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-1 ^lün/ *^-'/Cy
HARVARD
COLLEGE
LIBRARY
,v ARCHIV
F^
SLAYISCHE PHILOLOGIE.
UNTER HITWIRKUNG
VON
A.BRÜCKKER, A. LESKIEN, W.NEHMG, F. FORTÜNATOV,
BBHIiIll, LEIPZIG, BRESLAU. ST. PETERSBURG,
CJIRECEK, ST. NOVAKOVid, A. SOBOLEVSKÜ,
WIEN, BELGRAD, ST. PETERSBURG.
HERAUSGEGEBEN
TOM
V. J A G I C.
NEimUNDZWANZIOSTER BAND.
*•»
BERLIN,
WEIDMANNSGHE BUCHHANDLUNG.
1907.
P Sla^ iS. 70
Inhalt.
Abhandluigtii. s«iu
Kritische Bemarkimgen zum nrBlavischen Entnasaliernngsgesetz in
Areh. f. sL Phfl. XXVin, 1 ff., von Jarl Gharpentier. ... 1
UnlavisclieB Entnasalierongsgesets, Antikritik and Nachträge von
Norbert Jokl 11
Pruiier M^tim^'s Mystifikation kroatischer Volkslieder (Schloß), von
T.Matiö 49
Ifie man Blavische Mythologie macht, von Ivan Franko 97
Za Prokop Sediv:^s Büchlein über das Theater (1793), von Franz
Spina 105
Der Spirant v vor o ans idg. 9 im Urslavischen, von G. Iljinskij . . 161
QiuiqaeB remarques snr la langne polabe, par Oasimir Nitsch. . 169
PhMo^Bsches nnd Metrisches bei Karel Jaromir Erben, mit besonderer
Berficksiohtignng des Gedichtes >Z&hofovo loie« (Schloß), von
Jaroslav Sotnar 184
Bendnmgen der okrainischen historischen Lieder, resp. »Domen«,
cnrnsüdslavischenVolksepos, von Michajlo Teräakoveö . 221
Drei Fragen ans der Taofe des heiligen Vladimir, von Stjepan
Srkolj 246
BeitrSge sor Qodlenkritik einiger altnuBischer Denkmäler, von
Ivan Franko 282
BeitrSge aar serbokroatischen Dialektologie, von Franjo Fancev 305
Beiträge zur Koltorgeschichte des serbischen Volkes, I., ü., von
Aleksa Iviö 390,511
Der Reflex des indogermanischen Diphthongs eo im ürslavischen,
von G. Iljinskij 481
DerDialektvonMostar, von Vladimir Öoroviö 497
£UikaKrisnohorsk&, von Jaromir K.Doleial 517
& Broehstttok von Moliöres George Dandin in der Übersetzong
F. K. Frankopans, von T. Matiö 529
Die Nomenklator in den kroatisch-glagolitischen litnrgischen Bü«
ehern, von Jos. Vajs 550
Krititeher Anzeiger.
yoadrik,V«r^slav. Grammatik, angez. von A. Brückner . ... HO
Boguodsiea (oiniat's Schrift o. a.), angez. von A. Brückner ... 121
Giaabel, Die alovakische Sprache, angez. von Fr. Pastrnek ... 135
TV Inhalt.
Seit«
Ear&sek, SUv. Literaturgeschichte , angez. von L Grafenauer, D.
Prohaska und J. Satnar 140,581
njinsldji Urkonde des bosn. Banns Knlin, angez. von M. Beietar . 149
Vondr&k, Yergl. slav. Grammatik, angez. von V. Porzezii&ski . . 411
Schiader, Sprachvergl. nnd Urgeschichte, angez. von A. Brttcknei 429
Brückner, Geschichte der poln. Sprache, angez. von EL Uiaszyn. . 440
Zum slavischen Folklor:
Federowski, Folkloristisches ans Weißmßland, angez. von G.
Polivka 445
Romanov, Weißruss. ErzShlnngen, angez. von G. Polivka . . 454
Medvecky, Monographie über Gyetva, angez. von G. Polivka 458
Speranskij, Ans Altägypten, angez. von G. Polivka 461
Gavrilovid, 20 serb. Yolkserzählnngen, angez. von G. Polivka 469
Baudonin de Conrtenay, Slavisches ans Korditalien, angez. von
G. Polivka 473
äa&elj, Ans dem Volksleben in Adle6i6i, angez. von Iv. Grafenaner 475
Ostojiö, Dosithens Obradoviö im Kloster Opovo, angez. von D. Pro-
haska 610
Dr. Cinov, Urheimat n. Ursprache der Bulgaren, angez. von S. Mla-
denov 613
Croiset van der Eop, De morte prologus, angez. von W. Nehring . 615
Kleine Mittheilttngen.
Johannes U£evi6 nnd seine Grammatik, von y.Jagiö 154
Einige serbokroatische Lehnwörter, von P. Skok 477
Jngendprozessionen zn Ostern in Lnbom im Kreise Batibor nnd eine
Urkunde darüber aus dem J. 1672, von W. Nehring 618
Die visio mortis des Polykarp in einer Prager Handschrift, von W.
Nehring 621
Oyji^HÄSp — «rwÄjyi'a^w»', par St Novakoviö 622
Eine glagolitische Inschrift, von Jos. äum an 623
Ein Beitrag zur Biographie Arsenius' IV. Jovanoviö, von Vladimir
Öorovid 624
Zur Etymologie von asl. oi^«, von A. Musiö 825
Eine kroat Privaturkunde (Pfandbrief) vom J. 1663, von V. Jagid . 625
Pola, von Kappus 626
Nekrologe:
f Jan Gebauer, von V. Jagic 629
f Alezander Ko6ubinskij, von Fr. Kidr 16 633
Zur Entgegnung, von A. Brückner 637
Sach-, Namen- und Wortregister, von A. Brückner 639
ARCHIV
FÜR
SLAYISCHE PHILOLOGIE.
UNTER MITWIRKUNG
VON
A. brOgkmr, a. leshen, w. nehmg, f. FORTÜNATOV,
BBKI^H, LEIPZia, BBESLAÜ, 8T. PETERSBURG,
J. GEBAUER, C. JIRECEK, ST. NOVAKOVIC, A. SOBOLEVSKU,
WIEN. BELGRAD, 8t. PETERSBURG.
HERAUSGEGEBEN
VON
V. JAGIC
NEÜNUNDZWANZIGSTER BAND
. EK8TES HEFT.
-•«^^N««-
BERLIN 1907.
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.
S. W. ZIMMEHSTRASSE 94.
ST. PETERSBURG, K. L. RICEER.
INHALT.
Abhandlungen. ^^.^
Kritische Bemerkungen zum urslavischen EntnasalierungsgeBetz in Aich. f. gl.
Phil. XXVIII, Iflf., von Jarl Charpentier 1
UrslayiBohes Entpaealierungsgesets, Antikritik und Naohtrfige von Norbert Jokl' 11
Prosper M^rimße's Mystifikation kroatischer Volkslieder (Schluß}, von T. Matid 49
Wie man slavische Mythologie macht, von Ivan Franko • . . 97
Zu Prokop äediv^s Büchlein über das Theater (1793), von Franz Spina. . . 106
Kritischer Anzeiger.
Vondr&k, Vergl. slay. Grammatik, angez. von A. Brückner 110
Bogurodzica, (§curat^s Schrift u.a.), angez. von A. Brückner 121
Csambel, Die slovakische Spache, angez. von Fr. Pastrnek 136
Kar^ek, Slav. literaturgeschiohte, angez. von I. Qiafenaueru. D. Prohaska 140
Iljinskij, Urkunde des bosnischen Banus Kulin, angez. von M. ReSetar . . . 149
Kleine Mittheilungen.
Johannes Ulsevic und seine Grammatik von V. Jagid 164
Alle Einsendungen fui das b Archiv fax slavische Philologie c sind
an mich nach Wien VIII. Kochgasse 15, eu richten.
y. Jagic.
Das Archiv für slavische Philologie erscheint in Heften zu
10 Bogen oder Doppelheften zu 20 Bogen, je vier Hefte bilden einen
Jahrgang. Preis für den Band 20 ul^, für einzelne Hefte 6 jM,
Der Ladenpreis für die bis jetzt erschienenen Bände I — XXVHI
beträgt 561 •#. Dazu gehört: Supplementband zum Archiv für
slavische Philologie, enthaltend: Bibliographische Übersicht
über die slavische Philologie 1876 — 1891, zugleich General-
register zu Band I — XITT von Fr. Pastrnek. gr. 8. (VUI u. 415 S.)
15 uT.
Berlin. Weidmannsche Buchhandlung.
Kritische Bemerknngeii zum nrslayischeii £iitiiasalie-
nmgsgesetz in Arch. f. sL Phil. XXYin, 1 ff.
Im Arch. f. sl. Phil. XXVni, 1 ff. hat N. Jokl ein neues nrslavisoheg
LantgesetE zu begrOnden gesucht, das so lautet (ib. S. 16) : »idg. n, bezw.
aL Ml ging vor sL s^ z, insofern diese Laute idg. Sy z entsprechen, femer
Tor cA in a Aber«. Schon von vornherein, falls man auch nicht die Bei-
spiele des Verf. geprüft hat, stellt man sich wohl diesem Lautgesetz etwas
zweifebd gegenflber, und dies aus folgenden Grflnden. Die slavischen
Spneheo haben ja in der geschichtlichen Überlieferung den Quantit&ts-
noteneliied der Vokale weggeworfen. Aber das kann im Urslavischen
nieM so gewesen sein: denn wie Ejretschmer Arch.f. sl.Ph.XXyU, 228
dargeUn hat, was ja flbrigens jedem ohne weiteres klar sein muB, hat
sieh idg. a, o im Urslayischen zu a entwickelt, was dann ^ slav. o ge-
worden ist. Aber idg. ä, o gab urslavisches ä, was lang gewesen sein
muß, denn man kann sonst nicht fassen, warum nicht auch dies ein slay.
0 geben wUrde. Idg. ^ gab slav. hn^ daran kann man ebensowenig zwei-
fein: aber b war hier wie immer kurz, und man fragt sich, wie w&re es
möglich, daß dieses kurze h schon urslavisch zu a geworden wäre, das
jedoch dort lang war. Von einer Entnasalierung im eigentlichsten Sinne,
was hier dasselbe wäre wie ein Übergang von h^^a^ kann natürlich keine
Bede sein ^]. Man fragt sich: was ist dann übrig? Nichts anderes als
^tfio zu denken, daß h durch eine durch die Entnasalierung bewirkte
Enatzdehnung zu a geworden wäre. Jetzt ist es ja eine allzu bekannte
Tatsache, um hier genannt zu werden zu brauchen, daß eine Lautgruppe
buzer Vokal + Nasal -{- Sibilant in mehreren Sprachen den Nasal ver-
fiert, wodurch den Vokal Ersatzdehnung traf, es ist aber ebenso wohl
bekannt, daß diese Ersatzdehnung immer nur die Quantität, nie die
OnsUtät des gedehnten Vokals verändert. Man ist somit hier in der-
selbeD schlechten Stellung wie vorher, denn man kann kaum eine Aus-
>] Es hilft uns gar nichts anzunehmen, worüber wir übrigens gar nichts
keaneii, daß & hier eine mehr volare Aussprache hatte, wie es Jokl annimmt
iitki? fii lUTiMk« Pkflologi«. XXIX. i
2 J* Gharpentier,
nähme von dieser Erscheinung annehmen, ohne sich anfs gröbste gegen
alle laatgeschichüiohe Methode zu versündigen.
Schon gegenüber diesen Bemerkungen, die doch wohl jedem Unbe-
fangenen ganz klar scheinen müssen, scheint mir das neue Lautgesetz
nündestens zweifelhaft. Noch schlechter wird es aber, falls man eine
genaue Durchmusterung der Beispiele, aus denen der Verf. die eigent-
liche Stütze seiner Behauptung nimmt, veranstaltet. Denn erstens, falls
hier wirklich ein Lautgesetz vorliegen sollte, was mir ja gar nicht glaub-
lich ist, so ist es nicht ausnahmslos, und — das ist zu beachten — die
Ausnahmen sind nicht nur solche, in denen möglicherweise Analogie-
bildung und Systemzwang eingewirkt haben können, sondern auch ver-
einzelte Fälle, die wegzuerkl&ren dem Verf. nicht gelungen ist.
Der Verf. stellt drei Gruppen auf, in denen ^ vor 8, z, ch geblieben
ist. Die erste umfaßt Ffille, in denen 8 und z <I idg. ^, g{h) entstanden
sein sollen. Aber hier steht es nicht so gut, wie man sich auf den ersten
Blick denken könnte. Von den angeführten Beispielen scheint mir nur
ganz einwandsfrei p. toiqz, russ. vjcurb 'Ulme' : alb. md, ags. tciie u.s.w. ^) ;
auch ab. j^zyhh 'lingua' scheint ziemlich sicher ein §h zu enthalten, ob-
wohl die innere Verwandtschaft der schwierigen Wortgruppe völlig un-
klar ist (vgl. die ausführliche Behandlung bei Johansson IF. 2, 1 ff.).
v^aii 'ligare' : gr. lyyi^ scheint mindestens unsicher zu sein (vgl. über
lyyi)^ zuletzt Prellwitz E.W.^ 125)^). Sicher unrichtig gedeutet scheinen
mir ab. 6q8th 'densus' : lit. kimsztasj kemszü 'stopfen' und p. kl^snqö
'hinsinken' : lit. klenuzioti 'ungeschickt gehen' zu sein, d^stb ist sicher
mit kimszta8 identisch, das bezweifle ich nicht; aber es findet sich nicht
der geringste Grund dafür, eine Erweiterung *kem-k- anzunehmen: die
Grundform der Wörter ist schlechthin *k^8', vgl. Znpitza Gutt. 108.
Was p. klqsnqd betrifft, so ist es sehr schwierig zu ersehen, warum es
gerade mit lit. klemszidti^ ein scherzhaftes Wort (Eurschat LDW. 190),
verglichen werden soll; vielleicht gehört dieses Wort zur Sippe des slav.
Wortes, seine nächsten Verwandten hat aber klqsnqd natürlich in lit.
klimpstüj klimpti 'beim Gehen über morastigen und sumpfigen Boden
mit den Füßen einsinken', klampoti 'fortgesetzt über einen Sumpf immer
1) Die Wortgmppe ist zuletzt von Hoops, Waldbäume und Kulturpflanzen
S. 261 behandelt worden.
2) An der von Jokl angeführten Stelle — Walde EuZ. 34, 518 — findet
sich diese wunderliehe Kombination nicht, wohl aber eine andere und bessere.
Vgl. auch Nehring IF. 4, 400.
KritiBche Bemerkangen zum urelaviBchen Entnualierangsgesetz. 3
eilifilikeiid gehend klampüa 'sumpfig' (wo man darüber gehend leicht
einamkt Korsohat LDW. 188) n.s.w., nnd ioh möchte somit für ilqsnqi
dne Omndform *klfii{p)9'nq-ti ansetzen.
Die sweite Grnppe behandelt Fälle, in denen z erst slavisch ent-
sttaden isl Gegen diese habe ioh nichts einsawenden, sie ist anoh hier
BÖnder wichtig.
In der dritten Abteünng stellt der Verf. Fälle snsammen, in denen
die Lantgnippen -f«-^ -^z- ein idg. en enthalten sollen i). Ab. tr^q ist
nsttriich schwierig zu beurteilen; mir ist es aber wahrscheinlich, daß
das Wort nicht eine Kombination ans *trefn-' nnd *tres'' darstellt, wie
eiPersson Studien S. 153, Jokl 8. 9 will, sondern <[ *trfpr^~ zn erklären
iiL Ab. pl^ati 'saltare' scheint mir schwierig zn beurteilen ; jedenfalls
bleibt die Kombination mit gr. Ttlaxayii besser bei Seite ; man vergleiche
nur das gleichbedentende nauayog bei Homer (s. PreUwitz E.W.^ 373).
In der Auseinandersetzung über russ. drjazffbj die vielleicht im Grunde
richtig ist^ finden sich mehrere Sachen, die einer genaueren Prüfung be-
dOrfen. Zuerst ist es ja gerade nicht unmöglich, daß das Wort in der
Bedeutung 'Binholz' wirklich zu drjagüth ^zucken' gehört; jedoch ist die
Parallele, die Jokl in ab. vStvh 'Ramus' findet, wenig wert, denn vitvh
gehört unzweifelhaft zusammen mit vSja ^xXddog^ (: ai. vaya 'zweig', air.
fi *mte, zweig') nicht zu *^efr 'winden, wehen', sondern zu ^f^-, *^i-
'nrei' (vgL für die Bedeutung nhd. Ztoeig : zwei u.s.w ). Weiter fahrt
JoU hierher ab. dr^(e)h 'morosus', drqchh 'tristis' und deren Sippe,
was mir aber gar nicht überzeugend scheint. Die Wörter gehören wohl
jedoch, wie es Osthoff EtPar. I, 163 Fußn., Walde E.W. 637 wollen,
nt lat trxstis <C *dr%n$tir zusammen, und somit ist eine Grundform
Vrwu(e)/a- anzusetzen^). Weiter gehört Ut. drugys 'Fieber' (S. 13)
neher nicht hierher, was übrigens lautlich nicht zu rechtfertigen wäre,
Kadern ist mit aisl. draugr 'Gespenst, bes. ein Verstorbener, der in sei-
aem Grabe keine Ruhe findet, auch Werwolf ', cymr. drwg 'schlecht' und
Heiter av. dny^ 'Lüge, Trug', als däeva 'der Lüge' u.s.w. (Bartholomae
iir.W. 778 ff.) am nächsten verwandt Schließlich ist es mir wenigstens
iveifdhafly ob wir wirklich ab. drqffb 'Stange' ^) unmittelbar mit russ.
^) Was ab. m^so betrifft, so bemerke ich nur, daß es wahrscheinlich »
aLniofiMS- ist und somit ursprüngliches e enthält
^ Pedersen IF. 5, 56 f. überzeugt mich nicht
'; Zu aisL drangr *Fels\ drmgr 'Stock, großer Aal, junger Mann* u.s.w.
Jobnason SLZ. 36, 374.
1
4 J« Charpentier,
drjagäth 'zacken, zappeln' vereinen können. Die Bedeutungen seheinen
mir besonders wegen der evidenten Etymologie von drqg^ zu viel aus-
einander zu gehen.
Esl. chr^sthkb ^cartilago' u.s.w. gehören wohl zu lit. kremsle 'Eaior-
pel\ wie es Miklosich E.W. S. 90, Pedersen KZ. 38, 394 i), Jokl 8. 14
wollen. kretnsU kann man aber weder von kremblys 'eine eßbare Pilz-
art, Pfefferling', noch von kremtü, kremsti 'Bröckeliges nagen' scheiden.
kremsU und kremtü stehen somit für ^krempsle und *kremptü und ge-
hören weiter zu russ. korobith 'krflmmen' <[ *kor-b'^ gr. nQdfißog
'trocken, dürr' « *krmbo', wozu vielleicht unmittelbar chrqstbkb <^
*8[k)pn[by8to-ko-) u.s.w., vgl. Fick Wb.« I 567, Zupitza Gutt. 115 und
PreUwiteE.W.2 241.
br^zdatt, brqznqii scheinen mir wahrscheinlich richtig von Nehring
erklärt zu sein. Mit hX. fremere^ gr. ß^ifua^ ahd. breman haben sie
nichts zu tun, da diese Wörter nicht insgesamt verbunden werden kön-
nen, obwohl Walde E.W. 243 so tut ^). fremere^ breman und andere
germanische Wörter, sowie poln. brzemieö (Bezzenberger BB. 27, 183)
und ai. bhramaron 'Biene' u.s.w. gehören zusammen, unter einem An-
laute *JÄr-; dagegen gehört gr. ßQefiWj ßgöfiog entweder als *^rem-
zu akslv. ^rom« 'Donner' (Prellwitz E.W.^ 84) oder als ^mrem-^ zu arm.
vnrmram 'brflUe' u.s.w.
^,')a.jezgra enthält eher ^ als en^ denn 9lkA.jqdro gehört nicht
zu andä-^ arufä- 'Ei, Hoden' (ttber dieses Wort s. Lid^n Studien S. 82 ff.),
sondern zu ai. ddri- 'Stern' (worüber weiter Johansson IF. 3, 235 f.)
< *i%dri somit y^c^ro <C ^ndro-^ was lett. Idrs 'Kem^ nicht wider-
spricht — und air. ond 'Stein' < *ond-^6- (Lid^n ib. 56 ff.).
AkaLp^sth 'pugnus' können wir sicher mit ahd-ßist identifizieren'),
was über ugm. *fu^hstin auf idg. *pnkstir' hinzeigt; f^ovoMpqath <i ursL
*phn(s)8ih-. Ai. pankti-, das ja übrigens nicht <! ^pcmk^ti- entstan-
den sein kann, ist mit aksl. p^th identisch.
Aksl. ö^stb 'pars' ist zweifelhaft. Jedenfalls gehört es eher zu lat
scindere — also etwa ^qhndr-th — u.s.w. (Miklosich Lex. 1131, Walde
E,W. 552) als zu lit. kandüj aksl. kqsi.
Schließlich bemerke ich, was die Infinitive wie tr^sti u.s.w. betrifft.
^) Wo über den Anlaut der Wörter sich höchst Zweifelhaftes findet
^) Es scheint mir nämlich unzweifelhaft, daß mr > lat. br, nicht /r, wird.
3) Brugmann Grdr. II. 288.
EritiBche Bemerkungen znm nrslayiBchen Entnasalierangsgesetz. 5
daß Leskien freilich nicht ganz überzengend dargelegt hat, daß hier
Tlefstofe Yorliege; aber jedoch sind so gnte Gründe vorhanden, daß eine
eddie Annahme nicht als nnberechlagt bezeichnet werden kann.
Nach dieser Mnstemng scheint mir soviel klar, daß man nicht mit
Jokl alle FUle wegrftsonnieren kann, in denen ein -^-, -^z- anf idg. -^-,
-nz' deuten. Ich gehe jetzt znr Untersnchnng der Beispiele, mit denen
Jokl sein Lautgesetz zn beweisen sncht, über.
Kai. blazm 'error, scandalnm^ blaznh dss., mss. blazenh 'Spaß-
macher' n.8.w. fiElhrt Jokl mit ksl. bl^dq 'errare' zusammen. Aber die
Bedentnngsfthnlichkeit reicht hier nicht zn. Unzweifelhaft dürfen wir mit
IGklosich Lex. 8. 30, J. Schmidt Vokalismns 2, 117 blazm mit mss.
liagoj\ wross. blctgij 'dumm', lit. biogas 'kraftlos, schwach', lett blägs
das. Tereinen, wozu weiter die Wortgruppe gehört, die u. a. bei Johansson
IF. 2, 37 ff., Walde E.W. 227 und z. T. bei PreUwitz E.W.2 78, ühlen-
beek AL £. W. 228 behandelt ist. Wut haben somit hier eine Wurzel
*mlä- mit verschiedenen k- und ^-Elementen erweitert. Dagegen gehört
BstAriieh bl^dq zu got. blinds 'blind', blandan u.s.w., lit. blandyti 'die
Ang^ niederschlagen', pri-blista 'es wird finster' u.s.w. Vgl. z. B. Mi-
kkffich Lex. 33, Tamm Et. ordb. 42 u.s.w.
Boss, fflazb 'Auge' stellt Jokl mit ksl. glqdati, glqdSti zusammen,
waa eben denselben Einwand veranlaßt wie das vorige Beispiel. Die
richtige Etymologie von glazh findet sich an den vom Verf. angeftihrten
Stella, Nehring W. 4, 402 i) und Zupitza KZ. 37, 398. Was glqdati be-
trifft, so gehört es zu der Wortsippe, die bei Zupitza Gutt 174, wo die
änseUägige Literatur, angeführt ist.
81av. tax- in mss. lazina 'lichte Stelle im Walde', p. lazy 'Sumpf-
&lie', 2. laz 'Lehde, Bergfläche' u.s.w. führt Jokl mit ksl. l^dina 'terra
iocolta' und dessen Sippe zusammen, laz- <^ *lö§h- gehört wohl zu lett.
'(A) l^fm 'flach', Ufa 'Sandbank in Flüssen', aisl. lägr 'niedrig', gr.
UxBia 'flach' [vfiaog, Od. 9, 1 16. 10, 509) 2); diese Wörter findet man
naammengesteUt bei Prellwitz EW. M 7 7. 2 262 und Walde E.W. 330,
wo dch aber die slavischen nicht finden '). Iqdina dagegen gehört ja wie
^^^lumnt in einiger Weise mit got. land und dessen Sippe zusammen (über
^1 Der jedoch, ich weiß nicht aus welchen Gründen, glavh als Lehnwort
l^tttraehtet Richtig beurteilt die Wörter Zupitza a. a. 0,
^ unzweifelhaft Unrichtiges bietet Nehring IF. 4, 401.
1 Dazu vielleicht noch razura^y razurä- 'Wald, Fanggrube* (Bartholomae
Air.W. 1515 f.).
6 J- Oharpentier,
usl. lundr 'Hain', das Jokl in diesem Znsammenhange nennt, vgl. auch
Lid^n PBB. 15, 521 f. nnd Brngmann Oriech. Gramm. ' 8. 39).
EsL naprastno 'subito, i§alg)vr]g\ naprashm 'snbitus, vehemens,
prsceps, severas^ ross. napräsno 'nnnfltz, umsonst ; unerwartet, plötzlich'
verbindet Jokl mit ksl. na-prqdati 'insilire', was ja nicht übel scheint.
Ich möchte aber dies sehr bezweifeln. Das slay./>r^ verbindet man ein-
leuchtend mit aisl. spretta <^ ugm. ^sprintana- 'springen, hervorsprießen',
J. Schmidt Vokalismus 1, 57. 2, 231, Fick Wb.« H. 502. 689. HL
356, Osthoff Et. Par. 1, 356 f.^J, welche Wörter ein *(«)/>re-«-rf- reprä-
sentieren und wohl zuletzt mit ai. spdrdhate 'wetteifert' u.s.w. zusammen-
gehören. Dagegen möchte ich fflr na-prastr-no folgenden Ursprung ver-
muten. Slav. ^prös-h-no- verbinde ich mit dem unerklärten ai. Adv.
prctsabham 'mit Gewalt, ungestfim, heftig' ep. kl. lex., z. B. yan mäm
bravisi prasabham sakhä te '*ham MBh. 1, 5137, indriyäni pramä-
thini haranti prasabham manaJ^ Bhag. 2, 60, upUya prasabham
däityarh raiiäyähvayate sma tarn Eathäs. 11, 68 u.s.w. (Boethlingk-
Both gr. Aufl. 4, 1093). Das Wort ist deutlich mprasorbham zu zer-
legen und in seinem Ausgange wohl mit den gotischen Adverbia auf -5a,
z. B. ubilaba : ubilo u.s.w., vielleicht auch mit gr. xQvq>a <^ ^^qv-^fp,
zu vergleichen. Die Bedeutungen fügen sich gut zu einander: naprasbno
'subito' : prasabham 'mit Gewalt, heftig, plötzlich'.
6. tasiti 'ziehen, zücken, schwingen, stoßen', russ. tdska 'das
Ziehen' u.s.w. — wozu auch russ. taiöitb 'ziehen, schleppen' — passen
in ihrer Bedeutung ziemlich gut zu *ten- 'strecken, spannen'. Eine an-
dere Etymologie hat jedoch Uhlenbeck Ai. E.W. 1 1 1 versucht.
C. hasdle 'Sense' stellt Jokl zu ksl. ihnjqy iqti 'demetere', was ja
einleuchtend wäre, faUs man andere einwandsfreie Beispiele der in Frage
stehenden Lautflbergftnge finden könnte. Allein kann es aber kein Laut-
gesetz stützen. Wohin man es übrigens stellen soll, weiß ich nicht
Ebensowenig dürfte russ. gasdth 'ein Pferd tummeln' zu gnaih gehören,
obwohl die Geschichte des Wortes dunkel ist.
Buss. (veraltet u. dial.) pas^ 'ausgetretene Spur (des Wildes)' ver-
einigt Jokl mit nTUÄf^, pjatnikh <[ *pqt-- 'Spur, Fährte', peitb 'Hasenspur'
(nach J. <[ */>M}t»), pnuthy pindth 'einen Fußtritt geben, mit Füßen treten',
und zieht die ganze Sippe zu slav. pqtb^ gr. nixog u.s.w. pasn) wäre
somit <^ '^'/^^^-f-o- entstanden, was ziemlich wunderlich aussieht Meines
1) Vgl. auch Falk-Torp Et ordb. 11. 273.
EiitiBche Bemerknngen zum unlaTiflchen EntnaBaüenrngsgesetz. 7
Snehtens haben wir es hier mit unverwandten Wörtern zu ton, die unter
cmeB znsammengeworfen sind: pasz ist wohl ganz einfach nnr ein
^pöd-so- SU *pe/od- *Puß' {*pdd- liegt vor n. a. in nmbr. dupursus 'bi-
pediboa^ ^ot fotus n.8.w.), vgl für die Bedeutung das hierhergehörige
ann. het (gen- het-oy) 'Fußspur', ai. pada- 'Tritt', lit. pidd 'Fußspur'
u. a. pifainikb <^ *p^t''nirko- gehört wohl zu *per^~ 'gehen' in got.
fif^Pan^ ahd. fendo 'FußgÄnger', ir. connetat « *pent') 'assequuntur'
u-w. Was penh 'Hasenspur' betrifft, so kann es ja ebensowohl aus
<C *penbj als aus <^ *phnh entstanden sein: im ersteren Falle gehört es
als *ped~ni- zu *ped~ 'Fuß', im letzteren zu pnuth. Was wieder dieses
Wort angeht, so ist es ziemlich sioher von den oben behandelten zu schei-
den und gehört ohne weiteres zu *pe%d-s-j *j9»(n)«6- treten, stoßen' in
hLptiq ^stoßen', phieno 'Mehl', Ski.pinästt 'zerstampft' u.s.w. Denn es
dfirfte nieht unmöglich sein, zwei ursprflngliche Wurzeln au&ustellen,
*pi^ und *pin-j die dann kombiniert worden sind m pindafij lat. pinso
U.8.W.
KsL irasmb 'pulcher, fonnosus', irasa 'venüstus, pulchritudo',
irasoia dss., russ. krasd 'Schönheit, Zierde, Schmuck', Jcrdsnyj 'rot'
Sdiören nach Jokl mit krqnqti 'deflectere', krqtiti 'torquere' zusammen.
Jedem Unbefangenen mag wohl dieses Beispiel eines ganz absonderlichen
Bedeutungawechsels und -wandeis, der nicht im geringsten Maße von
einer Menge mit denselben Präpositionen gebildeten Wörtern der völlig
Tenchiedenen Sippen, die Jokl hervorzieht, gestützt wird, ganz befrem-
dend scheinen. Es mag richtig sein, daß kr^nqti zu ai. krndtti gehört —
dies maeht die Sache nicht besser, eher schlechter. Denn krcisa kann
doch nimmer von einer Wurzel 'drehen, flechten' entstanden sein. Wir
haben zwei gute Etymologien des Wortes, unter denen zu scheiden
Mhwierig ist: Bezzenberger E2. 22, 478 f., dem Bechtel Hauptprobl.
209, Pedersen 0^. 5, 58 und Zupitza Outt. 127 folgen, erklärt das Wort
<^ *krdt-sä und verbindet es mit got hröpeigs 'ruhmreich', aisl. hröfir^
kras 'Ruhm', ags. hr6dor^ hrid^ ahd. hntod dss., u. kirtir 'Lob' u.s.w.,
was der Bedeutung wegen sehr wohl passend scheint. Man braucht nur
aa lat hoM>r zu erinnern, das freilich gewöhnlich 'Ehre, Ruhm' bedeutet,
iber an solchen Stellen, wie z. B. Yg. Aen. L 591 laetos ocülis adfiarat
honaresj Hör. Od. ü, 1 1, 9 f. non semper idemjloribus est honor \ ver-
ni$ oder Tac. Germ. 5 ne armentU quidem suus honor et glofia frontis
(wo auch gloria 'Schönheit' bedeutet) die Bedeutung 'Schönheit' hat
Bne vielleioht noch bessere Etymologie von krasa^ die von Jokl nicht
8 J- Charpentier,
beachtet worden ist, gibt Johansson IF. 19, 124. Er verbindet das Wort
mit verschiedenen Worten, die eine Bedentang 'Flamme, Fener' zeigen,
z. B. aksl. krada ^/tvQd, 7L&^iV0Q\ ags. heord^ lett. karset 'erhitzen*
n.s.w., nnd gibt folgende Bedentnngsentwicklnng an: 'Brand, Flamme' —
'rote Farbe' (kräsnyj 'rot') — 'Farbe' — 'Schönheit'. Wohin wir somit
auch krasa ftthren, soviel bleibt sicher, daß das Wort nichts mit kr^nqti
zn schaffen hat.
Weiter stellt Jokl mss. nMchnüib 'eilig wohin reisen', smachätb^
stnachnüth 'schnell hinlanfen' mit ksl. mbriq, m^ti 'comprimere', mss.
mjäth 'kneten', lit. minü 'treten' zusammen. Jedoch scheint diese Zn-
sammenstellnng der Bedeutung wegen kaum besonders überzeugend.
Man möchte wohl aus guten Gründen neben (symachdih ein *tnajq an-
setzen, was aus *mö[y^)fft entstanden sein kann ; dies möchte man dann
mit der Sippe von lat. movere verbinden (diese findet man bei Walde
E.W. 395 u. 400), was hinsichtlich der Bedeutung nicht unpaasend wäre.
Jedoch bleibt natürlich dies ein wenig unsicher.
Russ. zapdaka 'Frauenschürze' gehört nach Jokl wegen zapom dss.
mit pqti 'spannen' zusammen, zapaska gehört natürlich zusammen mit
verschiedenen anderen Worten, die Jokl ib. hervorzieht, wie russ.
za-pachnüth ^) 'einen Schoß des Rockes über den andern legen', otpächi»^
'das Zurückschlagen', raspdSka 'Aufschlagen der Kleider' u.s.w., ent-
weder, wie man früher vermutete, zu ahd.ya«o 'Faser', ags. f<B8 dss.'),
oder — da man vermuten könnte, daß ch nach Analogie anderer Verba
in za-^achnütb eingekommen wäre und sich dann weiter verbreitet hätte
-— wir können eine Wurzel *päh- ansetzen. Dann gehört das Wort zu
ai. pagor 'Schlinge, Fessel, Strick', pä^ 'Strick', pdd-blga^ pad-mga--
'Schlinge, Fessel' u.s.w. (s. z. B. Uhlenbeck Ai. E.W. 164) zusammen.
Vergleiche dann mit gem.-sl. pasmo 'Garn, Gebinde, Kette' für die Bil-
dung besonders av. afsman- 'Verszeile', eig. 'Bindung' (mit unregel-
mäßigem 8 statt /, vgl. Bartholomae Ai.W. 103).
Russ. su-räzina 'gute Ordnung, guter Fortgang', su-rdznjf/ 'an-
sehnlich, stattlich' hat wahrscheinlich nichts weder mit ksl. r^d^ 'ordo'
noch mit russ. rachoväihsja 'Übereinkommen' zu tun, sondern gehört
wohl als *rd§' zu lat. reffo^ regula u.s.w.
i) Unwahrscheinliches über diese Wörter bei Pedersen KZ. 38, 345.
2) Wozu auch gr. nr^yo^, dor. nävo^ 'Einschlagfäden, Gewebe' < *na<r'yo'
nach Lagercrantz Z. griech. Lautgesch. S. 70.
Kriluehe Bemerkungen zum nrelavischen Entnaealierangsgesetz. 9
Rnss. prazgä Tacht, Arrende' kann natürlich nichts mit pr^gq 'in-
tendere' u.s.w. zn schaffen haben, da dieses Wort höchstens mit slav.
^preff^j ^prqff" 'springen, spannen' identisch ist, s. Osthoff Et. Par. 1,
356, Znpitz« Ontt. 180.
Boss, rachdthj rachnüth 'schlendern, werfen' vergleicht Jokl mit
ksL trbgq^ trSiti ^^Ijctsiv, iacere', ai. vrndkti 'wendet, dreht', nhd.
werfen (Kluge E.W.« 421, ühlenbeck Got.P.W. 165); znerst gehört
natflrlich das letztgenannte Wort gar nicht hierher, sondern zu lat. ver-
heror (Noreen ügm. Itl. 121, Znpitza Gatt. 30). Weiter ist wohl rnss.
rachdtb am ehesten <[ *wdk'S- <C "^wog-s- zn erklären und gehört zn
Wurzel *f^rl^-, *%krog- 'stoßen, treiben' in ksl. vrag^ *Peind', got. wri-
hm n.s.w. (s. die Zusammenstellungen bei Pick Wb. ^1555, Znpitza Gntt.
170 n.s.w.).
Rnss. strasth 'Schrecken', ksl. airackb 'tremor, timor', das natflrlich
mchts mit ir^q zn schaffen haben könnte, falls man nicht ein lang-
Tokalisehes *trds ansetzt, wof&r aber jede Stütze fehlt, hat Pedersen IP.
5, 49, dem anch Walde E.W. 599 folgt, sicher richtig mit lat. sträges
Wedersinken, Yerwüstnng' verbunden; wir haben somit von einem
*8träg^o- auszugehen.
Schließfich führt auch Jokl einige Bildungen hervor, die er mijqti
zosammenhalten will. Zuerst ein Wort najaznh 'praeceptum', worin
das/ hiatustUgend sein soll. Das ließe sich ja wohl sagen, aber schl>
man bei Miklosich das Wort nach, heißt es Lex. palaeoslov. S. 418 so:
i^najaznh f. praeceptnm, ut videtur bljtidi ubo sui starhdhsky najazni
svjat: vocabulum dubiam«. Man fragt sich unwiUkflrlich, inwieweit sich
ein solches Wort brauchen Iftßt, wenn es sich um die Gründung emes
neuen Lautgesetzes handelt. Weiter sollte hierher [zTij^ti) gehören rnss.
hazlo %ehle, Schlund, Rachen', dessen ganze Erklämng jedoch allzuviel
in der Luft schwebt. Eher könnte man das Wort als *bhä{^)g{h]lom zu
laLfaux 'Schlund, Kehle' ziehen, das wahrscheinlich bh enthält (vgl.
ndetzt Walde E.W. 213). Schließlich schlägt Jokl vor, auch ksl. u.s.w.
jazh (auch Szb^ ^zh) 'stomachus, canalis' n.s.w., jazf>a 'foramen' wiijqti
sosammenzufOhren, unter Yergleichung von 5. jimka 'Fanggrube, Not-
danmi' \ Besser ist jedoch natürlich die von Jokl genannte Etjmologie
Pedersens, KZ. 38, 312, der lit. aiiyti 'aushöhlen, aushülsen' hierher-
aeht^).
1) Wohl zu ksl. jama *fovea'.
^ Schon Miklosich Lex. 1144 setzt unter ^a-za *cf. lett. aiza spalte'.
10 J. Gharpentier, Sunt Bemerkongen zum urslav. EntnAsalienrngsgesetz.
Das letzte Beispiel Jokls ist rnss. ulaznyj in u. med^ 'Jnngfem-
honig': ksl. ulij 'alveus', rass. ulej 'Bienenstock' n.s.w. und er ftl^
wörtlich hinzu: »die 'nasalis sonans\ als deren Reflex wir das a an-
sprechen, zeigt sich noch in pr. aulinis 'Stiefelschaft'c. Zuerst gehört
das letztgenannte Wort natürlich gar nicht hierher, sondern zn lit. aunü,
aüti 'Foßbekleidang tragen', aukU 'eine lange Fußbinde', lett. aut^ ksl.
ob^'q 'anziehen', av. aodra- 'Schuhwerk, Schuhzeug' (Bartholomae Air.
W. 42] U.S.W. ; weiter enthält auUinris gar keinen nasalis sonans, son-
dern ist natürlich eine -t^-Ableitung, deren sich ja im Baltisch-Slarischen
unzählige finden. Fflr uKj hat schon Miklosich Lex. 1049 die richtige
Etymologie gesehen, wenn er es mit lit. uli 'Höhle' (<[ *ö[yl)l^a\ wei-
teres ttber dieses Wort bei Lid^n Studien 82, Göteborgs högsk. ärskr.
1904, 1, S. 14, dessen Erklärung mir jedoch zweifelhaft scheint), apilys,
aulys 'Bienenkorb' verbindet. Fernere Verwandte finden sich in (mög-
licherweise) ai. ära- 'Höhle' < *5(ff)/o- (so Lid^n a.a.O.), und weiter in
ir. uam 'Höhle', gr. eDvr] 'Lager', eig. 'Höhle, Behausung', av. unä-
'Loch, Grube im Erdboden' (Air.W. 401) u.s.w.
Somit finde ich nach Abschließung dieser kleinen Untersuchung kein
einziges sicheres Beispiel, das für das von Jokl aufgestellte Lautgesetz
sprechen kann; dagegen finden sich aber unzweifelhaft Beispiele, in
denen sich ^ <C 9 ^or einem idg. 8 oder z findet, und das sind solche, in
denen man keine analogischen Einwirkungen vermuten kann. Somit, da
auch, wie ich anfangs zu beweisen gesucht habe, die Ratio dieses Laut-
wandels eine vollständig alleinstehende und bisher ungehörte wäre, finde
ich es besser, bei der von Lorenz Aroh. f. sl. Ph. XYUI, 86 ff. gegebenen
und von Brugmann Grdr. I^, S. 390 f., Ez. vgl. Gr. 116 und Osthoff Et.
Par. 1, 353 Fußn. aufgenommenen Formulierung der Gesetze über die
Vertretung der Nasalis sonans vor Konsonanz im Slavischen stehen zu
bleiben, zumal da ich wirklich glaube, daß dies Gesetz ausnahmslos alle
Fälle, die dahin gehören können, erklärt.
üpsala im April 1906. Jarl Charpentier.
11
Ein nrslayisches Entnasaliemngsgesetz.
Antikritik und NachtrSg^e.
Die folgenden Ansflllinu^en werden znnftehst die Art aufzuzeigen
raehen, wie J. Charpentier bei Prflfong des das Gesetz stützenden Mate-
rials zu seinem statistischen Schlnßergebnis gelangt ist. Bei Besprechung
der Kritik der einzelnen Wortgrnppen wird sich die willkommene Gfe-
If^^enheit bieten, neue, denselben Sippen angehörende Fälle aus modernen
daYischen Sprachen dem Leser YorzufQhren, somit das Aroh.XXVIU, 1 ff.
gegebene Material zu ergänzen. Eine ganze Reihe neuer, das Gesetz
belegender Etymologien aus bisher nicht besprochenen Gruppen wird
sich anschließen. Über die Erwägungen allgemeiner Natur, aus denen
Chaipentier nach eigenem Geständnis ein Recht auf aprioristische Skepsis
ableiten zu können glaubt, wird zum Schlüsse gehandelt werden.
Bei blaznb u.s.w. begnügt sich Oharpentier mit der bloßen Negation,
indem er die »Bedeutungsähnlichkeit« mit bl^sti nicht ausreichend findet,
die Ton mir angefElhrte ältere Zusammenstellung mit r. blofföj aber >un-
sweifelhaftc nennt. Die YoUständige und durchgehende Bedeutungs-
flberemstiinmung zwischen ksL blazm Irrtum und blqsti irren, i. bläzen,
r. blazent Spaßmacher und ksL bl^sti Spaße machen, ksl. blazniti täu-
schen und h oblouditi (in Mähren das Simplex biüdif : Bartos, Dialekt.
sloTnfk moravsk;^, S. 19) täuschen, 6. (mähr.) biazny dSiaf Scherze,
Spaße machen (L c. S. 18} und r. blüdni Schelmenstreiche ist demnach
ftr Gharpentier Zufall, freilich ein Zufall, der in zahlreichen lautlich
analogen Fällen in genau gleicher Weise auftritt. Von entscheidender
Widitigkeit ist jedoch r. blaih\ es heißt außer Ausgelassenheit, Toll-
heit, YerrflekÜidt, Bedeutungen, welche das Wort natürlich zu blazent
iteQen, auch ungeheuere Menschenmenge (ParloTskij; Akad. slov. I,
8p. 205, nach der letzteren Quelle in Sibirien volkstttmlich) und stellt
ndi somit auch in dieser Anwendung zur Sippe von bl^ti^ die hier die-
lelbe Bedeutung erkennen läßt, welche der lit. Entsprechung: blisti
ittster werden und innerhalb des sl. selbst dem o.-l.-s. bhiki trflb, dunkel
(gegenflber: p. blqkad = biqdzid irren, A:-suff.) noch zukommt. (Über
die Verbreitung der Sippe s. Lid6n, Stud. z. ai. und vergL Sprachgesch.
12 Norbert Jokl,
S. 77 f.) Die Bedeatnngsentwicklung für r. hlaih nngeheaere Menschen-
menge ist genau die gleiche wie in r. twia Finsternis, ungeheuere Menge^
^mt^<5y unzählig, ebenso wr. tma^ imuiSij, L tem Legion (Eott 4, 52).
unter bl^sti vereinigen sich somit alle Bedeutungen Yon r. blaih, u. zw.
stellt die Bedeutung ungeheuere Menschenmenge das Substantiv notwen-
dig zu bl^sii, ebenso wie diese Bedeutung eine Verknüpfung mit r. blagöj
völlig ausschließt. Aber diese semasiologisch — sogar abgesehen von
blaih ungeheuere Menge — nichts weniger als zwingende Zusammen-
stellung hat auch ihre lautlichen Schwierigkeiten. Denn alle, welche an
dieser Etymologie festhalten — man sehe außer Miklosich, E.W. 8. 1 3, 1 5,
Petr, BB. 18, 284, der auch lBX,ß<ig%tium Schande, Schändlichkeit heran-
zieht (gegen letztere Yergleichung jetzt Walde, IF. 19, 105 wegen der
ältesten Bedeutung Yonßaffitium: »öffentliche Ausscheltung«) — sehen
sich gezwungen, in blaznb palatales, in blagoy velares g anzusetzen, in
Wahrheit eine ad hoc gemachte Annahme, die innerhalb dieser Gruppe
durch keinen einzigen sichern Beleg gestützt wird. Diese Schwierigkeit
etwa dadurch zu beheben, daß man auch ein *blag-znh ansetzt, geht
nicht an und wurde bisher auch gar nicht versucht. Vom Standpunkte
dieser Etymologie mit Grund. Denn die Subst. auf -znh sind (s. Meillet,
£tudes sur l'^tym. II. 456] verbale Ableitungen^); eine solche ist aber
natürlich blaznh bei Zusammenstellung mit blagöj nicht, ist es aber bei
Verknüpfung mit bl^sti. Und auf verbalen Ursprung weist ja nicht nur
die Analogie der andern Bildungen mit -zuh^ sondern auch die Bedeu-
tung: Verführung (russ.), Ärgernis (ksL). In summa ist also die von
Gharpentier als »unzweifelhaft« bezeichnete Etymologie von blazm
semasiologisch unzulänglich, lautlich unmöglich und morphologisch un-
wahrscheinlich; letzteres für den Fall eines Ansatzes ^blag-znh, —
Zweierlei bleibt des weiteren noch zu besprechen: 1) das Verhältnis von
blazm m., r. blazenh m. zu blaznh f. Bedeutung und Morphologie wei-
sen blaznh den übrigen fem. auf ~znh zu. K blazenh Spaßmacher weist
demnach denselben Genuswechsel und dieselbe Bedeutungsnuancienmg
auf wie ksl. neprijaznh m. TtovrjQÖg: prijaznh f. Freundschaft (Meillet,
£tudes sur IMtym. 11, S. 456). Neben einem solchen masc. konnte dann
leicht auch ein blazm m. entstehen, ähnlich wie S. stin m. Schatten neben
slovak. sttfi m. f., S. stfen Mark neben stfeA steht; 2) der ursprüngliche
Lautwert von z im suff. -znh, Brugmann vergleicht Gr.^, 11/ 1, S. 512
1) Zur Ansicht Brugmanns hierüber (Gr.^ U/l, S. 512) vgl. weiter tmten.
Ein nralaviBches EntnasaiieningBgesetz. 13
(tlbrigeiiB nicht ohne einer andern Yermntong Baum zu geben) unsere
dnbst. auf -znh mit iat. auf -äffo, -inis, -iffOy -iginis, wie plantügo
Wegerich, surdigo Taubheit, die ihrerseits wieder zu adjekt. auf -ä:?,
-^eusj "Ichs gehören. Es handle sich also um eine Erweiterung der -k-,
-^-Formantien mit n-Formans im Lt. und Balt.-sl. Daraus würde sich
abo ergeben, daß z in -znh nicht spirantischen Ursprungs sei, sondern
pal&t. Guttural darstelle. Dagegen spricht aber folgendes: Nach Brug-
mann gehören die erwähnten lt. subst. zu adj. auf -^x, -äceus, -Icus,
Die alaT. Parallelen dieser suff. sind -akb [novakh) und -^kb (r. novikh)
Brugmann, a. a. 0. S. 501 u. 497). Diese weisen aber auf yelaren Gut-
tural, während -znh nur auf palatalen Guttural zurückgeführt werden
kann. Also kann man nicht gleichzeitig die lt. subst. mit den genannten
adjekt (zu denen sie aber unzweifelhaft gehören) und mit den sl. subst.
auf "znh vereinigen. Übrigens stimmt auch die Verwendung von lt. -ago^
-%go wenig zu der you sl. -znh : dort nominale Grundlage, Bezeichnung
von Pflanzennamen und körperlichen Gebrechen, hier durchaus primäre
Ableitung, wie Brugmann selbst lehrt; und seine Vermutung, daß auch
die Grundlage der sl. subst. eine nominale gewesen sein könne, ist durch
Beispiele nicht zu belegen. — In positiver Hinsicht ist für die Erklärung
des suff. -^snh zu beachten, daß ein r. u. s. w. bojaznh das adj. bojazlivyj\
c. bdzlivyj 8.-kr. bojäzljiv neben sich hat. Ebenso steht neben r. pri-
jaznh prij'äzlivyj. Darin ist -livh dasselbe Element, das wir in S. hör-
Hü^j p. gor-Utog wiederfinden. Femer steht einem slov. Ijubezen liiebe
r. Ijubia gegenüber ; und ebenso steht neben blaznh r. blazh. Suff, -znh
erweist sich also als Conglutinat aus -z- -\- nh (wie ja auch -Bnh durch
Zusammenrückung entstand: basnh\ ksl. bajati und r. basith (cf. Pe-
dersen IF. 5, 51), somit bc^&-nh). Nun werden im Folgenden Beispiele
au%ex&hlt werden, die -8- und -s^-Suffix nebeneinander, in parallelen zu
einer Sippe gehörigen Wörtern zeigen und wo s sicher idg. s ist. In die-
sen Fällen tritt auch vor dem parallelen z die gleiche lautliche Behand-
lung des Nasals ein wie vor «, und daraus ergibt sich der Schluß, daß
aach z ursprünglich spirans ist. Und ein dem -z^ von blaih^ blaznh pa-
ralleles 8 zeigt sich auch in dieser Gruppe : kasub. biq8ie6 = poln. biq-
dzid (Earlowicz, Slown. gw.-p. I. 91 nach Poblocki). Eine Erklärung
für dieses Nebeneinander von 8 und z gab Zupitza, KZ. 37, 396 ff. Wie
immer man sich zu Zupitza's Regel stellt (cf. jetzt auch ühlenbeck, EZ.
39, 599 und Pedersen, EZ. 40, 179), die spirantische Natur des -Z' in
ooserem Suffix steht nach dem obigen fest. Zu dem Nebeneinander von
14 Norbert Jokl,
"Sn- nnd -^sfi-Suff. vgl. man noch pr. biäsnä Fnrobt mit sl. bojcuaih. Das
pr. Wort ist mit dem sl. wmzelyerwandt und hat auch nach Bmgmann
(a. a. 0. S. 513) im Soff, wahisoheinlioher idg. s.
Auch bei ross. fflazb das Auge : ksl. glqdati sehen wiederholt Char-
pentier die ältere, von mir erwähnte ErklArnng, den der Altemation
bl^tir-blaznb genan entsprechenden Wechsel glazb-^l^dati dem baren
Zufall flberweisend ^). Ein zwingender Beweis fOr die Entnasalierung in
russ. gUun» ist aber i. (mfthr.) hidaaV s= hlfdati (= ksL gl^dati), pozor
dävati na n^ (Bartos, Dial. slovn. mor. S. 94, wo als Beispiele angefahrt
werden: hlasat' ovoce = hlfdati ovoce, Uasat' kury, yranj = odhin^ti
od skody). Das mähr. Yerbum zeigt somit, daß r. glazb innerhalb des
Slav. nicht isoliert dasteht, wie man bisher annahm. Nun ist aber mähr.
hläsat schon seiner Bedeutung nach ein Intensiyum, das sich morpholo-
gisch von den mit -^a gebildeten slay. Intensiven, wie i. drdsati : drdti^
hnisaU : hniti (cf. Prusik, KZ. 35, 600) gar nicht trennen läßt, enthält
also urspr. «. Daraus wird aber auch ftlr das z von glcun spirantischer
Ursprung wahrscheinlich. — Wollte man aber einwenden, hiäsaf gehöre
zwar zu r. glaz^f beide aber seien mit glcßsi u.s.w. unmittelbar zu ver-
einigen, so ergäbe sich eine ganz verkehrte Eonsequenz. Denn die slav.
Intensiva auf -satt wie 6. hnüati^ misatiy dräsatij öichati^ slov. p/a-
satij p. d<i8a6 stehen neben den slav. Verben: i. mt/etiy hnitij drdtij
ütiy ksl. planqtiy p. d(i6, hiäsaV ist nun ein ebensolches Intensivum.
Ein zugehöriges Yerbum mit a in der Wurzel gibt es aber nicht. Das
zugehörige Yerbum ist eben h hUditiy zu dem sich hidsaf semasiolo-
gisch verhält wie misati : mijeti. — Zu glqditi gehört weiter das mit
hlidka synonyme mähr, hiäska (Bartos, 1. c. S. 94, femer Kott I, 432
sub hlidka). Daraus folgt aber, daß das bereits altböhm. hläaka Nacht-
wache (Gebauer, Slovnfk staroieski^ I, 421 und Kott I, 424) zu g^diti
^) Daß Matzenauer und Nehring r. glash als Fremdwort betrachten, be-
greift Charpentier nicht, was viel unbegreiflicher ist Denn Urverwandtschaft
zwischen glaren und gUm setzt lautgesetzliche Entwicklung von sl. z ans %
voraus, eine Annahme, die vor Zupitza nicht gemacht wurde. — Ich benutze
die Gelegenheit gerne, um ein Yersehen zu berichtigen, dessen Feststellung
ich der Güte des Herrn Prof. Lid^n verdanke : glctai splendor (nicht glaezi) ist
neuisL, nicht altnord. -- Statt mhd. glaren soll es richtig heißen: mnd. —
Gleichzeitig seien ein paar Druckfehler richtiggestellt. Das — übrigens von
Gharp. im Ms. übernommene — Ta&o^veao) (S. 13) soll natürlich xoi&o^vac»
heißen. S. 16, Z. 1 v. ob. ist mit dem Zitat Lange Yoc. S. 55 Miklosichs Ab-
handlung gemeint
Ein nralaviBches EntnMalienmgsgesetz. 1 5
md Bidit zu glcLgh Stimnie zn stellen ist, wie ja denn auch i. hlidad
Widiter und kläsn^ sich in der Bedeutung vollkommen deeken. Denn
eineneits k^tainen diese Bnbstantiya von dem erwähnten hidsat\ bezw.
kkdSii nicht getrennt werden, andererseits hat hidsaf, wie schon der
au den Bdspielen Bartos' (siehe oben) sich ergebende Gebrauch beweist,
mit kku niehts zu schaffen.
Zufall ist es fUr Chaipentier natürlich auch, wenn 5. laz mit lado <i
*I^ auch in der speziellen Bedeutung — was zu beachten ist — so
voUsOndig fibereinstimmt, daß in Eott's Wörterbuch (I, 871 und 883)
von einem Worte auf das andere verwiesen wird, wenn slovak. laz un-
geackerter Platz genau die gleiche Bedeutung aufweist wie ksl. l^dina
imd wenn slov. laz Neubruch, Rodeland und russ. Ijädä Neubruch, Rode-
land äch semasiologisch vollstftndig decken, und dies alles, trotzdem auch
in diesem Falle genau der gleiche Wechsel von ^ und a in gleicher
SteUiing wiederkehrt.
Die EtTmologie ksl. naprastno subitus, praeceps u.s.w.: napr^ati
insilire scheint Gharpentier zwar nicht Übel; dennoch möchte er sie sebr
bezweifeln und stellt ihr eine andere, nämlich: ai. prasabkam mit Ge-
walt, ungestfim, heftig entgegen. Gharpentier irrt jedoch sehr, wenn er
diese Ejfymologie für neu hält. Sie wurde vielmeht bereits im J. 1884
n. zw. von Matzenauer, Listy fil. 11, 176 aufgestellt, allerdings mit weit
größerer Reserve, als sie Gharpentier übt. Matzenauer fdgt nämlich
sdner Deutung hinzu: falls die Wurzel pras ist {jeBirlipras kofenem],
«n Vorbehalt, der in der Tat nur allzu begrOndet ist (so begründet, daß
die Erklärung auch nicht von Miklosich, dem die Abhandlungen der
Listf fiL natürlich wohlbekannt waren, in sein E.W. aufgenommen wurde).
Gharpentier setzt hingegen getrost eine Grundform *pröS'fyno an, ohne
flieh im mindesten daran zu kehren, daß hierbei jede Anknüpfung an
ixgend eine namengebende Basis fehlt. Allein nicht genug daran. Zwar
ist das von Gharpentier angesetzte Simplex *prd8-fMio eine im ganzen slav.
Sprachschatz völlig unbekannte Größe; dennoch soll dieses aus femer Yor-
leit überkommene Wort sich gerade in der Komposition (mit na und
wohl auch za : russ. zaprdsnyj aufrichtig, Dopotn. S. 61) und nur in
dieser erhalten haben. In Wahrheit zeigt aber gerade die Tatsache der
Komposition, daß auch der zweite Bestandteil von naprastno^ zaprdsnyj
an einen im Slav. lebenden Stamm anzuknüpfen ist, während Gharpen-
tier's Erklärung notwendig zu der Annahme führt, daß der zweite Be-
Btosdt^ zur Zeit der Zusammensetzung bei den Slaven vorhanden war.
16 Norbert Jokl,
später aber Überall spurlos, ohne Hmterlassimg irgendwelcher Wurzel-
verwandten, wieder verloren ging. Aufs klarste wird die Entstehung von
naprashno schnell, plötzlich der Wurzel und Bedeutung nach illnstriert
durch poln. na prqdce^ das mit naprashno in der Bedeutung überein-
stimmt. Oder wieder Zufall? Der verbale Ursprung, nämlich von nc^
prqdatij wird erwiesen durch russ. ?laprds^, naprdslina fälschliche Be-
schuldigung, naprdslivyj verleumderisch. Denn die gleiche Bedentangs-
entwicklung liegt vor in ai. langhatiy langhayati springt auf, verletst,
beleidigt, dazu gr. iXiyx^ werfe vor, überftthre (Prellwitz, Et.W. der
gr, Spr.^, S. 136) und besonders deutlich in lt. insultare verhöhnen : in-
silire. Morphologisch aber verhält sich napräs^ zu naprqdati wie ksL
öas^ : öajati^ enthält also «o-Suff. Zu napräsz wird naprashno gebildet
wie h öasnj zeitlich zu das. Eine Weiterbildung mit -livb ist naprdsli-
vyj) das neben naprqdati ähnlich steht wie das erwähnte r. bojazKvyj
neben bojdtbsja.
Die Zusammenstellung 6. tasiti ziehen, zücken, r. tdska das Ziehen
U.S.W. : gr. relvü), ai. tdnoti dehnt, spannt findet Charpentier semasiolo-
gisch nicht einwandfrei, eine Behauptung, deren völlige Unrichtigkeit
in die Augen springt. Denn einmal bedeutet ja das Arch. XXYIU, 2
bereits angeführte lit. tlsis : Zug, was von Charpentier einfach ignoriert
wird. Und ferner, um bei derselben Sippe zu bleiben, heißt ahd. d^nen^
dünnen außer dehnen, spannen nicht auch ziehen? Ahd. dinsan (:lit.
t^sti dehnen) bedeutet ziehen, ebenso got. atpinsan herziehen. Und diese
germ. Verba stimmen mit tasiti auch in der ^-Erweiterung ttberein.
Übrigens liegt das semasiologische Verhältnis dehnen-ziehen so deutlich
zutage, daß Walde Et.lt.W. s. v. temo für die den eben erwähnten
Verben zugrunde zu legende idg. Wurzel *ten''S (^-Determ.) die Be-
deutung > ziehen« ansetzt. Es muß verzweifelt schlecht um eine Sache
stehen, wenn man genötigt ist, so offensichtliche Dinge zu leugnen. Eine
semasiologische Parallele aus einer andern Sippe: i. tdhnouti dehnen,
ziehen. — Als Beleg für die Entnasalierung in der Sippe von *ten- ist
noch hervorzuheben: russ. tazdthsja sich balgen. Zur Bedeutung vgl.
man i, tdhanice Balgerei: tdhdnouti ziehen, dehnen. Buss. tazdthsja <^
*t^Z' und l, tasiti <^ *t^S'- zeigen also dasselbe Nebeneinander von
-s- und -JT-Suff. wie russ. glazh und L (mähr.) hidsat\ b. tasiti enthält
aber in seinem s nach Ausweis der verwandten Sprachen urspr. s,
Oegen die beiden folgenden Gruppen weiß Charpentier überhaupt
nichts vorzubringen; ja die Beweiskraft von £. hasdk Sense: ksl. iqti
Ein oTBlayischeB EntnaBalienmgsgesetz. 17
Bihen muß er sogar zugestehen. Zn i^ti gehört femer p. gas cios, raz^
nderzenie na kogo, zguba das Hauen, Schlagen, der Untergang, ffoiba
pobicie, zgnba, imier<S pewna das Schlagen, der Untergang, der sichere
Tod (Slown. j^. polsk. p. r. Karlowicza, I, 808 n. 809). Alle angeführ-
ten Bedeutungen der p. Wörter vereinigen sich unter einer Grundbedeu-
tDBg »sehlagen, hauen«, p. ffaiba yerhftlt sich seiner Bedeutung nach
SQ dem zugrundeliegenden Yerbum wie mhd. alahte^ ahd. slahta Tötung,
Sehlaehtung, Schlacht zu mhd. slahen^ ahd. slahan.
RusB. gasäth ein Pferd tummeln, 6. haiati sich herumtummeln, ha-
Mok der Unb&ndige, hastroi Vogelscheuche, Schreckbild: ffnatij ienq
pellrae. 6. hastroi Scheuche zeigt zwar den Zusammenhang mit ffnati
jagen in geradezu zwingender Weise, dennoch ignoriert es Gharpentier
▼oUstftndig. Man vergleiche das zu derselben Wurzel gehörige r. gonjUka
Vogeteehenehe : gonitb treiben, jagen (nach Gharpentier wohl Zufall),
ferner mhd. schiuhe SchreckbUd, nhd. Scheuche : mhd. schiuhen^ nhd.
Scheuchen = verjagen, lit gandykle Scheuche : gandaUj -yti (Nessel-
mannj, gaRdinu tr. schrecken, diese wieder zu genü jagen.
An 5. haairoi Scheuche fflgt sich wr. has Schrecken. Die Beden-
tongseDtwicklnng ist dieselbe wie in gr. q>6ßog Schrecken : q>ißo(iat
ffiehen (ist doch auch böhm. hndti nicht nur transit s= jagen, sondern
auch intr. = laufen: Qebauer, Slovn. staroS. I, 435, ebenso p. gna6\
lit iszngandimas das in Schrecken Geraten mittelbar: genü jagen.
(So erklärt sich denn auch das bei Leskien, Abi. d. Wurzelsilben im Lit.
S. 112 und bei Johansson, EZ, 32, 489 ohne Verwandte dastehende lit.
gtfsiüj gqsti erschrecken intr. Es handelt sich um eine nach der ata-
Klasse erfolgte Umbildung eines ursprünglichen »a-Verbo< ganr-d' [noch
in dem erwähnten gandyti] nach Art der von Johansson, KZ. 32, 484,
485 und von Wiedemann, Lit Prftt. 67 erörterten. Nesselmann ver-
zeicfanet außer dem prfts. gqstü auch gandu,) Es verhält sich weiter S.
hastroi Scheuche : wr. has Schrecken ähnlich wie 6. straidk Scheuche,
stov. straiilo idem : gem.-sl. strach Schrecken. — Den Zusammenhang
zwischen r. gasdtb ein Pferd tummeln und gnati jagen zeigt noch deut-
lich klr. zahasdty sich flbertreiben, sich müde treiben (vom Pferde).
