  6echischen  [=  bOhmiBchen]  GeBandtaehaft 
[1464]  zom  franzöfliBchen  KOnig«  erwähnt,  auf  Seite  121  wird  von  der  >6eclii- 
Bchen  [=  böhmischen]  »Kgl.  Gelehrten  Gesellschaft««  gesprochen  [obwohl 
Earäsek  später  in  Band  11  auf  Seite  33  selber  sagt :  »Die  »Königliche  Gelehrte 
Gesellschaft« . . .  war  zn  dieser  Zeit  die  berühmteste  Gesellschaft  Mitteleuropas; 
Öechen  und  Deutsche,  durch  das  Streben,  Aufklärung  zu  verbreiten,  verbunden, 
reichten  sich  hier  friedlich  die  Hände  •..«],  ferner  liest  man  auf  Seite  124: 
»..  .Bei  den  Öechen  [d.h.  in  Böhmen!]  sind  die  [Volkslieder-]  Sammlungen  von 
Erben,  in  Mähren  jene  von  Barto6  und  von  SuSil  [richtig:  von  Su&il  und  von 
Bartofi;  denn  Barto&  kam  erst  nach  Sudil],  in  der  Slovakei  jene  Kollirs  be- 
kannt . . .«,  und  schließlich  ist  auf  Seite  168  vom  »6echischen  [«  böhmischen]« 
Museum  und  Adel  die  Bede.)  Die  fehlerhaften  Einzelheiten  treten  überhaupt 
auch  in  den  ^echischen  Bestandteilen  so  zahlreich  auf,  daß  an  eine  Erschöpfung 
dieser  fast  unversiegbaren  Quelle  gar  nicht  gedacht  werden  kann,  obwohl  doch 
dieses  Schrifttum  dem  Verfasser  eigentlich  am  allernächsten  gestanden  ist; 
diese  Nichterschöpfung  liegt  übrigens  bereits  in  der  Natur  der  Sache,  denn 
eine  Bezension  hat  sich  ja  mehr  oder  weniger  immer  mit  Stichproben  zu  be- 
gnügen, und  da  kommen  meistens  noch  wegen  Überfülle  von  Stoff  bloß  die 
zweifellosen  und  allerauffalligsten  Mängel  der  besprochenen  Schrift  in  Betracht 

Gleich  im  »Literaturverzeichnis«  findet  sich  ein  beredtes  Beispiel  fllr  die 
Minderwertigkeit  der  übersetzten  Titelangaben  in  dem  Zitat  »Die  Geschichte 
der  6echiächen  Literatur  im  »Gedenkblatt«  der  öechischen  Akademie  (6echisch}«. 
(Wer  soll  denn  ohne  weitres  wissen,  daß  das  »GMenkblatt«  in  der  Original- 
sprache gerade  »Pamä.tnik«  heißt?)  Als  unwahr  ist  der  Titel  »Die  cech.  Lite- 
ratur des  XIX.  Jahrhunderts  bis  zu  den  50  er  Jahren  (6echisch)«  zu  bezeichnen, 
da  er  bloß  »Literatura  6e8k&  devatenict^ho  stoleti«  lauten  soll.  (Die  Publi- 
kation wird  bekanntlich  auch  die  Moderne  behandeln;  erschienen  ist  von 
diesem  Werke  nicht  nur  der  angeführte  Teil  I  und  n  [Laichteruv  vybor  nej- 
lep^ich  spisä  pouön^ch,  kniha  XIX,  li)02,  kniha  XXI,  1903],  sondern  auch 
schon  Teü  m/1  [kniha  XXVI,  1905].)  Unzweifelhafte  Lücken  stellen  endlich 
die  dort  gänzlich  fehlenden  6echischen  Literaturgeschichten  von  J.  Dobrovsky, 
J.  Jungmann,  A.  V.  ^embera,  E.  Sabina,  E.  Tieftrunk,  J.  Jire6ek  und  F.  Ba^- 
kovsky  dar;  auch  von  J.  V16ek  hätte  jedenfalls  das  Werk  »Dejinj  literatdry 
slovenskej«  (V  Türe.  Sv.  Martine  1890)  aus  reifem  Jahren  verdient,  neben  der 
Jugendarbeit  »Die  Literatur  in  der  Slovakei  (iechisch)«  genannt  zu  werden; 
außerdem  wurden  in  dem  zuletzt  kommenden  Verzeichnis  der  Autoren  von 
Monographien  Männer  wie  L.  Cech,  J.  Hanns,  J.  Jakubec,  T.  G.  Masaryk,  V. 
Tille  mit  Stillschweigen  übergangen.  (Übrigens  kommen  in  den  Begistem  die 
zwei  Gechen  Cem^  und  Stitny  in  doppelter  Gestalt  vor:  als  Bokyta  und  als 
Thomas  von  Stitn^  [unter  Thomas !]  in  Begister  I,  dagegen  als  Öemy  [Bokyta] 
und  als  Stitny  in  Begister  II.) 

Im  folgenden  Abschnitt  »Über  die  Aussprache«  wird  mit  Unrecht  6eoh.^ 
deutsch  durch  ie  (s  i)  wiedergegeben,  denn  es  heißt  dort  »Öechisch:  i  =  ie 
(soll  heißen:  je)«. 

Nun  gehen  wir  zum  eigentlichen  Text  über,  und  gleich  in  der  »Ältesten 


Earäsek,  Slavische  Literaturgeschichte,  angez.  von  Sutnar.        597 

iechlBchen  Literatur«  liest  man  auf  Seite  38:  ». . .  König  Yladislay  IL  sachte 
im  Jahre  1080 ...  am  die  päpstliche  Genehmigang  flir  die  slavische  Liturgie  in 
Böhmen  an,  die  er  jedoch  nicht  erlangte.«  (Es  ist  hier  Yratislav  11.  [1061 — 
1092]  gemeint,  da  Yladislay  n.  den  böhmischen  Thron  mehr  als  ein  halbes 
Jahrhnndert  später  [1140—1173]  bestieg.)  Femer  erfahren  wir  dort  aaf 
Seite  39:  »Ins  Böhmische  warden  damals  übersetzt:  der . . .  »Streit  der  Seele 
mit  dem  Körper«,  »Der  Streit  zwischen  Wein  and  Wasser«,  »Alan«,  in  wel- 
chem der  Passus  vorkommt,  daß  Jadas  ein  Deutscher  yon  Gebart  war . . .« 
(Was  hat  solch  ein  »ethnographischer«  Aufschluß  aus  der  Finsternis  des 
Mittelalters  über  Judas  in  unsrer  so  kurzgefaßten  Literaturgeschichte  zu 
suchen?  Die  Stelle  kommt  ttbrigens  in  einem  andern  Denkmal  vor,  das 
»Anselm«  [nicht:  »Alan«]  genannt  wird!)  Auf  Seite  41  begegnen  wir  ebenda- 
selbst folgender  Stelle:  »In  Böhmen  wurde  auch  die  Tierfabel  behandelt  Smil 
FlaSka  aus  Pardubitz  schrieb  sogar  ein  Kunstgedicht  »Der  neue  Bat« . . .« 
(Flaska  z  Pardubic  kann  als  Adliger  deutsch  nur  Flaska  von  [nicht:  aus]  Par- 
dubic  heißen  [vgl.  z.  B.  die  Wenzigsche  Übersetzung  dieses  »Neuen  Rates«!].) 
Schließlich  findet  sich  in  demselben  Paragraphen  auf  Seite  42  noch  dieses: 
»Durch  ihren  deutschen  Ursprung  besonders  interessant  sind  die  Helden 
»Bruncvik  und  Stilfrid«,  die  zu  der  Ehre  gelangten,  böhmische  Nationalhelden 
zu  werden . . .  Die  Bearbeitungen  der  Sagen  wurden  als  weitverbreitete  Volks- 
bücher unzähligemal  in  Böhmen  gedruckt . . .«  (Bichtig  ist  nur  die  Reihen- 
folge »Stilfrid  und  Bruncvik«,  denn  Bruncvik  war  der  Sohn  Stilfrids.)  Im 
Kapitel  über  Hus  wird  auf  Seite  52  erzählt:  »Hand  in  Hand  mit  der  Ausge- 
staltung und  Reinigung  der  Sprache  ging  bei  Hus  auch  die  Verbesserung  der 
Rechtschreibung.  Dort,  wo  man  bisher  bei  der  ungenügenden  lateinischen 
Schreibweise  zwei  bis  drei  Buchstaben  für  Mitlaute  schrieb,  führte  er  Punkte 
ein.  Allerdings  drang  diese  Rechtschreibung  nicht  überall  durch,  well  die 
»böhmischen  Brüder«  ihre  eigene  Schreibweise  hatten ,  aber  in  Einzelheiten 
wurde  sie  z.  B.  auch  von  dem  Polen  Parkosz  (im  16.  Jahrhundert)  für  das  z 
angenommen.  —  Am  Beginne  des  19.  Jahrh.  wurde  der  Rechtschreibungs- 
grundsatz  des  Hus  maßgebend  für  die  neue  6echische  Orthographie;  nur  er- 
scheint an  Stelle  des  Punktes  das  Häkchen,  welches  auch  die  lateinisch 
schreibenden  Südslaven  angenommen  haben  und  dessen  sich  jetzt  auch  die 
Ober-Lausitzwenden  bedienen.  Außerdem  fand  diese  6echische  Schreibweise 
Eingang  in  die  vergleichende  Sprachwissenschaft  und  dient  zur  Transkription 
aus  dem  Sanskrit,  für  afrikanische  Sprachen  und  in  neuester  Zeit  auch  für  die 
Aufstellung  eines  geeigneten  albanischen  Alphabetes.«  (Diese  Sätze  bedürfen 
dringend  eines  berichtigenden  Nachtrages:  Die  Schreibweise  der  Brüder  ist 
im  großen  und  ganzen  die  Orthographie  des  Hus,  nur  zum  Teil  verschlechtert 
und  zum  Teil  unwesentlich  verändert;  der  Buchstabe  2  [neben  6,  r  und  §]  wurde 
meines  Wissens  erst  von  S.  Zaborowski  [1518]^)  übernommen,  nicht  von  Par- 
kosz, der  bereits  im  fün&ehnten  Jahrhundert  [also  nicht:  im  sechzehnten]  ge- 


^  Auch  die  Zaborowskischen  Schriftzeichen  d*  und  V  sind  ^echisches 
Produkt,  aber  jungem  Datums,  wie  wir  aus  der  folgenden  Anmerkung  ersehen 
werden. 


598  Kritischer  Anzeiger. 

lebt  hat;  das  Häkchen ""  [samt  dem  Bögelchen'  und  Strich ']  statt  des  Hasischent 
Ponktes^}  ist  ja  schon  von  den  Brüdern  in  Umlanf  gesetzt  worden;  die  Serben 
der  Oberlansitz  nahmen  die  6echischen  Schriftzeichen  —  gleich  den  mit  latei- 
nischen Lettern  schreibenden  Südslaven  —  bereits  un  die  vierziger  Jahre  an 
[bedienen  sich  ihrer  demnach  nicht  erst  jetzt,  was  nur  von  den  niederiansitid' 
sehen  Serben  gelten  könnte];  übrigens  dienen  die  6echischen  diakritischen 
Zeichen  auch  znr  Transkription  der  asiatischen  und  der  amerikanischen  [mithin 
nicht  bloß:  der  afrikanischen]  Sprachen,  z.B.  znr  Umschreibung  der  iranischen 
Sprachen  [also  nicht  nur:  aus  dem  Sanskrit]  usw.,  vor  allem  jedoch  bekanntlich 
zur  Transkription  des  Kirchenslavischen  und  der  mit  cyrillischen  Buchstaben 
schreibenden  sttdostslavischen  Sprachen  überhaupt.)  Im  folgendenParagraphen 
»Hussitismus  und  das  15.  Jahrhundert  in  Böhmen«  wurde   C.  Tovacovsky 


^)  Das  Häkchen  ^  z.  B.  in  c  ist  ein  —  im  Laufe  der  Zeit  offenbar  aus 
ästhetischen  oder  auch  praktischen  Gründen  ein  wenig  umgestaltetes  —  i,  das 
seit  dem  fün^Kehnten  Jahrhundert  über  den  Konsonanten  als  Zeichen  der  Mou- 
illierung übergeschrieben  wird  (zweifellos  im  Anschluß  an  die  —  nach  dem 
Muster  der  lateinischen  Paläographie  gebUdeten  —  deutschen  ümlautzeichen 
usw.);  und  zwar  haben  wir  da  von  der  —  damals  auch  bei  den  Öechen  üb- 
lichen —  gotischen  Schrift  auszugehen,  der  das  Häkchen  seine  spitze  Form 
verdankt.  Dasselbe  gilt  von  dem  übergeschriebenen  Bögelein '  z.  B.  in  d*, 
welches  aus  einem  gotischen  j  (etwa  seit  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  j  =  i) 
hervorging;  dieser  Buchstabe  j  trat  in  Böhmen  gleichzeitig  auch  in  Gestalt 
eines  übergeschriebenen  Striches  '  z.  B.  in  £  »  i  auf,  der  später  bei  den  Polen 
in  gleicher  Eigenschaft  Aufnahme  fand  und  bekanntlich  bis  heute  verwendet 
wird.  (Im  spanischen  8  dürften  wir  es  jedoch  mit  keinem  übergeschriebenen 
[liegenden]  i  zu  tun  haben.)  Allerdings  muß  man  sich  dabei  Überall  vor 
Augen  halten,  daß  der  i-Punkt  (sowie  natürlich  der  j-Punkt)  gleichfalls  erst 
ungefähr  seit  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  häufiger  auftaucht;  höchstwahr- 
scheinlich deshalb  faßte  Hns  —  gleich  im  Eingang  des  fünfzehnten  Jahr- 
hunderts —  diesen  Punkt  als  Symbol  des  i  (und  y  s=  i)  auf  und  bediente  sich 
dieses  übergeschriebenen  Zeichens  statt  des  nachgeschriebenen  i  oder  y  z.  6.  in 
n  B  (einst)  ni,  ny  =  (jetzt)  h,  das  ursprünglich  in  der  alt6echischen  (sodann 
auch  in  der  altpolnischen)  Graphik  als  Erweichungszeichen  gedient  hatte. 
Diese  primitive  Schreibweise  der  Oechen  ist  dann  zu  den  Magyaren  fiberge- 
gangen, deren  Graphik  vor  alters  ebenfalls  oft  und  viel  ans  der  6echi8chen 
schöpfte.  (Auf  dieser  ehemaligen  urzuständlichen  Stufe  steht  sie  bekanntlich 
im  wesentlichen  auch  noch  in  der  Gegenwart)  Durch  eine  Ironie  des  Schick- 
sals geriet  nun  der  Kern  dieses  Glanzpunktes  in  der  6echischen  Kulturge- 
schichte in  Vergessenheit  und  blieb  seit  mehr  als  drei  Jahrhunderten  für  die 
»Nation  der  Philologen«  —  selbst  für  die  Forscher  ersten  Ranges  darin  —  in 
ein  undurchdringliches  Geheimnis  gehüllt,  was  um  so  mehr  zu  bedauern  war 
als  die  iechischen  diakritischen  Zeichen  die  engen  Grenzen  ihrer  ursprüng- 
lichen Heimat  schon  längst  überschritten  und  somit  als  internationales  Gut 
an  Bedeutung  ungemein  gewonnen  haben.  (In  dieses  Bätsei  der  ^echischen 
Graphik  war  vielleicht  noch  J.  Blahoslav  1571  als  letzter  eingeweiht)  Dies 
alles  unter  anderm  will  ich  mit  Hilfe  von  Faksimiles  ausführlich  und  über- 
zeugend in  einem  eigenen  Aufsatz  darstellen,  den  eines  der  nächsten  Hefte 
dieser  Zeitschrift  bringen  soll. 


Karäsek,  Slayische  Literatnrgefichichte,  angez.  von  Sutnar.         599 

e  Gimbnrka  mit  Unrecht  übergangon.  Im  nächsten  Kapitel  Über  ChMiekf  lesen 
vir  auf  Seite  56  folgendes:  »Durch  die  Postille  reiht  er  [Chel6ick^]  sich  Hos, 
Bokyoana,  Jakübek,  also  den  ersten  Theologen  würdig  an . .  .<  (Es  darf  nicht 
▼erschwiegen  werden,  daß  der  Name  der  letzten  zwei  »ersten  Theologen«  bloß 
hier  auftritt)  Femer  stoßen  wir  ebendaselbst  auf  Seite  58  noch  auf  diese  Be- 
merkung: »Die  sozialen  Anschauungen  Chel6ick^8  erregten  in  hohem  Maße 
das  Interesse  des  Grafen  Tolstoj,  der  »Das  Netz  des  Glaubens«  (1892—93) 
schon  aus  den  Aushängebogen  las  und  von  Chelcick^  als  einem  der  ersten 
Philosophen  der  Welt  spricht«  (Mit  dankbarem  Verständnis  nimmt  man  ge- 
wiß die  Mitteilung  entgegen,  daß  ein  Tolstoj  die  Lehre  Chel6ick^s  so  sehr  zu 
schätzen  weiß.  Aber  muß  uns  im  engen  Rahmen  dieser  Arbeit  unbedingt  auch 
berichtet  werden,  daß  dem  russischen  Dichter  von  dem  ^echischen  Buche  be- 
reits die  Aushängebogen  zur  Verfügung  standen?)  In  dem  —  der  »böhmischen 
(mährischen)  Brüdergemeinde«  gewidmeten  —  folgenden  Paragraphen  sucht 
man  umsonst  nach  einer  Würdigung  des  von  der  Brüderschaft  eigentlich  un- 
trennbaren Humanismus,  des  lateinischen  mit  B.  Hasiätejnsky  z  Lobkovic  im 
Vordergrund  und  des  &echischen  mit  V.  K.  ze  Vi&ehrd  an  der  Spitze.  Das  nächste 
Kapitel  trägt  —  außer  dem  Nebentitel  »Das  goldene  Zeitalter«  —  den  Haupt* 
titel  »Das  16.  Jahrhundert  in  der  6echischen  Literatur«,  der  mit  der  Über- 
schrift des  Schlusses  auf  S.  67  »Verfall  der  6echischen  Literatur  im  17.  Jahr- 
hundert« in  Widerspruch  steht  (VüUig  vergessen  wurde  hier  Übrigens 
S.  Lomnick^  z  Bud6e.)  Weiter  erfahren  wir  da  auf  Seite  63 :  »Schon  aus  Mheren 
Zeiten  ist  die  Obersetzung  der  Reisebeschreibung  von  Marco  Pauli  (»Million« 
über  China  und  Ostasien) . . .  bemerkenswert«  (Offenbar  ist  hier  der  berühmte 
Venezianer  Marco  Polo  [im  Index  heißt  er  wiederum  Marco  Paolo]  gemeint.) 
Überdies  begegnen  wir  ebendaselbst  folgenden  Mitteilungen  auf  Seite  63:  »Im 
1 7.  Jahrhundert  (in  den  dreißiger  Jahren)  machte  sich  Daniel  Streyc  (Vet- 
terus),  Lehrer  der  böhmischen  [64]  Sprache  beim  Sohne  Friedrichs  von  der 
Pfalz,  nach  Island  auf,  das  er  beschrieb.  Die  »Islandia«  ist  auch  im  deutschen 
und  polnischen  Texte  bekannt«  und  etwas  später  auf  Seite  64 :  »Über  die 
Türken  und  Eonstantinopel  las  man  in  Böhmen  besonders  gem.  Diese  Be- 
schreibungen strotzten  von  Gefahren  und  Abenteuerlichkeiten.  Um  das  Jahr 
1500  ließ  der  Serbe  Michael  Eonstantinovid  eine  solche  »Chronik«  polnisch 
niederschreiben  (die  Sprache  ist  mit  serbischen  Wörtern  und  Bohemismen  ver- 
mengt); aus  dem  Polnischen  wurde  sie  ins  Böhmische  Übersetzt  und  als 
»türkische  Chronik«  1565  und  1581  herausgegeben.  1865  erst  fand  ihre  Über- 
tragung ins  Serbische  statt . . .«  (Diese  zwei  Stellen  wurden  mit  Absicht  voll- 
ständig wiedergegeben,  um  recht  deutlich  zu  zeigen,  wie  das  Buch  Kariseks 
mitunter  von  Nichtigkeiten  —  natürlich  zu  großem  Nachteile  der  wichtigem 
Erscheinungen  —  förmlich  wimmelt  Denn  mit  ähnlichen  wunderlichen  Ellein- 
lichkeiten  ist  einem  modemen  Deutschen  sicher  blutwenig  gedient  Nebenbei 
ist  es  doch  selbstverständlich,  daß  ein  um  das  Jahr  1500  entstandenes  polni- 
sches Denkmal  serbischer  Herkunft  Serbismen  und  —  bei  der  damaligen 
&echischen  Vorherrschaft  in  der  polnischen  Literatur  —  auch  Bohemismen 
aufweisen  mußte.)  Femer  steht  hier  auf  Seite  66  geschrieben:  »Veleslavins 
Sprache  und  Schreibweise  galt  lange  als  Muster;  freilich  wurde  die  Bedeutung 


000  Kritischer  Anzeiger. 

dieses  »goldenen«  Zeitalters  für  die  literatnr  überschätzt  Doch  mnß  zugegeben 
werden,  daß  Veleslavin  einen  wichtigen  Markstein  in  der  eechischen  Literatur 
bildet;  nicht  umsonst  ist  sein  Tod  von  33  Dichtem  beklagt  worden.«   (Zur 
Steuer  der  Wahrheit  ist  hervorzuheben,  daß  diese  35  [nicht:  33]  Dichter  dem 
Lager  der  lateinischen  Humanisten  angehörten.)  Schließlich  heißt  es  in  dem- 
selben Paragraphen  auf  Seite  67:  »Auch  große  historische  Werke  entstanden, 
wie  das  vom  Grafen  Martinic  —  vom  Prager  Fenstersturz  bekannt  —  im  katho- 
lischen Sinne  nnd  das  Werk  des  Paul  Skala  im  protestantischen  Geiste.  IHe 
»Respublica  Bojema«  von  StrÄnsk^  verbreitete  das  Interesse  für  die  Böhmen 
auch  in  weiteren  Kreisen  nnd  in  der  Fremde.«  (Es  ist  richtig,  daß  Martinic 
beim  Prager  Fenstersturz  in  Mitleidenschaft  gezogen  wurde;  das  g^lt  jedoch 
auch  vom  Grafen  Y.  Slavata  z  Chlumu  a  EoSumberka,  der  allein  [also  nicht: 
Martinic]  das  erwähnte  Werk  verfaßte.  Zudem  war  ausdrücklich  zu  bemerken, 
daß  das  StrÄnsk^sche  Buch  ebenfalls  im  nichtkatholischen  Sinne  gehalten  ist) 
Im  nächstfolgenden  Artikel  über  Eomensk^  lesen  wir  auf  Seite  68:   »Sein 
[Komensk^s]  Ideal  war,  die  Summe  alles  menschlichen  Wissens  zusammen- 
zustellen, welches  er  in  seinen  pansophistischen  Schrifiken  niederlegte,  die 
gewissermaßen  den  Gipfelpunkt  der  Weltweisheit  bildeten  nnd  seinen  tole- 
ranten Grundsätzen  den  Boden  vorbereiteten  . .  .<  (Der  Verfasser  meint  wohl 
die  pansophischen  [nicht:  pansophistischen]  Schriften  Eomensk^s.)  Auf  Seite  69  , 
erfahren  wir  ebenda  noch  folgendes:   »Unter  den  6ecbischen  Werken  [Ko- 
mensk^s]  ragt  besonders  »Das  Labyrinth  der  Welt«  und  »Das  Paradies  des 
Herzens«  hervor,  in  dem  sich  der  Einfluß  des  protestantischen  Predigers  Johann 
Valentin  Andreae  und  der  Schrift  »Die  Tiefe  der  Sicherheit«  bemerkbar  macht.« 
(Was  soll  das  heißen?    »Das  Labyrinth  der  Welt«  und  »Das  Paradies  des 
Herzens«  ist  bekanntlich  ein  einziges  Werk  Komensk^s,  und  zwar  aus  dem 
Jahre  1623,  nnd  »Die  Tiefe  der  Sicherheit«  ist  ebenfalls  Komensk^s  eigenes 
Buch,  und  zwar  vom  J  ahre  1 625 .  Liegt  hier  etwa  der  Einfluß  eines  jungem  Werkes 
auf  ein  älteres  vor?  Das  ist  wohl  der  Höhepunkt  der  Verwirrung!  Wahrschein- 
lich wollte  der  Verfasser  folgendes  sagen:  »Unter  den  6echischen  Werken  ragt 
besonders  »Das  Labyrinth  der  Welt  und  das  Paradies  des  Herzens«,  in  dem  sich 
der  Einfluß  des  protestantischen  Predigers  Johann  Valentin  Andreae  bemerkbar 
macht,  und  die  Schrift  »Die  Tiefe  der  Sicherheit«  hervor.«    Auf  Seite  70  heißt 
es  überdies  noch  irrtümlich  »Silva  pansophia«  statt  »Silva  pansophiae«.)   (In 
den  »Anfängen  der  polnischen  Literatur«  findet  sich  auf  Seite  73  auch  die 
Stelle  vor:  »Das  älteste  und  bekannteste  Denkmal  ist  das  Lied  »Die  Gottes- 
gebärerin«,  welches  eine  fromme  Überlieferung  dem  hl.  Adalbert,  einem 
Böhmen,  zuspricht . . .«  [Bekanntiich  wurde  dem  später  heilig  gesprochenen 
böhmischen  FUrstensohne  Vojt^ch  bei  seiner  Firmung  durch  den  Magdeburger 
Bischof  Adalbert  der  Name  dieses  Bischofs  als  zweiter  Name  beigelegt,  und  so 
kam  es,  daß  sich  die  beiden  Namen  sozusagen  decken.  Trotzdem  war  es  an- 
gezeigt, den  Eechischen  Namen  mindestens  in  der  E^lammer  beizufügen,  damit 
von  vornherein  jedem  Mißverständnis  vorgebeugt  werde.])  In  dem  allgemeinen 
Kapitel  über  die  »6echischen,  polnischen  und  kroatischen  Schauspiele  im 
Mittelalter«  begegnen  wir  auf  Seite  99  dieser  Stelle:   >. . .  Schon  aus  dem 
14.  Jahrhundert  stammt  ein  Fragment  ans  dem  »Quacksalber«,  eine  Szene  ans 


Kar&sek,  Slavische  Literaturgeschichte,  angez.  von  Satnar.        601 

einem  Weihnachtsspiele;  auch  unter  denDentschen  in  böhmischen  Ländern 
war  diese  Figur  beliebt.«  (Wir  haben  es  da  natürlich  mit  einem  Osterspide 
[keinem  Weihnachtsspiele]  zn  tun,  das  nach  einer  lateinischen  Vorlage  ge- 
sehrieben sein  soll;  bei  dem  internationalen  Charakter  dieses  Osterspieles  war 
es  wohl  ganz  überflüssig  nachzutragen,  daß  auch  die  unter  den  6echen  lebenden 
Deutschen  dieses  liebgewonnen  haben.) 