Buss. gasdtb zeigt gegenüber gnati Litensivbedeutung, wobei das Gbjekt
»Pferde Bubintelligiert ist. Dieselbe Ellipse des Objektes >Pferd< finden
wir in russ. gonitva Pferderennen, p. goniec Beiter, Bitter, femer in
deutsch: traben (eig. ein Pferd treiben), sprengen (eig. ein Pferd springen
machen). Gf. Kluge, E.W.^, s. v. — Ö. hasati sich herumtummeln, um-
litkiT ftr BlftTiMli« Philologie. XXIX. 2
18 Norbert Jokl,
herlaufen ist verbnm intr., wie es ja auch — und dies wnrde bereits her-
YOi^ehoben — 6. hnätiy p. gnaö sind. Pohl, hasaö zeigt nicht bloß die
Bedeutung von l. hasati und r. gasdth (laufen, ein Pferd tummeln :
Slown. JQE. p. pod red. Karlowicza U, 21), also dieselbe Vereinigung
von transit. und intransit. Gebrauch wie gnad^ sondern auch die Bedeu-
tungen schütteln, schwingen, tanzen. In der Bedeutung schwingen summt
es Tollkommen zu i. rozhäniti se (rukama) (mit den Händen) schwingen,
rozehnäti se rukou den Arm schwingen. Die Präposition roz zeigt ja in
der Komposition steigernde Bedeutung, z. B. i. rozmüj sehr lieb : mü^
Heb, russ. razmüovdthsja auf das zärtlichste liebkosen : milovdtb lieb-
kosen U.S.W. In haBa6 (gegenflber S. rozehnäti Se) fällt nun diese
Funktion dem ^-Determ. zu, dessen Verwendung zur IntensivbUdung
Arch. XXVin, 3 erörtert wurde. Die Bedeutung tanzen, die dem p. ha-
Saö gleichfalls zukommt, teilt es mit dem sippenverwandten slovak.
haitrif. Die Bedeutungsentwicklung von rasch laufen zu tanzen ist die-
selbe wie in got. läiks Tanz : lit. Idigyti wild umherlaufen. Elr. hasdty
bedeutet außer herumstreifen noch springen; die letztere Bedeutung ist
sekundär. Man vgl die Bedeutungen von 5. skoöUi springen, hüpfen,
tanzen, eilen. Durch den Anlaut h wird das p. Verb als Lehnwort aus
einem slar. Nachbardialekt charakterisiert, der den Wandel g-h kennt
(also c.-slovak., klr. oder wr. Entlehnungen aus diesen Sprachen sind
ja im Poln. nicht gerade selten. Of. smutny, hik, ohyda).
Russ. pai^ ausgetretene Spur des Wildes, nordr. pjatnikb Spur,
Fährte, penb Hasenspur, pnutt, pindtb einen Fußtritt geben, mit Füßen
treten. Charpentier sucht die angeftlhrten, in der Bedeutung sich yoU-
kommen deckenden Substantira von einander zu trennen und leitet j9a^
aus *pöd^o- her, es zu htpidä Fußstapfe stellend. Die entfernte Mög-
lichkeit dieser Deutung mag zugegeben werden. Ganz anders aber steht
es mit der Wahrscheinlichkeit. Denn bei einem Ansatz *pdd'SO' bleibt
die Weiterbildung mit -50- ganz unverständlich. Die mit -so- gebildeten
slav. Substantiya sind nämlich entweder: Umbildungen altüberkommener
neutraler -^«-Stämme. Für ein Neutrum *pdde8, *pödos bieten aber die
verwandten Sprachen gar keinen Beleg, ja auch nicht den geringsten
Anhaltspunkt. (Wohl aber bleibt auch diese morphologische Erklärungs-
mögHchkeit des ^o-Suff. bei dem für Charpentier so »wunderlichen«
p^t^so- gewahrt — außer der Arch. XXVIII, 3 bereits genannten — ,
da ein alter e«-Stamm im ai. pathas Stelle, Platz, Ort vorliegt. Solche
Umbildungen kennt das Slav. oft genug, z.B. p. ^ocA Lumpen, Fetzen : gr.
Ein unlaviflches EntnasalieningsgeBetz. 19
Idxog IL idem, Solmsen, EZ. 37, 580). Es bleibt also für *pdd~8o nnr noch
die zweite Möglichkeit, es als eine anf slav. Boden erwachsene Bildung
mit "SO anzusehen, nach Art von gem.-sl. Ja««, 5. hm's Eiter, p. dqs Zorn.
Diese Bildnngen stehen aber neben slav. Verben, öajatiy h hniti, p. dqö.
An welches Yerbom will man aber pas^ <^ *pdd'So anknüpfen ? Etwa
SB padati? Allein dieses Verb heißt im ganzen Bereich des Slav. aos-
schfießlidh fallen; fär eine dem ai. padyate [geht entsprechende Beden-
toDg bieten sich keinerlei Belege und doch müßte eine solche Bedentang,
da es sich bei *pdd-80-y wie gezeigt, nur um eine sl. Bildung handeln
kfiante, itlr das Slav., n. zw. ad hoc für das einzige r. pas^ als vorhan-
den und dann wieder als spurlos verschwunden postuliert werden ^) ! So
gnt es also in morphologischer Hinsicht um die Deutung pas <^ p^t-ao-
steht, ao sehleoht ist es in diesem Punkte um ein pöd^sch- bestellt. Zu
demselben Ergebnis führt auch die morphologische Analyse von r. pa-
chäth gehen, schreiten. Wie Pedersen, IF. 5, 5 1 wahrscheinlich gemacht
hat, sind diese Verba auf -chati relativ jung, da es sich hierbei um neben
sL Verben stehende Deverbative handelt: i. diti^ dtchati, ksl. majati^
maehaU n.s.w. Bei r. pachdth müßte man also ohne Zuhilfenahme des
Entnasalierangsvorganges auf padati fallen greifen, was semasiologisch
imwahischeinlich ist, da Grundverb und Deverbativ dann in der Bedeu-
timg völlig auseinandergingen, während die bereits oben gegebene Auf-
ilhfamg beiderseitigen durchgehenden Bedeutungsparallelismus zeigt.
Hingegen ist alles in Ordnung, wenn man von ^p^tr^h" ausgeht. Denn
als Verbum findet sich die Wz. *p^t'^ wie im ersten Aufsatz dargetan,
in roBS. pnuth^ zapjdstb. Die Bedeutung von pachdth gehen, schrei-
ten ist also ganz ähnlich wie die von gr. Ttaxiia treten, schreiten.
— Allerdings mOchte Charpentier auch die Verknüpfdng des Verbums
/Mitf/6, pmatb mit der Wz. p^t- leugnen. Allein seine eigene Erklärung
dieses Verbums, nämlich Verbindung mit lt. pinso klein stampfen, zer-
stoßen, isLpbiqj phchati ferire, si.ptnd{ti zerstampft durch Aufstellung
emer Wz. *pinr- neben der den genannten Verben zugrunde liegenden
Wl pu- ist der typische Fall einer Konstruktion ad hoc. Denn eine
1) Ein #0-Suff. steckt auch nicht in dem kslpichota Fußvolk und pih zu
hB zognindeli^enden *pJkhz, Denn *ped'8o (so Miklosich, E.W. 245) konnte
m *pln ergeben. Also müßte man analogische Umbildung annehmen, in
Wiliriieit eine flberflüssige Annahme. Denn das Richtige sah Pedersen, IF.
S, 52; darnach ist *pich^ der substantivierte Lokativ des idg. Wortes für Fuß,
was ja aoch zu der Bedeutung (»zu Fuß«) vortrefflich stimmt
2*
20 Norbert Jokl,
solche Wz. *p%n'' ist in der Tat ans keiner einzigen idg. Sprache zu be-
legen. Irgendwelche Wahrscheinlichkeit ist daher Charpentiers Erkiftnmg'
von pnuthy pinath nicht beizumessen. — Der Ansatz *phnh für mss.p^n^
Hasenspnr empfiehlt sich schon wegen des gen. pnja. Denn bei einer
Grundform pem^ die Charpentier aus ^ped^nh herleitet, müßte man fflr
die Oas. obL analogische Übertragung annehmen, mflßte femer das Wort
nicht nur von dem Arch. XXVIII, 3 angefthrten gleichbedeutenden pjat-
nikbj sondern auch von dem ebenfalls synonymen r. pütikb Spur, Fährte
(kleiner Tiere und Vögel) trennen.
Die Deutung krasa Schmuck etc. : kr^nqti winden findet Charpen*
tier »ganz absonderlich« und »ganz befremdend«. Die Arch. XXVUI, 4
angefahrten Bedeutungen: r. krutä Verzierung, krutitb neben drehen,
winden auch ankleiden, aufputzen, krudilhiöina die »Schmückerin« —
semasiologische Tatsachen^ die Gharpentier, wie so viele andere ihm un-
bequeme, einfach ignoriert — könnten zwar jede eingehendere Wider-
legung ttberflttssig machen, dennoch sei der Vollst&ndigkeit halber folgen-
des hervorgehoben: Ein Bedentungsttbergang wie der in Rede stehende
ist nichts weniger als absonderlich, sondern höchst natürlich, wofern man
nur gewohnt ist, bei Aufstelliing von Etymologien außer den Lauten und
Formen auch die Sachen zu befragen. Diese aber, vertreten durch die
Prähistorie, lehren, daß Schmuckgegenstände vorwiegend Halsbänder,
Armbänder, Spangen, Ringe waren (cf. Rauber, ürgesch. des Menschen
I, S. 167); und für diesen Schmuck ist eine Namengebung, die auf »win-
den«, »drehen« beruht, geradezu selbstverständlich. Man vergl. auch
ags. wir gewundener Schmuck : anord. virr Spirale, lt. viriae armiUa
(Schrader, Real-Lex. S. 729). Daß also kr^nqti^ krqtitij r. irutä und
seine Sippe mit den Angehörigen von krasa^ wie Arch. XXVIU, 4 ge-
zeigt, in der Bedeutung übereinstimmen und daß die letzteren hierbei
den gleichen Lautwandel aufweisen, wie ihn auch hastroi^ hasäk, tasiti^
bhznh U.S.W, durchgemacht haben, dies muß Charpentier natürlich wie-
der dem von ihm mit solcher Eonsequenz angerufenen Zufall zuschreiben.
Schlagend wird endlich die Verknüpfung von krasa mit kr^nqti noch
bestätigt durch: big. krasa Schlange, das sich zu ^^^m^^i winden, drehen
semasiologisch genau so verhält wie deutsch Schlange zu schlmgen,
(Nach dem s.-kr. Volksglauben hieß die Schlange krasa vor der Verlei-
tung der Eva. Das ist also, wie das big. Wort, das Schlange schlechtweg
bedeutet, und sein Etymon zeigen, eine volksetymologische ümdeutung.)
Ebenso spricht für die vorgetragene Etymologie p. krasa^ okrasa Dicke,
Ein nnlayisclieB Entnasaliernngsgesets. 21
Fettigkeit des Leibes (Trotz, Nowy Dykc, Slow. j^z. p. p. r. Earlowicza),
kragny = tiusty dick, fett ^). Die angeftthrten p. Wörter stimmen näm-
fich YoUkommeii zu B.-kr. krüt dick, r. okruiStb dick, hart werden. So-
wohl für p. krasny = Üusty wie für s.-kr. krüt ist die Gnmdbedeatnng
»fest gedreht«, also der Bedentnngsttbergang genau der gleiche wie fflr
deotseh drall = dick, eigentlich fest gedreht (Klnge, Et.W.^ 81, 82).
Man vergl. femer lt. crassus dick, eig. > zusammengeballt« (Walde, Lt.
£t.W. 148). Kach Charpentier treibt aber auch hier der blinde Zufall
sein hartnackig gleiches Spiel. Von den beiden von Charpentier gebillig-
ten Etymologien vermag keine sämtliche Bedeutungen der Sippe zu er-
klären. Denn wie will man anord. hrös Buhm mit big. krdsa Schlange
oder mit p. krasa Dicke, Fettigkeit des Leibes vermitteln? Man müBte
also das big. Wort und das poln. in der angeführten Bedeutung von r.
krasd Schmuck etc. trennen, die beiden erstgenannten etwa zu crassus
stellen und fElr sie etwa von *krät'Sa ausgehen. Allein dann würde man
Begriffe, die sich, wie gezeigt, vortrefflich vereinigen lassen (r. krutiih
sehmfleken, s.-kr. kr£^ dick, r. krüient dicke Grtltze) und deren Bezeich-
nung iden^ch ist, völlig willkürlich auseinanderreißen. Man würde
femer mit *irät' eine Wurzelform einführen, die selbst für das Idg.
durch kein einziges unzweifelhaftes Beispiel gestützt wird. (Denn der
Ansatz gerät neben qert- stützt sich eben nur auf lt. crassus^ crätes^
die aber wohl eher als qft- erklärt werden: so Brugmann Qx,\ I, 479
imd Walde, E.W. 148.) Gewiß aber ist ein solches *krät' im Slav. nicht
nachweisbar, während die nasalierte Form kr^t- im Slav. sehr produktiv
ist Das zuletzt erwähnte Bedenken würde natürlich auch gegen die
weitere Annahme gelten, daß zwar krasa mit s.-kr. krüt u.s.w. wurzel-
verwandt sei, krasa von einem nasallosen *krät-j krüt von der nasalier-
ten Form herkomme. — Der gleiche Einwand der Unvereinbarkeit von
p. krasa Dicke, Fettigkeit des Leibes, big. krasa Schlange mit r. krasa
1} Ein aus dem Poln. stammendes Lehnwort ist ht krisnas dick am Leibe.
Dts Wort fehlt zwar bei Brückner, Die slav. Lehnwörter im Litauischen, seine
flliy. Herkunft wurde jedoch bereits von Matzenauer, Listy fil.9, 4 konstatiert
Über das Verhältnis des e des lit. Wortes zum a von p. krasny cf Brückner,
L e. 8. 43, Anm. 30 ff. und S. 26, Anm. 22. — Zu den angeführten p. Wörtern
gebM auch big. krdmik die Wassersucht, von Gerov im Rö6n. richtig erklärt
ab Krankheit, durch die der Mensch dick wird. Nach Lidön, IF. 19, 363 f.
vude dasselbe Moment auch bei der neuisL Bezeichnung dieser Krankheit
Btmenbildend : pembtngur Wassersucht : awn. [pttmbr], fem. p^h aufge-
MhvoUen, dick.
22 Norbert Jokl,
m
Schmuck n.8.w., der gegen die Verbindung mit anord. hrös zu erheben,
ist, gilt auch ge^en die Etymologie Johanssons (IF. 19, 124), der irasa
zu aksl. krada TtvQd, ags. heord^ lett. karset erhitzen stellt und Air
krasa eine Bedeutungsentwicklung Brand, Flamme, rote Farbe, Farbe,
Schönheit annimmt, eine Erklärung, die überdies an dem Gebrechen
leidet, daß die angebliche Grundbedeutung Brand, Flamme Oberhaupt
nicht erweisbar, sondern bloß postuliert ist. Nun noch ein Wort zu Char-
pentiers Vorwurf, ich hätte diese Etymologie Johanssons nicht beachtet
Loyaler wäre es jedenfalls gewesen , statt des Kichtbeachtens die Un-
möglichkeit des Beachtens hervorzuheben. Denn das Heft [der D^., in
dem Johanssons Etymologie veröffentlicht ist, wurde, wie der Umschlag-
titel besagt, am 3. März 1906 ausgegeben (und traf laut amtlichem Ver-
merk an der hiesigen Universitätsbibliothek am 9. März 1906 ein), wäh-
rend mein Aufsatz bereits am 28. November im Manuskript zum Druck
eingeliefert wurde und bereits Ende März 1906, also wenige Tage nach
Johanssons Aufsatz, erschien. — Einer ergänzenden Bemerkung bedarf
schließlich noch r. krasä = Böte. Arch. XXVJJI, 5 wurde hierftir der
Bedeutungsttbergang Schmuck, Schminke, Böte vermutet. Doch ist eine
solche Annahme nicht nötig. Erosa Farbe (so p.; klr., wr., r. hräska
Farbe) kann vielmehr auch unmittelbar an kr^nqti, r. krutitb angeknüpft
werden , zu dem es sich ebenso verhält wie ai. vamas Farbe : vmöti
umschließt, umringt, verhüllt. Der weitere Übergang von »Farbe« zu
»rote Farbe« ist kulturgeschichtlich ohne weiteres verständlich.
Russ. machnutb eilig wohin reisen, smachnütfb schnell hinlaufen :
ksl. mqti comprimere, r. mjat/b kneten, treten ist eine für Gharpentier
wenig überzeugende Etymologie, bei welchem Urteil die angeführte
semasiologische Parallele mhd. trotten = laufen zu treten ignoriert
werden mußte. Aber auch abgesehen von diesem ganz analogen Be-
deutungsübergang aus dem Deutschen, der des weiteren auch in r. slu-
pdtb treten und gehen, atupaj! vorwärts!, gr. Ttariio treten, gehen
wiederkehrt, spricht das Slov. und Pob. für den Unbefangenen deutlich
genug. So heißt slov. m^ti, mdnem neben reiben, austreten noch: mit
kleinen Schritten gehen; p. macfiaö (Slown. j. p. p. r. Karlowicza 11, s. v.)
bedeutet außer eilen noch coire cum femina, deckt sich sonach mit dem
unzweifelhaft zu ksl. m^ti gehörigen p. mi^tosiö 8%^ in der Bedeutung voll-
ständig. (Über dieses letztere Verbum cf. Matzenauer, Listy fil. 10, 323.)
Die Entstehung dieser Bedeutung beleuchtet das gleichbedeutende lt.
premere^ comprimere feminam. Zu p. machaö in dieser Bedeutung
Em uTBlayiBcheB Entnasalienmgsgesetz. 23
gehört des weiteren p. mainica padendom mnliebre (mit z-vuS,). Die
Beuehung zwiaehen r. machnuib und ksl. m^tij r. mjaib zeigt ferner r.
vymacÄnutfofa sich verrenken. Of. firz. se fauler le pied sich den Fuß
Ter8taiiehen:/bt</(^ treten. Die von Charpentier versnchte Zosammen*
steDnng von macknutb eilen mit It.movere mnß den Bedentnngsparallelis*-
mua zwischen r. tnachnüth und slov. m^ti^ p. machaö nnd mi^tosiö siq
irieder dem Zn£iül zuschreiben; sie ist des weiteren morphologisch nn-
wihrBeheinlich. Denn machnütb eilig wohin reisen ist schon seiner Be-
dentimg nach ein Intensiynm nnd darum ebenso zu beurteilen wie die
llbrigen sL Yerba sjd-chati^ die, relativ junge Bildungen, neben sl. Verben
stehen. Neben welches sLVerbum will man aber dieses *fnö{^)chati stel-
len? Charpentier ist freilich nicht verlegen; da es ein so gebautes Grund-
verb nicht gibt, konstruiert er eben ad hoc ein mit * versehenes majati\
Znm dritten aber ist die lautliche Berechtigung des Ansatzes *mö^
im höchsten Grade problematisch. Nach dem Zeugnis der verwandten
Sprachen vereinigen sich die zur Sippe von moveo gehörigen Wörter unter
einer Basis *metß-j *mie^ä'' (Walde, Lt. E.W. S. 395, Fick, Vergl.W.
I^ 286) oder *movie (Hirt, Abi. 8. 105 ; cf. auch Eretschmer, KZ. 31, 453,
Osthoff, Perfectnm 263). Ob man von einer solchen Basis zu dem von
Charpentier benötigten *rnö[^) — man beachte die Stellung des ff — ge-
langen kann, das ist noch sehr die Frage. Scheinbar vielmehr berechtigt
als diese Deutung Charpentiers wäre die Ansicht, die die Bedeutungs-
verwandtschafl von r. tnachnüth^ p. machaö mit m^ti zwar gelten ließe,
jedoch ftr das r. und p. Verb von einer Wz. *mäk- ausginge. Eine solche
Wuizel wird auch für das Slav. von Walde, Lt. E. W. 357, 358 (wohl
nach Mikiosich, E.W. 1 79, denn an der von Walde zitierten Stelle: Fick
n^, 196 finden sich die gleich anzufahrenden sl. Verba nicht) wegen
c. madkati quetschen, big. maökam knete als Parallelwurzel zu menh-
angesetat, das ja seinerseits wieder Erweiterung von men- ist (Persson
Wurzeierweit. S. 75). Allein weder i. madkati noch das big. Verb ver-
mögen eine solche Annahme zu rechtfertigen. Denn geht man mit Mi-
kiosich, L c, und Matzenauer, Listy fil. 10, 57, fOr h. maökati von einer
Wz. mäk- aus, so muß 1) das gleichbedeutende und völlig eindeutige r.
mjaökatb <I menk^j femer slov. meikati davon getrennt werden;
2) aber, und dies ist entscheidend, ist das a der ersten Silbe im schrift-
spnchl. i. maökati lautlich doppeldeutig, wird aber eindeutig bestinmit
dueh das danebenstehende dialekt (sttdostmAhr.) fha6kat\ wie es der
Sdireiber dieser Zeilen unzähligemal aus dem Munde des Volkes gehört.
Auch bei Bartos, Dial. slovn. mor. S. 189 findet sich madigat = schrifb-
24 Norbert Jokl,
spracU. maSkatij hnisti als valach. nnd lach, yerzeiolmet. (Die Erwei-
chung des k zn g^ die wieder die Assimilation des 6 zur Folge hatte, ist
eine spezielle Eigenheit der genannten Dialekte: Bartos, Dialektologie
I, 65 n. 1 10.) Das mähr. madkaV erweist also anch für das sohriftspr.
h madkati dieselbe Grundform *m^k'j von der fflr das rnss. mjadkaf
auszugehen ist. Aber auch big. madkam braucht nicht auf *mäk zurück-
zugehen, da im Bulg. Schwankungen zwischen e und a f%lr altes ^ zu
beobachten sind, so ksl.m^ = nhlg.me und ma (Jagiö im Arch.HI, 349;
cf. auch Miklosich, Gesch. der Lautbezeichn. im Bulg., S. 19 des SA. =
Wiener Denkschr. Bd. 34). Die Annahme einer zu menk- parallelen
Wz. mäk' ist somit für das Slav. unzulässig, da ja Parallelwurzeln rich-
tiger Weise erst dann anzusetzen sind, wenn die historisch überkomme
nen Formen sich nicht auf eine einzige Wurzel zurückführen lassen. —
Weitere Belege für den Entnasalierungsvorgang in dieser Sippe seien im
folgenden aufgezählt Hierbei wird sich oft gar nicht entscheiden lassen,
ob von der Wz. *men- oder von ihrer Erweiterung *menk- auszugehen
•
ist. — 0.-1.-S. mastwic ist synonym mit mjaadid (Pfuhl, S. 355 u. 363)
und bedeutet (in der Ölmühle auf dem Roste den gestampften und ge-
metzten) Leinsamen umrühren und zerdrücken und zur Presse zurecht-
machen, ist daher von ksl. mqti nicht zu trennen. Der Unterschied im
Yokalismus dieser zwei synonymen Verba erklärt sich aus dem Ablauta-
verhältnis: masttoiö zeigt n, mjasöiö en. In Bildung und Bedeutung
stimmt mit dem zuletzt genannten o.-l.-s. Verb überein: slov. mestiti
(mit halbvokal. e\ daneben mastiti keltern, treten. Durch das morpho-
logisch völlig gleiche o.-L-s. Wort wird das vom Standpunkt des Slov.
lautlich mehrdeutige mastiti^ mestiti eindeutig als *m^tiii bestimmt
Miklosich (E.W. 207) war daher vollkommen im Rechte, wenn er Zu-
sammenhang von slov. maiöina, izmaideno grozdje mit ksl. tmath Most
ablehnte. (Diese Verknüpfung war von Erjavec, Letopis matice slov.,
Jahrg. 1882 u. 1883, S. 236 versucht worden.) Neben mestiti^ mastiti
steht im Slov. das gleichbedeutende meiiti, Matzenauer, Listy fil. 10,
322 wollte hierfür eine eigene Wz. *mSg- aufstellen. Allein slov. meiiti
verhält sich zu mestiti genau so wie slov. drastiti \)iA\. u.s.w. draiiti;
meiiti und mestiti sind demnach wurzelverwandt und nur im »Determi-
nativ« verschieden. Slov. meiiti vermag aber wieder auf das gleichbe-
deutende big. maia quetschen, drücken (bei Miklosich, E.W. unter einer
Grundform maza-) Licht zu werfen. Zwar könnte man versucht sein, das
big. Wort mit Entnasalierung aus mf^-Z'- zu erklären. Allein, wie bereita
Ein tuslayischeB EntnasalienmgsgeBetz. 25
erwShnt, ist auch das big. a nicht eindeutig, nnd das gleichgebildete slov.
meüti macht fOr big. maia eine Vorstnfe *menrz- zomindest ebenso
wahrscheinlidi wie eine Onmdfonn *m^z^. S.-kr. mähati lan stimmt
out r. mjath I^nb Flacbis brechen, p. mi^dliS len, lit. Itnüs m\ti in der
Bedentnng yollkommen flberein, demnach <^ *m^b-s-, *mhnk'S-, Aus
dem Enas. geh(^rt noch hierher: mächalhy mdchahka Flachsfaser. Wie
man sieht, kommt man fOr alle besprochenen Wörter mit einer Wz.
*men(k), ^m^{k) aus, ohne zu dem Notbehelf von Parallelwurzeln greifen
zu mllsaen. Nun könnte man auch versucht sein, ksl. u.s.w. mazati aus
^8if (it)-z- zu erklären und so das Wort mit gr. fxdaacjy zu dem es z. B.
von Schrader, KZ. 30, 477 (und sp&ter von anderen) gestellt wurde,
auch lantiich restlos zu Tcreinigen. Walde, E.W.S. 358 nimmt auch hier
eine weitere Parallelwurzel zu *meni'j n&mlich *mag' an; allein es fragt
äeh, ob m€izatiy für das ja im Slav. nur die Bedeutung schmieren be-
zeugt ist, überhaupt zu dieser Gruppe gehört. Und in der Tat findet
es an gr. a/ia^^cü schmieren, streichen eine sowohl lautlich als semasio-
logisch aufs genaueste stimmende Entsprechung, mazati sonach aus
*(«)l»Ö</Ä-.
Roas. zapäska Frauenschtirze, naotpaih aufgeknöpft (gegenüber c.
odepnouü aufknöpfen), r. naraspdiku auf-, losgeknöpfl; (gegenfiber 2.
rozepnouii aufknöpfen) sollen nach Charpentier nicht zu ksl.j^^^i u.s.w.,
sondern zn ai pagas Schlinge, Fessel gehören. (Dies ist wenigstens das
eine Glied der von ihm aufgestellten Alternative.) Also die russ. Wörter
stimm^i mit den ihnen gegenübergestellten in Bedeutung und Art der
Komposition au& genaueste überein; sollen aber trotz dieser doppelten
Obereinstimmung, die somit wie viele andere von gleicher lautlicher Be-
lebaffenheit dem baren Zufall zu überantworten w&re, nicht dem gleichen
Stamm zuzuweisen sein wie die £ech., sondern einem ganz andern Ver-
bum! Nun kommt aber ein solches Verbum — natürlich wieder ZufaU —
als Simplex im Slav. gar nicht vor, muß aber, da die Komposition in
aiav. Zeit fiUlt, als hier einmal vorhanden und weiterhin als sp&ter ver-
loren gegangen angenommen werden. Endlich soll, und dies ist der
dritte Zufall, fDr das 5, das man im Slav. nach ai. pägas erwarten würde,
in den genannten russ. Wörtern, femer in r. zapachnütt u.s.w. ein ch
eingedrungen sein. Man fragt natürUch sofort, warum gerade hier das s
anaiogiseh verdrängt worden sein soll, während doch Yerba mit s im
Stammanslaut im Slav. in Menge vorkommen. Und eine solche Häufung
von ganz willkürlichen und unwahrscheinlichen Annahmen sollte eine
26 Norbert Jokl,
etymologische Erklärung sein ? Es bleibt also fttr Ghaipentier nur noeh
das 2. Glied seiner Alternative: deutsch Faser, Aber wie weit liegen
die Bedeutungen von r. zapdska Frauensohflrze u.s.w. und deutsch Faser
auseinander! Vollends versagen aber die von Gharpentier versuchten
Erklärungen fttr Wörter, die hiermit hinzugefügt seien: r. opdiina un-
tere Spreize zwischen Ständern: 6. roxpinka^ rozpSndk (in Mähren
rozpon) Leiterspreize, Sperrleiste, r. pjdio Reckholz, Spreize, opnüthsja
sich mit den FttBen wogegen stemmen, spreizen. Nach Gharpentier soll
vielleicht r. opdiina von den genannten, in. der Bedeutung vollkommen
übereinstimmenden, zu p^ti gehörigen Wörtern getrennt und irgend einem
andern, nicht vorhandenen Yerbum zugewiesen werden. Femer: klr.
rozpachnüty aufreiJßen, h (mähr.) rozpaiif heftig aufreißen (Bartos,
Dial. sl. mor. 364) gegenttber r. raspjatt ausspannen, ksl. rasp^ti cru-
cifigere (eig. auseinanderreiBen, aufspannen), r. (dialekt. PskorB, Tverb:
Dopoln. \li)pazith = rast^kivatB, taskitB gegenttber 5. pnouti span-
nen, strecken, dehnen (Jungmann, s. v. 3, 132). Elr. rozpachnüty zeigt
gegenttber jOf^t Intensivbedeutung; es ist mit dem »Determinativ« ch
gebildet (cf. Pedersen, IF. 5, 51), während das angeführte mähr. Verb
mit z weitergebildet, demnach eine dem oben erwähnten slov. tneiiti
ganz analoge Bildung ist. Eine andere Weiterbildung zu pqti ist mähr.
napaSiV = napnouti (Bartos, 1. c. 220). Mähr, rozpaitf verhält sich
somit zu napaöif ähnlich wie slov. meiiti : meikati.
Russ. surdzina gute Ordnung, guter Fortgang, r. surdznyj ansehn-
lich, stattlich will Gharpentier nicht zu rqdb Reihe, Ordnung, sondern
zu It rego geraderichten, lenken, herrschen (die Bedeutungen nach Walde,
Lt. E.W. 520) als *rö^- gestellt wissen. Nun kommt aber die Ent-
sprechung von lt. rego im gesamten slav. Wortschatz ttberhaupt nicht
vor, im lit als rdiiaus sich recken bloß in der ursprttnglichen konkreten
Bedeutung. Über die Verbreitung der Sippe wie ttber die Verteilung der
Grundbedeutung und der abgeleiteten s. Eretschmer, Einleitung in die
Gesch. d. gr. Spr., S. 126, 127. und da soll plötzlich die Wz., die im
Slav. unbekannt ist, in einem russ. Kompositum und noch dazu in ab-
geleiteter Bedeutung auftauchen! Das glaube, wer will. Zum Überfluß
deckt sich das Arch. XXVm, 6 angefahrte r. surdzica der mit einem
andern ein Paar ausmachende Gegenstand mit r. rJad^ Gleiches, Ähn-
liches, Passendes, das Seitenstttck in der Bedeutung vollkommen, läßt
sich hingegen von einem angeblichen sl. *rdg' semasiologisch nicht be-
greifen. Hierher gehört femer : mähr. pordchaC = poklidüi abräumen
Ein onlayiflcheB EntnMaUenrngsgesetz. 27
(Bartos, Diai. sl. mor. S. 316); das Verb stimmt demnach in der Beden-
tong mit ^. parzqdiotoaö flberein und verhAlt sich zn r^d^ wie l.pokli-
diii : r. kljudb Ordnung. — Der nachtr&glichen Erwähnung bedarf noch
die nrsprOngliche Laa^estalt von ksl. r^%, Arch. XäYUI, 6 wurde
hieirfttr nach Pedersen, KZ. 33, 53 und KZ. 38, 310 *n^d' angesetzt.
EZ. 38, 317, 318 hält aber Pedersen die Ableitung: r^^ < *{o)^9nd'
(cf. wrqzije) ftr empfehlenswerter, wobei 9 den slav. Svarabhakti- Vokal
beaeiehnet Da nun nach der an derselben Stelle vorgetragenen Lehre
Pedersens r0 zart wird, r^d-j wie oben gezeigt, gleichfalls zunächst in
*nnd- Hbd^ing, so ist es ftir das in Bede stehende Thema belanglos,
f^ welche von den beiden Grundformen man sich entscheidet. Vondräk
seist — und auch dies macht natflrlich fflr dieses Thema keinen ünter-
adiied aus — BB. 29, 216 eine Grundform *r^- (mit f-Färbung) Schef-
telowitz ebenda S. 29 *rend{h) an. Abzulehnen ist hingegen eine Vor-
stufe ^rmd' (so Walde, Lt.E.W. s. v. ordo), da nach den durchaus über-
sengenden Ausführungen Pedersens in Materyaly i prace kom. jfz. I,
166 £ und Vondriks BB. 29, 201 f. tn im Slav. im allgemeinen kein ^
eigab (abgesehen von spezifisch gearteten Fällen: Vondräk, I.e. S. 203).
Die Etymologie r. prazgä Pacht, Arrende: ksl. pr^gq intendere,
lungere glaubt Ghaipentier mit der Bemerkung abtun zu können, daß
>die8e8 Wort mit sL *pr^g-y *prqff' springen, spannen identisch ist«.
Zuvörderst wird man einen Unterschied zwischen intendere und spannen
natOrfich nicht finden können. Und wenn die von Charpentier behaup-
tete Identität der Wörter fOr springen und spannen es nicht verhindert
hat, daß sich die Bedeutung »spannen« — und einzig und allein diese —
in ksl. sqprciffh^ o.-L-s. pfah Joch, r. suprügb Gatte, S. (mähr.) spfai-
nii = spoleinfk Genosse (Bartos, I.e. S. 392), ksL raspr^iti disjungere,
i. zapfdhnouti einspannen u.s.w. äußert, so ist logischer Weise auch
gar nicht einzusehen, was diese Identität, ihre Richtigkeit selbst ange-
nommen, der Herleitung von r. prazgä aus prqgq anhaben kann. Wollte
man aber unter Berufung auf die von Charpentier angeführte Stelle aus
Osthoff, EtParei^a I, 356 f. fflr sl. prqg- ein voraufgehendes ^prufig-
aosetzen, demnach das Verbum der t/-Reihe zuweisen und darum die
Arch. XXVin, 6 ftlr prazgä aufgestellte Grundform *pr^g-zga ver-
werfen, so wäre auf die bereits zitierten AusfOhrungen Pedersens und
Vondräks zn verweisen. — Zur Bildung von prazgä <C prt^g-zgä vgl.
man ksL muzga <C maud-zgä : üt. mdudyti baden (Johansson, IF.
19, 121).
28 Norbert Jokl,
Der semasiologisch schlfissigen Etymologie r. rachdth^ rachnütb
schlendern, werfen : ksl. vrSiti^ vrhffq idem, ai. rrna^^t stellt Chaipentier
eine andere entgegen : ksl. vraff^ inimicns, got. torikan verfolgen, pei-
nigen, indem er fttr rachdth eine Vorstufe ^vrög^s- annimmt. Daß diese
Dentnng von Seite der Bedeutung irgendwie ttberzengend sei, wird Char-
pentier selbst wohl nicht behaupten können. Sie ist aber auch lautlich
zu verwerfen. Denn die mit ksl. vrag^ sicher zu einer Sippe gehörigen.
Wörter wie got. vmkan^ lit. vafgas Not, Elend, lt. urgeo lassen sich
nur unter einer Basis *vereg vereinigen (Hirt, Ablaut, S. 127, Walde,
LtE.W. S. 691, der ftlr idg. ^vereg die Bedeutungen »stoßen, drängen,
puffen, feindlich verfolgen« ansetzt). Eine Form mit langem Vokal (also
eine »schwere« Basis) lilßt sich für diese Gruppe in keinem einzigen
Falle aus den verwandten Sprachen belegen, ist somit völlig willkürlich
ad hoc konstruiert.
Bei r. strasth Schrecken, ksl. u.s.w. strach% entscheidet sich Ghar-
pentier fttr die Etymologie : *sträg-s<h- : lt. sträges (Erweiterung zu
*8tero in ksl. strSti^ lt. stemo etc.) Diese von Pedersen, IF. 5, 49 ge-
gebene Deutung ist in lautlicher Hinsicht natflrlich vollkommen ein-
wandfrei. Dennoch schienen und scheinen mir semasiologisohe Er-
wägungen die Verknttpfung der genannten zwei slav. Substantiva mit
ksl. tr^q wahrscheinlicher zu machen. Denn nicht nur, daß sich strasth,
strcuikb^ wie man wohl zugeben wird, der Bedeutung nach zu trqsq besser
fttgen als zu sträges das Niederwerfen, Niederschlagen, ist eine solche
Erweiterung der Basis *sterö im Slav. sonst nicht nachweisbar; die
beiden Substantive, deren Bedeutung spezifisch slavisch ist und sich von
der ursprünglichen Bedeutung der Basis recht weit entfernt, bleiben
somit innerhalb des Slav. ohne Anknüpfung. (Bei lit. sträges liegt die
Sache anders, sowohl semasiologisch als morphologisch: strägülus).
Von den bei der Gruppe /(^^t (Arch.XXVDI, 7 ff.) aufgezählten Bei-
spielen ist najaznh, wie ich jetzt nach Einsicht der photographischen
Reproduktion des Izbom. Svjatosl. (herausgeg. von der Russ. Bibliogr.
Gesellschaft) sehe, als unrichtige Lesung zu streichen. Diese Ausgabe
des Codex fehlt den hiesigen Bibliotheken und wurde mir nur durch die
Güte des hochverehrten Herausgebers dieser Zeitschrift zugänglich ge-
macht. Najaznh findet sich übrigens auch noch in Sreznevskijs Mate-
rialy. Durch die Eliminierung dieses einen Beispieles gewinnt natürlich
die Fundiemng des Lautgesetzes an Festigkeit, ein Verdienst der Kritik
Gharpentiers, das hiermit festgestellt sei.
Ein üTBlavisches EntnasalienmgsgeBetz. 29
Die Dentang von r. bazlö Kehle, Sehinnd, Rachen erklärt Char-
penti», YÖllig nnbekttmmert um die Ittckenlose morphologische nnd
semasiologische Erklftnmg (i.jicen Kehle, Schlund illustriert Stamm und
Bedeutung, die zahlreichen angeführten Beispiele stfltzen die Erklärung
des anlautenden b) als »in der Luft schwebend«, allerdings ohne sich
auf eine n&here Begründung dieses Urteües einzulassen. Wie man sieht,
^e zwar bequeme, aber nichts weniger als wissenschaftliche Argumen-
tation. — Prüfen wir nun die von ihm selbst versuchte Erklärung Ton
iazlo <C *bhä{^)g{h)lom : Itfaux, das nach Charpentier »wahrschein-
lich« bh enthält, wobei er sich auf Walde, Lt.E.W. 213 beruft. Was die
Berufung auf Walde soll, ist schwer einzusehen. Denn dort finden sich in
Wahrheit ftir die Erklärung Yon/auz zwei Möglichkeiten verzeichnet: ent-
weder zu einer Wz. *§heu- (gr. x^l^V^ ^* Gaumen und vielleicht sL zStybj
für das letztere Petr. BB. 21,214). Dann stimmt natürlich der Anlaut
bh mcht und das Slav. hat eventuell obendrein noch eine andere Ent-
sprechung. Oder aber zu ai. bhükas Loch, öffiiung, aisl. bauka wühlen,
graben. Hiervon ist bL bhükas ein unbelegtes und zweifelhaftes Wort.
Von Seite der Bedeutung ist diese Erklärung Yon fatix, das ja keine Be-
ziehung mehr auf Wühlen, Graben enthält, entschieden weniger an-
sprechend als die erst angeführte (cf. mhd. goume auch Kehle, Bachen).
Und doch steht und fällt das anlautende bhy das für Charpentiers Er-
klärung von r. bazU notwendig ist, gerade mit dieser zweifelhaften Er-
klämng von faux, — Zu den bereits angeführten Fällen von anlauten-
dem b = ob seien noch folgende hinzugefügt: wr. böloki = oblaka^
r. böhkofm = obolokorm (Ak. Sl. I, 235), klr. badä Hindernis : vd-
dyiy hindern, im Wege stehen.
Wenn Charpentier endlich meint, ich wollte die von Pedersen KZ.
38, 312 gegebene Zusammenstellung von ^Ljazh stomachus, canalis
U.8.W. mit lit. aii^ti durch eine andere Etymologie ersetzen, so wird ihn
jeder aufinerksame Leser der Stelle (S. 8) sofort eines Andern belehren.
Im Gfegenteil, diese Deutung wurde von mir ausdrücklich gebilligt (Z. 19
u. 20 V. o. : »wohl mit Recht zu aiiytU). Wohl aber schlug ich für die
von Pedersen, Fortunatov und Bezzenberger vermutete Vermischung der
Sippe mit lit. eie Feldrain aus semasiologischen Gründen Vermischung
mit der Sippe Yonj^tt : hj'imka Fanggrube, Notdamm vor, und daran
vermag Charpentiers Widerspruch, der jimka unmittelbar mit jdma
Grube verbindet, nichts zu ändern. Denn bei unmittelbarer Verknüpfong
You Jimka xmäjama könnte das erstere nur das Deminutiv zu letzterem
30 Norbert Jokl,
sein nnd nur Qrflbchen, nicht aber Fanggrabe, Notdamm bedeuten. Und
in der Tat existiert ein solches Deminntiv mit dieser Bedeutong aneh,
heißt aber freilich nicht /«VTi^a, sondern /am^a. Znm Überfluß aber ge-
hört ydma selbst züj^ti (Gebauer, Hist. ml. I, 611], ist also mt jimAa
sippenverwandt, wenn auch nicht sein Stammwort; Charpentiers Deu-
tung Yon jimka ist also auch darum ohne Belang.
Den folgenden Fall: russ. ulaznyj : ksl. tdij alveus etc., pr. auUnis
Stiefelschaft sucht Charpentier dadurch zu beseitigen, daß er den Zu-
sammenhang von pr. aulinis mit ulij und damit mit ulaznyj bestreitet
und hierftlr pr. aulinis zu lit auntt, aüti Schuhe anziehen stellt. Letz-
teres ist ja natttrlich sehr richtig, nur gehört eben ksL ulij u.8.w. gleich-
falls zu Ut. aüti^ somit gleichfalls zu pr. aulinis (Bemeker, Pr. Spr.
S. 282, Walde, LiE.W. S. 22, Meringer, IF. 16, 160). Es ist also gar
nicht einzusehen, was durch Hervorhebung des Zusammenhanges von
pr. aulinis mit lit. aüti gewonnen sein soll. Zweitens bestreitet Char-
pentier sehr apodiktisch das Vorhandensein von nas. son. in aulinis, in-
dem er hierin m-Ableitung erblickt. FUr die Möglichkeit der Deutung
von halt. -tVaa-, sl. -b»o-, als idg. -^no- sei zunächst auf Brugmann, Or.
n, S. 140 verwiesen. Im übrigen wäre es ziemlich müßig, darüber zu
rechten, ob in aulinis und in uiaznyj ^ oder in anzusetzen ist. Denn
daß ^ sl. bn ergab, gibt ja auch Charpentier gleich einleitend zu. Nun
zeigt aber ksL uly innerhalb des Slav. selbst nasale Weiterbildung:
slov. ulnjah, klr. ulenb, beide <:^ *ul%n. — Dies spricht somit aufs deut-
lichste ftlr den Ursprung von r. ulaznyj <^ *uhnrzn, das an das dem
slov. und klr. Wort zugrundeliegende *ulhn'- ein -zn-Bnß. hat antreten
lassen. Ob aber in dem zugrundeliegenden *uhnrzn- sL hn auf ^ oder
tVi zurückgeht, ist bei dem Alter der Weiterbildung mit -zn" unentschei-
dend, ja unentscheidbar. Denn Suff, -zn- ist ja erst spezifisch slavisch.
Wäre *ulinzn-' fertig aus proethnischer Zeit überkommen (woran jedoch
bei dem Stande der Dinge gar nicht zu denken ist), so hätten wir im
Slav. nur *ulizn-. Mit andern Worten: Will man -hn- in *ulhnr' aus in
herleiten, so ergibt sich, daß ulaznyj <C *ülhn-zn- aus einer Zeit staomit,
da in bereits zu hn geworden war. Und daß dieses Ergebnis auch durch
andere Tatsachen gestützt wird, wird sich weiter unten zeigen. — Die
Zerlegung ul-azn- wäre ganz willkürlich und ohne Beispiel.
Im folgenden seien weitere FäUe der urslav. Entnasalierung aufge-
zählt: i. (mähr.) hästor = städo husf, zästup lidi Herde Gänse, Haufe
Menschen (Bartos, Dial. slovn. mor. S. 91). Das Wort stinmit demnach
Ein nnlaviBches EntDaBaliemngsgesetz. 3 1
in der Bedentong yollkommen zu p. g^sttoa Hanfe, Menge, Schwann,
r. güSöa Mensohenhanfe : ksl. n.B.w. gc^tt dicht. Alle drei Snbstantiva
gehören zugleich mit ksl. gomolja maza, sIot. gomolja Elnmpen, go-
molja ptiSev dichte Schar Vögel, i. homule Mehlbrei, p. gomoika Qnark,
o.*l.'a. homola Klumpen, r. gotnöla Masse znr Sippe von ksl. ihrnq, iqti
comprimere, gr. ysiio} bin voll, strotze, yd^og Fracht, Last, yi^oq
(neiitr.), lett gumstu senke mich langsam auf einen, It gemo (vgl. über
diese Sippe W.Meyer, KZ. 28, 174, Bmgmann, IF. 13, 88, Miklosich,
SLW. 408 und über die Trennung dieser Sippe von einer andern Walde,
Lt£.W. 262 gegen Prellwitz, Et.W. d. gr. Spr.3 92, wo weitere Lite-
Tataraogaben). Die Bedeutnngsentwicklung, die 5. hdstor^ p. gqstwa^
r. guiSa gegenüber ksl. gomolja^ o.-l.-s. hotnola Klumpen aufweisen,
s^gt sich ja auch im slov. gamoljCL ptidev dichte Schar Vögel gegenüber
gomolja Klumpen, sie ist femer genau dieselbe, die deutsch Masse^
mhd. mässe ungestalteter Stoff, Metallklumpen, dann Menge (aus lt.
massa) durchgemacht hat, und ist des weiteren identisch mit der Be-
deutnngsentwicklung von r. gromada^ i. hromada Haufe : engl, to cram
voQatopfen, anfüllen, ahd. krimman drücken (Zupitza, Gutt 149, Lid^n,
Stud. z. ai. u. ygL Sprachgesch. S. 1 5). Lautlich ist hdstor <C gi^-s^tor^
gun-^-toVy zeigt also dieselbe Stufe wie ihmq und bestätigt somit die
Chronologie, fOr die in i, hasdk^ hastroi bereits Belege geliefert wurden.
In morphologischer Hinsicht ist das -s- der Rest des alten «-Stammes,
der noch in gr. yi^og erscheint. Da nun -orb ein auch sonst im Slav.
nachweisbares Suffix ist (Miklosich, Gr. II, S. 91 ff.: S. sochor Hebel,
akfv. grahor Wicke u.s.w.), so erhalten wir für hdstor eine Vorstufe
*gfan-s-t- und damit eine Bildung, die den Weiterbildungen von «-Stäm-
men: Wi, Auksztas^ aüksztas^ lt. crti-s-ta, augusius, angusttiSy honestus^
mhd. wul'S't : gr. eiAo; (Persson, BB. 19, 271 f.) yollkommen entspricht.
Formantisch nicht anders beschaffen ist ksl. gqstb dicht, über dessen In-
lantenden Vokal (q — Vollstufe, nicht etwa Schwundstufe ip) Pedersen,
KZ. 38, 396 f. gehandelt hat. Da es sich nun nach dem Obigen um
einen alten «-Stamm handelt, so\st q<C. om ebenso zu erklären wie in
sL kolo (ygL pr. kelan Rad), gr. Sxsa neben älterem ex^atpiv^ d. kalb
(ef-Flexion yon *g^elbhe8'' m gr. &d€lq)€(a)6g Bmder, a yon a^olbho-
in ai. garbhor Mutterleib, gr. doX(p6g) (Meillet, Et. s. T^t. U, 357, 358,
Brugmann, Or.^, II/i, S. 521, 523, 524), d. h. o in gqstb ist yon Fällen
wie gomolja eingedrungen. Daß in der hdstor zugrundeliegenden Form
^gf^rS^t-oTj *ghm'S*t'0r sowohl die Wurzelsilbe als das Ableitungssuffix
32 Norbert Jokl,
auf der Tiefstufe erscheinen, ist nach den Beobachtungen J. Bchnoadts
(Pluralbildungen d. Neutr. S. 148 u. 379) durchaus begreiflich; vgl. gr.
a§-lr7j : rai^a-i^xi}^, aL ruAs-d^ : röcis u.8.w. Was endlich die Betonung
von r. gusiöj anbelangt, derentwegen Pedersen, EZ. 38, 373 in dem
Wort ein Partiz. yermutet hat, so ist es nicht weiter auffallend, daß diese
^a-Bildung dem Betonungsschema der Bildungen mit part.-suff. -to^
folgte. — Nur nebstbei sei in diesem Zusammenhange noch l. hmota,
älter homota Eiter, Materie, Stoff erwähnt. Schon Matzenauer, Listy fil.
7, 215 stellte dieses Wort zu gr. yi^og^ yöfiog u.s.w. Und diese Deu-
tung scheint in der Tat wahrscheinlicher zu sein als die jetzt yon Qe-
bauer, Slovn. staro£. 1, 434 gegebene, wonach das Wort aus lt. humectus
entlehnt wäre. Denn wenn sich Gebauer zur Erklärung der Bedeutung :
Eiter-Materie auf mhd. maVsrje Stoff, Flüssigkeit im Körper, Eiter be-
ruft, so kann dieses Wort ebensogut die umgekehrte Bedeutungsentwick-
lung erweisen, nämlich 1) Materie, Stoff, 2) Eiter, Flflssigkeit un Körper.
Die Bedeutung Materie aber, die homota hat, vergleicht sich der von r.
gomolja Masse, von dem das i. Wort nur im Suff, verschieden ist. Zu-
dem wäre bei Entlehnung aus humectus das o der 2. Silbe von homota
schwer verständlich.
Wr. maienne Einbildung : ksl. mhniti putare, mhniti s^ videri, i.
mnStty mniti meinen, wähnen, glauben, dünken, demnach <[ mtn-z-.
Die Weiterbildung ist dieselbe wie in dem oben erwähnten 5. (mähr.)
rozpaiiti : ksl. pqti und im slov. meiitü Die Bedeutung des weißruss.
Wortes ist g^enüber der von ksl. mhniti, (. mniti ^ur ganz leicht spe-
zialisiert, eine Nuance, für die übrigens zahlreiche Parallelen angefahrt
werden können. Man vgl. lt. commentus ersonnen, commentum Erdich-
tung, d. denken (im Mhd. auch a ersinnen), h mysliti neben denken
auch sich einbilden, d. Dünkel : dünken (eigtl. erscheinen, also = mh-
niti 8^), Nun ist hn in ksl. mhn/q = idg. ^ (Brugmann, Gr.^, I, 398).
Der Fall zeigt also aufs deutlichste die slav. Entwicklung des ^ in dieser
Stellung. — Zur Wz. men- gehört femer r. mainyj mutig, fröhlich, das
sich der Bedeutung nach mit gr. [livoq Mut, Kraft, Streben vergleicht,
Russ. savrdska 1) hellbraunes Pferd, 2) Art Meth mit Hopfen,
savräsyj, soträsyj rehhaaren (Farbenbezeichn.), insb. savräsaja löiadh
= savräska. Den Schlüssel zur Analyse dieser Wörter bietet r. sükrasnh
das Rötliche, die rötliche Farbe <C su-, ursl. sq- + hrämyj rot. Andere
mit %q zusammengesetzte Farbenadjectiva zur Bezeichnung von Nuancen
9. bei Löwenthal, Die slav. Farbenbezeichnungen (Diss.), S. 46. Soträsyj
Ein onlayischeB EntnaflalierangsgeBetz. 33
cndiilt sOj nrsl. s^J also die Donblette von sq -{- voronoj schwarz (vo-
nmdja loiadh der Bappe], ursl. *vom- 4- S^^- *^~ Brann also eigenfl.
»mitaehwarz, beischwarz«. Daß Farbenbezeichnimgen für brann in der
Tal anch sonst von schwarz hergenommen sind, darüber vgl. man Schra-
der, Beal-Lex. 8. 109. Verwendung von Suff, -«o- in Farbenbenennnngen
ist gleichfailB nachweisbar : ksl. rusz^ rys^ <C *rud-az, ^ryd-s^ neben
ndrb und ryidb <C *rydrj%^ lt. russus < rtsdhsos neben rüfus^ rüber ^
Sofansen, KZ. 38, 441 ff. Demnach würden wir *80t>oräsyj erwarten.
Daß sieh die Schreibart aovrdsyj findet, ist bei der stark reduzierten
Aassprache der unbetonten Vokale im Rnss. und bei dem durch den
Lautwandel geschwundenen GefOhl des Zusammenhangs mit f>orma ge-
wiß nicht befremdlich. Man vgl. übrigens den ganz analogen Fall von
r. prüami/j widerlich sflß, fade <[ -toron- nach Ausweis von ksl. pri-
tranb (IGklosich, £.W. 359), r. blond Haut neben bolond. Auch
weist ja, da das Wort, wie gezeigt, mit sz zusammengesetzt ist,
Lid^ Gesetz darauf hin, daß in -vras- die Gruppe vr nicht ursprüng-
lich ist Die Schreibung savrdsyjj neben der sich sovrdsyj findet, ist
akavistisch. — Auch die zweite Bedeutung, die savrdska hat : Meth mit
Hopfen zeigt aufs deutlichste den Zusammenhang mit vorona^ ursl.
^wma : russ. vorondkb der Meth. Das Getränk hat also seinen Namen
von der Farbe; man vgl. das heutige deutsche: »die kühle Blonde« für
das helle Pilsner Bier. Da nun in ursl. *vorn- das n konsonantisch ist,
80 wird durch sov(o)rdsn/ zun&chst eine Zwischenstufe *t?(7r^-£- und
weiterhin *vorbnr'8 reflektiert. Femer liefert sovrdsyj auch einen An-
haltspunkt für die chronologische Fixierung des urslav. Entnasalierungs-
voigangs. Dieser fUlt nämlich vor die einzeldialektisch gesonderte Be-
kandhing der Gruppe torU Dies stimmt natürlich sehr gut zu dem Cha-
rakter der Entnasalierung als einer urslavischen und fügt sich ebenso gut
zu dem durch i. haadh^ hastroi^ hdsior etc. für die relative Chronologie
gewonnenen Datum. Denn wenn die Entnasalierung vor die Zeit des
ersten Palatalismus, der ja aUen slav. Sprachen gemeinsam ist, fWt, so
ftnt sie um so mehr vor die Veränderung der ^or^-Gruppe, die ja nicht
m^ gemeinslav., daher jünger als der erste Palatalismus ist. — Ganz
verkehrt wäre die Ansicht, die für aotrdsyj zwar Verwandtschaft mit
^oom annähme, das -o«- aber als einheitliches Suffix auffassen wollte;
somit -^or-aS" zerlegte. Denn die slav. Farbenbezeichnungen mit Suff.
-n- und dem nach -ao- erst aus -e«- umgebildeten -a«-, wie r. bSlisyj^
p. bialasy weiBlich (das poln. Wort nach lialawy)^ klr. 8yni8eAkyj\
IrehiT fix sUtImIi« Pkiloloffi«. XXIX. 3
1
34 Norbert Jokl,
recht blau, p. iattasi/j die auch durchwegs dieselbe Bedeutungs-
naancienmg enthalten wie sovrasf/i/j stehen ja neben slav. Farben-
adj., r. hSIu/y p. iöity, sind also anf slav. Boden erwachsen (Bolmaen,
KZ. 38, 442). Ein *vor-j von dem man bei dem Ansätze *vor'a8'' aus-
gehen müßte, ist aber im Slav. in der Bedeutung schwarz, die zugrunde
zu legen wäre, nicht nachweisbar. Es bleibt also nur noch die Möglich-
keit, *vor-as- als eine alt überkommene, mit *vom' parallele (n&mlieh
wurzelverwandte, aber im Suffix verschiedene) Bildung anzusehen, was
ja für dieses, eine Farbennuance bezeichnende Adjektiv schon an sich
unwahrscheinlich wäre (cf. Löwenthal, a. a. 0. 8. 44). Doch könnte man
sich hierfür scheinbar auf ksl.pß/^% grau berufen, das Bolmsen, 1. c. mit
lit. pälszaSy lt. *palloSj puUus vergleicht (also pel-es-). Allein ganz ab-
gesehen davon, daß Solmsen selbst die Möglichkeit zugibt, in ksl. pelesh
eine Bildung mit Deminutiv-Suff. -ko^ zu sehen (so Löwenthal, 1. c. S. 20),
so müßte man bei einer Grundform *vor-as- erst Umbildung aus vorweg-
annehmen — denn ursprünglich ist eben nur dieses Suffix (Solmsen, I.e.)
— , ohne daß man einzusehen vermöchte, nach welchem Muster sich diese
vollzogen haben sollte. Denn ein *vor'-av^ gibt es nicht. Ist aber *vor^es
isoliert, dann ist Umbildung nicht wahrscheinlich, wie ja auch pelen ge-
blieben ist. Die ganze Unwahrscheinlichkeit einer Grundform *vor'HiS''
ergibt sich aber — und daraufist besonderes Gewicht zu legen — daraus,
daß diese angeblich aus proethnischer Zeit überkommene Bildung sieh
bloß in dem erst slav. Kompositum mit sh erhalten haben soll, ohne daß
ein zugrunde liegendes simplex *voraS'' vorhanden wäre, während doch
die übrigen, Farbennuancen bezeichnenden Adjektiva, die mit Präpo-
sitionen zusammengesetzt sind [sq^ na^ pri) neben Farbena^jectiva (sim-
plida) stehen (Löwenthal, 1. c. S. 45 f.). Sehr begreiflich; denn das zu-
gehörige Simplex ist eben in Wahrheit *vorn'.
Apoln. poch miejsce w lesie, gdze wyr^buj^ drzewa (Slown. j. p. p.
red. Earlowicza Bd. 4, S. 2), das Wort stimmt in der Bedeutung voll-
kommen zu r. penhe ausgerodeter Platz im Walde (eig. ein CoUectivum
»die Baumstümpfe«, was es gleichfalls bedeutet) stellt sich somit deutlich
zu p. piei^, r. penbj pnj'a, s.-kr. pänj u.s.w. Baumstumpf, Stock als
*phn''ch^. Vergleicht man diese Grundform mit dem gleichbedeutenden
russ. penhe, so ergibt sich für das cA-Suff. EoUektivbedeutung. Und in
der Tat finden wir eine solche auch sonst ftlr dieses Suffix: r. 6truch^ =
dem plur. ötrubi die Kleie. — So erklärt sich denn auch: p. pasza (Sk,
j. p. Bd. 4, 81) = knieja Waldung. Dazu vgl. man p. napni wyjeohad
Ein mslavisohes EntnaBalierongsgesetz. 35
= do lasu w. in den Wald fahren. Im Rnss. bedeutet penh auch noch
Waldbienenstock, Bienenstock; diese Bedentang zeigt sich auch dentiich
iB r. pdinja Bienenarbeit — Femer geh(^rt wohl hierher : i. pazattch
I) Nebeiisehoß, Schößling; 2) Hirschhomzinke, r. pazffdth aufschießen,
schnell wachsen. FQr das Sech. Wort wird ein bereits nrslav. a durch das
niB8.yerb gesichert; pazouch<Cphfk'Z'^uch^, ZurBedeutungsentwicklung
N^mnaehoß-Baumstumpf ist zu vergleichen : klr./?«92(;t^Ät Wurzeltriebe :
penh (Mlklosich, Gr. n, 290), frz. ecot Baumstrunk (Lehnwort aus dem
deutsehen Schoß, Kluge, E.W.<^, 352). Die Bedeutung von t. pazgätb
gegenftber c. pazouch Schoß findet an d. Schoß^schießen ihre Parallele.
Aber auch die zweite Bedeutung von 6. pazouch Hirschhomzinke (konec
u parohft) findet ihre Erklärung aus 5. peA = dolnl iist' parohu.
Boss, pazgäia lang aufgeschossener Mensch, das natflrlich zu paz-
gdi% gehört, yerhillt sich zu h pazouch Schoß semasiologisch genau so
wie gr. ^daX6g aufgeschossen, schlank : ^Adafivog junger Zweig. —
Man veigleioht ursl. jobnt» gewöhnlich mit ^X.pinäkam Stab, Stock, Keule
(ühlenbed:, £.W. d. ai. Spr. S. 166), gr. TtLva^ Brett, Schreibtafel (Prell-
wits,£.W. d. gr. Spr«', S. 369); und in der Tat hat der Bedeutungs-
nterschied zwischen dem griecL und slav. Wort nichts Befremdendes,
wenn man sich die Bedeutungen von It caudex^ codex Baumstamm,
Ekrti, Sefareibtafel (Walde, Lt.£.W. 106) vor Augen hält.
Somit wäre für das ursl. wi von in auszugehen und die eben be-
sprochenen Wörter sind Weiterbildungen mit -z^ und -cA-Suff., die auf
slaT. Boden zu einer Zeit erwuchsen, als in bereits zu hn geworden war ^),
Boss. Boläzki kleiner HandschUtten. Das Wort stellt sich zu s.-kr.
Ȋoni der Schlitten. Da nun dieses aus *8alhni entstanden ist, so ergibt
sidi flbr saläzki die Qrundform ^salhf^-z-ki. (Ober das Verhältnis von
8.-kr. säoni zu i. sdnS^ r. sani u.s.w. wird bei anderer Qelegenheit ge-
handelt werden. Miklosich [E.W. sub 8ani\ steltt s.-kr. s&oni ohne Er-
klinmg zu sani^ während Matzenauer [Listy fil. 19, 245, 246] beide
Wörter von einander trennt). *sahni als Vorstufe von skr. sUoni wird
iriedemm durch s.-kr. salinac Schlittenkufe <C ^saUinrhch gestfltzt.
1] Wiedemann identifiziert (BB. 27, 257) 6. pazouch Nebenschoß mit h,
tu.w.) pawaeha Achsel < *pök mit s-Snff., was semasiologisch durchaus nicht
so befiiemdlich ist, wie es auf den ersten Blick erscheinen könnte. Allein in
dieeem Falle mtlßte Lpazoueh Schoß von t. pazgätb schießen getrennt werden,
WB8 wohl nicht angeht. Auch reicht diese Deutung fUr die zweite Bedeutung
ro« L pazaueh nicht zu.
3*
36 Norbert Jokl,
*salr'hni und ^sdlrin-hcb zeigen also das Nebeneinander der im Ablaats-
verhftltnis stehenden Suffixe sl. -hnr und -in- <^ -iV und -if^. Bei
r.' saldzki handelt es sich gleichfalls um Weitersuffigierung eines -^n-
auf slav. Boden durch sl. -zr-, — Den Zusammenhang von s.-kr. 8aont\
salinacj r. saldzki erkannte bereits Matzenauer, a. a.O. 8. 246, allerdings
ohne diesen Zusammenhang morphologisch zu erklftren. Seine Ansicht,
daß s.-kr. säoni aus *8<ilni entstand, ergäbe als erste Vorstufe fOr saldzki
*sal^Z'j woraus dann ^sahn-Z". Der Unterschied von der obigen Auf-
stellung ist minimal. Doch vgl. man aalinac ^). — Das Nebeneinander der
Suffixe -in- und -Inr ist auch sonst zu erweisen. Cf. Osthoff, MorphoL
Unters. 4, 357 Anm. 1) und S. 196 [fst.ifdiv'tvog) und fttr das Slav. Mi-
klosich, Or. ü, S. 146 (ksl. razliSinb neben razlOhnb). Ein weiteres Bei-
spiel aus der Ortsnamengebung sei hinzugefllgt : &. Bzenec (Stadt in Mähren)
zu 5. (u.s.w.) bez HoUunder (liCklosich, SLOrtsn. aus Appellativen, Tl. 2,
S. 1 1 des SA. ; Wr. Denkschr. 23) hat neben sich Bzinek (Ortsteil und Flur-
name in der genannten Stadt). Bzenec <^ *Bhz^hnrhch^ gen. *B^z•hn''hca.
Die bekannte Schablone in der Behandlung der Halbvokale würde ein
Paradigma *Beznec^ Bzence erwarten lassen; durch Ausgleichung
entstand Bzenec, Bzence, Man vgl. dialekt. (mähr.) ievc, ievce fOr
schriftsprachL ivecy ievce, Bzinek stimmt vollkommen zu p. bzina Hol-
lundergesträuch, 6. (diaL) hzejna <[ b%zina^ bzina, bz^na, woraus end-
lich bzejna (Flajshans, Listy fiL 23, S. 160 und 22, S. 74).
£ech. (mähr.) zatasene zuby = zafaie zuby (Bartos, Dial. sl. mor.
S. 531). Die mit 8 erweiterte Form ist also mit zafat^ (: ursl. t^ti) voll-
kommen synonym und bezeugt durch ihre Vorstufe ^trpnS', tbtnrs^ den
Entnasalierungsvorgang auf das schlagendste. So erklärt sich auch klr.
idska Schlag ins Genick, wie ja denn klr. tjdty außer schneiden auch
hauen, schlagen bedeutet Zu ursl. tqti gehört femer r. (VoroneH) tdika
die Achselhöhle. Die Bedeutungsentwicklung ist die gleiche wie in deutsch
Schulter'. Wz. skel spalten und ähnlich wie in gr. ^laaxA^ Achselhohle,
dessen zweiter Teil zu axctllg Gabel gehOrt (Prellwitz, E.W. d. gr. Spr.>,
S. 283). — Gleichfalls hierher gehOrt: r. tdika Tasche, 5. idem (hier
aber noch in anderen Bedeutungen, s. unten), ap. taszka Behälter (foru-
lus: Brflckner, Prace fil. 5, 48), slov. taika^ Ur. tdika Tasche. Auf den
ersten Blick könnte es scheinen, daß dieses Wort aus dem Deutschen
1) Da iäoni und aalinac sich gegenseitig stützen, ist in slov. saninee das
erste n als durch Assimilation entstanden zu erklären; hierbei wirkte auch
«ont ein.
Ein üTBlaviBches Entnasalierangsgesetz. 37
entlehnt ist, wie dies Miklosich, Fremdw. S. 60 des SA. auch wirklieb
annahm. Allein bei Entscheidung dieser Frage ist vor aUem zn erwägen,
daß Tasche innerhalb des Oerm. in älterer Zeit nur dem Deutsch, bekannt
(ahd. tascUj tascha, dascüj dasga) nnd hier selbst dunklen Ursprunges
ist (ao Eloge, E.W.^, 390 und Heyne, Deutsches Wb.^, Bd. 3, Sp. 938,
939). Ins Mnd. [taske^ tauche) und Anord. (taaka) ist das Wort erst aus
dem Hd. aufgenommen worden, ebenso ins Italien. (Heyne, L c). Die
bei Kluge, 1. c. erwähnte Ableitung aus rom. taxare über *taxicaref wo-
nadk Tasche eigentlich »Taglohn, was man im Säckel trägt« bedeuten
soll, befriedigt wenig. (Ober ältere, und, wie die angeführten Stellen aus
Eloge und Heyne lehren, heute nicht mehr gebilligte Erklärungsversuche
8. Dies, Et.W. d. rom.,Spr.^, S. 317. Abgelehnt wurden diese Erklä-
nmgen auch schon von Weigand, D.Wb. *, H, S. 878). — Im Slav. hin-
gegen ist dieses Wort weder isoliert — man halte sich die oben ange-
Alhrte Bedeutung von r. tdika Achselhöhle und die weite Verbreitung
▼on taiia Tasche gegenwärtig — noch dunkel. Denn stellt man es zu
f^ so erhält man für Tasche die Grundbedeutung »Spalt«, was sema-
dologiseh sehr wohl zu begreifen ist. Man vgl. d. Schlitze = Spalt und
Tasche (Sanders, D.Wb. s. v.). Daß das sl. / von taSka als 9 in ahd.
iMca erscheint, ist bei der /-artigen Natur des ahd. s verständlich
(Braune, IF. 4, 343 Anm. und Beitr. z. Gesch. d. deutsch. Spr. 1, 530).
Oans besonders aber sprechen fOr die Ableitung taika : tqti die Bedeu-
tungen, die S. taika des weiteren hat: Dachziegel. Dies verhält sich zu
t^ti hanen, spalten genau so wie got. akalja Dachziegel : lit. skSlti spal-
ten, anord. skUja spalten, got. skilja Fleischer^ gr. ayiAXXfa hacke (Fick,
I^, S. 566, Zupitza, Gutt. S. 151, Walde, Lt.Et.W. S. 549), wie lt. scann
dula Daehschindel : 9i.8khadate spaltet (Walde, I.e. 550), gr. (T^ti^da^-
u6g Sehindel : oxi^o) spalte (Prellwitz, E.W. d. gr. Spr.', 446). Auch
in dieser Bedeutung ging das slav. Wort ins Deutsche, u. zw. in den
bair.-dsterr. Dialekt über (Schmeller, Bayer. Wb.', I, 627) i). Eine wei-
tere Instanz ffir den Ursprung von taika aus t^ti spalten ist 5. taika =
Scbreibtafel. Das Bedeutungsverhältnis ist genau dasselbe wie in got.
ipilda Schreibtafel gegenüber ahd. spaltan^ nhd. spalten. Ebenso ge-
1) Da t^i im Slav. zumeist vom Holzspalten gebraucht wird (cf. die Zu-
gammenstellungen bei Osthoff, IF. 5, 323 Anm.], so ist es möglich, wenn auch
im Hinblick auf got akalja nicht unbedingt nötig, daß iaika ursprüngl. Dach-
Behindel bedeutete, ein Ergebnis, das zu kulturhistorischen Erwägungen
itimmt (Heyne, Deutsches Wohnungsw. 89, Schrader, Beal.-Lex. S. 987, 988J.
38 Norbert Jokl,
hören gr. axidr] Tafel, Blatt, lt. scheda zur Sippe von sdndo^ <^X^^^
(Prellwitz, E.W. d. gr. Spr.*, 145, Walde, Lt.E.W. 550).
In t^tij tbnq ging das n ans mn hervor (: gr. Täfiro), J. Schmidt,
Kritik der Sonantentheorie, S. 138, Osthoff, IF. 5, 323 Anm., Pedersen,
ElZ. 38, 351). Für täika erhalten wir also eine Omndform ^twir-ch.
Der nrsprflngliche Verbalstamm zeigt sieh noch in p. (diaL) ömachnqö =
nder2y6 schlagen. (Verzeichnet ist dieses Wort bei Z.Ologer, Prace fil. 4,
808 nnd darnach im SJ:own. j. p. snb y.). Dieses poln. Verbnm stimmt
sonach in der Bedeutung vollkommen zu r. tnuth schlagen. Es w&re ver-
lockend, auch das -ach-- ans dem nrsprOnglichen Pr&sensstamm von t^ti
zn erklären, somit *tbm^^h'. Doch könnte das -acA- von ömachaö
schließlich anch auf nrsprttnglichem ö beruhen^ da ja die Wnrzelform
*teme durch die verwandten Sprachen bezeugt ist (Hirt, Ablaut S. 96).
Indes ist die letztere Ansicht minder wahrscheinlich, da die Verba de-
verbativa auf "ckati relativ jungen Ursprungs sind (Pedersen, IF. 5, 51),
ein Verbalstamm *thmö im Slav. aber nicht vorkommt. Jedenfalls spricht
das inlautende m des p. ömachaö neben dem sonstigen p. tn^ und naci-
naö für die Altertümlichkeit des Wortes innerhalb des Poln. und zdgt,
daß J. Schmidts Ansicht (Kritik d. Sonantentheorie S. 138), wonach das
im Präs. von t^ti entstandene n auch alle wurzelverwandten Bildungen
des Slav. durchziehe, den Tatsachen nicht völlig entspricht.
Poln. ffrasica Brustdrüse, Thymusdrüse : ksl. ffrqdhy r. ffrudhy c.
hrtid^ Brust und diese (Wiedemann, BB. 13, 310) zu gr. ßqivd-og^ ß^Bv-
^iead-ai sich brüsten, lt. grandis (Wz. g^rendh-). Die Grundform von
p. ffrasica ist ^gr^d-s-y ffrhnd-s-. (Die Brustdrüse ist eine lange,
schmale, hinter dem Brustbein liegende, bei Embryonen und Kindern
selbst über diese hinausragende Drüse. Im spätem Alter nimmt sie an
Oröße allmählich ab). Die 6-Stufe zeigt das zu grqdh sich semasiologisch
gut ftlgende p. grz^zy Euter des Elenweibchens, der Hindin, Rehgeis.
Zum Begriff »schwellen«, den die Vergleichung für die Wz. g^rendh-
ergibt, verhält sich p. grz^zy wie ksl. vymq Euter : r. uditb anschwellen.
(Über diese beiden zuletzt angefahrten Wörter: Johansson, Beitr. S. 1).
In morphologischer Hinsicht zeigt grzqzy <[ *grend-z- das Suffix -z,
grzqzy und grasica weisen also dasselbe Nebenetnander der Suffixe -z-
und -5- auf, das schon des öfteren, so bei r. glazb, i. hläsati u. a., zu
beobachten war.
Klr. tächnuty langsam verlöschen, trocknen, am Leibe vergehen.
Daß hier ein Nasal im Spiele ist, zeigen deutlich die folgenden mit dem
Ein urslaTiBehes EntnasalienmgageBetK. 39
angefUiTien Bynonymen Yerba: klr. potuchäty erlöschen, wr. tüchnud^
T. tuehnuih^ -^.przyt^chnqö. Diese zuletzt erwähnten Yerba wurden von
Miklosich, E.W. 358 unter tonch-l angeftlhrt. Klr. tdchnuty ist an dieser
Stelle ebenso libergangen wie bei Osthoff, Etymol. Parerga I, B. 354 Anm.
Bnaa. tüehnuth u.s.w. fügt sich semasiologisch sehr wohl zur Sippe
▼OB lit. iamsä Unstemis, Dunkel, tSmti finster werden, lt. teneh'oe
1I.S.W., wie dies schon Brandt, Bussk. fil. Y^tn. 25, 30 und Pedersen,
IF. 5, 57 Anm. 2 gelehrt haben. Man vgl. mhd. dampfen = (das Feuer)
entieken: dumpf, das mit dunkel verwandt ist (Kluge, E.W.<^, S. 71)
mit r. iuMt das Feuer ersticken, welches Yerbum Faktitiv zu tüehnuth
erlöschen ist EJr. tdchnuty steht nun zu r. tüehnuth u.s.w. im Ablauts-
▼«MltniSy demnach: ^tf^h^, thm-ch-, weist also dieselbe Yokalstufe
wie thma Finsternis [fpm: Brugmann Gr. 2, 1, B.417) und wie lit. timsras
anl Osthoff a. a. 0. sucht nach Lorentz' Gesetz r. tüehnuth aus ^tufich"
hersnkiten. Wie man sieht, spricht, abgesehen von allem andern, auch klr.
tdckmUy dagegen. — Aber auch die von Miklosich, E.W. 358 unter
i4mch'2 angefahrten Wörter wie slov. otöhniti se dumpfig werden, zof
idhel dumpfig, i. tuehnouti dumpfig, muffig werden, p. tqehnqd idem,
r. tucAnuth faulen gehören zur Sippe von thma. Als Beispiel fOr die
Eotnasalienmg in ^eser semasiologischen Gruppe ist Ish.potachdiy kre-
pieren (also eigenÜ. verwesen) anzufahren. Für die Yerwandtschaft der
Begriffe »finster« und »dumpf« bietet das deutsche dumpf neben ndl.
dcmpiff feucht, finster, engl, dank feucht, dumpfig zu d. dunkel eine Pa-
raflele (Kluge, E.W.^, S. 85). Noch deutlicher aber wird die Zugehörig-
keit der angefahrten slav. Yerba zur Sippe von thma durch S. potuehl^
erwiestti, das einerseits dumpf, muffig, andererseits dttster bedeutet, dem-
nach mit temn^ synonym ist. — Ob auch das mit u aberlieferte ksl. po-
iuehnqti qniescere einen Nasal (also eigti. potqehnqti), wie Miklosich,
E.W. 1. c. und Osthoff a. a. 0. lehren, enthält oder ob das u etymologisch
berechtigt ist (so Miklosich im Lex. Pal.-sl., Bemeker, Preuß. Spr. S. 328 :
pr. tusHse er schweige und jetzt Lid6n, IF. 19, 339) ist nicht leicht zu
entschdden. Doch hat die letztere Ansicht die größere Wahrscheinlich-
keit tOr sich. Denn für sie spricht slov. potuhnoti stille werden, das
Miklosich im E.W. unter toneh nur mit einem »Ygl.« unterzubringen ver-
mag. Im Slov. trat Obrigens Yermischung beider Sippen ein. Man vergl.
potuhniti neben »stille werden« auch »verlöschen« mit tohniti im Yer-
lOschen begriffen sein. — Auf einem andern Brette steht wohl r. toehnuth
abstehen (von Fischen), krepieren. Denn dieses Yerb steht neben einem
40 Norbert Jokl,
synonymen döchnuih <C dzch- = i. zdechnauti. In Fällen wie dbchn^
ergab sieb lantgesetzlich dchnUy was phonetiscb = tchnu ist; nnd dieses
findet sieb ancb tats&cblieb (Dalb). Cf. h dehne (Gebaner, Hist. ml. I,
169). Doreb Kontamination von tchnu und dem analogiscben dochnzt
(von Fallen wie snbst. doch^ <^ d^ch^J cf. l. dechnouti) konnte sich ein
töchnutb ergeben. Die Ansiebt, daß r. tochnuth eine Eontaminations-
form ans einem einst ancb im Rnss. — wie im Elmss. — vorbandenen
*tachnuth mit döchnuth darstelle, ist zwar gleichfalls möglich, jedoch
wohl besser zn meiden.
SloY. hrasati beschmntzen, brazdaii idem, r. brazddthsja sich be-
schmutzen. Die Yerba sind sippenyerwandt mit ksl. brhnie Intnm (Jagiö^
Codex Mar., Index verb. 8. 481). Wie nun das mit ksl. brhnie^ r. brenie
gleichbedeutende r. brodnica zeigt, gehört brhnie zur Sippe von bresti^
broditi waten. Nach Ausweis von lett. brenn (aus *br'ednu^ *brendnu)
fOr Älteres bredu (dialekt.) = lit brendü (dial., Szirwyd brindu) (Wiede-
mann, Lit. Präterit. S. 56 und S. 11) hatten diese Verba ursprünglich
Nasalinfix. Da nun die Verba auf -sati hauptsächlich slav. Deverbativa
sind, so erhalten wir als Grundform ^brhnd-sati (mit verallgemeinertem
Nasal). Man vergleiche r. rachätb (Arch. XXYIII, 7). Für ksl. brhnie
kann ebensowohl *brhd-n- als ^brhnd-n angesetzt werden. Die Be-
deutungsidentität von slov. zabroditi beschmutzen, r. v^brodith, slov.
zabrazdattj zabrasati erklärt sich also aus ursprfingUcher Wurzelver-
wandtschaft. Ftlr die Durchfdbrung des Nasals in dieser Sippe scheint
das Slav. auch sonst noch Belege zu bieten : klr. nabrudnyty schmutzig
machen, vybrudok kotiger Bodensatz, c. bruditi beschmutzen zeigen
gegenüber klr. zbrid*, zbrody Schlamm, Hefe, r. brodnica Kot, vybrodüh
beschmutzen ursprüngliches q. Poln. bnid wäre dann zu beurteilen wie
smutny etc., demnach nicht echt polnisch. Lit. braid^ti, Iterativ zu
bristi waten, welches Verb der e-Reibe angehört (Wiedemann, Lit. Prät
S. 9) ist eine analogische Bildung nach dem altererbten Ablaut i : ai
(ebenda, S. 48). — Verfehlt wäre es hingegen, slov. brctsati, r. braz-
däthsja zwar zu broditi zu stellen, es aber unter Berufung auf r. brd-
iivath aus einer Form ^bröd-s-- herzuleiten. Denn gegen eine solche
Form würde eben das Slov. mit seinen Verben: brasati^ brazdati Ein-
spruch erheben, broditi gehört nämlich keineswegs zu jenen Verben
(Typus choditi), die von dieser Stufe bereits im Urslav. durch Dehnung
des Stammvokals Deverbativa bilden ; brdiivafh ist vielmehr spezifisch
russisch, das ja derartige Iterativa mit Vorliebe bildet, z. B. bdlivait :
Ein urslayisclieB EntnaBalienrngsgesetz. 4 1
Metb (cf. Miklosich, Or. 4, 326). Im Slov. aber und den andern slav.
Spracheii ist ein derartiges Iterativ von broditi unbekannt. Man wflrde
also bei der Herleitong von brasati ans *brdd-8 eine erst im Sonder-
lebea des Bnss. entstandene Form znr Erklämng einer Wortgmppe
benlltKen, die nach dem Zeugnis der Tatsachen bereits in nrslav. Zeit
binanfreielit.
Eb bleiben noch die Fälle, in denen ^-{■- s, z, ch vorliegt, zn be-
spreehen, vor allem Gruppe I, in der sl. s, z sIb k^ § gedeutet wurde.
CharpentierB Angriff richtet sich in erster Linie gegen ksl. ^^sth^ dessen
s er auf idg. s zurfiokftthren will (kf^-s-). Daß d^stb in seinem 8 k ent-
halte, lehrt ausdrücklich Pedersen, KZ. 38, 387, während die bei Zn-
pitza, Gatt 1 08 zu ksL dqsth — und ausschließlich zu diesem, nicht auch
zn den lit Formen, angesetzte Grundform k^msto — , nicht besagen
kann, daß es sich um vorslav. s handelt. Und in der Tat kann die An-
sicht, daß es sich bei ö^stb um vorslav. s handelt, einer Prflfung nicht
standhalten. Denn es heißt lit. nicht bloß kimsztaSj kimszti^ sondern
aaeh kemszü^ kimszdinu^ femer kamszä Damm, das gleichfalls zur
Sippe gehört (Zupitza, 1. c). Somit finden wir überall lit. sZj nirgends s.
Geht man also, wie Charpentier dies will, von idg. $ aus, so führt dies
zu der Annahme, daß in der lit. Wortsippe zwar 8 einmal vorhanden war,
dann aber durchgehends durch sz verdrängt wurde, was natürlich eine
ganz willkürliche Fiktion wäre. Denn in solchem Falle müßte ja das 8z
in irgend einer Stellung lautgesetzlich aus s entstanden und dann verall-
gemeinert worden sein, u. zw. nicht nur im Verbalsystem, sondern auch
im subst. kamszä. Welche Stellung will man aber für einen solchen
Wandel s'^sz verantwortlich machen ? Etwa mst in kiimztas ? Aber
das Lit bietet ja grimsiü, krimstus, grufhstas^ dim8tt8j dimsta^
amstiSf drumsias^ lamstai etc. Oder die Stellung m8 in kemszüy kamszä ?
Auch in dieser Stellung ist s erhalten, denn es heißt lit. tamsä. Die
sonatigen allgemeinen Bedingungen fUr die Entstehung von lit. sz aus
idg.« (Brugmann, Gr. P, 785 f.] kommen für den vorliegenden Fall nicht
in Betracht. Somit ist lit. sz vollständig eindeutig bestimmt (nämlich als
£*), sl. 8 zweideutig. Also ist es das einzig Richtige, das eindeutige lit.
8z zur Deutung des zweideutigen sl. s zu verwenden, verfehlt, den ent-
gegengesetzten Weg einzuschlagen. Welchen Wert demnach die von
Charpentier, allerdings ohne jede nähere Begründung, aufgestellte Be-
liauptung, die Grundform *kfp'S' für S^stb sei »schlechthin sicher« hat,
kann nieht zweifelhaft sein. — Poln. kl^snqö, i. klesnouti wurde Arch.
42 Norbert Joki,
XXYin, 9 mit lit. klemsziöti ungeschickt gehen verglichen, eine Zusam-
menstellung, die Miklosich, E.W. 118 entnommen nnd schon vor Miklo-
sichs E.W. von Matzenaner, Listy fil. 8, 183 vertreten wurde. Char-
pentier bestreitet die Richtigkeit dieser Gleichung und stellt die slav.
Verba zu lit. klimpstü in den Schlamm sinken, wobei er sie auf *klrgtps
zurttckfahrt. Zur Entscheidung dieser Frage wird es notwendig sein,
sich die Bedeutungen der slav. Verba in möglichster Vollständigkeit sn
verg^enwärtigen. Im Ö. bedeutet klesnouti stolpern, fehlen, fallen, ver-
fallen, sinken. Wie man sieht, vereinigt sich die Bedeutung »stolpern«
sehr wohl mit lit. klemsziöti ungeschickt gehen. Daß sich weiterhin
auch die Bedeutungen »fallen, sinken« mit der Bedeutung »ungeschickt
gehen, stolpern c vermitteln lassen, beweist lt. laboy -äre wanken, dem
Falle nahe sein : labor^ labi verfallen. Vollends gesichert wird aber die
Vergleichung mit lit. klemsziöti durch slov. kleitrati ungeschickt gehen,
das also mit dem lit. Verb synonym ist. Matzenauers und MiklosioliB
Etymologie von klesnouti ist also semasiologisch und lautlich völlig ein-
wandfreL Aber selbst wenn man die tlbrigens nur fflr die Bedeutung
»sinken« passende Etymologie Oharpentiers fdr klesnouti billigt, so folgt
aus lit. klimpstü noch gar nichts fOr die von ihm angesetzte slav. Grund-
form *kl7pp-S', Denn daß die lit. Intransitivar-Inchoativa einen sichern
Schluß auch auf die Lautstufe der wurzelverwandten slav. Inchoativa zu-
lassen, ist gänzlich unerweisbar. So entspricht einem lit. ffestü erlöschen
ein ksl. gasnqti^ dem lit. ffehtü gelb werden i, ilutnouti (^], lit. silpstu
schwach werden (. släbnouti u.s.w. Gegen die übrigen in dieser Gruppe
angeführten Beispiele bringt Charpentier nichts Wesentliches vor ^). Die
i) Zu vfzati, für das Arch.XXVüI, 9 unter Berufung auf Walde, KZ. 34,
518 eine Grundform *ymg angesetzt wurde, macht Charpentier die Anmerkung,
es finde sich an der zit Stelle nicht die »wunderliche« Kombination (mit ly^
yvs\ sondern eine andere und bessere. Allein das Zitat aus Waldes Auf-
satz wurde eben ausschließlich zur Erhärtung einer Grundform mit § — denn
auf die Natur des z kam es ja an — herangezogen, und diese Grundform findet
sich a.a.O. auch tatsächlich. Daß das Zitat nur diesen Sinn hat, lehrt übrigens
sein Wortlaut ebenso wie der Gegenstand des Beweisthemas. Die Charpentier
so »wunderliche scheinende Kombination mit lyyvg steht bei Vondr&k, Ksl.
Gr. S. 71. — Im Lt. E.W. (S. 30) vergleicht Walde (nach Miklosich, E.W. S.56)
vfzaii mit \i.ango^ gr. ayyta^ was von Vondri^k, Ksl. Gr. S. 71 abgelehnt wurde.
Ähnlich wie Walde im EW. auch Meillet, MSL. 8, 236 (Kontamination von
*^zaii und *vzzati). Wie immer man sich zu v^zati stellt, stets ist darin z = ^,
nnd das ist entscheidend. — Verzeichnet sei noch die Ansicht Brandts (Russk.
Em unlayiflches Entnasalieniii^sgesetz. 43
«Bgebliehea Anaiuihmen vom Entnasalienmgsgesetz, die Charpentier in
dieser Orappe sich zn finden bemflht hat nnd auf die er, nach seiner
Mihißbemerkiing zu schließen, besonderes Gewicht legt, erwiesen sich
also bei näherer Prflfnng als nicht vorhanden.
Nicht anders steht es in der Qmppe^ in der ^ vor «, z, ch als an, em
gedeutet wurde. Ob ksl. mqso ^, wie dies Aroh. XXYIU, 1 1 nach Yon-
drik, Ksl. Or. 8. 72 angenommen wurde, oder en, wie es fflr Charpentier
»wahrBcheinlieh« ist, enth<, ist fOr das in Rede stehende Thema irrele-
▼ait. Der sachUchen Bichtigkeit und Vollständigkeit halber sei nur be-
mrakty daß sich die Frage gar nicht mit Sicherheit entscheiden Iftßt.
Denn spricht flBr en das von Charpentier angeftlhrte ai. mqsamj so läßt
akh für ^ -H Nasal got. tnimzj alb. mü <[ *mem8o (Brugmann, Or.^, I,
365) anftlhren. — Fflr tr^q ist Charpentier eine Grundform trip-8-
» wahrscheinlich«, eine Wahrscheinlichkeit, die man ihm wohl aufs Wort
f^anben muß, da er auch nicht einmal versucht, sie zu begrflnden. In
Wahrheit spricht fDr *trefns- als Kontamination ^) von trem- und ires-
(so Pensen, Wurzelerwdter. 8. 153, Walde, LtE.W. 625) lt. tremo, gr.
tQifiOf und TQi(a)iOy ai. trasati^ as. tkrimma. Die 8tufe irtp^- liegt
gWy,hfi^fi vor, u. zw. in sirasit. — Fflr pl^aii wird ursprüngliches e
— und nur darauf kommt es hier an — durch das gleichbedeutende
pleuUi plandere, saltare gesichert Gr. TtXarayifi klatschen will Char-
pentier wegen des gleichbedeutenden TtArayog fernhalten. Allein Ttdza^
yog ist nur der Bildung nach mit TtXaTayTfj gleich (und nur von Bil-
dung^eichheit ist bei Prellwitz, E.W. d. gr. Spr.^ an der von Charpen-
tier zitierten 8telle 8. 373 die Rede], im übrigen eine onomatopoetische
Bfldung (ebenda, 8. 354), was natürlich nicht hindert, daß TtkaTayiij
aach eine ist. Was also das Nebeneinander von Ttürayog und Tvlatay^
gegen den e-Vokal von plqsati beweisen soll, ist nicht einzusehen.
Die Bemerkungen Charpentiers flber die Darstellung der 8ippe von
r. drjiizffh u.s.w. betreffen nicht das Hauptthema, sondern sind periphe-
rischer Natur. Dennoch sei der Vollständigkeit wegen auf sie einge-
giogen. Hier findet Charpentier die Erklärung von ksl. vilvh ramus,
welcheB Wort als semasiologische Parallele herangezogen wurde, zu be-
£Lv6stn. 22, 116), der sich für Verknüpfung mit got windan entscheidet z sei
saeh qxa eingedrungen. Nach dieser Ansicht hätte das Wort bei Erörterung
miserer Frage überhaupt auszuscheiden.
<) Cf. Brugmann, Gr.S H, 1004, 1026, der neben dieser Erklärung auch
(r-^^ mit Nasalinfix für mOglich hält Auch in diesem Falle ist fs » ens.
44 Norbert Jokl,
m&ngeln. Für ihn ist Zusammenhang mit *i^et-, *fft- zwei ganz un-
zweifelhaft. Viel weniger unzweifelhaft ist aber diese Zasammenstellnn^
für Walde (Lt.E.W. s. v. mginti nnd mrga) nnd für Uhlenbeck, E.W. der
ai. Spr. 8. 272. Übrigens IftBt sich sogar das Gfegenteil, nämlich die
Nicht-Zugehörigkeit zn ^eir^ ^i" sehr wahrscheinlich machen. Denn die
snbstant. mit BoS.^tvh sind, wie die Sammlung bei Miklosich, Or. EL, 1 82
lehrt, durchwegs yon Verben abgeleitete nomina actionis und es gibt
keinen Grund, warum ksl. vitvhj l. vitev anders zu beurteilen sein sollte
als i. pletev Zaunrute (: plesti), slov. obutev calcei (: obuii), britev no-
yacula (: briti), ietev messis {}ieti) u.s.w. Ist also an dem verbalen Ur-
sprung von nStvh ramus festzuhalten, so könnte es andererseits zweifelhaft
sein, welchem Verb das Wort zuzuweisen ist. Zugehörigkeit zu ai. vayati
flicht, ksl. viti circumvolvere findet sich bei Uhlenbeck (E.W. d. ai. Spr.
272) und Erusevskij (Russ. fil. v^stn. 5, 92), Zugehörigkeit zu ksL vSjattj
i. viti^ väti wehen, die Arch. XXVm, 1 1 angenommen wurde, jetzt bei
Vondräk, VergLsl. Gr. 1,399, wo als weitere Parallele s.-kr.Avq/a Zweig
U.S.W. : böhm. chvSti, chviti wallen, erzittern angeführt wird. Man vgl.
noch frz. brandons grflne Beiser : brandir schwingen. Daß vitvh —
und nur von diesem war Arch. XXVm, 11 die Rede — ein gleichbe-
deutendes vSja neben sich hat, spricht natürlich nicht für die Ableitung
beider von ^et-, ^i^' zwei (wiewohl Charpentier diesen Grund fttr dnrch-
schlagend zu halten scheint). Denn ist vStvh, wie gezeigt, an einen
Verbalstamm anzuknüpfen, so ist es andererseits möglich, dies auch für
vSJa zu tun; so jetzt auch tatsächlich Vondräk, 1. c.
Gegenüber der Archiv XXVni, 11, 12 gegebenen Erklärung von
ksl. drqchh morosus, tristis, languidus, klr. drjdchlyj zitternd, ksl. c&*f-
seh^ dr^shkb beruft sich Charpentier auf Osthoff, Etym. Parerga I, 163
Anm., der diese Wörter zu lt. tristis stellt, setzt somit eine Grundform
*drtns(e)l- (t-Reihe) an. Allein bei dieser Etymologie bleibt das gleich-
bedeutende ar. druchh yöllig unerklärt, ja unerklärlich. Femer erheben
sich gegen sie die gleichen Einwendungen wie die Arch. 1. c. gegen die
Zusammenstellung mit d-qaaig geltend gemachten. Man begreift erstens
in lautlicher Hinsicht gar nicht, warum die Gruppe nsl einmal ihr s be-
hielt, das andere mal in ch übergehen läßt, begreift femer nicht das
morphologische Verhältnis von drqseh^ drqchh zu drqen>kb, — Die bd
den bisherigen Erklärungen bestehende lautliche Schwierigkeit, drqchh
und drqseh zu vereinigen, sah auch Meillet, £tud. s.T^tym. 11,412, und
suchte sie dadurch zu beseitigen, daß er für drqseh eine Grundform
Ein nrslaTiBcbes Entnasaiienrngsgesetz. 45
*dr^Aoh anziuetzen versnchte, welche Form dann nach Bandonins Ge-
sete za dr^eh geworden wäre. Doch ergibt sich hierbei die nene
Schwier^keit^ daß snff. -^/o- sonst nicht nachweisbar ist, was übrigens
Mdllet aelbst hervorhebt. Alle diese Schwierigkeiten schwinden bei ver-
baler Ableitong (an r. drjagdtb zncken). Unrichtig ist die Behauptung
GiaipentierSy daß lit. drugys Fieber mit der nasallosen Form von sl.
dreng^^ also r. drognuih zittern, 5. drhati beben lautlich nicht zu ver-
einbaren sei. Die Fälle, wo der reduzierte Vokal im Lit. durch u ver-
treten ist, sind vielmehr bekannt und zahlreich genug (Jagi6, Arch. X, 1 94,
Wiedemann, Lit Präterit. 8. 12 f., Handbuch der lit. Spr. S. 11). Die
ZnammmenBiellung von lit. drugya und r. drognuih u.s.w. findet sich
dernn auch bei Fick I^, 468, Gebauer, Hist. mluvn. I, 63, Zupitza, Gutt.
169. Semasiologisch ist sie der Verbindung von drugys mit anord.
draugr Gespenst, Wehrwolf (so zuerst Zubat^, BB. 17, 324), wie man
irobl zugeben wird, vorzuziehen. Ganz anders als Zubat^ urteilen über
anord. draugr Kluge, E.W.«, s. v. Tnig, Fick I^ 75, ühlenbeck, E.W.
d. «L 8pr. 8. ▼. dhruk.
Daß ksL chrqsthkb cartilago zwar zu lit. kremsU Knorpel gehören
aofl, wie dies auch Oharpenlier zugibt, trotzdem aber und trotz &., r.
chnuÜ^) Knorpel nicht ursprüngliches ß, sondern fgk enthalten, ist natfir-
fieli imerweisbar.
Für welche von den beiden Arch. XXVIII, 14 für br^zdatij br^znqti
aonsre angeführten ErklärungsmOglichkeiten man sich entscheidet, ist
für die Frage des § vor s, z unentscheidend; bei beiden ergibt sich ur-
spvHiigficbes ein ^^). Wenn aber Charpentier gegen die Verbindung der
genannton sL Verba mit Itfremerej gr. ßQifjiWy ahd. bräman, p. brzmiec
geltend machen zu können glaubt, daß It mr ^ ir, nicht fr wird, so ist
dnfaeh zu erwidern, daß ein solcher lat. Lautwandel bei dieser Zusam-
menstellnng (die der von Walde, Li E.W. 8. 244 angefahrten zweiten
Mögliebkeit entspricht), Oberhaupt nicht in Betracht kommt. — Hingegen
kat Nehiing, IF. 4, 400 hrqzdati mit lett. brüsu verglichen, was fttr das
dav. Verbnm eine dazu im Ablautverhältnis stehende Grundform mit e
ergibt, somit *brenzdatu Gestützt wird diese Erklärung, wie bei dieser
Gelegenheit bemerkt sei, durch p. brazg 8chall. S.-kr.jSzgra Kern wurde
1) Die Vergleichung von br^idati mit lit brizdSti riihrt nicht von Nehring,
wie es Arch. XXViii, 14 infolge eines sehr bedauerlichen Versehens heißt,
Mmdeni von Walde (KZ. 34, 509) her.
46 Norbert Jokl,
Arch. XXVin, 15 za JsBhj^dro idem gestellt, das Uhlenbeck, B.W. der al.
Spr. 8. 5 und Thnmb, Handbuch des Sanskrit S. 91 mit ai. antfam ver-
gleichen. Charpentier will hingegen (mit Lid^n, Stadien zur ai. und Ver^
Sprachgesoh. S. 56 u. S2)j^dro mit ai. ddrt" Stein verbinden, somit so-
wohl ffirj^dro als ttlrjezffra eine Grundform ^cf- ansetzen. Eine Instanz
gegen die ursl. Entnasalierung vor z ist aber auch dann nicht gegeben,
wenn man diese Etymologie annimmt. Denn es wäre ein Irrtum, zn
glauben, daß jizgra eindeutig eine Vorstufe *jqzgra <^ ^d-zffra reflek-
tiere, somit gegen die Entnasalierung des Beflexes von ^ vor z etwas be-
weise. Vielmehr kann das s.*kr. Wort sehr wohl auch auf ein ursL
*jazffra (die dann mit Entnasalierung aus ^-zgra) weisen. Denn wie
Pedersen, EZ. 38, 312 durch zahlreiche Beispiele dargetan hat, wechselt
im slav. Anlaut /a, gleichviel welchen Ursprungs, mity^. Man vgl. z. B.
^.'kr,jlisti^jSm und kAhjasti essen, B.-la.jdzditi fahren und jachatij
kfH,jazdüi^jachati^ ksl., x,jadh Qift und s.-kr./ife/ Gilt, /Sc/ Kummer,
slov. jed U.S.W. — Nachzutragen ist die Deutung, die Brandt, Bussk. fiL
vistn. 22, 133, dem ^.-Yx.jezgra gegeben hat. Er verknüpft dieses Wort
(jedoch nicht y^pefro) mit ai. ar^dam^ dessen Zerebrallaute auf *enzdo-'
(oder *onzd(h) weisen. Dem entspreche das s.-kr. Wort, das über *j^z^
gra aus *endzghra entstanden sei. Auch diese Etymologie stimmt zn
der Ansicht, daß ^z aus enz entstanden sei. — Man vergl. voLj^zgra^
j'qdro jetzt Iljinskij, Arch. XXVIU, 453.
Zu ksl. pqstb bemerkt Charpentier sehr apodiktisch, daß das zum
Vergleich herangezogene ai. panktis nicht auch auf *penkst%s zurück-
gehen könne, wie dies Arch. XXVIU, 15 nach Saussure, MSL. 7, 93
alternativ angesetzt wurde. Diese Behauptung Charpentiers ist zwar für
die historische Grammatik des Altindischen völlig neu, aber auch völlig
unrichtig. Die bei Bmgmann, Gr.', I, S. 733, 734 zahlreich angeftlhrten
Beispiele erweisen ai. Ausdr&ngung von s und i zwischen Verschloß-
lauten. Diese Ausdrängung trat ausnahmslos ein. — Die Verwandtschaft
der Begriffe »fünf« und »Faust« wurde von Saussure, 1. c. hervorgehoben
und ist kulturgeschichtlich einleuchtend. Die Identität von sL panktis <^
penktis mit ksl. p^ih — die übrigens nie bestritten wurde — besagt
natürlich nichts gegen ein *penkstis als Vorstufe von p^sib. Was im
Slav. geschieden blieb, konnte im Ai. eben infolge des erwfthnten Laut-
gesetzes zusammenfließen.
Daß die Infinitive tr^sti^ pr^ti nicht die Tiefstufe darstellen, wurde
Arch. XXVni, 16 nicht behauptet. Im Verbalsystem und daher unter
Ein mslayisches EntnasalieningsgeBetz. 47
QyBtemzvang stehende Formen yermögen aber nichts gegen einen Lant-
wandel zu beweisen. — Anch in dieser Orappe hat also Charpentier
keinen einzigen Fall nachgewiesen, wo ^ -1' ^) ^ aIs sl. ^s, ^z erscheint.
Was nun die Fassung des Gesetzes angeht, so ergibt die Rekapitn-
lation: 1) Von den Fällen, wo die Lantfolge sl. ^, ^z, qch vorliegt, wider-
streitet kein einziger der Analyse ensj enZj ench, bezw. Nasalyokal -j- k, §.
2) Yon den Fällen der ein a enthaltenden Wörter, die Sippenyerwandte
mit Nasalvokal znr Seite haben und der ^•o-Reihe angehören, wider-
streitet keiner der Annahme des ursprflnglichen Tiefstafenvokalismos.
S) T. nardzma^ suräzica stehen neben ksL r^d^, das sicher auf nrsl.
^rtnd- weist. Bnss. aovrdsyj geht auf *vorpr8-j *vortn8- zurttck.
4} Worden einige FÜle namhaft gemacht, in denen dem ach-j az- sl.
ftü-cA, Wh<i zugrunde liegt. Hier ist zwar sl. hn aus vorsl. in hervorge-
gangen, nicht aber hnz(ch) aus vorsl. inz[ch)j da diese Lautfolge nicht
ans proethnischer Zeit ererbt ist, es sich vielmehr um slav. Weiterbil-
dnngeQ handelt. Nun ist auch die Tiefstufe der einen Vokal •+' Nasal
enthaltenden Wörter im Slav. tn^ hm. Und da die unter 2) zusammen-
gefaßten F&Ile zum gleichen Ergebnis fOhren wie die unter 3) und 4)
ehankterisierten, so wird das vorhin für 2) nur negativ Fixierte auch
podtiv fixiert, d. h. aus dem gleichen Ergebnis der FäUe 2), 3), 4) folgt
Uar, daß auch in 2) ^ (welches nach der besonderen Lage dieser Gruppe
nur ^ s^ kann) zugrunde liegt In sl. hn coincidieren also alle Fälle der
Ent&asafierung und daraus ergibt sich die Bichtigkeit der Arch. XXYIII,
16 gegebenen Fassung des Gesetzes. — Für eine solche Entnasalierung
worden a.a.O. Parallelen aus verwandten Sprachen angeführt. In diesen
trat sie nach vorhergehender Ersatzdehnung ein. Wegen der Länge des
slav. a ist es durchaus begründet, eine solche Ersatzdehnung auch fürs
Slav. anznnehmen. (Dies wurde Arch. XXYm, 16 zwar nicht ausdrflck-
fieh hervorgehoben, ergab sich aber aus den angeführten parallelen Yor-
giQgen der verwandten Sprachen und sei hiermit auch expressis verbis
fainzugefUgt). Notwendig ist jedoch eine solche Annahme nur dort, wo
£e zognindeliegenden, einen Nasal enthaltenden Formen ftir die Erklä-
nmg der Länge keinen Anhalt bieten. Doch wird eme schon den For-
nen mit Nasal eignende Länge für zahlreiche der angeführten Gruppen
durch die modernen slav. Sprachen bezeugt (cf. Miklosich, Lange Yok.
51 £, Yondräk, BB. 29, 216, Yergl. Gr. I, 335 ff.), u. zw.: slov. bUsti
(Pfetersnik), s.-kr. gVidati^ iSit-iänjem, kritatij slov. m^ti-mänemj wk,
pietij 8.-kr. rSrf, zapreöi, iresti^ wk^^iett^ s.-kr. fiti-imSm (Yuk), pUmSty
48 Norbert JoU,
a5. (ieti. In diesen Fällen kann also bereits langer Nasalvokal, hervor-
gegangen ans fp, ^f hf^j h^j zugrunde gelegt werden. Das Resultat des
EntnasalierungSYorganges von BLhns u.8.w. ist as. Dieses Resultat ist von
ens verschieden. Die Natur des durch h bezeichneten Lautes ist nicht
näher bekannt. Den Zusammenhang zwischen hns und o« lehrt die Er-
fahrung, d. h. die angefahrten Etymologien, die nicht widerlegt wurden.
Es ist somit durchaus berechtigt, aus dem Resultat auf den vorhergehen-
den Zustand, d. h. die Natur des t> zu schließen. Dies und nichts an-
deres geschah. Da nun 1) des Resultat ein velarer Vokal ist, da 2) em-
pirisch, nämlich durch eine andere, Entnasalierungsvorgänge aufweisende
Sprache, die französische, feststeht, daß velare Vokale derEntnasalierung
leichter unterliegen als palatale, isL 3) e + ns auch im Slav. nicht ent-
nasaliert wird, da 4) dieser Unterschied in der Behandlung der pala-
talen und volaren Vokale lautphysiologisch erklärlich ist, so wurde Arch.
XXVin, 16 der Schluß gezogen, daß in hns ein velarerer Vokal steckte
als in em ; ein Ergebnis, das somit logisch und empirisch vollständig fun-
diert ist. — Dieses die Horizontallage der Artikulationsstelle des h in hns
relativ, nämlich im Vergleich zu enSj feststellende Ergebnis ist mit andern
aus der Sprachgeschichte etwa erschließbaren Merkmalen des h phone-
tisch sehr wohl zu vereinigen. — Der Zusammenfall von en und hn in
6inen Nasalvokal fällt in spätere Zeit. — Jene Fälle, in denen nach
der Lehre Meillets, Pedersens, Vondräks für die Vertretung der Nas.
son. bereits ftlr das ürsL das nasale Element fehlt (^to, hghkh), werden
durch die hier behandelte Erscheinung natürlich nicht berührt. Denn
diese setzt schon wegen der Ersatzdehnung und des alleinigen Auf-
tretens vor Spiranten den Bestand des nasalen Elementes für das ürslav.
voraus, bezieht sich also nur auf solche Fälle, wo der Reflex von ^, ^
im Urslav. noch den Nasal hatte. —
Gharpentier wendet ein, daß Ersatzdehnung nur die Quantität, nicht
aber die Qualität des Vokals alterieren könne, und daß darum aus tns
nicht as geworden sein könne. Zwar meint er selbst, daß wir über die
Aussprache des t» nichts wissen. Und darin verdient er in der Tat volle
Zustimmung. Was aber ist es anderes als eine — nicht etwa aus Tat-
sachen geschöpfte, sondern a priori fixierte — Ansicht über diese unbe-
kannte Aussprache des ^, wenn er die Möglichkeit des Obergangs von hns
in as (nach eingetretener Ersatzdehnung) leugnet? Mit anderen Worten:
Charpentier erklärt, über die Aussprache des hns nichts zu wissen; auf
keinen Fall könne aber hns zaas geworden sein. Das weiß er also doch.
Ein nnlaviBches EntnasalienuigsgeBetK. 49
Wie num sieht, der krasse Apriorismus gepaart mit dem logisohen Wider-
sprach. Kicht a priori ist in Wahrheit etwas über die Nator des h zu
ermitteln, sondern a posteriori, mit Hilfe unzweifelhafter sprachlicher
Tatsachen. Gharpentier aber verfUirt anders: Erst stellt er a priori
irgend eine Ansicht anf, nicht ohne sich dabei, wie gezeigt, in einen
iogisehen Widersprach za verwickeln; dann sacht er sich die anbe-
quemen Tatsachen hierza zorechtzamachen. Nor so vermag man sich
das vergebliche Leognen ganz offenkondiger semasiologischer Zasammen-
hftnge (iasiti ziehen, lit. t^sis Zag), nar so die Unterdrflckong einer als
beweiakrftftig zagegebenen Etymologie wie hasdk Sense : i^ii mähen im
Sehloßresom^, nar so die völlige Ignorienmg eines so zwingenden Falles
wie hasiroi Seheache : ienq jagen, scheachen, nar so die wiederholten
Konstroktionen ad hoc za erklären. — Immer aber maß Charpentler als
baren Zafall eine laatliche Altemation betrachten, die in zahlreichen,
semasiologiseh vereinbaren Wortgrappen anter stets gleichen Bedingangen
aoffaretend, zu stets gleichem Ergebnis führt. Eine solche Altemation ist
in Wahrheit nicht Zafaü, sie ist ein Lautgesetz. —
Wien. Norbert Jokl.
PiOBper Mörimöe's Mystifikation kroatischer Volkslieder.
Von T. Matiö.
(Schloß.)*)
Sehr viele von den Gedichten M6rim6es behandeln die Yampirsage.
Um dem französischen Leser das Verständnis za erleichtem, schrieb
M€rim^ anter dem Titel Sur le vampirisme eine 14 Seiten (222 — 236)
omfasaende Einleitang za den betreffenden Qedichten and schaltete sie
zwischen den Balladen Le combat de Zenitza-Velika and La belle
Sophie ein. Der Vampir werde, nach M^rim^e, im Dlyrischen vudkodlak
genannt, mit welchem Namen man einen Toten bezeichne, der in der
Begei znr Nachtzeit seinem Qrabe entsteige and Menschen plage. Oft
saoge er ihnen Blat am Halse oder packe sie an der Kehle so stark, daß
♦) Yeigi Archiv XXVm, S. 321—350.
Aichiv Ar 0]»TiflGli« Pkilologi«. TTTT.
50 T. Matiö,
er sie beinahe erwflrge. Wer yon einem Vampir yerfolgt und geplagt
sterben BoUtei werde seinerseits anch zn einem Vampir. Die einen glanben,
daß das Vampirwerden eine Strafe Gottes sei, die anderen wieder, daß
es das Sehioksal mit sich bringe, doch die am meisten verbreitete Ansicht
sei, daß die in der eingesegneten Erde begrabenen Schismatiker und Ex-,
kommunizierten dort keine Rnhe finden könnten und sich deswegen an
den Lebenden rächen wollten. Die Anzeichen des Vampirismns seien:
die Leiche könne im Orabe nicht verwesen, das Blut bleibe rot nnd flflssig,
die Eörpeiglieder behielten ihre Beweglichkeit, die Augen seien auf-
gemacht, die Nagel und die Haare wüchsen und manchmal höre man aus
dem Grabe eines solchen Vampirs ein Geräusch, welches daher konmie, daß
der Tote im Grabe die Erde und alles um sich, oft auch das eigene Fleisch
fresse. AU das erfolgreichste Mittel gegen die Verfolgungen der Vampire
empfehle man, den Toten zu enthaupten und dann zu verbrennen. Wenn
der Vampir jemanden schon am Halse gebissen und Blut gesogen haben
sollte, dann sei es am besten, den ganzen Körper und insbesondere die
Wunde mit der Mischung des Blutes des Vampirs nnd der Erde aus seinem
Grabe zu reiben. — Nach* diesen allgemeinen Angaben folgen nun bei
M^rim6e »quelques histoires de vampires rapport^es par Dom Calmet
dans son Tratte 9ur les appariiions des esprtis et sur les vampires o^
(p. 221). Um auch seinerseits zu diesen haarsträubenden Geschichten bei-
zusteuern, erzählt unser Dichter eine recht sonderbare Geschichte, die er
in Varboska bei Vorgoraz selbst erlebt haben soll. Ein junges Mädchen
namens Ehava sei in der Nacht von einem Vampir am Halse gebissen
worden; alle angewendeten Mittel hätten nichts geholfen: umsonst habe
man den Eöiper des Vampirs verbrannt und mit dem Blute aus seinem
Sarge den Hals Ehavas gerieben, umsonst ihr um den Hals Amuletten
gehängt. M^rim^e habe sich nun selbst als Erankenwärter angeboten,
in der Hoffnung, daß die Eranke am sichersten genesen würde, wenn sie
von ihrer fixen Idee geheilt werden könnte. Er habe sich — fährt er
fort — so gestellt, wie wenn er ihren Glauben an die Verfolgungen der
Vampire teilen würde, und dem Mädchen versprochen, durch seine Zauber-
künste ihrem Übel abzuhelfen. Er habe den Hals des Mädchens mit den
Fingern stark gerieben, dabei Verse Racines, die er auswendig konnte,
gesprochen und endlich dem Mädchen einen kleinen Achatstein, den er
zwischen seinen Fingern versteckt hatte, gezeigt, indem er ihr versicherte,
daß er dieses Ding aus ihrem Halse herausgenommen und sie dadurch
gerettet habe. Die Eranke habe ihm aber ganz traurig erwidert: »Tu
ProBper Mdrim^'s Mystifikation kroat Volkslieder. 5 1
me trompes; ta avais oette pierre dkns nne petite botte^ je te l'ai vue. Tu
n^es pas un magicien. c Knrz nachher sei Ehava ihrem Leiden unterlegen.
Oegenüber dieser umfangreichen Einleitung über die Vampire finden
wir In Fortis Viaggio darfiber nnr einige Zeilen: »Credono anche verissima
reaistenza dei Vampiri; e loro attribniscono, come in Transilvaniai il 8a&-
ehiamento del sangne dei fancinlli. Aller che mnore nn nemo sospetto di
poter divenire Vampiro, 0 Vnkodlak, com' essi dicono, nsano di taglairli
i gaietti, e pnngerlo tntto coUe spille, pretendendo che dopo queste dne
operazioni egli non possa piü andar girando. Accade talvolta, che prima
di morire qnalche Morlacco preghi gli Eredi suoi, e gli obblighi a trattarlo
eome Vampire, prima che sia posto in sepoltora il sno cadavere, preve-
dendo di dover avere gran sete di sangne fancinllescoa^). M^rim^e hatte
nun Aber diesen Gegenstand andere Quellen, die er in seinen Balladen
bentttzte. Es gelang mir, das von ihm erwähnte Werk Calmets zu
bekommen^]. Der Autor schrieb Aber diese Erscheinungen im Glauben
an ihre Existenz und brachte eine stattliche Sammlung von verschiedensten
Bdspiden dieser Art zu stände. »Dans ce si^le une nouvelle sc^ne s'offre
i noB yeuz depuis environ soixante ans dans la Hongrie, la Moravie, la
SilMe, la Pologne: on voit, dit-on, des hommes morts depuis plusieurs
moia Tevenir, parier, marcher, infester les villages, maltraiter les hommes
et lea animaux, sucer le sang de leurs proches, les rendre malades et enfin
leor eauser la mort; en sorte qu'on ne peut se d^livrer de leurs dange-
renaea viaitea et de leurs infestations, qu'en les ezhumant, les empalant,
lenr coupant la t6te, leur arrachant le cceur ou les brülant On donne 2t
C60 Bevenants le nom d'Oupires ou Vampires« '). Auch der in der Ballade
Jeannoi fttr die Bezeichnung der Vampire vorkommende Name bmco-
lague und der Glaube, daß die Schismatiker in einem rechtgläubigen
Friedhofe nicht verwesen könnten, wird von Calmet erwähnt: >La
er^anee des nouveaux Grecs, qui veulent que les corps des excommuni^s
ne pourriaaent point dans leurs tombeaux, est une opinion qui n'a nul
fondement . . . .c*}. »Les Brucolaques de la Gr^ce et de rArchipel sont
eneore des Revenants d'une nouvelle esp^ce .... mächent dans leurs
tombeaux et fönt un bruit ä peu pr^s semblable ä celui que les porcs fönt
«) Viaggio, p. 64.
s) Dom Augnstin Calmet, Trait^ sur les apparitions des esprits et sur les
vampires ou les revenants de Hongrie, Moravie etc. Paris 1751 (2 Bände; in
der k. k. Hofbibliothek lu Wien).
3) Calmet, o. 0., t II, p. V. «) Ib., t n, p. Vm.
4*
52 '^' l^tiö,
en mangeant^). Derselbe GUnbe boU auch in DeatschlaBd yerbreitet
sein'). Alle Zeiohen des yampirismns werden da regutriert: ». . . . quand
on les a tir^s de terre, ils ont pam vermeilB, ayant les membres sonples
et maniables, Bans vers et sans ponrritare« ') — nnd weiter: »la mobilit^,
la sonplesBe dans les membres, la flnidit^ dans le sang, Tincomiption
dans les chairsf ^) .... »cadayres pleins d'nn sang fluide dont la barbe,
les chevenx et les ongles se renonvellentc^). Das in der Ballade La
ßamme de Perruasich vorkommende Irrlicht als ein Zeichen der An-
wesenheit des Verstorbenen, folglich anch eine Art Vampirismas, wird
ebenfalls von Calmet erwähnt: »U 7 avait environ trois ans qn'il
6tait enterr6; Ton vit snr son tombean nne Inenr semblable k celle d*nne
lampe, mais moins vive«^) — als man das Grab aufmachte, konnte man
alle Anzeichen des Yampirismus konstatieren. Diese Yampiromanie war
zu Ende des XYIL Jhs. so groß, daß man sich nach Calmet sogar an die
Pariser Sorbonne gewendet haben soll, sie möge über diese ErBcheinungen
ihre Ansicht ftußem. AResolutio Doctorum Sorbonaec erschien 1693 im
Anschluß an einen Fall in Polen, wo eine Mutter als Yampir ihre leibliche
Tochter plagte — sie wurde natürlich ausgegraben und enthauptet. Die
Sorbonne entschied folgendermaßen: ». . . . ad vitandam vexationem
Daemonis, et recuperandam salutem .... manducatur pams cum illo
sanguine factus, qui defluit ex cadaveribus, vel dum computatur caput
defancto in sepulchro jacenti. Unde ratio praesumenda est, quod hoc fiat
per pactum cum Daemone, et unum maleficium expellitnr alio, quia ille
panis sanguine mixtus, sicut etiam amputatio capitis, naturaliter non
possunt restituere sanitatem personae morti proximae, et expellere Daemo-
nem eam vexantem. Non potest etiam dici, quod tunc fiat a Deo mira-
culum .... Haec cum ita sint non licet unum maleficium pellere alios^).
Im Werke Galmets hatte also M^rim^e Gelegenheit genug, sich Aber
die Erscheinungen der Yampire und über alles, was damit im Zusammen-
hange steht, zu unterrichten. Die paar Zeilen, die er Aber denselben
Gegenstand bei Fortis fand, genügten ihm vollkommen, um die Qe-
schichten Galmets auf die Morlaken zu übertragen. Ohne zu wissen, hatte
er auf diese Weise das Richtige getroffen, denn die Ansichten der dalma-
tinischen Landbevölkerung Aber die Yampire entsprechen in der Tat fast
dnrchwegB den Schilderungen Galmets. Yon den ältesten Zeiten an hatte
^) Calmet, o. c, t II, p. IX. ^ Ib., t II, p. 213. s; Ib., t II. p. 35.
*) Ib., t n, p. 36, 5) Ib., t n, p. 57. «) ib-, t n, p- ee. z ib., t n, p. 308.
Prosper M^rim^'s Mystifikation kroat Yolkfllieder. 53
dieser Aberglaube in Dahnatien feste Wurzeln gefaßt, und schon vor
Jahrhunderten finden wir es im Volke belegt Lucius (De regno Dal-
fhaiiae et Oroatuie) erwähnt einen gewissen Pavao Payloviö, der zu
Anfang des XV. Jhs. Bürgermeister von Zara war und in seinem Memo-
riale erzählt, im Juni 1403 habe auf der Insel Pasman eine Frau als
Vampir die Bevölkerung geplagt, und er habe als Bürgermeister endlich
exianben mllssen, daß man ihr Grab öffiie. Als das einzige Rettungsmittel
sei beschlossen worden: »infigere cugnum in pectus eins« i). Ja, bis in die
neueste Zeit hat sich dieser Aberglaube im Klistenlande in voller Kraft
erbalten. Die Zeitschrift für österreichische Volkskunde ^) teilt eine
merkwUrdige mit »v. P.c unterzeichnete Notiz Zur Van^r-Sctge (I. Jg.,
Heft 10) mit Im Herbst 1888 fand man in der Nähe von Abbazia einen
alten Sonderling am Tage nach seinem Tode mit durchbohrter Zunge,
HSade und Fflße mit großen Nägeln an den Sarg genagelt. Trotzdem
man den Täter wegen Leichenschändung bestrafte, wurde einige Wochen
nach der Tat auf dem Friedhofe nachts ein Grab geöffiset, der Tote aus
dem Saige gerissen, an ein mit Steinen beschwertes Brett gebunden und
ins Meer versenkt. Alles das geschah bloß darum, weil der Volksglaube
die Betreffenden als Vampire bezeichnete, sodaß die Öffentliche Meinung
für die Verbrecher Partei nahm. Nicht genug also, daß einzelne an die
Vampire so wie an manche andere Überlieferungen der Väter glauben,
ohne daraus die äußersten Eonsequenzen zu ziehen, hier begegnen wir
einem unüberwindlichen Eigensinn, der sich vor den verwerflichsten
Handlungen nicht scheut — was jedenfaUs ein Beweis ist, daß dieser
Aberglaube die ganze Seele dieser einzelnen Individuen durchdrungen hat
In einem ziemlich nahen Verhältnisse mit den Vampiren steht der
Glaube an die verderblichen Wirkungen eines bösen Auges. Diesen Aber-
glauben hat M^rim^ in Maxime und Zoe^ einer von seinen schönsten
Balladen, als Grundmotiv genommen. Auch da hat er eine Art Einleitung
▼oraosgeschickt, in der er erzählt, daß flberhaupt im Osten und besonders
in Dalmatien der Aberglaube verbreitet ist »que certaines personnes ont
le pouvoir de jeter un sort par leurs regards .... souvent le malheureux
lasdn^ s'6vanouit, tombe malade et meurt 6tique en peu de tempsa').
<) Zbomlk za narodni iivot i obi&ige juinih Slavena (utd. Jugosl. akade-
WM» !> 224.
>) Ober einen ähnlichen, im Juli 1882 ebenfalls in Abbazia vorgekomme-
FaD c£ Arohiv fllr slav. PhD. VI. 618.
^ Gnzia, p. 196.
54 T. Hatiö,
M^rim^e selbst habe einmal zu Enin ein' jnnges Mädchen gesehen, das
Tom bösen Blicke getroffen bewußtlos zn Boden gestürzt sei — ein anderes
Mal sei dasselbe mit einem jnngen Manne im DorfePoghosciamj geschehen.
Man erzähle sogar von Leuten, die zwei Pupillen in einem Auge haben
— die seien schon gar gefährlich. Als Gegenmittel gelten unter anderen
Homer von Tieren und Reliquien, die man immer bei sich tragen
mflsse. Eine andere Art «de jeter un sort consiste k louer beaucoup une
personne ou une chose.« In einem Dorfe am Flusse Trebignizza soll
M4rim^ die Schönheit eines Kindes gepriesen haben. Die Mutter habe
sich dadurch gar nicht geschmeichelt gefühlt, sondern habe ihn ganz
ernst gebeten »de cracher au front de son enfantc — das soll als ein
Gegenmittel gelten. Der letztere Aberglaube (urok) ist flberall bei den
Kroaten und Serben bekannt, während der vom bösen Auge nicht so all-
gemein ist, aber doch besteht. In der Ausgabe 1827 (später ausgelassen)
sagt M^rim^e, er habe bei Jean-Baptiste Porta gefunden, daß Isigone bei
den »Ulyriens ou Sdavons« zwei Pupillen erwähne. Außerdem hat unser
Dichter auch bei Calmet Aber die bösen Augen lesen können: »11 7 a une
autre Sorte de fascination, qui consiste en ce que la yuc d'une personne
ou dWe chose, la louange qu'on lui donne, Tenvie qu'on lui porte^ pro-
duisent dans l'objet certains mauvais effetsa^]. In der neueren Zeit (nach
der Erscheinung von M^rim6es Guzla) hat Ida Düringsfeld den Glauben
an den bösen Blick in den Vorstädten von Spalato konstatiert^) und auch
in der erwähnten Zeitschrift für österreichische Volkskunde wird der
böse Blick erwähnt'}.
Das Irrlicht ist ebenfalls den Sfldslaven bekannt Diesen Aber-
glauben hat M^rim^e in der Ballade La flamme de Perrassich mit dem
Motive der Wahlbruderschaft yerknüpft. um in seiner Mystifikation alle
Spuren zu verwischen, die ihn vieUeicht verraten könnten, hat der Dichter
vielfach in seinen aufklärenden Notizen auf ähnliche Motive in anderen
Literaturen aufmerksam gemacht — Motive, die natttrlich ihm selbst vor
Augen schwebten, als er die betreffenden Balladen schrieb. Im Gedichte
Maxime et Zoi bittet das Mädchen den Geliebten, er möge doch einmal
seinen Blick zu ihr wenden und sie umarmen, und M^rim^e bemerkt
darauf: »Qu voit ici comment la fable d'0rph6e et d'Eurydice a ^t^ tra-
vestie par le po^te illyrien, qui, j'en suis sür, n'a jamais lu Virgilec^).
1) Calmet, o. c, t II, p. 261.
s) Ida Dflringsfeld, Aus Dalmatien. Prag 1857 (Bd. I, p. 92).
») Jg. VI, H. 1. *) Guzla, p. 206.
Prosper Mdrim^'s Myetifikation kroat YolkBlieder. 55
Das Höehate aber in dieser Beziehung hat er wohl in seiner Anmerkung
mr Ballade Les pohratimi geleistet: »Je snppose qne oette chanson, dont
on a donn^ nn extrait dans une revne anglaise, a foumi ä Faatenr da
Thed^e de Clara Gazul l'id^ de L'amour africatn^ i) sagt M6rimtfe,
und man muß bedenken, daß eben dieses Theä^re de Clara Gazulj
eomedienne espagnole ebenfalls seine eigene, zwei Jahre ror der Cfuzla
(1825] erschienene Mystifikation ist.
JSonst begegnet man in der. Guzla recht sonderbaren MotiTen, die
bald an Orient, bald an den mittelalterlichen Okzident erinnern. Sehr
interessant ist die Ballade La belle Helene. Die sonderbare Schwanger-
schaft Habens, die vorang^angenen Zaubereien mit der Kröte, sowie
der tote Kopf, der spricht und Bösewichte yerr&t, sind lauter Motive,
die dnem, der etwas aus den orientalischen und mittelalterlichen Mftrchen
gelesen hat, als alte Bekannte begegnen. Oder wenn in Seigneur Mer^
eure eine Ambraschnur dem Manne als ein Beweis der ehelichen Treue
seiner Gattin gelten soll, und in der Ballade Vamant en bouteäle die
schöne Eliaya ihren Geliebten in einem Flftschchen eingesperrt hXlt —
atmet man da etwa nicht die reinste Luft aus Tausend und einer Nacht f
Auch dem bekannten Calmet verdankt M^rim^ vielfach Anregungen zu
ähnlichen Geschichten. In seinem Traiti (IL 152] wird erzählt, ein ge-
wisser Polycrites aus Aetolien sei nach seinem Tode als Gespenst zurflck-
gekommen, habe sein eigenes mißgestaltetes Kind angefressen und nur
den Kopf gelassen: >. . . . mais la t6te de Tenfuit commen9a ä parier et
k lenr pr^dire les malheurs qui devaient arriver ä lenr patrie et ä sa
propre m^re.c Ganz analog ist die darauffolgende Erzählung (IL 153)
von einem Soldaten des Augustus, mit dem Namen Gabinius, der im S^riege
mh Seztos Pompeius soll enthauptet worden sein »en sorte que la t6te
tenait an cou par un petit filet.« Gegen Abend hörte man ein Ächzen
und Stöhnen: »On accourut; il dit qu'il ^tait retoum^ des enfers pour
d^eonvrir k Pomp^ des choses tr^s importantes .... que les Dieux d'en
haot avaient exauc6 les destins de Pomp^e; qu'il r^ussirait dans ses des-
seins. Aussitöt qu'il eut ainsi parl^, il tomba raide mort.« — Nach der
erwähnten Ballade Vamant en bauteüle sagt M^rim^ selbst, daß bei
B. Bekker') Aber einen ähnlichen, angeblich in Polen 1597 vorgekomme-
aen Fall berichtet wird, und veröffentlicht worttreu diese Erzählung als
1) Nur in der Ausgabe 1827; in der neuen ausgelassen.
2) B.Bekker, Le monde enchant^. Trad. du hoUandais. Amsterdam 1694.
4 Bda (k. n. k. Hof bibliothek in Wien).
56 T. Matiö,
ein Pendant zu seiner Ballade. Bei demselben Antor, der im Gegensatz
2a Galmet ähnliche Märchen entschieden bekämpfte, konnte M^rim^ noch
einen Bericht ttber einen solchen zu Gneldre 1548 mit einem Ringe vor-
gekommenen Fall finden.