Im  zweiten  Band  berichtet  die  »Wiedergeburt  des  6eehischen  Schrift* 
tnms«  auf  Seite  33  folgendes:  ». . .  Sobald  die  Öechen  fühlten,  daß  der  Druck 
von  oben  etwas  nachgelassen  hatte,  schlug  ihre  Begeisterung  für  den  Kaiser 
und  für  die  6echische  Sprache  in  heller  Lohe  empor  —  wie  der  Dampf 
emporströmt,  wenn  das  Ventil  geöfhet  wird.«  (Dieser  Satz  mag  als  warnen- 
des Beispiel  der  Ear&sekschen  Vergleiche  dienen,  die  nicht  immer  der  All- 
täglichkeit meilenweit  aus  dem  Wege  gehen  und  nicht  überall  dem  edelsten 
Geschmack  huldigen.)  Weiter  lesen  wir  dort  auf  Seite  34 :  >. . .  Dobrovsk^ 
schrieb  das  klassische  Werkchen  »Böhmische  Literaturgeschichte«,  ver- 
faßte ein  Wörterbuch  .  .  .«  (Die  zu  Beginn  erwähnte  Schrift  trug  in 
erster  Auflage  [1792]  den  Titel  'Geschichte  der  böhmischen  Sprache  und 
Litteratur«  [nicht:  »Böhmische  Literaturgeschichte«],  in  zweiter  [erweiterter 
und  völlig  umgearbeiteter]  Ausgabe  [1818]  erhielt  sie  die  Benennung  »Ge- 
schichte der  böhmischen  Sprache  und  altem  Literatur« ;  das  hierauf  angeführte 
Wörterbuch  ist  deutsch-^echisch.)  Auf  Seite  36  machen  wir  uns  ebenda  mit 
folgenden  Ausführungen  bekannt:  ». . .  es  kamen  talentierte  Männer  wie  der 
Pfarrer  Puchmayer,  dessen  Gedichtchen  und  Fabeln  sich  fast  100  Jahre  im 
Andenken  erhielten.  Neben  diesem  traten  auch  Verseschmiede  auf  den  Plan, 
die  sich  gegenseitig  als  Horaz,  Ovid,  Pindar,  Vergil  bezeichneten,  sich  gegen- 
seitig lasen  und  lobten  und  an  allem  Öechischen  Freude  hatten.  Einzelne  Ge- 
dichte wurden  mit  wahrer  Begeisterung  in  ganz  Böhmen  gelesen,  abgeschrieben, 
vorgetragen  und  entzündeten  überall  Funken  vaterländischen  Gefühls.  Viele 
dieser  sonst  unbedeutenden  Dichter  kannten  auch  die  polnische  Literatur; 
gewöhnlich  waren  es  Priester,  die  sich  für  die  slavische  Idee  entflammten.  Von 
dauerndem  Kunstwerke  kann  bei  den  Dichtungen  und  Prosaschriften  dieser 
Zeit  wohl  nicht  die  Bede  sein,  allein  für  die  Entwicklung  der  Literatur  waren 
sie  von  großer  Bedeutung.«  (Über  den  Puchmajerschen  [richtig  für:  Puch- 
mayerschen]  Dichterkreis  werden  hier  so  viel  Worte  verschwendet,  aber  der 
pseudoklassischen  Richtung  ihrer  Dichtungen  wird  mit  keiner  Silbe  gedacht) 
Gleich  darauf  wird  uns  mitgeteilt:  »Eine  erwähnenswerte  Erscheinung  bildet 
in  den  20  er  Jahren  General  Zdiraz  Pol4k,  der  in  seiner  Jugend  ein  großes  Ge- 
dicht über  die  »Erhabenheit  der  Natur«  schrieb,  in  dem  er  nach  dem  Muster 
englischer  und  der  deutschen  Dichter  Haller  und  Chr.  E.  v.  Kleist  zum  ersten 
Male  die  Natur  schilderte  und  verherrlichte;  er  ist  Utilitarist;  sein  poetisches 
Talent  zeigt  sich  mehr  in  der  Beschreibung  Italiens . . .«  (Der  volle  Name  des 
Dichters  lautet  [Mat^j]  Milota  Zdirad  Poläk.  Vor  diesen  Schriftsteller  war  auch 
sein  Meister  zu  setzen,  der  erst  auf  Seite  41  angeführte  Jungmann,  welcher 
gleich  seinem  Anhänger  bereits  hart  an  der  Grenze  von  Aufklärung  und  Bo- 
mantik  steht.  Mit  Unrecht  wurde  da  überdies  J.  Nejedly  gänzlich  übergangen.) 
Femer  erfährt  man  in  demselben  Paragraphen  auf  Seite  37 :  »Auch  des  ge- 


602  Kritischer  Anzeiger. 

Bprochenen  ccchischen  Wortes,  das  von  der  Btlhne  erklang,  dürfen  wir  hier 
nicht  vergessen.  Wenn  die  ^echischen  Schauspiele  zwar  keine  ktinsüerische 
Bedeutung  haben,  erfüllten  sie  in  jener  Zeit  immerhin  ihren  Zweck.  Von  den 
deutschen  Bühnenstücken  erregten  Eotzebue,  Iffland  großes  Gefallen,  doch 
wurden  auch  Klassiker  übersetzt.  Für  die  Präger  war  schon  dies  von  hoher 
Bedeutung,  daß  überhaupt  böhmisch  gespielt  wurde.  Schauspieler  und  Zu- 
schauer bildeten  den  Kern  der  cechischen  Gresellschaft,  die  auch  sonst  für  die 
Literatur  Sinn  hatte.  Im  Verlaufe  des  19.  Jahrhunderts  behielt  das  Schauspiel 
für  die  lSnd[38]liche  Gesellschaft  seine  ungeheuere  nationale  Bedeutung  bei.« 
(Hier  —  am  Schlüsse  des  Schrifttums  aus  der  Auf  klürungszeit  —  haben  wir  vor 
uns  die  letzte  Stelle,  wo  die  Geschichte  des  6echischen  Dramas  —  im  zweiten 
Bande  des  Buches  übrigens  gegen  den  ursprünglichen  Plan  des  Verfassers  — 
zusammenhängend  dargestellt  wird.)  Auf  Seite  40  begegnen  wir  ebenda 
folgenden  Worten:  ». . .  In  anderen  Literaturen  wird  die  wissenschaftliche 
von  der  schönen  Literatur  getrennt,  allein  in  der  6echischen  .  .  .  Literatur 
haben  die  Gelehrten  als  Träger  neuer  maßgebender  Ideen,  die  das  Schrifttum 
befruchteten,  als  Redakteure  [41]  und  Männer,  die  für  die  Wiedergeburt  des 
Volkes  eine  so  hervorragende  Bedeutung  hatten,  auch  ihren  wohlverdienten 
Platz . . .  <  (Dieser  Satz  zeugt  sicherlich  von  keinem  weiten  Gesichtskreis.  Haben 
etwa  z.  B.  die  deutschen  Gelehrten  Herder,  Brüder  Schlegel,  Brüder  Grimm  usw. 
die  Literatur  ihrer  Nation  nicht  befruchtet?  Ist  aus  diesem  Grunde  nicht  auch 
ihnen  mit  Fug  und  Recht  ein  Ehrenplatz  in  diesem  Schrifttum  gewiß?  Außer- 
dem vermißt  man  die  Namen  V.  A.  Svoboda  und  J.  Linda  bei  der  unmittelbar 
vorhergehenden  Beschreibung  der  > Entdeckungen«  der  Königinhofer  und  der 
Grünberger  Handschrift,  die  den  Zeitabschnitt  der  Romantik  eröffnen.)  Später 
auf  Seite  42  lesen  wir  folgendes:  >. . .  Was  sein  Wirken  und  seinen  Einfluß 
anbelangt,  steht  der  mährische  Protestant  Franz  Palack^  unerreicht  da.  Auf 
Wunsch  des  böhmischen  Adels,  mit  dem  er  in  guten  Beziehungen  stand,  schrieb 
er  die  Geschichte  Böhmens,  welche  er  bis  zum  Jahre  1526,  dem  Regierungs- 
antritte der  Habsburger,  zusammenstellte.  Die  Urschrift  ist  deutsch  verfaßt, 
wurde  aber  von  ihm  selbst  auch  ins  Böhmische  übersetzt  Hier  enthüllte  er 
den  Böhmen  ihre  Vergangenheit . . .«  (Das  Lebenswerk  Palack^s  trägt  be- 
kanntlich den  Namen  >D6jiny  närodu  6esk6ho  v  Uechäch  a  v  MoravS«,  woraus 
folgt,  daß  es  auch  den  Mährem  ebenso  wie  den  Böhmen  —  nämlich  dem  Cechi- 
schen Volksstamm  in  Böhmen  und  Mähren  —  den  Spiegel  der  Vergangenheit 
vorhält.)  Femer  heißt  es:  >. . .  Er  [Palack^]  redigierte  die  »Zeitschrift  des 
Museums« . . .«  (Da  war  es  wohl  am  Platze  hervorzuheben,  daß  diese  Zeitschrift 
anfangs  in  beiden  Landessprachen  herausgegeben  wurde,  und  zwar  in  deutscher 
Sprache  als  »Monatsschrift  der  Gesellschaft  des  vaterländischen  Museums  in 
Böhmen«  [nach  dreijährigem  Erscheinen  wurde  sie  wegen  Abonnentenmangels 
in  die  Vierteljahrsschrift  »Jahrbücher  für  Natur-  und  Länderkunde,  Geschichte, 
Kunst  und  Litteratur«  umgewandelt,  und  nach  weitem  zwei  Jahren  ging  sie 
ganz  ein]  und  in  6echischer  Sprache  als  Quartalschrift  »Öasopis  spoleÖnosti 
vlastensk^ho  museum  v  Oechäch«  [vom  fünften  Jahrgang  an  erhielt  sie  den 
Titel  »Oasopis  öesk^ho  museum«,  und  unter  teilweise  geändertem  Namen  er- 
scheint sie  bis  heute].)  Auf  Seite  43  wird  ebenda  noch  berichtet :  >. . .  Da  er  [Pa- 


Karasek,  Slavische  Literaturgeschichte,  angez.  von  Satnar.        ^03 

lack^]  sich  an  den  besten  böhmischen  Schriften  gebildet  hatte,  verfügte  er  über 
einen  klaren,  klassischen  Stil . .  .«  (Als  geborener  MShrer  hat  sich  Palack^ 
natOrlieh  mit  maßgebenden  mährischen  Schriftdenkmttlem  womöglich  noch 
eingebender  beschäftigt.)  Außerdem  haben  wir  es  in  demselben  Kapitel  mit 
folgendem  Satz  auf  Seite  45  zu  tun :  »Zu  den  Männern,  die  ihre  slavische  Be- 
geisterung durch  größtes  Elend  zu  büßen  hatten  und  dennoch  unentwegt  ihr 
Ziel  verfolgten,  gehörte  der  erste  wahrhaftige  Dichter  der  Böhmen,  Jaroslav 
Öelakovsk^ . . .«  (Der  volle  Name  dieses  Dichters  lautet  bekanntlich  Frantü^ek 
Ladislav  [nicht:  Jaroslav]  Celakovsk^.)  Daselbst  erfahren  wir  weiter:  >Öela- 
kovsky  übersetzte  aus  Goethe  (»Geschwister«)  und  kleidete  die  »russischenc 
and  die  »serbischen«  Lieder  in  &echisohes  Gewand,  ohne  dabei  den  Duft  dieser 
Poesie,  ihr  ursprüngliches  Gepräge,  ihren  Stil  zu  verwischen,  wie  schon  der 
Titel  »Widerhall«  zeigt  In  seinen  Balladen  und  Gedichten  erkennt  man  den 
Dichter  von  Gottes  Gnaden;  sie  wurden  auch  in  Musik  gesetzt  und  erklangen 
überall  in  Böhmen,  wo  das  Nationalgefühl  erwacht  war.  Lessings  scharfsinnige 
Epigramme  regten  ihn  zu  selbständigen  witzigen  Versen  an,  in  denen  er  seine 
urwüchsige  Kraft  bekundet  und  die  Z9weilen  bis  an  Sarkasmus  streifen;  so 
schneidig  vermochte  nach  ihm  nur  noch  Karl  Havli6ek  die  Feder  zu  führen, 
der  infolge  seiner  unbezwinglichen  Opposition  gegen  das  Bachische  System 
schließlich  nach  Brixen  in  Tirol  verbannt  wurde.  Eine  Frucht  dieser  Ver- 
bannungwaren die  »Tiroler  Elegien«,  die  ebenso  bekannt  sind  wie  seine  »Taufe 
des  heiligen  Vladimir«.  In  jüngster  Zeit  hat  Machar  den  beißenden  Spott  dieser 
beiden  Dichter  geerbt.  Öelakovsk^s  bestes  Werk  ist  seine  Gedichtsammlung 
»Centifolie«,  ein  Kranz  poetischer  Perlen,  in  denen  sich  das  Leben  von  den 
verschiedensten  Gesichtspunkten  aus  spiegelt  und  in  denen  der  »Westöstliche 
Divan«  eine  merkliche  Spur  hinterlassen  hat  Celakovsk^  hat  eine  ungeheure 
Menge  slavischer  [46]  Sprichwörter  gesammelt,  in  welchen  man  damals  des 
Volkes  urwüchsige  Weisheit  erblickte.«  (Ich  führe  absichtlich  den  ganzen 
Absatz  an,  um  einen  recht  anschaulichen  Beleg  für  die  bisweilen  wirre  Schreib- 
art des  Verfassers  zu  bieten,  denn  nur  so  nebenbei  ein  für  allemal  wird  hier 
ein  Havli6ek  Borovsk^  gestreift,  der  eigentlich  [gemeinsam  mit  Pravda  (Hlinka) 
nnd  Ndmcov&]  diesen  ganzen  Zeitraum  als  einer  seiner  äußersten  Ausläufer 
wttrdig  abschließt  Zudem  war  gleich  im  Anfang  z.  B.  ebenso  die  Übersetzung 
der  Herderschen  »Blätter  der  Vorzeit«  zu  nennen.  Dagegen  gibt  es  meines 
Wissens  keinen  »Widerhall  serbischer  Lieder«,  sondern  bloß  einen  »Wider- 
hall russischer  Lieder«  und  einen  »Widerhall  6echischer  Lieder«,  von  denen 
der  letztre  gar  nicht  erwähnt  wurde.  Sind  femer  Balladen  keine  Gedichte? 
Die  Öelakovsk^schen  Epigramme  gehen  ebenfalls  zum  großen  Teil  auf  den 
Herderschen  Einfluß  zurück,  was  namentlich  von  dem  hier  übergangenen  klas- 
sischen »Kviti«  gilt  Auch  kann  man  schwerlich  noch  heutzutage  behaupten, 
daß  die  »Centifolie«  den  Gipfelpunkt  der  Dichtkunst  Öelakovsk^s  bedeutet 
Gar  nicht  gemeldet  wurde  überdies  die  Öelakovsk^sche  Sammlung  »Slovan- 
bU  narodni  pisnö«.  Endlich  muß  überhaupt  bemerkt  werden,  daß  Celakovsky 
erst  nach  KoMr  zur  Besprechung  gelangen  sollte.)  Auf  Seite  46  steht  ebenda 
folgendes  geschrieben:  »Als  ein  Meteor  am  slavischen  Dichterhimmel  flammte 
nach  den  dreißiger  Jahren  Hynek  M&cha  auf,  der  nur  allzu  frühzeitig  starb. 


604  EritiBcher  Anzeigten 

Er  war  ein  echter  Romantiker,  der  alte  Burgen,  Kerker,  Lona  und  Liebe  be- 
sang;  geborstener  Harfe  Ton  dnrchzitterte  seine  Poesie.  Er  ist  der  Vertreter 
des  6echischen  Byronismus,  dabei  ein  glühender  Verehrer  der  polnischen 
Literatur,  Grillparzers  und  Schillers.«  (Diese  wenigen  —  übrigens  sehr  allge- 
mein und  oberflächlich  gehaltenen — Sätze  sind  alles,  was  hier  über  Karel  Hynek 
MÄcha  gesagt  wird,  welcher  in  der  vormärzlichen  Zeit  fast  ganz  yereinzelt  da- 
steht und  daher  nach  meiner  Ansicht  mit  Unrecht  in  diesem  Paragraphen  — 
außerdem  eingekeilt  zwischen  Öelakovsk}^  und  Koll&r  —  erscheint,  weil  er 
bereits  dem  folgenden  Zeitabschnitt  als  dessen  Herold  angehört  [samt  seinen 
beiden  Verehrern  Koubek  und  Nebesk^,  von  denen  der  eine  hier  auf  Seite  41 
bloß  als  Literarhistoriker  ganz  flüchtig  berührt  wird  und  der  andre  schon  aui 
Seite  30  gelegentlich  des  polnischen  Schrifttums  nur  als  Kenner  Galiziens  Be- 
achtung findet].  Weit  ausführlicher  als  hier  in  der  eigentlichen  Geschichte  der 
6echischen  Literatur  wird  von  diesem  Dichter  [und  später  auch  yon  KoUir] 
schon  in  Band  I  in  der  >Slayi8chen  Wiedergeburt  und  ihren  Ursachen«  er- 
zählt, was  auf  jeden  Fall  zu  vermeiden  war;  dort  heißt  es  nämlich  auf  Seite  165 : 
»Wie  ein  Blitz  flammte  der  Byronismus  in  der  iechischen  Literatur  auf.  Eine 
nachhaltige  Wirkung  übte  er  nicht  aus;  aber  er  erschien  in  dem  früh  ver- 
storbenen Karl  Hynek  Micha  (1810—1836)  verkörpert,  der  in  seinem  »Mij« 
selbst  Byronische  Szenerie  in  Anwendung  brachte.  Neue,  große  Gedanken, 
die  der  junge  Dichter  aus  der  polnischen  Literatur  kennen  gelernt  hatte,  durch- 
glühten dessen  Brust;  er  war  zum  Dichter  [166]  geboren,  aber  die  damaligen 
Schriftsteller  und  Kritiker  verstanden  den  Aufschwung  in  seiner  Poesie  nicht; 
die  an  böhmischer  Scholle  klebenden  Altpatrioten  konnten  den  kampflustigen 
Romantiker  nicht  begreifen,  der  sichln  den  »Zigeunern«  einen  gar  ungewöhn- 
lichen Stoff  gewählt  hatte.  —  Micha  wurde  verkannt,  vergessen;  erst  der  Neu- 
romantismus  der  zweiten  Hälfte  der  fünfziger  Jahre  würdigte  seine  Bedeutung. 
Hierauf  bildete  sich  ein  Kultus  der  Persönlichkeit  M&chas  heraus  . . .«)  Un- 
mittelbar hernach  wird  uns  mitgeteüt:  »Einen  geradezu  verblüffenden  Erfolg 
und  eingreifenden  Einfluß  auf  die  Literatur  wie  kein  anderer  Dichter  vor  und 
nach  ihm  erzielte  Jan  Kollar  mit  seiner  philosophisoh-historisch-politisch-sla- 
vischen  Epopöe  »SlÄvy  dcera«(  Tochter  der  Slavia),  deren  mächtig  ergreifender 
»Vorgesang«  in  den  zwanziger  Jahren  alles  bezauberte . . .«  (Dem  von  Karisek 
geschaffenen  »schmückenden«  Beiwort  dieser  Dichtung  wird  man  mit  Becht 
Geschmacklosigkeit  vorhalten;  ebenso  zweifellos  hätte  der  Name  der  ver- 
meintlichen Göttin  SlÄva  auch  in  der  Übersetzung  des  Buchtitels  unver- 
ändert bleiben  sollen.)  Weiter  lesen  wir  auf  Seite  47:  »Das  Werk  (»Slikvas 
Tochter«],  dem  Dantes  »Göttliche  Komödie«  zum  Vorbüde  gedient  hatte, 
zerfällt  in  einen  Vorgesang  in  Hexametern  und  in  fünf  Gesänge,  die  aus 
Sonettenzyklen  bestehen.  Wie  Beatrice  Dante,  so  führt  BOlka,  die  Tochter 
des  Pastors  in  Lobda,  den  Dichter  in  jene  Gefilde  Deutschlands,  die 
einstens  von  Slaven  bewohnt  waren.  Ein  Rückblick  auf  das  Leben  der 
Slaven  in  den  ehemaligen  Wohnstätten  an  der  Elbe,  Saale,  Moldau,  dem 
Rheine  und  an  der  Donau  —  wonach  die  ersten  drei  Gesänge  betitelt 
sind  —  begeistert  den  Dichter  zu  einer  wahren  Verherrlichung  der  slavischen 
Friedensliebe  im  Gegensatze  zu  den  kampflustigen  Deutschen.  Milka  geleitet 


ELsraBek,  Slavische  Literatuigeschichte,  angez.  von  Sutnar.        605 

ihn  in  den  slavischen  Himmel  Lethe,  wo  die  Matter  Slavia  mit  ihren  Töchtern 
thront   Hier  begrüßt  er  hervorragende  slavische  Geister,  ja  sogar  Männer 
fremder  Völkerschaften,  welche  den  Slaven  gut  gesinnt  waren,  so:  Grimm, 
Herder,  Adelung,  Schlözer,  Goethe  n.  a.  In  den  »Acheron«  aber  verbannt  er 
alle  Feinde  und  verräterischen  SOhne  der  Slavia.«    (Der  Yorgesang  ist  in 
Distichen  [nicht:  Hexametern]  abgefaßt.  Die  Pastorstochter  trägt  in  der  Dich- 
tung als  Tochter  SlAvas  den  Namen  Mina  [nicht:  Milka],  aber  den  Führerdienst 
durch  die  einstmals  slavischen  Länder  versieht  nicht  sie,  sondern  Milek  [der 
alavisierte  Amor] ;  bei  Karäsek  ist  Mina  mit  Milek  zusammengeschmolzen  zu 
Milka.  Die  fünf  Gesänge  des  Gedichtes  heißen:  L  Saale,  H.  Elbe,  Rhein,  Mol- 
dau, in.  Donau,  IV.  Lethe,  V .  Acheron  [vgl.  damit  oben  die  falsche  Reihenfolge 
Ear^seks!];  im  slavischen  Himmel  thront  Mutter  Sl&va  mit  ihren  Verehrern, 
TOchtem  und  SOhnen,  allein  der  Dichter  wird  mit  diesem  und  der  slavischen 
HOlle  Acheron  nur  mittelbar  durch  die  Mitteilungen  der  diese  Reiche  durch- 
schreitenden Mina  bekannt.  Über  das  andre  Hauptwerk  EoUärs  erfahren  wir 
in  Band  I  in  der  »Slavischen  Wiedergeburt  und  ihren  Ursachen«  auf  Seite  172; 
»Koll&r  gab  seine  Grundsätze  im  Jahre  1836  slovakisch  und  deutsch  heraus; 
er  verlangte  vom  gebildeten  Slaven  die  Kenntnis  aller  slavischen  Sprachen, 
Literaturen  und  deren  Geschichte,  gegenseitige  Liebe,  Eintracht  und  Nach- 
sicht. All  dies  bezeichnet  Kollar  mit  dem  Namen  > slavische  Wechsel-  oder 
Gegenseitigkeit«  [in  Band  II  auf  Seite  46  bloß:  »slavische  Wechselseitigkeit«] 
.  .  .<  Diese  Schrift  erschien  in  Buchform  1837  deutsch  unter  dem  Titel  »Ober 
die  literarische  Wechselseitigkeit  zwischen  den  verschiedenen  Stämmen  und 
Mundarten  der  slavischen  Nation«,  nachdem  sie  weniger  ausführlich  bereits  ein 
Jahr  vorher  6echisch  [nicht:  slovakisch]  in  einer  Zeitschrift  veröffentlicht 
worden  war;  hat  doch  Karäsek  selbst  schon  auf  Seite  154  gelegentlich  des 
slovakischen  Schrifttums  in  der  »Allgemeinen  Charakteristik  der  slavischen 
Literaturen  im  19.  Jahrhundert«  ausdrücklich  betont,  daß  »die  größten  Söhne 
der  Slovakei,  äafaHk  und  KoU&r«,  »der  6echischen  Schreibweise  getreu« 
»blieben«!)   Endlich  begegnen  wir  in  demselben  Artikel  auf  Seite  48  noch 
folgenden  Worten:  »KoU&r  wirkte  trotz  der  schwierigen  Verhältnisse  uner- 
schrocken als  Führer  der  Slovaken  in  Pest;  er  verstand  es,  mit  der  Feder  für 
seine  Überzeugung  einzutreten,  und  woUte  die  Stellung  der  Slovaken  nach 
seinen  Grundsätzen  verbessern,  denen  er  Ausdruck  gab,  als  er  im  Jahre  1849 
als  Vertrauensmann  der  Regierung  für  slovakische  Angelegenheiten  nach  Wien 
berufen  wurde.«    (An  dieser  Stelle  war  selbstverständlich  —  wenigstens  im 
Hinblick  auf  den  deutschen  Leserkreis  —  zu  bemerken,  daß  KoU&r  in  Wien  um 
dieselbe  Zeit  zum  Universitätsprofessor  der  slavischen  Altertumswissenschaft 
ernannt  und  bald  darauf  zu  Grabe  getragen  wurde.  Auch  sonst  ist  dieser  Para- 
graph überreich  an  Lücken:   Es  fehlen  nämlich  neben  andern  J.  z  Hvdzdy 
[J.  J.  Marek],  P.  Chocholousek,  J.  J.  Langer  und  F.  J.  Rube&  gänzlich;  Vocel 
wird  [als  Wocel!]  bereits  in  Band  I  unter  den  Polen  auf  Seite  120  bloß  ver- 
gleichungsweise  herangezogen;  Klicpera  mit  Tyl  kommen  gleichfalls  nur  in 
Band  I  vor,  und  zwar  in  der  »AUgemeinen  Charakteristik  der  slavischen  Lite- 
raturen im  19.  Jahrhundert«  auf  Seite  158  ausschließlich  als  Dramatiker 
Ittbrigens  soll  es  dort  heißen:  ». . .  V&clav  Kliment  Klicpera  und  Josef  Kajetin 


606  EritiBoher  Anzeiger. 

Tyl . .  .€  statt:  >. . .  Kajetan  Tyl  und  Viclav  (Wenzel)  Elicpera  . . .«,  da  Tyl 
Elicperas  Schüler  war]  nsw.)  In  der  »Verjüngten  böhmischen  Literatur«  steht 
fast  gleich  im  Anfang  auf  Seite  110  dieses:  >In  den  fmchtlosen  fünfziger 
Jahren  rag^  nur  eine  Sammlang  von  Gedichten  heryor,  der  beliebte  »Blomen- 
Strauß«  von  Karl  J.Erben  (1811 — 1870) ;  die  im  volkstümlichen  Geiste  geschrie- 
benen Balladen  Überraschten  durch  Kürze  und  Bündigkeit  des  Ausdruckes  und 
die  dramatische  Behandlung  des  Stoffes,  wie  z.  B.  das  Gedicht  >Das  Brauthemd«, 
welches  denselben  Stoff  wie  Bürgers  »Lenore«,  aber  mit  versöhnendem  Aus- 
gange zum  Inhalte  hat  Erben,  Archivar  der  Stadt  Prag,  war  seinem  Wesen  nach 
Geschichtschreiber  und  Slavophile,  der  Nestors  Chronik  und  MSrchen  in  allen 
slavischen  Sprachen  herausgab  und  die  »Nationallieder«  und  Sprüche  sammelte, 
wodurch  er  der  Vuk  Earadiid  der  äechen  geworden  ist . . .«  (An  die  Spitze 
dieser  Literaturepoche  mit  den  Namen  Hälek,  Heyduk  und  Neruda  im  Vorder- 
gründe wurde  fleischlich  —  eigentlich  gegen  eine  bessre  Einsicht  des  Ver- 
fassers [vgl.  auf  Seite  111  die  Worte  bezüglich  des  »zeitlichen  Marksteines  für 
den  Beginn  des  neuen  Literatnrabschnittes« !]  —  Erben  gestellt,  der  wohl 
zweifellos  noch  im  vormärzlichen  Zeitraum  seinen  gebührenden  Platz  [etwa 
nach  Öelakovsky]  innehat;  das  berührte  Gedicht  heißt  »Die  Brauthemden« 
[nicht:  »Das  Brauthemd«];  übrigens  war  Erben  Geschichtsschreiber  natürlich 
nur  seinem  Berufe  [nicht  seinem  Wesen]  nach.)  Ferner  begegnet  man  dort 
noch  auf  Seite  111  folgenden  Zeilen:  »Die  gediegenste  und  im  Volke  be- 
kannteste Erscheinung,  die  zugleich  den  echt  nationalen  Stempel  an  sich  trägt, 
ist  die  Erzählung  »Großmutter«,  mit  der  Boiena  N6mcova  als  erste  Naturalistin 
in  der  böhmischen  Literatur  auftrat.  Sie  entwirft  darin  ein  vollständiges  Bild 
der  Lebens-  und  Denkweise  des  böhmischen  Landvolkes  . . .«  (Das  Wort 
»Naturalistin«  ist  selbstverständlich  als  »Darstellerin  des  Landlebens«  und 
nicht  vielleicht  im  modernsten  Sinn  aufzufassen;  nach  meinem  Dafürhalten 
hängt  jedoch  auch  Nömcova  samt  —  ihrem  geringem  und  hier  gar  nicht  ge- 
nannten Vorgänger  in  der  Schilderung  des  Dorf  lebens  —  F.  Pravda  [V.  Hlinka] 
noch  mit  allen  Fasern  ihres  Wesens  gleichwie  Havli6ek  mit  der  vormärs- 
liehen  Zeit  zusammen.  Zudem  fehlt  in  diesem  Kapitel  Fri6,  einer  der  Bahn- 
brecher der  neuen  Richtung,  obwohl  doch  in  Band  I  auf  Seite  152  gelegentlieh 
der  Kroaten  in  der  »Allgemeinen  Charakteristik  der  slavischen  Literaturen  im 
19.  Jahrhundert«  vom  »Kreise  Fri6,  Heyduk,  HÄlek,  Neruda«  die  Rede  war.) 
In  der  »Unerwarteten  Blütezeit  der  6echischen  Literatur«  lesen  wir  auf  Seite  1 20 : 
». . .  Aus  Überzeugung  sind  auch  des  Dichters  [Öechs]  politische  Lieder  her- 
vorgegangen; wenn  sie  auch  nicht  den  hohen  Kunstwert  der  »Morgenlieder« 
und  »Neuen  Lieder«  haben,  wurden  durch  sie  Tausende  aus  ihrer  Stumpfheit 
aufgerüttelt  Die  »Lieder  eines  Sklaven«  erzielten  einen  aufsehenerregenden 
Erfolg,  28  Auflagen.«  (Sind  etwa  die  »Morgenlieder«  und  die  »Neuen  Lieder« 
keine  politischen  Gedichtsammlungen?  Die  »Lieder  eines  Sklaven«  haben  bis 
1 905  neunundzwanzig  Auflagen  erlebt,  ja  sie  sind  unter  anderm  1 S97  in  vollstän- 
diger deutscher  Übersetzung  von  J.  Koutek  zu  Stuttgart  erschienen.)  Gleich 
darauf  erfahren  wir  folgendes :  »Die  böhmische  Geschichte  hat  Gech  in  seinen 
epischen  Gedichten  wiederholt  verwertet  Die  » Adamiten«  (ein  Seitenstück  zu 
Hamerlings  »König  von  Sion<),  ein  romantisches  Epos,  welches  das  Leben  dieser 


Earasek,  Slavische  LiteratnrgeBcliichte,  angez.  von  Sutnar.        607 

religiösen  Sehwärmer  darstellt,  sicherten  Öech  gleich  nach  seinem  Auftreten 
einen  ehrenhaften  Platz  in  der  iechischen  Literator.  Großartig  nnd  auf  breiter 
Grundlage  beruhend  ist  das  [121]  Gedicht  »Dagmar«,  welches  die  Schicksale 
der  Tochter  Ottokars  darstellt,  die  mit  dem  dänischen  Könige  vermählt  war. 
Ihre  Beise  in  die  neue  Heimat  gibt  dem  Dichter  Veranlassung  zur  Schilderung 
des  unglücklichen  Geschickes  der  Obodriten,  die  einst  die  Insel  Bügen  be- 
wohnten. »Vaclav  z  Michalovic«  läßt  uns  einen  Blick  in  die  traurigste  Periode 
der  6echischen  Geschichte  werfen,  in  die  Zeit  nach  der  Schlacht  auf  dem 
Weißen  Berge.  In  »ilüka«  feiert  er  diesen  6echischen  Helden,  während  er  in 
>Boh&6  von  Sion«  und  in  anderen  kleineren  Gedichten  seine  Vorliebe  für  den 
hussitischen  Zeitraum  bekundet«   (Welcher  Gesichtspunkt  war  denn  bei  An- 
ordnung der  eben  besprochenen  Dichtungen  maßgebend?    Man  wird  darin 
weder  einen  Innern  [ideellen]  noch  einen  äußern  [mechanischen]  Zusammen- 
hang entdecken.  Nach  der  Erscheinungszeit  wäre  nur  diese  Beihenfolge  zu- 
lässig: »Adamiten«  1873,  »^iika«  1879,  »V&clav  von  Michalovic«  1880,  »Dag- 
mar« 1883,  1884,  >BohÄc  zu  Sion«  [Öechs  einziges  Drama !j  1898,  1899.  Das- 
selbe gilt  unter  anderm  auch  von  einer  spätem  Stelle,  wo  die  »Morgenlieder« 
[1887]  und  die  »Neuen  Lieder«  [188&]  erst  nach  den  »Gebeten  zum  Unbekannten« 
[1896]  folgen.)  Weiter  wird  uns  ebendaselbst  auf  Seite  122  mitgeteilt:  ». . .  Er 
[Öech]  bereicherte  in  »V&clav^ivsa«  die  iechische  Literatur  um  eine  Spezialität, 
den  dem  Gechischen  angemessenen  Hexameter.«  (Dieser  Satz  strotzt  von  Un- 
richtigkeiten. Ist  Cech  etwa  der  Erfinder  des  quantitierenden  Hexameters  im 
Gechischen,  um  den  es  sich  da  handelt?  Weiß  überdies  Eariusek  nicht,  daß 
die  Fachliteratur  über  den  6echischen  quantitierenden  Hexameter  schon  längst 
mit  vollem  Becht  den  Stab  gebrochen  hat?  Warum  wurde  außerdem  nicht 
gesagt,  daß  in  vollständiger  deutscher  Übersetzung  ferner  neben  andern 
Schriften  auch  die  Dichtungen  »Im  Schatten  der  Linde«  [Leipzig  1897  von 
J.  J.  Gregory  (Beh&k)]  und  »Himmelsschlüssel«  [Wien  1 892  von  Z.  Fux-Jelensk^] 
herausgekommen  sind?)  An  diese  Stelle  schließt  sich  unmittelbar  noch  folgen- 
des an:  »Wenn  wir  von  Neruda  sagten,  daß  er  die  öffentliche  Meinung  in 
Böhmen  lenkte,  so  könnten  wir  Cech  als  den  Sprecher  des  böhmischen  Herzens 
bezeichnen;  er  ist  der  auserlesene  Mann,  der  im  Namen  seines  Volkes  das  er- 
lösende Wort  sagt,  wenn  Schmerz  und  Schwermut  dessen  Herz  bedrückt  und 
seine  Pein  sich  zur  Verzweiflung  steigert  So  kann  man  von  dem  seltenen, 
gesinnungstreuen  Mann  sagen:  Tausende  hat  er  veredelt  und  erhoben,  nie- 
manden verdorben.«  (Die  Ästhetik  der  zweiten  Hälfte  des  allerletzten  Satzes 
läßt  wohl  an  Bückschritt  kaum  noch  etwas  zu  wünschen  übrig.  Zudem  ist  der 
Dichter  bereits  in  Band  I  auf  Seite  149  in  der  »Allgemeinen  Charakteristik  der 
slavischen  Literaturen  im  19.  Jahrhundert«  ähnlich  gezeichnet  worden :  ». .  .Der 
Liebling  der  Lesewelt  ist  der  Patriot  und  Epiker  Svatopluk  Öech,  früher  Bo- 
mantiker,  der  letzte  böhmische  Byronist . . .«  Ist  Öech  jetzt  vielleicht  kein  Bo- 
mantiker  mehr?)  In  demselben  Artikel  lesen  wir  weiter  auf  Seite  123:   »Er 
[Vrchlick;^]  wurde  am  17.  Februar  1853  auf  dem  Wege  zwischen  Laun  und  Schlau 
geboren  —  einen  ähnlichen  Fall  mit  dem  unbestimmten  Geburtsort  findet  man 
bei  Mickiewicz  und  Thorwaldsen . . . «  (Ähnliches  schon  auf  Seite  1 4  gelegentlich 
des  polnischen  Schrifttums:  »Adam  Mickiewicz . . .  wurde . . .  auf  dem  Wege  in 


608  Eritisoher  Anzeiger. 

der  Nähe  vonNowogrodek  geboren,  also  ähnlich  wie  Vrchliclrf  auf  einer  Reise; 
mit  diesem  nnd  mit  Pn&kin  bildet  er  das  Trifolinm  der  größten  slavischen 
Dichter . . .«  Beide  Stellen  sollen  als  Belege  dafür  dienen,  wie  sich  Karisek 
mitunter  an  Äußerlichkeiten  klammert:  Der  —  trotz  seiner  Allgemeinheit  zu- 
meist ziemlich  instruktive  —  Abschnitt  über  Vrchlicky  weiß  demnach  als  den 
einzigen  Berührungspunkt  zwischen  dem  6echischen  und  dem  polnischen 
Dichterfürsten  nur  den  Umstand  anzuführen,  daß  beide  auf  einer  Reise  zur  Welt 
kamen.)  Endlich  erfahren  wir  ebenda  bald  darauf  noch  dieses:  »Seit  dem  Jahre 
1892,  da  Vrchlicky  Ehrendoktor  und  Professor  der  modernen  Literaturen  an 
der  6eehischen  Universität  geworden,  wirkt  er  auch  als  Kritiker  und  Literar- 
historiker . . .«  (Sein  erstes  literarhistorisches  Buch  >BAsnick6  profily  fran- 
couzsk6<  ist  doch  bereits  1887  erschienen!  Unangeführt  blieb  übrigens  unter 
anderm  die  Mehrzahl  deutscher  Übersetzungen  aus  Vrchlick^.)  Im  nächsten 
Kapitel  »Freunde  und  Epigonen  yrchlick;^sc  heißt  es  auf  Seite  131:  »Gegen 
die  heimatliebenden  Schwärmer,  die  gerne  einen  hochtrabenden  Ton  an- 
schlagen und  politische  Lieder  anstimmen,  erhob  sich  der  urwüchsige  Dichter 
Hachar,  ein  Wiener  Öeche,  der  Sinn  für  die  Forderungen  des  fünften  Wabl- 
kOrpers  besitzt . . .«  (Ist  Machar  etwa  kein  politischer  Dichter?  Kar&sek  fügt 
doch  etwas  später  selbst  ausdrücklich  hinzu:  »J.  S.  Machar  [1864]  ist  der  Ver- 
treter des  ReaUsmus  sowohl  in  politischer  als  auch  in  psychologischer  [wahr- 
scheinlich =  literarischer]  Beziehung,  obgleich  manches  Gedicht  aus  früherer 
Zeit  seine  Neigung  für  den  Romantismus  verrät.«  Übrigens  gehören  in  diesem 
Paragraphen  neben  Machar  J.  Kvapil,  Boreck^  und  Sova  zweifelsohne  schon 
der  Moderne  an.)  In  der  »Cechischen  Prosa  in  den  letzten  Jahrzehnten«  be- 
gegnet man  auf  Seite  1 37  folgender  Stelle :  »Eine  6echiBche  Besonderheit  bildet 
die  klatschsüchtige  Kleinstadt,  in  der  sich  die  Bürger  gegenseitig  kennen, 
abends  beim  Biere  zusammenkommen,  politisieren,  bei  Wahlen  und  in  Ver- 
einen Ränke  schmieden,  Karten  spielen,  während  der  weibliche  Teil  Neuig- 
keiten sammelt  und  bei  Kaffeegesellschaften  oder  Begegnungen  zum  besten 
gibt,  sich  mit  Strümpfestricken  unterhält,  [138]  seufzt  und  sich  nach  Unbe- 
stimmtem sehnt,  aber  immer  und  Überall  alles  beredet . . .«  (Genau  so  sieht 
sicherlich  jede  Kleinstadt  zum  mindesten  in  ganz  Westeuropa  aus;  hat  doch 
z.B.  bereits  1803  Kotzebue  in  den  »Deutschen  Kleinstädtern«  sein  Krähwinkel 
als  Sitz  beschränkten  Philistertums  geschafften!  Mit  Unrecht  übergangen 
wurden  gänzlich  A.  V.  ämilovsk^  [Smilauer]  und  V.  Kosmäk.  Außerdem  gibt 
es  da  eine  große  Reihe  von  Namen,  die  nur  in  den  Rahmen  der  Moderne  ein- 
gefaßt werden  können.  Auf  die  Schriftstellerinnen  ist  Karäsek  im  allgemeinen 
nach  alter  Sitte  schlecht  zu  sprechen :  Über  eine  SvetU  [Muiäkovä]  wird  nur 
auf  Seite  143  nebenbei  bemerkt,  daß  bei  ihr  »der  deutsche  Einfluß  merklich« 
sei  [eigentlich  ist  ihr  Platz  schon  in  §  11 !].)  In  der  »Slavischen  Moderne«  lesen 
wir  auf  Seite  185:  »Die  6echi8che  Moderne  schloß  sich  an  die  Zeitschrift  »Öeski 
Modema«  von  Ernst  Prochäzka  an,  der  aus  dem  Französischen  übersetzte  und 
selbständig  kritisierte.  In  der  Wirksamkeit  der  Modernen  überwiegt  jetzt 
überhaupt  die  Kritik,  wie  dies  am  besten  bei  Georg  ( Jif i)  KarÄsek  von  Lvovie, 
dem  Führer  dieser  Bewegung,  zu  erkennen  ist . . .«  (Die  Zeitschrift  hieß 
»Modemi  revue«  [nicht:  »Ceskä  Modema«];  die  Moderne  schloß  sich  jedoch 


Earisek,  Slavische  Literatorgesehichtei  angez.  yon  Sutnar.        609 

nur  teüweiBe  dieser  an.  Viel  za  wenig  Gewicht  wird  hier  der  Kritik  beige- 
metsea,  die  doch  in  dicBem  Zeitabschnitte  von  Anfang  an  die  Hauptrolle  ge- 
epielt  hat,  denn  gar  nicht  erwähnt  ist  H.  G.  Schauer,  der  VorkSmpfer  der  mo- 
dernen öechisehen  Kritäi,  F.  X.  Salda  nsw.;  auch  die  iechisohen  Literarhisto- 
riker fanden  [im  Gegenssize  zu  den  polnischen]  keine  Beaohtong,  obwohl  so 
▼iel  Baum  an  manchen  ephemeren  Belletristen  der  letzten  Jahre  verschwendet 
wurde;  dasselbe  gilt  von  den  modernen  6echischcn  Slavisten  [selbst  Gebauer 
wird  in  Band  I  nur  gelegentlich  der  lausitzisch-serbischen  Literatur  in  der 
»Allgemeinen  Charakteristik  der  slavischen  Literaturen  im  19.  Jahrhundertc 
auf  Seite  156  und  in  Band  II  bloß  auf  Seite  40  in  der  Darstellung  des  yormärz- 
liehen  Sdirifttums  flüchtig  b^ührt]  und  den  iechischen  Gelehrten  der  Neuzeit 
im  allgemeinen.  Dafür  ist  der  modernen  Kritik  auf  Seite  186  ttberflttssiger- 
weise  dieser  wohlgemeinte  Bat  zugedacht:  »Den  jungen  ELritikem  wäre  zu 
empfehlen,  sich  auch  an  slavischen  und  germanischen  Literaturen  zu  bilden 
und  im  böhmischen  Geiste  und  in  reiner  Sprache  zu  schreiben,  da  der  hSnfige 
Gebrauch  franzOsiseher  Wörter  der  Klarheit  des  Ausdrucks  und  dem  Ver- 
ständnisse ihrer  Schriften  scliadet.€  Nur  genannt  wird  Bi'ezina;  von  den 
Frauen  ist  z.  B.  B.  Vikovi-KunötickÄ  totgeschwiegen.) 

Zum  Schlüsse  dieses  Abschnittes  wird  mir  wohl  noch  gestattet  werden, 
zwei  Bemerkungen  allgemeiner  Natur  hier  folgen  zu  lassen:  Erstens  will  ich 
ausdrücklich  hervorheben,  daß  eine  für  deutsche  Leser  bestimmte  Geschichte 
slavischer  Literaturen  unbedingt  alle  wichtigern  deutschen  Übersetzungen 
der  darin  behandelten  Werke  als  unentbehrlichen  praktischen  Bebelf  anzu- 
führen hat.  (Deshalb  vermisse  ich  da  sehr  ungern  hauptsächlich  die  E.  Albert- 
schen  Anthologien,  denen  die  Deutschen  gewiß  lebhaftes  Interesse  entgegen- 
gebracht hätten:  »Poesie  aus  Böhmen«  [Wien  1893],  »Neuere  Poesie  aus 
Böhmen.  Anthologie  aus  den  Werken  von  Jaroslav  Yrchlick^«  [Wien  1893], 
»Neueste  Poesie  aus  Böhmen«  [Wien  1895;  2  Bände,  I.  »Die  der  Weltliteratur 
oonformen  Biehtungen«,  IL  »Die  nationalen  Biohtnngen.  Mit  einem  Anhange, 
Volkslieder  enthaltend«],  »Der  Blumenstrauß  von  Karl  Jaromir  Erben«  [Wien 
1900]  und  »Lyrisches  und  Verwandtes  aus  der  böhmischen  Literatur«  [Wien 
1900).)  Zweitens  muß  ich  hier  im  Zusammenhange  nach  vollbrachter  Zerglie- 
derung nochmals  in  Erinnerung  bringen,  wie  wenig  solch  ein  großes  Mate- 
rial —  ohne  gewissenhafte  Benützung  aller  vorhandenen  Einzelforschungen  — 
mit  Erfolg  bewältigt  werden  kann.  (Hinsichtlich  der  ahen  und  mittlem 
Periode  hätte  sich  Kar&sek  enger  an  V16eks  gründliehes  Buch  anschließen 
und  bezüglich  der  neuen  Epoche  mehr  an  das  bekannte  groß  angelegte 
Sammelwerk  halten  sollen;  namentlich  in  den  letztern  Kapiteln  gibt  es  gar 
manehes,  was  heftigen  Widerspruch  hervorrufen  wird,  aber  wir  sind  einerseits 
—  nicht  ohne  Nachteil  unsrer  Unbefisngenheit  —  mit  der  dort  besprochenen 
Zeit  melir  oder  weniger  noch  alle  verkettet  und  besitzen  anderseits  [zum  Unter- 
schiede von  den  glücklichem  Polen]  noch  immer  fast  keine  großem  (Gesamt- 
danteUungen  des  nachmärzlichen  Schrifttums  [eine  Ausnahme  bildet  z.  B.  M&r 
chaifl  verdienstvolle  Schrift  »0  6eski6m  rom&nu  novodob^m.  äest  pfedniüek« 
(Praha  1902:  Knihy  pfo  kaid^ho  II)].) 

Trotz  seiner  zahllosen  Mängel  hat  nun  das  Kariseksohe  Buch  dennoch  — 

ArchlT  fOr  ilaTiflche  Philologi«.    XXIX.  39 


610  Kritischer  Anzeiger^ 

und  zwar  durch  die  neue  Losnng  der  vergleichenden  Methode — der  alAyischen 
Literarhistorik  ein  nenes  Ziel  gesteckt,  dem  hoffentlich  mancher  Znknnits- 
forscher  zustreben  wird.  Wird  Karäsek  selbst  die  Kraft  finden,  seinen  Pfiid 
nochmals  von  Anfang  an  zn  gehen  und  von  all  den  stellenweise  hoch  lagern- 
den Schnttmassen  gründlich  zu  säubern,  wird  er  den  Mnt  aufbringen,  sein 
eigenes*  Geisteskind  mit  keiner  noch  so  bittem  Diagnose  zn  verschonen  nnd 
nnter  Umständen  auch  mit  der  Messerschneide  von  den  Mißbildungen  zu  be- 
freien? Das  wUnsche  ich  dem  Verfasser  von  ganzem  Herzen  und  begrttße  sein 
Buch  trotz  der  Fehler  aufs  wärmste  —  in  der  festen  Zuversicht,  daß  es  bei  dem 
gastfreundlichen  Verleger  bald  zu  einer  — von  dem  Brandmal  der  Oberflächlich- 
keit und  den  Schlacken  der  Hast  gereinigten  —  zweiten  Auflage^)  kommen 
wird,  worin  (unter  ausgiebiger  Verwertung  des  ihm  in  den  Besprechungen 
seiner  Arbeit  gebotenen  Materials)  neben  dem  Künstler  (bis  in  die  feinsten  Ab- 
tönungen hinein)  ebenfalls  der  Gelehrte  (von  der  hohen  Warte  der  objektiven 
Kritik]  das  Wort  ergreifen  soll  —  zur  ungetrübten  Freude  der  engem  Fach- 
genossen  und  nicht  weniger  der  Laienweit,  denn  auch  für  den  weitesten  Leser- 
kreis ist  sowie  für  die  Jugend  nur  das  Beste  gerade  gut  genug. 


^)  Dort  sollen  auch  die  Bussen  nach  Gebühr  berücksichtigt  werden. 
Wien,  im  Oktober  1907.  J,  Sutnar. 


Thxomhp  OcToJHh :  ÄocHxej  06paA0BBh  y  Xonony,  CTy^cnja  h3  Kyji- 
TypHe  H  KHiHxeBHe  ncTopirje.    Höbe  Ga^  1907.  8<^.  VII,  432  [k&. 

MaT.  Gpnc.  1 9  h  20]. 

Die  Milieutheorie  zeigt  gerade  bei  ihren  eifrigsten  Anhängern  ihre 
schwächste  Seite.  So  auch  hier,  wo  der  Verfasser  einen  Beitrag  zur  serbischen 
Aufklärungsliteratur  beabsichtigt  nnd  zu  dem  Zwecke  eine  bis  ins  kleinste 
Detail  eingehende  Beschreibung,  des  Klosterlebens  zu  Opovo  (Frui&ka  gora} 
liefert  In  Opovo  weilte  nämlich  der  junge  Dositheus  Obradovid,  und  die  Studie 
soll  den  Nachweis  erbringen,  daß  Dositej  Obradovid  bereits  hier  jene 
Erfahrung  gewann,  die  ihn  später  veranlaßte,  gegen  das  Mönch- 
tum  zu  eifern.  Obwohl  dieser  Grundgedanke  des  Verfassers  von  vornherein 
annehmbar  scheint,  ist  doch  dagegen  so  manches  einzuwenden. 

Das  geschichtliche  Bild  von  Opovo  —  wie  es  Ostojid  hier  zeichnet  — 
stimmt  nämlich  durchaus  nicht  mit  jenen  Vorstellungen,  die  wir  von  Opovo 
aus  Dositheus'  Schriften  haben.  Ostojid  ging  mit  strengster  Objektivität  vor,  er 
sammelte  glaubwürdige  Quellen  (Inschriften,  Chronographen,  Amtliche  Akten 
u.  drgl.)  und  doch  zeugt  gegen  ihn  Obradovid  selbst  Obradovid  urteilt  über 
Opovo  wesentlich  anders  als  Ostojid.  Während  nach  den  historischen  Tat- 
sachen Opovo  eine  verkommene  und  zuchtlose  Herberge  nichtswürdiger 
MOnche  war,  erscheint  uns  dasselbe  Opovo  nach  Dositheus'  Darstellung  um- 
flossen von  einem  gewissen  poetischen  Schein,  sympathisch  und  ehrbar.  In 
Obradovid'  Selbstbiographie  heißt  es :  mesto  dostojno,  da  posvedeno  budel 


Ostojiö,  Dosith.  Obradoviö  im  EHoster  Opovo,  angez.  von  Prohaska.    61 1 

mndroBti  i  u6enija  i  da  se  srpBkim  nazoved  Parnasom!  (^ebot  I,  81).  Wohl 
gilt  diese  Begeistenrng  bloß  der  Lage  des  Ortes,  aber  auch  von  den  MOnohen 
spricht  Dositheos  im  selben  gefälligen  Ton:  »osim  svi  Fmükogoraca  najpito- 
miji,  blagonakloni  i  blagoprijatni ;  vesela  obraza  i  pogleda,  pristojno  i  6iBto 
oba6eni<  (Ib.  I,  83).  Und  vor  Opovo  setzt  Dositheos  das  Beiwort  »lfubuno€ 
(I,  78)  und  >m»7o€  (I,  89). 

Der  Verfasser  legte  sich  diese  Stellen  Obradoviö'  nicht  vor,  denn  sie 
widersprechen  ja  seiner  Absicht,  bereits  in  Opovo  jenes  Schandbild  des 
Hönchtnms  zu  entdecken,  das  Obradoviö  in  seinen  späteren  Werken  im  All- 
gemeinen entwirft. 

Wenn  Dosithens  aufrichtig  über  Opovo  schrieb,  dann  ist  nnr  eine  Er- 
klärung möglich,  und  diese  macht  leider  die  ganze  Milieustudie  des  Verfassers 
bezüglich  Obradoviö  gegenstandslos. 

Dosithens  verließ  Opovo  blutjung  (etwa  17  Jahre  alt)  und  es  blieb  in  sei- 
nem (Gedächtnis  bloß  ein  rosiges  Erinnerungsbild  der  Jugend  zurück.  Dosi- 
thens erinnert  sich  bloß  mit  Rührung  und  Wehmut  der  schönen  Jugendtage  zu 
Opovo.  Hier  war  es,  wo  er,  der  kleine  wißbegierige  ^ak,  »so  große<  Bücher 
(Heiligenlegenden)  las,  daß  er  sie  kaum  schleppen  konnte:  »£  vreme  slatno 
za  navek  izgubljeno!  ^itija  6itati,  take  knjige  velike;  nigde  toga  na  svetu 
nejma!  (I,  85).  Ihm  schwebt  auch  sein  >dobri  i  razumni  iguman«  (I,  95)  vor. 
wie  er  ihn  mit  herben  Worten  aber  gutem  Herzen  zurechtweist  Und  Dosithens 
führt  keinen  anderen  Grund  an,  Opovo  verlassen  zu  haben,  als  einen  großen 
Wissensdurst:  »2elja  k  u6eniju  bila  je  naialni  uzrok,  da  sam  ja  svu  volju 
izgubio  u  onom  sremskom  raju,  to  jest  u  FruSkoj  gori  u  Opovu«  (Ü,  7). 

Obradoviö  sah  also  Opovo  bloß  im  goldigen  Schimmer  der  ersten  grünen- 
den Jugend:  >Siroto  dete!  bedna  mladost,  do  smrti  nepreialjena!  No  onda 
ja  sam  tnislio  ko  sreSniji  od  tnene*  (I,  85). 

Offenbar  Gfiheten  sich  seine  Augen  über  das  Mönchtum  erst  dann,  als 
er  durch  eine  Erweiterung  seines  Wissens  aus  dem  befangenen  asketischen 
Jugendwahn  heraustrat  und  so  auf  einen  Standpunkt  gelangte,  von  dem  aus 
erst  das  MOnchtum  anders  aussah.  Und  das  geschieht  auf  seinen  Wande- 
rungen besonders  auf  dem  Athos  (Sveta  gora]  und  im  Orient.  Hier  lautet  auch 
die  Selbstbiographie  über  das  Elosterleben  viel  kritischer. 

Aber  noch  mehr  als  durch  das  wurde  Obradoviö^  Kritik  durch  die  herr- 
schende Aufklärungsliteratur  bestimmt  Obradoviö  geht  immer  gegen  das 
Münchtum  im  Allgemeinen  vor  und  bewegt  sich  dabei  in  den  aufkläreri- 
schen Phrasen  der  Zeit 

Der  Verfasser  hätte  seine  Studie  in  einer  anderen  Weise  anlegen  können. 
Er  hätte  an  der  Hand  der  mönchischen  Erziehung  Obradoviö'  gerade  den 
mönchischen  Charakterzug  seiner  Schriften  nachweisen  können.  Das  ist 
nämlich  noch  von  Niemandem  geschehen,  und  doch  ist  die  eigentümliche 
Mischung  von  mönchischer  Askese  und  rationalistischer  Aufklärung  eine 
individuelle  Eigentümlichkeit  des  serbischen  Aufklärers. 

Die  Studie  Ostojiö'  veranlaßt  mich,  gerade  diesen  mönchischen  Cha- 
rakter bei  Obradoviö  zu  betonen. 

In  Dosithens'  Schriften  waltet  trotz  ihrer  philosophischen  Grundlage  (des 

39* 


612  Kritischer  Anzeiger. 

RationaÜBmasl  eine  naive  Einfalt  und  ein  warmer  Glaube.  DositheuB  glaubt 
fest  an  die  Glückseligkeit  des  aufgeklärten  Menschen.  Seine  Begeisterung 
ftir  die  Aufklärung  und  das  Wissen  gleicht  einem  Kult,  einer  Schwärmerei. 
Wie  ein  mittelalterlicher  Ritter  durchzieht  er  ganz  Europa  auf  der  Suche  nach 
seinem  Ideal,  dem  Wissen.  Die  Wißbegierde  gleicht  bei  Dositheus  einem 
Wahn :  Sta  je  6ovek,  kad  ga  kakva  strast  preuzme,  kad  kakyo  meitan^e  uma 
tiieie  mu  mozak,  podbuni  srce  i  u6ini,  da  sva  kry  u  njemu  uzavriX  (I,  74).  Da- 
mit ist  Dositheus*  Fanatismus  hinreichend  gekennzeichnet.  Und  der  wurzelt 
nicht  nur  in  seiner  Natur,  sondern  auch  in  jener  mönchischen  Ekstase,  die 
durch  Heiligenlegenden  und  dergl.  Lektüre  bei  ihm  früh  ausgelost  wurde. 

Durch  Dositheus'  Sprache  dringt  immer  jener  weinerlich-demütige 
Ton  eines  Klosterbruders  hindurch.  Er  schreibt  oftmitTiünen:  »Proliraju 
o6i  moje  Blatko8rde6ne  suze  pripoznanstva  i  blagodamosti,  kad  god  raz- 
miSljam  veliku  milost  nebesnog  promisla«  (T,  3). 

Konstant  fließt  aus  Dositheus'  Feder  eine  gewisse  rührende  Dankbar- 
keit; Dositheus  bevorzugt  Redewendungen  mit  hlago^  ft/Ia^o-potreban,  blago- 
poltL^no,  blagorodstvo,  blagopo&ivajnöi  etc.)  und  eines  seiner  beliebten 
Schlagworte  ist  hlagodeielj.  Und  besonders  dieser  Ausdruck  (Mild-  oder  Wohl- 
tätigkeit) kennzeichnet  Obradoviö'  BarfÜßertum :  er  lebt  sein  ganzes  Leben 
hindurch  von  milden  Gaben  wohltätiger  Freunde. 

Spezifisch  mönchisch  ist  auch  der  vorwiegend  moralisierende  Ton 
seiner  Schriften.  Die  Tugend  spielt  zwar  auch  in  der  Aufklärungsliteratur 
eine  große  Rolle  (la  vertu  bei  Marmontel  u.  a.),  aber  bei  Dositheus  ist  sie 
geradezu  eine  Vorschule  zur  Vollkommenheit  und  Heiligkeit  Er  selbst  übt 
und  empfiehlt  die  Tugend,  stellt  sich  aber  dabei  als  Sünder  hin.  Und  sein 
Vorwort  an  den  Leser  wiederholt  jene  Wendung,  die  wir  mit  hundert  An- 
dachtsbüchem  unserer  mönchischen  Literatur  belegen  können:  Ako  gdi  bude 
sto  pogredeno  molim  i  prosim  vaäu  dobrotu  i  &ovekoljublje,  da  oprostite  sla- 
bosti  mojoj;  sam  je  Bog  bez  pogredke  i  bez  nedostatka  (I,  15). 

Auch  sein  Wortgebrauch  ist  nonnenhaft  herzlich- süßlich.  Er  spricht 
>s  goreöim  i  punim  Ijubavi  srcem«,  die  Freundschaft  ist  ihm  »süß«  (1, 15),  er 
denkt  »prostoseirde^no«  (1, 13)  und  vergießt  Tränen  »slatkoserde^ne«  (I,  3). 

Wohl  ist  hier  auch  mit  einer  Einfllllung  literarischer  Sentimentalität 
zu  rechnen,  aber  gewiß  fand  sie  in  Dositheus  einen  von  Haus  aus  »zu  ihr 
disponierten«  Vertreter. 

Zwischen  ihm  und  einem  anderen  serbokroatischen  Aufklärer  der  Zeit 
Relkoviö,  ist  gerade  hierin  der  Unterschied  zu  suchen.  (Ich  weiß  nicht 
in  welcher  Weise  LJ.  Dvomikovid  beide  auseinanderhielt,  als  er  sie  in 
der  Sarajever  Na  da  verglich.)  Der  Offizier  Relkoviö  ist  ein  Aufklärer, 
der  sein  Volk  materiell  uhdbürgerlich-sittlichfördert  — Dositheus,  der 
Mönch,  verfolgt  eine  vorwiegend  ethische  und  allgemein  mensch- 
liche Tendenz. 

Und  so  vertritt  D.  Obradoviö  eine  besondere  Spezialität  der  Aufklärung, 
einen  gewissen  humanen  Rationalismus,  der  nicht  zu  verkennende  mönchi- 
seheZtlge  verrät 

Das  sollte  gegenüber  der  einseitig  aufklärerischen  Charakteristik  immer 


Dr.  Cenov,  Urheimat  a.  Ursprache  der  Bulgaren,  angez.  von  Mladenov.    618 

«n  D.  Obradoviö  hervorgehoben  werden.  Diese  zweiköpfige  Erscheinung  von 
Mönch  und  Freigeist  ist  für  den  Beginn  der  neueren  serbischen  Literatur, 
die  unmittelbar  aus  dem  Mittelalter  (ohne  das  Zwischenglied  der  Renaissance- 
poesie)  in  die  neueste  Zeit  einspringt,  von  repräsentativer  Bedeutung. 