Von ganz besonderem Interesse sind die drei historischen Balladen
ans den letzten Tagen der bosnischen Freiheit. Das sind Gedichte ans
ganz anderen Kreisen nnd ich will sie hier am Ende unserer Betrachtnngen
der M^rim^eschen Balladen besprechen, weil sie einigermaßen schon den
Übergang zn EaSids Müoi Kohiliö nnd der bekannten Volksballade
Ha&anraginica bilden. Es sind drei Gedichte da : La mort de Thomas 11^
rai de Bosnie (Nr. 2), La vmon de Thomas 11^ roi de Bosnie (Nr. 3)
nnd Le cheval de Thomas II — wohl dr^i von den interessantesten
Gedichten der Sammlung. Was ich im allgemeinen über die Ansf&hmng
der Balladen M^rim^es gesagt habe, gilt natürlich auch vom bosnischen
Zyklus, denn diese Gedichte sind ganz in derselben Richtung gehalten
wie die übrigen der Ouzla. Nur einen Punkt möchte ich hier speziell
berühren, wo der französische Dichter — man möchte beinahe sagen —
eine divinatorische Kraft bekundete und eines der schönsten Motive
unserer Volkspoesie in Le cheval de Thomas II im Rahmen einer kurzen
aber ausdrucksvollen Ballade behandelte. Ich lasse das ganze Gedicht
folgen: «Pourquoi pleures-tu, mon beau cheval blanc? pourquoi hennis-tu
si douloureusement? N'es-tn pas hamach^ assez richement k ton gr€?
n'as-tu pas des fers d'ai^ent avec des dous d'or ? n'as-tu pas des sonnet-
tes d'argent k ton cou, et ne portes-tn pas le roi de la fertile Bosnie? c —
> Je pleure, mon mattre, parce que l'infidMe m'ötera mes fers d'argent, et
mes dous d'or et mes sonnettes d'argent. Et je hennis, mon maltre, parce
que avec la peau du roi de Bosnie le m^cr^nt doit me faire une sellec^).
1) Guzla, p. 292. In der deutschen Übersetzung Gerhardts lautet das Ge-
dicht: »Warum weinst, mein schöner Schimmel?
Warum wieherst du so kläglich?
Bist du denn nicht reich und prächtig,
Wie du wünschen magst, geschirret?
Hast du Eisen nicht von Silber,
In dem Hufe goldne NSgel,
Und am Halse Silberglöckchen?
Tragest du nicht des fruchtbaren
Bosniens gepriesnen König?«
»Ach ich weine, mein Grcbieter!
WeU die silberblanken Eisen,
ProBper M6iim6e^s Mystifikation kroat Volkalieder. 57
Ich branche nicht an das Volkslied Smrt Kraljemda Marka erst zu er-
innem ; die Ähnlichkeit ist zn auffällig nnd wird gleich bemerkt. Natflr-
lieh, anch diese Erscheinnng hat ihre Erklftning. Vom Achilles, dem in
Dias (XiX, 404 — 424) sein Roß Xanthos den Tod voraussagt, vom Bayard
Renand de Montanbans nnd dem Babie^a Cids bis auf den äarac nnseres
Volkes — llberall nnd zn allen Zeiten hat in der Phantasie des Volkes
das Pferd des Helden eine besondere Stelle eingenommen nnd als eine
Art Frennd nnd OefUirte seines Herrn gegolten. Das ist also ein all-
gemein Yolkatflmliches Motiv nnd M^rim^e konnte es in seinen Gnmd-
zflgen llberall finden, es ist aber doch beachtenswert, daß M^rim^e unter
anderen gerade dieses Motiv gewählt hatte, das in unserer Volkspoesie
so schöne Frllchte getragen, nnd daß er in der Behandlungsweise nnd
Anafiihnuig des Motivs unserem Volke nahe kam.
Die anderen zwei Balladen des bosnischen Zyklus hat M^rim^e reich-
Heh mit geschichtlichen Anmerkungen versehen. Im Anschluß an La
mort de Thomas II erzählt er folgendes: i» Thomas I*', roi de Bosnie,
fbt aasassin6 secr^tement en 1460, par ses deux fils ^Stienne et RadivoT.
Le Premier fiit couronn6 sous le nom d'£tienne-Thomas II; c'est le h^os
de cette ballade. Radivol, furieux de se voir exdu du tröne, r^v^la le
erime d'£tienne et le sien, et alla ensuite ohercher un asile aupr^ de
Maliomet L'^v^ue de Modrussa, l^gat du pape en Bosnie, persuada ä
Thomas n que le meilleur moyen de se racheter de son parricide 6tait
de Caire la gnerre aux Turcs. Elle fnt fatale aux chr6tiens: Mahomet
rmvagea le royaume et assi^ea Thomas II dans le chäteau de Eloutch
en Croatie, oü il s'^tait r^fugi^. Trouvant que la force ouverte ne le
menait pas assez promptement ä son but, le sultan offirit ä Thomas de lui
acGorder la paix, sous la condition pourtant quHl lui paierait seulement
l'anden tribnt Thomas n, d^jä r^duit ä l'extr^mit^, accepta ces con-
ditions et se rendit au camp des infiddes. II fat aussitdt arr6t6, et, sur
son refns de se faire circoncire, son barbare vainqueur le fit ^corcher vif,
Meines Hufes goldne Nägel,
Und des Halses Silberglöckchen
Mir der Türke wird entreißen.
Und ich wiehere, Herr, darüber,
Daß mir der verwünschte Türke
Aus der Haut des Bosnier EOnigs
Einen Sattel soll bereiten«.
(Gerhard o. c. H. 184.)
58 T. Matid,
et aohever k conps de fl^hesa^). Wenn wir das mit der Oeschichte des
Falles des bosnischen Königreiches vergleichen, kommen wir za dem
Resnltate, daß die Angaben M^rim^es im ganzen and großen den ge-
schichtlichen Tatsachen entsprechen. S^epan Toma Ostojid (Thomas I.)
verschied mitten im Kampfe mit dem kroatischen Banns Speraniid auf
eine Weise, die der Yolksphantasie nicht nnr freie Hände ließ, sondern
sogar für sie sehr verlockend war. In der Tat hieß es bald, er sei vom
Brnder Radivoj nnd vom eigenen Sohne S^epan, der noch an demselben
Tage znm König proklamiert wurde, ermordet worden '). Der Bischof
von Modms Nikola war zur Zeit Stjepans päpstlicher Legat in Bosnien;
sich auf das Übereinkommen mit Mathias Gorvinns nnd auf das Ver-
sprechen des Bischöfe Nikola verlassend, verweigerte Sljepan Tomasevic
(bei M^rim^e ]^1ienne-Thomas II oder einfach Thomas 11) den Tribut,
welchen er dem Sultan bisher zahlte. Die letzte Zufluchtsstätte des nn-
glttcklichen Königs war in der Tat die Burg K)uS: Stjepan übergab sich
dem türkischen Feldherm auf das Versprechen hin, daß man sein Leben
schonen werde. Trotzdem ließ der Sultan den König enthaupten.
M^rim^e hatte also eine uns unbekannte Quelle vor sich und schöpfte
aus ihr Material ftlr seine Gedichte über den Fall des bosnischen König-
reiches. Vielleicht war es die im Briefe an Sobolevskij erwähnte ipetite
brochure dW consul de France k Banialoukacc — jedenfalls aber waren
in dieser Quelle die geschichtlichen Tatsachen mit der volkstttmlichen
Tradition stark vermischt. Der angebliche Verrat Radivojs ist eine schöne
Parallele zu Vuk Brankoviö in der serbischen Geschichte. Der Onkel
(nicht Bruder!) des Stjepan Tomasevii^, Radivoj, wurde zusammen mit
ihm vom Sultan hingerichtet, eben weil er bis zum letzten Momente seinem
König treu blieb. Die Entstehung der Verratsage kann dadurch erklärt
werden, daß sich das Volk daran erinnerte, wie derselbe Radivoj einst,
um den König S^epan Tvrtkovic (1421 — 1443) zu stfirzen, wirklich die
Tflrken ins Land rief. Als später der wahre Zusammenhang der ge-
schichtlichen Tatsachen aus dem Gedächtnisse des Volkes allmählich zu
schwinden begann, wurden, dem bekannten Streben des Volkes, jedes
nationale Unglück auf einen Verrat in der allernächsten Umgebung des
Königs zurflckzuftlhren, vollkommen entsprechend, die während der
Regierung des Stjepan Tvrtkovid auf Veranlassung Radivojs stattgefnn-
1) Guzla, p. 155—156.
^ Klaiö, Povjest Bosne do propasti kraljestva. Zagreb 1882 (p. 320 ff.}.
Prosper M^rim^e's Mystifikation kroat VoDulieder. 59
denen Einfillle der Türken mit dem Falle des bosnischen Königreiches in
einen unmittelbaren Znsammenhang gebracht.
IT.
Wie verhlüt es sich mit den Gedichten der M^rim^eschen Sammlang,
£e tats&düich — wenn anch nicht unmittelbar — anf einem kroatischen
Ori^nal beruhen? Da kommen die zwei schon erwfthnten Gedichte:
Triste balhde de la noble ipotise (TAsan-Affa (Nr. 31) und Milosch
Sobihch (Nr. 32) in Betracht. M^rim^e hat den kroatischen Original-
text nicht benutzen können, denn nach eigener Aussage in der Vorrede
lor zweiten Ausgabe konnte er nicht kroatisch. Wenn wir das auch
nicht von ihm erfahren hätten, so wären wir wohl selbst schon weg^i der
Wahl der Gedichte darauf gekommen, denn es ist kein bloßer Zufall, daß
Mdrim^ gerade jene Gedichte ins Französische llbertrug, die schon vor-
her in den westeuropäischen Literaturen bekannt waren. Milosch Kobp-
lichj ein Gedicht des kroatischen Dichters Andrija EaSi6-Miosi6, wurde
Ton Alberto Fortis in Saggio cf osservazioni sopra T isola di Cherso
edOsero (Venezia 1771) ins Italienische übersetzt und später (1778) yon
Herder in seine Volkslieder (Stimmen der Völker in Liedern) aufge-
nommen. Chronologisch steht es also vor der Hasan-aginica^ die erst
1774 in Viaggio in italienischer Übersetzung erschien. Von Milosch
Eohilich haben wir folglich drei Übersetzungen vor uns (Fortis, Herder,
M6iim^), und wenn man sie unter einander genau vergleicht, so ergibt
uch, daß, während die Abhängigkeit Herders von Fortis unzweifelhaft
ist, die Übersetzung M^rim^es gegenüber Fortis und Herder
▼iele Abweichungen aufweist, die dem kroatischen Originale
näher stehen als der italienische und der deutsche Text.
Die französische Übersetzung kann also nicht ohne weiteres bloß auf die
italienische oder deutsche Vermittiung zurttckgefOhrt werden. Aus der
Veigleichung der drei Übersetzungen mit dem Originale werden wir es
sIlBogleich ersehen:
K: Ve^ SU ono 6en Lazarove, Od Servie ravne gospodara, Od sta-
tine rnteza i bona, — F: Ma di Lazaro son le belle figlie, Sir della
piana Senria, a lui trasmessa Da' Bani antichi. — H: Sind die schönen
Tochter des Lazaro, Des Gebieters Aber Servjas Ebenen, Von den alten
Basen ihm vererbet. — M : Ge sont les fiUettes de Lazare, le Seigneur
de Seme aux vastes plaines, le hiros, le prince d* antique race,
E: Koji no jejunak odjunaka (sc. Milos), Porodiga Hercegovka
60 T. Mati<5,
majka. — F : Ch' h gnerrier prode e del gaerriero sangae, D^ Eroego-
vina h nato. — H : .... der ein stolzer Krieger Selbst ist nnd von stolzer
Krieger Blute Ans Erzegovina. — M: C'est un brave^ßU de brave^ enr-
fanti par uns mkre de V Herzigotoine.
K : Da ti nisi plemiö od plemida^ Nego rda od rdäkoviöa. — F :
Che ta non sei Di nobil sangue, e gli avi taoi nol furo, Ma ehe nn car-
eame sei fetido e sozzo, Nato d' a Te simili altri carcami. — H: Du
seiest nicht von edlem Blute, Noch daß je es deine Väter waren. Seist
ein faules Aas, und faulen Aases Sei dein Ursprung. — M : que tu n' es
pas noble JUs de noble^ mais vaurienßls de vaurien,
K: Zasto nisi desnom rukomjunak. — F: . . . in la destra mano
Forza o yalor non ki. — H: ... denn es sei deine Rechte schwach und
kraftlos. — M: . . . car tu n' es pas brave de la main droite,
K: Ter se skaSe na noge junaike, |I poside koiia od mejdana. —
F: Ei su' robusti piedi Balza sdegnoso e il suo destrier insella De' sin-
golar certami. — H: Auf die tapferen Füße Sprang er zornig, sattelt
schnell sein Roß ihm Aus zum Zweikampf. — M : ü saute sur ses pieds
de brave, 11 s^ilance sur son cheval de bataille.
K: Ako teje porodüa maJka. — F: Se 1' onor ti cale Della tua
genitrice. — H : ... wenn deiner Mutter Ehre Dir noch lieb ist — M :
. . , si uns mire i a enfante,
K: Y^posida konja od mejdana. — F: . . . la sella Pose al'ca-
yaUo da duello. — H : ... sein Roß zum Zweikampf auch zu satteln, —
M: n s^Slance sur son cheval de bataille.
K: Buzdovanom perje politaie. — F: . . . si spiccö dall' una e
r altra ü pome. — H : Und von dem und jenem (sc. Kolben) springt
der Enopf ab. — M : ... et les plumes des masses s^ envol^ent.
K: Pohvali se virnoj^ubi svojoj. — F : ... altrui di. — H: Prahle
nun zu anderen. — M: Va te vanter ä tafidhU epouse.
K: Na Lazara Turci udarise. — F: Prombaro i Turchi su la
Servia. — H: Und die Ttirken stürzen ein in Serbien. — M: .... et les
Tnrcs viennent assaillir Lazare.
K: Gospodski je sobet uSinio, Gospodu je na sobet pozrao. — F:
Sederon tutti a lauta mensa i duci. — H: Saßen alle an der reichen
Tafel Alle Kriegsfahrer. — M: II pr^pare un festin de princes, car prin-
oes Bont conyi^s du festin.
K: Boje ga se Turci i kriöani; On <5e hiü prid vojskom yojyoda,
A za Äime Brankovi6u Vuie. — F : ... teme D' esso al pari il Serviano
Prosper M^iim^e's Mystifikation kroat Volkslieder. 6 1
e 7 Ttarco, Qnesti sia dnnqae il primo duce e sotto Di lai Ynko di
Branco. — E: Vor ihm zittern Serbier und Türken, Er sei erster Feld-
hoT, nach ilun folge Vnko Brankowich. — M: Turcs et chriHens le
i^ontent; il sera le volevode devant Varmee\ et aprös loi, Ynk Bran-
covioL
K: Jer Ifilosa tddit ne tnogaie. — F: .. . T pro Milosso odiava. —
H: . . . haßt den tapferen Milos. — M: . . . il n^ peutplue toir Ifilosch.
K: Koji me je izdat namislio, Kano Juda svoga stvoritefa. —
F: Che a tradirmi pensö. — H: ... der mich zn yerraten denket. — M:
. . . qni veut me trahir, comme Judas a trahi son Oreateur.
K: Do po no<5i saze prolivase, Od po no6i Boga vapijaie, — F:
... im finme di lagrime spargea Sino alla mezza notte, alzossi allora, Ed
in ajnto il sommo Dio chiamava. — H: Und vergoß da einen Strom von
Trinen Bis imi Mittemacht. Da hob er anf sich, Rief zu Hilfe sich den
Qott Yom Himmel. — M: Jnsqn'ä minnit il plenre; apr^s minuit üfait
sa prüfe ä Dieu.
K : On poside dobra ko£a svoga. — F : ... pose al destrier Var-
nese, — H: Da legt Milos Rüstung an sein Pferd. — M : . . . il monte
rar son meilleur cheval.
K: IzÜB&UL mn vojsku Lazarovu, A Lazara fiva nhyatiti. — F:
... 10 tntto L' esercito di Servia e '1 rege istesso Vivo in man gli darö.
— H: ... ich konmie, Ihm das Heer von Serbien nnd den König,
Lebend in die Hand zn geben. — M: Je Ini liyrerai Varmee de Lazare]
je remettrai Laxare entre vos mains.
K: ]^nbl carn skuta i kolina. — F: ... alle Czar bacia la destra
e Hmanto. — H: Küßt dem Czar die Hechte und den Mantel, — M:
. . . Q buse le pan de la robe dn snltan, il baise ses genoux,
K: Jer ga Tnrci na sab^ raznUe. — F: Poich^ trinciato in mille
pe&d ei cadde Sotto le sciable. — H: Fiel zerhackt in tausend Stflcke
nieder Über seinen Sftbel. — M: Car les Tnrcs le dispersirent sur
kitrs sabres.
K: äto uSiniy Vu6e Brankoviöu, Sto uSinif da od Boga na^
iei! — F: Abbia mereede condegna All' empia frode sna Vnko di
Branco. — H: Habe dessen Rechten Lohn dir, Vnko du Verleumder. —
M: Ce queßt Vuk Brancotich, ce qtCilßty qu^ü en reponde devant
Dieu.
M^rim^ übersetzt also das Original treu auch dort, wo Fortis und
62 T. Matiö,
nach ihm Herder etwas freier sich bewegen oder gar den Sinn des Ori-
ginals falsch wiedergeben.
Vor dem Gedichte findet sich bei MMm^e eine Notiz über die Art
nnd Weise, wie das Oedicht in seine Hände kam: »/<? dois le podme
suivant ä Vobligeance de feu M. le comte de SorgOy qni arait tronv6
V original serbe dans un manuscrit de la hibliotheque de r Arsenal ä
Paris, n croyait ce po^me 6crit par nn contemporain de Milosch. La
quereile des fiUes de Lazare, le dnel de ses deox gendres, la trahison de
Vnk Brancovich et le d^vonement de Milosch y sont racont^s avec des
d^tails enti^rement conformes k l'histoirea i).
Es ist hervorzuheben, daß das Gedicht Milosch Kobilich erst in
der zweiten Ausgabe der Ouzla vorkommt und in der ersten gar nicht
enthalten war. Wahrscheinlich wurde der Ragusaner Anton de Sorgo,
der damals in Paris weilte, durch die 1827 erschienene Mystifikation
M^rim6es auf ihn aufmerksam gemacht und teilte ihm gelegentlich mit,
daß sich in der Pariser Biblioth^que de TArsenal ein Manuskript eines
kroatischen Gedichtes über den Helden Milos Eobilid befindet, weil Sorgo
voraussetzen durfte, daß es M^rim^e interessieren wird, ein echtes volks-
tttmliches Gedicht kennen zu lernen, welches aus der Gegend stanmit, die
der französische Dichter zum Schauplatze seiner in der Guzla veröffent-
lichten Balladen gewählt hatte. Das Interesse, welches M^rim^ dem
Gedichte entgegenbrachte, ging nun so weit, daß er es ins Französische
übertrug und in der zweiten Ausgabe der Ouzla veröffentlichte, wo er
bekanntlich die Maske weggeworfen und seme Mystifikation offen ge-
standen hatte.
Auf die Handschrift in der Biblioth^ue de T Arsenal hat im Archiv
für slavische Philologie (Bd. VI) Th. Vetter aufinerksam gemacht
Dieselbe enthält Gunduli6s Osman und als Anhang dazu neun Blätter in
unbedeutend größerem Format, auf welchen von einer anderen Hand
aber sehr sorgfältig der kroatische Text des Gedichtes Müoi KobiliS
nebst einer italienischen Übersetzung desselben niedergeschrieben ist
Vetter hat im Archiv sowohl den ganzen kroatischen Text als auch den
Anfang der italienischen Obersetzung mitgeteilt. Der von Vetter abge-
druckte kroatische Text stimmt mit dem Texte EaSiös wörtlich überein,
es konmien nur hier und da einige ganz belanglose Abweichungen vor:
Pohvali sc vimoj ^ubi svojoj — Vetter: tvojoj\ oder : Pak otide u carevu
1) Guzla, p. 312.
ProBper H^rim^e'B Mystifikatioii kroat Yolkslieder. 63
vojsku — Vetter: u vojsku carevu. BloJß an zwei Stellen ist im Texte
Yetten der Sinn etwas gestört, nnd auch da sind die Fehler — wie ich
mich ans der Handschrift selbst flberzengt habe — auf die Rechnung
VetterB au setzen:
Ye6 hvaHte Milos Koblüda
Od Lazara Novoga plemii^a . . .
in der Handschrift richtig: Od Pazara . . ., und
Eako je je tako adarila
Iz nosa joj knroa izvirala . . .
in der Handschrift dagegen: Kako je je lako ndarila . . .
Yon der italienischen Übersetzung hat Yetter bloß 22 Yerse abge-
druckt, nnd diese sind mit dem Texte in Fortis' Saggio d* osservazioni
sojpra r isola dt Cherso ed Osero identisch. Auch den noch übrig
bleibenden italienischen Text der Handschrift habe ich mit der Über-
setzung Fortis' yerglichen und bin auch in dieser Beziehung zu demselben
Besnltate wie hinsichtlich der ersten 22 Yerse gekommen.
Die Yorlage Mdrim^es ist uns also bekannt — es ist aber höchst
merkwürdig, was M^rim^ seinem Mentor, dem Bagusaner Sorgo, nach-
sagt : dieser sei nftmlich der Ansicht gewesen, das Gedicht stamme von
einem Zeitgenossen Kobiliös aus dem XIY. Jahrh. Es ist vielleicht doch
wahrsehdnlicher, daß Sorgo dem französischen Dichter nur so viel ge-
sagt hat, daß das historische Faktum, auf welches sich die Erzählung
Ka2iäi bezieht — nftmlich die Schlacht am Kosovo — ins XIY. Jahrh.
fimt, und daß dann M^rim^, der in dieser Hinsicht gewiß nicht so sehr
gewissenhaft war, dasselbe auch fOr die Entstehung des Gedichtes selbst
gelten ließ. Der Herausgeber des kroatischen Textes der Pariser Hand-
sehrift im Archiv für slavische Philologie scheint auch selbst über den
Ursprang des Gedichtes nicht unterrichtet gewesen zu sein, denn in sei-
nem am 3. Juli 1881 datierten und der Handschrift beigeleg^n Briefe,
meint er, dies sei »une des nombreuses pönales 6piques populaires serbes.
J'ignore si ce chant soit d^jä imprim^, mais j'en doute fort; du moins
dans la coUection la plus compl^te, celle de Yuk Stefanovi6 Karad&6 (en
5 vols.), il ne se trouve pasc. Interessanter wäre es zu wissen, ob Yetter
ftr seine in diesem Briefe allerdings nur als wahrscheinlich ausge-
qiroehene Meinung, die Handschrift Osmans, in welcher sich — wie
gesagt — das Gedicht Miloi Eobiliö als Anhang befindet, sei durch
den bekannten ragusanischen Dichter Bru^re-D^rivaux in die Biblio-
tiMqiie de TArsenal gekommen, irgendwelche Anhaltspunkte hatte — er
64 T. Matiö,
selbst sagt nichts weiter als: »C'est probablement de lui qne la Biblio-
th^qae de TArsenal a re^u le manoscrit Nr. 8700 : Osman par
Qondiilidff.
Nim kann die Tatsache, daß M^rim^e an einzelnen Stellen das
Original des Gedichtes Miloi Kobiliö besser nnd treuer wiedergegeben
hatte als Fortis nnd nach ihm Herder, gar nicht auffallen, denn durch
die Bekanntschaffc M6rim6es mit Sorgo ist sie hinreichend erklärt Auch
die Bemerkung M^rim^es, der Streit der Töchter Lazars, der Zweikampf
der Schwiegersöhne, der Verrat Yuks und die Heldentat Miloss seien im
Qedichte in allen Details treu nach der Geschichte erzählt, ist ohne
Zweifel auf Sorgo zurflckzuftlhren, der als Ragusaner seine Kenntnisse
über die Vergangenheit der Slaven auf der Balkanhalbinsel hauptsächlich
aus Orbini geschöpft haben wird. Im Gegenteil, die als Anhang zur Über-
setzung des Miloi Kobüiö von M^rim6e erzählte Variante, nach welcher
der Sultan, nachdem die Schlacht mit einer vollständigen Niederlage der
Serben geendet und der ELampf schon aufgehört hatte, von einem Serben,
der auf dem Schlachtfelde verwundet lag, erkannt und ermordet wurde,
weist auf türkische Quellen zurück.
V.
Obwohl bisher noch niemand die BaUade von der Gattin Hasan-Agas
im Volke gehört hat, so wird ihr doch der Charakter eines Volksliedes
von niemanden abgesprochen. Die letzte für uns erreichbare Quelle des
Gedichtes ist die bekannte Spalatiner Handschrift, aus der nach der An-
nahme Miklosichs — die in der neueren Zeit allerdings sowohl von Bogisid
(Srd, Jg. 1905, Nr. 1 1/12) als auch von Öuriin (o. c. 43) in Zweifel ge-
zogen wird — der Text Fortis' direkt stammen würde, auf welchem
seinerseits der Vuksche beruht Vuk nahm das Gedicht in die erste
Ausgabe seiner Volkslieder auf, ließ es aber in der zweiten aus, um es
wieder in die dritte Ausgabe au&unehmen. Dieses Schwanken ist darauf
zurückzuführen, daß Vuk trotz seiner Bemühungen nie in die Gelegenheit
gekommen war, diese Ballade aus dem Voiksmunde zu hören. In ihrer
unlängst erschienenen Abhandlung Die südslavische Ballade von Asan
Agas Gattin und ihre Nachbildung durch Ooethe (Berlin 1905) wies
Frl. Kamilla Lucema auf manche in der Volkspoesie der Kroaten und
Serben vorkommenden Anklänge an diese Ballade hin, was alles natür-
lich fflr den volkstümlichen Ursprung dieses Gedichtes sprechen würde.
Meinerseits möchte ich insbesondere auf das in der Zaratiner Zeitschrift
ProBper H6rim6e*8 HjBtifik&tion kroat. Yolkfllieder. 65
IdBra {Jg. III, Kr. 15/16) von AbduBselam Beg Hrasnica mitgeteilte
Volkslied JBCasan^aginica. Narodna pjesma iz Bome anfmerkaam
machen. Der Inhalt dieses Gedichtes wäre in kurzen Zflgen folgender :
Hasan- A^a heiratete neben seiner ersten Gattin noch eine zweite Fran.
Die beiden Frauen gerieten einmal in Streit, nnd Hasan- Aga schickte
seine erste Gattin zn ihrem Bruder zurück. Die geschiedene Hasan-
Aginica heiratete bald darauf Ali-Pasa, und als die Hochzeitsschaar
andern Hanse Hasan-Agas vorüberging, kam Hasan-Aga mit
seinem kleinen Sohne und fragte den svatski starjeiina^ ob es
erlaubt "«rftre, die Braut anzusprechen. Nachdem man es ihm erlaubt
hatte, trat er xu Hasan-Aginica und wollte ihr ihren Sohn übergeben,
aber >Na to ona ni gledati ne öe,
Ved pro^'era pretila dogata;
Ead to Yidje aga Hasan-aga,
I u &emu £iyo srce puie«.
£a folgen noch ungefilhr 20 Verse, die für uns ohne weiteres In-
teresse sind. Wir werden gewiß nicht fehlgehen, wenn wir annehmen,
daft das Gnindmotiy dieses Volksliedes mit dem Motire der von Fortis
nutgeteUten Ballade ursprünglich identisch war — daß also in diesem
Volksliede eine wenn auch YoUständig entstellte und ein befremdendes,
ja sogar unnatürliches Gepräge tragende Variante der Ballade von der
Gattin Hasan-Agas vorliegt. Am nächsten liegt ja die Annahme einer
Kontinuität der Existenz und der Umwandlungen dieses Motives in der
Tradition unseres Volkes, obwohl auch die von Frl. Lucema ^) im allge-
meinen angedeutete Mdglichkeit, die BaUade hätte in neuerer Zeit auf
literarischem Wege wieder zum Volke kommen und entstellt werden
können, nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, wenn auch
speziell in unserem Falle keine besonderen Gründe für diese Annahme
vorhanden sind.
In der bekannten Abhandlung Über Goethes Klaggesang von der
edlen Frau des Asan^Aga ^) druckte Miklosich einen Teil der französi-
schen Übersetzung der Hasan-agintca^ die 1778 in der zu Bern anonym
erschienenen französischen Übersetzung des Vtaggio Fortis' veröffent-
licht wurde (p. 449). Von M^rim^es Guzla wird etwas weiter (p. 461)
*) o. o., p- 53.
3) Sitsungsberichte der kais. Akademie der Wiss., philos.-histor. Klasse,
ein. Bd., IL Heft.
Axtkir f&r sUTifche Phflologie. XXIX. 5
66 T. Matid,
als von einer für die Kenntnis der nationalen Eigentflmlichkeiten und der
Dichtung der Morlaken wertlosen Mystifikation gesprochen, so daß ich
glanbe, die in der Cruzla enthaltenen Übersetzungen von Miloi Kohilid
und HcLsanraginica seien Miklosich nicht bekannt gewesen. Im Ab-
schnitte über »andere Übersetzungen er (p. 459} erwähnt Miklosich (nach
Pypin und SpasoviS) eine Übersetzung dieser Ballade von Nodier, fDgt
aber hinzu, daß diese nicht zu existieren scheint: in dessen Werken sei
sie nicht zu finden. Diese Übersetzung wird sowohl von M^rim^e in
einer in der späteren Ausgabe der Guzla eingeschalteten Notiz ^) als auch
in der von der serbischen Akademie herausgegebenen Bibliographie der
französischen Werke über Serben und Kroaten von N. S. Petrovid >) unter
dem Jahre 1821 erwähnt In der noch zu Lebzeiten Nodiers 1832 er-
schienenen Ausgabe seiner Werke ') findet sich in der Tat eine Über-
setzung unserer Ballade. In dem bereits zitierten, in GpncKH kh>h-
xeBHH rjacHHK (IV, 5) veröffentlichten Aufsatze erwähnt Dr. Skerlid
(p. 356) noch drei französische Übersetzungen der HasanHJtginica^ deren
Entstehung in die Zeit vor der Erscheinung von M^rimdes Guzla fidlen
würde. Die älteste unter diesen drei Übersetzungen wäre von der Über-
setzerin Goethes M™® E. Panckoucke — die zwei jüngeren von Baton
Eckstein in der Zeitschrift Le Catholique (Jahrgang 1826) und von M"**
Belloc im Hauptorgan der französischen Romantiker Le Globe (Jahrgang
1827). Im Jahrgange 1826 des Catholique zitiertauch Petrovid in seiner
Bibliographie ChanU dupeuple serbe von Eckstein (t. I, p. 243 — 269;
t. II, p. 373— 410) und im Globe vom Jahre 1827 Traduction inSdite
de poisieB serviennes tirees du Recueil de M. Vuk Stiphanowitch
Karadjitoh von M^ Belloc (t. V, p. 322, 334, 345 und 356).
In der Pariser Biblioth^ue Nationale habe ich den von M"^* E.
Panckoucke stammenden französischen Text der Hasan^niginica im
kleinen Bändchen ihrer Übersetzungen aus Goethe Poesiea de Goethe^
auteur de Werther ^ traduites pour la premiere fois de Pallemand
par M^ E, Panckoucke (Paris 1825) gefunden und als Anhang zu
dieser Abhandlung mitgeteilt In der Zeitschrift Le Catholique *) habe
1) Guzla, p. 310.
S) OvÄQA »paHnycKe 6H6jinorpa*HJe o GpÖHMa h XpaaruMa 1544 — 1900.
UpHÖpao H cpeAHO HnKoia G. nerpoBEh. EeorpaA 1900.
9) Oeuvres de Nodier, Paris 1832, t. m, p. 149.
*) Le Catholique. Publik sous la direotion de M. le baron d'Eckstein.
Paris 1826.
Prosper M^rim^e's Mystifikation kroat Yolkalieder. 57
ich aowoU den Aufsatz Chants du peuple serbe als anch den ganzen
Jalnf^g 1826 dnrohgesehen, nirgends aber eine Übersetzung der £fa-
9€Oh-aginica finden können. Der in diesem Jahrgange enthaltene Auf-
satz Chants du peuple serhe erschien ohne Unterschrift des Verfassers
nnd war dazu bestimmt, das französische Publikum der damaligen Zeit
auf unsere Yolkspoesie aufrnerksam zu machen. Der Aufsatz enthält
aneh einige Übersetzungen von kleineren Volksliedern und eine ausf)Üu>
liehe Analyse des Qedichtes Zenidba Maksima Cmojeviöa. In Tra-
ductian inidite von M"* Belloc in Le Globe vom Jahre 1827 sind
etliehe kleinere und größere Volkslieder übersetzt — bezüglich der Ballade
von der Oattin Hasan-Agas aber habe ich auch mit Globe kein besseres
GlUek gehabt als mit Catholique ^),
Nach der Zeit ihrer Entstehung wftre die jflngste Übersetzung der
Hoean-aginica diejenige von Dozon in Poesies populatres serbes tra-
duUes sur les originauz par Auguste Dozon, chancelier du consulat
fS^iml de France ä Belgrad (Paris 1859). Unter allen bisher erwähn-
ten franaösischen Übersetzungen ist das die einzige, die ohne Vermittlung
Fortis' zustande kam und direkt auf dem Original beruht.
Im ganzen wären mir also bisher fänf französische Texte der Ballade
Ton der Oattin des Hasan-Aga bekannt: die Übersetzung aus dem Jahre
1778 im anonymen Bemer Voyage^ dann die Übersetzungen Nodiers
(1821), Panckouckes (1825), M^rim^es (1827) und Dozons (1859).
£s wurde schon gelegentlich hervorgehoben, daß Dr. ÖurSin in
seiner bereits zitierten Monographie geneigt ist, die Bemer französische
Übersetzung Yon Fortis' Viaggio aus dem Jahre 1778 hauptsächlich auf
die deutsche, 1776 erschienene Übersetzung desselben Werkes zurflck-
zuftbren. Was speziell Hasan-aginica anbelangt, so habe ich den
Bemer französischen Text mit der Übersetzung Fortis' und mit der bei
IGklofiich abgedmckten deutschen Übersetzung vom J. 1775 (die nach
IGklofiiehs Aussage mit dem in der deutschen Übersetzung des Fortis'schen
Werkes vom J. 1776 enthaltenen Texte identisch ist) verglichen und
eigentlieh wenig Momente gefunden, die direkt auf die deutsche Vorlage
würden, keineswegs aber absolut überzeugend sind:
1) Die knapp bemessene Zeit meines Aufenthaltes zu Paris gestattete mir
■iehty weitergehende Forschungen anzustellen, um diese Übersetzungen un-
serer Ballade ausfindig zu machen — falls sie überhaupt bestehen.
5*
68 '^- ^ti<^)
. . . del genitore Aaano
Non h giä qnesto il calpestio
Es sind nioht unsers Vaters,
nicht Asans Rosse
... 068 chevauz ne sont pas ceux de notre
p^re Asan
oder
A te Salute
Invia la giovineita . . .
Dich grüßt iie junge Wittib ....
. . . liLjeune veuve te salue.
Vielleicht dind die im kroatischen Texte der Hasan-aginica im
Bemer Voyage vorkommenden Abweichungen in der Schreibart einzel-
ner kroatischer Worte auf die deutsche Bemer Ausgabe zurUckzufilhren,
z. B. dworu, welike sramote. Da die letztere Ausgabe mir nicht zugäng-
lich war, so fehlt mir jeder Anhaltspunkt zur Kontrolle meiner Ver-
mutung.
Es gibt dagegen in der Bemer französischen Übersetzung solche
Stellen, die ganz entschieden auf den italienischen Text Fortis' als Vor-
lage hinweisen : Anche la sposa
Sarebbev' ita, ma rossor trattienla.
Die Gattin säumt aus Scham zu ihm zu kommen.
. . son 6pouse seroit venue, mais la pudeur
la retient
oder
Ma % di lei passi frettolose, ansanti
Le due figlie seguir . . .
Aber ängstlich folgten
zwo zarte Töchter ihrer raschen Mutter
Ses deux filles ^pouvant^es suivent ses pas
incertains
oder
Felicemente giunsero gli Svati
Sino alla casa della Sposa
Zum Haus der jungen Fürstin kamen glücklich
die Suaten
Les Syati arrivent heureusement ä la
maison de Vipouse,
Prosper M^rim^e'B Mystifikation kroat. Volkslieder. 69
Sonst aber geht die Bemer firanzösische Übersetzung sehr oft eigene
Wege, so daß die Fälle gar nicht selten vorkommen, die weder anf die
italieniflche noch auf die dentsche Vorlage znrflckznfQhren sind.
Was H. Petrovid nach den Informationen A. d'Avrils in seiner
Bibliographie sagt, daß die Übersetzung der Hasan-aginica von Kodier
kdneswegB Beprodnktion der französischen Übersetznng Fortis' sei (es
ist darunter offenbar die vom Jahre 1778 zu verstehen), sondern daß
Nodier wahrscheinlich den Originaltext des Gedichtes in den Händen
gehabt habe, ist kaum gerechtfertigt Daß der Text Nodiers von dem
ans dem Jahre 1778 grundverschieden ist, ergibt sich schon bei der
fiflehtigen Liektfire der beiden Texte, und daß Nodier auch das Original
der Ballade vor sich hatte, gebe ich gerne zu, denn sowohl in der Italic-
nisehen als auch in der französischen Ausgabe des Vioffffio war der
kroatische Text nebenan abgedruckt — soviel ist aber sicher, daß Nodier
seine etwaigen Kenntnisse des Kroatischen (die übrigens mindestens sehr
zweifelhaft sind) gar nicht dazu benutzte, die Übersetzung Fortis' in Bezug
auf die treue Wiedei^abe des Originals zu prüfen. Im Gegenteil, an
manchen Stellen erlaubte er sich etwas hinzuzufügen oder wegzulassen,
ja sogar scheute sich nicht, solche Änderungen vorzunehmen, die den
Sinn des Gedichtes bedeutend ändern. Im Original schreibt der Beg
Pintorovid auf Wunsch seiner Schwester einen Brief an den Kar-
dija von Lnotski, in welchem er ihn im Namen der Hasan-Aginica
bittet, er möge ihr einen langen Schleier mitbringen, damit sie
sich verschleiern könne, um am Hause des früheren Gemahls vorüber-
gehend, ihre Waisen nicht zu sehen. Das gefiel nun Nodier nicht und
er fühlte sich veranlaßt, diese Stelle insofern zu ändern, daß bei ihm die
Hasan-Aginica ihren Bruder zwar bittet, er möge dem Ka-
dija vom Schleier schreiben, aber er soll ihm sagen, daß er
dies ohne ihr Wissen tue. Offenbar war es Nodier unbegreiflich, daß
die Braut am Hochzeitstage selbst auf irgend eine Weise dem Bräutigam
leigoi dürfte, daß sie an die mit einem anderen Gemahl zugebrachten
Tage und an die Kinder aus dieser Ehe so sehr denke. Demgem&ß wird
von Nodier im Briefe des Beg Pintorovid an den Kadija von Imotski als
der erste Grund, aus welchem der Beg für seine Schwester einen langen
Sehleier verlangt, nur das angegeben, daß sich die Braut dadurch über-
haopt den Blicken der Neugierigen entziehen wolle. Erst an der zweiten
Stelle — also als minderwertig — folgt die Bitte, der Kadija möge die
Hoehzeitsgäste aufrnerksam machen, gelegentlich der Rückkehr einen
70 T. Matid,
anderen Weg zu wählen, um am Hanse des Hasan-Aga nicht vorbeigehen
zn müssen, damit auf diese Weise das peinliche Wiedersehen der Matter
und ihrer Kinder vermieden werde. Der Bräutigam willigte ein und lud
eine Menge vornehmer Qäste zur Hochzeit. Auf dem Rflckwege aber
verfehlten die Führer der Svati den Weg (I?I) und kamen
gegen ihren Willen vor das Haus des Hasan-Aga. Die Kinder
bemerkten ihre Mutter, liefen ihr entgegen — und jetzt folgt die er-
schütternde Schlußszene ungefähr so, wie sie im Original erzählt wird.
Ob dadurch die »Übersetzung« wirklich besser und schöner geworden ^),
bezweifle ich sehr. Die Änderungen, die Nodier auch sonst vornahm,
sind im allgemeinen von sehr problematischem Werte, so daß ich seine
Femme d*Asan vielmehr fOr eine freie, aber mißlungene Bearbeitung
des Textes Fortis' halte.
Die von Nodier vorgenommenen Abänderungen fallen umsomehr
auf, als in der bereits erwähnten Analyse unserer Ballade, die 1813 im
TiUgraphe officiel erschien, gerade der Umstand, daß die Hasan-
Agmica ihren Bruder bittet, er möge für sie vom Bräutigam einen langen
Schleier verlangen, sehr lobend hervorgehoben und als eine Idee, die
eines Yergil oder eines Racine würdig wäre, gepriesen wird: »Le Beg
ordonne et eile ob^it; mais eile met ä sa d6f6rence une condition admi-
rablement sentie, et teile que Yirgile et Racine n'en auroit pas d^daign^
Tidöe, si eile s'6toit pr^sent6e ä eux dans quelque ciroonstance analogue:
£cris au juge dlmoski, dit-elle ä son fr^re, fais-lui parvenir ma priäre;
Lorsqu'il viendra me chercher pour ^pouse,
Accompagnd du peuple et des seigneurs,
Qu'il sou&e au moins que je reste voil^,
Pour qu'en passant sous la maison d^Asan,
Je me d6guise aux yeux de ma famille
Qui me demande et qui n'a plus de m^rec.
[Tel. off. 1813, p. 135.]
Es ist zu beachten, daß im Oegensatze zur Übersetzung in Prosa in
der Ausgabe von Nodiers Werken aus dem Jahre 1832 die in der er-
wähnten Analyse vorkommenden Zitate aus der Hasan^aginica in zehn-
silbigen Versen (»pentam^tres blaues c] verfaßt sind und daß in denselben
der Einschnitt nach der vierten Silbe genau beobachtet und sogar theo-
retisch hervorgehoben wird: »Quoique la c^sure soit g^neralement peu
1) Cf. Petrovids Bibliographie, p. 32.
Prosper M^iim^e^B Mystifikatioii kroat. VolkBlieder. ^ 1
Duiiqn^e äans la pönale myrique, eile est id fixäe par la mesure et par
le ehant apr^ le deuxi^me pied comme dans notre pentam^tre frangoiB,
et il n'j a paa dans tont le po^me nn seul enjambemeiit qni contrarie
eette hypothöse« (ib. p.' 130). Über das Zustandekommen dieser Über-
setKong selbst wird folgendes gesagt: tOomme je n'ai point entre les
inains la traduction de Fortis qid a recneilli ee po^me, j'y suppl^rai, non
Sans aide, mala par nne traduction qui sera peut-^tre plus litt^rale, oar
je eonaulte pour T^crire une personne simple, et qui rend le mot pour
mot avec une verit^ dnergique et naivec (ib. p. 127).
Auch wenn die Complainte de la noble femme cCAzan^Aga von
j^me g Panckouoke nicht unter ihren Übersetzungen aus Goethe erschie-
nen wftre, würde schon der Titel des Gedichtes auf den Elaggeeang von
der edeln Frauen des Äsan Aga als Quelle hinweisen. Überhaupt —
abgesehen Yon Dozon — sind alle französischen Texte dieser Balladen
Übersetsungen aus zweiter Hand, da keine einzige unter ihnen unmittel-
bar aufs Original zurflckgeftlhrt werden kann, Torzugsweise aber gilt dies
Yom Texte der Complainte^ die eigentlich eine Übersetzung aus vierter
Hand wäre (Fortis — Werthes — Goethe — Panckoucke). Die Übersetzerin
gab den KJaggesang frei wieder, dabei aber zeigte sie flir das Gedicht
wQo^ Verständnis und kam auf den unglllcklichen Gedanken, an den
SteQen, die ihr in Goethes Klaggesang unklar oder befremdend yor-
kamen, erlftutemde Zusätze im Texte der Ballade selbst hinzuzufflgen,
beziehungsweise Änderungen Torzunehmen:
Goethe : Schamhaft säumt sein Weib zu ihm zu kommen.
Panckoucke: Sa femme, retenue par une timiditi excesstve^
tarde k se rendre pr^s de loi.
Goethe : Stand die Treue starr und voller Schmerzen,
Hört der Pferde Stampfen vor der Türe . . .
Panckoucke: . . . eile tombe ivanoute de doüleur, Le
bruit d^un cheval qu'eUe entend luitfait
recouvrer Vusage de ses sens . . .
Goethe : Schweigt der Bruder, ziehet aus der Tasche,
Eingehflllet in hochrote Seide,
Ausgefertiget den Brief der Scheidung . . .
Panckoucke: Le fr^re se tait et concentre sa fareur. Pour comble
d*humiliat%onj c^est lui-mSme qu^Azan^Aga
a Charge de la lettre de Separation,
72 T. Mati6,
Goefhe : Das beiseit sah Vater Asan Aga,
Rief gar traurig seinen lieben Kindern . . .
Panokoneke: Azan-Aga, qni 6tait cach^, ne put voir
cette sc^ne tauchante sans en etre aUendri. H
commence ä se repenür de Voutruge qü*il a
faxt ä San epause. U rappelle ses enfants:
malgri lux sa voxx est emue\ il lenr dit : . . .
Das Yon Goethe beibehaltene kroatische Wort »Snatena (svati =
Hochzeitsgäste) gibt M*"* Panckoncke konsequent, aber dnrchans falsch
dnrch vesclayesc wieder — die stolzen Hochzeitsgftste des Kadija von
Imotski sind also bei ihr zn einer Sklayenschar geworden [cf. »les sdg-
nenrs Svatic in Voyage und «tes (sc« ELadijas) amist oder »les Svati qui
condnisent le cort^e nnptial« bei Nodier].
Schon in der ersten Ausgabe der Gmla rflhmt M€rim6e seiner
Triste btülade de la noble Spouse d^AsanrAga ^) Treue in der Wieder-
gabe des Originals nach : » Yenant apr^s lui (sc. Fortis) je n'ai pas U
Prätention d'avoir fait aussi bien; mais seulement j'ai fait antrement.
Ma traduction est litt^rale, et c'est lä son seul m^rite« '). In der späteren
Ausgabe hebt der Autor gegenüber der offenherzig zugegebenen Unecht-
heit der flbrigen Gedichte der Guzla die Echtheit der Triste bailade
hervor: »Cette bailade, si remarquable par la d^licatesse des senliments,
est v^ritablement traduite. L'abb^ Fortis en a publik ^original, aecom-
pagn6 d'une traduction, ou plutöt d'une Imitation en vers Italiens. Je
crois ma version litt^rale et exacte, ayant 6t6 faite sous les yeux d'nn
Busse qui m'en a donn^ le mot ä mot« ^).
Um die Stelle, welche Mdrim^ Triste bailade unter den ihr yor-
ausgegangenen französischen Obersetzungen und Bearbeitungen dieses
Gedichtes einnimmt, zu präzisieren, werde ich die markantesten von mir
wahrgenommenen Stellen im Texte M^rim^ (M) und die entsprechen-
den bei Fortis (F) und dem anonymen französischen Übersetzer des
Viaggio (A) parallel anführen und mit dem Original vergleichen. Ich
habe mich dabei unter den französischen Texten bloß auf Bemer Voyage
deshalb beschränkt, weil nur dieser Text als eine^ Übersetzung Fortis'
1) Der Anfang dieser BaUade wurde auch von Puikin übersetzt (bloß die
ersten 13 Verse), diese Übersetzung aber ist entschieden nicht auf M^rim^e,
sondern vielmehr aufs Original zurückzufahren.
>) Guzla, p. 307. 1 Ib , p. 309—310.
ProBper M6rim6e'6 Mystifikation kroat. Volkslieder. 73
gelten kann nnd die übrigen zwei Texte (die Bearbeitnng des Fortis'Bclien
Textes Ton Nodier nnd die freie Wiedergabe des Klaggeaanges von
Panekoneke) ftir unseren Zweck ohne besondere Bedentong sind. Nun
Usae ich die Parallelstellen folgen :
1. Ne öekaj me n dvom bilomn.
F: Non aspettarmi nel mio bianco cortil.
A: Ke m' attends pas dans ma maison blanche.
M: Ne me regarde pas dans ma maison blanche.
2. A dve <5ere n mmena Kca.
F: E delle dne fancinlle i rosei volti.
A: Et leBjaues de rose de ses denx filles.
M: Et la bouche vermeiUe de ses denx filles.
3. Ali heie ne hajase nista.
F: n begh non bada alle sne yooi.
A: Le Beg ne fait point attention ä ses priores.
M: Ali-bey ne l'^conte point.
4. Za &om trin dve dere diyojke.
F: Ma i di lei pasüfrettolosej amanti le dne figlie segnir.
A: Les denx filles epouvanties snivent ses pas incertains.
M: Mais ses denx filles ont snivi ses pas.
5. Nije ovo babo Asan-ago,
Ye6 daiga Pintorovic^beie.
F: del genitore Asano
Non h giA qnesto il calpe8tio\ ne viene
n tuofratelloj di Pintoro il figlio.
A: Ces chetaux ne sont point cenx de notre
pere Asan\ c'est ton frhre^ le Beg Pintorovich
qni yient te voir.
M: Co n'est point noite phre Asan-Aga,
c'est notre ancle Pintorovich-bey.
6. Kaduna sc bratn S7omn moli.
F: Fregti piagnendo ella il fratel
A: D'nne vaix plaintive eile dit alors ä son fröre.
M: La dorne implore son fröre.
7. Jos kadnna bratn se mo}ase,
Da Aoj piie listak bile k£ige,
Da Je iafe imoskom kadiji:
»DiTOJka te lipo pozdravlase
74 T. Matid,
F: Allor di nnovo ellapregö: »Deh almeno
j{Poichd pur cosi vuoi) manda d' Imoski
,A1 oadi un bianoo foglio. A te salute
, In via la giovinetta ....
A: Alors eile prie de nonvean: Puisque tu
veux absolument me marier^ envoie
au moins une lettre en mon nom an
kadi, et dia-lui: la jenne yenve te salne . . .
M: Elle Ini fait eneore une demi^re priöre:
qü^il envoie au moins une blanche lettre
au cadi dlmoski, et qu'il lui dise:
»La jeune dame te salue ....
8. Oospodu je svate pokupio,
Svate kupi, grede po diyojku.
F: ei raccolse
Tutti gli svati, e pella sposa andiede,
H lungo velo cui chiedea portando.
A: Le kadi assemble sur-le-champ ses
seigneurs Svati pour chercher son
6pou8e et pour lui porter le long
voile qtCelle demande.
M: II rassembla les nobles Svati.
9. Svoju dien lipo darovala.
F: Ed ella porse alla diletta prole
I doni suoiy scesa di sella]
A: Elle descend et offire des pr^sens ä ses enfans.
M: Et eile donna des cadeaux ä ses enfants.
10. Da uzim}e potpuno vinSa&e
Da gre s Atme maj'ci u zatrage.
F: ond' eUa
Ricoronarsi pienamente possa,
Dopo che avrä con luifatto ritomo
Alla casa tnatema,
A: . . . qui pennet k sosur de se couronner
pour un nouveau mari, apres qu^elle
sera retournee dans la maison de ses
pires.
M: Maintenant eile pourra reprendre la
ProBper H4rim6e's Mystifikation kroftt VolkBlieder. 75
Gonroime de mari6e; aussitöt qu^elle
aura revu la demeure de sa m^e.
1 1. Ye6 je bratac sa rnke üzeo.
I jedva je sinkom rastavio.
F: Seoo la trasse
H sißvero fratello a viva/orza,
A: Le sev^e Beg l'en arraehe, rentratne
avecyarce.
M: ^nfr^e sanspitU l'arrache ayee peine
ä Bon enfanl
12. Dag potk|nvac nosi na divojka;
Kada bnde agi mimo dvora,
Nek se vidi Birotice syoje.
F: Un longo yelo tn le rechi, ond'eüa
Passa da capo appid tuita ccprirn,
Qnando dinanzi alla magion d'Asano
Passar d' nopo le sia, n^ veder deggia
I cari figli abbandonati.
A: ... de Ini apporter nn volle, avec lequel
eUepuisse se cauvrtr, afin qn'en passant
deyant la maison d^Asan, eile ne yoie
pas ses enfans oiphelins.
M: Apporte k ta fianc^e nn long yoile qui la
cauvre iout entüre^ afin qn'en pasBant
deyant la maison de l'aga, eile ne
yoie pas bob orphelinB.
13. A to gleda jnnak Asan-ago.
F: Tntto in disparte il dnce ABan yedea.
A: Asaa yojant €le hin eette Bo^ne.
M: Asan-Aga a tont yn, retire ä rScart
Es ^ alBo Stellen, wo die Überaetznng M^rim^B Abweiohnngen yom
Originale anfweist, die schon bei FortiB (nnd dem AnonymnB] zn konBtatie-
len Bind (cf. 1 0 — 1 3) — was für ans gar nicht befremdend ist, da wir wissen,
daß Fortis anch sonst yon Mdrim^ als Qnelle benutzt wnrde. Es kommen
lue imd da FftUe yor, daß Fortis (nnd der Anonymas) dem Originale tren
bleiben, M6rim^ dagegen ganz falsch übersetzt (cf. 1 — 3). Im Briefe
des Hasan-Aga heißt es »ne Sekaj mec, Fortis nnd der Anonymos haben
gaas richtig »non aspettarmi« nnd »ne m'attends pas«, M^rim^ dagegen
76 T. Matiö,
»ne me regarde pas«. Diese Stelle ist meines Eraehtens auf M^rim6es
lückenhafte Kenntnisse des Italienischen zorttckzuführen : er hat oflfenbar
das italienische aspettar (warten) mit dem französischen Worte aspect
(der Anblick) in Znsammenhang gebracht nnd folglich dnrch regarder
(schauen) übersetzt. Als Hasan- Aginica beim Abschiede ihre Töchter
küßt, heiJßt es im E^roatischen »u mmena lica«; M^rim^e übersetzt
»bonchevermeilleff, obwohl Fortis nnd der Anonymus ganz richtig »i rosei
Yolti« bezw. »les joues de rose« haben. Das ist jedenfalls eine willkürliche
ümftndemng, die dem Übersetzer vielleicht in die ganze Situation besser
zu passen schien. Ein Mißverständnis dagegen ist es, wenn Märim^ den
kroatischen Vers »Ali beie ne hajase nistacr — "»Ali-hey ne l'6coute
pointff übersetzt (F: II begh non bada. A: Le Beg ne fait point d'atten-
tion). M6rim^ hielt also in dem bei Fortis nebenan abgedruckten Ori-
ginaltexte das kroatische Wörtchen ali (aber), das am Anfange des Verses
mit einem großen Buchstaben geschrieben ist, fOr den muhammedanischen
Personennamen Ali i).
Was ist aber mit den Fftllen (4 — 9), wo M^rim^e trotz der unrich-
tigen Übersetzung Fortis^ und des Anonymus dennoch dem Originale
treu bleibt? Darf man da M6rim6es Worten in der zweiten Ausgabe
seiner Guzla Glauben schenken und annehmen, daß ihm bei der Über-
setzung ein Russe behilflich war, der ihm den kroatischen Text Wort
für Wort erklärte (»qui m'en a donn6 le mot ä mota) ? Aus dem voran-
gehenden Vergleich des Originals mit Fortis, dem Anonymus und M6rim6e
ergibt sich meines Eraehtens mit Bestimmtheit, daß der vorauszusetzende
Gewährsmann M^rim^es die kroatische Sprache nicht vollkommen be-
herrschte. Das tritt noch deutlicher hervor, wenn man M^rim^es Über-
setzung der Triste hailade mit der Wiedergabe von EaSi<58 Mihi Ko-
biliö yergleicht, wo man Sorgo, also einen guten Kenner der kroatischen
Sprache, als Batgeber M^rim^s anzunehmen berechtigt ist: in ISiloi
Kobiliö sind für die treuere Übersetzung des Originals im Vergleich mit
Fortis und Herder zahlreiche und augenscheinliche Beweise da, während
wir in der Triste Ballade nur hier und da mehr oder weniger stichhaltige
Anhaltspunkte dafür haben. Dieser umstand würde also mit der Angabe
Mörim^, sein Gewährsmann sei ein Russe, also ein Slave gewesen, der
1) Diese Lesart wäre nicht an und für sich absolut unmöglich, aber da
müßte man annehmen, daß der Bruder der Hasan-Aginica, während er sonst
immer Pintoroviö-Beg heißt, einzig und allein an einer Stelle auf einmal Ali-
Beg genannt würde.
Prosper M^rim^e's Mystifikation kroat. Volkslieder. 77
ohne Yorangegangene besondere Studien mit Hilfe seiner Muttersprache
den kroatiBchen Text der Ballade nur halbwegs verstehen konnte, voll-
kommen übereinstimmen. Ein solcher Gewährsmann hätte M6rim6e leicht
iirefilhren können, sich von Fortis und Anonymus auch dort zu ent-
fernen, wo diese das Original treu wiedergegeben hatten — was M^rim^e
an zwei oder drei Stellen wirklich getan hat. Ich möchte aber noch auf
eine in dem bekannten Briefe Mdrim^es an Sobolevskij enthaltene und
von der Darstellung in der Vorrede zur zweiten Ausgabe der Chizla
etwas abweichende Äußerung M6rim^ über die Entstehung seiner
Triste bdllade aufinerksam machen, durch welche sich die in Bezug auf
M^inm^s Obersetzung dieser Ballade soeben hervorgehobenen Tatsachen
Tieüeicht noch besser erklären ließen. M^rim^e äußert sich im Briefe
folgendermaiSen : »Je me donnai une peine infinie pour avoir une tra-
duetion litt^rale en comparant les mots du texte, qui 6taient r6p6t^s,
ivec l'interpr^tion de l'abb^ Fortis. A force de patience, j'obtins le
mot i moty mais j'^tais embarrass^ encore sur quelques points. Je
nCadressai ä tm de mes amü^ qui sait le russe. Je lui lisais le texte
en le pronon9ant ä Titalienne, et il le comprit presque enti^ementa
£s ist leicht möglich, d&ß dieser Freund Jean-Jacques Ampere war. In
der Vorrede znr zweiten Ausgabe der Guzla bezeichnet M^rimöe gerade
Ampere als denjen^en, der gemeinsam mit ihm auf den Gedanken unserer
Mystifikation kam: zuerst wollte man eine Beschreibung einer nur in
Phantasie unternommenen Reise von Venedig über Triest und dann längs
der adriatischen Küste bis Ragnsa schreiben, später aber ließ man diesen
Plan fallen, und Ampere soll M^rim^ übertragen haben (»m'avait
eharg^a), ülyrische Volkslieder niederzuschreiben und herauszugeben. Im
Briefe an Sobolevskij nun, wo M6rim6e von diesem phantastischen
Reiseplan erzählt, erwähnt er Ampere nicht mit dem Namen, sondern
8^;t bloß »un de mes amis et moi avions formd le projet de faire un
Toyage ...c — bezeichnet also Ampere als >un de mes amis« und gerade
80 nennt er in demselben Briefe einige Zeilen weiter auch seinen Ge-
währsmann, der ihm bei der Übersetzung der Triste baUade behilflich
war. Diese Übereinstimmung, an und fiir sich genommen, würde nichts
sagen, wenn wir aber die engen Beziehungen, in welchen Ampere über-
luiupt zur Entstehung der Gtula stand, in Betracht ziehen, so kann
imsere Vermutung jedenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich in
Anspruch nehmen. Daß anderseits Ampere unter »un de mes amis qui
uit le russe« gemeint werden konnte, ergibt sich auch aus der Be-
78 T. Matid,
leiohnimg, die M€rim6e ebenfalls in der Vorrede der zweiten Ausgabe
der Guzla im engsten Zusammenhange mit der Erzählung Aber das Zu-
standekonmien der Mystifikation seiner illyrischen Volkslieder ftir seinen
Freund verwendet: »...Ampere qui sait toules les langnes de TEurope...«
Tomo Matid.
Nachtrag. Als die vorliegende Abhandlung bereits im Drucke
war, erhielt ich durch einen glflcklichen Zufall das Buch: »Voyage en
Bosnie dans les anndes 1807 et 1808. Par M. Am6d^ Chaumette-des-
Foss^Sy membre de plusieurs acad^ie et sociöt^s savantes; Chevalier
de Tötoile polaire; ancien consul de France en Norv^, Su^de, Prusse,
Turquie; ancien redacteur au dipartemeni des affaires etrang^es;
autrefois^ chancelier du consulai-giniral de Bosnie^ etc. ete. Paris
1822 f. Das Buch zerfiült in drei Teile: £tat physique (physikalische
Geographie Bosniens; p. 1 — 17), £tat politique (Geschichte, Altertümer,
politische Geographie, Bevölkerung, Sitten und Verwaltung Bosniens;
p. 19—124) und Commerce (p. 125 — 142).
Wie bereits erwähnt wurde, hat M^rim^e im Briefe an Sobolevsky
als seine Quelle neben Fortis »une petite brochure d^un consul de
France ä Banialoukaa. angegeben. Wenn man nun den an der Spitze
des zweiten TeUes des Voyage en Bosnie sich befindenden kurzen Über-
blick der bosnischen Geschichte (Precis de Vhistoire de Bosnie) mit der
Erzählung M6rim6es Aber den Fall des bosnischen Königreiches (im An-
hange zur Ballade La mort de Thomas II, roi de Bosnie, Guzla p. 1 5 5 ;
cf. auch Archiv fOr slav. Phil. XXVUI, p. 348) vergleicht, so ergibt sich
wohl mit Bestimmtheit, daß M^rim^e seine Kenntnisse Aber die letzten
Tage der bosnischen Freiheit aus diesem Buche schöpfte. Bei Ohaumette
heißt es: i. . . Thomas fut assassin6e par ses deux fils naturels, £tieniie
et RadivoY. £tienne fut couronn^ sous le nom d'£tienne Tho-
mas II RadivoY, se voyant exdu du tröne, r^v61a le crime du roi
et le sien L'^v^que de Modrussa, l^gat apostolique de la coiir
de Rome en Bosnie, persuada k Thomas 11 qu'il devait cesser de payer
aux Turcs le tribut Le roi, contraint k se r^fagier dans la for-
teresse de Kloutch, y fut assi^g^ II ötait räduit k reztr^mit^,
lorsque Mahomet lui offrit la paix . . . sous la condition de lui prdter le
serment de fid^t^ et de lui payer l'ancien tribut .... Thomas . . . se
rendit au camp de Tempereur ottoman .... [Der König wollte nicht
zum Islam übertreten] .... Apr^s avoir 6t6 ^corch^ vif, on le lia ii nn
Prosper H6rim6e'8 Mystifikation kroat. VolkBÜeder. 79
piea, oü il servit de bat aux flaches des Tnrcs«. Wie man sieht (cf.
Arddv f. alay. PML XXIX, p. 57), hat M6rim^ nicht bloß einzehie
Ansdraeke, sondern yielfach selbst ganze Sfttze ans der Erzählung Chan-
mettes wortgetreu fibemommen. Anoh M^rim^ee »Bogon-Mili (agrtebles
ä Dien) « stammen aas dem Voyage en Bosnie,
Geograpiache Daten Aber Kroatien dagegen hat M^rim^e aas diesem
Buche nicht schöpfen können (cf. Archiv f. slav. Phil. XXVm, p. 348).
Beilagen.
!•
Le ver luisanL
jy Ignaiio GiorgL
[Tä^graphe officiel, No. 49, dimanche 20 join 1813; Po^sies illyriennes,
4earticle.]i)
Tai esaaj^ de pronyer qae le po^te Dalmate connoissoit bien les
grands ressorts da path^tiqae ; je montrerai ane aatre fois dans l'examen
de la belle Osmanide de Gondola qai me prendra plasiears artides,
qn'il n^ignore pas les secrets le plas heoreax, les combinaisons les plas
ingdmeases dont ane longae habitade et goüt exerc6 poissent enseigner
Tiuage, et qae son brillant natarel, favoris^ par de bonnes Stades, a pa
s'fleyer k toates les merveilles de l'£pop^e. En revanche, on n'attend
gii^res de lai peat-^tre, les graces de Vanacreontismej ces Images fraf-
ehes, ces peintares d^licates, cette flear exqaise et ind^finissable de sen-
timent, qai semblent exclnsivement r^erv^ aax lieax oü la soci6t^
iioiit avec le plas d'6clat et aax ^oqaes les plas perfectionn^s de la
civflisation. Anssi n'est-ce point parmi les po^tes primitifs de la nation
qii^il fant chercher des exemples de ce genre, mais chez ceax dont le
commerce des aatres peaples et T^tade des littöratares dassiqaes ayoient
enriehi le g6nie, et qai semblent n'avoir ambitionn^ la conqa^te de ce
prMeax batin de pens^ et d'images qai oment lears po^sies qae poar
en faire hommage aax mases slaves. De ce nombre est Ignazio Giorgi,
anteor de la celebre chanson da Ver-luisant. II est probable qae la
plnpart de mes lectears connoissent d^jä cette jolie ode anacr^ontiqae,
an moins sar Td^ante tradaction italienne de M. le doctear Stalli, qai
en donne ane id^ fort jnste, qaoiqae le qaatrain original y seit delay^
1} In der Lyieal-Bibliothek za Laibaoh.