Man  könnte  den  mönchischen  Spuren  bei  Obradoviö  vielleicht  auch  in 
seiner  Satzperiode  nachgehen,  die  weder  deutsch  noch  serbisch,  sondern  am 
fihesten  griechisch- kirchenslavisch  ist.  (Besonders  die  Nachstellung  des 
Yerbums.) 

Ostojiö'  Werk,  das  eine  ganz  andere  Au%abe  löst,  als  es  dem  Titel  ent- 
spricht, verliert  dadurch  gar  nicht  an  seinem  Wert.  Das  von  ihm  aufgerollte 
Bild  des  serbischen  ELlosterlebens  im  XVIII.  Jahrh.  ist  neu  und  wird  in  der 
serbokroatischen  Kulturgeschichte  immer  alle  Beachtung  finden  müssen.*] 

Zagreb.  D.  I^ohaskti. 


*)  Zu  dieser  an  feinen  Bemerkungen  reichen  Anzeige,  die  den  Bahmen 
des  zur  Sprache  gebrachten  Buches  verläßt  und  sich  auf  die  allgemeine  Cha- 
rakteristik des  Dositheus  Obradoviö  einläßt,  möchte  ich  mir  erlauben  eine  Be- 
merkung zu  machen.  Ich  glaube,  der  Bezensent  legt  zu  viel  Gewicht  auf  die 
sehr  subjektiv  gehaltene,  vielfach  idealisierende  und  beschönigende  Auto- 
biographie des  Dositheus.  Der  flüchtig  gewordene  Mönch  hat  sich  erst  mit 
der  Zeit  zu  einem  romantischen  Verehrer  der  Aufklärung  ausgestaltet  (in 
•etwas  ähnlich  demEaramzin!)  und  als  er  sich  entschloß,  seine  Autobiographie 
zu  schreiben,  schwebte  ihm  mehr  ein  ideales,  als  wirkliches  Bild  der  erlebten 
Zustände  vor,  womit  er  seinem  geliebten  Volke  eine  angenehme,  aber  auch 
nützliche  Lektüre  mit  aufklärender  Moral  in  die  Hand  geben  wollte.  Eine 
solche  Forschung  aber,  wie  sie  der  Verfasser  des  angezeigten  Buches  lie- 
ferte, war  um  so  unentbehrlicher,  da  man  erst  jetzt  auf  Grund  der  objektiv 
beleuchteten  Zustände,  die  damals  in  den  Klöstern  der  FruSkaGora  herrschten, 
recht  und  leicht  begreift,  was  den  jungen  Mönch  zum  Entschluß,  aus  dem 
Kloster  zu  fliehen,  veranlaßte.  Denn  den  innigsten  Zusammenhang  dieses 
Entschlusses  mit  dem  damaligen  klösterlichen  Milieu  wird  wohl  auch  der  Herr 
•Bezensent  nicht  in  Abrede  stellen  wollen.  Wenn  Dositiieus  selbst  aussohließ- 
lieh  von  seinem  Wissensdurst  spricht,  so  ist  das  seine  spätere  Motivierung. 

V.J. 


IIpaoTe^ecTBOTO  h   npaesHK'BTi  Ha   6%j[rapHT%.     HoTopmco- 

«KHCOJIOrH^eCKH  H3AnpBaHHH  B'L31  OCHOSa  Ha  ITBpBOHCTO^HHipi  OTh  Prf^ 

TaH9oI](iHOB'B,  üp^BO^aTB  Ha  ÜHOCTpaHaTa  KopecnoHAeHioiH  b'b 

SoeHHOTo  MHHHCTepcTBO.    Co«Hfl  1907.  8^.  114-212  (Urheimat  und 

Ursprache  der  Bulgaren,   HistoriBch-philologiBche  UnteronohiuigeBi 

auf  OruDd  der  Urquellen  von  Dr.  Ganco  CänoY,  Übersetzer  der 

ausländlBchen  Eorrespondenz  im  Eriegsministerimn.  Sofia  1907). 

Wollte  man  diese  »Untersnchungenc  für  ein  wissensohaftliohes  Weik 
balteqL,  so  müßte  man  gleioh  einen  Rückschritt  der  bulgarisohen  Gesohiofali- 
und  Sprachwissenschaft  ankündigen.  Denn  niohts  anderes  ahi  Rückschritt 


614  Kritischer  Anzeiger. 

bedeutet  das  Erscheinen  dieses  Baches  nach  den  Arbeiten  eines  Drinov  oder 

V  

Matov,  eines  Mileti6  oder  Si&manov.  Die  Theorie  von  der  Slavinitilt  der 
Hannen  ist  schon  längst  vor  dem  Tode  ihres  balgarischen  Verfechters  — 
Gavril  ErBs^ovi&'  begraben  worden.  Ganz  anstichhaltig  ist  die  »thrakische« 
Theorie  des  sonst  verdienstvollen  6in6ev,  die  neaerdings  von  einem  groben 
Dilettanten  wie  Nikola  Jonkov-Wladikin  wieder  in  Schatz  genommen  wurde. 
Und  wenn  Herr  Dr.  Ginov  nicht  nar  diese,  sondern  aach  mehrere  andere  €^ 
spenster  aaferwecken  will,  wenn  er  heate  aas  reinem  Chaavinismns  and  nn- 
genttgendem  Stadiam  jene  ganz  verfehlte,  bei  einem  Bakovski  doch  verzeih- 
liche Etymologie  wieder  zügellos  betreiben  will,  so  darf  er  keine  Ansprüche  auf 
Wissenschaftlichkeit  erheben.  Wer  überall  die  Größe  des  balgarischen  Stam- 
mes entdeckt,  wer  nicht  nar  die  Hannen,  sondern  aach  Skythen,  Geten,  l£aa- 
sageten,  ja  alle  anderen  Volker,  die  bei  alten  Historikern  als  aaif  der  Balkan- 
halbinsel wohnend  erwähnt  werden,  für  Slaven  and  speziell  fUr  Balgaren  hält, 
wer  die  Balgaren  noch  zar  Zeit  des  Apostels  Panlas  am  Thessalonik  wohnen 
läßt,  der  müßte  seine  kühnen  Thesen  mit  starken  Argumenten  unterstützen. 
Um  das  zu  tun,  führt  Herr  C6nov  lange  Zitate  aus  den  »UrqueUen«,  an  und 
durch  das  möglichst  unkritische  Kommentieren  gelangt  er  immer  zu  den  von 
seinem  sonderbaren  Patriotismus  heiß  ersehnten  Resultaten.  Nur  ein  Beispiel 
dafür.  Nach  einem  in  bulgarischer  Übersetzung  angeführten  Zitat  aus  Priscus, 
wo  uns  u.  a.  etwas  über  die  Stickerei  von  Attilas  Hausgesinde  berichtet  wird, 
spricht  unser  Verfasser  folgendermaßen :  >Dieses  Bild  aus  Attilas  Haus  zeigt 
noch  im  geringsten  nicht,  daß  die  Hunnen  ein  asiatisches  Volk  waren.  Hier 
sehen  wir  echt  slavischen  Brauch  und  Sitte.  Die  Leinwandstickerei  ist  am 
meisten  unter  den  Slaven  und  insbesondere  unter  den  Bulgaren  verbreitet« 
(40).  Und  damit  gUubt  er  einen  Beweis  für  seine  Theorie  erbracht  zu  haben. 
Bei  den  sprachwissenschaftlichen  Fragen  verfährt  er  noch  unkritischer. 
Oberall  stößt  man  auf  etymologische  monstra  horrenda.  So  sind  die  bekann- 
ten xaysff  vßvyij  der  ältesten  bulgarischen  Inschriften  echt  slavische  Wörter: 
man  müsse  nur  annehmen,  daß  sie  für  K'kHASk  BfilHK*KlH  stehen  (U7). 
Die  Westgoten  tragen  echt  slavischen  resp.  balgarischen  Namen,  wie  auch  die 
Ostgoten:  jene  heißen  »visäi  goti«  (>=  die  höchsten  Goten!)  und  diese  >0Btri 
goti«  (bs  die  scharfen  Goten!)  [145].  Im  Namen  des  bulgarischen  Garen  Asön 
stecken  die  nordgermanischen  Äsen  (142).  Der  Tarchan  soll  ein  ganz  gewöhn- 
licher slavisch-bulgarischer  Dragan  sein  (148).  Was  die  unbekannten  Worte 
im  Index  der  bulgarischen  Fürsten  (zuerst  bei  A.  N.  Popov,  Obzor)  anbelangt, 
so  »zeigen  sie  deutschen  Charakter«  (155):  »somor  altem«  ist  ein  altengL 
sumor  altem,  das  soviel  als  >visoki  I6ta«  bedeutet«  (156).  Slav.  K'kHASk 
sei  aber  kein  germanisches  Element,  weil  es  im  Deutschen  nicht  dieselbe  Be- 
deutung habe  wie  im  Slavischen  (im  Slav.  bedeutet  es  auch  »Priester«)  und 
weil  anl.  k  im  Deutsehen  ein  h  geben  würde  (145 — 146).  Herr  Cinov  erwartet 
ein  ahd.  honung,  da  er  das  k  im  Slav.  für  uridg.  hält!  Die  Gesetze  der  Laut- 
verschiebung sind  unserem  Historiker,  wie  ersichtlich,  ziemlich  unklar.  Und 
überhaupt  hat  unser  Verfasser  einen  unbegreiflichen  Widerwillen  gegen  jede 
Theorie  von  der  gesetzmäßigen  Entwicklung  der  Sprache  und  gegen  jede  ver- 
gleichende Sprachforschung.  Der  Terminus  »turko-tatarische  Sprache«,  mit 


CroiBet  van  der  Kop,  De  morte  prolog^,  angez.  von  Nehring.       615 

dem  man  die  Sprache  der  von  der  Wolga  hergekommenen  Bulgaren  bezeich- 
net, ist  Herrn  CinoT  sehr  nnrecht:  diese  Sprache  müßte  entweder  türkisch, 
oder  tatarisch,  oder  —  keines  von  beiden  sein  (137).  Und  noch  eins :  dem 
Verfasser  dieser  historisch-philologischen  Untersnchnngen  sind  alle  altbnlga- 
rischen  DenkmiUer  mit  Ausnahme  der  Samnilschen  Inschrift  nnr  Brachstücke 
ans  dem  XII.  n.  XTII.  Jahrb.!  Und  diese  Bmchstttcke  >beschreiben  Kirchen- 
sachen« (»opisvat  6erkoYni  raboti«,  S.  132)! 

Sofia.  S.  Mladenov. 


Anna  Catbarina  Groiset  van  der  Eop,  Altrassiscbe  ÜbersetzüDgen 

aus  dem  Polnischen.   I.  De  morte  prologns.   Berliner  Dissertation. 

1907.  74  SS.  in  8^  und  drei  photographische  Blätter. 

Die  Verfasserin,  eine  Niederländerin  ans  dem  Haag,  hat  in  Berlin  unter 
der  Leitung  Brückners  slavische  Philologie  studiert  uod  auf  seine  Weisung 
auf  ihren  wissenschaftlichen  Beisen  in  St  Petersburg  und  Moskau  mit  ent- 
gegenkommender Hilfe  vieler  russischer  und  polnischer  Gelehrten  sehr  um- 
fassende Kenntnisse  der  älteren  rusBischen  Kultur  und  Literatur  sich  an- 
geeignet, die  sie  in  einem  auf  breiter  Grundlage  anzulegenden  Werke  zu  ver- 
werten beabsichtigt,  wie  wir  dies  in  einer  sehr  interessanten  Einleitung  lesen, 
vor  allem  verspricht  sie  die  Wechselbeziehungen  zwischen  den  Russen  und 
Polen  eingehend  zu  schUdem  und  die  polnischen  Einflüsse  auf  die  russische 
Literatur  und  überhaupt  auf  die  russische  Kultur  zu  prüfen  und  im  einzelnen 
nachzuweisen,  z.  T.  mit  anderen  Ergebnissen  als  Sobolevskij  in  seinem 
Werke:  Die  Übersetzungs-Literatnr  des  Moskowitischen  Bußlands  1903  und 
des  Dorpater  Brückner  Europäisierung  Rußlands  188S. 

Unterdes  erhalten  wir  die  erste  Studie  eines  anderen  Werkes,  nämlich 
russische  Obersetzungen  aus  dem  Polnischen,  insbesondere  das  mittelalter- 
liche polnische  Gedicht  De  morte  prologus  in  russischen  Übersetzungen,  die 
Verfasserin  fand  nämlich  unter  dem  Beistände  von  russischen  und  polnischen 
Gelehrten  mehr  als  eine  Übersetzung. 

Bekanntlich  befindet  sich  in  der  Kapitelbibliothek  von  Plock  in  einer 
Handschrift  aus  dem  XV.  Jahrh.  ein  altpolnisches  Gedicht  De  morte  prologus, 
das  ich  nach  einer  mir  freundlichst  überlassenen  eigenhändigen  Abschrift  des 
hochverdienten  Direktors  der  Ossoliniana  in  Lemberg,  Prof.  Dr.  K^tizynski, 
in  meinen  Altpolnischen  Sprachdenkmälern  1886  mitgeteilt  habe  und  das  aus 
der  nach  Krakau  zugesandten  Handschrift  Professor  Jan  von  Bozwadowski 
noch  einmal  abgedruckt  hat  in  Materyaly  i  prace  Komisyi  j^ykowej  Bd.  I. 
1903 1).  Der  Inhalt  ist  ein  Dialog  des  Mönches  Polykarpus  mit  dem  Tode,  der 
ihm  in  seiner  grausigen  Gestalt  nach  der  Andacht  in  der  Eirche  leibhaftig 
erschienen  war,  über  die  unbeschränkte  Macht  desselben. 

Daß  das  Original,  ein  lateinischer,  vielleicht  versifizierter  Dialog,  von 


1)  Ohne  einen  Kommentar  für  den  Inhalt. 


616  EritiBcher  Anzeiger. 

einem  Mönche  herrtUirte,  ist  mehr  als  wahrscheinlich,  aber  bis  jetzt  ist  ame 
solche  Vorlage  zn  dem  polnischen  Gedichte  nicht  gefanden,  nnr  eines  kann 
achon  jetzt  gesagt  werden,  daß  ein  soLoher  Dialog  oder  sagen  wir  eine  Boleha 
Erzählung  von  des  Mönches  Polykarp  Begegnung  und  Gespräch  mit  dem  Tode 
über  die  Allmacht  des  letzteren  ziemlich  verbreitet  gewesen  sein  muß.  Prof. 
Brückner  hat  über  zwei  solche  lateinische  Texte  in  München  and  eiiien  in 
St.  Florian  in  Ober-Österreich  im  Archiv  Bd.  XI  berichtet,  und  über  eiaan 
vierten  werde  ich  weiter  unten  Nachricht  geben.  Auch  die  russischen  Über- 
setzungen, welche  die  Verfasserin  bespricht,  beweisen  eine  gewisse  Verbrei- 
tung der  Erzählung  von  der  genannten  Begegnung,  nur  sind  diese  nicht  ans 
einem  lateinischen  Text  hervorgegangen,  sondern  aus  dem  erwähnten  pol- 
nischen Gedicht. 

Bassische  Obersetzungen  und  Nachbildungen  polnischer  Erzählang«a 
sind  schon  seit  jeher  Gegenstand  des  Studiums:  Pypin  hat  im  IL  Bande  der 
Schriften  der  11.  Abteilung  der  Petersburger  Aka'd.  d.  Wiss.  1857,  in  06erk 
literatumoj  istorii  starinnych  povdstej  i  skazok  russkich,  diese  wandernden 
'Erzählungsstoffe  behandelt;  in  dieser  Zeitschrift  ist  bei  gegebener  Grelegen- 
heit  auf  die  eine  oder  andere  polnische  Vorlage  zu  rassischen  Erztiilongen 
hingewiesen  worden,  z.  B.  bei  Besprechung  der  Ausgabe  der  Geschichte  der 
sieben  Weisen;  für  die  Erzählung  0  eud3  demjaki  hatte  Suchomlinor  eine 
polnische  Vorlage,  wenn  auch  wohl  irrtümlich,  vermutet;  Nachweise  polni- 
soher  Vorlagen  für  viele  rassische  Erzählungen  hat  Marko  in  seinem  HabOi- 
tationsvortrago:  »Die  ersten  Schritte  des  russischen  Komans«  1^97  nachge- 
wiesen; die  französischen  Romane  Melusine,  Tristan  und  Isolt,  die  MageDone 
sind  bekanntlich  aus  dem  Polnischen  übersetzt  usw.  Die  Verfasserin  der  in 
Bede  stehenden  Dissertation  hat  diese  polnisch-rassische  Periode  nicht  als 
Hintergrand  vorausgeschickt,  sie  wird  gewiß  in  ihrem  größeren  Wetke  darauf 
zurückkommen. 

Der  Inhalt  der  Untersuchung  bietet  vor  allem  das  schreckliche  BUd  des 
Todes  und  eine  genaue  Analyse  des  Grespräches.  Eine  Beihe  von  Bemerknn- 
gen  und  Ähnlichkeiten  knüpfen  sich  an  einzelne  Stellen  der  AosfÜhrangmi, 
die  interessanteste  ist  der  Vergleich  mit  den  Totentänzen,  Wandgemälden  in 
Kirchen  —  freikünstlerische  Schöpfungen  bleiben  außer  Betracht,  ferner  mit 
dem  Ackersmann  von  Böhmen  u.  and. ;  unter  den  Parallden  vermisBen  wir 
eine  Beihe  von  Streitgedichten,  wie  z.  B.  den  Streit  zwischen  Leib  and  Beele, 
von  Bügengedichten  oder  Gedichten  mit  rügenden  Ausfällen,  deren  grfiBere 
Anzahl  die  mittelalterliche  böhmische  Poesie  bietet,  ich  erinnere  an  die 
derholt  vorkommenden  AusflUle  gegen  ungerechte  Biehter,  gegen 
Bäcker,  die  kleines  Brot  backen  usw. 

Die  russischen  Obersetzungen  —  es  sind  ihrer  drei:  zwei  Petersborger 
und  eine  in  einer  Moskauer  Handschrift  —  bilden  den  Schluß  der  interessanten 
Untersuchungen.  Nachdem  die  Ver&sserin  darauf  aufinerksam  gemacht  -iiat, 
daß  S.  I.  Dolgow  zuerst  auf  die  rassische  Übersetzung  des  prologos  de  morte 
in  einem  Moskauer  Vortrage  1890  hingewiesen,  bescl^eibt  sie  im  al^vmeinen 
die  Handschriften,  ihre  Eigentümlichkeiten  und  das  gegenseitige  Verhältnis 
zu  einander  und  zu  dem  polnischen  Original,  wobei  sie  sich  bei  einzelnen  nn- 


Croiset  van  der  Kop,  De  morte  prolognS)  angez.  von  Nehring.      617 

beholfenen  Obersetznngsversachen  aufhält,  so  z.  B.  wznak  wiedergegeben 
durch  na  vznl&,  szkaredna  durch  nelepa,  iak,  das  vielleicht  unverständlich 
war  (aus  diaconus  Schfller)  durch  zakon  u.  a.  Das  Ergebnis  der  Yergleichnngen 
ist  dies:  daß  der  polnische  Text  in  Bußland  übersetzt  wurde  vor  dem  Ende 
des  XYI.  Jahrb.,  daß  zwischen  der  Mosk.  Handschrift  und  Petersb.  n  eine 
Abschrift  gewesen  sein  muß,  von  der  nur  ein  Fragment  übrig  geblieben,  das 
sich  in  P.  n  befindet,  mit  selbständig  hinzugefügten  Ermahnungen  des  Schrei- 
bers an  Väter  und  Brüder ;  im  übrigen  wird  das  Verhältnis  von  P.  I  und  P.  II 
kuiz  besprochen. 

Der  polnische  Text  ist  nach  der  Ausgabe  von  Prof.  Bozwadowski  abge- 
druckt (mithin  als  die  dritte  Ausgabe),  er  steht  links,  ihm  gegenüber  steht 
rechts  die  russische  Übersetzung,  unter  dem  Text  stehen  die  notwendigsten 
Bemerkungen :  Wort-  oder  Formerklärungen,  Korrekturen,  Lesarten  (es  kom- 
men vornehmlich  die  beiden  Petersburger  Handschriften  in  Betracht). 

Der  russische  Text  ist  wohl  richtig  gelesen,  dies  ist  bu  sehen  aus  den 
leserlichen  photographischen  Faksimiles,  die  event  zur  Sjmtrole  dienen  kfin- 
iMn,  vor  allem  für  die  Sorgfcilt  der  VerfiuBserin  Zeugnis  abgeben.  Textkiitisch 
w&re  manches  zu  bemerken.  Ich  wähle  zur  Prüfung  S.  55^-57 :  v.  .206  war  zu 
Terbessem:  alem  kofzy  ne  ruTzyla;  v.  210  Stegom  fzya//,  zijnotham  bysdsyla 
ist  richtig,  die  Korrektur  oder  Erklärung  z  fywotem  unnötig;  v.  218  maß  es 
heißen:  pothem  yvfzem . . .  ftraczyla;  v.  218  w  them  fzlamya  kofczy  ist  riditig 
za  lesen:  w  tarn  zfauni^  ko^ci,  die  Erklärung  temu  nicht  nOtig;  v.  225  tüiy 
fthofztwacz  soll  wohl  heißen  mystrzowad;  v.  226  vefodrzy  ist  richtig,  wzdneö 
in  die  Höhe  heben,  zadrzysz  nog^  ist  sinngemäß.  —  Bussische  Seite:  v.  207 
jnÖBJUh  ist  richtig,  ytSEAa  bloß  sinngemäß;  pastenn  am  Bande  übarflÜBsig. 
S.  57  f  pndiv  d.  h.  z  pndra  zu  korrigieren  z  pnzdra;  v.  225  v  oczemgnyejyv 
ist  mittelalterlieh  richtig,  w  okamgnienin  bloß  sinngemäß. 

Wir  heißen  die  neue  Hitarbeiterin  willkommen,  die  sicheriich  wedsr  Zeit 
noch  Mühe  nnd  keine  Opfer  zu  scheuen  verspridit  im  Dienet  der  liebgewon- 
«enen  Wiasensehaft.  IT.  Ntihrmg. 


Kleine    Mitteilungen* 


Jugendprozesstonen  zu  Ostern  in  Lubom  im  Kreise  JRatibor  und  eine 

Urkunde  darüber  aus  dem  Jahre  1672. 

In  dem  2-teii  Heft  des  II.  Bandes  der  in  Oppeln  von  Wilpert  heraiiB- 
gegebenen  Zeitschrift  Oberschlesische  Heimat  vom  J.  1906  gibt  Herr  Pfarrer 
Gregor  in  Tworkaa  interessante  Mitteilungen  ttber  oberschlesische  Oster- 
gebräache,  danmter  Jagendprozessionen  im  Kreise  Batibor.  Indem  ich  auf 
diesen  Artikel  hinweise,  will  ich  mich  auf  die  Jngendprozessionen  in  Labom 
beschränken,  weil  über  diese  Ostemmzttge  sich  in  dem  Lnbomer  PfamurchiT 
eine  Urkunde  vom  Jahre  1672  befindet,  ans  welcher  sie  genan  zu  erkennen 
sind.  Ich  werde  sie  nach  einer  vom  Herrn  Pfarrer  Gregor  gemachten  und  mir 
gütigst  Überlassenen  Abschrift  hier  weiter  unten  mitteilen. 

Die  Organisation  der  genannten  Osterprozession  geschieht  am  Oster- 
sonntage  nach  dem  Nachmittagsgottesdienst:  im  Freien  kommen  Jünglinge 
und  Jungfrauen  unter  dem  Vorsitz  des  Gemeindevorstehers  zusammen  und 
wählen  einen  Jugendvorstand  und  zwar  einen  foit  pacholczy  (Jünglingsschulze) 
und  zwei  Wärter  ströiowie,  welche  die  Figuren  des  gekreuzigten  und  des 
auferstandenen  Christus  zu  tragen  berechtigt  sind,  sowie  18  Beisitzer,  praw- 
nicy,  lawnicy.  Auch  Mädchen  werden  gewählt,  zmn  Tragen  von  Elirchen- 
bildem  bestimmt.  Die  wählbaren  Burschen  und  Mädchen  müssen  unbedingt 
unbescholten,  ihr  Lebensalter  im  aUgemeinen  das  reife  Jugendalter  sein ;  ihr 
Amt  ist  die  Beobachtung  der  traditionellen  Ordnung  und  Sitte:  es  ist  z.  B. 
unter  Strafe  von  50  Pfennigen  den  Burschen  verboten,  in  der  Zeit  von  Osten 
zu  Pfingsten  in  den  Abendstunden  herumzuschwärmen  oder  auch  nur  unter 
vier  Augen  Mädchen  anzureden. 

Die  junge  Gesellschaft  begibt  sich  nach  geschlossener  Beratung  zum 
Ortspfarrer,  meldet  ihm  die  gefaßten  Beschlüsse,  zieht  auch  zu  anderen  Be- 
kannten hin,  die  sie  durch  ihren  Besuch  ehren  will,  und  begrüßt  sie  im  Namen 
des  Auferstandenen.  Bald  werden  Fahnen  und  andere  Gteräte  besorgt  und 
dann  an  bestimmten  Terminen,  sonntäglich  am  Floriansfest  den  4.  Mai  und 
am  ürbanstage  d.  25.  Mal,  auch  sonst  die  herkömmlichen  Prozessionen  unter- 
nommen. 

Ich  lasse  nunmehr  die  erwähnte  Urkunde  genau  mit  allen  Zeichen, 
Strichen,  Fehlem,  Streichungen  und  allen  orthographischen  Eigentümlich- 
keiten folgen. 


Kleine  Mitteilungen.  619 

leh  habe  im  Archiv  wiederholt  Denkmäler  der  oberschlefliflohen  Sprache 
mitgeteilt:  ein  schlesisch-pohkisches  Hochzeitagedicht;  eine  SchenkungB- 
urknnde  anBEreazbnrg  ans  dem  XYI.  Jahrb.;  ein  Nenjahrsgedicht;  die  jetzige 
Urkunde  ist  nicht  minder  interesBant,  als  die  frliher  mitgeteilten. 

Kiechay  wBzystko  b^ndzie  na  cze8<$  Boga  wtroycy  Bwi^ntey  iedinymn,  a 
na  ehwalym  i)  niepokalaney  Pannie  Maryi,  iak  te£  na  wi^kBz^  ncziwoBÖ  pa- 
tronoe  naezey  Magdalenie  Bwiyntey,  i  wszystkim  Bwiyntym. 

My  lOodzincy  wszyBcy  iak  BwoyBcy  tak  shiiebni  temie  Bpofiobym^  i 
wBzyBtkiDzieweczki  na  tyn  czas  wdzedzinieLnbomi  zastawai^ncy  (bIc)  w  Rokn 
1672  w  Poniedziatek  zmartwych  powstaMa  Zbawiciela  naszego  na  mieyBce 
pewne  WBzyBcy  Bpol:eczi&ie  zeezüsmy  bIq,  a  Bpoln^)  (oto)  Btaranie  mieliBmy, 
iakim  BpoBobym,  my  GrzyBznicy  z  onymi  Maryami  z  Grobn  powBtalego  JezoBa 
l^aBaranBkiego  Bznkad  mielibysmy. 

Toli  iednak  dosnawBzy  w  tym  Effecie^)  Dncha  Bwiyntego  nmyBlyli  i 
womS^  to  niycsyli,  iebyBmy  nie  tylk^)  my  ktorzy  ieBzcze  do  woli  Boiey  zy- 
jymy,  ale  tei  i  ci,  ktorzi  po  nas  na  Btan^,  i  na  tymie  LabomBkim  Gröncie 
8poiecz£ie  z  Dzieweczkami  zoBtawad  b^nd^,  pocz^nwszy  od  wtorkn  Wielka- 
noonegOi  nie  do  zesla^ia  Dncha  Bwiyntego,  w  kazdi|  niedziel^  i  w  ka£de 
zaswiyncone'')  Bwiynto,  po  pohid^in  okolo  Qminn  LnbomBkiego,  b  wielkim 
Naboiy^Btwym,  roBmyBlai^nc  Bobie  (ono)  Odknpiynie  naBze,  ktore  eie  ataio 
przee  emartwych  powBtaiiie,  od  nmarlego  Pana  i  Zbawiciela  od  prawiali. 

Jak  tei  i  zakaznjymy,  gdzie  ini  tn  potrzeba  b^ndzie  poniechaö,  pod 
naznaczon%  koicieln^  Poknt^,  wBzelakich  nieshiBznych  rzeczy.  Czego  ncho- 
wey  PaMe  Boie  i£by  Bie  przy  takowych  ProccByach  takowe  nierz^ndy  znay- 
dowaö  miafy.  A  dla  lepszego  tego  nwarowa^  raczey  kaido  rocz^ie  dwnch 
ströiöw  ieby  tego  pilAie  poBtrzygali  obiyrano,  a  tak  wBzycy  na  to  poBwoliw- 
8zy  i  JednotQ  przyi^wBzy  przy  Upefaiey  Gromadzie,  ktora  Bie  Bwykla  w  dzien 
Urbana  Bwiyntego  odprawiaö.  Nayprzod  nkioniwBzy  bIq  wyBOce  nczonymn, 
iego  Mo6ci  Xi^ndzn  Fararzowi,  i  Dubz  naBzych  na  tyn  czas  PaBtyrzowi  Wie- 
lebnynm  Pann  Laorentymn  Bernakdowi^  B^awnego  Btohi  Baciborskiemn  w 
DnchowiynBtwie  Seniorowi,  a  potym  tei  zacnymn  Ürz^ndowi  LnbomBkiemn 
i  caley  Opcy^  n^izynie,  ich  oto  pro8z%nc,  by  nam  tego  wiecznymi  czasy  od 
prawiad  przyBwolyli,  a  iak  oni  widz^  ii  to  rzecz  do  naboiynBtwa  godna,  nam 
tego  i  wBzyBtkim  po  naB  bynd^ncym  Mlodzinc^  ^O)  i  Dzieweczkom  takt^  Pro- 
ceBy%  dozwolyli,  naB  pilnie  w  tym  napominai%nc,  iebyamy  nayprzod  z  Boga 
a  potym  z  Biebie  Bamych  poBmiywiBka  poprzeetawBzy  tego  ^^)  na  potomne 
czasy  nie  uczyniyli;  a  mai^nc  od  Bwych  mianowanego  iego  MoBci  Xi^ndza 
Fararza  iak  tei  od  zacnego  Uizyndn  i  caley  Opcy  Labomekie  ^,  pewne  wy- 
nanczynie  i  pozwolyli,  a  iebysmy  tei  ko^cielnych  na  tych  ie  proceeyach 
Chorongwi  nie  pBuwali,  podhig  przemozynia  ^^  nboBtwa  naszego  iedn^  par^ 
Ohorongwi  s  ktorymi  na  tych  procesyach  chodzid  mamy  sprawiylismy.  To 
tei  iednak  i  to  nwaiywszy  sohle,  ie  iako  cziowiek,  tak  tei  i  te  Chorongwie 
wieczne  czasy  trwaö  nie  mog^  Roka  1674  ^i)  w  tym  ie  wtorek  Wielkanocny 
Schack^  mai^c,  Foita  i  tei  cafy  Urz^nd  Mlodzinski  miyndzy  sob^  postano- 
wiyli,  ieby  od  datom  tego  rokn  wiecznymi  czasy  w  dzie^  wtorkn  Wielka- 
noenego  takowa  Schacka  bywala,  a  kaidy  Mlodzi^iec  w  przitomnoici  Foita 


£20  Kleine  Mitteilungen. 

i  ci^ego  Unyndn  Mlodziöskiego,  iedjn  piyntok  ^)  a  iedna  kaida  dzieweczka 
po  iednym  grjiearn  oddawi^a  do  BkninkiMlodzinakie^),  ktora  ei^  w  koaeiele 
chowac  ma,  takowe  piMendae,  wiela  sie  ioh  wybiene  cliowa6  nud^,  a  to  dla 
tego  ieby  po  zniazozyfda  tyoh  Chorongwi,  ktorech  ^)  my  fpiawiyli,  inoae  asas 
kupowad  mieli)  a  wiecznymi  ozasy  aby  takowe  Choröngwie  nie  zginyiy,  wazak 
ie  to  zdobrem  nmy^m  nczyniwszy  naypraod  Wielebnych  a  Dostoynyeh  loh 
Mo6ciow  Xi^ndzow  Fararzow  Lnbomskioh,  ktorzi  na  Faiae  Labomakie  ^ 
mied  ai  do  skonczynia  i  Bniny  kosoiola  Lubomskiego  b^dti^  a  potym  tei  i 
wBzyBokiey  Obce  Lnbomskie,  dla  chwi^y  Bozey  nniazy^ie  i  modlitebnie  pro- 
aimy  zeby  wiecz^emi  Czasy  Pamiontka  naeza  i  Gonatitatio  ta  nieginyia  i  ka- 
ayrowana  niebyia,  ale  raozey  niechay  Popoinie^}  Ludaie  wiynkflay  na  to 
respeot  maj^,  ieby  czym  daley  teym  wiQcey  Ghwaia  Boga  wezych  poranoiaila 
sie,  a  gdyby  özasy  na  stafy  zeby  Modzierz  i®)  tak  do  Naboienatwa  oai^bla  i 
niedbala  by  cie  ^)  ich  osobliwie  Ktorzi  Boga  naten  ezas  Mie^owai!  b^d^  do 
takowego  naboienatwa  mieli  atego  Im  poprzeatac  nie  dopuidili  oto  ich  pow- 
tomie  prosim,  Rokn  1674  to  Dzien  Urbana  3  przitomnoBöi  ^)  üp^e  Gromsdy 
za  po  zwoleniem  Jego  Mosel  XLarentego  BernadaFabrynaa  FarazaLubom- 
akiego  i  cale  oboe^  Labomikiego  Foyta  i  ca^^ego  nnendn  i  na  rzondov 
Mlodiinoöw  i  Dziew  i  wszystkie  czeladzi  iak  Domowey  tak  cudze  w  daienie  ^ 
-w  Lnbomiflkiey  takowey  swienty  ^)  az  sie  im  schwa  loie  a  Duohwie  ^)  wi6cs- 
nymi  czaay  wszak  bez  przezkaki  gwaHownie  ^  iednego  kazdego  Goapodana 
Dolego  ^)  przy  ^  StiJ:o  sie  Bokn  i  dnia  nt  snprawy  a  ^  na  mleyscn  CaJtej 
opce  niemaii^c  aekretu  ^)  tego  doz^daliamy  ^)  Jeg  Moaei  X  by  na  mieyaöa  na- 
azem  Sekreta  Bwem  3^)  to  polwierdzie}  ^)  Raczyi  to  ieBt 

dla 
Johana  Brndka. 


1)  d.  h.  ohwat^.  *)  czeohischer  Einfluß.  ')  epoln. 

«)  Bollte  heißen  effekcie.  ^)  w&m.  ^)  wahncheinllch  an  lesen  tyik. 

'^  za&wi^oone.  ^  wohl  Bernatowi.  ^)  dat.  zu  obec  die  Gemeinde. 

10)  mlodzie^com.  ^^)  nämL  po4miewi8ka.  ^  czechische  Deklination. 

^3)  podhig  przemo^enia  nach  Vermögen.  i*)  wiederholte  Beratong? 

1^)  pi^tak  FünfgroschenBtück  (50  pf.}.  ^^'j  czechiBche  Deklination. 

i'O  heute  kröre^my.  ^  poboini.  i^}  miodziei,  der  Laut  l 

nach  oberBchles.  Weise  vemaohläsBigt.  ^)  ci  ich,  d.  h.  ci  z  nich.  >>)  soll 
heißen  w  przytomno6ci.  ^)  hier  ein  Komma  zu  setzen.  ^  «oll  heißen 
w  dziedzinie.  ^)  der  Ortsheiligen  von  Lnbom  Magdalana? 

-^]  acz  (aö,  6ech.  at'?)  sie  im  Bchwaluje  i  döchowuje?  ^  wohl  praeakaiy^ 

gwi^townej.  ^  unverständlich.  »)  supra  gehOrt  au  nt,  aber  wy  a 

ist  unerst&ndlich.  »)  sekret  ist  wohl  Siegelring.  ^  wir  baten. 

31)  sekretem  swym.  ^  potwierdzid. 

JF.  Nehrmg. 


EJeine  Mitteiinngen.  '    g21 

Die  vüio  mortis  des  Polykarp  in  einer  Prager  Handschrift, 

In  dem  CatalogoB  eodioam  m&noscriptomm  latmonim  der  öATentliehen 
und  UniyenitSts-Bibliothek  in  Prag  von  Joseph  TrohlÄ^  1906  habe  ich  nnter 
der  Nummer  2671  die  Notiz  gefonden,  daß  in  einerHandschrift  vom  Jahre  1414 
fol.  193^^ — 199»  ein  Traktat  visio  Polyoarpi  (visio  mortis]  sich  befinde.  Auf 
meine  Bitte  hat  der  Herr  Bibliothekar  sehr  bereitwillig  einen  Anszng  mir  zu- 
geschickt, der  zur  Charakteristik  des  Inhalts  der  Erzählung  ausreichen  dürfte. 
Der  Traktat  hebt  mit  der  folgenden  Einleitung  an:  Nota  de  morte,  quod 
quidam  magister  nomine  Policarpus  (sie)  in  ybemia  deo  multum  supplicavit, 
nt  ei  ostenderet  mortem  in  aliqua  disposicione  Ita  quod  post  longum  precum 
instanoia  a  domino  meruit  ezaudiri.  Nam  una  die  ei  oranti  post  misfam  cum 
populuB  abscesfisret  de  ecclesia,  perseveraverat  in  oracione,  appamit  ei 
ymago  terribilis  et  lamentabilis  cincta  ad  lumbos  lintheo  et  omnes  morbos 
creatorarum  in  vase  ferrea  portans  in  oincto  brachio  et  tota  existens  pallida 
et  in  manibua  tenens  falcestrum  horribile,  coram  se  habens  celum  apertum  et 
retro  se  infemum  et  ad  dextram  purgatorium  et  ad  partem  sinistram  lymbum 
puerorum  et  monumenta  totius  mundi  aperta. 

Das  prahlerische  Selbstlob  des  Todes  beginnt  mit  den  Worten:  Ego 
snm  mors  que  claudo  omnia  vivencia  et  finem  eis  impono  deo  volente  et  per- 
mittente.  Et  non  est  qui  se  abscondat  a  meo  dominio.  Ego  animalia  silvestria 
et  domestica,  aves,  pisces  et  immunda  seu  yenenosa  insecta  que  in  aere  et  in 
aquie  et  in  terris  et  in  igne  et  in  omni  loco  habitant,  ad  meas  scolas  accipio. 
Ego  snm  potens  quod  homini  deo  multum  dilecto  non  paroo  et  nobili  creature 
dominor  omnium  (sie).  Nam  die  mihi  ubi  sunt  principes  mundi  gigantes  no- 
minati  qui  ante  multa  tempora  faerunt  sicud  (sie)  reges,  barones,  imperatores, 
nee  Mathusalem  longevus,  nee  Salon  (sie)  sapientissimus,  neo  Absolon  (sie) 
pnlcher  nee  Samson  fortis  nee  AUexander  (sie)  potens  nee  Virgilius  nigro- 
manticus  nee  Aristotiles  (sie)  nee  Socrates  nee  aliqui  ex  philosophis  potuit 
scolas  meas  evadere .... 

Weiter  spricht  der  Tod:  quia  si  dicis:  non  dominaberis,  adhuc  dico  tibi: 
qnia  restant  tibi  anni  quinque  quibus  vives» 

Das  Ende  lautet:  Ad  hoc  respondet  magister:  Gircumdederunt  me  ge- 
mitns  mortis,  dolores  infemi.  Tunc  dixit  mors:  Ulterius  tecum  loqui  non  pre- 
Bumo,  sed  vitam  tuam  emenda. 

Es  ist  offenbar,  daß  dieser  Prager  Text  mit  dem  polnischen  Gedicht  nicht 
unmittelbar  zusammenhängt,  aber  er  beweist  jedenfalls  eine  allgemeine  Zu- 
aammengehdrigkeit  mit  den  bis  jetzt  bekannten  Erzählungen  von  Polykarp 
und  dem  Tode,  auch  mit  den  zwei  Münchener  Visionen  und  dem  Florianer 
Text,  überhaupt  den  mittelalterlichen  Erzählungen  desselben  Inhalts:  das 
absoheuliohe  Bild  des  Todes,  die  >Schule<  desselben  als  die  wiederkehrende 
Stätte  seines  Waltens,  das  Erseheinen  nach  der  Andacht,  als  die  Kirche  schon 
leer  geworden,  der  niederdrückende  Eindruck  von  dem  ekelhaften  Toten- 
gerippe mit  der  Sense,  die  Mahnung  zur  Besserang,  welche  amEttde  stets 
wiederkehrt,  sind  die  gemeinsttnen  Züge,  welche  duauf  Undeuteii,  daß  die 
bis  jetzt  bekannten  Erzählungen  aus  einem  Grundtext  herrorgegangen  sind. 


622  Kleine  Mitteilimgen. 

der  mOglicherweiBe,  ja  Bogar  sehr  wahrscheinlich  während  und  infolge  einer 
schrecklichen  Pest,  vielleicht  in  der  Zeit  des  schwarzen  Todes  im  XIY.  Jahzii. 
in  einem  Kloster  entstanden  ist;  man  möge  sich  erinnern,  daß  damals  unter 
dem  Eindruck  des  wütenden  Todes  anch  die  Sekte  der  Geißler  entstanden  ist 
Bemerkenswert  ist,  daß  der  Prager  Text  aus  dem  Jahre  1414  stammt  Ereüich 
haben  die  einzelnen  Texte,  auch  der  Prager,  ihre  Besonderheiten. 

W.  N^hring, 


CyjyHÄ&p  —  awlijvaQiov. 

Dans  le  Bje6nik  de  Vuk  ce  mot  est  ainsi  expliqu^ :  die  Rauchrohre  am 
Ofen.  Dans  une  description  de  la  maison  villageoise  en  Ka£er  (d6partement 
de  Bndnik,  Serbie)  nous  lisons :  »Y  tomo  je  sHxy,  Maio  hshax  orKnnxa,  npopes 
8«  zoseae  co6&6  nehs,  a  hshax  OBora  Apyrs,  iiafta  sa  HSJtaxei&e  xana  as  cy- 
zyHxapa  ox  nehac  (Dans  le  mur  de  la  cuisine,  un  peu  au-dessns  du  foyer, 
se  trouve  une  ouvertnre  par  laquelle  s'effectue  le  chauffage  du  po^le  de  la 
chambre;  et  au-dessus,  une  autre  Ouvertüre  plus  petite,  pour  servir  de  sortie 
&  la  fum6e  provenant  du  tuyau  du  podle  ^). 

Nous  avons  pu  apprendre  qu'on  donne  encore  au  cyxynx&p  la  significft- 
tion  des  conduits  de  la  chaleur  dans  les  fours  des  boulangers  et  qu'on  appelle 
ainsi  toute  ouverture  pour  la  sortie  de  la  fhmöe  dans  les  maisons  construitas 
primitivement,  saus  chemin^es.  N.  Petroviö  Po^hek  «paHuycEo-cpncui  se  sert 
du  mot  cyxyBAäp  pour  traduire  ventüateur  dans  le  sens  de  tuyau  destin^,  dans 
les  lieux  d'aisance,  k  rSvacnation  des  gaz.  Les  mlundars  ^taient  autrefois  en 
ma^onnerie  ou  en  terre  cuite;  4  pr6sent  on  les  construit  en  töle.  Ha  ont 
habituellement  une  forme  plus  ou  moins  allong^e,  et  c'est  pourquoi  en  Serbie 
on  donne  en  plaisantant  le  nom  de  sulundar  au  ch&peau  de  haute  forme  (Cy- 
linder).  Le  hodja  Mehmed  Ramzi  Deliö,  originaire  de  Bosnie,  me  disait  qu^en 
Bosnie  on  parle  suUnBr  au  lieu  de  nUündär, 

Le  Bje6nik  de  Vuk  marque  le  mot  cyxyHxap  par  un  ast^risque,  signe  d'un 
empmnt  du  turc.  6j.  Popoviö  TypcKO  ■  ffpyre  HCToqaHCRe  pe^a  y  cpacBOMe 
fesHKy,  FxacHHK  59,  200  note  seulement  que  le  mot  cyxyexap  provient  du 
persan.  Hodja  Mehmed  Ramzi  Deliö  m^assure  que  le  mot  cyjrysxap  n^est  pas 
turc  et  que  le  mot  qyHaR  (de  signification  presque  identique)  provient  du  tnre. 
En  verit^  actuellement  le  mot  ^ynaR  commence  i  remplacer  le  mot  cyjryxxap. 

Si  Ton  envisage  seulement  un  paragraphe  de  Synopsis  minor  (Liber  jn- 

ridicus  alphabeticus):    T^  xoiv^  tolxtp  ffojkfjyac  riyovy  CfoXrjvaqta  ivovy 

xfixoiAvTai,  la  loi  qui  provient  des  Basilique  LVIII,  2, 192),  on  peut<voir  que 
le  mot  suUnür^  stUündSr  n^est  pas  turc.  Chez  Sophocle  Greek  Lexicon  for  the 
roman  and  byzantin  periods  nous  trouvons  aaXr^v  (pipe),  ctfoX^yioyy  ffwXijya- 
qioy  a  kind  of  hollow  arrow,  aiaXrjvoBi^rjs  (like  a  ofaXT^y)  et  ifmXrjynxo^ 
grooved,  hollowed  out. 

i)  ^p.  J.  UBHJHfa,  HaccAa  cpucRHZ  seMaiba,  ni,  756. 
^  Zach.  V.  Lingenthal,  Jus  graeco-romanum  n,  p.  240. 

Beigrade.  SU  Novahmc. 


Kleine  Mitteüiuigeii.  623 

Eine  glagolitische  Inschrift, 

In  Dnga  bei  Moiöenice  in  Istrien,  wo  ich  den  vergangenen  Herbst 
weilte,  kam  ich  znflUlig  zur  alten  Kirche  in  St  Peter  in  Gonya  Draga.  €ron\ja 
Draga  wird  zum  Unterschiede  von  der  am  Meere  gelegenen  Ortschaft  Draga 
jene  Bergschlacht  genannt,  die  sich  von  Draga  ans  gegen  den  Honte  maggiore 
ausbreitet  Diese  Schlucht  ist  an  den  unteren  Abhängen  bebaut  und  mit  ein- 
seinen Wohnhäusern  besetzt  Am  unteren  Ende  von  Gomja  Draga,  etwa 
V4  Stunde  Weges  abseits  von  der  nach  Moiöenica  führenden  Reichsstraße, 
steht  die  genannte  StPeterskirche.  Sie  gehOrt  zur  Pfarre  Mo&öenice  und  es 
wird  darin  zuweilen  auch  Gottesdienst  gehalten,  namentlich  wird  alljährlich 
Im  Sommer  das  Patrociniumfest  unter  großer  Beteiligung  der  Anwohnerschaft 
daselbst  gefeiert.  Die  Kirche  ist  ein  einfacher  Bau,  vier  weißgetfinchte  Mauern 
mit  einem  flachen  Plafond,  einem  gewöhnlichen  Dache  und  einem  Mauerturme 
mit  zwei  kleinen  Glocken.  Vor  der  Kirche  ist  eine  Vorhalle,  deren  Dach  auf 
Säulen  ruhend  sich  an  die  E^irche  anschließt  Unter  dieser  Vorhalle  befindet 
sich  an  der  rechten  Seite  der  Kirchentür  ein  runder  steinerner  Weihbrunn- 
kessel,  der  in  die  Kirchenmauer  von  außen  eingemauert  ist  In  die  äußere 
Rundung  dieses  Weihbrunnkessels  ist  folgende  zweizeilige  glagolitische  In- 
schrift eingemeißelt: 


^.   M^'^^ 


Kompetente  Beurteiler,  Msg.  Dr.  Buliö  in  Spalato,  Hofrat  Dr.  Jagid,  er- 
blicken in  den  vier  ersten  glagolitischen  Schriftzeichen  (^  ?  n!  y.)  die  Jahres- 
zahl 1573,  die  folgenden  zusammenhängenden  Buchstaben  ergeben  das  Wort 
decembra.  Es  ist  somit  in  der  ersten  Zeile  die  Datierung  enthalten.  Die  Deu- 
tung der  zweiten  Zeile  (r.a.cr.)  ist  unbestimmt  Die  Ligatur  (er.)  kann  als 
crkey  gelesen  werden;  hierbei  wird  man  annehmen  müssen,  daß  die  beiden 
▼orangehenden  Schriftzeichen  eine  nähere  Bezeichnung  der  ELirche  enthalten. 
Vielleicht  könnte  man  die  zweite  Zeile  mit  Bücksicht  auf  den  Namenspatron 
der  Kirche  als  sv.  apostola  crkev  deuten.  —  Was  auch  der  Sinn  der  zweiten 
Zeile  sein  mag,  die  erste  Zeile  bekundet  die  Zeit  der  Entstehung  der  Inschrift. 
Die  Tatsache,  daß  um  das  Jahr  1573  die  glagolitische  Schrift  in  der  oben  ge- 
nannten Gegend  im  Gebrauche  war,  dürfte  immerhin  ftlr  die  Leser  des  Archivs 
Ton  einigem  Interesse  sein,  weshalb  ich  mir  die  Sache  mitzuteilen  erlaubt  h  abe 
Laibach,  im  Dezember  1 907 .  Jos,  äuman^ 

Hofirat  ond  Landesichnliiifpektor  L  R. 


624  Kleine  Mitteilungen. 

Ein  Beitrag  zur  Biographie  Arsenius*  IV.  Jovanovic. 

In  der  alten  serbischen  Kirche  in  Mostar  befindet  sich  ein  anf  Holz  ge- 
maltes Bild  des  Fürsten  Lazar  mit  der  Inschrift,  die  wir  unten  mitteilan. 
Die  Inschrift  ist  von  Interesse,  weil  sie  uns  etwas  neaes  über  die  frühere  Lauf- 
bahn des  Patriarchen  Araenins*  IV.  Jovanoviö  berichtet,  von  welcher  nns  fast 
gar  nichts  bekannt  ist.  Man  weiß  von  ihm,  daß  er  im  Jahre  1737  nach  Belgrad 
kam,  daß  er  1741  durch  ein  Diplom  der  Ejtiserin  Maria  Theresia  beatätigi 
wurde  al6  aotuale  super  universo  clero  ac  natione  rasciana  in  regnis  et  pro- 
vinciis  Nostris  haereditariis  caput  ecclesiasticum,  und  daß  er  im  Jahre  1748 
starb,  und  zwar,  wie  in  dem  Werke  »Gp6H  y  YrapcRoj«  (aus  dem  Französischen 
übersetat  und  mit  Berichtigungen  ergänzt  durch  Dr.  St  Pavloviö,  Neusatz  I, 
S.  136)  steht:  am  6/17.  Jttnner,  und  bei  dem  unten  zu  zitierenden  Jak&i6  am 
19.  Jänner  (»EpaHROBo  Koio«,  1899,  S.  1079).  Nähere  Angaben  über  das  frühere 
Leben  fehlen  auch  in  der  umfangreichen  Monographie  des  Prof.  Milutin  Jak- 
siö:  Über  Arsenius  Jovanoviö  äakab«ata  (erschienen  in  Karlowitz,  zuerst  in 
»EpaHKOBo  KojEo<r,  und  dann  separat  abgedruckt  1899).  Seine  Darstellung  be- 
ginnt erst  mit  dem  Jahre  1736  und  umfaßt  die  Tätigkeit  Arsenius^  in  Ungarn« 
welche  eng  geknüpft  ist  an  die  Geschichte  des  serbischen  Volkes  im  österrei- 
chischen Staate. 

Die  Inschrift  hiutet:    H30epa}KfHU    BCAHKariV    KMA3A   G$pa- 

CKarw,  cTarw  AaaapA,  koh  bi^  ISSO''^  roA^  c  xSpfi^KH  OyA- 
TaNo  IIuifpaTOU'k  Na  Kocosouik  noaio  EpaHk  HUlSA'k,  r^^  h 

nOA^MHAlik   UV'HfHHHkCKY'IO    KOHHHHY'.     6rWHC€    T*KA0    EHk    3a 

ivcBHA*KTiAkCTBOBaHif    npaBOH    OipBCKarw    HapoA^    Kt^pki 

HCTA*KHH0  l^lLAOC  H  A^  AHfCk  COA'P^HTli  H  nOHHBAfT'k  OHOC 
B'k     UHTkip*K     fifpAHHKlk      Blk      /AHTpOnOAlTCKOH     OpfUCKOH 

6nap)fHi:  xirnkjcirw  CEpaaa  nipB*kc  1746  CAarocAOBCHYiu'k 
BAasKiHonoHHfiiuaro  üaTpiapxa  h  ^px'finKna  I.  flpcfHlA  Iw- 
aMHOBUHa  MfTBiprarui,  6rA4  bubuiih  a^^^hckia  obh- 
T(AH  flpi^HuaHApYTib.  ÜOTOU^k  CnKn'k  BcpiuasKYH,  a  Ha«- 
nocAlLAH  fIpX'icnK'k  H  M'iTponOAiTik  r.  JfivaHHik  riwprUfBHMa 

HSAAH'h,  HHHUM&C  TOrOSKf  flp^fMIKfld  9p)fHA'(M^H'k  IwCH^ 
KwaHNOBHHlK  llIaKaEKHA'K  CBOHMlk  HXCAHB(NYfU*k  \-CTpOHTH 
H     OHOU^SKf     UHTUplO     Blk     HOAkSS     ynOTpiBACHlC     A^P^B^'T» 

COHSBOAHA*k  1773.  Wie  man  aus  der  Inschrift  sieht,  war  Areeniui  andi 
Archimandrit  des  Klosters  Deiani  in  Altserbien;  eine  biographieche  Notia, 
welche  bis  jetzt  ganz  unbekannt  war. 

Dem  Arsenius  wird  vorgeworfen,  daß  er  wenig  VerstündniB  für  die  kul- 
turelle Entwicklung  des  Volkes  zeigte;  daß  er  wenig  Interesse  dem  Schul- 


Kleine  Mitteilmigen.  025 

wesen  entgegenbrachte,  daß  er  in  seiner  Diplomatie  ein  wenig  zu  primitiv, 
manchmal  zu  orientalisch  war.  Das  ist  selbstverstHndlieh  Mangel  an  einer 
höheren  Knltor,  welcher  fibrigens  leicht  zu  verstehen  ist  Er  stammt  ans  sol- 
chen Gegenden,  in  welchen  das  knltorelle  Niveau  der  Priester  nicht  hoher 
war,  als  das  des  klassischen  Popen  Miöo  im  »Gorski  Yyenac«. 

Wie  das  betreffende  Bild  nach  Mostargekommen  ist,  wußte  mir  niemand 
zu  sagen.  Es  ist  sonst  sehr  rein  und  sorgfältig  gemacht,  natürlich  mit  der 
Tendenz  den  FOrsten  mehr  als  einen  Heiligen  darzustellen. 

Vladimir  Caroviö, 


Zur  Etymologie  von  asl.  aite. 

Ältere  Versuche  verzeichnet  Vondr&k,  Slav.  Gramm,  n,  S.  491  f.  Er 
selbst  meint,  daß  sieh  die  verschiedenen  Reflexe  in  den  einzelnen  slavischen 
Sprachen  zunächst  auf  ein  urslavisohes  aSe  am  besten  zurflckftthren  lassen. 
Neben  dem  aSe  gab  es  im  Urslavischen  noch  ein  aü.  Durch  Kontamination 
konnte  aus  aU  und  aie  ein  aUe^  ai6e  und  dann  im  Altkirchenslavischen  und 
Bulgarischen  aiU  entstanden  sein,  r-  Ich  möchte  lieber  von  der  indoeurop. 
Form  f^  a-ie  ausgehen,  nämlich  von  *öd•q^e  (Brmgmann,  Kurze  Vgl.  Gr. 
S.  615),  woraus  asl.  o«-^«  ai-^e  ai-te  hervorgehen  mußte.  Aie  läßt  sich  da- 
neben durch  neuerliche  Zusammensetzung  der  beiden  Elemente,  die  ja  auch 
jedes  für  sich  in  hypothetischer  Bedeutung  vorkommen,  auf  slavischem  Boden 
erkliren  (vgl.  auch  a-ie),  A.  Mmid. 


Eine  kroatische  Privaturkunde  (Pfandbrief)  vom  J.  1663. 

Jas  Ivan  Korenika  aliter  Ferlian  y  ia  Catharina  Bruchek  valuiemo  po 
ovom  nafsem  otvorenom  lifztu,  kako  mi  buduchj  vu  teskom  vremenu  k  na- 
vlafztito  vu  gladnom  letu  tesko  nascu  dechiczu  hranechj,  vzemsi  na  fze  terh 
vze  nafce  rodbine  blisnie  y  dalechne,  koieh  bi  fze  dole  napifzano  dugovanie 
koiem  gode  modusem  dofztoialo  nekoie  nafce  dve  fzinokoske  na  dva  kofzcza, 
iednu  na  pogorischu,  drugu  vu  hrechiniu  inter  foenilia  Lucae  Korenika  aliter 

FoerUan  et  Matthiae  Bruchek,  omnino  y  pofsione  Yukomerleh  Campo  et  cottu 
Zagrab :  exiften^  za  dva  vugerfzka  dnkata  y  za  dvaifzet  novacz,  Plemenitem 
Mattheiu  y  Jurku  Petranichem  dodofzmo  y  zalofizmo,  da  derse  mirovno  y 
ladaiu  dokUm  mi  alj  nafsa  decza  rechene  peneze  nym  ali  nyhovomu  odvetku 
povememo,  y  to  vzigdar  pervo  Jurieva;  k  tomn  vzezmo  na  nas  vfzu  Evictiu, 
toieto  ako  by  e  fto  vu  tom  zalosnom  kupu  bantuval.  Zverhu  koiega  vzega  y 
dazmo  ovo  nafse  pifzmo  za  prifznoga  vremena  tverdnoftj  y  mirovnostj  radj. 
actum  die  1  mar.  1663. 

Diese  Urkunde  verpfändet  zwei  Wiesen  gegen  eine  geliehene  Summe 
von  zwei  ungarischen  Dukaten  und  zwanzig  Münzen,  ausgestellt  ist  sie  vom 
(adeligen)  Ivan  Korenika  aliter  Ferljan  und  Katharina  Bruchek  (Bru6ek)  an  die 
adeligen  Brttder  Matthaeus  und  Georgine  (Jurko)  Petranich  (Petranid)  am 
1.  März  1663  im  Bereich  der  adeligen  Gemeinde  Turopolje,  wo  noch  jetzt  das 

ArokiT  Ar  tUTiMh«  PUlolofi».    XXIX.  40 


g26  Kleine  Mitteflnngen. 