80 T. Matic,
en six Fers, ce qni n'est tontefois pas nn d6fant dans cette espäoe de
petit po^me qni doit Bon charme k Tabondance et ä ragr^ment des d6-
tails plntdt qa'ä lenr pr^cision. Je ne crois pas qn^elle ait €t6 jnsquHci
tradnite en fran^ois, et il 7 a de bonnes raisons poor qu'elle seit encore
k tradnire apr^s ma tradnction. Je ne me dissimnle pas d'aillenrs qn'on
ne pent, sans nnire beanconp k l'effet g^n^al des id^es vives, l^örea,
gracienses, dont Tode anaer^ontiqne se compose, les sonmettre k la
marche r^gnli^re, k la constrnction sans monyement, an coloris sans
cbalenr d'nne prose langnissante. C'est en vers qn'il fant tradnire les
po^tes et snrtont les poätes de ce genre, qnand on ose les tradnire. Si je
hazarde cette foible version c'est donc dans la senle esp^ranoe qn'elle
ponrra procnrer k Glorgi de plns henrenx interpr^tes, et qnWe voix
mienz inspir^e Ini prötera nn jonr, dans ma langne, des accens plna
dignes de Ini.
D6jä Thnmide nnit ^tendoit le vaste essor de ses alles silenoienses,
et les ^tolles, complices de l'amonr, commen^oient k former en cercles
Inminenx le choeur de lenrs danses divines.
Je conrs k la demeure de la belle qne j'aime. Elle m'entend, mala,
rebelle k mes ycenx, eile se contente de me jeter nn billet, trop foible
rem^de k Tardenr qni me consnme.
Mon ame impatiente d6sire en vain de connottre le coenr et les pro-
jets de ma bien-aim^e; j'erre au milien des horrenrs de la nnit, et
l'avengle et cmelle obscnrit6 me d^fend cette consolation.
Qnel seconrs pnis-je, b^las, esp^rer? Cinthie n'a pas encore d^
ploy^ sa brillante chevelnre d'argent snr le sommet des rochers voisins.
Les astres dn ciel brillent trop 61oign^ de mes yenx.
Le d6sir de lire ces chiffres myst^rienz de Tamonr me brüle d'nne
ardenr si d^vorante qne j'implore ponr les 6clairer jnsqn'anx triples fenx
de la fondrel
Qni le croira? Entre qnelqnes foibles brins d'herbe, monill^s du
bronillard de la nnit, s^offre k mes yenx nn petit insecte ail6, snr qni
tremble nne donce Inmi^re qni le convre tont entier de reflets dor^s.
ProBper M^rim^e's Mystifikation kroat Volkslieder. 81
Je saiais d'ime maiii avide rinsecte qni m'est si pr^ieux, et dana
lequel l'amour fayorable me fait tronver le flambeau qn'imploroit mon
impatieiice.
Les blancs rayons, semblables k la petite laeur d'an cr^puscnle qni
a'^tomt, ^elairent tour-ä-tonr chaque ligne da billet de ma belle, et aaenn
des traits d^cats qne ses doigts ont form^ n'öchappe k mes yeuz ravis.
Graees soient rendnes k ta bienfaiBante favenr, Atolle amie des pr68,
tendre et brillante Ittciole, de tons les animanx le plus ddlicat et le plus
gracienx, viye, Celeste, ineztingüible ^tmcelle des flambeanx de l'amonr.
Gomment contenir ma joie et cacber tes bienfaits, charmante laciole
ul6e^ qni n'as pas mepris6 ma donlenr, et qni as rendn le repos a nn
amant agit^?
Lorsque le soleil se conche, o luciole honneur de V6i6j U te laisse
derri^re lui; ta es nn atome de son immortel ^clat; tu es Tamonr de
tootes les plantes et les d^ces de tontes les flenrs.
La splendenr de Por est anpr^s de toi pdle et n^bnleuse. üne ^tin-
Celle tr^viye est enfermde dans ton sein, et brille an dehors d'nne In-
mi^re diaphane et flottante semblable anx fenx des escarbonoles de l'Inde,
Omement noctnme des fratcbes vall^es, tn yoles qnand le jonr
s'enfoit^ Image d'nne yierge amonrense, qni marche et briUe k trayers les
t^^bres Sans yoile et sans omemens.
Ah pnisses-tn jonir de tontes les yolnpt^s qne la natnre te doit et
qne ta pr^f^res parmi les antres ! En r6compense dn bien qne tn m'as
fait, pnissent les prairies et le ciel ne manqner jamais ponr toi de miel
et de roB^!
2.
La Luciole. Idylle de Oiorgi.
[Oenyres de Charles Kodier, Paris 1832; t m, p. 163.]
Le po^me est intitnl^ dans original: Syjetgnack, nom illyrien de
la Ladole, oa yer-lnisant ail^, qni y est d^rite, seien moi, ayeo an
ehanne ineomparable.
IrehiT Ar «laTMeke Philologie. XXIX. 6
82 T. Matid,
Oiorgi est l'Anaor^on des Morlaqnes. La lectnre des clasBiqnes et
la fr^qnentation des villes ont imprim^ k son style qaelqne chose de la
recherohe brillante, de l'enthonsiasme hyperboliqne des Italiens ses
Foisins. C'est ce qne je n'ai pas vonln dissimnler dans ma foible imita^
tion. Teile qn'elle est, la Lnoiole de Oiorgi me parott digne cependant
de sontenir la comparaison avec le Sphinx de Madame de EJrndener et la
Violette de Goethe.
L'original, qne j'ai tir6 des savans M^moires d'Appendini snr les
antiqnit^ de Ragnse et la litt^ratnre illyrienne est sonvent cit^ comme
antorit^ classiqne dans rnlile dictionnaire italien-iUyriqne du P. Ardelio
della Bella. Voy. Lucciole o Lncciola, pag. 80, tom. 2.
Le po^me slave est divis^ en qnatrains, la senle tradaction ita-
lienne qne je connoisse, en sixains. J'ai marqn6 par nn filet la division
des strophes.
La Luciole.
D6jä l'hnmide nnit d^ploie le vol immense de ses alles silencienaes,
et le choBur myst^rienx des astres, eomplices des tendres larcins de
Tamonr, commence nne danse magiqne dans les plaines da ciel.
Moi qni ne pense qn'ä ma belle, je profite de robscnrit^ nuBsante
ponr me glisser k travers les ombres de la maison qn'elle habite. De
son balcon, descend k l'eztr^it^ d'nn fil de soie nne fenille blanche qne
le yent balance. H61as! j'esp^rois davantage.
L'impatience de reconnottre an moins dans ce bUlet les pens^ de
Celle qne j'aime fait palpiter et fr^mir mon ccsnr ; mais la nnit s'est ob-
Bcnrcie de plns en plns, et dans la profondenr de ses t^öbres, je de-
mande en vain an message secret de ma belle le signe invisible qn'elle
Ini a eonfi^.
Efforts impnissants I plaJntes inntües! La chevelnre ^clatante de la
Inne ne flotte pas encore en ondes argent^es snr le sommet des montagnes
oü oette nymphe assied son trdne. Les flambeanx dn ciel brillent trop
doign^B de mes yenx.
Je m'emporte en reproches contre la nnit dont qnelqnes moments
anparavant j'aconsois follement la lentenrl Je m'indigne da repos des
^Uments qni me reftisent jnsqa'ä la lamiöre des temp^tesl . . .
Prosper H6rim6e'8 Mystifikation kroat Volkslieder. 83
Je Yondrois Foir s'allumer les orages, et lixe aux triples fenx de la
foudre balancde snr ma t^te les earact^es ador^ qn'a trac^s la main
de ma belle . . .
Qni le croiroit! parmi quelques tonffes 6parses d'ime herbe sterile
qae j'^tois pr^s de fouler, 6tincelle tont-^h-coup une mouche ^) briUante
qni Yole en cercles rapides et miiltipli6s k la pointe des fenilles qn'elle
earesse et qa^elle 6claire.
Le foyer dWe flamme vive et mobile qni brüle dans son sein,
s'6teDd et rayonne snr ses ailes agitdes, il s'^panche en traits ardents de
tovs les anneanx de son corps flexible, et l'illnmine d'nne anr^le de
oUrt^ dbloaissantes.
Je saiais d'nne main avide l'insecte favorable k mes FCdnx, l'in-
Beete k qni Tamonr protectenr a oonfi6 qne Inmi^e faeUe k caoher, et
tonr k tonr tot^laire et discräte, ponr embellir les ^eilles des amants.
Je le rapproche de la lettre eh^rie, en faisant passer snr chaqne
figne tons les points de l'insecte agile oü s'dgare en trembUmt sa Inmi^re
e^rriciense. Anenn de ses jets radienx n'est perdn ponr mes regards ;
uenne des donces oonfidences de la bien-anim6e ne sera perdne ponr
BKHi ecenr.
Oräees soient rendnes k ton henrenz seconrs, o bienfaisante 6toile
dos prairies, tendre Lneiole anx ailes de fen, toi, le plns bean et le plns
imioeent de tons les animanx de la terre et du eiel, rayon imp^rissable
d'imonr.
Comment exprimerai-je le bonhenr qne je te dois I oomment peindre
ton Charme et la grftee, jolie Lneiole, le plns ravissant des myst^rea
dW heile nnit, toi qni rends des esp^ranoes k l'amonr inqniet, qni
prttes des eonaolations k l'amonr jalonx !
Qoand le soleil deseend dans ses magnifiqnes palais de TOcoident,
3 te laisse deiritee Ini ponr Tenehantement des nnits d'^t^. H te laisse
<) Bans roiiginal, osa, nne gndpe.
6*
84 T. Maü6,
oomme an atome de sa splendenr immense, et 11 te confie k la proteetion
de la verdore et k Tamonr des flenrs.
Aupr^s de ton 6clat celni de l'or pälit, celoi des perles s'^teint; k
peine pent-on Ini comparer ce feu Tainqueor des t^n^bres qni s'allnme,
p6tille et jaillit, dans la nuit profonde, da sein de resoarboncle Orientale.
Tn es, dans la d^licatesse de ta beant^, astre modeste des baissons,
l'image d'ane vierge timide qai ^claire malgr6 elles les secrets de la
nnit, dn fen de ses regards, en cherchant la trace de Tami qn'elle aime.
Ah! püisses-tn, channante Lnciole, recueillir le prix de ce que ta
as fait ponr moi! pnissent les prairies te prodiguer en tout temps, Lu-
ciole bienfaisante, le neetar embanm^ de leors fleurs, et le ciel, les dou-
cenxs in^poisables de sa ros^e!
3.
Chanson sur la mort de Fülustre epouse cCAsan-Aga.
[Voyage en Dahnatie par M. Tabb^ Fortis. Tradnit de Titalien. Berne 1778.
T. I, p. 143.]
Quelle blancbenr brille dans ces for^ts vertes ? Sont-ce des neiges,
ou des cygnes ? Les neiges seroient fondues aujonrd'hni, et les oygnes
se seroient envol^s. Ce ne sont ni des neiges ni des cygnes, mais les
tentes dn gnerrier Asan-Aga. II y demenre bless^ et se plaignant am^re-
ment. Sa m^re et sa scBur sont all^es le visiter: son Epouse seroit
venue anssi, mais la pndenr la retient.
Qnand la donlenr de ses blessnres s'appaisa, il manda k sa femme
fidelle: »Ne m'attends pas ni dans ma maison blanche, ni dans ma conr,
ni panni mes parens«. En recevant ces dnres paroles cette malhenrense
reste triste et afflig^. Dans la maison de son 6poux, eile entend les pas
des chevanx, et d^sesp^r^e eile court snr nne tonr ponr finir ses jonrs en
se jettant par les fen6tres. Ses denx fiUes 6ponvant^es, solvent ses pas
incertains, en Ini criant: Ah, ch^re m^re, ah! ne fais pas: ces chevanx,
ne sont pas cenx de notre p^re Asan] c'est ton fr^re, le Beg Pintoro^
vich qni vient de voir.
A ces voix l'^ponse A^Asan tonme ses pas, et conrant les bras ^ten-
dns vers son fr^re, eile Ini dit: »Ah, mon fr^re! vois ma honte extreme!
Prosper M^rim^e's Mystifikaüon kroat Volkslieder. 85
n me r^pudie, moi qni Im ai donn^ cinq enfanslc Le Beg se tait et ne
räpond rien : mais il tire d'une bonrse de soye yermeille, nne feuille de
papier, qui permet k sa soenr de se conronner ponr uq noavean man,
apr^ qn'elle sera retoani6e dans la maison de ses p6res. La dame
afiflig^e Yoyant ce triste 6crit, baise le front de ses fils et les joues de
rose de aes deux filles. Mais eile ne pent pas se s^parer de Tenfant an
bercean. Le s^v^re Beg Pen arrache, l'entraine avec force, la met k
cheTal, et la ram^ne dans la maison paternelle.
Pen de tems apr^s son arriv^, le pen de tems de sept jonrs k peine
^nl6, de tonte part on demande en manage la jenne et charmante
veuve, isane d'nn sang illnstre. Parmi les nobles pr^tendants se distingne
la kadi ä^Imoski, D'nne voix plaintive eile dit alors k son fr^re : »ne
me donne pas k nn antre mari, mon eher fr^re: mon coBnr se briseroit
dans ma poitrine^ si je revoyois mes enfans abandonn^s«.
Le Beff ne fait point d'attention k ses priores, et s' obstine k la
domier an JSjadi d^Imoski. Alors eile le prie de nonyeau : poisqne tn
Tenx absolmnent me marier, envois an moins nne lettre en mon nom an
Kadi, et dis-lni: la jenne venve te salne et te prie par cet 6crit, qne
qnand tn Tiendras la chercher, accompagn6 des seignenrs Svati^ de Ini
apporter nn Yoile, avec leqnel eile puisse se convrir, afin qn'en passant
devant la maison SAsan^ eile ne voie pas ses enfans orpbelins.
Apr^s avoir regn la lettre, le Kadi assemble snr le cbamp les seig-
neiirs Statt ponr chercher son ^ponse, et ponr lui porter le long voile
qn'elle demande. Les Svati arrivent henrensement k la maison de
r^ponse, et la condnisent avec le m^me bonhenr vers la demenre de son
^ponx.
Arriv^, chemin faisant, devant la maison ÜAsan^ ses denx filles
la Yoyent d'nn balcon, et ses denx fils conrent k sa rencontre, en criant :
iCh^ m^re, reste avec nons; prens chez nons des rafralchissemensc
La triste venve ^Asan^ entendant les cris de ses enfans, se tonme
Ters le premier Svati: »Ponr l'amonr de Dien, eher et v^n^rable, arr^te
les ehevanx pr^s de cette maison, afin qne je donne k ces orphelins qnel-
que gage de ma tendresse«. Les chevanx s'arrStent devant la porte, eile
deaeend et oflGre des pr^sens k ses enfans : eile donne anx fils des brode-
qmns dW, et de beanx volles anx filles. An peüt inocent, qni conche
dans le berceanx, eile envoit nne Bebe.
86 T. M&tid,
Asan Toyant de loin cette sc^ne, rappelle ses fils: »Reyenez k moi,
mes enfans; laissez cette craelle m^re, qui a nn coenr d'airain, et qui ne
ressent plus pour vons aucnne piü^c
Entendant ces paroles, cette afflig^e venve pälit et tombe par terre.
Son ame qnitte son corps an moment qu'elle Toit paiidr ses enfans.
La femme cPAsan.
[Oeuvres de Charles Nodier. Paris t832. T. m, p. 149.]
Palestna pjezanza plemenite Asan-Aghinize, litt^ralement, la com-
plainte de la noble ^ponse d'Asan-Aga, est nn des po^mes le plus c^-
l^bres de la litt^ratnre morlaque. n me parott sup^rienr ä tous cenx qui
me sont connus par la v^rit^ des mcBurs et le pathdtique des sentiments.
Je ne crois pas qu'il en existe d'autre traduction que celle de Fortis dans
le Yiaggio in DaLmazia.
La femme d^Asan.
Quelle blancheur 6blouissante 6clate au loin sur la verdure immense
des plaines et des bocages ?
Est-ce la neige ou le cygne, ce brillant oiseau des fleuves qui Tefface
en blancbeur?
Mais les neiges ont disparu, mais le cygne a repris son vol vers les
froides r^ons du nord.
Ce n'est ni la neige, ni le cygne ; c'est le pavülon d'Asan, du brave
Asan qui est douloureusement bless6y et qui pleure de sa col^re encore
plus que de sa blessure.
Car voici ce qui est arriv6« Sa m^re et sa soeur l'ont visit^ dans sa
tente, et son ^pouse qui les avoit suivies, retenue par la pudeur du de-
voir ^)j s'est arr^tde au-dehors parce qu'l ne Tavait point mandöe vers
luL C'est ce qui cause la peine d'Asan.
Cependant quand la douleur de sa blessure sVst calm^, 11 ^crit
ainsi ä sa triste et fidMe amie: »Fille de Pintor, vous ne vous pr^senterez
plus dans ma maison blanche^); ni dans ma maison, je vous le dis, ni
dans Celle de mes parentsa^). A la lecture de cet an*6t terrible, Tinfor^
tun^e demeure accabl^e.
Prosper HMm^e*fl Mystifikatioii kroat Volkslieder. 87
Depuis ce jonr de foseste memoire, nn jonr .... pr^occnp^e des
pens^es du bonheur perdn, eile ^contoit: son oreille est frapp^e da re-
tentissement de la terre sons les pas des chevanx.
Elle s'^lance d^sesp^r^e vers la tonr, et cherche k gagner son
sommet d'oü die pent embrasser une mort certaine; car eile pense qne
e'est Asan qni vient la ponrsniyre de ses reproehes: mus ses petites
fiUes tremblantes se sont attach^es ä ses pas. »0 ma m^re, s'^crient-
eUes, d ma m^re! cesse de fair, car ce n'est point notre p^re bien-aim^;
e'est ton fr^re, le bey Pintorovich.«
Ainsi rassar^e, eile descend, et jette ses bras aa coa da pradent
▼ieOlard: »H^lasl dit-elle, voas le savez et voas connoissez ma honte et
Celle de notre race! H a r^padi^ Tdpoase qai lai a donn^ cinq enfantsla
Le bey se tait, il ne r^pond point ^) ; mais 11 tire d'nne boorse de
Boie yermeiUe le titre solennel qoi pennet ä sa soenr de se coaronner de
nouvean des flears et des gairlandes de l'^poas^, apr^s qa'elle aara
foal^, BOT le seail de la maison natale, la trace des pas de sa m^re ^),
A peine la malhearease femme d'Asan a laiss^ tomber ses yeax sar
cet 6crit, eile regarde, eile h^site, eile attend, et pais eile se soamet; car
l'aacendant de son fr^re la domine.
Pr^te k les qnitter, eile baise ayec ardeor le lEront de ces deax jeanes
fils. Elle presse de ses l^vres les jenes fratcbes et color^s des petites
filles qoi pleorent sans comprendre tont-^fait le sajet de lear doalear;
mala eile ne pent se d^tacher da beroeaa oü repose le demier n^ de ses
enfants. Elle s'y fixe comme poar Tentratner aveo eile ^).
Son fr^e la saisit d'ane main s^v^re, la ponsse vers le ooarsier
rapide, et vole ayec eile k la maison de Pintor.
Elle n'y demeara pas long-temps. La semaine 6tait k peine achev^,
qn^one femme si belle et de si noble race fdt recherch^e poar ^poase par
ruinstre jage d'Lnoski ^. Elle tombe ^plor^e anx pieds de son fr^re, eile
g^mity eile prie: »H^las! dit-elle, ne me donne plns poar ^poase k per-
sonne, je t'en eonjnre par ta vie, je te le demande k genoax! mon coenr
^datera de doalear, s'il faat qae je renonce k embrasser encore mes
paovres enfants 1«
Le bey, sonrd k sa voix, a r^sola de l'anir an noble Kadi. D^vonte,
eile prie encore: >Da moins, reprend-elle, 6cri8 en ces termes k l'^poax
qne tn m'aa choisi. ^coatebienlc
88 T. Matiö,
»Kadi, je te salae. Je t'^ris sans avoir conBult^ ma so&nr, pour
obtenir de toi en sa favenr deux gräces qui Ini seront ch^res : la pre-
mi^re, c'est de Ini apporter, lorsque ta viendras avec tes amis, an long
Yoile qni pnisBe la caoher ä tons les yenx; la seconde, c'est dMviter, en
la condnisant dans ta maison, de passer devant celle d^Asan, afin qn'elle
n'ait pas la donlenr de voir les chers enfants qn'elle doit renoncer ä voir
Jamals.«
A peine la lettre est pairenne an ELadi, celni*ci r^nnit ses amis ponr
6tre t^moins de cette föte. US yiennent, et pr^sentent k la fiane^e, an
nom de son nonvel öponz, le long voile qn'elle a demand^; eile s'en
conyre et les accompagne, henrense au moins de cacher ses larmes, qnand
des cris qni partent dn devant de la maison d'Asan l'avertissent qne les
Svati qni oondnisent le cort^e nnplial se sont tromp^s de chemin, car
ses enfants Tont aper^ne et se sont ^lanc^ snr son passage.
»0 m^re bien-aim^e, s'^rient-ils ! reviens k tes panvres petits en-
fants, pnisqne voil^ Thenre dn repas oü tn nons appelois tons le jonrs b).«
A la Yoix de ses enfants, l'^ponse infortnn^e d'Asan se retonme
vers le vienx bey: »0 mon fr^re, Ini dit-elle, permets qne tes chevanx
s'arr^tent ponr nn moment devant cette maison, afin qne je pnisse donner
encore qnelqnes gages d'amonr ä ces innocents orphelins, d^plorables
frnits de ma premi^re nnion«.
Les conrsiers restent immobiles,' pendant qn'elle va partager k sa
£amille ch^rie qnelqnes bijonx on qnelqnes v^tements, demiers t^moignages
de sa tendresse : de beanx cothnmes k tresse d'or ponr les jennes gar-
90ns ; ponr les jennes filles, des tnniqnes longnes et flottantes, et une
petite robe an plus petit qni dort dans un bercean, mais eile n'ose l'^veiller
d'un baiser ^).
Tont k conp nne voix 6clate dans Tappartement voisin, oelle d'Asan
qni rappelle ses enfants: »Kevenez k moi, mes chers orphelins, revenes
k moi ! le coenr de fer de la cmelle qne vons embrassez ne s'attendrira
plns ponr vons, eUe est la femme d'nn antrea. — Elle pr6te Toreille, son
sang se glace, eile tombe, et sa tßte, converte d'nne mortelle pälenr, va
frapper la terre retentissante ; an mSme instant, sa ccenr se brise, et son
&me s'envole snr les pas de ses enfants.
1) Une femme morlaqne ne pent entrer dans la tente on la chambre de
son man sans y §tre appeUe.
Prosper M^rim^e's Mystifikation kroat Volkslieder. S9
^ Esfr-ce nne ^pith^te speciale» propre a la maison d^Asan? Est-oe, comme
je le pense, nne des fignres si commimes dans la langae slave qni exprime
Bon illuBtration? Fortis, qn'nn plus long usage devoit avoir initi^ aox finesses
de eette litt^rature originale, tradnit cependant: cortile bianco.
^ Foimnle de röpudiation.
*) Bexe mnci: ne govori nista. Fortis tradnit: U Begh nnlla risponde,
poor 6yiter le pl^onasme; mais le pl6onasme est nn des caracteres distinctifs
des litt^ratores primitives.
^ Da gre s' gnime majci n zatraghe. Cette condition dn diyorce chez
les penples qne nons appelons Barbares, a qnelqne chose de sublime. Elle
anppose Tinfortane non m^rit^e d'nne femme qni a enconm la disgrace de son
man, sans cesser d'ltre digne de sa möre.
^ üne femme r6pndi6e qni se remarie n'a pas le droit de revoir les en-
fimts n^ de son premier manage.
^ Imoski est TEmota des petits g^ographes grecs.
^ L'original dit: uxinati, d^jenner, expression naYve qni convient anx
mflsnis de ce penple et 4 la simplicit6 de son langage po^tiqne, mais qne nons
n'osons tradnire qne par nne Periphrase, parce qne nons sommes tradnctenrs.
Nons prions les po^tes de dire sans fa^on: parce qn'il est temps de d6jenner.
^ Cette le^on n'est pas tont-a-fait la mdme qne celle de Fortis, mais je
Tai recneillie plns commnn^ment de la bonche des Dalmates, et je la tronve
bien pr6f6rable.
5.
Complainie de la noble femme d^Azan Aga,
Tradnite da slave.
[Po^sies de Goethe, antenr de Werther, tradnites ponr la premiöre fois de
Tallemand par M°^« E. Panckoncke. Paris 1825.]
Qn'aper^oit-on de blanc dans cette vaste fordt? est-ce de la neige,
on sont-ee des cygnes? 8i c'^tait de la neige, eile serait fondue; si
c*^taient des cygnes, ils s'envoleraient. Ce n'est pas de la neige, ce ne
sont pas des cygnes, c'est T^clat des tentes dn fier Azan Aga. Sons l'nne
d'elles 11 est conch6, dompt6 par ses blessures; sa m^re et sa soenr vien-
nent le viaiter sonvent. Sa femme, retenne par nne timidit^ excessive,
tarde k se rendre pr^s de Ini.
Alors, dans sa col^re injnste, il fait dire k son ^ponse, qn'il croit
eonpable.
»N'attonds plns ma pr^sence; tn ne me verras plus ä ma conr, tu
ne me verras plns parmi les miens.«
Lorsqne la tendre ^ponse re9oit ce terrible message, eile tombe ^va-
nonie de donlenr. Le bmit d'nn cheval qn'elle entend Ini fait reconvrer
90 T. Hatiö,
l'üBage de ses Bens; eile eroit qne c'est son ^poux farieiix qni la ponr-
suit: alors eile s'^lance vers la tour pour se pr^cipiter et ^chapper ainBi
au conrronx d' Azan ; mais ses fiUes la snivent, la retiennent, r^pandent
avec eile des plenrs amers, et la rassnrent: »Ce n'est point notre p^re
Azan, disent-elles, c'est ton fr^re Pintorowich«.
L'^pouse d'Azan revient; eile 616ve ses bras en g^missant vers son
fr^re, et loi dit: »Vois, mon fr^re, la honte ä laquelle ta pauvre soenr est
r^dnite! M'abandonner amsi! et cependant je suis möre de einq enfanslc
Le fr^re se tait et concentre sa fureur. Ponr comble d'hnmiliation,
c'est Ini-m^me qn'Azan Aga a charg^ de la lettre de Separation, n la
remet ä sa soenr. Azan Ini ordonne de retonmer che sa m^re, et Ini
laisse la libert^ de contracter d'antres liens.
L'^ponse se soomet ä la volonte de r^poax, qni la d^ponille de tons
ses droits. Elle embrasse ses deux fils, presse ses fiUes tendrement
contre son sein; mais son coeur se d^bire quand eile doit se s^parer de
son demier enfant, qn'elle allaite encore.
Le fir^re, bonillant dHmpatienee et de col^re, l'enl^ve, la place en
cronpe derri^re Ini : 11 arrive avec cette femme eplor6e k l'habitation de
ses p^res.
n s'etait passe pen de temps; pas encore sept jonrs (c'etait bien
assez), qne pinsienrs grands seignenrs se present^rent ponr consoler la
yenve et ponr demander sa main.
Le parti le plns pnissant qni s'ofirait etait le cadi d'Imosld. La
fenune abandonn^e d'Azan alla tronver son fr^re, et lui dit: «Je t'en
conjnre, par ce qne tn as de plns eher an monde, ne dispose plns de
moi, cela serait contre ma Tolonte; car mon sonvenir est encore tont
rempli de mon ingrat ^ponz et de mes chers enfans«.
Ces paroles n'attendrirent pas Pintorowich, d^cidd k la donner an
cadi d'Imoski. Qnand eile vit qne tonte pri^re dtait inntile, eile Ini de-
manda ponr tonte gräce d'envoyer an cadi la lettre snivante : »La jenne
venye te salne amicalement, et te prie avec respect, lorsqne tn Tiendras,
accompagne de tes esdaves, de lui apporter nn long volle dont eile
puisse s^envelopper, pour ne pas voir la maison d'Azan, devant laquelle il
faut absolument passer, et surtout pour lui d^rober les regards de ses
enfans, qni lui d6chireraient le coeurcr.
A peine le cadi ent-il re9u cette lettre, qu'il assembla ses esclareB;
FtOBper M^rim6e*B Mystifikation kroat. Yolkidieder. 91
IIa aD^rent oheroher la princesse, Ini offirirent des präsenB magnifiqaes,
ainai qne le voile qn^elle avait demand6.
Ha amyent henreoBement au palaiB de Pintorowioh: la princesse en
Bort arec pompe; sa beant^ ravit touB leB yeuz. Comme eile approche
de la maiaon d'Aaan Aga, eile B'enveloppe de son volle; mais le eonrage
rabandonne, qnand eile entend seB enfanB qui Tappellent et Ini disent:
»RevieoB danB ta maiBon, m^re ador^e ; revienB manger le pain du
sdr avee tes enfansc. Son ocBur matemel Be brise; eile se tonrne yers
le prince, et le supplie de permettre qne ses esclaves et lenr brillant oor-
t^ s'arr^tent nn instant devant cette porte ch^rie: »Pennets, ö prince!
qne j'embrasse encore nne fois mes enfans et qne je partage avec enx
leB riehes pr^sens qne tu m'as faitB«.
Elle s'arr^te deyant eette porte ch^rie; eile donne k ses fils de jolies
botünes brod^ en or; anx filles, de brillantes pamres; et nn habille-
ment eomplet k celni qn^elle ayait arrach^ de son sein.
Azan Aga, qni 6tait cacb6, ne put yoir cette sc^ne toncbante sans
en 6tre attendri. IL conunenee k se repentir de l'ontrage qn'il a £ait k
Bon ^ponfle. H rappelle ses enfans: malgr^ Ini sa yoix est ämne; il lenr
dit: »Bevenez yers moi, mes chers et panyres enfans! le coenr de yotre
m^re c'est endnrci, il est ferm6 ponr nons; eile ne pent m^me comp&tir
k noB peines!«
L'6ponse d^Azan entend ces paroles: eile pftlit, tombe sans monye-
ment, et Bon äme Ta abandonn^e au moment oü eile a yu ses enfans
B'äoigner.
6.
Triste baUade de la noble epouse d^Asan-Aga ^).
(Gnzla, p. 307.)
QuV a-t-il de blanc snr ces coUines yerdoyantes? Sont-ce des
neiges? soni-ce des cygnes? Des neiges? elles seraient fondues. Des
cygnes? ils se seraient enyol^s. Ce ne sont point des neiges, ce ne sont
point des cygnes: ce sont les tentes de Taga Asan-Aga. H se lamente
de sea blessures cmelles. Pour le soigner, sont yennes et sa m^re et sa
Bceor; aa femme cb^rici retenue par la timidit^, n'est point aupr^s
de In! >).
Quand la donleur s'est apais^e, il fut dire k sa fidMe Epouse:
— »Ne me regarde pas dans ma maison blancbe, ni dans ma mai-
BOD, ni devant mes parents.«
92 T. Matid,
La dame, en entendant*) ces paroles, se renferme dans son ap-
partement toute triste et accabl^. Yoilli qne des pas de chevanx reten-
tUsent pr6s de sa maison, et la pauvre femme d^Asan-Aga, oonrt**) k
son balcon ponr se pr^eipiter. Mais ses deux filles ont suivi ses pas:
— lAxr^te, märe oh^rie! ce n'est point notre päre Asan-Aga, c'est
notre onde Pintorovich-Bey.«
L'iiifortim6e s'arr^te; eile serre dans ses bras son bhre ch^ri.
— >Ah! mon fräre, grande honte! il me r^pndie, moi qni Ini ai
donn6 cinq enfants!«
Le bey garde nn mome silence ; il tire d'nne bonrse de soie ronge
nn ^crit qni Ini rend sa libert^ '). Maintenant eile ponrra reprendre la
conronne de marine, anssitdt qn^elle anra revn la demenre de sa märe.
La dame a In cet ^erit: eile baise le front de ses denx fils et la bonche
venneille de ses denx filles; mais eile ne pent se s^parer de son demier
enfant, encore an bercean. Son frhre, sans piti^, rarrache a^ee peine k
son enfant, et, la pla^ant sur son cheval, il rentre avec eile dans sa mai-
son blanche. Elle resta pen de temps dans la maison de ses päres.
Belle, de hant lignage, eile fdt recherch6e bientöt par les nobles seignenrs
dn pays. Entre tons se distingnait le cadi d'Imoski.
La dame implore son fräre:
— »Ahl mon fthre, pniss6-je ne te pas srnrivre! Ne me donne 4
personne, je t'en conjnre^]; mon coenr se briserait en voyant mes enfants
orphelins.a
Ali-bey ne T^conte point ; il la destine an cadi d^Imoski.
Elle Ini fait encore nne demiäre priäre: qn'il envoie an moins nne
blanche lettre an cadi d'Lnoski, et qn'il Ini dise:
— La jenne dame te salne, et, par cette lettre, eile te fait cette
priäre: Qnand tn yiendras avec les nobles svati, apporte k ta fianc^ nn
long Yoile qni la convre tont entiäre, afin qn'en passant devant la maison
de Taga, eile ne voie pas ses orphelins.
Qnand le cadi ent In cette blanche lettre, il rassembla les nobles
svati. Les svati allärent chercher la marine, et, de sa maison, ils parti-
rent avec eile tont remplis d'all^gresse.
*) In der Ausgabe 1827 »en entendant«, sp&ter nnr »entendant«.
**) In der späteren Ausgabe: croyant qne son man s'approche, conrt....
Prosper M^rim^e's Mystifikation kroat. VolkBlieder. 93
Hs paasärent devant la maison de l'aga; ses denx filles, du hant du
balcon, out reconnu leur m^re; ses denx fils sortent k sa rencontre, et
appeüent ainsi leur m^re:
— »Airlte, notre mhre cWrie*)! viens goüter avec nonsla
La malheiirenBe m^re crie au stari*Byat:
— xAn nom da ciel! mon fr^re stari-svat, fais arr^ter les cheraux
pr^ de cette maison, que je pnisse donner qnelqne chose k mes
OTpheüns.«
Les cheyanx s'arr^tärent prös de la maison, et eile donna des ca-
deanx ä ses enfants. A ses denx fils eile donne des sonliers brod^s d'or;
a ses denx filles des robes bigarr^es; et an petit enfant qui ^tait encore
au bercaan, eile envoie une petite tnniqne **).
Asan-Aga a tont vn, retir^ k l^^cart; il appeUe ses denx fils:
— Yenez k moi, mes oipbeUns : laissez \k cette m^re sans coanr qni
Yons a abandonn^s!
La panvre m^re pMit, sa t§te frappa la terre, et eile cessa de vivre
anasitdt, de donlenr de voir ses enfants orphelins.
1} On sait qne le c^l^bre abb6 Foiüs a tradnit en vers Italiens cette belle
baflade. Yenant apres Ini, je n'ai pas la Prätention d^avoir fait anssi bien;
mala senlement j'ai fait antrement. Ma tradnction est litt^rale, et c'est la son
seol m^rite.
Le scöne est en Bosnie, et les personnages sont mosnlmans, comme le
pronTent les mots d'aga, de cadi, etc.
s) n nons est difficile de comprendre co'mment la timidit^ empSche nne
bonne öponse de soigner nn rnari malade. La femme d Asan-Aga est mnsnl-
mane, et, snivant ses id^es de d^cence, eile ne doit jamais se präsenter devant
son rnari sans Stre appel^e. II paratt cependant qne cette pndenr est ontr^e,
ear Asan-Aga s'en est irrit^ ***). Les denx vers illyriqnes sont remarqnable-
ment concis, et par cela m^me an pen obscars:
Oblaziga mater i sestriza
A gliabovza od stida ne mogla.
Yinrent la möre et la sceor,
Mais la bien-aim6e par honte ne put t).
9) Koign oprochienja. Mot a mot, an papier de libert^; c'est Facte da
dhrorce.
*) In der späteren Aasgabe: i»Arr6te, m6re ch^rie . . .«
**) Später: ane Chemisette.
**=*) In der späteren Ansgabe: s'en irrite.
f) In der Ausgabe vom J.1827 kommen die zwei letzten Yerse nicht vor.
94 T. Matid,
^ Pintorovich-Bey, cornme chef de famille, diBpose de sa BCdor, comme
fl pourrait le faire d'un cheval oa d^nn menble.
Gette bailade, bi remarquable par la dölicatesse des sentiments, est Y^ri-
tablement tradnite. L'abb6 Fortis en a pabliö roriginal, accompagn^ d'une
traductioiLy ou platöt d^nne Imitation en vers ItalienB. Je croia ma version.
litt^rale et ezacte, ayant 6t6 falte boob les yenx d^nn RuBse qni m'en a donn6
le mot k mot.
M. Oh. Nodier a publik ^galement nne tradnction de cette bailade, & la
snite de Bon charmant po^me de Smarra*).
*) Von »Gette ballade, bI remarqnable« iBt weiter die ganze Anmerkung
erst Bpäter hinzngefUgt worden und kommt in der AuBgabe 1827 nicht vor.
7.
La/emme de HagannAga,
(A. Dozon, Po6BieB popnlaireB BerbeB tradniteB Bur leB originanx, Paria 1859.)
Qne voit-on de blanc dans la verte montagne?
Eat-ce de la neige, oü Bont-ce des cygnea ?
Si c'^tait de la neige, eile serait d^jä fondne,
(si o'^taient) dea cygnes, ils aoraient pris lenr vol.
Ge n'est ni de la neige, ni des oygnes,
mala la tente de l'aga Ha9an-Aga.
Ha9an a re^n de cmelles bleaanrea;
aa m^re et aa aoenr aont vennes le viaiter,
maia aa femme, par pndenr, ne ponvalt le faire.
Qoand 11 fnt ga6ri de aes bleaanres,
fl fit dire ä sa fidMe ^pouse:
»Ne m'attends plns dans ma blanche maiaon^
»ni dana ma maiaon, ni dana ma famille.«
La Tnrqne venait d'entendre cea parolea,
et eile demeorait encore dana la pena^ de aa mia^re,
qnand le paa d'nn cheval a'arr^ta devant la maiaon.
Ha9an-Agnlnitza alora a'enfnit,
pour ae briaer le con en ae jetant de la fen^tre.
Apr^a eile conrent aea denx petitea fiUea :
»Reviena-t'en, ch^re maman,
»ce n'eat paa notre p^re, Ha^an-Aga,
»maia notre oncle, PintoroTiteh-Bey.c
Et Ha^an-Agoinitza revint anr aes paa,
Proeper MMmöe'B Mystifikation kroat VolkBlieder. 95
et ae pendant au oou de son fr^re:
sLa grande honte, mon fröre, (dit-elle)
i»de me s^parer de cinq enfants.c
Le bey garde le süence, 11 ne dit mot,
nais fonillant dans sa poche de soie,
il en tire (et Ini remet) la lettre de r^pndiation,
afin qu'eUe reprenne son donaire entier,
et qu'elle revienne avec lui chez sa möre.
Quand la Tnrque eut In la lettre,
die baisa ses denx fils an front,
ses denx filles snr lenrs jenes vermeilles,
mais ponr le petit enfan^on an bercean,
eile ne ponvait dn tont s'en s^parer.
Bon fröre, la prenant par la main,
ä grand' peine Tdoigna de l'enfant,
pnis, la plagant derriöre Ini snr son cheval,
partit avec eile ponr sa blanche maison.
Chez ses parents eile ne demenra qne pen de temps,
pen de temps, pas m^me nne semaine.
La Tnrqne 6iait belle et de bonne famiUe,
ponr sa beant^ on la demanda de tontes parts,
et avec le plns d'instance, le kadi d'Imoski.
La dame snpplie son fröre :
•Venille ne me donner ä personne,
»de penr qne mon panvre c<enr ne se brise,
»par piti6 de mes petits orphelinsc
Mais le bey de cela n'ent point sonci,
et l'aocorda an kadi d'Imoski.
La Tnrqne snpplia encore son fröre,
d'torire snr nne fenille de blanc papier,
ponr l'enYoyer an kadi d'Imoski:
»L'accord^e (disait-elle) te salne conrtoisement,
»et conrtoisement te demande par cette lettre,
»qnand tn rassembleras les nobles svats,
» et qne tn viendras la ohercher dans la blanche maison,
»d'apporter nne longne convertnre (volle) ponr eile
»afin qn'en passant devant la demenre de l'aga,
»eile ne voie point ses petits orphelins.«
96 T. Matid, Prosper M6rim6e'8 MystifikAtion kroat Volksiieder.
D6b que la lettre parvint au kadi,
il raasembla de nobles svats,
et partit poar chercher l'accord^e.
Ghez eile le cort^e arriva k bon port,
et Sans encombre arec eile repartit.
Mais comme on passait derant la maison de l'aga,
les deox filles virent lenr m^re de la fen^tre,
et ses denx fils aa devant d'elles sortirent :
»Reviens avec nons, ch^re maman, Ini dirent-ils,
»qne nous te donnions k diner.a
A ces paroles, Ha^an-Agninitza dit au stari STat :
»Stari svat, mon trhre en Dieul
»fais arrSter les chevaux präs de la maison,
»que je donne quelqne cbose k mes orphelins.«
On arr^ta les chevanx präs de la maison.
A ses enfants eile fit de beaux cadeaux:
k cbaque gar^on, des couteaux dor^s,
k ohaque fille, une longne robe de drap;
pour l'enfan9on au berceau,
eile Ini envoya des habits dHndigent (d'orphelin).
Le cavalier Ha9an-Aga avait tont vu;
11 appela ses deux fils :
»Venez ici, mes orphelins,
spuisqu'elle ne veut pas avoir piti6 de yous,
»Yotre m^re au cceur de pierre.«
En entendant ces mots, Ha^an-Aguinitza
frappa contre terre de son blanc visage
et k rinstant rendit Täme,
de douleur et de souci pour ses orphelins.
97
Wie man Blayische Mythologie macht.
loh mOehte die folgende Bemerkung dem Andenken des verstorbenen
Akademikers AI. Wesselo&kj widmen als Ansdmek meiner aofrichügen
Yerehrnug fllr sein eminentes Talent nnd das großartige Arbeitsfeld,
welches er bebant hat nnd wo er noch fttr lange Zeit allen Mitstrebenden
ein Fohrer und eine Fnndgmbe von Informationen bleiben wird. Auch
persönlich bewahre ich ihm das wärmste Angedenken, denn obwohl ich
nie das Glflck hatte, ihn persönlich kennen zn lernen, hat er mich doch
mit einigen sehr liebenswflrdigen Briefen beehrt, welche ich in schweren
Aogenblicken als Ermnntemng und Stärkung empfunden habe nnd immer
dankbar bewahren werde. Wenn trotzdem meine Bemerkung den Zweck
hat, eine vom verewigten Meister vorgebrachte Behauptung richtigzu-
stellen, so soll es nicht sein Andenken und seine Autorität irgendwie
sdimAlem, sondern nur zum besseren Fortgang der Studien dienen, denen
er sein arbeits- und fruchtreiches Leben gewidmet hat.
Die Sache verhält sich so. Im Jahre 1885 hat der Pfarrer Michael
Zubryökyj, jskm Schulkamerad und verdienter Erforscher des Bauem-
iebens, im Dorfe Msanec, im karpatischen Oebirge das folgende Weih-
nachtdied angezeichnet:
1. A n^o HaM 6uäo 3 ndjswsj cnira —
CjaBOH 6CH Eose
no nycTM cbItT i na seäeoax (Befrain)
2. Oh He 6huo s nair, xo6a CHHa no^a,
3. CHHafl BOAa thh 6L1HH KamiHL.
4. A npHKpHB rocnoAB cnpoB senJon^eB,
5. Bspocio Ha hTh Ke^poBe ApeBO
6. £ap3 BHcoqeHKe i tfapa cjtKneHKe.
7. BncHOTpKKa ro npecsATa A^sa,
8. 3i3Ba.ia a HOMy oopoK peMicHmciB:
9. »Oh BHAHTe x. bh, peiiicHH^eHKH?
10. A aiTHTTe X bh Ke/qpoBe ap^bo,
11. SöyAyHTe da H&oro cBÄxy Co«iH),
12. GBflTy Go«iH) b CBHTiM EiSoBi,
13. Eu Ha hTS 6Uxo cTHAecflTL BepxiB,
liekiT flUr lUTiBch« Philolofit. TXTT. 7
98 Ivan Franko,
14. GTMAecflTB BopxiB, cTmabchtb KpHXiB,
15. Genepo ABepiiS, a «ahh nij^oni«.
16. JSfiBh ÖyxyBajra, b ho^h BxTKajB,
17. B HO^H BTTRajra, B AOHB npHÖUBaxH.
18. A sicjiaB TocnoAB aHrejia 3 He6a.
19. »He BJiARaHTe ch, peidcHH^enKH!
20. JlfiB BSM To TocnoAB BeAJT^r' chjohkh.
21. KpHxi po($iTe, BepxH sboaTto«.
22. Bßfiu BepmeEKO (iaps bhco^ohko,
23. Eaps BHCO^eHKO i tfaps oiTqHeHKO,
24. A B tIm BopmeHKy sojiothh npeciü,
25. 3a THM npecTOjiOM caM mhjihh FocnoAb
26. CijXBT cjrjnK^OHiry cyÖopoByH),
27. CyÖopoByK), sasAopoByH),
28. I sa SAopoBfl Hamoro 6paTa,
29. Hamoro 6paTa i bcTx xphctUh.
30. TaMTyxH jiexHT 3 xftBHy cTesemca,
31. GTexKOH) i^e noiBCBKa sinoHKa,
32. MexH HHMH H^e nojncoBHiraeHKO.
33. GTajia BisoHKa b Kpiiad cTpluTH.
34. Peqe cjobohko nojKOBHmoHKO :
35. »A He cTpuAHTe x b cbatIT Kpicsi,
36. £o cnycTHT FocnoAi» ofhjihhh xoxaxhRi
37. OiHAHHH AOXA^KHK, rpoMosi KyjiT,
38. SaTOüHT FocnoAB noja»ci»Ky Bisomcy«.
39. Ah TaK ca cTaio, ioc bIh roBopsB:
40. IcnycTHB Fochoab orHAnnä xoxakhk,
41. OrHAHHH ßf}7Biß;SXR, rpoMOBi KyjT,
42. SaTOHHB FocnoAB nojTLCBKy bIhohky,
43. Xo6a HaM 3icTaB nojKOBHHqeHKO,
44. HoJKOBHH^eHKO, TOH Ham 6paTeHK0.
45. Eu Ha 3AopoBH, na MHora JiTra,
46. FeH Ham naHemcy, Ta nam 6paT0HKy,
47. He caM is coäoB, a 3 hhjhm EoroM,
48. Is mhihm EoroM, 3 rocnoAHHeHKOB,
49. 3 rocnoAHHeHKOB i 3 ^ejin^OHKOB.
loh habe den Text dieses bisher nnbekannten Weihnaohtsiiedes dem
verst. M. Dragomanoy mitgeteUt, welcher mir in einem Briefe antwortete,
Wie man Blavische Mythologie macht 99
das Lied g^ehöre za jenen, welche er »bogomilischec genannt hat, und
fflUsae im Zmaammenhang mit grieohiBohen, bnlgarisohen und nuntoisehen
gortliehen Gesfingen stadiert werden. Der bogomiliache Charakter des
Liedes wollte mir aber gar nicht einleuchten, und ich publizierte den
Text des Liiedes im J. 1S89 in der »EijeTskiya Starina« (Januarheft
8. 231 — 232) mit einer kleinen Bemerkung, worin ich den kompilatiyen
Charakter des Liedes hervorhob und drei Teile unterschied: der erste
Tdl ist eine Nachbildung des alten Weihnachtsiiedes über die Welt-
Mhdpfnng, welches aus der Sammlung des Holorackij (IKche rax. h
Yr. Pycn Bd. ü, 5, Nr. 7) bekannt und von Potebnja {O&hOßBemsi n,
619 — 620) kommentiert wurde. Das zweite Motiv ist das auch aus
Wdhnmehtsliedem bekannte Motiv vom Tempelbau (vgl. üoTetfEs,
(MxflCHeHiA n, 619 — 620), welches hier aber (Verse 16 — 21) in die
etwas unklare Ersfthlung von der periodischen Arbeit und Flucht der
Bauleate ausklingt. Die Motive, weshalb sie bei Nacht flohen und am
Tage zurückkehrten, sind nicht angegeben; die Verse tlber die Ersohei-
nuMg des Engels, welcher sie beruhigt mit den Worten, Gott habe es
iknen »nach ihrer Kraft« gegeben, schienen mir auf dnen Zusammen-
hang dieser Episode mit der mir aus einem polnischen Gedicht des
Boman Zmorski bekannten Sage llber den Turm der sieben Heerführer
Idnzudenten. Dort wird der Turm auch am Tage gebaut, sinkt aber in
der Nacht in die Erde hinab, bis der Bau vollendet wird, und steigt dann
durch die Zauberkraft des Gesanges jener sieben Heerführer aus dem
Boden bis an die Sterne empor. Die dritte Episode tlber die wunderbare
Bestrafung des polnischen Heeres führte ich auf irgend eine apokryphe
ESnihlung zurOck, ohne dnen bestimmten Text zitieren zu können.
Durch den Moskauer Gelehrten V. Kallas wurde auf dieses Lied
die Anfinerksamkeit Wesselofsky's gelenkt, welcher demselben in den
NaehtrSgen zu seinen 9Fa8UCKaHifl b% o6j[acTH pyccKHX'B xy^OBHUX'L
CTKZOBT« den bekannten »Exkurs tlber den Yggdrasil« widmete. Wes-
selofisky stellt hier unser Lied mit dem des Holovackij zusanmien und
schreibt so: »Diese Variante geht von demselben BUd des Baumes aus,
stellt aber anstatt der WeltschOpfnng das aus anderen Weihnachtsliedem
bekannte Motiv des Kirchenbaues ein; whr erinnern an die »HoBiieTfc
TphM;ak lepycaxmia« — die Cypresse — Sophia, die Weisheit Gottes mit
siebzig Gipfeln; im Weihnachtslied steht dafür die »heilige Sophia im
heilten Kijev«. Interessant sind noch die folgenden Details : die Bau-
arbeiter >bauten am Tage, flohen in der Nacht«, bis Gott durch den
7*
IQQ ' Ivan Franko,
Engel ihnen befahl nicht zn fürchten. »Gott hat es ench nach eurer
Kraft gegeben«, and sie voUfQhren ihr Werk. Herr Miron^) vermntet
hier einen Nachhall eines Motivs von der Art des in der polnischen Le-
gende »Tnrm der sieben Heerftlhrer« bekannten: was am Tage gebaut
wird, sinkt in der Nacht in die Erde hinab, und als schließlich der
Gipfel des Tnrmes vollendet wnrde, erhoben sich seine Wftnde wander-
bar aas dem Erdboden. Fitr solche Yermatang gibt das Weihnachtslied
kdnen Grand, im Gegenteil, man darf vermuten, daß das Motiv des
Schreckens der Bauleute mit den Details der Schlußepisode verbunden
ist : es kommt das polnische Heer, der Hauptmann läßt seine Leute auf
Kreuze nicht schießen, sie tun es aber doch und werden von Gott ge-
straft. Das sind die Feinde, welche den Bauleuten Furcht eiiyagen«.
Nun formuliert Wesseloftky seine eigene Ansicht folgendermaßen:
»Ich denke, das Original dieses Weihnachtsliedes habe dem Bau jener
apokryphen Erzählung entsprochen, welche die Grundlage slavisoher
Legenden Aber die WeltschOpfung geworden ist : am Anfang die Welt-
schöpfnng auf dem blauen Meer, am Schluß der Kampf der Engel mit
unreinen Geistern; Michael fOrchtet auch den Satan, Gott aber gibt ihm
Kraft, und er wirft den Satan und seine Heerscharen vom Himmel zur
Erde und in den Höllenpfuhl (Gbetoitb Öcxoctb. khetb). Interessant,
daß die nordische Legende die Absicht Satans, »seinen Thron Aber den
Sternen zu errichten« als einen wirklichen Bau verstanden hat: »Zebaoth
baute den Himmel, der Satan einen anderen, höheren; Zebaoth baute
noch einen Himmel und Satan einen noch höheren, und so bauten sie
sieben Himmel«. Vergleiche im Weihnachtsliede die Kirche mit siebaig
Gipfeln. Sowohl im galizischen, als auch in unserem (?) Weihnachtsliede
bleibt unklar, vom Standpunkt des »Gbetoitb«, das Bild des Baumes in
dem Weltschöpfungsmythos. Der Baum erscheint aus dem Meer, oder
auf dem Meer steht ein Stein, auf diesem der Baum. In slavischen und
westlichen Frage- und Antwort-Apokryphen ist die Eiche eine Grund-
lage der Welt, darauf liegen schichtenweise Feuer, Stein, Wasser, Erde.
Diese Eiche steht auf göttlicher Kraft; arbor, quae ab initio posita est,
ipse est Dominus Jesus Christus; es ist der Kreuzbaum, zugleich der
Paradiesbaum und der Weltbaum. Als Weltbaum ist er an seinem Platz
in Weihnachtsliedem über die Weltschöpfung, dagegen werden in an-
^) Unter diesem Pseudonym wurde meine Mitteilung in der K^evski^a
Starina gedruckt.
Wie man slavische Mythologie maoht 101
deren ans dem Erenzbanme oder ans drei Bäumen Kreuze gemacht, eine
Kirche gebaut mit drei Altären, drei Türen, drei Gipfeln = Himmeln,
imd durch eine tritt Gott selbst ein. Wie hier das Bild des Kreuzholzes
^ der Kirche zum kosmischen erweitert wurde, so erklärt auch in un-
serem Weihnachtsliede das Bild des Weltbaumes den Obergang von der
Weltschöpfung zum Kirchenbau. Bei der Kirche erschienen statt Engel
die Bauleute und die alten Feinde sind als eine Abteilung polnischer
Krieger gezeichnet. Das Weümachtslied wird auch dem Hauptmann zu
Ehren gesnngenc.
Das letztere ist unrichtig; das Weihnachtslied wird zu Ehren des
jeweiligen Vorgesetzten der Kirchenbrflderschaft (cTapmHH 6paT) ge-
simgen, welcher kraft des in allen Weihnachtsliedem flblichen Nexus
gleich mit dem Helden des Liedes identifiziert wird. Grundlos ist die
Identifizierung des Cedembaumes in unserem Liede mit dem Kreuzholz
und gar mit der Weltesche; dieser Baum hat mit der Weltschöpfnng
nichts gemein, da er ja nicht als Anfang, sondern als Schluß dieser
Schöpfung dargestellt wird. Und überhaupt hat das ganze Lied, wie
wir gleich sehen werden, gar nichts Mytholo^ches oder Bogomilisches
an sich, sondern ist aus K^jever Lokalsagen, freilich im Stil der alter-
tümlichen Weihnachtslieder, in einer ziemlich genau zu bestimmenden
hiBtorischen. Zeit entstanden.
In dem in ganz Stldrußland und auch in Galizien seinerzeit sehr
populären und vielfach, auch in Lemberg gedruckten Werke des Joan-
nicios GalatOYsky »KjnoTB pasyM^niA« finden wir am Schluß eine kleine
Sammlung von Wundergeschichten der Muttergottes, und lesen dort als
IStes Wunder die folgende Geschichte: Im Jahre 1630, als einmal das
polnische Heer zum Pe^erskij-Kloster herantrat und dasselbe zerstören
wollte, da es gehört hatte, dort befinde sich der KosakenfDhrer äulha mit
Zaporoger-Kriegem, damals schützte die heilige Gottgebftrerin ihr Kloster
Tor Gefahr, denn auf ihre Bitte fiel ein feuriger Regen auf das Heer und
trieb es weg vom Höhlenkloster, was später auch die Polen und Deut-
Bchen selbst erzählten, welche dabei waren. HeerfOhrer in diesem Heere
waren ButÜer und j^oltowski«.
GalatoYskij zitiert keine Quelle für seinen Wunderbericht, und er
brauchte es auch nicht zu tun, da die Sache in Kijey und auch in ganz
Sfldroßland ohnedies ziemlich bekannt war. Wir haben darüber einen
snafllhrlichen Bericht eines Augenzeugen, des Höhlenkloster-Mönches
Kahofojskij, welcher in seinem 1638 polnisch herausgegebenen Buche
1 02 Ivan Franko,
»Theratnrgema« die Geschichte erzählt. Ich will seinen Bericht nicht
zitieren, da er im Grunde mit dem Galatovskijs zusammenstimmt, nnd
will nnr die Darstellnng des Wnnders mit dem Fenerregen in wörtlicher
Übersetzung mitteilen. Nachdem er die Ursache des Überfalls (einen un-
motivierten Verdacht der Polen, das Höhlenkloster beherberge die Za-
poroger, welche tatsächlich anf einer nahegelegenen Dnieprinsel lagerten)
dargelegt nnd die ersten Bewegongen der nahezn 6000 Mann zählenden
Heeresabteilnng gegen das Kloster geschildert hatte, fährt er folgender-
maßen fort: »Siehe aber, da begann der bisher heiterklare (slicznopo-
godne) Himmel seine Pracht zn ändern, als gehe er ans der Heiterkeit in
arge Traner über, hüllte seine frenndliche Röte mit emer ungemein dunklen
Wolke und begann allmählich einen aus so heißen Tropfen bestehenden
Regen auszugießen, daß sobald irgendwo ein Tropfen auf ein Pferd,
einen Reiter oder einen FuBgänger fiel, derselbe wie durch siedendes
Wasser versengt wurde«. Durch diese, in einer Steppenlandschaft an
h^en Sommertagen gar nicht ungewöhnliche Erscheinung wurden die
Truppen zerstreut und mußten sich in umherliegenden Hütten verbergen;
die von ihnen gemachten Anzündungsversuche blieben auch erfolglos,
und sie zogen ab; die Angelegenheit wurde übrigens noch an demselben
Tage durch eine Verständigung zwischen dem Arohimandriten des
Klosters und dem polnischen Kommando friedlich beigelegt. Das ist der
historische Kern der Lokalsage, welche dank den Bemühungen der
Mönche sofort popularisiert und mit fabelhaften Zügen geschmückt
wurde. Kalnofojskij macht zu seiner Erzählung noch eine lakonische
Bemerkung: »Zur Erinnerung an dieses Wunder wird jährlich um das
Kloster und die Stadt eine Prozession yeranstaltet«. Natürlich war eine
solche Prozession auch mit entsprechenden Predigten verbunden, und so
wundem wir uns nicht, daß der an sich bedeutungslose Vorfall vom
J. 1630 auch ungeachtet der schriftlichen Quellen mündlich bis ins kar-
patische Gebirge gelangen und hier Thema des Weihnachtsliedes wer-
den konnte.
Noch ein interessantes Detail. Die wunderbare Kirche in Kijev
heißt im Liede Sophia, während das eben erwähnte Faktum eine andere,
die Höhlenklosterkirche betrifft. Die Verwechslung ist an sich nicht
wichtig; wichtiger ist aber ein Detail, welches der yerst. Wesselo&ky
auch mythologisch zu deuten versuchte. In der Beschreibung der So-
phienkirche im Liede heißt es nämlich, in einem besonders prachtvollen
Gipfel dieser Kirche stehe ein goldener Altar, und bei diesem Altar ver-
f
Wie man slayische Mythologie macht. 103
richtet der liebe Gott selbst einen Gottesdienst. Das ist keine Mythologie
md kdne Allegorie; es ist nur, durch verwunderte Banemangen ge-
sehen, eine Beschreibung der wirklich im Gewölbe des Hauptschiffes der
Kijever Sophienkathedrale befindlichen wundervollen Mosaikdarstellung,
wo auf goldenem Grunde Christus in pontificalibus dargestellt ist. Diese
Mosaik war lange Zeit, seit der zweiten Hftlfte des ÄVii. Jahrb. vor-
sehoUen, wurde bei irgend einer Reparatur mit Kalk flbertflneht, und
erat dem Bajever Professor PrachoT verdanken wir ihre Entdeckung.
Wer die Hberlebensgioßen, farbenglllhenden Darstellungen dieser Mo*
ulken einmal betrachtet hat, der wird es erklärlich finden, daß ibr In-
liilt dem erstaunten Auge eines frommen Baucmpilgers als lebendige
Szene des den Gottesdienst verrichtenden Christus erscheinen mußte.
Übrigens ist dieselbe Figur Christus in pontificalibus dne feststehende
und offiziell bestimmte Figur im Zentrum jedes sogenannten Ikonostas
(Ddsiis), welcher sich in jeder russischen Kirche befindet.
Auch die zweite Episode unseres WeibnacbtsUedes, die vom wunder-
baren Eirchenbau, hat nichts Mythologisches an sich, sondern ist wieder
ms einer Lokalsage, und zwar aus einer dieselbe HOhlenklosterkirche in
Kijev betreffenden entstanden. Ich habe erst unlängst das ziemlich seltene
Gedieht des Roman ZmorsM »Wieia siedmiu wodzöw« in einer Separat-
losgabe bekommen und ersehe aus dem Nachwort des Verf., er habe die
Sage zwar in seiner Kindheit in Masovien gehdrt, konnte aber später keine
Spur derselben in jener Gegend finden. Dagegen traf er sie in der Ukraine,
zwischen Janov und Terespol, wo ihm ein Mäher erzXhlte, es wären einst
sieben Brftder, weise Fürsten gewesen, welche vor ihrem Tode einen Turm
bauen ließen, worin sie begraben werden wollten. Was aber die Maurer
am Tage erbauten, das versank in der Nacht unter die Erde. Dies dauerte
volle drei Jahre. Nach dieser Zeit ließ der älteste Bruder eine goldene
Engel bauen, in welcher ein lebendiger Hahn verschlossen wurde. Die
Kugel wurde nun an der Spitze des Turmes befestigt, und als der Hahn
in der Kugel krähte, ging der Turm von selbst aus dem Boden hervor,
bis er den Hinmiel berOhrte. Ich lasse den Schluß dieser Erzfthlung
beiseite und füge noch hinzu, derselbe Verfasser habe noch eine Version
dieser Sage zitiert, welche direkt an die Erbauung der Kijever Höhlen-
klosterkirohe anknilpfk. Zehn heilige Brflder sollen diese Kirche erbaut
haben; was am Tage erbaut wurde, versank in der Nacht im Boden; so
dauerte es dreißig Jahre. Am Schluß des dreißigsten Jahres erschien
ihnen ein Engel und befahl ihnen das Dach zu bauen und ein Kreuz
104 Ivftn Franko,
diurauf aufenrichten. Man machte ein Kreuz, welches, da es spät abends
aufgerichtet wurde, etwas schief stand. Dann gingen sie zur Ruhe und
erwachten nicht mehr. Am andern Morgen aber tauchte aus dem Erd-
boden der Eirchenturm so hoch empor, daß er auf die Entfernung yon
sieben Meilen sichtbar war. Zmorski beruft sich bei dieser Erzflhlung
auf den polnisch-ukrainischen Schriftsteller Alexander Groza, dessen
Werkchen »Wladyslaw, wyci^ z pamiftniköw nie bardzo staryohc ich
nicht einsehen konnte. Die moderne ethnographische Forschung in der
Ukraine hat bisher, so viel ich weiß, im Yolksmunde eine solche Sage
nicht gefunden, aber ich muß sogleich beifügen, daß fOr die Sagen- und
Lokalgeschichte der Ukraine, besonders am rechten Dnieprufer bisher
sehr wenig geleistet wurde. Jedenfalls wird das bisher Gesagte genügen,
den betreffenden Worten unseres Weihnachtsliedes jeden mythologischen
Anstrich zu benehmen.
Und noch eine Bemerkung. Die Ausfflhrungen des yerst Wesse-
lofsky Aber die WeltschOpfung in dem oben angeftihrten Zitat mögen
sehr scharfsinnig sein, — daß sie klar und flberzeugend wären, wflrde
ich nicht sagen. Die Verquickung des skandinavischen Weltbaumes mit
dem altchristlichen &euzholze scheint mir ganz willkürlich zu sein und
wird durch kein bekanntes Material gefordert. Die vom verst. Wesselof-
sky herbeigezogenen BonpocooTB^TU und der auf ihrer Grundlage ge-
machte spätrussische Gbhtoitb sind ein zu dunkles und erforschungs-
bedflrftiges Gebiet, als daß wir ohne neues Material hier zu irgendwel-
chen bindenden Schlflssen berechtigt wären. Vielleicht wird es hier am
Platze sein, auf den von mir gefundenen und im lY. Bande meiner Apo-
kryphensammlung (üaMATicH IV, S. 420 — 428) publizierten Text eines
derartigen Apokryphums hinzuweisen, welches mir den Abklatsch der
ältesten, uns bisher bekannten Redaktion der sogen. £ec%A& Tpexx
CBATHTaieH darzustellen scheint. Wie hier die Weltschöpftmg erzählt
wird, mögen die ersten ffinf Fragen und Antworten in wortgetreuer Über-
setzung illustrieren, mit welchen ich diese Ausftlhrung schließe :
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, die Erde aber
war unsichtbar und ungescbmttckt und Finsternis war Aber
dem Abgrunde.