Dorf  Vnkomeriö  besteht.  BeachtenBwert  ist  daa  Wort  hreüf^'e,  das  in  dieeer 
Form  im  akad.  Wörterbnch  nicht  eingetragen  ist,  aber  offenbar  mit  hre^'^  In 
der  Bedeutung  sich  deckt,  d.  h.  etirpinm  copia  bedeutet,  wie  es  bei  StoUi 
heißt  Es  stellt  sich  darnach  heraus,  daß  der  Ausdruck  hrek  mit  seinen  Ablei- 
tungen, wozu  hreSif^'e  gehOrt,  nicht  bloß  in  den  südlichen  Gegenden  des 
serbokroatischen  Sprachgebietes,  sondern  vormals  auch  im  Norden  Kroatiens 
(also  an  der  Save)  bekannt  gewesen  sein  muß  und  zuletzt  sich  wenigstens  als 
Flurbenennung  erhalten  hat  Das  Wort  hreütifB  ist  so  gebildet  von  hrek  in 
der  Bedeutung  eines  Feldes,  wo  es  viele  hrek  gibt,  wie  von  krt  (Maulwurf)  das 
Wort  krtmj'e  existiert,  das  ich  als  Benennung  eines  Feldes  kenne,  wo  ein 
Acker  meiner  Eltern  lag.  Etwas  zweifelhaft  ist  mir  dagegen  das  Wort  pri/z- 
noguj  offenbar  wird  eher  prifaznoga^  d.  h.  prüasfioga  (futuri)  zu  lesen  sein,  da 
der  Ausdruck  primi  in  der  Bedeutung  »immerwährend«  kaum  damals  dort  be- 
kannt gewesen  sein  wird.  F.  «T. 


Poia. 

Novakoviö  sprach  in  seinem  Aufsatze  über  noma  jaaHqapcKa  im  Archiv  f. 
slav.  Philologie  (XXVm,  H.  1,  S.  158  und  159)  die  Vermutung  ans,  daß  noma 
orientaliBchen  Ursprungs  sei  und  hat  sich  darin  nicht  getauscht  Dies  nach- 
zuweisen ist  der  Zweck  der  folgenden  Zeilen.  Schon  Miklosich  hatte  in  seiner 
Abhandlung:  Die  türkischen  Elemente  in  den  Südost-  und  osteuropSischen 
Sprachen  (Wien  1884)  II,  43  serbo-kroat  poia  mit  tttrkisch  p6i  zusammen- 
gestellt Dabei  ist  aber  eine  lautliche  Schwierigkeit  ganz  übersehen.  Ein  sln- 
visches  poia^  neben  dem  die  Wörterbücher  eine  wenn  auch  seltenere  Form  poie 
verzeichnen,  deutet  auf  eines  jener  zahlreichen  türkischen  Substantiva  mit  dem 
Suffix  -a  bzw.  -0  (in  einigen  Fällen  -d)  hin.  Es  ist  hierbei  für  unsere  Frage 
selbstverständlich  gleichgültig,  ob  die  mit  dem  genannten  Suffix  gebfldeten 
Worte  ihre  Heimat  in  Persien  oder  in  Arabien  haben,  denn  sie  sind  eben  ent 
durch  Vermittlung  der  Türken  in  die  südslavischen  Sprachen  eingedrungen 
und  heimisch  geworden.  Belege  fttr  die  Regel,  daß  die  türkische  Endung  -a 
bzw.  -«  erhalten  bleibt  und  daß  umgekehrt  serbo-kroatisches  -a  auf  die  ent- 
sprechende Endung  des  entlehnten  Wortes  zurückgeht,  bietet  jedes  Wörter- 
buch, vor  allem  aber  Miklosichs  Zusammenstellung.  So  wird  ja  das  türkische 
Mga  zu  serbo-kroat  hodiay  das  türkische  tolama  zu  dolama,  vulgärtüik.  haxna 
oder  hazne  (arab.  iazine)  zu  haitiOj  türkisch  d^äy  ein  ursprünglich  persisches 
Wort,  zu  diba  usw.  Nur  ganz  selten  finden  sich  dagegen  Beispiele,  wo  das 
türkische  Stammwort  durch  den  Zusatz  des  Suffixes  -a  erweitert  ist  Der  Grund 
für  eine  solche  Erweiterung  wird  häufig  in  der  femininen  Gestalt  oder  Bedeu- 
tung des  einheimischen  Synonymons  gesucht  werden  müssen.  Nicht  immer 
liegt  freilich  der  Fall  so  klar,  wie  in  serbo-kroat  kaduna  »vornehme,  türkische 
Dame«,  das  aus  dem  türkischen  kädj^  abzuleiten  ist  Hier  hat  die  Bedeutung 
die  Suffixerweiterung  veranlaßt  und  durch  das  angehängte  -a  dem  Worte  femi- 
nine Gestalt  verliehen,  ähnlich  wie  sie  in  deutschen  Dialekten  den  Gesohlechts- 
wechsel  von  »das  Fräulein«  zu  »die  Fräulein«  hervorgerufen  hat    Anden 


Kleine  Mitteilungen.  627 

steht  ee  mit  dem  serbo-kroat  69f6kt^  welches  in  der  Gegend  Ton  Skntari  für 
BMunUa  »Meerisohe«  gebranoht  wird;  dieses  ist  ans  dem  italienischen  e^/afo 
in  das  Slavische  Übergegangen,  während  das  tttrkisehe  JUfdl  ans  griechisch 
xitpüXo£  entlehnt  ist   Serbo-kroat  hena  »Dummkopf,  dnrnm«  gehOrt  freilich 
zu  türkisch  him  (ygl.  Yonssonf  Dictionnaire  Tnrc-Fran^^  de  la  langne  nsn- 
elle,  Oonstantinople  1890),  nicht  etwa  sn  dem  schrifttttrkischen  hun  >damm<, 
wie  bisher  behauptet  worden  ist   Hier  wird  aber  wohl  eine  Angleichnng  an 
das  häufigere  hudala  vorliegen,  oder  vielmehr  wird  sich  nach  dem  Vokativ 
budaio  ein  beno  gebildet  haben,  das  dann  seinerseits  einen  Nominativ  bena  er- 
zengte. Scheidet  man  nun  Bildungen  wie  «fupa,  wo  neben  türkischem  hip  auch 
Xupa  vorliegt,  und  den  Plural  kubure  »Sattelpistolen«  neben  dem  lautgesetz- 
lichen sg.  kubur  »Sattelpistole«  aus,  femer yo^omi,  tilrkischy^d^ii,  das  wie  tuda 
als  Ei^nsung  zemlfa  fordert,  so  bleiben  noch  karfmza,  beÜka  und  belenzuka. 
Falls  nun  karpusa  nicht  durch  gpriechische  VennitÜung  nach  Serbien  kam,  ob- 
wohl ngriech.  *€tQnovCi  pl.  xa^novCia  dies  nahelegt,  könnte  man  an  Einfloß 
des  synonymen  serbo-kroatischen  Itib&niea  denken;  auch  die  andere  Melonen- 
art dinja  ist  ja  Femininum.  Auf  beiika  »Wiege«  haben  wohl  koUjevka,  iika  und 
zipka  gewirkt,  während  belenzuka^  das  übrigens  nur  im  Plural  vorzukommen 
scheint,  narukviea  und  grivna  neben  sich  hatte.   Das  türkische  Stammwort  ist 
byUizyJty  beläzyM  —  auch  belezik  kommt  vor  —  und  bedeutet  Ring,  Arm- 
band usw.  Daß  wir  es  in  diesen  Fällen  mit  serbo-kroatischen  Weiterbildungen 
zn  tun  haben,  beweisen  auch  die  regelrechten  bulgarischen  Formen  Kapnysi, 
6emaK'&  und  öejoaBKi;  die  beiden  letzten  finde  ich  freilich  nur  bei  Miklosich 
verzeichnet  Gegenüber  bulgarischem  vexeHK'L  steht  nun  auch  serbo-kroatisch 
ißlenka.  Es  ist  hier  allerdings  zweifelhaft,  ob  der  Einfluß  eines  einheimischen 
Synonymons  vorliegt,  denn  perfantca,  das  man  am  ehesten  heranziehen  könnte, 
entspricht  seiner  Bedeutung  nach  nicht  genau.  Vielleicht  hat  der  ungewöhn- 
liche Wortausgang  -enk  den  Anstoß  zur  Weiterbildung  nach  dem  Muster  der 
Feminina  gvozdenka,  zelenka  usw.  gegeben.    Jedenfalls  haben  wir  also  poia 
entweder  auf  ein  türkisches  pSia  zurückzuführen  oder  müssen  eine  serbo- 
kroatische Weiterbildung  aus  p6i  annehmen.   Gegen  diese  letzte  Erklärung 
sprechen  aber  die  FäUe,  wo  sicher  türkisch  p6i  entlehnt  ist,  nämlich  die  Kom- 
posita iarpoi  »eine  Art  Frauenmütze«  und  öeUpoi  (6eUpui)  »eine  Mütze«.  Wenn 
andrerseits  dem  türkischen  pdpüi  ein  serbo-kroatisches  papuia  entspricht,  so 
beweist  das  für  eine  serbo-kroatische  Weiterbildung  gar  nichts,  denn  sein 
6  macht  griechischen  Ursprung  nanovxa  (pl.  nanovxaia)  sicher.  Nun  ist  aber, 
was  bisher  übersehen  worden  ist,  das  gesuchte  und  erwartete  türkische  |>^/a 
tatsächlich  vorhanden.  Bedhonse  (A  Turkish  and  English  Lexicon,  Gonstan- 
tiaopel  1890)  verzeichnet  auf  S.  459  seines  monumentalen  Wörterbuchs  püie 
»a  enrtain  or  veil«  und  ebenso  hat  Zenker  (Dictionnaire  Turc-Arabe-Persan, 
Leipzig  1866)  auf  S.  220  puh  »Bedeckung,  Schleier,  Gattin«.  Lautlich  ist  gegen 
die  Gleichsetzung  yonpoia  loitpuiB  nichts  einzuwenden;  denn  das  ü  persi- 
scher Wörter  wird  in  der  Aussprache  des  Volkes  häufig  zu  geschlossenem  d, 
wie  ja  auch  Bedhouse  neben  pui  mit  der  Bezeichnung  vulg^  die  Form  p6i 
bucht  Ebenso  wechselt  schon  in  der  türkischen  Aussprache  das  Sufifix  -«  mit 
-a  (htmiU  vulgär  hamla  »Last«,  hame  vulg.  Koana  usw.),  wird  aber  im  Slavi- 

40» 


628  Kleine  Mitteüangen. 

sehen  ganz  gewOhnlioh  -0,  wie  hagie  serbo-kroat.  baüa  und  viele  andere  Bei- 
spiele zeigen.  Die  Lautlehre  wird  also  gegen  ein  Zurückführen  z,Ji£puie  bsw. 
p^a  nichts  einzuwenden  haben.  Aber  anch  die  Bedentong  stimmt  zu  der 
slavisehen  durchaus.  Schon  Novakoviö  hatte  richtig  erkannt,  daß  von  einem 
Worte  aaszugehen  ist,  welches  allgemein  etwa  mit  *ehäle<  zu  überseteen  wäre. 
Aus  dem  schleierartigen  poia  {puSe)  lassen  sich  nun  ohne  weiteres  die  gefor- 
derten Bedeutungen  »1.  florenes  Halstuch  {kao  cma  maramay  sto  ae  nosi  na 
vratu)  2.  eine  Art  Turban«  ableiten.  Wenn  im  Persischen  das  Wort  auch  noch 
die  Bedeutung  »Gattin«  haben  kann  (Zenker  1. 1.),  so  ist  das  eine  in  der  Welt 
des  Islams  leichtverständliche  Metapher.  Ebenso  wird  ja  perde  »Schleier«  als 
dichterischer  Ausdruck  für  Keuschheit  gebraucht,  M^i^perde  ist  geradezu  die 
keusche  Gattin.  Auf  keinen  Fall  darf  man  nun  aber  das  homonyme  serbo- 
kroatische poki  »Priestersfrau«  ebenfalls  aus  türkischer  Entlehnung  erklSren 
wollen.  Denn  einmal  ist  ptde  in  der  Bedeutung  Gattin  nur  für  das  Persische, 
nicht  auch  für  das  Türkische  gesichert,  und  dann  heißt  das  sUvische  Wort 
eben  nur  die  Frau  eines  Popen.  Die  einwandfreie  Erkl&rung  poia  aus  *popia 
ist  denn  auch  längst  gegeben  worden,  vgl.  HoBaRosHh,  GpncKa  rpaaiaxiKaS, 
EeorpM  1902,  §  220.  Die  Nebenform  poie  gen.  poieia  wird  wohl  erst  auf  sUvi- 
schem  Boden  entstanden  sein. 

Es  bleibt  nun  noch  übrig,  dem  Ursprünge  des  türkischen  Wortes  weiter 
nachzugehen.  Der  Weg  führt  über  Stambul  nach  der  Heimat  Firdusis.  Neben 
püie  und  dem  in  der  Komposition  so  häufigen  pSi  (püi)  Hegt  das  persische 
Verbum  püHdan  »bedecken,  verhüllen«,  und  auch  anderen  iranischen  Dialekten 
st  der  Stamm  des  Wortes  nicht  fremd.  Das  kurdische  pöi,  piUt  »schwarz- 
seidener Turban«  läßt  sich  nicht  davon  trennen,  und  das  a^hanische  pSiäk 
»Kleidung«  und  p6ilai  »verhüllt«  gehören  ebenfalls  dazu.  Weiter  wird  man 
aber  wohl  nicht  kommen,  da  eine  sichere  Etymologie  im  Kreise  der  ariaeben 
Sprachen  bis  jetzt  nicht  gefunden  ist.  Geldners  Deutung  wenigstens  (KZ.  25,401) 
ist  nicht  überzeugend. 

Wie  steht  es  nun  mit  bulgarisch  nomi,  rumänisch  po^?  Hier  hat  schon 
Miklosich  richtig  als  Grundwort  türkisch  bzw.  persisch  püi  [pSi)  aufgesteDt 
Die  Stambuler  Aussprache  scheint  übrigens  püi  zu  sein,  wenn  wir  dem  in 
dieser  Beziehung  zuverlässigen  Abigean  (Sndarjak  bataran  ta6keren-hayer§n, 
Konstantinopel  1 892,  S.  1 35)  folgen.  Dies  mag  nebenbei  bemerkt  werden.  Zwar 
findet  sich  nun  jx^/ gewöhnlich  nur  in  Zusammensetzungen,  wozu  man  das  oben 
angeführte  iCellepoi  usw.  vergleichen  mag.  Aber  Zenker  (s.  v.)  kennt  es  auch 
als  selbständiges  Substantivum  in  der  Bedeutung:  Art  Turban,  gewöhnlich 
aus  schwarzem  oder  rotem  Seidenstoffe.  Dazu  stimmt  für  das  RumäniBche  die 
Übersetzung  von  Saineanu  (Elemente  Tnrce^tX  !n  Limba  Romanä,  Buoure^ 
1885,  s.  V.)  »un  fei  de  turban  de  m&tase«  und  das  neugriechische  nocl  »Tcrban«, 
welches  Legrand  notiert  Es  muß  aber  wohl  auch  dieses  Wort,  wahrscheinlich 
schon  im  Türkischen,  nicht  auf  die  Bedeutung  Turban  allein  eingeschritaikt 
gewesen  sein,  denn  es  wird  im  Bulgarischen  in  weiterem  Sinne  ähnlich  wie 
poia  gebraucht.  Belege  dafür  aus  der  Volksliteratur  finden  sich  bei  Duvemois 
(iliDBepHya,  cioBspi  Öairapcxaro  ASMKa  no  naM)iTmiRair&  HapoiHOX  ciOBecHocn, 
HocKBa  1889,  s.  v.),  nach  dessen  Werk  ich  zitieren  muß,  da  mir  die  Originale 


Kleine  Mitteüimgett.  629 

nicht  zngSnglich  sind.  Wenn  es  dort  S.  1820  heißt:  »toa  iop6«A3KH  o6uqa  xa 
zo/u  ch  noAnereHH  K&seBpH  h  Aa  ca  ciKse  ci  AHnHCKaHCRH  noini:  »Dieser  Tschor^ 
bsdzy  pflegt  in  ausgetretenen  Schnhen  einherzngehen  and  sich  in  ein  Leipziger 
Taschentach  sn  schn&ozen«,  so  ist  damit  die  Bedentang  Taschentnch,  die 
übrigens  Markov  (EurapcKO-^pescRH  Pi^HBRi»,  üjiobahbi  1898)  allein  anführt, 
gesichert  Das  adjektivische  AJinHCKa&cKH  fehlt  zwar  in  den  balgarischen 
Wörterbüchern,  wird  aber  wohl  zn  dem  bei  Karadschitsch  angeführten  serbi- 
schen junxcKa  >  1 .  Leipzig,  2.  eine  Art  Tach«  gehören.  Ist  die  Dentang  richtig, 
Bo  liefert  sie  zugleich  einen  Beleg  für  die  Wichtigkeit  der  Leipziger  Messe  für 
die  sttdslavische  Welt.  Daneben  hat  ja  der  Tuchhandel  Venedigs  eine  Spur 
in  der  BexeHHqRa  voza  hinterlassen.  Aber  auch  als  »Tragtuch«  erscheint  nomi 
in  dem  folgenden  Beispiel:  6a6a  EoauiJiBKa  hoch  ajLes'B  nom'ifc  ci  ciKaKBs 
oBomH  . . :  »die  alte  BoiUica  trägt  ein  rotes  Tragtuch  mit  allerhand  Obst«.  An 
einer  anderen  von  DuTcmois  angeführten  Stelle  wieder  wird  nomi  mit  dem 
Worte  K'Bpna  gleichgesetzt,  das  ebenfalls  Taschentuch,  Handtuch  usw.  be- 
deutet. In  der  bnlgarischen  Volkssprache  heißt  also  nomi  ganz  allgemein  ein 
Stück  Tuch,  welches  zu  irgend  einem  Gebrauche,  z.  B.  als  Taschentuch  oder 
Tragtuch  dient,  und  es  mag  erwähnt  werden,  daß  beiDuyemois  die  Bedeutung 
Turban  überhaupt  nicht  belegt  ist.  Dieser  Umstand  macht  es  gerade  nicht 
wahrscheinlich,  daß  pöi  in  der  Bedeutung  Turban  vom  Bulgarischen  entlehnt 
wurde  und  dann  erst  allmählich  den  Sinn  »Tuch«  erhielt,  sondern  legt  es  nahe, 
schon  für  das  Türkische  die  allgemeinere  Bedeutung  anzusetzen.  Weiter  läßt 
sich  hier  freilich  nicht  eher  kommen,  als  bis  umfassendere  Aufzeichnungen  des 
provinzial-tttrkischen  Wortschatzes  vorliegen. 

Das  Ergebnis  ist  also  folgendes.  Für  serbo-kroatisoh  poia  ist  von  tür- 
kisch p4ie  (vulgär  p6ia)  auszugehen,  während  das  Stammwort  für  die  rumä- 
nische, neugriechische  und  bulgarische  Entlehnung  türkisch  pöi  ist.  Aber  auch 
die  türkischen  Worte  sind  Fremdlinge  im  Osmanenreiche,  und  ihre  Heimat 
liegt  in  Persien.  Über  die  heutige  Verbreitung  des  slavischen  Wortes  läßt  sich 
bei  der  Dürftigkeit  des  Materiales  keine  Sicherheit  gewinnen.  Immerhin 
scheint  es  nicht  ganz  ausgestorben  zu  sein.  Während  meiner  heurigen  Reise 
in  Bosnien  habe  ich  wenigstens  zwei  Leute  getroffen,  die  es  kannten.  Der 
eine  in  Beg  aus  Travnik  bezeichnete  damit  eine  Art  Tuch  ^marafna*^  der  an- 
dere, ein  Slavonier,  der  in  Bosnien  gedient  hatte,  wollte  darunter  ein  Halstuch 
verstehen. 

Wiesbaden.  Kapput. 


Nekrologe. 

t  Jan  Gebauer. 

Durch  den  am  25.Mai  1901  erfolgten  Tod  des  Professors  der  böhmischen 
Sprache  und  Literatur  an  der  Prager  böhmischen  Universität,  Dr.  J.  Gebauer, 
—  er  war  am  S.Oktober  1838  geboren  —  hat  die  slavische  Philologie  einen 
ihrer  hervorragen^ten  Vertreter  verloren,  für  die  Erforschung  der  böhmi- 
schen Sprache  ist  der  Vertust  in  nächster  Zeit  geradezu  unersetzlich.  Gebauer 


630  Kleine  Mitteilangten. 

hat  sich  von  der  beseheidenen  Stafe  eineB  BealBcholprofeBBon  durch  Beinen 
eisernen  Fleiß,  dnreh  die  zähe  AuBdauer  in  der  Veifolgong  Beiner  wissen- 
Bchaftlichen  Ziele  bis  znr  höchsten  Stufe  eines  achtunggebietenden  Vertreters 
des  Faches  an  der  Universität  emporgeschwnngen  nnd  wissenschafüiche 
Werke  von  danemdem  Werte  in  einem  Umfange  geleistet,  der  ihn  den  be- 
deutendsten Philologen  neuerer  Zeit  würdig  an  die  Seite  stellt  Nach  den 
vorbereitenden  kleineren  Leistungen,  wie  PHspevek  k  historii  6esk^ch  samo- 
hlÄsek  (1870)  und  PHspivky  k  historii  j^esk6ho  pravopiBu(lS71),  die  er  in 
Sbomik  vhdeekf  Matice  6esk6  Teil  2  und  4,  publizierte  und  nach  einigen  Bei- 
tiügen,  die  er  für  Öasopis  6es.  mus.  und  schon  früher  für  Biegers  Nau^ny 
slovnik  lieferte,  trat  er  im  Jahre  1874  als  Redakteur  des  böhmisch-slavischen 
Teils  in  die  im  Verein  mit  den  klassischen  Philologen,  hauptsächlich  Prot 
Evi6ala,  gegründeten  »Listy  filologick6  a  paedagogickö«  und  schuf  sich  damit 
ein  Organ,  in  welchem  sich  seine  der  allseitigen  Erforschung  der  böhmischen 
Sprache  auf  sicherer  Grundlage  handschrifUicher  Quellen  gewidmeten  Studien 
viel  freier,  als  es  bis  dahin  der  Fall  war,  bewegen  konnten.  In  der  Tat  be- 
gann jetzt  eine  sehr  fruchtbare  Zeit  seiner  wissenschaftlichen  Tätigkeit,  von 
welcher  jeder  Jah^ang  der  Zeitschrift  verschiedene  aus  seiner  Feder  ge- 
flossene Beiträge  zur  Erklärung  der  altböhmischen  Sprache  und  ihrer  Denk- 
mäler lieferte.  Es  würde  mich  zu  weit  führen,  wenn  ich  die  Fülle  dieser  in 
Listy  filologick^  konzentrierten  Arbeit,  die  jedem  slavischen  Philologen  diese 
Zeitschrift  als  wertvoll  und  geradezu  unentbehrlich  erscheinen  ließ,  einzeln 
aufzählen  sollte.  Ich  will  nur  erwähnen,  daß  das  vollauf  berechtigte  Miß- 
trauen, das  Gebauer  als  genauer  Sprachforscher  den  meisten  bis  dahin 
herausgegebenen  Texten  bezüglich  der  Genauigkeit  in  der  Wiedergabe  aller 
Eigentümlichkeiten  einzelner  Denkmäler  entgegenbringen  mußte,  ihn  veran- 
laßte,  sowohl  in  den  Listy  filol.  zuverlässige  Sprachproben  aus  verschiedenen 
Denkmälern  zum  Abdruck  zu  bringen,  als  auch  an  der  Herausgabe  der  >Pa- 
m&tky  star6  literatury  6esk6«,  welche  der  Verein  ,Matice  6esk&*  beschlossen 
hatte  herauszugeben,  sich  zu  beteiligen.  Seine  Publikationen  (Nr.l:  Nov& 
rada  1876;  Nr.  7:  iAltki  Wittenbersk:^  1880)  zeichnen  sich  durch  die  größte 
Genauigkeit  aus,  was  man  nicht  von  idlen  Ausgaben  dieser  Serie  sagen  kann. 
Gebauer,  der  selbst  jahrelang  an  Mittelschulen  tätig  war,  gebührt  auch 
das  große  Verdienst,  den  Unterricht  der  böhmischen  Sprache  an  diesen  An- 
stalten durch  Abfassung  guter  Lehrbücher  auf  möglichst  wissenschafüiche 
Basis  gestellt  zu  haben.  Zu  diesem  Zwecke  gab  er  eine  Reihe  von  Schul- 
büchern heraus:  Uvedeni  do  mluvnice  1876,  Hl&skoslovi  jazyka  6esk6ho  1877, 
später:  Mluvnice  fteska  po  äkoly  stfedni  a  üstavy  uiitelsk6  1890  (in  zwei 
Teilen]  u.  a.  Jahrelang  floß  das  Leben  und  die  Lehrtätigkeit  des  Gelehrten  in 
ungestörter  Ruhe  dahin,  mag  auch  seit  seiner  Anstellung  an  der  Universität 
der  Gegensatz  zwischen  ihm  und  Hattala  auf  Schritt  und  Tritt  für  ihn  sich 
fühlbar  gemacht  haben.  Dann  kam  im  J.  1886  der  allerdings  längst  schon  er^ 
wartete  Konflikt  zum  Ausbruch,  als  die  Frage  über  die  Echtheit  oder  Unedit- 
heit  der  beiden  hauptsächlichsten  Denkmäler,  die  man  bis  dahin  für  wahre 
Kleinodien  der  altböhmischen  Dichtung  hielt,  von  neuem  unter  energischer 
Beteiligung  Gebauers  aufgerollt  wurde.   Kvi6ala,  der  sich  Hattala  anschloß, 


Kleine  HitteiluBgen.  631 

trat  von  der  Redaktion  der  Liety  filologick6  a  paedagogick6  snrttck,  der  Titel 
der  Zeitschrift  ^tr^rde  vereinfacht  in  Listy  filologick^  (von  Band  1 4  angefimgen) 
und  (srebaner  stand  von  nnn  an  an  der  Spitse  der  Listy.   Das  dauerte  so  bis 
snm  Z7^^  Band,  beim  33t«»  Band  (1906)  sehe  ich  seinen  Namen  nicht  mehr. 
Kieht  so  sehr  die  Last  der  Jahre  als  die  großen  Arbeiten,  die  er  noch  zu  voll- 
enden wünschte,  mögen  ihm  diesen  Rücktritt  diktiert  haben.   Ich  habe  im 
J.  1886  in  dieser  Zeitschrift  (Band  IX,  S.  335 — 344)  auseinandergesetzt,  in  wel- 
cher Weise  der  Kampf  nm  die  Königinhofer  nnd  Grünberger  Handschrift  zu 
jener  Zeit  von  nenem  entbrannte,  and  ohne  die  Rolle  eines  Propheten  spielen 
zu  wollen,  hatte  ich  richtig  vorausgesagt,  daß  der  Hauptgegner  Gebauers,  der 
eitle  Hattala,  sein  Versprechen,  die  angefochtene  Echtheit  wieder  herzustellen, 
nicht  erfüllen  werde.   In  der  Tat  ist  sein  oft  wiederholtes  Versprechen  nicht 
in  ErftUlung  gegangen,  obwohl  ihm  ein  recht  respektables  Alter  beschieden 
war;  allein  eins  vermochte  er  doch  zuwege  zubringen:  die  Verteidiger  der 
Echtheit,  mit  Hattala  und  Kvi6ala  an  der  Spitze,  überschatteten  die  Gegner, 
vor  allem  Gebaner,  mit  allerlei  Verunglimpfungen,  die  sich  durch  eine  Reihe 
von  Jahren  fortsetzten  und  dem  verstorbenen  Gelehrten  gewiß  so  manche 
bittere  Stunde  bereiteten.  Man  muß  übrigens  gerecht  sein  und  der  Psychologie 
der  Massen  Rechnung  tragen.    Ich  habe  schon  in  dem  oben  erwähnten  Auf- 
satz hervorgehoben,  daß  Gebauer  selbst  anfänglich  viel  zu  zaghaft  vorging, 
daß  er  selbst  länger  als  es  gut  war,  an  der  Echtheit  der  KOnig.  Handschrift 
festhielt  und  auch  bei  seinem  ersten  Auftreten  gegen  die  Echtheit,  statt  sich 
auf  rein  philologische  Gründe  zu  stützen,  hinter  die  chemische  Analyse  sich 
verkrochen  hatte.   Außerdem  vergaß  man  nicht,  daß  einige  Jahre  vorher  er 
selbst  ein  notorisch  unechtes  Machwerk  Hanka's,  das  Fragment  des  Johannes- 
evangeliums, gegen  Dobrovsk;^  in  Schutz  genommen  hatte  (1881).   unter  sol- 
chen Umständen  kann  es  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  die  breiten  Schichten 
der  Intelligenz  für  seine  neue  Überzeugung  nicht  gleich  zu  haben  waren.  Denn 
wenn  ein  Mann  vom  Fach  mehr  als  ein  Dezennium  brauchte,  um  von  seinem 
früheren  Glauben  abzukommen,  um  von  Paulus  zum  Sanlus  zu  werden,  so 
muß  man  ruhig  durch  einen  etwas  längeren  Zeitraum  die  allmähliche  Ein- 
wirkung so  subtiler  Gründe,  wie  es  die  philologischen  sind,  abwarten  und  den 
endgiltigen  Sieg  nicht  überstürzen.   Das  übersahen  die  jüngsten  Bekämpfer 
der  Echtheit  Endlich  und  letzlich  konnte  aber  Gebauer  doch  mit  dem  Erfolg 
seiner  Aktion  ganz  zufrieden  sein.   Seit  seiner  Abhandlung  im  Archiv  X. 
496—^69  und  XI.  1— 3l>,  161—188  und  der  böhmischen  Bearbeitung  derselben 
in  Pou6eni  o  paddlan;^ch  rukopisich  (1888)  war  die  Streitfrage  um  die  Echt- 
heit so  ziemlich  allgemein  als  abgetan  anzusehen,  womit  ich  allerdings  nicht 
sagen  will,  daß  jetzt  schon  alle  Umstände  betrefiiB  des  Zustandekommens  die- 
ser Fälschungen  aufgeklärt  sind. 