1. Frage: Wer ist älter als Gott?
Antwort: Die Höhe und die Breite und die Tiefe und die Steine.
2. Frage: Wer ist der Stein?
Antwort: Der Stein ist die Mutter des Alls.
Wie man slavische Mythologie macht 1 05
3. Frage : Wie ist er die Matter des Alls ?
Antwort: Als noch die Welt nicht war, war eine Finsternis und
ein Stein über dem Abgmnd, nnterstfltzt vom heiligen Qdst,
nnd ans demselben sproßte Gott hervor.
4. Frage: Wie sproßte Gott hervor?
Antwort: Nor der einzige Geist begann damals zn existieren, ein
grfinfarbiger Stein, der heißt Afranikr, nnd von Ansehen war
er klarer als Sonnenlicht, wo auch die Qnelle der Gewässer ist.
Der heilige Geist [entstand] ans dem Ranchgewölk; er ranchte
auf nnd wnrde Fener, nnd wnrde Gott, fenrig von Gestalt nnd
einem Menschen ähnlich, von ihm aber kam das Licht.
5. Frage: Was ist am ältesten in aller Schöpfnng?
Antwort: Das Wort wnrde gesprochen: »Am Anfang war das
Wort nnd das Wort war von Gott nnd Gott war das Wort«.
Und als er anf leuchtete, sprach er: »Es werde Licht!« nnd so
wnrde es, nnd Gott sah, daß es wohlgetan ist.
Dr. Ivan Franko,
Zu Prokop SediT^s Büchlein über das Theater (1793).
Der Schauspieler Prokop äediv^ (1764 bis gegen 1810}, i^herecky
WerfTowec v wlaftenfk^o Praisk^ho diwadla«, als Dramatiker wie als
Enihler ohne Originalität, aber als Übersetzer ein frnchtbarer Vermittler
deutscher Einflilsse ^) nnd eine Hanptstfltze der popularisierenden Tätig-
1) Er ttbersetzte Bitterromane von Chr. H. Spieß, der selbst als Schan-
Bpieler in Prag nnd später als Güterverwalter bei Klattan lebte ; Wiener Possen
vonHensler, Ziegler, Friedl, femer Vnlpins, Soden, den Lear, den Goethischen
ClftTigo, Bürgers Lenore n. a.
Eine genaue üntersnchnng des mächtigen Einflosses der zeitgenössischen
Wiener Dramatik anf das Drama der tschech. Wiedergeburt ist eine sehr dank-
bare An^be. J.Mdchal berechnet im »Obzor literami a nm^leck;^« II, S. 119,
daß bis znm Jahre 1810 folgende Wiener Dramatiker in der tschech. Literatur
▼eitreten sind: Ayrenhoff durch eine Übersetzung, Weidmann durch vier,
Km-Bemardon (2), Schikaneder (6), Hensler(6), Perinet (2), Friedl (2),
106 Franz Spina,
keit des Aufklärers V. M. Eramerins, hat 1793 ein theoretisches Büch-
lein üher den Wert des Theaters herausgegeben: >Krdike Pogednänj
0 viitku^ ktere vstawiönS stogjc^ a dobfe apofädani diwadlo puso^
hiti muie. Sepsiino, a wssem, kterj na oswjcenj lidsk^ho rozumu^ a na
zsslechtSnj sv^^ch kraganö podjl mjti chtSgj, ob^towäno«.
Der Forschung gilt das Büchlein als eine Originalarbeit. Sie findet
in ihm — nicht mit Unrecht — die echten aufklärerischen Züge der
tschechischen Wiedergeburt.
F. A. Subert schätzt im Obzor literätnl a umilecky I, S. 57, und
OsY^ta XXIX, 43 ff., 131 ff. äedivys Bedeutung ungemein hoch ein.
Dieser ist ihm durch seine beiden Originalstficke: »Praifcstf slädci« und
»Masn6 krämy« (die übrigens völlig unter dem Einfluß der Wiener Posse
stehen), der erste Realist und der Begründer des Prager Lokalstücks —
— ein enthusiastisches Urteil, das J. Mächal im Obzor II, 113 ff. kühl
korrigiert. In der »Osv^ta« a. a. 0. 133 ff. analysiert Hubert das Theater-
büchlein Sediy^s eingehend und preist das Werkchen geradezu panegy-
risch als Produkt eines originellen führenden Geistes der aufklärenden
nationalen Wiedergeburt. Schon in der Widmung und nicht minder in
der begeisterten Erwähnung Josefs U. zeige sich der echte Parteigänger
der Wiedergeburt. Als Beispiel für die Wirkung des Büchleins auf die
Zeitgenossen verzeichnet Subert, daß E. J. Thäm in der Vorrede zu sei-
nem »Neuesten böhmisch-deutschen Nazionallexikonc (1805) vom tsche-
chischen Theater ähnliche Ausdrücke gebrauche : »Was eine wohleinge-
richtete stehende Bühne wirken könne« etc. Als Vorläufer und teilweise
Muster des Theaterbüchleins betrachtet Subert, Osv^a XXIX, 137 ge-
lehrte Abhandlungen von E. J. Thäm (Obrany jazyka Sesk^ho) und Fr.
H. Pelzel (Akadem. Antrittsrede über den Nutzen und die Wichtigkeit
der Böhmischen Sprache). —
J. Mächal behandelt Sediv^ a. a. 0. und in der Literatura Seskä
XIX. stoletf (Laichter), I. Bd. Auf S. 261 f. gibt er hier den Inhalt des
Theaterbüchleins an, das auch er für ein Originalwerk hält, und sagt,
daß die zahlreichen Belege §edivys aus Euripides, Shakespeare, Cor-
neille, Moli^re, Lessing, Schiller, Törring u. a. für seine Eenntnis der
dramatischen Weltliteratur zeugen. Ähnlich der Artikel Pr. Sediv^ in
Ottos Slovnik nauSn^.
femer Ziegler, Fuß, Heubel, Weißkem, Eberle, Mayer, Waldvogel, Pelzel
u. a. wenigstens mit einer Obersetzung. Gewiß ist die Zahl noch größer, viel-
fach sind aber nur Titel erhalten.
Zu Prokop äediT^s Bttchlein über das Theater (1793).
107
Jar. VlSek gibt in den »D&jiny Seskd literatoiy« EL, 1, 8. 251 f. den
Gedankengang des Btlchleins an und sagt, ohne Näheres mitEUteilen, der
Yerfuser sei durch eine deutsche Vorlage aus dem Jahre 1787 angeregt
worden. Meint er d^mit die von Subert, Osv^ta a. a. 0. S. 137 ange-
fiüirten »Beobachtungen in und ttber Prag von einem reisenden Auslän-
dort, Prag, bei Wolfg. Oerle, 1787 ? In dem von äubert zitierten 10.
Kapitel der »Beobachtungen c vermag ich keine Beziehung zu entdecken.
Die Quelle ist eine andere: Sediyys Büchlein ist eine ziemlich ge-
treue — durch weite Absätze wörtliche — in den Hauptsachen gute
Übersetzung der Schillerschen Abhandlung: *Dte Schaubühne ah
eme maralische Anstalt betrachtet*^ durch die der Dichter 1784 die
Aufrahme in die Kurpfälzische Deutsche Gesellschaft zu Manheim er-
warb und mit der er seine »Thalia« erOffiiete.
Sedivys Schriftchen umfaßt mit dem Titelblatt 22 Seiten. Die Vor-
rede (8. 3 — 7) scheint eigene Arbeit zu sein, von der 7., bezw. 8. Seite
an beginnt die gegen das Ende freier werdende Übersetzung.
Eine Stichprobe möge die Art der Abhängigkeit zeigen :
äediv^, 8. 9f.:
Mwo diwadla teprw se za6jn& tu,
kde priwa sv^tskä konec swfig berau.
Kdyi sprawedlnost pen^zy zaslepend
od neprawosti auplatky b4re, kdyi se
sbftgigcj mocnähmi sw^ z gich ne-
moenosti posmjwÄgj, gdyi b&zeii
üdBki wrchnosti mce w&ie, tu teprw
diwadlo 8 meiern a s wähau na sw6
itnmliw^ stolicy neprawost sanditi
poijaa. Na g^ho kynntj gsau mu roz-
tm j wBsickni pHb^how6 minul^ch
y lmdauc^eh'6as& k sluibim poho-
tow^ Opowailiwj a ukrutnj zlo6incy,
befj gii däwno sprdchniwdii, mus^
aynj ua wssemohauc^ b&snjkü kynutj
wystaapiti, a k strassliwö weystraze
potomitwa Bw6 hanebn^ iiwobytj
opakowatL Jako w n6gak6m zrcadle
widjme nynj ten strach, kter^ tito
besboftiycy tehdegssjm obywateltbn
iwita pibobili, a s wigthy rozkossi
Schiller, Sämtl. Werke, herausg. von
Karl Goedeke, Stuttgart 1881, 9. Bd.,
S. 58 f.:
Die Gerichtsbarkeit der Bühne
fangt an, wo das Gebiet der weltlichen
Gesetze sich endigt. Wenn die Ge-
rechtigkeit für Gold verblindet und im
Solde der Laster schwelgt, wenn die
Frevel der M&chtigen ihrer Ohnmacht
spotten und Menschenfurcht den Arm
der Obrigkeit bindet, übernimmt die
Schaubühne Schwert Und Wage und
reißt die Laster vor einen schreck-
lichen Richterstuhl. Das ganze Beich
der Geschichte, Vergangenheit und
Zukunft stehen ihrem Wink zu Gtobot
Kühne Verbrecher, die längst schon
im Staub vermodern, werden durch
den allmächtigen Buf der Dichtkunst
jetzt vorgeladen und wiederholen zum
Bchauervollen Unterricht der Nachwelt
ein schändliches Leben. Ohnmächtig,
gleich den Schatten in einem Hohl-
spiegel, wandeln die Schrecken ihres
108
Franz Spina,
prokljnime w srdc^ch nassjch gjch
OBskliwan pamitku.
(10) Wssak j tenkrÄte, kdyiby ikd-
n^ho mrawn6ho u6enj, ani gak^ho n&-
boienstwj mezy lidmi wjce nebylo, a
kdyby wBseckÄ pr4wa BwÖtskÄ byla
zahynula, hr&za gen pi^edc pogme
srdce nass^, kdyi spatirjme Meden,
ana po s^delnjch stupnjch krä6j, a nad
djtkami ew^mi wraidy se dopaosstj.
Spasytedlnj^ strach obklj6j mysl nassi,
a geden kaid^ bade sw^domj sw^ w
tichoBti achwalowat, kdyi Btrassliwi
palno6njce L6dy Macbet wystanpj, a
Bwau nad Kr&lem sp&chanau wrid^du
8 tau neydraisBJ w4ni z mkan Bw^ch
Bmeyti nemftie.
S. 18:
Dfjw6 geBBtö, uei Nathan iid, a
Salad^ Saracensk;^ nis pfjkladem
Bw^m a6ili, co oprawdiwä l&ska k
bljinjmu gest — dfjw6 geBBt6, nei Jo-
zsf Druh^ nad 8traBBliw;^m hadern
n&boin6 nen&wisti Bwjt^zyl, wBBtjpilo
gü diwadlo antrpnoBt a prawan c^-
tedlnost w srdoe nass^. Hanebnj obra-
zow6 wzteklosti pohansk^ch kn6ij
a6ili n&B, kterak Be näboin^ zÄBStj, w
kter6 ki-esfanatwo bw^ poBskwrny
zmeywalo, warowati m&me.
Jahrhunderts vor unseren Aogen vor-
bei und mit wollüstigem Entsetsen
verflachen wir ihr GedächtniB.
Wenn keine Moral mehr gelehrt
wird, keine Religion mehr Glauben
findet, wenn kein Gesetz mehr vor-
handen ist, wird uns Medea noch an-
schauem, wenn sie die Treppen des
Palastes herunter wankt und der ELin-
dermord jetzt geschehen ist. Heilsame
Schauer werden die Menschheit er-
greifen, und in der Stille wird jeder
seih gutes Gewissen preisen, wenn
Lady Macbeth, eine schreckliche
Nachtwandlerin, ihre Hände wäscht
und alle Wohlgerüche Arabiens her-
beiruft, den häßlichen Mordgeruch zu
vertilgen.
Noch ehe uns Nathan der Jude und
Saladin der Sarazene beschämten und
die göttiiche Lehre uns predigten, daß
Ergebenheit in Gott von unserem
Wähnen über Gott so gar nicht ab-
hängig sei — ehe noch Josef der
Zweite die fürchterliche Hyder des
frommen Hasses bekämpfte, pflanzte
die Schaubühne Menschlichkeit und
Sanftmut in unser Herz, die abscheu-
lichen Gemälde heidnischer Pfaffen-
wut lehrten uns Religionshaß vermei-
den — in diesem schrecklichen Spiegel
wusch das Christentum seine Flecken
ab.
An Sediv^s Übersetzung läßt sich gut beobachten , wie eine eben
wieder flügge werdende Sprache mit den chiirakteristischen Eigenschaften
Sohillerscher Diktion: dem begeisterten und machtvoll hinströmenden
Fluß, dem rhetorischen Periodenbau ringt. Insbesondere im Ausdruck
der fein abgeschliffenen Abstrakta bleibt sie zurück. Vergl. den Abschnitt
bei Schiller, S. 64 : »Mit eben so glücklichem Erfolge syste-
matisch zugrunde richten« und Sediv]^ S. 18 : »Bowni tjmto sslastnym
au^inkem .... pichlaw^ diwadlo neyprjhodn^gssj« und andere Stellen.
Einen größeren selbständigen Einschub hat äediv^ S. 10: »Eohoi
nepodgalo w^el6 tau&enj po ctnosti gako z hrobu powstane«.
Zn Prokop äedivys Büchlein über das Theater (1793). ] 09
Einige Stellen hat er mißverstanden. Yergl. oben am Beginn des
Zitates: »Wenn die Frevel der Mflchtigen ihrer (der Gerechtigkeit] Ohn-
macht [spotten« = »Edy& se zbignjoj mocni^Am swym z gich nemoc-
nosti posmjwigj«. — Schüler 8. 60 : »Auch da, wo Religion nnd Gesetze
es unter ihrer Würde achten, Menschenempfindnngen zu begleiten« =
6ediv^ 8. 12: »Tak^ y tu, kde näboienstwj a präwa za dobr^ vznä-
wagj, c^tedlnosti lidsk^ doprowäzeti« nnd andere Fftlle.
Wo es angeht, färbt Sediv^ Schillers Ansftthrungen fttr die Zwecke
der tschechischen Anfklftrong. Schiller 65 : »Mit einem Wort, wenn wir
es erleben, eine Nationalbflhne zn haben, so würden wir anch eine
Nation« = »ediv^ S. 20: »slowem, kdybychom se toho do&ekali, i^e-
byehom nstawi&n^ Cieske diwadlo mili, tenkrätebychom tak^ geden
niiod byli«. — S. 17 : »Tak smeysslj nynj obecnj lid w Oiechäch, tak
ameyssQ nynj sandcow^ nassj, tak smeyss^ y neywysssj wrchnosti
uss^«. — Oder S. 10 der Bericht über die Anfftlhmng der »Ränber«:
>Lanpeinjcy w Gl^esköm gazykn gen nikolikrät na weregn6m diwadle
piedstawowani byli, a gä mohn ngistiti, co sem na m6 wlastnj nssi slys-
sei, kterak gisty prost^ £lowik, chtiw osskliwost swan nad gedigm bez-
bobjkem wygädHti, tato slowa promlnwil: Tento Slow^k gest cel^
Franc Mör!« —
Von einer originellen Leistung Sedivys kann also keine Rede sein.
Die begeisterte Apologie der stehenden Bühne, die im Charakter des
Zeitalters liegende Yerqnicknng von Ennst nnd Moral, der aufklärende,
popularisierende Zug, die umfassende Belesenheit, das geradezu drama-
tiaehe Hinarbeiten auf den Hauptzweck — das alles kommt auf Schülers
Konto. Trotzdem ist Sedivys Büchlein, obgleich eine pia frans, die ihren
Zweck bei den Zeitgenossen gewiß erreicht hat, ein nicht uninteressantes
Glied in der Kette der deutsch-tschechischen Beziehungen in der Literatur
der Wiedergeburt Interessant auch durch die Bewertung seitens der
Fonchung, die in einer Schillerschen Abhandlung den echten Geist jener
merkwürdigsten Periode tschechischen Schrifttums fand — eine Parallele
iwiachen deutscher und tschechischer Aufklärung (das Wort im weitesten
Bimie gebraucht), die eines sozusagen geschichtsphilosophischen Inter-
esses nicht entbehrt.
Kgl. Weinberge. Franz »^na.
Kritischer Anzeiger.
Göttinger Sammlang indogermaniseher Grammatiken. Verglei-
chende slayische Grammatik von Dr. W. Vondr&k. I. Lautlehre
und Stammbildnngslehre. Göttingen 1906. X n. 532 S. S^.
Die Anlage des Werkes bereitet eine willkommene Überraschiing; es ist
wirklich eine vergleichende Grammatik und nicht, wie beiMikloBich oderFlo-
rinskij, eine Sammlang von Einzelgrammatiken mit den onvermeidlichen
Wiederholangen. Allerdings ist es im Grande kirchenslavische Grammatik,
mit Einschaltang von Exkarsen über den Wandel von f , q, S n.s.w. in den
lebenden Sprachen: für die Laat- and Formenlehre, sogar für Syntax, ist dies
die einzig mögliche, wissenschaftliche, einheitliche Behandlang des spröden
Stoffes. Er ist kritisch and erschöpfend (bis aaf weniges, s. o.) dargestellt and
die Zwecke eines Handbaches sind trefflich erfÜUt; änßerst übersichtlich ist
zasammengefaßt, was bisher erreicht ist; ja, der Verf. gewährt hie and da
weitere Aasblicke; das Bach ist wohl angetan, slavistische Stadien za fordern,
ihnen neae Freande za werben.
Die folgende Besprechang läßt ganze Partien des Baches anberührt, so
die Über Akzent nnd Qaantität oder die über die Verhältnisse in den modernen
Sprachen, wo, z. B. im Polnischen, manches, nicht nar bei der Darstellang der
Nasalvokale, za berichtigen wäre. So sei aas der LaaÜehre nar folgendes
heransgegriffen. Hier kommt es bekanntlich aaf richtiges Ablesen der Tat-
sachen an, die für Wnrzelsilben die Etymologie, für die Endangen deren Ana-
lyse liefert, wenn wir von der Beobachtang der einfachsten Vorgänge in der
Sprache selbst, wie des Wandels pekq-^eieÜ n.s.w., als von etwas selbstrer-
stJindlichem absehen; falsche Etymologien and irrige Analysen müssen daher
große Verwirrnng anrichten.
In diesem Pankte ist Vondr&ks Werk nicht einwandsfrei. Ich sehe von
preußischen and litaaischen Deatangen ab ; noch immer figurieren hier preaß.
masi, lazint [palazinina Elapitel] als Belege für abweichende Behandlang der
Gattarale, and doch sind es nar poln.LehnwOrter {poioiente Capitolam, häafig
im XV. and XVI. Jahrh.), die nichts besagen [S. 347), oder es werden litaaisehe
künstiiche Wörter, wie kaina Preis, das za elna erfanden w^rde, oder b4ti ge-
nannt, das vom slay. Lehnwort {dbaii) herstammt; ich beschränke mich aaf
slavisches. So wird noch immer kniga aas dem nordischen kenning^ das ganz
YondrÄk, Yergl. slav. Grammatik, anges. von Brückner. Hl
etwas anderes bedeutet nnd wegen des Alters des slavischen Wortes gar
flicht herangezogen werden darf^ hergeleitet, obgleich längst eine ziemlich
einwandfreie Erklämng ans dem Slavischen gegeben ist, nnd ist diese falsch,
10 ist die ans kenning doch hnndertfach falscher. Slavisches ch soll ans p ent-
stehen, das beweise ckrqitb s pramstei (S. 261 n. ö.), aber wie kann dies ein
Böhme schreiben, der in seiner eigenen Sprache brouk Käfer hat (zn brfk'
rammen, wie ekrqüb zn ehrest- snmmen)! Natürlich fällt damit anch die Her-
leitmig des vlwhvh ans *vöipva, völva. Ebenso soll ehorqgy ein deutsches, in
diesem Sinne nie gebrauchtes hrugga sein, obwohl Melioranskij längst eine
ragleieh überzeugendere Entlehnung aus einem mongolischen (h)or<mga vor-
geechlagen hat Ein »Lautgesetze der Dissimilation wird aus tuidb fremd,
itait Hfudj'a- «s deutsch fiuda- Volk gefolgert, aber wie ist eine solche Ety-
mologie nur denkbar! Beide Worte bedeuten ja völUg verschiedenes, unver-
ehibares. Es hängt tuidb eher vielleicht mit Cudb Finnen zusammen, wie nSrm
mit Nknbcb, und in Öudb könnte ich sogar »Skythen« (trotz des Yokalunter-
Behiedes) erkennen ; der Wechsel im Anlaute wäre derselbe wie in siinb, »Snby
ihh. Der Verf. bestreitet freilich deren Zusammengehörigkeit; ihm geht shtb
uf ih- zurück (<rxta}, tinb auf *iem-nb zu ibmaj wie zatom Sonnenuntergang
SOI *tcm^wb (!). Aber es gibt keinerlei Ersatzdehnung, am wenigsten bei *temnb
;vgl ja gleich *tamnh ohne solche ! doch ist dieses gleich top^qti) und tJ^b
wie itddb gehen auf einen «^-Anlaut zurück; die Dissimilation erkenne ich
Uer ebensowenig an wie in gqn gegenüber iatuis, vgl. goizda gegenüber
hßoigtdi nnd feguie gegenüber zezitya.
Vonja und qchati werden zu an- gezogen, seit wann ist denn vor o ein
p-Yoischlag Bändig? vof^a, lit Udliu usti riechen, gehört zu vod- riechen
(9ke %qh^ svodethTj, Poln. wtsznia und lit. toinkstne, ein ganz anderer Baum-
ntme, haben nichts gemeinsam, es war wohl Utw^szne gemeint, denn winkszne
tft poln. vnqx (derselbe Baum !). Yerf. übernimmt die falschen Etymologien
lefflets, die dieser selbst wieder aufgegeben hat, womach in nejfsyU und
^ifeirbf mit wiederholter Negation, *j^8gtbf *jqvSrb Nimmersatt, Nimmerglaub
stecke, aber es sind dies Bildungen wie prlj^8lav% (Pereftulavh =» Prenzlau),
9^Uaüh u. a. Oolotb glacies, stellt Yerf. zu gelu und iUdica ; es gehört zu goh
Bsckt, vgl. poln. goioledi Glatteis. Es g^bt kein leso See, nur ein pUso ; mss.
fMioj schlecht ist nicht aus deutsch ^acA entlehnt Yerf. (S. 355) beruft sich
auf Ifiklosich, der nur das lit.j)/aÄra«ausj>/ocAof entlehnt sein läßt — Unbe-
gründet ist die Trennung von l%eh% Xel%pavop und lichb böse = lit. Usqb mager
[S. 26 und 357). Daß gotpodb aus ^gastifaps entlehnt sein soll, wozu tischt uns
Yaf. dieses Märchen auf?
Das ist ein Bündel unbedingt irriger Etymologien; dazu kämen nicht
wenige andere, die ich für ebenso fah9ch halte, von denen ich dies aber nicht
vät gleicher Sicherheit erweisen kann, z. B. Bmgmanns Herleitung von iupa
US gopaya-, die mehr Yerwirrung in den Köpfen der Historiker (Peisker u. a.)
angerichtet hat, als sie hätte nützen können, wenn sie wahr wäre. Anderes
unten.
Neben inigen Etymologien muß besonders irrige Chronologie in der
ABietnmg von Lautprozessen beanstandet werden. So behauptet Yerf., daß
112 ErltiBcher Anzeiger.
am za ehm verhaacht würde und beruft sich dafür auf nus. Büdangen, wie
suehmenh, gluchmenhy späte Ableitungen, die nichts beweisen, an denen das
BnsB. und Poln. reich sind, z. B. mss. nizmenh Niederung, poln. toyimien' Hohe
in wyimieniiy^ urspr. excelsior, dann excellens u. a. Das Streben wissen-
schaftlicher Lautlehre muß ja in erster Linie dahin gehen, nicht nur die Pro-
zesse, sondern auch deren Aufeinanderfolge zu ergründen. Wir haben be-
kanntlich im Slavischen mehrfach Anhaltspunkte für Periodisierungen; so
wissen wir z. B., daß etwa im Jahre 500 t. Chr. b zu cA, unter bestimmten Be-
dingungen, wurde ; daß 300 y. Ohr. A;,^, eh vor e, e, »,y, zu 6^ i^ i\ 100 y. Chr. ot, ai
zu hellen Monophthongen; 100 n. Chr. k, g^ ch yor diesen Monophthongen zu
c, dz^ 8 wurden. Wer diese Aufeinanderfolge (wobei es auf die Daten nicht
ankommt, sie sind ungeföhr gewählt worden), fest im Auge behält, dem wird
es nicht einfallen, den uralten Wandel yon « zu ch^ den ältesten, den wir im
Einzelleben des Slayischen fixieren können, auf so junge Bildungen wie weh-
menh auszudehnen. Ich glaube ebensowenig an eine Yerhauchung yon tn zu
chn (ygl. m^o^ ärfseh^ trqB^J qn etc.) ; die cAn-Bildungen, 9%ehnqt%, ghchnqii
U.S.W., sind alle jung, und in drjachhp^ qchati, Lfch u.s.w. spielen Elemente
herein, die nichts mit lautlichen Prozessen zu tun haben, s. u.
Hier sei eine Abschweifung gestattet Wenn ich zwischen dem Laat-
wandel dueh : dwi«, und dueh : dtm Jahrhunderte yerstreichen lasse, könnte
man mir den Wandel ^fdo aus Kind^ SrSsnJa aus Kirsay die ungeHUir gleich-
zeitig mit cfia und cfsar »aus Kintus und Kaisar entlehnt sein dürften, ent-
gegenhalten. Der Einwand ist nicht stichhaltig, denn solche Rückschläge za
längst yerwundenen Erscheinungen, solche Atavismen, sind auch sonst za
beobachten. Ich werde dafür nicht böhm. iirfaXk nennen, weü dies wohl
direkt aus dem italienischen girfaUo^ nicht aus dem deutschen Oirfaüc
stammt; da ist schon bOhm. Hie^ lokiuie zu Beich, Lakentuch, interessanter.
So wird kirchenslay. SrSmiga aus xi^afios stammen; so kann man südslay.
rttsag Beich aus ung. orazdg dass. vergleichen; mramor aus Marmor^ sra-
cinim aus caqaxrivos, Miecz hat bekanntlich nirgends im Slav. eine A^Fonn
zur Seite, und doch bildete das Poln. die Verächtlichkeitsform dazu mtekotosko
bei M. Bielski um 15.'S6, Powodowski 1578, miekowako und miekowisko im
Zwrocenie Matjasza z PodoU um 1620. Derselbe Bielski bildet auch zupianez
ein piachowsko und gibt uns so die Möglichkeit, piaekta Lacken mit pia$zez
zu vereinen; denn daß piacTUa entlehnt sein soll, bestreite ich entschieden —
es gibt keine deutsche Bildung mit t dazu, soviel ich sehe. Doch kehren wir
von diesen Bückschlägen, Rückbildungen (man hat auch russ. pickta aus
>Fichte< verglichen; andere Beispiele s. u.) zur Chronologisierung derLaut-
prozesse zurück.
Als einen der allerältesten Prozesse sieht nämlich Vondr&k den Umlaut
jo zu je an; er begannt im grauesten Altertum und dauert noch bis in histo-
rische Zeiten! aber schon diese Dauer erweckt prinzipielle Bedenken. Nach
VondrÄk z. B. ist das i in kraß anderen Ursprunges als das in rabi; in rabi
ist t aus rahoi monophthongiert, krajoi dagegen wurde erst zu krajei und et
zu »', wie jedes andere ei. Ich bestreite dieses hohe Alter des Wandels jo^'e
entschieden ; dUajqita beweist ja evident, daß der Wandel jo-je jünger ist,
Yondrik, Veigl. slay. Grammatik, angez. von Brückner. 113
als die üntoteliang der Nasale im Inlante, die ihrerseits wieder gar nicht zu
den Xlteeten Prozessen gehört.
An diiajqÜa, ans dilajontja-j knüpft nnn diloj'f an; raby-honj^^ idy-dllaff
bOden fl5rmlich eine Anomalie; wir hätten ja nach nom. akk. sing., gen. plnr.
robn-kanfh eher ein rahy^*koni% (akk.), %dy-*dÜaj% erwartet. Was ist nnn von
den anslantenden Nasalverbindnngen zn halten? Ein on, ön, <m«, bnt (falls es
diesen Fall gab), ont ergab nie einen Nasalvokal; das o verdnmpfte zn u, in
«M, üR, IM, fn (anch im Inlante, vgl. noch ans später Zeit 8ud% Snnd, pUta Flinta,
I^on Ingrar, liera Inger(mann)land; das konnte anch zn den »Bttckbildnngen«
— 8. 0. — gezählt werden, da es kanm über das VII. Jahrh. n. Chr. zurück-
geht, vgl. Vesb ans WepsenV), schwand einfach der Nasal (oder der nasale Bei*
Uaqg). Die dritte aor. plnr. idq kann natürlich nicht dagegen angeführt wer-
den, sie lantete ursprünglich wie die erste (vgl. griech. iXinoy), nnd bekam ihr
q nach einer Anlehnung an die dritte Sing., lüs dieser sonst unerhörte Zu-
«ammenfitll von 1. Sing, und 3. Plur. lästig wurde (t^ : idqU =s %de : ideth),
R^ gehört gar nicht hierher, denn es beruht ja auf keinem p, sondern ist q
(öN, nicht das poln. ^!); das Slavische hatte ja ursprünglich doch wohl drei
Kasalvokale, q im Anslaute, f im Auslaute, An- und im Inlaute, q nur im
blaate (und Anlaute); erst später fielen q und q zusammen, gab es zwei, nicht
mebr drei Nasalvokale. Die erste Sing, idq ist wohl wie ryhq zu beurteilen,
doch warum ist der gen. plur. oder warum kamy anders behandelt? Jeden-
fsfis scheint der Übergang a zu o, ö zu ä (wenigstens im Inlaute), älter als die
Efttstehung der Nasalvokale. Bei dem Fall konjf^ dilajf gewinnt man den Ein-
dniek, als würde das/ + « in -Jons die Verdumpfong des o, die doch in -ons
emtrat, angehalten haben; •;;<m« Überdauerte sie, wurde dann -jensy und ergab
«ebfießliehjV-
Dem Yerf. wirkt nicht nur das n (m), sondern auch das a verdumpfend ;
^ttboa ist ihm zu *rabus geworden, *8lovo8 zu *8lovu9, ebenso wie akk. *rabum,
^dihiMj die dann zu rabz *8hvit, rdlrb *dih wurden, worauf to aus iod (ich
möchte sagen, auchjo aus jW), die Revolution im Neutrum verursachte, das
tlovo nnd dülo. Dem gegenüber halte ich an der älteren Anschauung fest:
«foro, to, *jo sind die Grundformen, die *morjo, dilo hervorriefen, statt morjh
dehf als der alte akk. rab%j *krajz ebenfalls Nominativfunktion übernommen
hatte und beide Kasus zusammengefallen waren, wie in aym und gosth. Man
lieht, wie wichtig es wird, die Lautprozesse chronologisch auseinander zu
halten. Jedenfalls hat nch der Verf dies z. B. bei der Erkläning von kamy
gar nicht klar gemacht Was ist nämlich älter, Yerdumpfung des 5n zäun
oder Wandel des ö zn ä auch im Auslaute? Wäre letzteres der Fall, so konnte
iamy gar nicht auf *kamön, sondern müßte, wie raby, idy, auf kamons, raboru,
idoHs zurückgehen.
Eine Erklärung wendet der Yerf. mehrfach an, die ich mir nicht aneignen
konnte: ein beabsichtigtes Ausweichen den Lautgesetzen, um Zusammenfallen
B.dg^ zn vermeiden. So ist nach ihm das -ön im gen. plur. zu -on differenziert
worden, weU man sonst das mehrfach bereits vorhandene y bekommen hätte!
Wo war denn dieses y damals mehrfach vorhanden? Wir wissen ja noch gar
ikht, wann das schließende « abfiel und damit entfällt der Grund, den der
AiekiT fbr lUTisohe Philologi«. XXIX. g
114 Kritischer Anzeiger.
Yerf. angibt, vollständig. Es gab ja im Nentnun keine einzige y-Endnng (instr.
plnr. ys); im fem. ebensowenig, denn wober weiß der Verf., daß das jedenfaUa
aof Formenttbertragongen vom mask. her benihende ry&y schon vor dem gen.
plnr. anf % aller Geschlechter da war? Ja auch im mask. gab es nichts, denn
der instr. plnr. auf -y(«), die akk. 'on{8) and -y'Mit) waren vielleicht noch mit
dem Anslant des gen. plnr. gleichzeitig, also kein Znsammenfall möglich,
jümlich meint der Verf. S. 351, daß das s in dusUi geblieben ist, nm es nicht
mit duchz zusammenfallen zu lassen, als ob sich die Sprache je an derartige
Eautelen kehrte! Das poln.-bOhm. dtuiti ist von einem neuen dtts abgeleitet«
mit dem man z. B. poln. dqay Launen (zu dwn blasen], gniu» u. a. vergleiche.
Doch nm zu jenem y des akk. plur. zurückzukehren, daß rdby-konj^^ ryhy^uif
andere Endungen vertreten, als die westslav. und russ. raby-konje, ryhy-duie^
vermag ich nicht zu glauben; ja, wenn das Westslav.-Russ. ein kar^f hfttte,
dann würde ich wohl seinem duh Beweiskraft zuschreiben.
Wiederum gegen jegliche Chronologie behauptet der Yerf., daß slav.
ehrhy mit seinem y entlehnt wurde, als es noch im deutschen Auslaute ein -ö
gab! aber €Mrky ist viel zu jung, erst aus dem YIII. Jahrh. nach Chr., und wo
gab es da ein deutsches -ö im Auslaute? Bis in spute Zeit dauerte dieselbe Be-
handlung der Fremdworte, rahy^ ja sogar noch *draty {dratew, dratva Draht),
ebenso stqgieWy marchew u.s.w., pam/y rbd%ky u.s.w., die alle kein -o mehr vor-
aussetzen. Hier muß schärfer unterschieden werden zwischen einer uralten
Entlehnung und den jüngeren, die sie nach sich gezogen hat.
Endlich kann ich in einer Reihe von Fällen die Ansätze des Verf., wie
er die lautlichen Veränderungen vor sich gehen läßt, nicht billigen, am we-
nigsten die Darstellung der ort oU, fort Mi^ tert ^elt- Gruppen (S. 294—313).
Vondr&k greift schließlich auf die Erklärungen von G eitler und Job.
Schmidt, mit denen sich auch die von Torbiörnsson im letzten Grunde
berührt, zurück — mit einigen Modifikationen, die die Sache nicht besser
machen. Und nichts fällt leichter, als den Verf. strikte zu widerlegen. Eine
und dieselbe Form muß er nämlich grundverschieden, doppelt erklären, west-
slav.-mss. radlo ioketh ist nach ihm durch bloße Umstellung, aber südslav.
raio IdkUb aus *orolo *olokhth entstanden! und da es im Südslav. auch noch
ein alkati akUja' gibt, so ist auch dieses noch aus *olokaU *olodffa- entstan-
den: in lakati hat die Dehnung des zweiten Vokals, in alkati die des ersten
stattgefunden (in einer Art von Ersatzdehnung für den Schwund der Doppel-
sübigkeit des oh) ! Nicht einmal das Russische mit seinem Volllaute kennt
olOf orof ere im Anlaut, und nun wird der dem Südslavischen im Inlaute fremde
VoUlaut auch noch dem Anlaut angedichtet! Ja, meint der Verf., es gibt
solche Volllautformen, z.B.jelenby olovo. Hier widerlegt er sich ja selbst, denn
wenn olovo Volllautform (aus *olvo) ist, so beweist die Erhaltung des olo (kein
*lavo und kein *alvo)y daß weder ein alkati noch ein lakati auf ein *olokati
zurückgehen kOnnen, und ähnliche Deutungen, eines kamy aus *okomön, eines
na aus *ono, eines oto u.s.w., weisen wir ebenso zurück. Nun die Erklärung
des russischen VoUIautes: weil die Russen kein t^t dulden (pervyj^ gordyfeicjiy
so mußten sie auch ein torot vorziehen! Aber die Polen behandeln i^ ebenso
wie die Bussen und doch haben sie anstandslos ein trotl Im Inlaute (nicht im
Yondr&k, V ergl. alay. Grammatik, angez. von Brückner. 115
Aidaute, s. o.], nimmt der Verf. überall ein wo a.8.w. an; was er dadorch ge-
winnt, ist nieht einznseken, denn es bleibt doch dieselbe Dreifachheit der
Behandlung, neben ross. twot ergibt aich südslay.-bOhm. t*tot iröt nnd poln.
(ohneLSngnng) t^rot irot: da fidure ich doch jeden&llB ungleich sicherer, wenn
ich poln. iort ebenso za iroi werden lasse, durch bloße Umstellung, ohne
irgendwelche Ghikanen, wie der Verf. im Anlaute poln. roi aus ort, ohne Um-
sehweife, durch bloße Umstellung, hat entstehen lassen; ebenso ver&hre ich
mit dem Südslav., das ort und tort zu art, tari gedehnt und teils unverändert
gelassen [alkati etc.), teils umsteUt hat Der Verf. fri>, warum die Dehnung?
Ebensogut kOnnte man zurückfragen: warum ist den Slaven die so bequeme
und schöne Aussprache tort, die ihre nächsten Brüder, die Litauer, gewahrt
haben, die uns (mir wenigstens) bequemer erscheint als die Konsonanten-
hfa^"g im Anlaute, auf einmal unbequem geworden? Das Fragen nützt
nichts, die Sache ist eben da, tortynaäe torot oder irot oder trat — ohne jeden
TemUnfligen Grund, ebensogut hätte tort bleiben kOnnen.
Ans allen den Schwierigkeiten findet der Verf. schließlich keinen Aus-
weg nnd appelliert an den großen Unbekannten, an den Einfluß fremder
Sprachen! Wenn wo die Slaven ihre eigenen Wege gegangen sind, so ist es
sieherlicb bei der Behandlung dieser Lautgruppen gewesen; hier fremden
Einfluß anrufen, heißt nur, eigene Bat- und Qüflosigkeit eingestehen. Der
ganze Prozeß ist viel zu jung, als daß er solche umständliche Zwischenstufen
lakati ans olokaU dlkati u.s.w.) yertrüge. Im polabischen, kaschubischen,
ahpolnischen gard sehe ich dasselbe gardh, das der Südslave und Böhme zu
grad% umgestellt hat: gord^ mußte um jeden Preis vermieden werden, durch
gwrd (daraus grad) oder grod oder gorod; bei gold gab es nur südslav.-btfhm*
dn gald (vgL alkati U.S.W,), daraus glad; bei Polaben und Polen nur giod;
ebenso bei ihnen nur ein breg aus herg, neben russ. goiod, bereg, südslav.-
bOhm. hrJlg^.
Die Behandlung dieses Komplexes von Erscheinungen reizt nur zu
Widerspruch. So soll z. B. die Form Slam aus SUm entstanden sein, durch
Einwirkung des weichen l auf /, was in Anbetracht schon des poln. enlon aus
*cMoin eine Fabel ist; ebenso sind neben «/- auch o/-Urformen anzusetzen für
HoUh- (poln. ziob)f iold' (poln. iiodfj und hier hilft kein Sträuben des Verfassers;
in der Umgebung von S, £ und i konnte schon urslavisch e zu o werden, waren
Doppelformen da; auch für Uovih» könnte man eine Urform *6olvikh er-
schiieBen, mit einfacher Metathese, aber auch so bleibt das Wort dunkeL
Jedenfalls kann ilan% nicht aus l^m entstanden sein, sondern es ist ihm
^iebaltrig, gleichberechtigt, mag auch dem Verf. die Ansetzung eines urslav.
io, ioy die wir für *iolm, *io^« ohne weiteres annehmen, wahnwitzig er-
seheinen.
Es ist nun interessant zu sehen, wie jung noch diese ganze Metathese
auftritt So ist vrSd% Wert wahrscheinlich nur südslavisch, nicht urslavisch,
entlehnt — Miklosich läßt es bekanntlich seine Wanderung von den Slovenen
her durch Pannonien (lies Mähren) zu den Serben antreten. Noch jünger ist
dieBeliandlnng von >Kerbel«. Slovenisch wird es zu hrehulja krobtUfica, neben
Ofa; b<^hm. tfebule^ poln. trzebula sind vielleicht auf Serb- zurückzuführen,
8*
\\Q KritiBcher Anzeiger.
withrend ich einfaclies Umspringen von kzutim serb. irMja {%xa dem Sloven.?]
flehen möchte (Miklosioh unter »krehuheb*, einer seiner falsohen Grond-
fonnen). Auch Cres aoB Cherso, kras ans Karst, gehtfren hierher und stützen,
falls dies nOtig w&re, die Herleitnng von kralf ans Karl: einfache Metathesen,
keinerlei ere ara, keinerlei Weitläofigkeiten! wie sie Vondr&k und Tor-
biörnsson voraussetzen möchten; vgl. Kranj s= Camia, Sridee s= *Serdica.
Auch in anderen Ausführungen weichen wir vom Verf. ab. So erkl&rt er
z. B. Rinn aus ^Ityrrn » Müm (der bekannten germanischen u. a. Form), and
beruft sich auf korüth (poln. korzyi^, aus kotystb, für den Übergang des ty zu
ri] er müßte freilich erst den Beweis liefern, daß A;om<6 jünger ist! (ein poln.
koryi6, das Miklosioh nennt, gibt es gar nicht), und auch dann noch wSre der
Fall Rimh nicht ohne weiteres identisch, weil er offenbar ungleich filter ist —
warum erwähnte der Verf. nicht die längst bekannte parallele Behandlung von
on : in in alten Ortsnamen (iVtn, Labin, auch interessant für die Behandlung
von oU !, Skradin ebenso für tort, u. a.). Viel zu leicht nimmt er Lautdeutungen,
»Lautgesetze« anderer hin, so soll z. B. nn bei umgebenden Nasalen im Slav.
zu rv werden ; wohl ließe man sich dies bei mravij aus *mramij {fiVQf^rf^ ge-
fallen, das als ein&che Dissimilation (kein Lautgesetz!), so häufig bei Slaven
vorkommend, aufzufassen wäre, aber für die Entstehung desselben rv iaprbv%,
Srbmj muß man schon die Hilfe eines späten prhvhm und Srbvbm anrufen, was
schlankweg unmöglich scheint Böhmisches hfibi soll aus J^fM entstanden
sein, ist es nicht einfacher, ^-Vorschlag anzunehmen, wie in hfefäb hfize hroh?
Jazda KOBjad-day ohytda aus ogyd-da {gidkij), zu erklären, geht nicht an, sie
sind viel zu jung (Chronologie! !) ; es hätten andere zd (böhm. z<i füri^ ist nicht
selten) und 2^ für ^ herangezogen werden sollen, die auf ganz andere Aus-
kunft weisen. So rächt es sich auch, daß der Verf. nirgends im Zusammen-
hange auf die Behandlung des konsonantischen Anlautes, der «A;-, «<-, «p-
z. B., einging: die Verhältnisse sind bei diesem »beweglichen« • nichts we-
niger als klar; daß tkora Haut und kora Rinde identisch sind, weiß jeder-
mann, aber man vgl. kra E^lumpen = Mkra gleba, daneben ikra; krilo und
skrzydio; cRO^axB und kieiza6; skruUek und krzaUk Schratt; kHna und
tikrtynia (hierher auch krzynow^)\ krzeetki Hamster und skrzeezki dass. wech-
seln innerhalb weniger Jahre; ikrah^j und kragtff; skfemen und kfemen; skrzsU
und krtele U.S.W.; die Sachen verdienten gar sehr eine Zusammenfiusung, d»-
mit es nicht z. B. heißt, wie bei Miklosioh Etym. Wörterbuch 303 *9kra aal.,
den anderen Sprachen unbekannt«, während es überall als kra vorkommt;
hierher gehört auch der Vorschlag des t in ikra, poln. liia aus l9lia u. a.
Ob die Annahme von Ersatzdehnungen für einen Silbenverlust richtig ist
(z. B. in dohrbjb), ist mir außerordentlich zweifelhaft; man findet sie ja vor >
bekannüich auch dort, wo es keinen Silbenverlust gibt. Doch will ich diese
Litanei abbrechen. Man mißverstehe mich nicht; ich hatte hervorzuheben,
worin ich dem Verf. nicht folge, nicht das, worin wir übereinstimmen, und
ich bekenne dankbar, aus seinem Buche vielen Gewinn gezogen zu haben.
Dagegen hat der zweite, kleinere Teil, die StammbUdungslehre, mieh
weniger befriedigt Einmal ist die alte Methode oder Unmethode beibehalten;
StammbUdungslehre ist Wörterbuch, geordnet nicht nach Wurzebi, sondern
Vondrik, Vergl. sl&v> Grammatik, Kogez. von Brückner. 117
nach Suffixen; Stammbildnngslehren, wie sie seit einem halben Jahrhundert
nnverSndert geschrieben werden, erinnern stets an Nesseimanns litauisches
Wörterbuch unseligen Angedenkens, wo auf die Vokale, ky y, dann t, <l, dann
p, h n.8.w. folgte — ebenso die k^ ^-Suffixe, die ty (^-Suffixe, und Vondr4k
hat dies System geradezu auf die Spitze getrieben, denn er ordnete die Suffixe
sogar nur nach dem auslautenden Vokal ein, zerreißt somit das to-, tb- und
-<«-Suffix U.S.W.
Die mechanische Aufzählung, von Suffix -jucho u. dgl., macht auf mich
den Eindruck, als wenn man von einem arischen Suffix-tionismus ^n Abolitio-
niemus u.s.w.) spräche. Hier ilUshte es sich, daß der Verf. das Eirchenslavische
sngnmde legte. Nichts ist verkehrter; er hätte vom Böhmischen, ein anderer
Forscher vom Bussischen oder Polnischen oder Serbischen auszugehen; das
Knchenslavische verdeckt hier nur die Aussicht, statt sie zu erleichtem, zu
ermöglichen ; die lebendige Sprache mit ihren eigenartigen Bildungen kommt
ja im Eirchenslav. gar nicht zur Geltung; wir wissen z. B., von welcher Be-
dentong für die Slaven das patronjmische Suffix -tife ist, aber aus dem
KirehenslaTischen erfahren wir darüber gar nichts! So grundlegend das
Eirchenslavische für Lautr und Formenlehre, ja für Syntax ist, so überflüssig
ist es für die Stammbfldung, mit seinem beschränkten Wortvorrat; mit seiner
durch die Art der Quellen bedingten zimperlichen Ausdrucksweise — man
kann es nur subsidiär benutzen, seines hohen Alters wegen. Wie nichtssagend
bei der Stammbildungslehre es oft erscheint, sei an einigen Beispielen gezeigt
Nehmen wir z. B. ein poln. gach Buhle. Es ist weder deutsch »Gauch«
noch »Geck«, wie allgemein behauptet wird; es ist = gameratus Buhle, poln.
gamrai Buhle, gamraofa Buhlerei. Wie ist nun gach aus gofnrat entstanden?
Ebenso, wie zach (vom J. 1545] für zanius Schandhaus, wie moeh aus Mbtkal,
urie hraeh ans brat, twaeha aus avaUt, weh aus zuehtoahf. Natürlich gibt es gar
kein Suffix ^eh\ brach, zach, zueh u.s.w. sind nur nach dem Muster des ganz
Boffixlosen Stach: Stanüiaio gebildet, d. h. Hypokoristika, deren der Verf.
£ut gar nicht gedenkt, spielen eine wichtigere Rolle, als angebliche Suffixe,
md Über Hypokoristika, über Bildungen wie brach u. dgl. erfahren wir
gerade aus dem Kirchenslavischen gar nichts, und das ist nicht der einzige
derartige Fall (vgL Zusammensetzungen wie dwpivo dybidzhan u. ä.), eine be-
liebige lebende Slavine ist wichtiger und lehrreicher. Bildungen, wie drjachUfj
(aeben dr^H), irjachnuih (neben tr^sq), zeigen dasselbe und dürfen ja nicht
ftr die angebliche, gar nicht existierende Verhauchung von na zu nch ange-
sogen werden, wie es der Verf. in der Lautlehre tat! Ebensowenig ist qhati
ans q» (Oft-«} entstanden, wie Hiklosich annimmt; das zugrunde liegende No-
men (poln. wfch, vgl. Denominativ u>f9zy6 spüren) ist wie grich%, spichh^
miek^ Gebildet Wie uralt diese Bildungen sind, beweisen Völkemamen wie
IfcA», C»eA. Hierher gehören bOhm.<«Aan (dazu tchynS) zu tbstb; poln. tpiochatif
lottig [zu tüios; urslavische Bfldung!); piachy Sandboden zu piaski; bOhm.
^oth zu hdamek U.S.W. ^ alles wichtige und alte Erscheinungen, von denen
vor das Eirchenslavische keinerlei Notiz nehmen durfte. Neben uralten Bil-
dungen auf -eA kommen ähnliche auf -«, -i vor und hätte man das beachtet,
liemals hätte man z. B. poln. miokos aus dem mss. moiokosoa entlehnt, vgl.
118 Eritisoher Anzeiger.
brt/d, d. i. bryian Hofhund, bast^ Prügel {hafy\ ehiopes für Chiopecki (Paprocki,
Pabosza 1576) oder poln. h§i Bankert, Cys Zigeoner xua. Ein Suffix cA, « gSib^
es nur bei rein mechaniBcher Abfertigung des GtogeuBtandes; hypokoristischen
Bildungen, ohne »Suffix«, wie z. B. Zyi es Sigmund, Stad neben Staeh, sind
andere gefolgt. Es handelt sich somit gar nicht um Auffindung von Suf-
fixen, die nichts besagen würde, sondern um die Bestimmung der Worte,
die yorbildlich wurden; bei dqsy dus{iti), poln. gqstaS (auch gqstolid mwrren)
U.S.W., würde ich mich hüten, von Suffix «, t (vor dem das d von gqdq zu 8 ge-
worden wäre!!) zu handeln; ich habe nur die fertigen Worte au&usuchen, die
nachgeahmt wurden.
Oder ein anderes Beispiel. Nehmen wir poln. raehuba Rechnung. Bei der
beliebten rein mechanischen Suffixablüsung müßte man folgerichtig ein Suffix
'uha hier ansetzen, gerade so schOn wie die -Juie- u. ä. ; aus kociuba könnte
man dazu auch noch ein -juba folgern! Natürlich ist davon gar keine Bede:
liezba hat das raehvha hervorgerufen, ohne Uexha wäre raehuba gar nicht auf-
gekommen. Es beruht somit die Stammbildungslehre nicht auf einer bloßen
Au£&8hlerei der »BUdungen« nach Suffixen, aber über dieses primitive Sta-
dium einer bloßen Materialiensammlung hat sie sich bis dato nicht weit er-
hoben — ich will daraus V ondrik keinen Vorwurf machen, ich konstatiere
nur das Faktum.
Neben dieser prinzipiellen Bemerkung seien auch noch andere hervor-
gehoben: auch in der Stammbildung, nicht nur bei der Lautlehre, gibt es eine
Chronologie der Prozesse, die nicht übersehen werden darf und auch hier
muß die Forderung (oder Warnung) gelten, daß man nicht Mücken seihe, aber
Kameele verschlucke. Einen besonders eklatanten Fall hierfür liefert das eben
erwähnte patronymische -Ute- (-iee u.s.w.), das ja schon durch das grieoh.-«fi7f
geschützt sein könnte, um von anderen zu schweigen. Vondr4k erklärt es
(was ja ohne weiteres z. B. für Suff, ym, aus y+ni, zugegeben werden muß],
ebenfalls aus einer Verschmelzung von in-\-tj08i didiitb, dziedzie, wäre didim
-H domaithm^ und beruft sich (S. 453) auf barii zu barin, auf gospodikh zu gos^
podin (da es ja kein HariniS, ^gospodinÜtb gäbe], sowie vafptiitb zapta, weil
ja die a-Substantive das »n-Suffix annähmen. Er vergißt nur, daß bartn und
gospodin ^unge, späte Bildungen sind, daß dem bariSmkd goapodiith unmittel-
bar bqfare und gonpodh (oder gospoda) zugrunde liegen. Hätte er an das Li-
tauische gedacht, trotz der geringen Vokalabweichung in -aitis (die Funktion
ist ja dieselbe und das ist ungleich wichtiger!], so wäre er nie auf diesen Ein-
fall gekommen. Ebensowenig vermag ich seinen anderen Kombinationen der
Suffixe beizustimmen. Suffix -isko soll aus isto-^ko, aus -istkoj entstanden
sein, vgl. poln. mrowiafy ognUty neben mrowisko ogni$ko (wiederum verkehrte
Chronologie, ognisko ist ja viel älter als ognistyl); daraus soll nun auf rein
lautlichem Wege ognUte entstanden sein, wie Uee aus */t%o, was schon darum
unmöglich ist, weil ja das s die Wirkung des t auf h aufhebt; der Fall -iUe ist
eben von anderen y-Erweiterungen nicht zu trennen, oder ist kräiovsM auch
auf lautlichem Wege aus krdlovstvo entstanden? Ebensowenig würde ich zu-
geben, daS junostb Ku£ ßinoia-^th zurückgehe; als nämlich juiio&i seine ur-
sprüngliche abstrakte Bedeutung verloren hätte, hätte man ein neues Ab-
YondrAk, Yergl. slav. Grammatik, angez. von Brückner. 119
straktnm anf diese Weise erzielt: ist denn das Plus eines s eine so vereinzelte
Ersoheinimg in der Stammbildnng?
In tvjatoioy ßsnoia a.B.w. gibt es kein Snffiz -ö/a (oder -^)) die Eigen-
namen i/ntjatoia zu Svjatoslav, Ijuhoia zn Lfubamir n.B.w.; yuboia ist übrigens
masL, nicht femin.), haben Bildungen wiejunoia hervorgerofen, daher steht
jwtoch neben junoia^ wie Swiftoeh (vgl. Stoiftoehotoski) neben Swi^ton (poln.
Swi^9zek Tartoffe) nnd Swiftomui, ebenso natürlich panoia n. a. Von Einzeln-
heiten wäre noch manches zn nennen, so ist berveno falsch zu hru~ (Brücke)
gestellt; das poln. birzumo beweist evident, daß die Grundform *bhrvh zn her
ist, wie vThvh {vbrvh) zn o«r. Die Herleitong der Slovine «■ Volksangehörige
ans *cXäf6g Xao^, seheitert ja an dem »topographischen« SnfGz n. a. Jutro
soll vaj'u schon, gehören; ich bleibe bei der Zusammengehörigkeit mit otMsrd,
es gibt ja anch Formen meßtstro; stado soll ahd. atuoia Gestüte sein, aber
dsza ist es mir im Slav. viel zu alt und verbreitet, seine ursprüngüche Bedeu^
taug, nicht Pferdeherde, sondern »Zusammenstehen«, YghpoiiL stado, für heid-
aisdie Opfer schon von Dhigosz genannt NesUra soll (nach Job. Schmidt),
ans lufU-^settra verschränkt sein; ja, wenn es ^neatra hießet ich ziehe die
alte Deutung aus nep{s)tera vor, trotz nettj; die Sprache ist nie auf einen ein-
zigen Ausweg angewiesen, sie ist menschliche Willkür, nicht unveränderliche
Natur, ^i^re*, nicht ipvaei. Und so kommen wir wieder zu Etymologien zurück,
m denen wir am schärfsten auseinandergehen; Verf. bestreitet z. B. die Ent-
stehung eiBCs ^t- aus o^; jim kann ihm nicht aus oinoSf vSnasj sondern nur
ans einem *hm, *jbm stammen, und den Beweis dafür erblickt er in jWbn«, als
ohjedhm nicht durch die zahllosen -%n%-Adjektiva beeinflußt wäre!; er läßt
wujot- nur ein ja- werden und nennt dafür z. B.j'adz Gift (aus ot<2-, Eiter), be-
streitet dessen Zugehörigkeit zu ed essen, das doch nichts »giftiges« enthält,
also es auch nicht anzeigen kann; aber der Fall liegt ebenso in ^ru^t verzeh-
len, <rat7o Futter, die auch nichts »giftiges« enthalten und doch Bezeichnungen
ffir Gifte (poln. inteizna u.s.w.) ohne weiteres wurden. Die ganze Behandlung
des Anlautes ya- hat mich nicht überzeugt; bei imzweideutigem ^a- (fitjöU
fiüiien) finden wir ja seit alter Zeit ein /-, was nur durch die Verhältnisse
\mßid- Ü^ Essen hervorgerufen sein kann.
Auf die Gefahr hin, wegen »unmöglicher« Anschauungen verspottet zu
werden, behaupte ich, daß das Slavische vielförmiger ist, als es bei Vondr&k
erscheint, d. h. daß es mit der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze, die Von-
drik und mit ihm die meisten Forscher stillschweigend voraussetzen, nicht
allzu weit her ist, daß die Sprache unter denselben Verhältnissen mehrere
Wege einzuschlagen vermag. Nehmen wir z. B. das Wort fftuia Birne, aber
daneben muß ja uraltes kruia dass., angesetzt werden, das im ganzen Nord-
westen der Slavenwelt heimisch war. Oder es kommen nebeneinander die-
selben Worte in Doppelformen vor, papraö und hdbra6, drzazga und trzaska,
dnagaö {druzgota^ und truskaö U.S.W., also der strikte Gegensatz von Gleich-
fbimigkeit Dasselbe beobachten wir bei der Behandlung von Fremdwörtern :
Gegenaatz zwischen <ffcfe, irUr^a und cUarh, cfto, crhky\ deutsches/ (jiA) wird
ebfmso bald &, bald|»: bri$hy (poln. ^rsM^tma, später brzotkwinia^ nach den
andern Substantiven auf ymfUry, wie piM/y-ni, (opy-nt u.s.w.), aus */^raX»;
120 Kritischer Anzeiger.
*Jablo aus Apfel (der eßbare Apfel ist nicht der Wildapfel, sogar die beiden
Bänme ähneln einander nicht besonders); aber pila Feile , *pigy (pigwa)
Feige n.8.w. Ich will nicht wiederholen, was ich über iart neben trot im Poln.,
Über q neben u dess., mehrfach erörtert habe, wofür stets neue Beispiele sich
nennen ließen (z.B. eku6ha6 neben ehqch-, gqi and guz, gnuiny und gnqrb u. a.).
Von der bloßen Möglichkeit solcher Schwankangen erfährt man aber ans
Yondr&ks Darstellung zn wenig. Und sie gewähren Rttckschltisse auf eine
ungleich entferntere Vergangenheit; ich würde z.B. zvStda gegenüber gwiazda,
wegen des lit. iwaigzde, kaum auf eine Stofe mit vlbwi stellen. Vielleicht sind
auch die so wirren Verhältnisse in der Behandlang des ön-Aaslaates {ryh%,
kamy, idq)j weniger aaf die Bechnong verschiedener Intonation n. dgl., ak
auf ein Schwanken der Sprache selbst zurückzuführen. Für mich sind wenig-
stens die im IX. oder X. Jahrh. so auffallenden Formen: alkaU, aidija-, alnya^^
die, im Gegensatze von Vondr&ks Auffassung, allerdings g^en jegliche
Erwartung, die >litauische« Lautfolge bewahrt haben, ein gar beherzigens-
wertes FiÜLtum, dem man mit bloßem Ignorieren (wie es bei Torbiörnsson
geschah), gar nicht beikommen kann. Die Sprache mit ihrem unendlichen
Reichtum läßt sich einfach nicht immer in feste, starre Regeln einschnüren;
sie bewahrt sich eine gewisse Bewegungsfreiheit und das sollte auch in einer
Darstellung, wie die Vondriks ist, zum Ausdruck gelangen.
Man fasse nur daraufhin eine beliebige Erscheinung ins Auge, z. B. die
Behandlung des chw im Polnischen: es wurde zu /vereinfacht und es schien
eine Zeitlang, als sollten die ckw überhaupt aus der Sprache verschwinden^
namentlich um die Mitte des XV. Jahrb., wo wir sogar eaifyta (kann auch für
bloßes ehfta stehen), faiei {ehwaici), faia {chtcaia) a.s.w. finden und doch ent-
ledigte sich die Sprache dieser /wieder vollständig (bis auf vereinzeltes, kro-
toßlny u. ä.), aber sie hat umgekehrt ehvo für / behalten in zttchtoafy (dazu Neu-
bildung, s. 0. gaeh U.S.W., zuck Prachtkerl) aus zufaiy und es sogar in Fremd-
worten, chwMek viola (allgemein im XVI. Jahrb., heute nur dialektisch),
eingeführt! Wer solches im Auge behält, wird sich auch nicht daran stoßen,
daß aJkaU neben laJerufti besteht, daß *akmy za kamy wurde (die Herleitnng
aus *okomön ist ein gar zu kläglicher Einfall), daß gard in einer und derselben
Sprache sowohl zu gard wie zu grod führen konnte, u.s.w.; man wird dann
vielleicht geneigter sein, ein i aus o% nicht mit einem ^ » e nachy zusammen-
fidlen zu lassen, trotz eines matt im Auslaute und eiikeBjazca im Anlaute, das
meinetwegen aus *q;'zva umgestellt sein könnte, wie kamg aus *akmy, Sprache
läßt sich nicht von Lautgesetzlem kommandieren; sie hat selbständigeres
Leben.
So bietet Vondr&k neben reicher Belehrang auch manchen Anlaß zm
Einwänden und Bedenken, sogar prinzipieller Art, aber diese sollen weder
nns noch ihm die Freude und Genugtuung, die er an seinem Buche wohl
empfinden darf, beeinträchtigen. Das Buch ist ein tüchtiges Handbuch, eine
zweite Auflage somit nicht ausgeschlossen; da ließen sich Irrtümer und Un-
deutlichkeiten (z. B. S. 350, oder wenn auf die falsche russ. Schreibung riUio
gebaut wird, statt reieio u. a.), leicht beseitigen. Wir wünschen dem Buche
rascheste und weiteste Verbreitung; es kann viel Nutzen stiften. A. Brückner.
Bogorodrica, angez. von Brückner. 121
Bogarodzlca.
Unüte Denkmäler haben schier unwiderstehliche Anziehungskraft, bie-
ten der Forschung stets neue Anhaltspunkte, beschäftigen die Phantasie so-
gir, reizen sie doch zu immer neuen Kombinationen, Deutungen, Folgerungen.
Wie knrs ist z. B.der Text des Hospodi(ne) pomilyj ny, wie knapp seine
lebende Geschichte, die fast schon im XV. Jahrh. erlischt, und doch, welch
rdehe Literator, welche Fülle von Kontroversen, bis zu der letzten Erwiihnung
m Archiv XXVlli,618 : man kann ohne weiteres zugestehen, daß »die schöne
Übeisetzuig des griechischen Sufes im Anfange« kirchenslavlsehen Ur"
gpnmges ist, nur ist damit noch kein Präjudiz für die folgenden Zeilen ge«
schaffen, die nichts E^irchenslavisches mehr verraten.
Und noch interessanter ist die Bogurodzica, schon wegen ihres üm-
ianges; wegen ihrer Bedeutung als katechetisches Lied, das alle Grundwahr*
heilen des katholischen Glaubens enthält und darum im XVI. Jahrh. von der
gesamten polnischen Kirche hoch gehalten ward; wegen ihres Alters endlich.
Heute wird sie nur noch im Gnesener Dome von den Vikarien an Sonn- und
Feiertagen vor dem Hochamt gesungen ; nicht mehr hängt sie aureis literis
deseripta un» cum notula in templo arcis Cracoviensis supra tumbam s. Sta-
lialai in ma^na tabula, wie dies noch im J. 1530 der FaU war; die Versuche,
ne zu beleben, im Heere, beim Volke, in den Schulen, sind schließlich ge-
Mheitert, aber sie bleibt fernerhin das ehrwürdigste Zeugnis polnischer Ver-
gangenheit, sie eröffnet die gesamte nationale Literatur und leiht ihr weihe-
▼ollen Ausdruck: wtlrdiger ist keine Literatur eingeläutet worden.
Es ist ein Text mit sieben Siegeln — gleich über sein erstes Wort
konnte man, nicht eine Abhandlung, sondern ein ganzes Buch schreiben.
Denn wie Hospodine pomiluj ny nicht erst eine böhmische Übersetzung von
Hiserere Dominus ist, aus dem XXL Jahrh. etwa, sondern auf den kirchen-
fllavischen (natürlich ritus romani, s. Kiewer Missal!) Text zurückgeht, so ist
saeh Bogurodzica (dziewiea) nicht die Übersetzung erst von den Eingangs-
worten der Antiphone, Dei genetrix (virgo), sondern von Sbotoxo^ niiqHvB ;
Dei genetrix hätte ja nur Boia rodzici€l[k)o oder Boia roduczko übersetzt wer-
den können, dagegen ist Bogurodzica (warum nicht Bogorodxiea, s. u.), das
riebtige Femininum zu d^eoToxoc {*bogorod%)j und ich habe mich schon lange
im StUlen gewundert, warum die Verteidiger einer slavischen Liturgie in
Polen sich nicht auch auf dieses so machtvoll einsetzende, kirchenslavische
Bogorodica, ganz im Widerspruche zur katholischen Übung, berufen. Man
wende ja nicht ein, daß man in den Tausenden lateinischer Marienlieder auch
einmal ein deipara auftreiben kann, d. i. die Erfindung des betreffenden Dich-
ten; in der katholischen Kirche ist dieser Ausdruck ebenso wenig üblich, wie
er gerade in der griechisch-slavischen ständig ist, dogmatischen Charakter
trigt Das wußte man und beachtete diesen Gegensatz schon im XI. — ^XIII.
Jafafh.: unter den Anschuldigungen des Metropoliten Nikephor gegen die
Utemer (und diese fehlt gerade in seiner Quelle, beim Metropoliten Georg),
fiaden wir, ich zitiere nach Gdiubinskij, preswiatjrja vladyöicy na&eja Bogo-
lodiey ne nazywig^^' Bogorodioeju, no tolko swiatoju Maijeju, czto jest'
] 22 Kritischer Anzeiger.
Nestorijewa jeres' etat, o Frjaziech 10) ; dazu fügt Gohibinskij die bezeichnen-
den Worte hinzu: >Sie heißt bei den Katholiken wirklich nicht BogorodicEi
sondern heil. Maria; das unserem oder dem Gbotoxos entsprechenden Bogo-
rodica gibt es bei ihnen nicht und wenn sie es ansdrttcken wollen, so sagen
sie mater Dei«. So konnte anch diese Beschnldigong der Nestorianischen
Häresie (Maria ist nnr die Mntter des Menschen Christus) aufkommen; so ent-
fernt sich die Bogurodzica als ein ana^ siqijfiiyoy von dem katholischen
Sprachgebrauch in Polen und man darf dagegen wieder ein einmaliges, ge-
legentliches Vorkommen im Altböhmischen nicht einwenden: das Anheben
des ältesten, längere Zeit einzigen nationalen Kirchenliedes mit diesem Ter-
minus gerade, fällt ganz anders ins Gewicht. Und bekanntlich gibt es anch
andere &na^ ei^ijfiiya in diesem Liede.
Das in seiner Urform nur aus zwei Strophen bestehende Lied ist erst
spät tiberliefert, die älteste Aufzeichnung stammt von 1410, was natürlich
nichts beweist; die älteste Aufzeichnung der polnischen Hauptgebete ist auch
nicht älter und doch waren diese Texte schon zu Anfang des XI. Jahrh. vor-
handen, betete sie ja doch Mieszkaü. nach dem Zeugnis der Lothringerin
(um 1028]! Die Predigtbände des XV. Jahrh. erwähnen das Lied öfters, leider
begnügen sie sich mit dem ersten Worte, z. B. in einer Breslauer Handschr.
vom J. 1450 heißt es in der Weihnachtspredigt: si aliquid volumus audire de
dignitate islius diei et de nativitate filii Dei, dicamus haue orationem devotls
cordibus bogarodzyca etc. — gerade nur zur Weihnachtszeit wurde die Bogo-
rodzica noch in vielen kujavischen Kirchen im J. 1598 (Visitation des Bischofs
Rozrazewski) gesungen; andere Zitate des XV. Jahrh. übergehe ich. Ebenso
erwähnen die Urkunden nur das erste Wort (was freilich vollkommen genügte,
es gab ja nirgends ein anderes Lied oder Gebet mit diesem Worte !), z.B. nach
einem (echten!) Diplom für das kleinpolnische Städtchen Biecz vom J. 1553 er-
hielt der Schulrektor antiquos proventus für das Singen der Bogarodzica
(und Salve regina) in der Pfarrkirche. Desto zahlreicher sind bekanntlich
Handschriften des XV. und Drucke des XVI. und XVH. Jahrh., um von mo-
dernen zu schweigen; desto zahlreicher sind die Erwähnungen bei Histo-
rikern, Zeitgenossen (des XV. und XVI. Jahrh.), apologetische und polemische
Kommentare eines Matthäus von Koscian (1543), Herbest, Skarga, Wiyek,
Krai^ski u. a.
Und desto zahlreicher sind Arbeiten der Modernen, von denen ja so
manche, z. B. die von Nehring oder von Franko gerade das Archiv ge-
bracht hat; desto größer ist unsere Verpflichtung, unsere Leser über den
Stand der Forschung auch auf diesem Gebiete auf dem Laufenden zu erhal-
ten. Mir, als dem Spezialreferenten für polonica, lag diese Pflicht besonders
ob; ich habe sie Archiv XXVUI, 555 f. nicht ganz erfüllt und trage versäumtes
nach. Anknüpfend an die treffliche Deutung, die der lange völlig verkannte
Anfangsvers der zweiten Strophe durch Dr. Franko im Archiv gefunden
hatte, hatte ich in BibL Warsz. 1901, Okt., S. 81—106, und in Literatura reli-
gijna I. (Warschauer christiiche Bibliothek, Juni 1902), S. 144—178, eine neue
Lösung des Problems gegeben, den Beichtvater der Krakauer Fürstin, der
heil. Kinga, den Franziskanermönch Boguchwal, in ihrem Kloster von Alt-
Bogarodziea, angez. von Brückner. 123
Saadez {gest. beide 1292), für sie oder richtiger für ihre Nonnen, die Kl&ris-
Binen Yon Alt-Sandes, die Bogarodziea abfassen lassen. Meine Annahme wnrde
▼iel&eh, oft mit geradezu kindischen Mitteln, bekämpft — was halte ich
heute, nach Jahren, Ton ihr? Ich sprach es 1904 ans: Den Hanptteil halte ich
vODig anfrecht nnd bin heute, noch mehr als 1901, von der Richtigkeit mei-
ner AnsfUhrongen ttberzengt, aber diese gipfeln gar nicht in den Namen Bo-
gnehwai, Alt-Sandez, Kinga (obwohl ich auch diese Einzelnheiten vorläufig
gar nicht preiszugeben gedenke !). Meine HanptausfÜhrungen wandten sich ja
g^en die spSte Ansetzung des Liedes (nach 1350!), und gegen seine Herlei-
tong aus Böhmen — alles andere mag man als romantisches Beiwerk bei Seite
achieben, ich habe bewiesen, daß das Lied aus dem XIIL Jahrh. stammt und
Original ist So hat man z. B. die beiden Formen der ersten Strophe 8iaunena,
zwolena als Bohemismen bezeichnet und darin die Spur der böhmischen Vor-
lage erkannt Leider kommt in dem ganzen Text kein weiterer Bohemismus
▼or; alles, die Nasale z. B., oder <f, d£, oder ^o, ro, oder g ist tadellos polnisch
— es ist einfach undenkbar, daß der polnische Bearbeiter alles aufs beste än-
derte, gioty, naiwieeie, modiitwf U.S.W. sagte, aber ohne jeden Grund nur sla-
vfena awoüna unveriindert beließ — die Erfahrung lehrt uns, daß, wo Bohe-
miamen in einem polnischen Texte vorkommen, sie sich nie auf eine einzige
lautliche Erscheinung beschränken (z. B. im Flor. Psalter, in der Dorotheen-
legende, beimPizeworszczyk, in der Sophienbibel u.s.w.). Zudem, wo ist auch
nur die geringste Spur eines solchen böhmischen Textes aufrotreiben? oder
ist etwa dzUla der zweiten Stiophe (düja, für dla\ oder hoiyc (allerdings ein-
mal im Böhmischen belegt, s. Gebauer), so besonders böhmisch ?
Den Beweis, daß das Lied dem Xin. Jahrb., nicht etwa nach 1350 ge-
hört, erbrachte gleich derselbe Vers : twtgo dzUla krzeieUlaj boiyce »Um deines
Täufers willen, Gottessohn!«, denn die nächste Strophe (eines später der eig.
Bog. Bodz. angefügten Osterliedes des XIV. Jahrh.) beginnt: Naa dla %o$ial z
marUcyeh gyn hoiy, was ja in der Sprache der vorangehenden Strophe lauten
müßte; Nas dziela tottai z marttoych hohye: so sehr entfernt sich das dem
XIV. Jahrh. angehörende Osterlied von der eigentlichen Bogurodzica (d.i. von
den beiden Anfangsstrophen). In Anbetracht dieser außerordentlichen Alter-
tümlichkeit, die von der sonstigen Art der Kirchenlieder, die stets die neueste
Sprache bieten, ganz abweicht, könnte ich das Alter der Bogurodzica eher
noch höher hinauMcken: ich hätte nichts dagegen, wenn man schon das
krUsz pqfuszeze (von den Polen im J. 1245, in der Wolhynischen Chronik) auf
die Bogarodziea (wegen ihres krlesz-Refrains) bezöge — auch in diesem Falle
wäre sie ja noch immer ein Jahrhundert jünger, als Hospodine pomiluj, was
zur Jugend der pohiischen Literatur (gegenüber der böhmischen), wohl passen
könnte.
Daß sie auch ein Kriegslied werden konnte, beweist wieder ihr hohes
Alter. An sich enthält sie ja auch nicht den geringsten Bezug auf Kriegen
und Morden, ist nur ein frommes Kirchenlied, Qebet an den Heiland und
nichts weiter, genau wie Hospodine pomiluj, das ja nur Bitten um Frieden
nnd Fruchtbarkeit enthält; beide Lieder wurden auch zu Kriegsliedem, nur
weil sie längere Zeit eben die einzigen Lieder waren, es keine anderen natio-
124 Kritischer Anzeiger.
nalen Lieder (religi($Be) neben ihnen gab, sie allein somit die Erregung ond
Anspannung des Gefühles auslösten. Kyrie eleison hat ja ebensowenig etwas
vom Morden an sich und doch ist es auch Eriegsruf gewesen! Es wäre ganz
falsch, in dem Liede wegen dieser seiner Geltung irgend etwas besonderes,
eine Eriegerrolle der Jungfrau und des heil. Johannes, suchen zu wollen, wie
gefaselt wurde.
Man könnte sich z.B. gleich auch über die Nominative Bogurodtica dzie-
wica, statt der zu erwartenden Vokative wundem, aber darum ist der Verfitsser
des Liedes noch kein Großrusse gewesen: er wollte Maria, die lateinische
Form, behalten, er ging ja der volkstümlichen absichtlich aus dem Wege —
diese lautete Marza, Pirzwa iwifta Mona nannte das Yolk noch im XY.
Jahrh. den Tag Marift Himmelfahrt, hoifta Marza heißen noch heute Orte (mit
Marienkirchen), Marza auch Marienblumen; einem Bogurodzie« dziewiee hätte
ja auch ein Marije entsprochen und das mied er eben — den Vokativ brauchte
er in matko dagegen; ein späterer Dichter fand hier keinen Anstoß und verband
ruhig Maria dziewiee. In Bogu rodzica femer und Bogiem eiawiena wählte der-
selbe Verfasser absichtiich je zwei Worte, statt je eines: Bogorodziea und
hogosiatüiena (oder biogosiafciena, benedicta; beide Ausdrücke wechselten
mit einander noch im XVI. Jahrh.) ; -iena kommt auch anderswo vor.
Wir sehen somit überall deutliche Beweise des hohen Alters des Liedes,
iiatoiena und zwolena ist es ebenso wie dziela und BoitfCy und über die Be-
hauptung von Nejedl^ z. B., daß das Lied erst aus dem Anfange des XV.
Jahrh. stamme, daß die Polen im XIIL und XIV. kein eigenes nationales
besessen hätten, gehen wir einfach zur Tagesordnung über.
Die Arbeit von Aleks. Polin ski, Piei&n Bogarodzica pod wzgl^dem
mnzycznym, Warschau 1903 und deren bitterböse E^ritik im Warschauer Lut-
nista 1906, Nr. 1, 4, 5, von einem jungen Musikhistoriker, Adolf Chybi^ ski
(Z badaÄ nad >Bogurodzic4«), übergehen wir, weil sie nur die Melodie betrifft
und der Kritiker sich speziell über ungenaue Terminologie, Verwechslungen,
Irrtümer ausließ, was im einzelnen auch schon Prof. Dr. J. Fijaiek getan hat
Fijaiek ist unter allen polnischen Eirehenhistorikem der rührigste,
unparteiischeste, von großem Wissen, eine gewandte Feder zugleich; als
Geistlicher gerade die Seiten, z. B. die liturgische betonend, die uns Philologen
fremd sind. In einer gediegenen Abhandlung »Bogurodzica« im Lembeiger
Pami^tnik Literacki II, 1903, S. 1—27, 163^191, 353—378, bespricht er znent
die Geschichte des Liedes nach seinen drei Phasen, der vorhistorischen, der
historischen oder Blütezeit und dem VerfaU; die Geschichte der Forschung;
die nationale Sprache in der lateinischen Liturgie der polnischen Kirche (bis
zum Tridentinum); Ursprang und Anwendung polnischer Kirchenlieder, spe*
ziell der Oster- und Marienlieder. Bei der groß angelegten Arbeit, die überall
auf die letzten Anfänge zurückspürt, fällt vieles auch für andere Fragen ab;
so hat z. B. Fijaiek erst die ein wandsfreie Erklärung der Worte in dem
Briefe der Lotiiringerin an König Mieszka n. (cum in propria et in latina
Deum digne venerari posses, graecam super addere maluisti), die noch
Sicz^ftniak vergebens gesucht hat, obwohl Dr. Kidri^ (Archiv XXVO, 621)
sich mit dessen Ausführungen zufrieden erklärte; Szcz^iniak nahm ja an
Bognrodzica, angez. von Brückner. 125
(S. 163), daß es Mieszka aUein war, der die drei Sprachen kannte. Richtiger
deutet ea Fijalek, daß MicBzka, d. i. seine Kirche, Gott in zwei Sprachen
pries, lateinisch nnd polnisch (Credo n.B.w. waren ja polnisch vorhanden,
worden dem Volke in der Kirche gelehrt), nnd dazu (snperaddere) nahm
seme Kirche noch griechische Antiphonen nnd Akklamationen in der Litnrg^e
anf^ das ist etwa das Kyrie, Gloria, namentlich aber das Trisagion, das ja
noch heute beim Volke (übersetzt) fortlebt; er ve^leicht passend die griechi-
schen Worte des Prager Klerikers beim Leichenbegängnis des Br^cislav
(iaehiroB ii.8.w. bei Cosmas). Er erklärt weiter n.a., warum piti fUr das dicere
der Gebete gebraucht wird; erklärt die Herkunft und Bedeutung der alten
Osteilieder: ChrysUu zmartwyeh wstalje-ist} und Przez twe ätvifte zmaritoj/ch-
wstanü; eiidärt die weiteren Strophen der Bogurodzica, die suffragia de pa-
tronia namentlich u. a. Allerdings kommen die beiden ersten Strophen, um
die es uns sich namentlich handelt, weniger zu ihrem Rechte; außerdem
mochte ich fragen, ob die Rolle der Volkssprache (in der Liturgie) nicht etwas
allen optimistisch aufgefaßt wird. Vergebens suchte ich hier Erwähnung von
Sachen, die doch Nejedl^ anführt, z. B. ein Verbot an die Laien aus dem
EL Jahrh. (Harzheim, concil. germ. H. 500), si quis cantare desideret, Kyrie
EleiBon cantet; sin aliter, omnino taceat; das Verbot der »Volkslieder« durch
das Baseler Konzil u. a. Dafür ist sehr richtig die einseitige Ableitung polni-
scher Ejrchenlieder aus böhmischen abgelehnt. Dem Verfasser handelt es
sieh vor allem darum, den Hintergrund zu zeichnen, von dem sich die Bogu-
rodxiea abheben sollte.
Dagegen muß ich die Arbeiten von Prof. Wilhelm Bruchnalski vor-
fibifig ausschalten: er gab nämlich bisher nur einen Vorbericht darüber (in
den Sitsungsberichten der Krakauer Akademie), und eine knappe, populäre
Darstellung in dem Sammelwerke Ksi^ga pami^tkowa Marya^ska 1905, hat
aber sein Beweismaterial nicht veröffentlicht Während wir die Bogurodzica
nur auf die zwei ersten Strophen beschränken und die weiteren Strophen
(eines Osterliedes) erst spät hinzukommen lassen (wie dies geschehen konnte,
ja nicht durch bloßen Zufkll, deutete Fijaiek an), ist ihm gerade die weiteste
Fassung des Liedes die ursprünglichste, sieht er darin ein Krakauer Franzis-
kaneilied an alle Heiligen ans dem XIV. Jahrh. : gegen die Annahme eines
derartigen, besonderen Liedes hatte sich schon Fijaiek S.378 gewendet. Ich
lehne diese, dem allerausgeprägtesten Ostercharakter von Strophe 3 und folg.
widerstreitenden Aufstellungen völlig ab, aber ich vermag sie nicht zu be-
kämpfen, so lange ihre eingehende Begründung nicht nachgeliefert ist — ich
laaae somit diesen Punkt vorläufig offen.
Der Arbeit von Prof Korneli Heck habe ich bereits Archiv XXVin,
S. 550 gedacht; ich füge nur hinzu, daß ich die Datierung und Entstehung der
zwei ersten Strophen (nach 1350 um Gnesen, wegen der ältesten Erwähnungen
und Texte auf großpolnischem Boden), sowie die Erklärung der folgenden
Strophen, ihres Zosammenhanges, Aufeinanderfolge, Textes als völlig ver-
fehlt abiebne. Ich hebe aus diesen folgenden Strophen (des Osterliedes) zuerst
ein nnieum hervor: die Behandlung des heiligen Stoffes ganz nach der polni-
sehen ataatiioben Terminologie des XIV. Jahrh.; es wird nämlich gesprochen
1 26 EritiBcher Anzeiger.
yom göttlichen toieeef vom staroitapkielny (genau wie die böhmischen General-
BtaroBten, die die Praemysliden in Polen nach 1300 einführten); vom bozy
hmU6 (Adam, förmlich baro, weil er im wieee = coUoqniom der Himmeli-
großen sitzt — nebenbei bemerkt, verteidigt und erläutert Hatthäos von
Eoician in seinem Kommentar zor Bogorodzica vom J. 1543 gerade die Nen-
nung des Adam als eines Heiligen am ausführlichsten, man muß sich offen-
bar später daran gestoßen haben); von der djabla stroia (stroia war der Ter-
minus technicus in Polen für das Servitut der custodia arcium). Dann will ich
auch über Sinn und Bedeutung dieser Strophen, die von allen bisherigen Er-
klären! (Pilat, Heck u. a.) verkannt wird, mich hier äußern.
Den Text dieses Osterliedes (Strophe 3—13) gibt die zweite Erakauer
Handschrift in einer Niederschrift von circa 1420 — 1430 sehr genau wieder;
Heck hat ihn sorgfältig abgedruckt, doch steht in der Handschrift przesz,
nicht |9rzc in Strophe 3 und odyal, nicht odi/el; in Strophe 4 ßopomonal; cha-
rakteristisch ist die Schreibung moyczq, grzeyßney peyetq (neben peczq). Und
nun der Sinn : Strophe 3 ist klar, der Gottessohn ist auferstanden, hat durch
seine Qual sein Volk dem Teufel entrissen. Strophe 4: Przydal nam zdrowia
wiecznego (in der Osterpraefatio heißt es : vitam reparavit), starost^ skowat
pkielnego (hat den Generalstarosten der Hölle gefesselt — nach dem evang.
Nicodemi); das folgende imierö poc[fqi, hat den Tod erlitten, ist dagegen ein-
fach unmöglich; wie kann ja der Heiland erst den Teufel fessehi und dann
den Tod erleiden ; als er den Teufel fesselte, war ja sein Tod auf dem Elreuzes-
holze bereits längst vorüber und kann nicht darnach erst genannt werden;
wir dürfen den mittelalterlichen Dichter, der seine Worte wohl abwog, nicht
ohne weiteres eines logischen Widersinnes bezichtigen. Der Sinn verlangt
und die Aufeinanderfolge der Tatsachen im evangel. Nicodemi beweist es
evident: Christus fesselte den Teufel, besiegte (aber nicht: erlitt!) den Tod
und gedachte des ersten Mensehen; in der Osterpraefatio heißt es auch: Qui
(Chrietus) mortem desintxit; im%er6 podjqi muß daher heißen: hob auf den Tod
(oder pojqi fesselte?). Die »Erwähnung des ersten Menschen« (an dessen Stelle
nach dem evang. Nicodem. der Gtoneralstarosta gefesselt wird), wird nun in
Str. 5 ausgeführt: Welcher wahrlich Mühe litt, »in seiner Demut [zadmürtne)
noch nicht ausgestritten hatte«, bis Gott selbst auferstand; an denselben wen-
det sich Str. 6 (Adam, du baro Gottes, sitzest beim Herrn im colloquium,
schaffe deine Elinder dorthin, wo die Engel thronen, was Str. 7 als Bitte an
Christus wiederholt: dasselbe schaffe uns Jesu), aber beide lose Strophen
(6 und 7) unterbrechen nur den Zusanmienhang, denn es heißt in Str. S, als
Fortsetzung von 5: byfy radoici byfy miioäci (ich vermutete, daß dies plur.
taut wären, wie kleinruss.radoszczy u.a., deliciae u.s.w.), bylo widxenie ttoorea
angielikie bezkonca, tu6 sie nam swidziaio (vgl. serbokroat svt^fatise; spätere
Texte haben zjawiio) djable potfpienie. Gerade der Text dieser Strophe ist
bisher falsch verstanden. So sagte z. B. Pilat (S. 68, Anm.): Liebe, Freude,
endloses Sehen des Schöpfers durch Engel war da (vor Adams SündenfUl,
also im Himmel), aber im Jammertal (auf Erden) erschien den Menschen (uns)
die Verdammung des Teufels. Bei Heck (S. 27) heißt es sogar: Adam genoß
die Freuden (des Paradieses) und Gottes Anblick, aber auf Erden die Men-
Bognrodsioa, angez, yon Brückner. 127
sehen lagen noch in ewiger VerdammniB, bis ChriBtoB anf erstand: Heck
aeheint somit dem Dichter die dogmatische Unmöglichkeit zuzumuten, als ob
Adam schon yor Christi Auferstehung im Paradiese hätte sein können — er
war ja doch in der Hölle und litt da trudy !! Der Sinn der 8. Strophe bezieht
sieh nur auf die Vorhöllenszene : im evangel. Nicodemi sagt ja Christus zu
den Heiligen: gehet aUe zu mir, ihr habt gesehen den besiegten und verdamm-
ten Teufel — iu6 »i^ nam ztüidziaio djable poifpiente ! Es war somil^ eitel Jubel
imd Freude und endloses Betrachten des Herrn, den ja 11000 vom Ölberge
her besangen und Engel umstanden, und gleichzeitig erschien des Teufels
VerdammniB. Also Strophe 6 und 7 zerreißen den Zusammenhang von Strophe
6 und 8, die eng zusammengehören, dieselbe Situation (des triumphierenden
Christus in der Yorhölle, oder nach dem Osterresponsorium : Cum rez gloriae
Christus infemum debeUaturus intraret etc.) ausmalen; aber daraus folgt
noch durchaus nicht, daß man etwa ihre Stellen vertauschen müsse, daß auf
Strophe 5 die 8. folgen solle : denn die Aufeinanderfolge dieser polnischen
Tropen, die man sich zwischen den Zeilen der lateinischen Ostersequenz ge-
BOBgen denken muß, war eine völlig lose; das Lose des Zusammenhanges be-
sengen dann die folgenden, völlig losen Strophen (9 — 12) zur Genüge. Erst
die sp&tere Zeit (Mitte des XV. Jahrh.) stieß sich an dieser Losigkeit: um
einen ordentlichen Zusammenhang zu schaffen, änderte man das Byia-hyia
von Strophe 8 zu Tom- tarn und gewann einen sehr guten Gegensatz (schaffe
ims Jesu ins Himmelreich — dort ist lauter Lust und Freude, hier — auf £r-
dea — Teufels Verdammnis); noch später traf man eine viel einschneidendere
Änderung, änderte Nas dla waiai z martwych von Strophe 4 zu Narodzii sif
ttta na». Wie eben erwähnt, die folgenden, ganz losen Strophen (9—12) bieten
keinerlei Schwierigkeit mehr, dafür spricht man in Strophe 9 von einer Über-
letsuDg aus dem Böhmischen, dai Bog przekio6 sohle r^ce nodze ohie na zbawie-
UM tobte soll aus dem böhmischen dal proklaii sobi rtiei nozi obi na spasente
iobi entlehnt sein. Das ist grundfalsch, richtig hat FijaHk bewiesen, daß
der polnische und böhmische Text unabhängig von einander auf die 2. Strophe
des lateinischen Osterliedes Dens omnipotens zurückgehen: pedes manus la-
tus dedit perforare volens nos salvare. Auf dasselbe lateinische Osterlied
geht dann das älteste polnische und deutsche Osterlied [Chrystus zmartwych
wtiaije etc., Text schon von 1364 und »Christ ist erstanden«) zurück.
In einer völlig anderen Richtung bewegten sich Kombinationen über
Muster und Anstoß zur ältesten Bogurodzica, die ich in meinem Buche, Dzieje
i^ka polskiego (Lemberg 1906, S. 23), notierte, kurz und unvollständig, was
ich hier ergänzend ausführe. Es fielen mir nämlich seit jeher »russische« Re-
mimszenzen in der Bogurodzica, mit Recht oder Unrecht, lasse ich es dahin-
gestellt, auf. Eine, die Bogurodzica = Bogorodiea der russischen Kirche, habe
ieh bereits oben erwähnt und zu ihrer Erklärung reicht mir nicht hin, daß die
Krakauer Kirche noch bis ins XVI. Jahrh. die Mutter GU)ttes ^bojoxos^ (mit
diesem griechischen Ausdrucke, s. Fijatek S. 186), mit Vorliebe bezeichnete.
Hieizu kommt anderes. Wie bekannt, rufen die beiden Strophen des Liedes
Maria und Johannes den Täufer als Fürbitter bei dem Heiland an. Mich frap-
pierte nun gerade diese Verbindung; ich üeuid für sie in der Legende von der
1 28 Eritisoher Anzeiger.
heil Einga, die in entscheidenden Augenblicken ihres Lebens die Hilfe von
Maria und dem Tänfer erflehte und erhielt, die nötige Erklärung und gründete,
unter anderem, auch darauf meine Eombination (oder, falls es jemand vor-
zieht, meinen Roman) von dem Beichtvater Bognchwat und der heil. Einga.
Die Verbindung von Maria und dem Täufer gewährt aber auch einen anderen
Ausblick. Ich berufe mich auf die Ausfuhrungen von Groiubinskij I, 2, 195
und 212: >die hauptsächlichste und ursprünglichste ikona, ohne die die ortho-
doxe Eüirche nicht denkbar ist, ist das rqifjLoqtpiov bei den Griechen, dBims bei
den Russen, d. i. der Heiland zwischen Muttergottes und Täufer; der Name
deitw ist vielleicht griech. ^irjais molenije, weil die Mutter Grottes und der
Täufer auf der ikona w molitwiennom po otnoszenija k spasitielu poloienii
dargestellt werden«. Spiegelt sich nicht der deiaua in dieser Zusammenstellung
der Bogurodzicastrophen wieder ? Hierzu kommt noch eines. Der Biograph der
heil. Einga berichtet von ihrer Gewohnheit, quod ob reverentiam resurrectio-
nis dominicae semper die dominico primam sororem, quam sibi obviam habuit
(im Sandezer Eloster), affabatur ei, dicens, Surrezit Christus vere, respondente
sorore, Vere surrexit, et felix domina nimio gaudio respersa sorori osoulum
affectuose praebebat: wer erinnert sich da nicht des Osterkusses und des Yo
istinu voskrese der Russen, mag es auch nicht jeden Sonntag, sondern nur
am Ostersonntag Statt haben, mag auch Fijalek (S. 373} für ältere Zeiten
auch in der römischen Eirche ähnlichen Brauch (auch nur für den Ostertag)
belegen.
Ich nenne dies alles russische Reminiszenzen oder Einflüsse oder Muster,
fOr die in Eleinpolen und speziell im Elarissinenkloster zu Sandez es vollauf
Gelegenheit gab, schon durch die engen Verwandtschaftsverhältnisse der
polnischen und Haliczer Fürsten : die eigene Schwester der heil. Einga war
ja Gemahlin des Haliczer Lew (Sohn des Danilo) ; die Tochter dieses Lew ist
ja als Elarissin im Eloster ihrer Tante gestorben (Swiatoslawa, gest 1302;
deren Geschwister, Jurij u. a., waren polnisch verheiratet, und Marja, die
Tochter des Jurij, heiratete wieder einen maso vischen Fürsten) : von einem
Glaubenshaß kann keine Rede sein — nicht umsonst kam denn auch schließ-
lich der Masovier, der Sohn der Marja, auf den Haliczer Fürstenstuhl. Also
russische Vorbilder und Muster sind für Elinga und die Bogurodzica nicht un-
denkbar — aber ich will nicht streiten, vielleicht sind dies nur Irrlichter, halt-
lose Eombinationen.
Auf diese, richtige oder unrichtige, fedenfalls ernste und gewissenhafte
Studien folgte, wie auf die Tragödie das Satyrspiel, das Buch von Dr. W.
Szc zurät, Grunwaldska pünia (Bogurodzica), pamiatka zapadnoru&koi lite-
ratury XIV w., Zowkwa 1906, 52 S. Sein Verfasser hatte den Gegenstand in
einem Lemberger Vortrag behandelt; ein kurzer Zeitungsbericht (aus dem
Duo) kam mir zu Händen und darauf erstattete ich eine vorläufige Anzeige
im Archiv XXVÜI, 556; ich hatte angenommen, daß der Verf in jenen Ge-
dankenkreisen sich bewegen werde, die ich oben ausführte. Statt dessen be-
hauptete er, der älteste Text der polnischen Bogurodzica wäre nur eine skla-
visch genaue Transkription des originalen russischen; dieses Original ent-
stamme dem XrV. Jahrb., weißrussischen gebildeten Ereisen (es wird anf
Bognrodiiea., anges. von Brückner. 129
Poiozk etwa hingewiesen); die Polen haben das nusische Lied dnrch WJa-
dyilaw Jagello nnd seinen mssischen Hof, namentlich aber erst am Tage der
Schlacht von Gmnwald-Tannenberg (15. Juli 1410), recht kennen nnd lieben
gelernt; erst seitdem, geweiht förmlich dnrch den Erfolg dieses Tages, wäre
dieser rosaische Text polnisches Eigentum geworden.
Papier erträgt geduldig alles, somit auch die »Entdeckung« des Dr.
Sxczurat; ungewöhnlich dabei war nur, daß wissenschaftlich gebildete
Klehinusen sich fangen ließen; Dr. Eopacz z. B., ein klassischer Philologe,
fragte im Ernst, was die polnische Wissenschaft zu dieser »Sensationellen
Behaiqitnng« (Feuilleton des Dilo 1906) sagen werde — ich gab die prompte
Antwort u. d. T. »Die Neueste Mystifikation« (im Lemberger Siowo); ich be-
haadelte die Sache nur als einen yerfrtlhten Fastnachtsscherz; nach gleichem
Besepte würde bewiesen, daß auch der Pan Tadeusz aus dem Russischen
fibersetzt wäre. Auf diesen Spott reagierte Szc zurät, da er nichts einzu-
wenden hatte, im Duo mit Schimpfen und es sekundierten ihm treulich die
»Hajdamaken« (eine andere Zeitung, »Mordbrenner«). Ich gab nun fürs Archiv
eaen knappen Bericht darttber, aber ich zog ihn zurück, weil er sich für
Fernerstehende als zu knapp erwies, und trage nun die Sache etwas ausführ-
licher vor, zumal ich hOre, daß Szcaurat eine Antwort vorbereite; so werde
ich zu ihm nicht mehr zurückzukehren brauchen.
Das Faktum ist folgendes: die polnische Provenienz resp. Geltung der
Bognrodiica ist durch Hunderte von Zeugnissen und Texten vom XV.— XX.
Jahrh. über aJle Zweifel erwiesen; für die russische Provenienz ist auf der
guoen Welt, nie und nirgends, auch nur der Schatten eines Zeugnisses oder
Textes aofnitreiben. Durch welche Erfindungen hat nun Szczurat diese
russische Provenienz möglich machen wollen?
Ich erwühne zuerst seine historische Erfindung, obwohl schon ein Klein-
lOBse selbst, empört über die »Methode« Szczurats, sie beleuchtet hat (Bo-
furodzic^ Dzewica und die historischen Folgerungen des Dr. S., im Interesse
historisoker Wahrheit, von B. Barwinskij, Lemberg 1906, 40 S., kl.-80).
SKcsurat konnte nur 6in einziges historisches »Zeugnis« erfinden, aus dem
Berichte nSmlieh Über die Grunwaldschlacht des Dhigosz. Dhigosz war über
den Verlauf des Tages auf das beste unterrichtet; sein eigener Vater kämpfte
ja dort mit und der Mann, als dessen Intimus Dingosz viele Jahre gelebt und
n dessen Auftrage und Sinn er seine Geschichte geschrieben hat, Olesnicki,
wtr eine Hauptfigur jenes Tages, stellte er sich ja vor den dort bedrohten
KOnig. Die Darstellung des Dlugosz ist eine ausgezeichnete und als solche
von aUen Historikern anerkannt (vgl. zuletzt eine Berliner Doktordissertation
von 1906 über diesen Tag, die Perlbach in der Deutschen Literaturzeitung
lUsn nngünsUg beurteilt hat). Dhigosz erzählt nun : Signis canere incipienti-
Iras regius universus exerciius patrium Carmen Boga Rodtieza sonora voce voci-
fentas est, deinde hastis vibratis in proelium prorupit. Sxereitus tarnen Li-
thuametis . . . prior ad congressum venit etc. Wie man sich aus vielen Stellen
fibeizengen kann, versteht Dhigosz unter dem regius exerciius immer nur das
polnische Heer (unter Zyndram von Maszkowice oder unter dem KOnig
lelbst); das litauisch-russische Heer nennt er dagegen immer exercitus ducis
inUT ftr sUTueh« PUlologi«. XUX. 9
130 Eritisofaer Anzeiger.
Alexandri oder Withaadi oder lithaamcuB, z.B. (eine Stelle von vielen):
universus regius exereitue Zindramo .. dirigente, IMiumicus vero solo dnce
magno Alexandro ordinante a.8.w. ; exerciiuttmregis et c^uet« Alexandri scheidet
er immer. Wenn somit DhigoBz ansdrücklich angibt, daß das königliche Heer
die Nationalhymne Bogarodzica sang, aber das litanische Heer früher angriff,
so kann niemand zweifeln, daß es nnr die Polen des Königs waren, die die
Bogarodzica, ihr carmen patriom, sangen : hätten die Polen des Königs zn-
sammen mit den Bnssen (Litauern, Tataren) des Witowt die Bogorodzica) ge-
sungen, so hätte Dhigosz gesagt: exercitns regius et lithnanicus carmen pa-
trium etc., was ihm nicht im Traume eingefallen ist; dem Dhigosz, yergease
man nicht, waren ja die Schismatiker und Heiden (Tataren) ein Gräuel, ihm,
dem starrsten Römling des XV. Jahrh. in Polen. Schon am 9. Juli, als zum
ersten Male die Fahnen auf preußischem Boden entfaltet wurden, hatte ja der
universus exercüus patrium carmen Boga Hodzicza coepit vociferari — auch
hier ist unter universus exercitus das polnische zu verstehen, wie in dem
Kapitel »von der Predigt des Plozker E^schofs an die Polen* es heißt: epis-
copus sermonem in vtUgari polonico apud Universum exereüum habnit; vom
patrium carmen brauchte ja Dhigosz das in vulgari polonico nicht anzuführen,
weil das Zitat Boga R. hinlänglich über die Sprache orientierte.
Das ist somit der einzige Beweis des Dr. Szczurat dafür, daß nicht
die Polen, sondern die Russen und Tataren und heidnischen Litauer, denn
aus ihnen bestand ja das litauisch-russische Heer, die Bogarodzica als ihr
patrium Carmen angestimmt haben!! Er nahm einen erlogenen Bericht aus
der Chronik des Bychowiec (2. Hälfte des XYI. Jahrh.) hinzu, um zu beweisen,
daß die Litauer früher angegriffen haben (aber das sagt ja schon Dhigoss aus-
drücklich und es war nicht nötig, die Lügen des Bychowiec dafür aufzu-
rühren!), folglich auch — gesungen haben ; der König hörte ja die Messe, statt
in den Ejunpf zu gehen u.s.w. Die ganze Mühe Szczurats mit Bychowiec
war völlig unnütz, denn Bychowiec erzählt ja gar nichts von dem Liedsingen,
worauf allein es ankäme; er erzählt nur, daß die Litauer zuerst angegriffen
haben (wie Dhigosz), und lügt dann auf eigene Faust weiter. Sollte sich je-
mand daran stoßen, daß ich so ungeniert von »Lügen« des Bychowiec spreche
(russische Historiker sprechen bei ihm von »Entstellungen und Erfindungen«
— mnoiestwo legend iskaiennych wymyslami sammelte er, sagte Antono-
wicz), so kann ich vieUeicht sogar den Grund angeben, warum »Bychowiec«
die ganze Darstellung (Fortsetzung des Kampf berichtes] erlogen hat Am
Tage von Grunwald nämlich haben die Litauer-Russen schrecklich schlecht
abgeschnitten : wohl griff zuerst ihr Flügel an, aber er wurde im ersten Anlauf
so von dem Ordensflügel zersprengt, daß er in wildester Auflösung — nnr
300 Smolensker schlugen sich zu den Polen durch — geflohen ist bis nach
Litauen hinein! Diese schmähliche Flucht der Russen an dem entscheidend-
sten Tage hat man in Polen nicht vergessen. Als nun eines schönen Tages,
auf dem Reichsrat von 1563, der Wojewode von Wilno, Mikohy Radziwü, ein
grimmer Feind der Union, wie alle litauische Magnaten (schon weil sie den
mittieren und kleinen Adel gegen sie aufkommen ließ), eine seiner hoch-
trabenden Reden hielt, die alte Waffengenossenschaft der Polen und Litauer
Bogurodziea, angez. von Brückner. 131
pries und sich dafttr anf die mittelalterliche »preußische Hymne« berief^ wo
es heiße, Htj Polanie z Bogiem na nie Bo nam Litwy nü doatanie (Hei Polen,
mit Gott auf den Orden los, denn schon läßt uns Litauen im Stich), da warf
ihm mit Becht der Krakauer Kastellan, Martin Zborowski, ein, Ba, Litwy nie
deglawa, bo hyla ueieklal Der schmählich blamierte Wojewode schimpfte nun
weidlich auf die — verlogenen Historiker, auf den Kromer! aber seitdem hat
er die »preußische Hymne« nie wieder zitiert Das verschnupfte nun stark in
Utanen, diese fatale Erinnerung an die schmähliche Flucht, und darum ist im
»Byohowiec« das Blaue vom Himmel heruntergelogen worden: wie die Li-
tauer allein gekämpft, die meisten Polen nur ganz untätig zugesehen hätten
1L8.W. An diese Lügen des »Bychowiec« hat sich nun würdig die »Erfindung«
des Dr. Saczuiat angeschlossen.
Ebenso schön wie sein historischer Beweis ist sein philologischer, nur
kami ich mich hierbei kürzer fassen, weil hier die Verkehrtheit rascher zu
greifen ist Der polnische Text von 1410 ist nach ihm wOrtlich aus dem russi-
schen abgeschrieben, daher sein napUn (erfülle) aus russ. naplini — wie reimt
neh damit, daß der ganze Text das reinste Altpolnisch bietet? naplen ist
Sehreibfehler für napeln, wie es in diesem Texte auch noch andere Schreib-
fehler gibt, z. B. eptDcsi für spttiei. Noch schtfner ist der russische Text Szczu-
rats: er bot neben einem starren kirchenslavischen naphnh (unmöglicher Im-
perativ, nebenbei gesagt) ein hogurodzieoj womit der intelligente, d. h. kirchen-
davisch geschalte Weißmsse das bog&rodice ersetzt hat: sein akanje erklärt
nämlich das n für e, sein dzekaiye erklärt das dz für d, and das ukanje — den
Tenninns setze ich hinzu — das u für o ; es hat somit einen (intelligenten)
Weißrussen im XIV. JahrL geben können, der statt des dogmatischen Bogo-
lodice ein bogurodzica schreiben konnte! Genug des Unsinnes.
leh benutze die Gelegenheit, um etwas zur Sprache zu bringen, was der
Bogorodzica fem liegt, aber fürs Archiv interessant ist Der von Szczurat
>erfandene« russische Text wimmelt nämlich trotz aller Präparierung von
Polonismen gröbster Art (im XIV. Jahrb., in Polozk, wohin noch nichts pol-
idsehes damals gedrangen war!) und Szczurat ging auf die Suche nach einem
rassischen Text, der auch solche Polonismen [matkof przebyt Weilen u. a.) ent-
halten würde, ohne die sich seine »Erfindung« nicht halten könnte. Er fand
wirklich einen solchen Text — die Dreikönigslegende, die »weißrussische« ;
er verschwieg aber wohlweislich seinen unkritischen Lesern, daß diese Le-
gende aus dem Anfange des XVI. (oder Ende des XV.) Jahrh. nur eine wört-
liche Abschrift aus dem Polnischen darstellt, somit für einen Polozker Text
des XIV. Jahrh. gar nicht verwendet werden darf. Dazu will ich nun eine Be-
merkong machen.
Bekanntlich ist die »weißrussische« Handschrift (Petersburg, Öff. Bibl,
Slavisch Quarte I, Nr. 391) unlängst herausgegeben, ihre »Strasti Christowy«
TOB Tupikow-SobolewskiJ, 1901, ihre »Powiesf o trech korolach-wol-
chwach« von Peretc 1903 (Nr. 140 and 150 der Pamiatniki des OLDP); ihre
Alexioslegende , Schluß der Handschrift, hatte schon Wladimirow im
älNP. 1887, Oktober, abgedruckt Ober die Sprache der Handschrift han-
delte £. Karskij in den Izwiestija etc. 1897 (11), 4, S. 964—1036; leider ist
9*
152 Kritischer Anzeiger.
seine Abhandlung nnvollstiindig, sie überging das interessanteste and ent-
scheidendste. Karskij konnte sich kein ürteU über die Provenienz des weiß-
mssischen Textes formnlieren ; S. 994 kam er zn der Folgerung, daß derselbe
direkt aus dem Lateinischen übersetzt ist von einem Weißrussen, der auch
polnisch gut kannte (daher die Polonismen) — könnte man nicht dasselbe von
dem Strasti annehmen, ja vielleicht seien diese letzteren gar nicht ttbersetst,
sondern (fremden Vorlagen) frei nacherzählt Man kann nun nachweisen, daß
der Text (aller drei Schriften!) wörtlich aus poln. Vorlagen umgesetzt ist —
man liest ja in der Dreikönigslegende : ropa . . . cRaj^aMH h suwjim h xep&BBßM'B
yKpameHa, sbiwjiH ist natürlich poln. zyoliy d. h. zioiy ! Hierher gehören natür-
lich auch die vielen cexl = genie, bhubo^'l neben BEHBemro, b'& wn'BueBaRYio,
Hft oÖBi^aH H ysApacB (poln. wtdraz)^ Axi» oiuaBHTe RpoB& lULua (opimoitU ist
mißverstandenes poln. ophoicie^ op^awifost' auch in der Alexiuslegende) ; cb
qacTKOM'B cBOHMi» noTOBfL öyAymHM'B ist nur mißverstandenes poln. 2 Bxczqikiem
(d. i. HcvaAie, Geschlecht, Nachkommen!), cl npHxqeH (z przydcze^ zufällig,
przydeza = casus); das interessanteste Wort des Textes ist oycTBiTi» co; es
fehlt, wie so vieles andere, im Glossar, es ist polnisches, außerordentlich sel-
tenes uic%6 sif glänzen; xo BAXHa und der Fluß epffanx ist Vlenne und die
Rhone; nicht klar ist mir me6oyHKH errores, ist das ein russisches Wort (ma-
öyHiTB HajTb KiMi sich über einen lustig machen, groi^rnss.) oder ein polni-
sches Wort, vgl. bei Zbylitowski Piotr, Schadzka ziemia^ska vom J. 1605, stoe
ghtpie szebinki (szyhinkowad kommt in der letzten russischen Beichstagsrede,
des J. Mieleszko 1589, vor, die ich indeß nur für ein Pamphlet auf den würdi-
gen Kastellan halte). Beachtenswert ist der Gebrauch von saroro alsbald; ein-
mal saxoro a6o Harjii, die polnischen Texte der ersten Hälfte des XVI. Jahrh.
(Handschrift des Laurentius 1544, Terentius von 1545 u.a.) kennen dieses
zatego sehr gut (ich fand es auch in einem Jesuitenpasquill gegen die Wilnoer
Lutheraner von 1642, weißrussisch). Daß in diesen weißrussischen Texten
einzelne lateinische Wörter und Phrasen stehen, item, deus in adiutorium, in
hisioriia achohutieis (bei Karskij fehlt z. B. deta, d. i. diaeta u. a.), beweist
nichts, findet sich ebenso in den polnischen Übersetzungen, z. B. im Leben
Alexanders von 1509, bei Laurentius 1544 u.s.w.
Wenn ich so gegen Karskij die polnische Vorlage aller drei weiß-
russischen Texte betone, so hat dies einen guten Grund : es ist uns nämlich
keine dieser Vorlagen selbst erhalten : die Passion und DreikOnig^legende in
der Handschrift des Laurentius vom J. 1544 (also dieselbe Zusammensetzung,
wie in der weißrussischen!), der Druck des Alexius vom J. 1529 sind nämlich
ganz abweichende Texte ; wir erschließen somit aus der weißrussischen Trans-
skription drei neue, unbekannte polnische Texte, d. i. eine nicht ganz un-
wesentliche Bereicherung des handschriftlichen Materials, das reicher war, als
unsere Bestände es ahnen lassen; diese Bestände sind furchtbar dezimiert
weil die polnische Handschrift nicht für Kloster oder Kollegium, wo Latein
herrschte, sondern für den Privatmann bestimmt war und mit den Privat-
wohnungen, die in regelmäßigen Intervallen abbrannten (die Italiener behaup-
teten, daß die Polen sich darum keine Möbel anschafften), in Rauch und Flam-
men aufgehen mußte.
Bognrodzics, aiiges. von Brückner. 133
Einzelne Erklftningen im Glossar des Earskij sind anrichtig, z. B. es
heifit nicht pachaii : na ryterttwo pasmU'j sondern es ist poln. pasmaa^; nicht
p^roewnietku, sondern po ruezniczku aibo szirinee Htndtach; es fehlen die so
charakteriBtischen manieUtwOy poctliwe ehibtLi,jego poda^dkow Mo Mczodkaw^
czetfnei Mo zakamieiy nnklar ist mir : (die drei Einige) zagudÜi i uzgordieliy
▼gl. wzgtdeny despecti.
GrOßeresMißgeschick traf Earskij bei der Herausgabe eines anderen
weißmasiachen Textes, von den Sybillen (Zapadnorosskoje skazanije o Si-
wille proroczicie, Warschau 1898), ans derselben GräfLErasi^skischen Hand-
schrift in Warschan, wo ich den »Tnndalns« n. a. gefonden hatte ; er stellt
Betrachtungen ttber Ursprung und Bestandteile dieser kleinen ErzUhlung an
and gelangt auf Grund der Sprache zu der Annahme (S. 21], daß der Weiß-
maae ein sttdslavisches Original der ganzen Erzählung oder ihrer Teile
gehabt hat, oder, falls er selbst der Verfasser wäre, auch südslavische Vor-
lagen dabei benutzt hatte.
Die weißruBsische »Sibille« ist dagegen eine wörtliche Übersetzung
aus der böhmischen Sibylle (in einer Hdschr. des Ossolineums in Lemberg,
f. 55 b — 71; Abschrift der ganzen Hdschr. ist auch im Böhmischen Museum),
und insofern ist dies interessant, weil ja die Zahl der russischen Übersetzungen
direkt aus dem Böhmischen (Bruncwik u. a.) unbedeutend ist. Der böhmische
Proeatext deutet auf Auflösung einer gereimten Vorlage. Anfang: Toho
ezaaä zamudreho krale Ssalomuna biesse prorokynie hwiezdarzka g^enem
Sybilla A ta biesse przewelmi mudra ze na hwiezdacb mnohe wiecy wbudu-
czych czasiech przedzwiediela przes mnoho tisicze let czo se wzemiech stati
ma A biesse kraana y bohata Ale to gy sskodiesse ze gednu nohu ku podo-
benatwi husie nohy gmiegiesse A zato se welmi stydiesse A poto gest natee
noze atala y chodila yako y gyni lide nazemi b= Togo czasu aa mudrogo ce-
saija Salomona biejasze proroczica zwiezdarka imenem Siwilla a ta biejasze
welmi mudra iie w zwiezdach mnogyi weszczi w buduszczich reczach prowi-
diela preie mnogych tysiaszcz liet, czto sia w zemlach stati majet\ ta jej mu-
droat' jest' ot Boga dana, i zniyema biejase i bjasze krasna a bogata, ale jedinu
nogn k podobenstwu gusinu nogu miela i za tu sia welmi smuszczasze a pro-
toi na nej stojala i chodüa te2 i jakoito i inyi ludi stojat abo chodiat.
Dieselbe wörtliche, womöglich noch genauere Übereinstimmung herrscht
nun weiter, auch dieselbe falsche Datierung, 1400 und 1471, statt 1300 und
1371, denn es wird geweissagt von den Eämpfen zwischen den deutschen
Eaiaem Albrecht und Adolf, Ludwig und Friedrich, auf die dann, nach Lud-
wig, Eaiser Earl folgen wird und mit ihm große Not und Niedertracht, Hoffart
und Bedrückung einziehen werden (es entstand somit die Urschrift kurz nach
1371, nicht am Vorabend der Reformation, wie Earskij annahm). Der weiß-
rassische Text hat mehrfach verstümmelte Zeilen, die sich aus dem böhmischen
ohne weiteres ergänzen, so Zeile 149 f. : i dla togo rana ot boga pos^ana budet
ot neb . . . tr go)od, gradobitie, ne pocza . . . potopy a wody »= a protoi bude
nanie rana odboha poriana wietr krupy hromobitie nepoczasie zemie trzesenie
potopy a wody; Zeile 173—176: budet rozlicz . . . kroi a tak budut ludie s . . .
boi welikij a budut malo dber . . . wczenie = bude rozlicznych falduow krog
134 KritiBcher Anzeiger.
atak wegda lide sepanem bohem yweliky bog a malo badn dbati na knieasske
kazanie ; Zeile 200 f.: tak i^e bndnt swar meH ierei papeM i . . . rohi i episkopy
i proczimi erei . . . teli swieta togo i srebra . .'. . i badef wiaazcze chotieti i ie-
dati bölBzego dostoinatwa «= tak ie bade swar mezy popy a Imiezymi a bi-
Bknpy magyli aneb mieti badn co kterzy czti kazdy znich bade wieczie cati
zadati a wieczieho dnostogenstwie; ZeUe 225 f.: jegda biesi vozneant* anti-
christa k nebn . . . aki Boknuzit jego ognem dolow n dnohom . . . iapodniago
ada a tarn oBtanet . . . wieka «= kdyi diablowe wznesn Antikrysta knebi po-
doblaki swn mocy srazy gey dolnow ohniem apowietizym az dokromta peUa
A tarn masy zaoBtati alaczyperem nawieky wieknow bezkonce.
Abgesehen von einigen nnbedentenden UmBtellnngen, findet sich im
weißraBBischen Texte eine größere Lücke wegen der Lttcke in der böhmisohen
Vorlage oder weil der scharfe antiklerikale GeiBt der Stelle bei dem Rassen
Bedenken erregte, während er natürlich dem Ver&sser im XIV. Jahrh., dem
reformfreandUchen, von Herzen kam. Nachdem über die Verwilderang der
hab- and herrschgierigen Geistlichkeit die Rede war, wie sie deshalb Ton den
Laien gestraft worden, heißt es (nach Zeile 213): A to bade tak, ai do ged-
noho czasn, az nanie panbaoh dopasti mnoho zleho tak ze gych zlost agych
hrziechowe bnda ohlasseni wssy krzestianske rzyssy a bnda rozehnani a shla-
zeni takmierz wssyczkni znich, ze ledwa siedma czastka znostane gych. Bnda
take zbiti a spaleni a drazy zmorzeni a tak bade se przyblüowati den sadny.
A krzestianska wiera bade wehni vmdlena a skrze to welmi smnczena a gedwa
bade miesto knieze czlowieka mlawiti hodno a ktomn gest gyz dobrze po-
dobno. Sybilla powiediela: Gesstie sem wiece widiela, co se stati ma, kdyz
gyne wsse skryto bade. Tehdy Antikryst narozen bade. Kkral opiet wece:
Sybilla, prosym tebe pro dobre towarzystwie, ne przykrywag tagemstwie, po-
wiez, kdy ta zla leta hladna a sskodliwa lidem minn A gesstieli se kdy stnha
to gest zialosti pomina. Sybilla wecze: kdyz se lide kboha lepssyti bnda,
Tehdy panbaoh nebesky ytiessy swaoy lid krzestianBky y wywoli sobie ged-
noho krale A tomy bade firydrych gmeno. Ten shromazdi pozemiech lida
mnoho lurzestianskeho A snimi gezdie rozmno^owati bade krzestianska wieni
y dobade hroba bozieho A ta stogy geden ström przed Gerazalemem welmi
weliky A ten nema listie, ale tak stogy holy. A tak ma hol stati az prawie do
toho czasn, az cziesarz frydrych przygede a polozy se vtoho stroma anatom
stroma sstit swaoy powiesy Tak yhned list ponese a zase dobra leta naatann
a krzestane zase wzhnora powstann, ale wiera zydowska wsseczka zahyne
agych nadiege wsseczka pomine a nwierzle wpana krysta zzydaow yzpoha-
naow mnoho wiece a kazdy maoze mi dobrze wierzjrti toho, ie to panbaoh
dopastiti raczy naprawe ynaneprawe spola. Jetzt setzt die neae Frage Salo-
mons (Z. 213) ein. Es verdient Anerkennang, daß der weißrassische Text
wirklich recht saaber and sorgfältig übersetzt ist, mütemy wird z. B. doreh
uczüelnyj wiedergegeben n. dgL
Doch kehre ich von dieser Abschweifang noch einmal zn Szczarat za-
rUck. Wir haben seine historischen and philologischen Fehlgriffe bereits be-
wandert and geben noch einen logischen znm besten. Den Einwarf, daß den
vielen polnischen Texten der Bognrodzica kein einziger rassischer gegenüber-
Bogmodzica, angez. von Brückner. 185
stehe, beantwortet er so : die Weißnusen brauchten keine Texte, weU sie die
BogoTodzica auswendig kannten, weil sie bei ihnen populär war (gerade po-
puläre Sachen kommen ja in Handschriften !), den Polen war die Bognrodzica
exotisch (das sind nicht meine, sondern Szczorats Worte), sie mußten sie
sich daher so oft abschreiben. So setzte sich Szczurat selbst die Narrenkappe
auf und wir belassen sie ihm. Beinahe hätte ich vergessen, daß er seinem
>konBtruktiven« Teil einen »kritischen« vorausgeschickt hat: nach den Pro-
ben, wie er mit Logik und Tatsachen umspringt, wäre es unverzeihlich, ihn
ernst zu nehmen.
Berlin, 27. 3. 1907. A. Brückner.
Slovenskä reS ajej miesto v rodine slovansk^ch Jazykov (Die slova-
kisehe Sprache und ihr Platz in der slavischen Sprachenfamilie).
Pr&ca dra SamaCzambela. I. oddelenie: Osnovy a inj materidl
reiavj (Sprachproben und anderes sprachliche Material). (1. 6i-
astka: Vjchodnoalovemki ndreSie,) (1. Teil: Der ostslovakische
Dialekt.) NÄkladom vlastn^m. Y Tur6ianskom Sv. Martina r. 1906.
624 S. in 8».
Nach den Andeutungen auf dem Titel- und Umschlagsblatte ist der vor-
liegende, stattliche Band der Anfang eines groß angelegten, systematischen
Werkes, in welchem der Verfasser zu bieten verspricht: I. Sprachproben
(wohl aus dem ganzen Gebiet der slovakischen Sprache in Ungarn). II. Gram-
matische und ni. lexikalische Analyse derselben. IV. Eine eingehende Er-
örterung über die Frage, welchen Platz die slovakische Sprache in der slavi-
schen Sprachenfamilie einnimmt Der eben erschienene Band ist nur der erste
Teil der ersten Abteilung. Nach dem angedeuteten Plane bringt er Sprach-
proben aus dem ostslovakischen Gebiet, das ist aus den nordöstlichen unga-
rischen Gespann8chaften(Eomitaten): Zips (Spi6, Szepes), Sarüü (Siros), Abauj-
Toma, Zemplin (Zempl^n) und Ung (S. 209—476). Diese reichhaltigen, pro-
saischen Sprachproben (zumeist Märchen und sonstige volkstümliche Er-
sahlungen) bilden den Kern des Buches. Doch bringt auch die ausführliche
Einleitung, welche unter dem Titel »Allgemeine Kenntnisse« vorausgeschickt
wird, beachtenswerte Mitteilungen und Erörterungen. Die topographischen
und historischen Darlegungen sind allerdings nur Zitate aus der einschlägigen
Literatur; angesichts des Umstandes, daß diese mannigfachen Beitiäge nicht
leicht zugänglich smd, darf auch diese Zusammenstellung einen gewissen
Wert in Anspruch nehmen. Freilich hätte der Verfasser an den zitierten, oft
wenig begründeten Ansichten mehr Kritik üben sollen. Was z. B. J.Z&borsk^
Ober den Ursprung der ostslovakischen Mundart dachte und schrieb, darf
denn doch nicht stillschweigend hingenommen und wiederholt werden. Die
Eigebnisse der historischen Forschung sind überhaupt nur für die Zipser
Landschaft etwas reichlicher. Die hauptsächlichste Quelle des Verfassers ist
hier Josef Hradszky, welcher mehrere wertvolle Beiträge zur inneren Ge-
1 36 Kritischer Anzeiger.
schichte der Zips lieferte (1885, 1887, 1895) nnd die Meinung vertrat, daß die
Zipser Landschaft ursprünglich, das heißt vor der Ankunft der Magyaren,
kirchlich nnd politisch zu Polen gehörte nnd daß dies noch zn Ende des XIII.
Jahrh. von einem Teile der Zips titelte. Über die lUtere Geschichte der wei-
teren östlichen Gespannschaft;en Sarid, Zemplin u.s.w., liegen Shnliche Ar-
beiten nicht vor. Dieser Mangel an verläßlichen historischen Nachrichten ist
deshalb ftUilbar, weil die gegenwärtigen ethnographischen Verhältnisse sehr
mannigfach sind. Doch haben wir bereits auf dem Boden der Zips alle £le-
mente, ans denen sich die Bevölkerung des ostslovakischen Gebietes zusam-
mensetzt: Slovaken, Polen, Ruthenen, Deutsche und (in neuerer Zeit) auch
Magyaren. Es ist augenscheinlich, daß hier im Laufe der Jahrhunderte eine
vielfache Kolonisation stattgefunden hat. Eine genaue und aktenmäßig be-
glaubigte Geschichte dieser Kolonisation wäre höchst wünschenswert und
böte auch fttr die Erkenntnis der dialektischen Entwicklung wichtige An-
haltspunkte. Indessen sind schon die bisher gewonnenen Resultate wichtig
und können als Basis für das weitere Ostgebiet genommen werden. Bei einer
kurzen Obersicht dürfte es sich empfehlen, bei dem jüngsten Elemente den
Anfang zu machen. Und das sind wohl die Magyaren. Gegenwärtig gibt es
auf dem ganzen ostslovakischen Sprachgebiet keine magyarische Ortschaft.
Der Verfasser nimmt zwar an, daß es im XIIL Jahrh. in der Zips, im Sarid
und auch Abauj eine magyarische Einwohnerschaft gab; es ist jedoch zweifel-
haft, ob Namen von Amtspersonen und Ortschaften, welche in öffentlichen
Urkunden (aus dem Xin. Jahrh.) vorkommen, geeignet sind, das Vorhanden-
sein einer kompakteren magyarischen Einwohnerschaft zu beweisen. Ich
halte diese Beweise ftlr unzureichend. Höchst wichtig war die deutsche Kolo-
nisation, die von den ungarischen Königen im XIL Jahrh. eingeleitet und dann
besonders im XUI. Jahrh. gefördert wurde. Die Nachkommen dieser deut-
schen Kolonisten haben sich bis auf den heutigen Tag erhalten. Doch läßt
sich nicht behaupten, daß ihre Sprache irgend einen Einfluß auf die einheimi-
schen slavischen Dialekte ausgeübt hat Von den Slaven der Zips scheinen
die Kleinrussen die spätesten Ansiedler zu sein. Aus den sorgfältigen Be-
obachtungen St MiMks ergibt sich, daß keine der kleinrussischen Gemeinden
vor dem XIV. Jahrh. erwähnt wird. Und da diese Gemeinden noch heutzu-
tage in den unzugänglichsten und unfruchtbarsten Gegenden der Zips liegen,
so ist wohl an ihrer späteren Entstehung nicht zu zweifeln. Und ähnlich mag
es auch in den südlichen und westlichen Teilen des äarii&er Komitats der
Fall sein. Im Norden und Nordosten des äari&er und Zempliner Komitats be-
ginnt jedoch schon eine kompakte kleinrussische Bevölkemngsschichte, die
mit Galizien zusammenhängt. Hier handelt es sich um eine Überflutung von
Norden aus, Über deren Anfang die Meinungen geteilt sind. Doch beschäftigt
diese Frage den Verfosser nur nebenher. Viel mehr Aufmerksamkeit widmet
er den beiden andern slavischen Volkselementen, dem polnischen und slova-
kischen, welche namentlich auf dem Boden der Zips als die ältesten Bewohner
anzusehen sind. In bezug auf ihr gegenseitiges Verhältnis stellt der Verfasser
den Satz auf, daß die ursprünglichen slavischen Bewohner des Gebietes bis
zum Flusse Topla im äari&er Komitat — und das ist das Gebiet seines reinen
Czambel, Die slovakiBche Sprache, angez. von Pastrnek. 1 37
ostBloYakiflchen Dialektes (üzemie Tychodo-sloyeiuik^ho nireftia samosyojho)
— Polen waren (29). Danach müßte man annehmen, daß die heutigen Sloya-
ken der Komitate Zips, äarlB nnd Abai^-Toma eigentlich Blovakisierte Polen
seien nnd daß auf diese Weise ihr eigenartiger Dialekt entstanden sei. Doch
wie ist 68 möglich, eine so umfangreiche Slovakisierung — es wäre dies der
größte Teil der ostslovakischen Gemeinden nnd Ortschaften, deren Zahl der
Verfasser mit 679 nnd einer Einwohnerschaft von 387.000 angibt (56) — ohne
eine starke sloyakische Stammbevölkernng, durch den bloßen Einfluß von
oben (29) anzunehmen? Und dabei nimmt der Verf. an, daß sich die Sprache
dieser östlichen Slovaken ganz abgesondert von ihren westlichen Stammes-
genossen und durchaus selbständig entwickelt hat (50). Solche nnd ähnliche
Sätze sind eben nur Reflexe der wohlbekannten Tendenzen der ungarischen
Regierung, welche diese östlichen Slovaken stets als etwas besonderes an-
zusehen pflegt und unter ihnen Schul- und Volksbücher, ja auch Zeitungen in
ihrem Dialekte verbreiten läßt. Im Dienste der ungarischen Regierung steht
bekanntlich auch der Verf. und seine der slovakischen Sprache gewidmeten
Werke haben auch die Aufgabe, den Regierungstendenzen eine Art wissen-
schaftlichen Mantel umzuhängen. Von diesem Standpunkte sind die eben an-
geführten Sätze und viele andere, z. B. die auf S. 107 — 109 ausgesprochenen,
zu beurteilen. Von solchen Nebentendenzen, welche die sonst so verdienst-
vollen Leistungen des Verf. verunzieren, wollen wir absehen und uns wieder
demjenigen zuwenden, was als wertvoller Beitrag anzusehen ist. Das ist ins-
besondere die genaue Feststellung und namentliche Anführung der Ortschaf-
ten, welche von den einzelnen Volksstämmen bewohnt werden. Der Wert
dieser neuen, zumeist an Ort und Stelle durchgeführten Feststellung erhellt
am besten daraus, daß Prof. Niederle seine im J. 19o3 in Prag herausgegebene
»Karodopisn& mapa uhersk;^ch SlovÄku« darnach berichtigt und umgearbeitet
hat (Neue Aufl., Prag 19üß.) Lehrreich ist feiner, was der Verf. über den Ein-
fluß der Ejrche auf die Sprache der Slovaken anführt Natürlich ist es überall
die Hagyarisation, die mit allen Mitteln des Staates und der kirchlichen Hie-
rarchie durchgeführt wird. Am schlimmsten ergeht es dem kleinen Häuflein
der slovakischen Ealvinisten (0 Gemeinden mit mehr als 500/o, 24 mit wenig-
stens 200/o slovakischen Einwohnern], denen die kirchliche Obrigkeit in Un-
garn überhaupt keine Gesangsbücher in ihrer Sprache mehr herausgibt Der
Verf. findet keine Worte der Mißbilligung über dieses Vorgehen, sondern
trGstet sich damit, daß die slovakischen Kalviner noch nicht so weit seien, wo
sie ihre kirchliche Obrigkeit haben mOchte, d. h. daß sie noch lange nicht
magyarisiert seien. Nicht weniger beklagenswert sind die Verhältnisse in den
andern kirchlichen Genossenschaften. Lutherische Gemeinden mit slovaki-
seher Majorität gibt es 42, mit wenigstens 200/o slov. Bevölkerung 61. Über
die kirchliche Sprache derselben sagt der Verf.: »In welchen Kirchen beim
Gottesdienste die slavische Sprache eingeführt war und noch ist, dort bedient
man sich böhmischer Kirchenbücher. Von den Kanzeln herab predigt man in
einem regeUosen Sprachgemisch, welches sich nach dem Geschmack, der
Gelehrsamkeit und den sprachlichen Kenntnissen des Predigers richtete (138).