Die  nach  der  Unterbrechung  von  einigen  Jahren  wieder  eingetretene 
Ruhe,  den  Rest  seines  Lebens,  widmete  Gebauer  jenen  zwei  großen  Werken, 
deren  Ausbau  ihm  seit  Jahren  vorschwebte  —  das  sind  die  historische 
Grammatik  und  das  altböhmische  Wörterbuch.  An  beiden  Werken 
arbeitete  er  seit  Dezennien  zum  TeUe  durch  eigene  Sammlungen ,  zum  Teile 
durch  KoUektaneen,  die  nach  seinem  wohldurchdachten  Plane  durch  seine 


632  Kleine  Mitteilungen. 

Schiller  zuBtuide  kamen.  Als  vorläufige  Beiträge,  gleichBam  Bausteine  anir 
Anffiihnmg  des  großen  Werkes,  erschienen  seit  1885  bald  in  Listy  filologick^ 
bald  in  Pojednani  kr&l.  iesk^  spole^nosti  naok  verschiedene  Abhandlnngen, 
die  sich  aof  einzelne  Teile  der  altböhmischen  Deklination  und  Konjugation  be- 
Bogen.  Das  waren  Vorboten  der  historischen  Grammatik,  deren  erster  Band^ 
die  Lautlehre  enthaltend,  endlich  im  J.  1894  im  Verlage  Tempsk^'s  herausge- 
geben wurde  unter  dem  Titel :  Historicka  mluvnice  jazyka  6esk6ho,  ni^nal 
Jan  Gebauer.  Dil  I.  HUskoslovi,  lez.-8o  Xn.  702;  nach  zwei  Jahren  folgte 
der  dritte  Teil  als  Tvaroslovi  (Formenlehre)  in  zwei  Bänden:  I.  Skloftovsni 
(Deklination),  1896.  637,  IL  äasov4ni  (Konjugation),  189S.  508.  So  umfimg- 
reich  war  das  Werk  angelegt,  daß,  wie  man  sieht,  die  Laut-  und  Formenlehre 
zusammen  über  1800  Seiten  umfassen.  Nach  dem  Plane  fehlt  der  n.Baad  (die 
Wortbildungslehre)  g^zlich,  an  dem  IV.  Bande  (der  Syntax)  scheint  er  in 
den  letzten  Jahren,  so  weit  ihm  von  der  Bearbeitung  des  altbOhmischen 
Wörterbuchs  Zeit  übrig  blieb,  gearbeitet  zu  haben.  Ob  sich  aus  dem  voihan- 
denen  Material  wird  etwas  gewinnen  lassen  für  diesen  Teil  der  Grammatik,  in 
welchem  der  Verfasser,  wie  ich  aus  seinen  mündlichen  Andeutungen  ent- 
nehmen konnte,  in  manchen  Punkten  seine  eigenen  Wege  wandeln  zu  woUen 
ansagte  —  das  ist  mir  unbekannt.  Unter  den  erschienenen  Vorarbeiten  kann 
man  nur  seine  Abhandlung  über  die  Negation  (L.  Fil.  1883)  zur  Syntax  rech- 
nen. Nach  seiner  [Schulsyntax  zu  urteilen,  hätte  er  in  seiner  histor.  Syntax 
nicht  die  Methode  Miklosichs  befolgt,  sondern  die  Lehre  vom  Satze  jedenfalls 
vorausgeschickt  Übrigens  bildet  in  seiner  Syntax  doch,  aus  dem  Satze 
herausgerissen,  den  zweiten  Teil  die  sogenannte  eigentliche  Syntax :  »Skladba« 
(ve  smyslu  uiiim).  Ich  kann  mich  mit  dieser  Trennung  oder  Aussonderung 
einzelner  Wortkategorien  aus  dem  Satze  nicht  einverstanden  erklären.  —  Die 
zweite  Hauptaufgabe  seines  Lebens  bildete  das  altbOhmische  Wörterbuch,  das 
bis  jetzt  in  15  Heften  fertig  vorliegt  und  bis  zum  Buchstaben  N  (naliti)  reicht; 
der  erste  Band,  die  Buchstaben  A  bis  J  enthaltend,  erschien  1903  unter  dem 
Titel:  Slovnik  staro6esk^,  und  umfaßt  Vn  u.  674  Seiten  groß-lexikon-Format 
Vom  zweiten  Band  sind  472  Seiten  erschienen,  also  etwa  zwei  Drittel  des 
ganzen  Bandes  (wahrscheinlich  bis  Ende  des  Buchstaben  0  berechnet).  Wir 
wollen  und  müssen  hoffen,  daß  wenigstens  für  dieses  Werk  sich  unter  seinen 
Schülern  ein  Bearbeiter  finden  wird,  der  nach  dem  gewiß  vorhandenen  Mate- 
rial das  Wörterbuch  glücklich  zu  Ende  führen  wird.  Über  den  Charakter  des 
Wörterbuches  schrieb  ich  im  Archiv  Bd.  XXTIL  530—535,  kann  aber  nidit 
umhin,  auch  jetzt  offen  zu  erklären,  daß  ich  in  der  historischen  Grammatik 
Gebauers  eine  größere  Leistung  erblicke,  als  im  altböhm.  Wörterbuch. 
>  Ich  habe  schon  damals,  als  der  erste,  die  Lautlehre  enthaltende  Band 
der  historischen  Grammatik  erschienen  war,  mit  rückhaltsloser  Verehrung  für 
die  große  Leistung  des  Freundes,  auf  einige  schwache  Seiten  des  Werkes  hin- 
gewiesen (Archiv  XXVin.  585  ff.),  die  sich  kurz  so  charakterisieren  lassen,  daß 
der  Verfasser  unter  dem  Druck  der  seit  Dezennien  auf  sein  eigenes  Thema 
konzentrierten  Aufmerksamkeit  den  inzwischen  auf  anderen  Gebieten  der 
slavischen  Grammatik  gemachten  Fortschritt  nicht  in  ausreichendem  Maße  zu 
verfolgen  vermochte,  und  auch  seine  Schüler  nach  meiner  Auffassung  etwas 


Kleine  Mitteilimgeii.  633 

einseitig  nur  ala  Bohemisten  in  Ansprach  nahm.  In  einem  Lande,  wo  einst 
DobroYslr^  und  Safaiik  wirkten,  kOnnte  man  sich  eine  etwas  andere  Bichtnng 
der  grammatischen  Stadien  als  wlinschenswert  vorstellen,  nach  welcher  die 
böhmische  Sprache  zwar  den  Aasgangs-  and  Endpankt  der  Stadien  bildet, 
aber  aar  größeren  Beleuchtang  ihrer  inneren  Vorgänge  anch  die  übrigen  Sla- 
▼inen,  samal  die  älteste  Schwester,  —  man  gestatte  mir  den  Ansdrack  — 
Hebammendienste  leisten !  Eine  derartige  Gemeinsamkeit,  ich  kann  mir  nicht 
helfen,  ich  maß  es  heraassagen,  wirkt  anfmantemd,  erfrischend,  erweitert  den 
GcBichtskreis,  regt  neae  Gedanken  an.  An  allem  dem  fühlt  man  beim  anver- 
geßUchen  Gebaaer  einen  gewissen  Mangel,  der  aber  darch  die  großartige 
Anffassang  seiner  speziellen  Aafgabe  reichlich  ersetzt  wird.  Ich  möchte  ihn 
in  dieser  Hinsicht  and  in  vielen  anderen  glänzenden  Eigenschaften  mit  DaniÖiö 
vergleichen,  soweit  überhaapt  Vergleiche  zulässig  sind.  Seit  dem  Jahre  1871 
pflegte  ich  mit  dem  Verstorbenen  persönliche  Frenndschaft,  wir  sahen  ans  oft 
in  Prag,  einmal  anch  in  Berlin,  Aber  200  an  mich  gerichtete  Briefe  (denen 
wohl  eben  so  viele  von  mir  aas  entsprechen  werden)  geben  beredten  Ansdrack 
onseres  lebhaften  Anstaasches  von  Gedanken,  die  sich  immer  im  Kreise 
wissenschaftlicher  Fragen  bewegten.  Schwer  war  es  in  den  letzten  Jahren,  ihn 
für  etwas  zn  gewinnen,  wodarch  er  von  seinen  Hauptarbeiten  sei  es  anch 
noi  ftlr  kurze  Zeit  abgelenkt  za  werden  fürchtete.  Darum  kostete  es  mich 
keine  geringe  Mtthe  ihn  zu  überreden,  daß  er  ftlr  die  >Enc7klopädie  der  sla- 
vischen  Philologie«  die  Ausarbeitung  einiger  Beiträge  übernahm.  Sein  hoff- 
nuiigsvoUer  Sohn,  der  im  Wiener  Institut  für  österr.  Geschichte  sehr  fleißig 
arbeitete  und  leider  bald  nach  seinem  Vater  in  der  Blüte  seiner  Jahre  starb, 
hatte  noch  vor  anderthalb  Jahren  mich  gebeten,  seinen  Vater  von  dem  ge- 
gebenen Versprechen  zu  entbinden,  weil  es  ihn  beunruhige.  Ich  ging  nicht 
vollständig  darauf  ein,  vielleicht  habe  ich  dadurch  das  erreicht,  daß  er  doch 
wenigstens  einen  Beitrag  (zur  böhmischen  Graphik)  wirklich  mir  zugeschickt 
hat,  der  in  unserem  großen  Unternehmen  als  ein  teuerer  Nachlaß  des  Ver- 
storbenen mit  schuldiger  Pietät  behandelt  werden  soll.  F.  J, 


t  Alexander  Eo£ubinskij. 

Am  26.  Mai  starb  Alex.  Ko&ubinskij,  pensionierter  Professor  der  Sla- 
vistik  an  der  Universität  zu  Odessa.  Im  Jahre  1845  als  Sohn  eines  bessarabi- 
schen  Popen  geboren  kam  er  1863  an  die  Moskauer  Universität  und  zog  durch 
sein  Studium  der  slav.  Sprachen  die  Aufinerksamkeit  Boci^anskijs  auf  sich,  für 
dessen  serbisches  Lexikon  er  die  Buchstaben  A — D  bearbeitete.  Sein  Interesse 
für  das  Slaventum  wurde  hauptsächlich  durch  N.  A.  Popov  geweckt  Als 
Hörer  des  IV.  Kurses  begann  er  für  die  MocrobcrIh  BtxoMocTH  zu  schreiben  und 
schrieb  unter  anderem  auch  einen  Artikel:  >I>ie  südslavische  Universität«. 
Während  des  slavischen  Kongresses  in  Moskau  besorgte  er  die  Übersetzungen 
der  in  slavischen  Sprachen  eingelaufenen  Artikel.  Als  Supplent  des  zweiten 
Odessaer  Gymnasiums  reiste  er  über  Lemberg  nach  Wien,  Prag  und  Berlin, 
um  die  österreichische  und  preußische  Gymhasialreform  zu  studieren,  und  legte 


634  Kleine  Mitteilniigeii. 

darttbereinen  gedrackten  >Bericht<  vor  (1870).  Auf  Vorschlag  GrigoroTi&s  hielt 
er  als  >AmtBvertreter  eines  Dozenten«  im  Jahre  1872  an  der  Odessaer  Umyer- 
sität  seine  Antrittsvorlesong.  In  den  Jahren  1874—1876  bereiste  er  nach  dem 
Plane  der  ross.  Slavisten  aus  den  40er  Jahren  den  slavischen  Westen  und  gab 
darüber  in  vier  >Berichten<  Rechenschaft.  Nach  dem  Tode  Qrigorovi^s  wnrde 
er  außerordentlicher  nnd  noch  in  demselben  Jahre  (1878)  ordentlicher  Professor 
der  slavischen  Philologie  zu  Odessa. 

Die  Früchte  seiner  wissenschaftlichen  Tätigkeit  yerWenÜichte  Koöa- 
binskij  in  den  seit  1878  unter  seiner  und  des  Prof.  Jarofienko,  später  unter 
seiner  alleinigen  Redaktion  stehenden  SanHCRa  hmd.  eoBopocc.  yhhb.,  im  B£., 
KMHII,  AfslPh.  usw.  Er  bezeichnete  selbst  die  slavische  Philologie  als  den 
»Pionier,  der  den  Weg  des  nationalen  Bewußtseins  Rußlands  ebnete«  und  ließ 
sich  von  diesem  »neuen  Element«  manchmal  so  leiten,  daß  der  (belehrte  dem 
Patrioten  unterlag.  Er  gehörte  zu  jenen  ersten  Slavisten  Rußlands,  die  alle 
Gebiete  der  Slavistik  zu  umfassen  trachteten.  Wie  manche  andere  Züge  an 
Grigorovi6  suchte  er  auch  dessen  Pathos  nachzuahmen.  Von  der  Sprach- 
wissenschaft nahm  er  in  späteren  Jahren  Abschied;  hier  fehlte  ihm  besonders 
eine  tüchtige  Schule. 

Seine  erste  philologische  Arbeit  »SsyRi  A  oTJiH^aTezLHSfl  leprs  cep6- 
cicaro  BORazisMa«  (San.  1870 — 71)  ist  nur  eine  Reproduktion  der  Monographie 
über  sekundäre  Vokalisation  im  Kroatischen  oder  Serbischen  von  Jägiö  und 
seine  Antrittsvorlesung  »CsafiHHCRlA  Hapiqiü  h  cpaBESTe^iBHoe  flsuROSBaide« 
(3an.  1872)  eine  Reproduktion  fremder  Ansichten  über  das  Wesen  und  die  Auf- 
gabe der  neueren  Sprachwissenschaft.  Für  die  Dauer  des  russ.  Supinums 
stellte  er  einige  Beiträge  zusammen  (^hjt.  San.  1872,  IV]  und  besprach  ausführ- 
lich die  Leskiensche  aksl.  Grammatik  (ibid.  1872, 1— III).  Als  Doktordisser- 
tation schrieb  er  »Ki  sonpocy  o  BsaHMHBizx  OTHoineHiAX'&  cjuaB^BCum  Hapi^di« 
(3an.  1872),  eine  der  Svarabhaktiftage  gewidmete  Arbeit  mit  dem  verunglück- 
ten Grundgedanken,  auf  Grund  der  Verbindungen  kons.  +  /,  r  -f-  *&,  &  -f-  kons, 
zu  beweisen,  das  Russische  sei  der  älteste  Repräsentant  der  slavischen  Familie. 
In  der  Anzeige  der  kleinrussischen  Literaturgeschichte  von  ^itecki  gab  er  der 
subjektiven  Meinung  Ausdruck,  in  der  südruss.  Literatur  habe  sich  das  Alt- 
kirchenslavische  gegen  Ende  des  XVI.  Jahrh.  zu  einer  neuen  Literatursprache 
mit  nationalem  Charakter  umgeformt  (:9CMHII.  1890,  Nov.).  Für  das  Polabische 
lieferte  er  einige  geringfügige  Beiträge  in  den  »Polabani«  (San.  1879).  In  dem 
Artikel  »JIbtobckIu  jisbiKX  u  aama  crapKBa«  (Moskau  1893)  machte  er  den  miß- 
lungenen Versuch,  das  altruss.  öbprodbcr'i  mit  Birka  (Stadt  unweit  Upsala)  und 
das  lit.  Druski  mit  Truso-Drusen  (Draunsee)  in  Zusammenhang  zu  bringen. 

In  einer  ethnographischen  Abhandlung  »TeppHTOpijai  xoacTopaqecROH 
JIhtbu«  (HMHU.  1879,  Jänner)  suchte  er  den  litauischen  Stamm  weit  nach 
Süden  ins  Gouvernement  Minsk  zu  schieben.  Objektiv  und  mit  Sachkenntnis 
besprach  Eo^ubinskij  die  Nationalität  der  macedonischen  Slaven  (OxeccRÜ 
BtcTHHRi»  1890,  No.  239, 242).  Ein  interessanter  Beitrag  sind  seine  »Ma^epiaAi 
AJiii  BTHorpa*iH  Ooirrap'L  H3'b  apzHBa  HoBOpocc.  reHepas-ry6epHaTopa  (San.  Hvii. 
Ca.  06m.  HcT.  h  Apess.  XV).  Großes  Ansehen  bei  seinen  Landsleuten  ver- 
schaffte ihm  sein  Interesse  für  seine  Vaterstadt  Akkerman  (üanaaapaua  aax- 


Kleine  Mitteümigeii.  635 

UMCM  XV  CTOiftcU  m  E&iropoxa  . . .  Oxecca  1889;  Typa  (Typaci>)-EiJi[ropox'&- 
ÄKKepMaHi  H  ero  HOBax  . . .  HaAiiHci  or&  1454  roxa,  Oxecca  1901).  Sein  Haupt- 
gewicht anf  dem  Oebiete  der  Ethnographie  flQlt  ins  Kapitel:  Die  Rneaen  Un- 
garnB  (Hax-sa  rpanmu  [Orveru],  als  SA.  erschienen  Odessa,  1876 ;  GiaBflHCRljt 
pyKonncK  neniTCKaro  Mysoi,  P$B.  1881, 1 ;  /(o6pu£  nacrupB  h  xotfpa«  HHBa,  San. 
1885;  AyEaiicKoe  Sajiicie,  Tpyxu  VII  Apxeoi.  citoa),  wobei  er  das  klein- 
msBiflohe  Element  für  die  ältere  Zeit  in  dem  jetzt  magyarischen  nnd  mm&ni- 
sehen  Sttden  zu  konstatieren  und  es  mit  der  methodischen  Nitra  nnd  dem 
Digepergebiet  als  ethnographische  Einheit  darzustellen  trachtete.  Trotz  der 
gnten  Dosis  nationaler  Eitelkeit  bergen  diese  Sachen  fleißig  gesammeltes  nnd 
beachtenswertes  Material. 

Aus  der  slavischen  Geschichte  interessierte  sich  Ko6nbinsky  insbeson- 
dere ftir  die  Anfänge  der  mssophilen  Idee  bei  den  SUdslaven  nnd  die  Kämpfe 
der  Öechen,  deren  großer  Verehrer  er  war,  nm  die  Freiheit  des  Gedankens.  Znr 
Erlangung  des  Kandidatentitels  hat  er  »CHomeEia  PoccIh  npH  Ileipi  nepBOMi  cb 
wxHiMH  ciaBüHaMH  H  pyiiyBaMHc  (MocRBa  1872)  geschrieben,  eine  mit  jagend- 
licher Begeisterung  verfaßte  Kompilation,  die  in  einem  großen  Werke  mit  viel 
neuem  Material  >rpM%  AHxpiu  HBaHOBH^x  OcTepifaH'B  h  paaxiiTB  TypniH.  Hvh 
HCTOpii  BOCTo^Haro  Bonpoca.  BoHHa  IIatx  jri^n  (1735—1739)«  (Oxecca  1899)  ihre 
Fortsetzung  fand.  Der  6echischen  'Geschichte  war  seine  Magisterdissertation 
>£paTBji-noxo6oH  h  ^emcKie  Kaxo.uiKH  b'b  Hawaii  XVQ.  Bisa  (Oxecca  1873)  ent- 
nommen. Koj^ubinskij  schlüpfte  das  zugängliche  Material  aus,  hat  aber  jeden- 
falls den  fremden  Einfluß  zu  wenig  berücksichtigt,  um  den  Umsturz  in  Böhmen 
aus  seiner  Isoliertheit  herauszureißen.  Er  kehrte  zum  Gegenstande  in  einer 
begeisterten  Bede  gelegentlich  des  300jährigen  Geburtstages  Komensk^s  zu- 
rück (ÜH'B  Amoci  KoMeHCRix  . . .  Oxecca  1893)  und  zog  eine  Parallele  zwischen 
Chelöick^  und  Komensky,  welche  beiden  schon  mehr  der  Literaturgeschichte 
angehören. 

Zur  Literaturgeschichte  meldete  sich  Koiubinskij  nur  gelegentlich.  So 
besprach  er  unter  Zugrundelegung  der  Literaturgeschichte  yon  Pypin  die 
Literaturgeschichten  von  Grigorovi6  und  Gourriöre  und  Brandts  Osman  mit 
sahlreicben  Ergänzungen  und  Berichtigungen  (Hctophkb  JiKieparypu  GiaBAHi, 
:KMHn.  1880,  Mai)  und  berichtete  über  die  damaligen  neuesten  Erscheinungen 
der  österreichischen  und  der  Donanslaven  (KEHatnuA  Mexo^H,  P$B.  1880).  Der 
Idee  nach  verwandt  sind  »IIpaBxa  aui3HH  h  npaBXa  xBopvecTBa«  zum  Andenken 
Puftkins  (San.  1880)  und  »RomantickÄ  my&lenka  a  skuteinost«  zum  Andenken 
Koll&rs  (Jan  KoU&r  1792—1852,  VeVidni  1893).  Zur  Bibliographie  älterer 
slavischen  Literaturen  lieferte  Koinbinskij  außer  den  Anmerkungen  in  den 
»Berichten«  und  den  »Slavischen  Handschriften  des  Pester-Museums«  und 
außer  der  ausfUhrlichen  Anzeige  des  Kot^jarevskischen  »Bibliographischen 
Versuches«  in  den  »Htofh  cxaBAHCKOH  u  pyccKOH  «HJiojioriu  (3aa.  XXXIII)  mit 
erwähnenswerten  Hinweisen  auch  die  Beschreibung  einer  serbischen  Evan- 
gefienhandschrift  aus  Zeta  vom  Jahre  1436  (AfslPh.  IX)  und  druckte  die  Ge- 
schichte des  bolg.  Mönches  Paisij  ab  (3an.HMn.0xecc.0<(m.HcT.  ■  ApeB.  T.XVI). 
Seine  Vermutung,  daß  die  Suprasl.  Handschrift  ein  cyrillisches  Palimpsest  sei 


636  Kleine  Mitteilnngeii. 

(0  cynpac<BCKO&  pyKonHCH,  Has.  oxx.  p.  hb.  h  cjob.  1897,  kh.  4)  beruhte  auf  ein«' 
TSoBchimg. 

Ko6abin8kyB  Hauptstärke  lieg^  in  seinen  Leistangen  anf  dem  Gebiete 
der  Geschichte  der  slavisohen  Philologie.  Von  seinen  zahlreichen  Nachrufen 
(einige  im  SA.  in  »IlaMATH  cocxyauiBneB^  1876—1901«,  Oxecca  1901)  haben  die 
über  GrigoroTi6,  den  er  auch  gegen  Mnr8akevi6  verteidigte  (P$B.  1880),  größe- 
ren Wert,  nnd  man  maß  nar  bedauern,  von  seiner  Feder  keine  ausfllhriiche 
Biographie  Grigoroyi6s  erhalten  zu  haben,  denn  er  kannte  auf  Grund  ein- 
gehender Studien  die  Epoche,  in  der  sich  sein  Vorbild  entwickelte  und  wirkte. 
Dies  zeigt  sein  schönstes  Werk  »AjtMiipaji'B  lÜHinKOB'L  h  xaniuep'B  rp.  PyMSH- 
nowh.  Ha^iaiELHBie  roxu  pyccKaro  cjiaBaHOBixiHifl«  (Oxecca  1887—1888),  worin 
er  mit  meisterhafter  Anschaulichkeit  die  Genesis  der  slavistischen  Stadien  in 
Rußland  schilderte.  Er  suchte  zwar  zu  sehr  auf  Kosten  Petersbugs  Moskau 
in  den  Vordergrund  zu  rücken,  aber  im  großen  und  ganzen  schildert  seine 
Feder  mit  Liebe  die  Verdienste,  spart  aber  auch  mit  Hervorhebung  von 
Schattenseiten  nicht  Dem  Werke  wurde  der  Makarievsche  Preis  zuerkannt. 
Sein  Interesse  für  den  Gegenstand  blieb  wach.  In  zwei  Monographien  »Fpa«« 
GaepaHCKlH  e  yHHBepcBTdTCRiu  jciavh  1835  roxa«  (BE.  1894,  April)  und  »rpa*% 
G.  r.  GrporaHOB'B  . .  .<  (BE.  1896,  Juli- Aug.)  besprach  er  die  Tätigkeit  zweier 
leitenden  Männer  jener  Zeit  und  zur  Korrespondenz  Vostokovs  gab  er  eine 
notwendige  Ergänzung  (Hbb.  ota.  p.  hs.  h  cjiob.  1 899,  IV).  Auch  zu  den  wechsel- 
seitigen Beziehungen  Miklosichs  und  äafaHk  gab  er  einen  Beitrag  (AfelPh.  XXV) 
und  seine  letzte,  warm  aber  nicht  überall  verläßlich  verfaßte  Monographie 
»n.  H.  IIIa«apHK'B.  OqepK'B  usi  srhbhm  pyccKou  HayRH,  nojBtRa  TOMy  Hasax'B« 
(BE.  1906,  Mai-Juni)  ist  der  Erforschung  des  liebgewonnenen  Gegenstandes 
geweiht. 

Ko6ubinskij  neigte  zu  den  Slavophilen,  aber  nicht  mit  ganzem  Herzen, 
wie  schon  sein  Mitarbeiten  im  »Boten  Europas«  beweist  Er  betonte  nicht  mit 
derUnnachgiebigkeit  der  Slavophilen  die  Orthodoxie,  trug  seine  Kenntnis  des 
Öechischen  bei  jeder  Gelegenheit  zur  Schau  und  bewährte  in  den  Zeiten  der 
höchsten  Reaktion  seine  Festigkeit  Ein  Gegner  von  Wien  und  Berlin,  war  er 
doch  ein  großer  Verehrer  von  Bismarck.  Seine  Beliebtheit  unter  den  Kollegen 
beweist  der  Umstand,  daß  er  schon  als  pensionierter  Professor  zum  Dekan  ge- 
wählt wurde.  In  der  Geschichte  der  slavisohen  Philologie  hat  er  sich  eben 
durch  seine  Leistungen  auf  diesem  Gebiete  einen  ehrenhaften  Platz  gesichert 

Wien,  im  Oktober  1907.  Dr.  Fr.  Eidril 


Kleine  Mitteilaiigeii.  637 

Zur  EntgegniiDg.  *) 

Herrn  Utas zyn's  Besprechung  meines  Buches  (Geschichte  derpohii- 
Bchen  Sprache  1906],  oben  S.  440 — 444,  hätte  ich  nicht  weiter  beachtet,  wenn 
nicht  Herr  U.  in  seinem  Schlnßpassns  (pro  domo,  S.  443  f.),  gegen  eigenes 
bessere  Wissen  die  Tatsachen  einfach  gefälscht  hätte.  Bauend  auf  ein  kurzes 
Gedächtnis  der  Leser  des  Archivs,  tischte  er  ihnen  nämlich  folgendes  Ge- 
Bchichtchen  auf. 

Ich  hätte,  erzählt  er,  im  Archiv  1901  nur  von  einem  eporadisehen  ZatU- 
toandel  des  ie-ia^  io  im  Polnischen  gesprochen,  Analogiebildungen  und  Ent- 
lehnungen, die  diesen  aporadisehen  Lautwandel  stören,  nicht  zugegeben.  Da- 
gegen freut  er  sich,  daß  ich  in  meinem  Buche  (1906)  jenen  Standpunkt  aufge- 
geben habe,  die  »Regel«  (also  nicht  mehr  das  sporadische)  dieses  Lautwandels 
einräume  und  mit  Analogien,  die  sie  stören,  selbst  operiere.  Zu  dieser  Ände- 
rung meiner  Ansichten  hätte  doch  offenbar  seine  Abhandlung  (Entpalatali- 
sation,  1905]  beigetragen,  obwohl  ich  diese  Abhandlung  im  Archiv  herunter- 
gesetzt hätte ;  freilich  nur  in  Worten  wäre  ich  Gegner  seiner  Erklärungen,  in 
der  Tat  sehe  das  alles  anders  aus,  d.  h.  machte  ich  mir  seine  Erklärungen  zu- 
nutzen. An  dieser  Erzählung  des  Herrn  U  i  a  s  z  y  n  ist  kein  einziges  Wort  wahr. 

Die  »Regel«  des  Lautwandels  kannte  ich,  ehe  Herr  U.  geboren  war,  aus 
Miklosich,  und  ich  bekannte  mich  zu  ihr,  wo  es  nötig  war,  vor  aUem  natürlich 
in  einer  Geschichte  der  polnischen  Sprache  (1906),  ohne  daß  ich  dabei  von 
Herrn  U.  auch  nur  träumte;  1901  dagegen,  in  jenem  Archivaufsatz,  erwähnte 
ich  die  Begel  nicht,  weil  ich  nicht  von  ihr  handelte,  sondern  nur  von  den 
Ausnahmen  von  ihr,  und  nur  diese  Ausnahmen  [pomedadj  trter^nsw.), 
bezeichnete  ich  als  sporadischen  Lautwandel,  niemals  die  Begel  selbst  Zu 
bestreiten,  daß  siostrze^  czosaö^  ionie  u.  dgl.,  Analogiebildungen  wären,  ist  mir 
nie  eingefallen,  weil  ich  aus  meinen  eigenen  Studien  über  polnische  Sprach- 
geschichte mit  dem  späten  Auftauchen  dieser  Formen  seit  jeher  vertraut  bin. 
Herr  U.  gab  denn  auch  1905,  in  seiner  »Entpalatalisation«,  der  Wahrheit  die 
Ehre,  indem  er  nur  sprach  von  meinem  Auftreten  bezüglich  der  »abweichen- 
den Formen«  (S.  45,  vgl.  ebds.  S.  19  von  dem  sporadischen  Lautwandel,  der 
»die  Ausnahmen  des  Entpalatalisierungsgesetzes  nicht  befriedigend  er- 
kläre«). Dagegen  zwei  Jahre  später,  1907,  ließ  er  mich,  auf  das  kurze  Ge- 
dächtnis anderer  bauend,  schon  die  Regel  oder  das  Gesetz  selbst  als  sporadi- 
schen Lautwandel  1901  bezeichnen,  aber  an  dieser  seiner  Erfindung  bin  ich 
völlig  unbeteiligt 

Ich  stehe  1906  und  1908  genau  auf  demselben  Standpunkte,  wie  1901; 
daß  z.  B.  powiedaS  ein  Bohemismus  wäre,  diesen  Unsinn  glaubte  ich  Herrn  U. 
ebensowenig  1906,  wie  1901,  ebenso  verhält  es  sich  mit  JPieskowa  Skaia,  uierf 
u.a.  Diese  Formen,  ebenso  wie  z.  B.  das  zwoUna  der  Bogurodzica,  sind  weder 
Entlehnungen  (Bohemismen),  noch  Anlehnungen  (Analogien);  sie  sind  älter 
oder  ebenso  alt  wie  paunadaöy  piaekowa,  marf,  zwolona  usw.;  nur  weil  ich  den 


*)  Vergl.  S.  440.  Zufällig  verspätet  daher  ans  Ende  des  Heftes  gesetzt. 


638  Kl«me  Mitteilimgeii. 

Gnmd  der  Erluütiiiig  dieser  Formen  nicht  sieher  anzugeben  weiß,  will  ich 
mich,  1906  und  1908,  genan  wie  1901,  »mit  der  Annahme  sporadischen  Laut- 
wandels bentigen«,  was  doch  keine  »Hypothese«  ist,  wie  U.  fabelt,  und  nur  mein 
Nichtwissen  umschreibt,  etwa  wie  das  Wort  »Ausnahme«,  und  daran  hat  alle 
Weisheit  Herrn  U/s  nichts  zu  &ndem  vermocht.  Mit  dem  le-to,  to- Wandel 
▼erhielt  es  sich  für  mich,  1906  und  1901,  genau  ebenso  wie  mit  den  »Nasalen« : 
Regel  oder  Gesetz  ist  Erhaltung  der  »Nasale«,  aber  sporadisch,  d.  h.  ohne  daß 
ich  es  zu  erklären  weiß,  kommt  in  echt  polnischen,  nicht  ent-  noch  angelehn- 
ten, Worten  uffii^,q  vor:  das  habe  ich  ebendort  1901  ausgefUhrt  und  doch 
von  keiner  sporadischen  Erhaltung  der  Nasale  im  Polnischen  mir  etwas  trSu- 
men  lassen!  Den  Unsinn  mit  dem  sporadischen  Lautwandel  m-m,  to  hat  mir 
ja  erst  Herr  U.  absichtlich  unterstellt  und  alles  weitere  hat  er  sich  aus  seinen 
Fingern  gesogen.  Soviel  zur  Steuer  der  Wahrheit 

Ich  benutze  die  Gelegenheit,  um  meinen  Irrtum,  Archiv  XXIH  (1901), 
S.  239,  zu  berichtigen.  Das  Gesetz  oder  die  Regel  wirkt  bekanntlich  nicht  bei 
den  einsilbigen  Präpositionen,  bez,  pruz,  przed,  —  Warum,  ist  nicht  klar;  es 
kann  an  verschiedenes  gedacht  werden,  daß  z.  B.  das  Nomen  przod  und  die 
Präposition  przed  darum  auseinandergehen,  weil  der  Lautwandel  zuerst  in  den 
mehrsilbigen  Formen,  przodu  aus  przedu,  aufgetreten  wäre,  woran  natürlich 
die  Pri&position  gar  nicht  teilnehmen  konnte  (man  beachte,  daß,  anders  als  im 
Russischen,  im  Polnischen  auch  auslautendes  e  nie  dem  Wandel  unterliegt). 
Freilich  ist  auch  sonst  im  Polnischen  prze  maßgebend  gewesen,  verdrängte 
sogar  überall  das  alte  pro,  konnte  daher  auch  przez  und  przed  förmlich  halten; 
przez  wiederum  hat  bez  frühe  an  sich  gezogen,  vgl.  den  Eigennamen  Breadreu 
d.i.  hrzevdrzew  im  Lubiner  Brüderbuch  (am  1170),  den  Ortsnamen  Brzezkcrzyi^ 
aus  Bezeorisi  1136  usw.  Auffallend  bleibt  an  bez  nur  die  Entpalatalisation 
d.  h.  daß  es  nicht  biez  heißt,  und  nun  glaubte  ich  biez  doch  noch  nachweisen 
zu  können,  z.  B.  im  Namen  Biesiekierski,  aber  das  war  grundfalsch,  denn  der 
Name  kommt  von  biesi  kierz  (Teufelsbnsch)  her  und  hat  nichts  mit  bez  zu 
schaffen.  A,  Britckner, 


Sachregister. 


Aoeent-  and  QiuuititStsfrageii,  nrala- 
vische,  419  ff. 

Ae|m>tiBche  Mlirehen,  Grundlage  enro- 
puBoher,  nam.  rnBsischer,  461  ff. 

Altpreußisoh,  sein  Wortschatz  432. 

AltroBBisehe  Texte,  hiBtorische  Unter- 
sachnngen,  zun  HOhlenpaterik  282ff.; 
die  KompoBition  der  utesten  Chro- 
nik 291ff. ;  Igorlied  299  ff. ;  altniB- 
BiBche  ÜberBetznngen  ana  dem  Pol- 
niBohen,  De  morte  dialogns  615  ff., 
ein  netter  lateiniacher  Text  dazn, 
621  f. 

BOhmiBche  LiteratorgeBchichte,  im 
Werke  Ear&Bek'B,  595 ff.;  Einfluß 
des  dentBchen  Theatere  anf  das  böh- 
mische, 105  f.,  speziell  SchiUer  auf 
Sediy^  (ÜberBCtzung)  105  ff.;  ygl. 
Kr&snohorskÄ;  Sybille;  über  Me- 
trik, 8.  Erben;  historische  Gramma- 
tik und  WOrterbnch,  s.  Gebaner. 

Böser  Bück  53  f. 

Bognrodzica,  neue  Beitiüge,  ernste 
121  ff.,  komische  (Szcznrat!)  128  f. 

Bulgarien,  Ursprache  und  Urheimat 
613  f. 

Diphthong  eu  im  Slayischen,  in  iti, 
481  ff. 

DreikönigBlegende,  die  weißmssische, 
aus  einer  polnischen  Vorlage  (ebenso 
AlexiuB  und  die  Muki)  131  f. 

Entnasalierungsgesetz  im  Urslavi- 
Bchen,  kritische  Bemerkungen  da- 
ge^n  1  ff. ;  Widerlegung  11  ff.,  neue 
Belege  danlr  30  ff. ;  Über  §  +  b,  z,  ch, 
41  ff. ;  Schlnßfassung  47  ff. 

Etymologien  1  ff.,  11—46,  162—168, 
477—480,  485--497,  622,  625,  626  ff. 

Folklor,  slavischer,  neue  BeitriEge: 
weifirussische  Mlirchen  und  Sagen, 
Sammlungen  des  Federowski  445  ff., 
des  BomanoY  454  ff.;  ttber  deren 
Schlufiformeln  457;  Monographie 
ttber  die  Detva  458  ff.;  Sagen  vom 


koszczej  461  ff.;  vffl.  Mythologie; 
Vampyr;  Böser  BHck  u.  a. 
Frankopan,  sein  litenurischer  Nachlaß 
in  Wien  529  ff.;  Übersetzung  des 
Moliöreschen  Dandin  535  ff.;  Text 
545  ff. 

Glagolitische  Literatur  des  Küstenlan- 
des, ihre  Nomenklatur  550,  im  Calen- 
danum  551  ff.;  Missal  555  ff.;  Bre- 
vier 559  ff.;  lUtual  564  ff.;  Elenchus 
(lexikaliBche  Obersicht)  573  ff. 

Grammatik,  vergleichende  der  slavi- 
sehen  Sprachen,  Lautlehre,  Anzeigen 
110—116  und  411—428;  Stammbil- 
dungslehre 1 1 6  ff. ;  s.  u.  Diphthonge ; 
Entnasalierung;  in  der  diiuectologi- 
Bchen  Literatur;  ein  kleinrussischer 
Grammatiker  des  XYU.  Jahrb.,  Uüe- 
wlcz,  1 54  ff. 

Intensiva  auf -sati  14. 

Eleinrussisch,  Analyse  eines  angeblich 

mythologischen  Volksliedes  97  ff.; 

Beziehungen  der  Dumy  zum  sttdsla- 

vischen  Epos  221  ff. 
Kr&Bnohorsk&  Eliza,  ihr  Werk ;  Pf^o- 

tismus,  wechselnde  Stellung;  Über- 

setzungskunst  517  ff. 

Lehnwörter,  ihre  Bedeutung,  Folge- 
rungen daraus.  431  f. 

Literaturgeschicnte,  vergleichende  sla- 
vische,  Plan  und  Methode,  bei  Py- 
piUy  bei  KarAaek,  581—594;  einzel- 
nes, s.  Böhmisch,  Altrussisch  usw. 

M^rim^e,  s.  Mystifikation. 

Mickiewicz  bei  den  Böhmen  524  ff. 

Moliöre  in  einer  slovenisch-kroatischen 
Übersetzung  des  Frankopan  529  ff. 

Mystifikation  kroatischer  Volkslieder 
durch  Prosper  M6rim6e;  einzelne 
Motive  (Vampyr  u.  a.)  49  ff.;  die 
historischen  BaUaden  (Fall  Bosnieiis 
u.  a.)  56  ff.;  die  Gattin  des  Asanaga 
64  ff.;  Beilagen  (Texte,  Giorgi  u.  a.) 


640 


Sachregister. 


79  iL  —  MyBtifikationeii  in  der  My- 
thologie, miwillkfirliohe,  wie  sie  zu- 
stande kommen  (Analyse  eines  an- 
geblich mythologischen  Volksliedes) 
y?  ff. 

Nekrologe,  Gebauer  629  ff. ;  Ko6ubin- 
sky  633  ff. 

Obradoviö  Dosithej,  seine  MOnchs- 
jugend,  die  Wirklichkeit  und  die 
Idealisiemng,  611  ff. 

Orthographie,böhmiBch-polnische  (Hus 
bis  Zaborowski  und  Blahoslav),  597  f. 

Osterprozessionen  in  Schlesien  (Lu- 
bom),  Urkunde  von  1672  darüber, 
618  ff. 

Philologie,  zur  Geschichte  der  slavi- 
sehen  (Werke  und  Beitrüge  von  Ko- 
^ubinsk))  636 ;  8.  Nekrologe. 

Polabisch,  über  die  Stellung  desselben, 
169  ff. 

Polnisch,  s.  Bog^odzica;  Geschichte 
der  poln.  Sprache,  Anzeige,  440  ff. 
und  637  f. 

Prosodie  und  Metrik  bei  Erben,  Schluß 
der  Untersuchung,  Abdruck  von 
ZahofoYO  loie  184  ff. ;  falsche  Wort- 
betonunff  192  ff.,  Aufzählung  194  ff. ; 
systematische  Übersicht  202  ff.,  Ta- 
belle 205;  falsche  Satzbetonung 
206  ff;  Erlkönig  212  f;  Über  die 
Prinzipien  214  ff;  Anhang  219  f. 

Pui&kin  In  der  böhmischen  Literatur 
526  ff. 


Russisch,  s.  Altrussisch;   über  russ. 
Lehnwörter  431. 


Salomonsage,  weißmssische,  455  f. 

Serben,  zur  Kulturgeschichte,  des  Vol- 
kes, I.  seiner  Schulen  in  Osterreich 
(Jankoviö  Yon  Mirjevo)  1768—1778, 
390  ff. ;  n.  seines  Buchdruckes  (Kurz- 
böck  u.  a.  aus  derselben  Zeit)  51 1  ff. 

Serbokroatisch,  Dialektologie.  Der 
Dialekt  von  Mostar  497  ff. ;  die  Gren- 
zen des  ikavischen  und  jekavischen 
499  f.  Der  kaj-Dialekt  von  Virje  in 
der  Podravina,  allgemeines  305  ff., 
Karte  des  Sprachgebietes  313;  Vo- 
kalismus 313  ff.;  Konsonantismus, 
328 ff.;  Betonungu. Quantität, 337ff.; 
Deklination   363  ff.;     Konjugation 


371  ff.;  Syntaktisches  377  f.;  Lexi- 
kalisches 379 ff.;  Märchen  aus  Niseh 
469  ff. 

Serbokroatische  Literaturgeschichte, 
s.  Obradovid;  Anzeige  von  Karisek, 
143  ff. ;  Urkunde  des  KuHn  ban,  neue 
Ausgabe  149  ff.;  kroatische  Mrat- 
urkunde  (Pfandbrief j  von  1 663)  625  f. ; 
eine  glagolitische  E^ircheninschrift 
623. 

Serbokroatische  Lehnwörter  477  ff., 
außerdem  besonders  über  suländir 
622  und  poSa  626  ff. 

Zur  Lebensgeschichte  des  Patri- 
archen Arsenius  IV.  Jovanovid  624  f. 

Slovaken,  Stellnnff  ihrer  Sprache  im 
Kreise  der  slavischen  1 35 ;  (reBchiehte 
des  Ostslovakischen,  seine  ethni- 
schen Bestandteile,  seine  Dialekte 
135  ff.;  Volk  und  Sitten  von  Detva, 
Monographie,  457  ff. 

Slovenen,  Literaturgeschichte  bei  Km- 
räsek,  Anzeige  14uff.;  Spraohproben 
in  den  Mundarten  der  Slaven  von 
Torre  in  Norditalien,  Parallelen  dam 
473  f.;  Volkstümliches  aus  Adle&i&i 
in  Unterkrain  475  f. 

Sprachvergleichung  und  Uigeschiehte, 
Anzeige  von  Scnraders  w  erk  and 
seinem  slavischen  Teil,  429  ff. 

Suffix  SUB  und  zuB  12  ff;  hypocoristi- 
sche  Bildungen  auf  -ch  1 17  f. ;  über 
-ütL  und  anderes  118  f. 

Sybilla,  die  weißrussische,  ihre  böh- 
mische Vorlage  133  f. 


V  vor  0  im  Urslavischen  161  ff. 

Vampyrsaffen  49  ff. 

Vieltörmineit  des  Slavischen  in  laut- 
licher Hinsicht,  bei  der  tort-  und 
ort-Gruppe,  b  und  p  fttr  entlefantee 
f,  Wechsel  von  Media  und  Tenuia, 
von  ch  (chw)  und  f  (im  Polnischen) 
114  f.,  119  f. 

Visio  Polycarpi  in  einer  Prager  Hds. 
621  f. 

Wladimir  des  Gr.  Taufe  246  ff ;  das 
Jahr  seines  Regierungsantritts  nnd 
andere  Daten  247  ff.;  die  Gründe 
seines  Schrittes  256  ff.;  die  Erobe- 
rung Chersons  268  ff.;  Resultate 
280  f. 

Vokalismus,  zur  Geschichte  des  alt- 
slavischen,  s.  Entnasalierangige- 
setz;  der  Reflex  des  indogermani- 
schen Diphthongs  eu  im  Urslavi- 


Nftni6iir6^8tof. 


641 


«ehen,  die  Beliaa][>1iuig  von  Job. 
Schmidt  48] ;  dagegen  Bezzenberger 
482  n.  a. ;  Sammlnng  aller  Belege 
485  ff.;  A«»fall  dee  niiBilbiscfaeii  ^ 
vor  Blav.  o  ans  fndogenn.  9,  die  Regel 
161  f.,  die  Belege  16:^  ff.  Chronologie 
lautlicher  Prossease  1 1 !  ff. ;  Rttckfule 


112;  tlber  die  LiqnidametathOse 
114  f.;  Intonation  421;  Acc^ntV^ 
Schiebung  422  ff. ;  zur  Geschichte  des 
fi  415  ff.;     Entpalatalisierung    dejs 

pOln.  ie  637  f. 

Wielandsage,  wo  entstanden^  437. 
Wiltinen,  Vilkinen,  436  f. 


Abigean  628. 

Acohik  258. 

Albert  60d. 

Ampere  77. 

Anna  (Gemahlin  Wladi- 
mirs d.  H.)  278  ff. 

Arsenius  IV.  Joranovid 
624. 

Barac  283  ff. 
BarwindMj  129. 
Baudouin  de  Courtenay 

16Ö  ä.^  473  iL 
Bekker  55  f. 
Belloc  66. 
Bendl  528. 
Bemeker  483  ff. 
Bezzenberger  482. 
Bistrom  216. 
Blahoslay  598. 
Bodjanakiil  633. 
Brandt  42  f.,  46. 
Bmchnalski  125. 
Brugmann  43,  483. 
Brückner  1 10—135, 429— 

440,  440  ff.,  616,  637  f. 
Bnino  253. 

Calmet  50  ff. 

Öech  606  f. 

Öelakovsk;^  214  ff.,  603. 
C^noy613f. 
Chalanski)  436. 
Chaipentier  1—10. 
Gbanmette  des-Foss^s  78. 
Chmelensk^  524. 
Ghybi^ski  124. 
Clemens,  h.,  253  f. 

6oroviö497— 510,  624. 
Crescente  531. 
Croiaet  v.  d.  Kop  615  f. 

6ur&in67. 

Czambela  135  ff.  I 


Namenregisteir. 

Daükevi6  221  ff. 
Doleial  517-529. 
Dozon  67. 
Dragomanov  98  f. 
Driiö  M.  144,  541. 
Dllringsfeld  54. 
Duvemois  628  f. 
Dvomikoviö  612. 

Eckstein  66. 
Erben  184  ff.,  606. 
Erjavec  24. 

Fancev  305—3. 
Federowski  445  ff. 
FeifaHk  218. 
Fellbieger  406. 
Fij^aek  124  f. 
Fortis  60  ff. 

Fortunatov  416,  418,421. 
Frankopan  529—549. 
Franko    97  —  105,    122, 
238  ff.,  282—304. 

Gaj  145. 
Galatoyskij  101. 
Gartlic  534. 
GavrUovid  469  ff. 
Gebauer  30  ff.,  +  629  ff. 
Gjalski  146. 
diorgi  78  ff. 
Gjorgjid  144. 
Gfoethe  64  f.,  217. 
Golubinskij  128,  263. 
Grafenauer  140  ff.,  475  f. 
Gregor  618  f. 
Grigorovii  634  f. 

Hanka  525,  631. 
Hattala  630  f. 
Heck  125. 
Herder  60  ff. 
Hirt  165,  421,  425. 
Hradszky  135. 


Hiyer  497. 
Hub  598. 

JagiöUOf.,  ]49f.,  154ff., 
235  f.,  282, 304, 41 1,476, 
502,572,612,625,629— 
633,  637. 

Jahia  257. 

Jankoviö  von  Miijeyo 
403,  407  ff. 

Iljinskijl49ff.,  160— 169, 
481—497. 

Johansson  22. 

Jokl  11—49. 

Ivid  511—516. 

Ka^iö  59  ff. 
Eahiofqjskij  102. 
Eamensky  396,  403. 
KanizUö  144. 
Kappus  626  ff. 
Earisek  140  ff.,  581—610. 
Karsky  131  f. 
Eatanöiö  144. 
Eidri6  633—636. 
Klaiö  479. 
Koblischke  170  ff. 
Ko6ubinsk«  +  633—636. 
KoUÄr  214ff.,  604  f. 
Komensk;^  600. 
Kostid  147. 
Kostren^iö  529  ff. 
Kozarac  146. 
Er&1210ff. 
Kranj6eyiö  146. 
Kr&snohorski  517—529. 
Eretschmer  1. 
Eulin  bau  149  ff. 
EurzbOck  511  ff. 
Evapfl  524. 
Eyi6ala631. 


Langer  215  f. 
Lavrov  572. 


ArcbiT  Ar  •Uvitek«  PUlologi«.    XXIX. 


41 


642 


Nunenregiflter. 


Lasareviö  147. 
Lazarini  402. 
Leskien  483. 
Liddn  21  ff. 
Ljnbi&a  147. 
Löwenthal  32  ff. 
Lncerna  64. 
Laciufl  53, 
Lnkjanenko  321  ff. 

Micha  604. 
M&chal  105  f.,  215  f. 
Machar  603,  608. 
Martinof  154. 
Masp^ro  462. 
Matiö  49—96,  529—549. 
Matzenaner  33  ff. 
Medveck^  458  ff. 
Meillet  428  ff.,  484. 
Meii6ik  155. 
M6rim6e  49—96. 
Mickiewicz  524  f. 
Mikkola  484. 
Miklosich  35,  64  f.,  149ff.. 

292,  626,  6:J6. 
Milas  497  ff. 
Miljokov  438. 
Miron  100. 
Mladenov  613  f. 
Moliere  529  ff. 
Mttllenhoff436. 
Mnsiö  625. 

Nebesk^  524. 
Nediö  147. 

Nehrmg5,  122,615— 622. 
Nejedl^  124. 
N6mcoy&  606. 
Niederle  137. 
Nitsch  169—183. 
Kodier  üO. 

Novakovid  503,  508,  622, 
626. 

Oblak  367. 
Obradovid  610  ff. 
OBterman  635. 
Osthoff  483  f. 
OBtojid  610  ff. 
Ottenthal  152. 

Palack;^  602. 
Pama6i]ia  497. 


Panekoucke  66. 
Pastrnek  135—140. 
Patzko  513. 
Pedenien  5  ff.,  165. 
Peisker  439. 
Perg:oiiö321. 
Petretid  362  ff. 
Petrovid  66. 
Pol&k  601. 
Polinski  124. 
Polivka  445—474. 
Popovid  541. 
Poraezi^ski  411—428. 
Potebnja  228. 
Prefieren  142. 
Prohaska  143  ff.,  610  ff. 
Pachmayer  601. 
Puükin  526  ff. 
Pypin582ff.,  616. 

Ra6ki  543. 
Radivoj  58. 
BedhouBe  627. 
Reffel  277. 
Rejkovid  144,  612. 

Resetar  449—154,  498  ff. 
Bomanov  454  ff. 
Kosen  249  ff. 
Bo8tafi6ski  433. 

Bozwadowski    448,  497, 
615. 

Bamiancov  636. 

Sachmatov   248  ff.,  290, 
427. 

äafaHk  149,  636. 

Sa^lj  475  f. 

S6epkin  291. 
Schüler  107  f. 
Schmidt,  Joh.  32,  480  f. 
Schönbaoh  142. 
Schrader  429  ff. 

äediy^  105  ff. 

äiikov  636. 
Skerlid  66. 
Skok  477  ff. 
Sobolevskij  154. 

äolc  210  ff. 

Solmsen  34,  161.  i 

Sorgo  62.  I 

Speranskij,  Graf  636.  { 


Speranskij  D.  A.  461  ff. 
Spiesz  105. 
Spina  105—109. 
Sreznevskij  149. 
Srkolj  246—281. 

Strekelj  478  f. 
Stroganov  636. 

dubert  106. 

äoman  623. 
Snmcov  227. 

Snrmin  498,  501  t 
Sntnar  184—220,    581 — 

610. 
Szcznrat  128  ff. 

Terdakoved  221—246. 
ThaUöczv  480. 
Th&m  106. 
Theophano  252. 
Tomaschek  497. 
Tomi^ek  526. 
Trahlair  214,  621. 

Uhlenbeck  44 ;  486  ff. 
Ulaszyn  440—444,  637  f. 
Usener  218. 
üspenskij  259. 
Uieyi6  154  ff. 

Vajs  550—580. 
Walde  5  ff.,  42. 
Vasüievskii  258  f. 
Veselovskij    97  ff.,    227. 

436  ff. 
Weitberg  278. 
Vetter  62  f. 
Wiedemann  35. 
yi6ek  107,  609. 
Vondrik  110  ff.,  411  ff., 

485,  625. 
Vramec  362  ff. 
Vrchlick^  209,  517,  608. 
Vrievid  503. 
Vnk  64,  497. 
Vymacal  216. 

Zgrablid  478. 

^iteckij  225  f. 
Zmorski  103. 
Zubiydky  97. 
Znpitza  5  ff.,  497. 


WortregiBter. 


643 


a£e  625. 
^hati  111. 
adte  625. 
ankBas-aunim  430. 

Baeuntins  480. 
Basante  479  f. 
basöktati  480. 
bazlo  9,  29. 
bez  (biz-B)  486. 
bez'B  sine  444,  638. 
blazn'b  5,  11. 
bl^d^  5. 
bljnsti  485. 
bljoitB  486. 
Bosna  480. 
BoBut  479  f. 
brasati  40. 
breskva  502. 
br^dati  4,  45. 
bqiich(o)  487. 
brinzga  486. 
bronkati  486. 
brzoBt  433. 
buditi  485. 

6^Bti>  2,  41. 
h^th  4. 
chorB  169. 
chot6ti  168. 
chi^BtBki  4,  45. 
chnla  167. 
chvala  167. 
chyoja  169. 
chvoBto  169. 
cnky  114. 
6ab'b  487. 
6a6ati  488. 
endo  488  f. 
6adL  111. 
6im  488. 
6iiti  488. 

*djiira  dyra  etc.  489. 
dno  489. 
dT%g^3. 
dr^äx  3,  44. 
drjazg3. 
drngyB  3,  45. 
dnyki  434. 
Dnnaj  449. 
dnpa  489. 
dzinplo  etc.  489. 


Wortregister. 

fikmp  477. 
frcäle  480. 

gach  117. 
g^gnin»  497. 
gas  17. 
g^Bt^  31. 
gQga  498. 
gQBtwa  31. 
glazx  5, 14. 
gniuB'B  489  f. 
gol-B  166. 
gomolja  31. 
gozd  169. 
grasica  39. 
g!ik496. 
galiti  166. 

haB  17. 
haBÄk6. 
haaati  17. 
h&Btor  30. 
haBtro&  17. 
hmota  32. 
homola  31. 
hre^inje  626. 

jaz'B  9, 29. 
jQdro  46. 
jezgra  4,  46. 

kaleva  438. 
kam7l20,425. 
ka&a  164  f. 
kim&taB  2. 
klem&iöti  2,  42. 
klQBii%ö  2,  42. 
klimp8t&  2. 
kljadny  490. 
k»u6  490. 
kljnka  490. 
kljukati  491. 
kgaBQ491. 
kliiB491. 
kotöno  263. 
kop  162. 
kopa  162  f. 
koBzti  165. 
kradaS. 
krasBii'B  7,  20. 
kr^n^ti  7. 
kreBnaB  21. 
krtmje  626. 
knik491. 


ka6a  488. 
kupal63,487. 

kor  496. 
kväpaB  162. 
kyka  488. 
kypiti  162. 
kiki»  (k6ica)  488. 

lach  19. 
lazx  5, 15. 
l^dina  5. 
Ijab'L  491. 
llndx  492. 
yoljati  492. 
Kap  492. 
^iiBka  492. 
hipa  492. 
hiBka  492. 
loBznia  492. 
Ijuti.  492. 

ma6kati  23. 
machnut'  8,  22. 
mazati  24  f. 
maä6iuie  32. 
medvidB  431. 
moB^dzB  430. 

Nadrovia  434,  437. 
nagx  166. 
iuyazn&  9,  28. 
naprasno  6, 15. 
njnohati  493. 

ochobL  167. 
oloYO  430. 
oti424. 

paoh  34. 
pachaf  19. 
pan  497. 
paB  6, 19. 
pichota  19. 
pek(v)a  177. 
penB  6, 19. 
PQBtB  4,  46. 
pjatnik  6, 19. 
piQBati  3. 
pyoBki  493. 
pfinita  494. 
pmta  494. 
pnutb  7. 

41» 


&44. 


Wöfto^gteter. 


poi(a)  616  ff. 
priLskvs  502. 
praszczar  4U5  f. 
prazga  9,  27. 
pr^d^  6. 
prkölati  480. 
prvskati  486. 
pu,  pnkati  493. 
puzo  487. 

rachat'  9,  28. 
raohaba  118. 
ritalj  478. 
T^d-h  27. 
ijucha  494. 
nutet  495. 
^uti  494. 
rjntiti  (rznciö)  494. 
rokati  494. 
niiiti  495. 
ruti  494. 
Tjkati  494. 
I7ti495. 


salazki  35. 
BayraAka  32. 

tzcz^k  496. 
szoznr  496. 
Bzczurk  496. 
hhuü  495. 
Bchwager  435. 
Bljnzi  495. 
strastb  9,  28. 
fitrokalj  478. 
kai  495. 
iäjaU  495. 
smandarB  622. 
inplL  483. 
Boraznyj  8,  26. 
&nriii  496. 
svekiirL  496. 
Birebro  430. 

tachnnty  38. 
tasiti  6, 16. 
taBzka36. 
tazat'  Bia  16. 


tiffaii478. 
tykvK  433. 

nlij  10,  30  (nlazD]^). 
nret,  nraet  433. 

vardati,  vardüte  471B  f. 
yhtvh  3,  44. 
v^ad  42. 
w^z433. 
winkBzne  433. 

zapaaka  8,  25. 
iegleÄ  433. 
zled  150. 
ivk-h  496. 
inliti  166,  497. 
iupa  497. 

inpani  (hpan)  497. 
inp^tL  497. 
iviti  497. 
iuieU  496. 


Dnek  tob  Brtittopf  *  flirtel  in  Ltipuf. 


900  SmMMr 


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