Am sudilreichsten sind auf dem ostslovakischen Gebiet die Römisch-Katholl-
138 Kritischer Anzeiger.
sehen; in 429 Gemeinden bilden sie die Majorit&t, in 176 Gemeinden wenig-
stens 200/o der BevOlkening. In welchem Umfange von den Behörden die
Volkssprache zugelassen wird, beschreibt der Verf. nicht näher. Doch ist es
interessant, was in Beziehung anf die Verbreitung der böhmischen Sprache In
der Kirche hervorgehoben wird: »Daß sich die Lutherischen in ihren Kirchen
der böhm. Sprache bedienen, das weiß jeder; daß die Sprache der rOm.-kath.
Predigten, obwohl äußerst verdorben, auf der bOhm. Sprache begründet ist,
auch das kann ein jeder wissen ; kaum jemand weiß jedoch, daß auch die
Kalvinisten, obgleich sie in ihren Büchern ihre eigene Sprache (ihren eigenen
ostslovakischen Dialekt) haben, sich an die böhm. Sprache anlehnen« (143).
Endlich gibt es bekanntlich unter den Ostlichen Slovaken eine nicht unbe-
trächtliche Zahl von griechisch-katholischen Bekennem (Unierten). Sie
leben (nach der Zählung des Verf) in 215 Gemeinden, in 91 Gemeinden bil-
den sie die Mehrheit der Bevölkerung, in 124 Gemeinden wenigstens
2(K>/o. Beim Gottesdienste bedienen sie sich der kirchenslavischen Sprache
(natfirUch in russischer Redaktion). Diese Slovaken sind wohl insgesamt slo-
vakisierte Russen (EJeinrussen). Ihre Slovakisierung ist das Ergebnis eines
langsamen Assimilierungsprozesses. Schon vor ungefähr 150 Jahren muß es
zahlreiche, vollständig slovakisierte russische Gemeinden gegeben haben.
Dies beweisen die um das Jahr 1744 gegründeten südungarischen Kolonien
Kerestür und Kocura (im Komitate BAcs-Bodrog). Die Bewohner dieser Ort-
schaften geben sich noch gegenwärtig für Rusnaken (sg. nom. Rusn^, pl.
Rusnici) aus und gehören zur griech.-kath. (unierten) Kirche; ihre Volks-
sprache ist jedoch das reine Ostslovakisch, wie es etwa im Zempliner Komitat
gesprochen wird, ohne merkliche Spuren des Russischen. (Vgl. darüber mei-
nen letzten Aufsatz : Rusini jazyka slovensk^ho. 0116. 1907. Ota. otthcki» mn»
»GöopHHKa no cjKaBAHOB^A.« n.) Außer diesen Nachrichten und Erörterungen
über territoriale Verbreitung und Religionsverhältnisse der einzelnen Volks-
elemente finden wir in der ausführlichen Einleitung mannigfache Belehrung
über die Sprache selbst, über ihre Verwendung in der Literatur (das älteste
Beispiel bieten zwei kalvinische Kirchenbücher aus dem Jahre 1752) und über
die bisher verüfFentlichten Dialektproben und anderweitige Beiträge. Bei der
grammatischen Analyse der ostslovakischen Sprache unterläßt es der Verf.,
seinem >anti6echi8chen< Standpunkt getreu, nicht, ausführlich mit mir zu
polemisieren und versucht insbesondere die Gründe zu widerlegen, welche ich
gegen seine »südslavische Theorie« vorp:ebracht hatte. (Vgl. Bd. XXVI, 290 f.
dieser Zeitschr.) Es würde den Rahmen dieser Anzeige weit tiberschreiten,
wollte ich auf alle Einwendungen des Verf., die er gegen mich vorbringt, Ant-
wort geben. Es hätte vorläufig auch keinen Zweck. Den Verf. von seiner
»südslavischen Theorie« abzubringen, scheint ein eities Bemühen zu sein. In
der Wissenschaft fand die Theorie des Verf, soviel ich sehe, nirgends Billi-
gung, sondern wurde einmütig zurückgewiesen. Dagegen wird allgemein zu-
gegeben, und auch ich habe es bei jeder Gelegenheit getan, daß in den slova-
kischen Dialekten hOchst beachtenswerte Anklänge an südslavische Laut- und
Formentwicklung zu finden seien, was natürlich nicht anders erklärt werden
kann, als durch die Annahme eines ehemaligen territorialen und sprachlichen
Zusammenhanges.
Csuimbel, Die sloyakische Sprache, anges. von Pastmek. 139
£s folgt nun der wichtigBte Teil des Baches, die yom Verfasser im Laufe
der letzten Jahre (1892—1905) an Ort und Stelle gemachten Aofzeichnimgen
TOB dialektischen Sprachproben. Der Verf. findet auf dem ostslovakischen
Gebiet folgende Difdekte : 1 . Den reinen ostslovakischen Dialekt mit Proben
aus den Komitaten: Zips (Spid), äaris und Abauj (209—357); 2. Den gemisch-
ten ostsloTakischen Dialekt mit zwei Unterabteilungen : a) der Mundart der
Konütate Zemplin und Ung, mit Proben aus diesen beiden Komitaten (357—
427); b) der Mondart von Lu6iyna und Umgebung, in dem sttdwestl. Teile des
Zipeer Komitates (427—449). Dazu fügt er Proben: a) der poln. Dialekte in der
Zips (449—459), b) der kleinruss. Dialekte in der Zips und im äariä (459—476).
Dann folgt ein Idiotikon des gesamten Ostslovakischen, zumeist auf Grund
der eben angeführten Proben, zum Teil jedoch auch aus anderen Ortschaften
and YerOffentliohungen, welche bis Ende 1905 erschienen waren (477—624).
Ober die Art und Weise, wie diese dialektischen Proben und lexikalischen
Belege aufgezeichnet wurden und wie sie in dem vorliegenden Buche ange-
fahrt werden, ließen sich mannigfache Bemerkungen machen. Doch wollen
wir darüber mit dem Verf. nicht rechten, vielmehr uns über die Reichhaltig-
keit des gebotenen Materials freuen und dabei stets annehmen, daß in der
Tat alles anf das Gewissenhafteste und ohne jede Nebenabsicht aus dem
Munde des Volkes entnommen und aufgezeichnet wurde. £s wird Aufgabe
der weiteren Forschung sein, das gebotene Material zu verwerten und in das
bisher gewonnene Bild einzufügen. Bei dieser Gelegenheit mOchte ich auf
zwei Momente hinweisen. Zunächst darauf, daß die Proben zumeist keinen
einheitlichen Dialekt bieten, sondern vielfach unter dem Einfluß der slovaki-
Bchen Schriftsprache (der zentralen ungarisch-slovakischen Dialekte) stehen.
Man liest z. B. gleich in der ersten Probe aus G&novce in der westlichen Zips:
zbujnik, zbu^ici u,B.w.f femei pufäze, daneben jedoch iko^, aM{209 — 210); ähn-
lieh in der Probe aus Smiiany (in demselben Komitate, unweit von Igl<S —
Novives): moj chiop, maj brat neben muj brat, kuny ikura (221 — 225). Der
entsprechende Vokal ist hier u, die Verkürzung der ehemaligen Länge, die
ans 6 entstanden ist. Formen wie moj, koh^ stoi dürften hier auf dem Einfluß
benachbarter Dialekte beruhen. In derselben Probe von Smiiany aus der Zips
(221 — 225) lesen wir: 1. sg. «om, podz von, zodzei zo aebe, zodeküm, prUoi, instr.
hUdom, also o als Reflex des %, daneben jedoch ode mtie, ze miie, se mnu, veapo-
lek, odebraf, odeHnaNy ord, hager, also e ftir denselben Vokal. Ich zweifle
nicht daran, daß o hier durch den Einfluß der slovakisohen Schriftsprache
eingedrungen ist Oder nehmen wir die erste Probe aus Vel'k]^ äarift, welche
der Verf im J. 1892 auszeichnet und im J. 1904 sorgfältig mit demselben
Gewährsmann, seinem besten Erzähler, durchgesehen und berichtigt hatte
(253—260). Abermals finden wir Doppelformen : sg. instr. za kraSkem, s ptii'
cem, za muiem, majstrem, a proaem neben zoa proaem u.s.w. und daneben prad
prahom, a trupom, hamaäom u.s.w. Die Formen auf -om halte ich für schrift-
mäßig. Ähnlich bei einer anderen charakteristischen Form, dem Partizipium
vai-h. Neben den volkstümlichen Belegen: prinia, ^aukrad, zfik, nenwh lesen
wir mohol, i/iemohol, kradol, die Formen der slovakisohen Schriftapraohe.
Biese Beispiele mOgen genügen, was den ersten Punkt anbelangt. Der zweite
140 Kritiacher Anzeiger.
Punkt betrifft die vom Verf. aufgestellte Scheidung des rmnen und gemischten
Dialekts. Auf S. 123 werden einige unterscheidende Merkmale aufgezählt,
darunter insbesondere die Form der 1. sg. Der sogenannte gemischte Dialekt
unterscheide sich von dem reinen hauptsächlich darin, daß neben den eigent-
lich slovakischen, von den intelligenteren, beleseneren Leuten gebrauchten
Formen : ja idzemy pijem, M idu^ piju u.s.w. auch die russischen Formen ge-
läufig seien : Ja idu, pifu, oAi idutj pijut In den Proben finde ich diese mss.
Formen nicht. So lese ich in der Probe aus Se^ovce im Zemplin : ja poilem,
ukaiem^ napÜem U.S.W., femer naj tein pridu^ oüi maju, iiju u.s w. (357 — 365).
Und so lauten diese Formen auch in den übrigen Proben aus dem Zempliner
Komitat (365—384). Erst in den Sprachproben aus dem äußersten Nordosten,
welche nach den Worten des Verf. einen noch nicht einheitlich festgestellten
Dialekt bieten (123), lese ich: ja bndu iz Udavsk^ho 384), ja uiraqfu (! z Papina
388), ja üehudu (Z Dluh6ho na Cinoche 389), aber noch immer 3. pl. daoaju
(Z Papina 386). Die Form auf -t finde ich (allerdings bei einer nur flüchtigen
Durchsicht) in den Zempliner Proben gar nicht. Man sieht, das wichtigste
Unterscheidungsmerkmid des Verf. läßt sich aus seinen Zempliner Proben
nicht belegen. Erst in den Sprachproben aus dem am weitesten nach Osten
vorgeschobenen Unger Komitat, aus der unmittelbaren Nachbarschaft des
kleinmssischen Elementes, finde ich beide Formen nebeneinander: ja hudu^
idu (391), verbujUy ptffdUf muht (392), htUoru (393), duh/ffu, prohttfu, chcu (394),
neben spafiniy ^emuiim (394), ^etrohim (396), ^eznam, ^ebofim de (397), vei^em,
znamj popriitram de (398), vidztm (405), pujdzem (407) U.S.W., während die 3.plur.
auch in diesen Proben stets ohne -t erscheint Wenn ich richtig beobachtet
habe, kommt in diesen Sprachproben nur einmal die Form iliebudut vor, u. zw.
in der Probe aus Koroml'a (an der Ostgrenze des slovakischen Gebietes), neben
doSitaju (426). Man sieht, daß die angeführten Unterscheidungsmerkmale des
Verf. den Proben wenig entsprechen. Man hat es überhaupt in dem vorliegen-
den Werke mit einer Fülle von dialektischem Material zu tun, das erst ein-
gehend untersucht und verwertet werden muß. Auch darf man dem Verf. den
Vorwurf nicht ersparen, daß er viel zu wenig beigetragen hat, die Benützung
des dargebotenen sprachlichen Materials zu erleichtem. Fr, Pastmek.
Dr. Jos. Ear&sek : Slavische Literatargeschichte, I. und II. Teil.
SammluDg Göschen Nr. 277/78.*)
I. Die slovenische Literatur.
Die slovenische Literaturgeschichte kommt in ähnlichen Sammlungen
wie die Kar&seksche gewöhnlich zu kurz ; der Grund ist hauptsächlich der,
*) Da die zwei kleinen Bändchen der »slavischen Literaturgeschichte«
Dr. KarAseks voraussichtlich viele Leser finden und hoffentlich bald eine neue
Auflage erleben werden, so wollte ich dem Verfasser, dessen Verdienste bei
dieser Arbeit nicht zu unterschätzen sind, die nächste Aufgabe, nämlich die
Kariaek, Slav. Ldtentargetchichte, anges. yon Grafenaner a. Prohaska. 141
dafi die Veiüafiaer selbst die Literatur nicht kennen nnd daher anch mit den
Ihuntellnngen über die Geschichte der Literator nicht yiel anzufangen wissen.
In herrorragendem Maße besitzt diese Schattenseite das vorliegende Werk-
chen Dr. Josef Karäseks.
Wo num knapp sein maß, soll man desto mehr phrasenlos sein. Vom
Verfasser kann man das, insofern es die slovenische Literatur in den beiden
Blndchen anbelangt, leider nicht sagen. Gleich nach der Periode der Befor-
mttion nnd Gegenreformation setzen die Fehler ein , es wimmelt dann von
GemeinplStzen nnd Unrichtigkeiten.
In der allgemeinen Übersicht (I. 150 f.) heißt es von der slav. Literatur:
Die Schriftsteller der 60er bis 80er Jahre lenkten ihre Aufmerksamkeit zum
größten Teile dem Landvolke zu, welches den HauptbestandteO des Volkes
soBmicht, denn die Slovenen besitzen nicht einmal nationale Städtchen 8hn-
lieh wie die Lausitzer »Wenden«. Janeii6s »Glasnik«, Stritars »Zvon«, >Ljn-
bijaaski Zvon« waren natürlich zum größten Teile fHn Landvolk bestimmt!
Und keine nationalen Städtchen ! Als ob Laibach keine slovenisohe Stadt
vire! Gleich weiter heißt es (1. 151): »Die Schriftsteller haben deutsche Bil-
dimg genossen, die meisten Werke haben belehrenden Zweck, besonders
wiche, deren Autoren Geistliche sind. Eine Zeitlang bildete Wien ihren lite-
nriichen Hittelpunkt, nun wird auch vieles in Qön gedruckt«. Es ist
geradezu großartig, was in diesen paar Zeilen an Nichtwissen geleistet ist
Du riehHeranswinden mit Ausdrücken wie »zum größten Teile«, am meisten«,
»bcBonders«, »auch« ist ein beliebtes Hilfsmittel von Gymnasiasten, wenn sie
Que Lektion nicht gelernt haben, also auch fttr einen Schriftsteller nicht von
£hre. Fttr die Komplimente werden sich dem Verfasser Stritar mit seinen
ehemaligen Genossen und Mitarbeitern und die modernen Erzähler und Dich-
ter sehOnstens bedanken. Das literarische Zentrum ist auch um Gottes willen
rieht GOrz, wo allerdings manches gedruckt wird, sondern Laibach, wo die
»Slovenska M atica« ihren Sitz hat, wo die wichtigsten Veriagsbuchhandlungen
neh befinden, und die belletristischen Zeitschriften : »Ljubljanski Zvon«, »Dom
m Svet« und »Slovan« erscheinen, die, nebenbei gesagt, bei Karisek nirgends
Herstellnng einer neuen Auflage, dadurch wesentlich erleichtem, daß über
jeden Bestandteil der etwas unnatürlich in eine »slavische Literaturgeschichte«
nuammengepreßten slavischen Einzelliteraturen besonders referiert werden
loUte, mit möglichst sachlicher Berichtigung der Ungenauigkeiten — ohne
so viel subjektive Beimischung von Lob oder Tadel. Merkwürdig, wie schwer
es ist, dieses Ziel zu erreichen. Das rührt eben von der geringen Kenntnis
der slavischen Literaturen unter den Slaven selbst her. Die meisten Literatur-
historiker ziehen es vor, auf den kleinen Isolierschemeln ihrer eigenen Litera^
toren, zuweilen selbst mit so enger Begrenzung, daß man z. B. serbisch und
kroatisch auseinanderhält, zu sitzen, höchstens mit einigem Zusätze der Kennt-
Bine über die eine oder andere westeuropäische Weltliteratur. Daher auch
die Empfindsamkeit in der Wertsehätzung, Berufung auf fremde Urteile u. dgl.
Ich gebe zunächst zwei Beiträge: 1) über den slovenischen, 2) über den
serbokroatischen Teil. V- J*
142 EJritischer Anzeiger.
erwähnt sind. — Vodnik darf nicht als bloßer Versemacher (11. 50} bezeichnet
werden, der Abc-krieg wurde nicht durch das »philologisch Richtigstellen«
der slovenischen Sprache durch Kopitar heraufbeschworen (II. 51}. Was von
Pre&eren ebenda gesagt wird, ist ebenso sehr unzulänglich i). ünYerständlich
ist es, wenn es (n.51) heißt, daß die Dichtung vor PreSeren keinen Sinn für
fremde Einflüsse hatte, ein inhaltsloser Gemeinplatz, wenn behauptet wird
(n. 53), daß die Slovenen auch heute noch in der Dichtung von Freieren aus-
gehen und immer wieder zu ihm zurückkehren. — Ganz unrichtig ist es, wenn
Levstik, Jur6ij^, Kersnik und TavÖar in den Kreis Janeii&s eingereiht werden
(IL 67 f.); mangelhaft, daß der markante Dichter Levstik nur als ELritiker und
Verfasser von Kinderliedem und der Erzählung >Martin Erpan« erwähnt wird
(ebenda), da er ja als Dichter bedeutend über Stritar steht; unverständlich ist
es, warum dem bedeutendsten Erzähler Kersnik nur eine Zeile, dem unbedeu-
tenderen Tav6ar sechsmal mehr gewidmet worden ist (IL 68). Was die kleri-
kale Unduldsamkeit, Beschränktheit und Verfolgung (11.69), die übrigens dick
aufgetragen ist, in einer knappen Literaturgeschichtsskizze zu tun hat, wird
manchem ein Bätsei sein. — Etwas zu pauschal ist die Behauptung (II. 70} :
»Die slovenische Geistlichkeit nimmt bedeutenden Anteil an der Literatur und
betätigt sich in derselben durch Erzählungen, die meist religiösen, be-
lehrenden Inhalt, aber keinen Anspruch auf künstlerischen Wert haben,
da sie für die Landbevölkerung bestimmt sind«. Interessant ist
übrigens hier auch die Begründung. Ähnliche Behauptungen liebt überhaupt
der Verfasser, denn wir finden sie noch öfters (1. 151, IL 143). Unrichtig ist es
auch, wenn gesagt wird, daß in wissenschaftlicher Hinsicht außer ^trekeljs
Volksliedersammlung nicht viel gearbeitet werden konnte. Von den Mono-
graphien von Lampe, Apüi, Vrhovec, Kos u.s.w., namentlich des letzteren
»Gfadivo za zgodovino Slovenoev« hat der Verfasser wahrscheinlich nichts
gehört — In der slov. Moderne ist, ohneUngenauigkeiten zu erwähnen, Grove-
kar viel zu hoch eingeschätzt, Kette und Alexandrov sind kaum erwähnt,
Medved und MeSko, neben Oankar und Zupan6i6, zwei der bedeutendsten
dichterischen Persönlichkeiten, ganz übergangen worden.
Was also den slovenischen Teil des Werkchens anbelangt, so ist er
mindestens stiefmütterlich behandelt; da der Verfasser diesen Stoff offenbar
nicht beherrscht, hätte er sich an jemanden wenden sollen, der ihm bei der
Arbeit geholfen hätte. Ivan Grafenauer,
^ In bezug auf die Bemerkung Karaseks, Pre&eren betreffend, wo Fre-
ieren als Dichter zweiten Banges unter den slavischen Dichtem neben Prera-
doviö, Zeilef bezeichnet wird, genügt es, wenn man erwähnt, daß russische
Kunstrichter, die Preieren genauer kennen als vom Hörensagen, ihn als Dich-
ter ersten Banges bezeichnen, und daß Prof Ant. E. Schönbach in seinem be-
kannten Buche »Über Lesen und Bildung€ Preöeren als Klassiker der Welt-
literatur in die Bücherlisten aufgenommen hat (s. o. c. S. 383), wo von slavi-
schen Dichtem nur noch Pu&kin, Lermontov, Nekrasov und Mickiewicz
aufgenommen sind.
Karisek, Sl&v. Literaturgeschichte, angez. von Grafenauer u. Prohaska. 143
n. Die serbo-kroatische Literatur.
Junge slavische Stämme mit einerseits byzantinisch-griechischer nnd
andererseits dentscher und romanischer importierter Enltur, ihr Tempera-
ment: heißes südliches Blut, der Geschmack etwas orientalisch exotisch. Auf
diese plausiblen Gmndzttge läuft auch die Darstellung Earäseks hinaus. —
Von einer hohen Warte werden da die Dinge beurteilt Die serbokroatische
Uteiatar bietet keine Größen von internationaler Bedeutung und daher fand
man es für gut, ihr gegenüber jenes Wohlwollen walten zu lassen, das der
Überlegene Unmündigen angedeihen läßt Der Verf. ergreift oft die Gelegen-
heit hierzu: der Byzantinismus der serbischen mittelalterlichen Literatur
n. a. deigl. entgeht ihm nicht. Und wenn er gar auf die ragusanisch-dalmati-
nische Benaissance zu sprechen kommt, so läßt er ein strenges Urteil hören:
»aber selbst in der Blütezeit fehlt es dieser Literatur an wahren Talenten«
(L 89) ! Diese Skepsis bleibt auch angesichts der neueren Literatur aufrecht
und findet ihren Ausdruck in Wendungen indirekter Art, z. B. : >so, daß er
bis heute als ihr größter Dichter gilt« (II. 61], oder: »auf diesen blickt
das jüngere Geschlecht« (11. 169). In dergleichen dicitur- Konstruk-
tionen liegt aber immer etwas Unschönes, denn leicht gewinnt man den Ein-
druck, daß zwischen dem Verf. und dem Gegenstände nicht das beste Ein-
vernehmen herrscht
Ohne ihn sehr übel zu nehmen, will ich auch den böhmischen Standpunkt
des Verfassers verraten. In einem kleinen Eompendium über die serbokroa-
tische Literatur können die böhmischen Einflüsse kaum eine so große Rolle
spielen, wie es hier geschieht. Oft handelt es sich dabei bloß um einen mil-
deren Aasdruck oder eine stilistische Überflüssigkeit [So bei Gaj — Schüler
KoUirs, oder bei St Vraz : man verwechsle ihn nicht mit einem gleichlauten-
den iechischen Pseudonym !]
Da in verbesserten Auflagen Gesinnung und Auffassung selten wesent-
lich anders werden, wenden wir uns gleich zu sachlichen Einzelheiten.
Für das Kirehenslavische (I. § 2) könnte der Ausdruck theoretisch -
künstliche Sprache etwas irreführend werden, denn man könnte dabei auf
den Gedanken verfallen, daß diese Sprache gemacht wurde, und nicht, wie
tatsächlich der Fall, auf einem slavischen Dialekt beruhe. Geeigneter wäre:
lexikalisohe Mischsprache. — In der altserbischen Literatur bespricht der
Verf. das Verhältnis von Serbisch und Kirchenslavisch, so daß es schließlich
unklar bleibt, wie der heil. Sava geschrieben hat — Dem Bogomiüsmus hat
der Verf. ein hübsches Kapitel gewidmet (§ 5), nur vermisse ich in der Cha-
rakteristik dieser religiösen Bewegung den Grundzug, er besteht in der Oppo-
sition gegenüber dem byzantinischen Formalismus, in der Betonung des werk-
tätigen Herzens, also in einem gewissen Pietismus. — Gelegentlich der alt-
kroatisehen Literatur wird einmal »allgemeine Sprache« gesagt, worunter aber
Volkssprache verstanden wird. — Die folgenden Partien sind etwas .gewalt-
sam zasanunengedrängt: besonders der große Unterschied zwischen Vitezo-
vie und Ka£iö wird dadurch verwischt Die Mannigfaltigkeit der älteren
serbokroatischen Kultur hätte gerade an solchen Erscheinungen mit wenigen
144 Kritischer Anzeiger.
Schlagworten festgehalten werden können. — Das Kapitel über die ragusa-
nische Literator bedarf wohl am meisten einer Umarbeitang. Vor allem ist
jene abfällige Kritik über sie za nnterdrttcken, denn sie rührt ans einer kroa-
tischen Quelle her, die den Illyriem gegenüber in ein anderes Extrem nm-
schlng und überall nnr Stückarbeit und Imitation sehen wollte. Heute denkt
man über die Bagusaner bereits günstiger. Die akademischen Abhandlungen
Markovic' und die Autorität fremder Forscher wie Jensen, Creuzenach, Petrov-
skij verhalfen der ragusanischen Dichtung zu ihrem Rechte. Einer der besten
Dramatiker des XVL Jahrh. befindet sich unter den ragusanischen Schrift-
stellern, es ist dies Marin Driid. Der Verf. muß ihn übersehen haben, denn er
vermißt in der ragusanischen Dichtung die Prosa — und solche schrieb eben
M. Driiö. — Und ein anderer, sogar bedeutender Dichter, I. Gjorgjid, blieb
ebenfalls unerwähnt; er ist der reinste Vertreter des jesuitischen Barock in
der Literatur und als solcher gehört er vor ein europäisches Publikum i). —
Auch die »slavonischen« Schriftsteller [in der ehem. österr. Militärgrenze]
sind für einen deutschen Leser interessant, weil sie große europäische Strö-
mungen und zwar gerade durch deutsche Vermittlung im Kleinen aufweisen.
Ich finde, daß A. Kaniiliö jenen schnörkelhaften und allegorischen Typus
vertritt, der in Spees Lyrik und dem Jesuitendrama geprägt wurde, A. Rel-
ko viö steht ihm dagegen so entschieden gegenüber, wie die Aufklärung dem
Pietismus im XVIII. Jahrh. — Und die pseudoklassischen Manieren finde ich
in feiner Weise durch P.Katan6iö (etwas auch durch J. Krmpotiö] vertreten.
Der Verf. übersah diese Gruppe, da ihr literarischer Charakter selbst der
serbokroatischen Literaturgeschichte in diesem Zusammenhange bisher un-
kannt blieb.
Über das Volkslied hat der Verf. gut gesprochen, der Weltruhm und das
deutsche Interesse an dem serbischen Volksliede gab ihm schon eine Direk-
tive in der Auffassung. Er behandelt es in einem Kapitel mit dem böhmi-
schen und polnischen Volksliede, und ein Vergleich zur spezielleren Charak-
teristik dieser verschiedenen Volkspoesien wäre sehr naheliegend ; der Verf.
ging aber darauf nicht ein. Ich finde, daß z. B. der Naturzustand des Men-
schen im südslavischen Volksliede mehr zum Ausdruck kommt, daß aber da-
her auch seinem Realismus mehr Poesie innewohnt als dem böhmischen, der
vielfach bürgerliche und städtische Vorstellungen voraussetzt. Auch die Form
ist im südslavischen mannigfaltiger und organischer, die des böhm. Liedes
gemahnt an literarische Tradition und Schablone. Auch die sentimentale
Pointe und die kühnen Concettis der südslavischen Lyrik stehen als etwas
1) Archiv XXVIII, 52 in der Fußnote wird nach meiner Dissertation über
I* Gjorgjid irrtümlich von einem französischen Einflüsse auf den Dichter
Erwähnung getan. Die Sache ist bei mir umgekehrt so dargestellt, daß sich
Gjorgjid als Marinist (Vertreter des Barockstiles] gegen den damals bereits
in Italien und Frankreich aufkommenden raison-Stil und das Natüriich-
keitsprinzip auflehnt [Diese Abhandlung, wo ich Gj. besonders von der
stilistischen Seite betrachte, wird seinerzeit die südlavische Akademie ver-
öffentiichen.]
/
Kariaek, Slav. Literatorgeschichte, angez. von Grafenaner u. Prohaska. 145
Eigeiit&iiilichea da. Der Verf. hat gerade die weniger individnelien Züge an-
gegeben — so daa Thema der Liebe, der Familie, der Schwiegermutter, alles
das sowie anch die >ewig sich wiederholende Melodie« ist nicht allein dem
serbokroatischen Yolksliede eigen. — Über die Heldenlieder wurden nicht
die besten Vorarbeiten herangezogen. Hier nnterlänft anch der Fehler, daß
Ka^id die Quelle für die Ballade »von der edlen Frauen des Assan-aga« wäre.
Ebenso wird irrttimlich die sttdslavische Akademie statt die königl. serbische
in Balgrad als Herausgeberin des Vukschen Nachlasses von Heldenliedern
sBgeffihrt.
Den Satz, womit die kroatische Wiedergeburt eingeleitet wird [11. 54:
»Die Kroaten pflegten die Literatur auf den quamerischen Inseln und der
nahen KUate von Alters her in glagolitischer Schrift; daneben feierten sie Gott
und seiiid Heiligen in Lateinschrift und zwar in den Provinzdialekten«], würde
ich hinweglassen, weil er nicht ganz dem Tatsächlichen entspricht und weil
daan Baum geboten wäre, die Bezeichnung iUyrisch und lUyrismus näher zu
erkliien. Denn diese Termini und selbst ihr Sinn treten durchaus nicht erst
mit G%j com erstenmal auf, sondern wurden bereits von den Gelehrten und
SchriftateUem der vorigen Jahrhunderte gebraucht. Man verstand darunter
die ganze sfidslavische Gruppe. Mit Gaj gewinnt diese Bezeichnung nur an
Wert, indem jetzt durch eine einheitliche Schrift und Sprache der ein-
heiüiche Name gleichsam lebendig wird. Auch hätte der slavophilen und
panslavistisehen Ideen, die hie und da im XVH. und XVIII. Jahrh. im Süden
aofleuchteten, gedacht werden können [Gunduliö, Juraj Erüaniö, P. Eatan-
M6 u. a.].
Über der ganzen Darstellung des niyrismus scheint eine gewisse Ironie
zu ruhen, was daher stammen mag, daß die Bewegung äußerlich gescheitert
ist Zu sehr werden hier problematische Ausdrücke gebraucht (Gaj — »ein
Of&ziosiiB Mettemichs«), und dadurch der Geist des Ganzen entstellt. Denn
ans Sachlichkeit muß man konstatieren, daß die Ideen der Hlyrier voUinhalt-
üeh noch heute bestehen, daß es sich da durchaus um keinen überwunde-
nen Standpunkt handelt. An der Hand dieses Gedankens hätte der Verf. die
ganze kroat Literatur des XIX. Jährh. entwicklungsgeschichtlich behandeln
können. Das rein Kulturgeschichtliche hätte für einen fremden Leser, der da
ein idtgenOssisches Volk nach der europäischen Kultur zustreben sieht, be-
sonderen Beiz gehabt Leider beobachtete der Verf. zu sehr eine eklektische
und urfceOende Methode. — Eine Elleinigkeit, die im Stande ist, auf das Ganze
ein schiefiBS Licht zu werfen, möge gründlich beseitigt werden. »Begeisterte
nationale Hymnen, die gegen die Magyaren gerichtet waren, erklangen« (IL 57).
Das ist diese falsche Äußerung! In der ganzen patriotischen Lyrik findet
sich charakteristischer Weise kein einziges literarisches Erzeugnis, kein
einziges populäres Liedchen, das gegen die Magyaren zu der Zeit ge-
richtet wäre. Man muß dies bewundem, wo die ganze politische Bewegung
eine Lossagung von magyarischer Oberherrschaft war. Doch verständlich
wird diese Enthaltsamkeit aus der romantischen Logik der Wiedergeburts-
halden. Sie huldigten treu einem Freiheitsprinzipe, das sich gegen keine
Nationalität wendete, weil für sie das Becht auf Nationalität ein rein
AitkiT Ar sUriMh« FkUologi«. XXDL 10
146 Kritiflcher Anzeiger.
menschliehes Beoht w&r. Die scheinbar aggresBive Bolle der Kroaten yom
Jahre 1848 wurde unerwartet und unter dem Yorwande einer nationalen Ab-
wehr durch Österreich insieniert Es bestStigt dies der bittere Qewinn, den
die Kroaten yon diesem Feldzuge hatten 1 Eine andere Note als die chauYi-
nistisoh kroatische beherrscht die Lyrik des Illyrismus — die Losung war
Demeters : Protto zrakom ptiea Uli . . !
Markantere Gestalten wie Mafturanid-Yraz-PreradoTiö hat der Verf. in
kurzen Zflgen gut entworfen, am deutlichsten ist Maiuraniö wiedergegeben.
Am meisten läßt der Abschnitt über die neuere Dichtung zu wünschen
übrig. Vor allem sind innerhalb der Einteilung nach Gattungen, wie sie der
Verf. ungttnstigerweise wählte, einzelne Schichten, Generationen und Rich-
tungen auseinanderzuhalten. Zwischen ^ienoa, Kumi6iö und Novak herrschen
Abgründe, obwohl die Zeitspanne, in der sie Yorttberaiehen, keine sehr weite
ist Gerade in einem grellen Nebeneinander der verschiedensten Kunstrich-
tungen besteht die Eigentümlichkeit kleiner Literaturen, weil sie sich in den
Lehrjahren niemals ausleben. Einige Besserungen sind auch bezüglich anderer
Schriftsteller nötig. Für Gjalski gebraucht der Verf. gewisse Wendungen, die
aus ihm etwas Fremdes machten: »Hervorragendster Prosaist« — »auf der
literarischen Arena« — »heikle Situationen«. Gjalski besitzt hingegen eine
dürftige Prosa, ist friedliebend feministischer Natur und kehrte im jüng-
sten Boman zu jener guten alten Zeit zurück, wo es überhaupt keine »heilden«
Situationen gibt Auch seine Beeinflussung seitens Turgeiyevs muß mit Vor-
behalt angenommen werden [vergl. darüber meine Bez. Archiv XXVIU, 142 ff.].
— Das über Kozarac Gesagte ist wohl richtig außer der Auffassung des
Titels »Mrtvi Kapital!«, denn darunter wird nicht fremdes Kapital, sondern
die im einheimischen unbebauten Boden ruhenden Schätze verstanden. Unter
den Vertretern der »Poesie« kommt Franjo Markovic nicht zu seiner vollen
Geltung, denn man kann den Verfasser des »Dom isviet« und »Karlo Dra6ki«
durchaus nicht mit »Schöngeist« abtun. — Auch S. Kranj6evi<S ist durch die
Schlagworte »ermüdete Seele, Pessimist und Skeptiker« nicht in seinem
Wesen erkannt Sein Christentum, das evangelische, womit er dieKirehe
hohnsprechend an den Ptanger stellt, seine ethische Kritik der Gesellschaft
kennzeichnet ihn als einen jener Idealisten, die von Schopenhauer ausgehend
sich auf dem Wege zu Nietzsche befinden und in der Begel von der ratiosan
Kritik mit obigen Merkmalen bezettelt werden. Etwas Ähnliches passiert dem
Verf. mit den Modernen oder »Jungen«, wie sie in Kroatien benannt werden.
Denn sein Schlußurteil über dieselben: »nervOse, in Träumen hindämmernde,
nebelhaft verschleierte unverständliche Dichtung« und dem gegenüber
die günstige Meinung über die »Alten«: »tiefer, klarer und natOrlieher«
scheint auf eine unzuverlässige Quelle hinzudeuten. Daß es sich nämlich hier
nicht um die eigene Meinung des Verf. handelt, versichert mich sein Ver-
ständnis für böhmische Produkte der Moderne: über Erscheinungen wie
»Magdalena« weiß Kar&sek besseren Bescheid.
Die serbische Literatur geht neben der speziell kroatischen dnher und
es ist dem Verf. gelungen, durch Öftere Vergleichungen unterscheidende Mo-
Kariaek, Slav. Literatargeschichte, angez. von Grafenaner a. Prohaska. 147
neate anfiiaweiaen. Das maß ihm anerkannt werden. Und es wiU mir Bohei-
nen, daß er über die serbische Literatur sogar besser informiert ist Kann
sein, daß ihn die yolkstflmlichere Art der serbischen Erzähler, die vornehmere
Sprache nnd das orientalische Kolorit der Poesie mehr anzogen. Aach kOnnen
tfiektige Vorarbeiten [besonders die von Nediö über die Lyrik] viel zom Yer-
sHIndniff beigetragen haben. — Ich beschränke mich nur aof einige Be-
meikongen.
Ein Mißverständnis ist bei L. Lazarevid eingetreten, denn in seiner No-
velle »Werter« steht er nicht nnter dem Einflasse Goethes, sondern er gehOrt
in jenen, die sich dorch Gegenschriften vom Werterfieber reinigen wollen
[verj^. die hübsche, aber einseitige Stndie über Lazareviö von J. Skerliö im
Savremenik IL 2]. — Stj. Ljnbi&a scheint mir dorch Volkstümlichkeit, wie sie
bei anderen serbischen Erzählern verstanden wird, nicht entsprechend g&
kennzeichnet zn sein. Er stilisiert hingegen seine Bocchesen, sie halten ja
formvollendete politische Reden and wahren eine herrenhafte Moral. Oir
ritterliches Wesen ist hier künstlerisch aufgenommen worden nnd da das
SchOdem nicht in die ganze Breite ihrer Existenz geht, haben LjubiÄas Bocche
flir mich etwas Idealistisch-aristokratisches. Seine Landslente warden dnrch
ihn interessanter. [Wie etwa die Schweiz darch Gottfried Keller.]
Für die serbische Lyrik gilt beinahe dasselbe was für die kroatische.
Auch hier haben die jüngsten Dichter die traditionelle patriotische Richtung
und selbst die Fühlung mit dem Volksliede angegeben. Auch hier kann ich
nur einen richtigen Hang zum Individualismus erblicken. Wenn dies ein
S&ndenfall für die serbische Poesie ist — der Verf. findet nämlich, daß sie
ihre jungfräuliche Schönheit eingebüßt — , so ist das für mich eben nur ein
Beweis d^r Weiterentwicklung ; die jungfräuliche kann sich zu Frauen-Schön-
heit entfalten. — Die älteren Lyriker werden in ihrer Art nach Nediös An-
weisongen gekennzeichnet Über den bedeutendsten, über Zmiy J. Jovanoviö,
hätte der Verf. eine neuere, in ihren Grundzügen intime und trefifende Studie
Kostitfs heranziehen sollen [vergl. auch Archiv XXVI, 130]. Über Kostiö selbst
urteilt der Verf. etwas scharf — nach Nediö — »seine Liebe ist erträumt, seine
Ctedichte erkünstelt«. Seine Verwandtschaft mit der Moderne hat der Verf.
ernten^ aber nicht erklärt und nicht des näheren bezeichnet Was eine Ver-
gleichnng mit dieser zuläßt, ist sein Drang nach Originalität, besonders in
seinen Dramen ist das fühlbar; wie alle Stürmer und Dränger so greift auch
er notwendig auf die Urquelle Shakespeare zurück und bringt das serbische
hiatorische Drama in eine freiere Bewegung — vor Ihm stand dieses formell
m sehr unter dem Einflüsse des serbischen Heldenliedes und hatte infolge-
dessen etwas episch-schwerfällig Schleppendes und Deklamatorisches. In der
Lyrik Koatids entspricht dieser Nßuerung das Vernünfteln, der Esprit und die
Galanterie, was wohl im serbischen Volksliede, aber nicht bei seinen bisheri-
gen Nachahmern zu finden war. — Nediö hatte sehr viel lobende Worte — wie
einst Heine — für alles Runde, Gesunde und so prangt auch noch bei KarAsek
Jovo Jh6 in seiner vorigen Herrlichkeit, als ein von der Kultur nicht »ange-
kränkelter Held«. —
10*
148 KritiBcher Anzeiger.
IntereBsant ist das SchlnßergebniB fttr dieserbiBcheliteratnr: >Keiiie
slavische Literatur ist so demokratisch) wie die serbische«. Diese Äuße-
' nmg zwingt mich lebhaft zu einer Ergftnznng, die — ich bekenne es — viel-
leicht etwas subjektiv ist Auch die böhmische Literatur, und die mssisehe
nicht weniger, scheint sehr demokratisch zu sein, der Unterschied liegt aber
nicht in dem mehr oder weniger, sondern in der spezifischen Art des De-
mokratismns hier and dort Ich finde nämlich, daß der serbische Demokratia-
mns geradezu das Gregenteil von dem ist, was darunter in Europa allgemein
verstanden wird. Ljubifias Landsleute sind autokratischer Natur: ein jeder
ein kleiner König; die Serben des Königreiches unter dem vorwiegend agra-
rischen Charakter des Landes und bei einer weiten liberalen Verfassung neigen
ebenfalls zum Herrentum, die nahe Vergangenheit heroischer und patriarehaler
Zustände wirkt auch mit Und so fehlt eigentlich der serbischen Literatur
gerade dort, wo sie am volkstümlichsten ist, jene altruistisch humanitäre Ten-
denz, die man sonst mit dem Begriff einer demokratischen Literatur verbindet,
ein kriegerischer Sinn und nationaler Patriotismus in der älteren, ein modemer
Individualismus in der neueren sind die wesentlichen sozialen Zttge der serbi-
schen Literatur. Und doch hat der Verf. Recht, denn nirgends sind die
Standesunterschiede so gering, nirgends die Volksart mit den obersten
Schichten der Nation so intim, wie bei den Serben; daß der Bauer den König
mit Du anspricht, liegt eben [nicht an dem demokratischen König, sondern
an dem souveränen Bauer. Und dieser Grundzug geht durch das ganze serbi-
sche Leben, die Literatur nicht ausgeschlossen. Der Verf. hat dieses gewisse
aristokratische Etwas wohl geahnt, doch findet er es bloß in der Sprache, die
serbische Prosa ist ihm »was die Ausdrücksweise anbelangt, so vornehm
wie keine andere«.
Für eine zweite Auflage mache ich noch auf folgende Korrekturen auf-
merksam: Bd. I, S. 29: Hoidenie st Choidenie; 34: Hasanaginica st Hasan-
aginja; 105: Epos [Judith] st Drama; 106: ebenso (für Qundulids Tribien);
106: Vladko st Vlaüiek; — IL 59: Agovanje st Agovanie; 87 : Matica st. Ma-
tice; 91 : und auf der Öar&ija st bei ... Öardija (Ö. « Platz, Harkt); 92: J.
Sunde6id st J. Sun6eti<5; 108: Isa st Iza.
Ein Schlußurteil ist hier nicht notwendig, weil die Unternehmung schon
an und für sich lobenswert, die Ausführung aber bei den vielen Schwierig-
keiten, die diesen Teil der Aufgabe erschwerten, zu entschuldigen ist Der
Verf. wird sich außerdem selbst überzeugt haben, daß seine Methode, die zu
sehr urteilend und wertschätzend auftritt, auf einen so anspruchslosen
und unbearbeiteten Stoff, wie es die serbokroatische Literatur ist, nicht mit
Vorteil angewendet werden kann.
Zagreb (Agram). D. IVohoika,
njinskij, Die Urkunde des bosniBchen Banui Knlin, angez. von Redetar. 149
Me Urkunde des bosnigchen Butns Knlin.
FpaMora 6aHa KyjraHa — Omirs KpsTiraecKaro Haxamn TOKCTa cb
xoiofeHTapiflMH T. A. KiBEHCKaro oi> npHiosemeiTB «OTOTHinraecKaro
oHHMKa, St. Petersburg, 1906, 8^ 35 S.
yorliegende Pablikation bildet den GLXIV. Band der von dem 06mecTBo
jDÖBTejKeK xpeBHeft nHciMeHBociH herausgegebenen UaMATHEKs und enthält
eine Ausgabe der bekannten Urkunde des bosnischen Banus Kulin aus dem
J. 1189 samt philologisch-historischem Kommentar und phototypischer Re-
produktion nach dem im Archiv der k. Akademie der Wissenschaften in Pe-
tersburg aufbewahrten angeblichen Originale, wXhrend bis jetzt die Urkunde
mehr nach der Ausgabe Miklosichs (in den Monumenta serbica) bekannt war,
der den Text der älteren der beiden im Wiener Staatsarchiv vorhandenen
Abschriften der Urkunde wiedergegeben hatte. Der Text des Petersburger
Exemplares war bis jetzt schon mehrere Male herausgegeben worden : zuerst
von Karano-Tvrtkoviö in seinen GpöcKis cnouoEHm»! (Belgrad 1840), nach ihm
von Sreznevskij in den Beilagen zu seinen Muoih 06% scTopiH pycc. nsbiRa
(8.233 — ^234 vom Jahre 1849), hierauf von äafaHk in den Pam&tky dfevn.
ptsemn. Jihoslov. (Prag 1851] — wohl nach einer ihm im J. 1832 vom russischen
Yisekonsul in Ragusa Gagiö zugesandten Abschrift i) — , und endlich von
Karskij (im O^epsi usb. rhphjm. naxeorpMiH, Warschau 1901), doch keine der
biBherigen Ausgaben war fehlerfrei, so daß die kritische Ausgabe Bjinskijs
und besonders die phototypische Reproduktion uns sehr willkom-
■iCT ist.
Die Urkunde ist zweisprachig: lateinisch und serbokroatisch, — jeder
der beiden Texte von verschiedener Hand und mit verschiedener Tinte (S. 15)
geschrieben, außerdem der lateinische mit durchgeführter Worttrennung, der
serbokroatische in scriptum continua. Der Text wurde von Ilj. vollkommen
richtig und treu wiedergegeben; ich möchte nur die Richtigkeit der Lesung
hmn in der ersten Zeile des lateinischen Textes bezweifeln: mir scheint, daß
auf dem Faksimfle oberhalb des n Spuren der Abkürzung für tM zu sehen sind,
so daß das Wort als banus zu lesen wäre; es würde sonst auffallend sein, daß
in der in leidlichem Latein geschriebenen Urkunde die Form han nicht latini-
siert worden wäre; tatsächlich haben beide Wiener Abschriften deutlich ban\
d. i. hanus. Femer ist in Z. IV amici^am und nicht amiciefam zu lesen (auch
in den beiden Abschriften deutlich mit t). Die Abkürzungen des lateinischen
Textes wurden (wohl wegen Mangels der notwendigen Typen) aufgelöst, wobei,
so viel ich sehe, I^. mit kursiver Schrift die Buchstaben wiedergeben wollte,
welche im Originale entweder durch Abkürzungszeichen vertreten sind oder
oberhalb der Linie stehen; doch seine Wiedergabe ist hie und da weder
richtig noch konsequent; so gleich in den drei ersten Worten, welche Hj. mit
»In noffwiie pMtrtB^ transskribiert, ist im Originale das t von nomine auf der
1) Nochmals von I. Sreznevskij nach dem Original in HsBicriH 1852, B.I,
S. 344 und darnach in meinen Primiri n, 133—134 (Agram 1866). Sreznevskij
hat beidemale auch den iat Text beigegeben. F. J.
150 Eritlsoher Anzeiger.
Linie aiisgesohrieben, dag^en das zweite n nur durch das Abkttnongszeichen
angedeutet, ebenso ist das t von patrü auf der Linie ausgeschrieben; in der
5. Zeile aber hat I\j. »no«tram€, während in der Tat in der Urkunde >nra*< steht,
was nach m. mit ^noatnm* wiederzugeben war; auf ähnliche Weise wäre noch
an ein paar Stellen dieTransskription des lateinischen Textes richtigzustellen.
Der serbokroatische Text dagegen wurde möglichst treu, also mit allen
Abkürzungen und oberhalb der Linie geschriebenen Buchstaben wiederge-
geben, nur die Worte wurden von einander getrennt. An drei Stellen hat aber
Ilj. das Interpunktionszeichen des Originals — einen Doppelpunkt — ausge-
lassen: in der 9. Zeile nach npasuMB, in der 13. nach homorl und in der 19.
nach AeBCTBi; wahrscheinlich nur aus technischen Gründen wurde in der
2. Zeile das >6tc des Originals durch »^eöi« wiedergegeben, endlich in der
9. Zeile schwebt das Abkürzungszeichen nicht in der Luft zwischen npaBUMB
und cpL, sondern steht oberhalb des letzten b von npasBiMB und des cpB selbst,
somit doch auf seinem Platze, während Dj. (S. 13) diese angeblich isolierte
Stellung des Abkürzungszeichens herrorhebt
Das ist alles, was ich an der Ausgabe der Urkunde selbst auszusetzen
habe ; wie man sieht, handelt es sich um Kleinigkeiten, die den Wert der Auf-
gabe gar nicht beeinträchtigen. Dagegen befriedigt der exegetische Teil weni-
ger: gleich die dem Texte folgenden »paläographischen Eigentümlichkeiten«
(S. 14—16) sind sehr knapp gehalten und eine allgemeine Charakteristik det
Schrift fehlt gänzlich ; entschieden unrichtig ist es aber, wenn Dj. in bezug
auf rpahaMB Z. 3 yon einem Zeichen ^ spricht; dieses Zeichen wurde bekannt'
lieh erst im Anfange des XIX. Jahrh. von Vuk eingeführt und das (bosnisch-)
cyrillische h bezeichnete allerdings in der ältesten Zeit den Laut et (cyrilL !>),
doch allmählich Vurde es zur alleinigen Bezeichnung des Lautes (f (cyrill. h)
verwendet^); überflüssig ist femer in bezug auf ein Denkmal der serbo-
kroatischen Volkssprache die Bemerkung (S. 14), daß »in den übrigen
Fällen wir anstatt i hinter weichen Konsonanten a vorfindenc, dagegen ver-
misse ich (auf S. 13 unter den Anmerkungen zum Texte) die Bemerkung, daß
nicht nur bei ÄOROza Z. 6, sondern auch bei ApBxaTv Z. 5 die Schlinge des o
durch einen horizontalen Strich ersetzt ist, so daß der Buchstabe einem a ähn-
lich sieht ^. Noch weniger befriedigt aber das ELapitel über die »linguistischen
Eigentümlichkeiten« (S. 16'~19). So ist zunächst ungeschickt stilisiert, was
(auf S. 17) über die lautiiche Geltung des b in eBaHBre^iHe Z. 15, aBBrscTa Z. 18
gesagt wird, denn der Leser, an welchen sich Dj. dabei wendet, könnte glan-
ben, daß in diesen Fällen noch der Schreiber der Urkunde das b ausgesprochen
habe! — Die »ekavische« Form sjeftH Z. 10 (nicht 131) ist nicht »auf Rechnung
des Einflusses der ekavischen Aussprache der kirchenslayischen Denkmäler
ostserbischen Ursprunges« zu setzen, aondem ist die alleinige, für alle aerbo-
kroat Dialekte nachweisbare Form zu altslo v. zUdb (ein zl^'ed oder üid ist nicht
^) Ich weiß nicht, warum Dj. das homorb von Z. 13 auf S. 34 mit noMO^^B
wiedergibt; ,Hilfe* heißt ja im Sbkr. pomo6 und nicht pomodl
3) Das Tcranlaßte auch Sreznevskij, in den Hsb. zu drucken xokojr.
V.J.
njinBldj, Die Urkimde des bosniBebem BsmiB Kalin, angez. von Be&etar. 151
|. — MHe Z. 13 ist keine »interesBftnteFonn des Ben. Bing. auB *M&&e«,
sondern ein nnsohnldigefl Sdirelbvenehen, das die Xltere Kopie in Mone richtig-
geateOt bat — poxicrs Z. 17 ist nicht notwendig als poxAicrsa zn lesen; ans
Daniftida Wöiterbncb iiätte Hj. eraehen können, daß in den alten sbkr. Urkun-
den nicht selten in der (BelbstrerstSndlieh kirchenBlavisohen) Form poxabctbo
daa^ [der Anssprache der sbkr. Schreiber entsprechend) nicht geschrieben
wnrde, so daß die Formen poxbctbo (poxacTBo), poxTSo, pomcrBo, pomTBo,
pomBo, poiQTBo entstanden. — Falsch ist die Ansicht, daß die Schreibungen
B<uos& (fOr vnlov) Z.11, noBejioBL Z. 16, xpLCTHTCJia Z. 20, 6aH0BB {fiir hanov) Z. 17
zeigen, daß in der Sprache des Schreibers l (Ilj. meinte wohl /) nnd nj »mitt-
lere Lante«, also keine Palatallaute waren; dieser Schluß wäre ebenso richtig,
wie wenn man aus dem Umstände, daß derselbe Schreiber i ,ego* nnd Te6%
,tibi' schreibt, folgern wollte, daß er an beiden Stellen das % gleich ausge-
sprochen habe! — wsb Z. 5, 12, 17 für das urslav. oiz ist nicht >aus den Be-
dingungen des Sandhic zu erklären, sondern ist eine Analogie nach pod^ nad^
kod, — 6aH0BB (fUr hariov) Z. 17 ist keineswegs eine Verschreibung fUr *6aHo-
Bon, sondern die ganz regelmäßige Form des Instr. sing. fem. des Adjektivs
ha^ ,dem Banus gehörig* mit der älteren sbkr. Endung -ov aus -oju. — KHpc
,qui' Z. 7 ist kein Akk.plur., der an Stelle des Nom. stehen würde (der serbo-
kroatisch-stokavische Akk. plur. mask. würde ja X;ßre lauten!), sondern
der übliche Nom. plur.; daß der Gutturallaut vor dem t nicht assibiliert wurde,
Ist bei diesem Pronomen gar nicht auffallend, somit hätte Hj. der von Jagiö
schon vor 40 Jahren gegebenen und ihm bekannten (S. 8) Erklärung wohl
beitreten kOnnen. Letzteres hätte er aber unbedingt in bezug auf die Form
icore Z. 14 tun müssen; Jagiö hatte die richtige Erklärung gegeben: es ist der
Part praes. act mit der Endung -e für urslav. f (anstatt urslav. -y), vor wel-
cher der Gutturallaut bei dieser jüngeren Formation ebenso unverändert
bleibt, wie in den ganz genau entsprechenden altrussischen und böhmischen
Beispielen wie TCRafi, BceMorau;, bezw. ieka^ peka u.s.w. ; die Aufstellung eines
Substantivs Hora ,pote8ta8* (S. 9 und 34) war somit ein sehr unglücklicher
Gedanke.
Nach den »linguistischen Eigentümlichkeiten« hat Bj. noch auf S. 19 — 31
die »historische Bedeutung« der Urkunde besprochen, eigentlich die Tätig-
keit Kulins und sein Verhältnis zum Bogumilismus erörtert, hauptsächlich,
wie er angibt, nach einem Aufsatze von Fr. Milobar im XY. Band des Olasnik
des bosn.-herzeg. Landesmuseums, und zuletzt ein vollständiges Wörterver-
zeichnis hinzugefügt (S. 32—35). Bj. hat sich somit redlich Mühe gegeben,
um seine Ausgabe dieser sowohl in sprachlicher als auch in historischer Be-
ziehung so wichtigen Urkunde möglichst vollständig zu gestalten, nichts-
destoweniger hat er zwei sehr wichtige Punkte fast gänzlich Übergangen,
nämlich die Frage, ob das Petersburger Exemplar der Urkunde wirklich ihr
Original ist, dann das Verhältnis des serbokroatischen zum lateinischen Texte.
So seheint Bj. nicht einen Moment daran gezweifelt zu haben, daß das Peters-
bmger Exemplar wirklich das Original der Urkunde sei, obschon er als ,genug
merkwürdig' (S. 15) bezeichnet, daß das Stück keinen Siegelabdruck hat; wo-
her weiß somit Bj., daß dieses Stück nicht eine Abschrift ist? Vielleicht hat
152 Kritischer Anzeiger.
er sich darauf verlaaBen, daß die cyrüliBche Schrift der Urkunde ans dem
Ende des XII. Jahrh. ist, was ihm vielleicht auch für die lateinische Schrift
von kompetenter Seite bestätigt wnrde; mOglich, daß er auch auf den Um-
stand sich stützte, daß die beiden Texte wohl von verschiedener Hand, ganz
gewiß aber mit verschiedener Tinte geschrieben wurden, während eine even«
taelle Abschrift wahrscheinlich von einer Hand, jedenfalls aber in derselben
Kanzlei, somit mit derselben Tinte geschrieben worden wäre. So nngefShr
dürfte ly. argomentiert haben, denn, wie gesagt, er spricht nicht den gering-
sten Zweifel Über die Orig^alität der Urkunde ans. Doch wie vorsichtig man
sein muß, zeigt nns das ältere von den beiden Wiener Exemplaren der Ur-
kunde: auch hier ist der lateinische Text höchst wahrscheinlich von anderer
Hand, ganz bestimmt aber mit anderer, dunklerer Tinte geschrieben als der
serbokroatische, trotzdem beide Stücke ganz gewiß jüngere Kopien sind, da
sowohl die cyrillische als auch die lateinische Schrift für das Xin., ja sogar
für die zweite Hälfte des XIII. Jahrh. sprechen. An und für sich könnte somit
auch das Petersburger Exemplar, da es keinen Siegelabdruck und auch keine
eigenhändige Unterschrift trägt, ebenfiUls eine, meinetwegen gleichzeitige
Kopie, immerhin aber eine Kopie sein ! Ich wendete mich daher an Professor
V. Ottenthai, der mit der größten Bereitwilligkeit, wofür ich ihm auch hier
aufrichtig danke, mir alle gewünschten Auskünfte gab, speziell auch den la-
teinischen Text einer eingehenden Untersuchung in paläographisch-diploma-
tischer Beziehung unterwarf, aus der sich herausstellte , daß die lateinische
Schrift einen durchaus gleichzeitigen Eindruck macht, ja vielfach, so speziell
in Überresten der älteren Kursive, sogar einen etwas älteren, was sich daraus
erklärt, daß sich derartige Überbleibsel in der italienischen Urkundenschrift
vielfach gehalten haben. Die Form aber, in welcher die Urkunde ausgestellt
wurde, ist die einer Notariatsurkunde, für welche zu dieser Zeit ein Siegel-
abdruck gar nicht notwendig war, da die vom Notar am Schlüsse hinzugefügte
Beglaubigungsformel genügte, welcher in unserem Falle der vom Schreiber
des Banns herrührende Zusatz entspricht Alles dies würde aber noch nicht
genügen, um das Petersburger Exemplar als ein Original zu bezeichnen;
glücklicherweise befindet sich bei mir eine sehr schöne Photographie einer
Bagusaner Urkunde aus dem Jahre tl90 (abgedruckt zuletzt bei Smi&iklas,
Codex diplomaticus U, Nr. 230 [S. 245 — 247], die vom »diaconus Marinus et
Ragusii communis notarius plena in curia Ragusorum« geschrieben wurde.
Mir fiel die große Ähnlichkeit dieser Schrift mit der lateinischen der Peters-
burger Urkunde auf, so daß ich sogleich daran dachte, daß dieser diaconus
Marinus auch den lateinischen Text der Urkunde des Banns Kulin geschrieben
haben könnte, was von Professor v. Ottenthai bestätigt wurde, der sich dabei
besonders an das vollkommen gleich geformte Kreuz im Anfange der beiden
Urkunden — das Notariatszeichen des diaconus Marinus — stützte.
Diese Konstatierung ist von der größten Wichtigkeit, weil sie uns über-
haupt die Entstehung der doppelsprachigen Urkunde ziemlich deutlich er-
kennen läßt Als die Bagusaner vom bosnischen Banus das Becht des freien
Aufenthaltes und Handels in seinem Lande erwirken wollten, da ließen sie
zunächst von ihrem »communis notarius«, eben dem diaconus Marinus, latei-
I^'inakij, Die Urkunde des bosniBchen BanaB Knlin, angez. von Re&etar. 153
mach den WorÜaat des EidBehwures niederBohreiben, den Bie dem boBniBchen
Banni abnehmen wollten. Da wir nichts davon wiBBen, daß Knlin ban je in
Ragnoa gewesen sei, bo kann man ohne weiteres annehmen, daß ragnsanisohe
Abgesandte mit dem lateinischen Texte des za leistenden Eidschwnres mm
boenischen Banns sich begaben, der den Eidschwnr zunächst von Beinem
Kanaler Badoje ins Serbokroatische ttbersetzen ließ, dann den Eid nach die-
sem serbokroatischen Texte tatsächlich leistete, worauf Badoje die Beglanbi-
gungsformel nnd das Datum hinzufügte.
Auf diese Weise erklärt sich auf das einfachste auch das Verhältnis der
beiden Texte zu einander: nicht der serbokroatische, sondern der lateinische
Text bfldet den Ausgangspunkt, ist das Original, das (von Badoje] Übersetzt
wurde. Übrigens jetzt, da wir das Petersburger Exemplar in treuer Bepro-
duktion vor Augen haben, wäre kaum daran zu zweifeln, denn es ist augen-
seheinüeh, daß zuerst der lateinische Text geschrieben wurde, der genau so-
viel Platz einnimmt, als er braucht, um gleichmäßig geschrieben zu werden,
woran unmittelbar der serbokroatische Text sich anschließt; man hat also
nicht etwa einen freien Baum gelassen, um die später zu verfertigende latei-
nische Übersetzung einzufügen, sondern man hat sogleich mit der Nieder-
schrift des lateinischen Textes angefangen. Übrigens, warum hätte man gerade
der Übersetzung den ersten Platz eingeräumt?
Zum Schlüsse möchte ich noch einige Worte über die beiden Wiener
Exemplare der Urkunde sagen. Miklosich erwähnt sie (Monumenta S. 2) mit
den Worten: »duo apographa vetustissima, quorum alterum ineunte saeculo
XnL factum est«, und hat den serbokroatischen Text der Urkunde nach der
älteren Wiener Abschrift herausgegeben. Ob letztere wirklich dem Anfange
des Xni. Jahrb. angehört, mag dahingestellt sein: die slavische Schrift macht
auf mich eher den Eindruck der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Der serbo-
kroatische Text folgt auch hier — auf einem engen Pergamentstreifen — un-
mittelbar dem lateinischen und ist — wie erwähnt — wohl von anderer Hand,
gewiß mit verschiedener Tinte geschrieben, was wohl so zu erklären ist, daß
die doppelsprachige Urkunde in der ragusanischen Kanzlei von zwei verschie-
denen Schreibern abgeschrieben wurde (einem »lateinischen« und einem »Bla-
vischen«), von welchen ein jeder seine eigene Tinte hatte (weil in älterer Zeit
ein jeder Schreiber sich selbst seine Tinte zubereitete !). Der serbokroatiBche
Text ist bei Miklosich vollkommen richtig herausgegeben, nur wurden — wie
immer bei Miklosich — die Abkürzungen aufgelöst; der lateinische Text ent-
spricht, wenn man von den zum Teil auf andere Weise bezeichneten Abkür-
zungen absieht — genau dem Texte des Originals ; die einzigen Abweichungen
sind: Zeile I (bei qjinskij) han' (für han), Z. 11 htjene (für botne), Z.VI mercanUf
(für moereatd€9\ Z. Xu adiuuet (für a4;tM<).
Verschieden ist das äußere Aussehen der jüngeren Abschrift: der latei-
nische Text ist gedrängt im obersten Teile des engen Pergamentstreifens ge-
schrieben, worauf zehn linierte leere Zeilen ihn vom serbokroatischen Text
trennen. Der lateinische Text bietet auch hier nur wenige unbedeutende Ab-
weichungen: Z. I ban\ Z.VI mercanttf^ Z.IX apd* (für aput)^ Z. XII adiua?
sowie h[aee)l8{ün)e[(ja d{omin)i .inj eua{n)g(e)lja.
1 54 Kritischer Anseiger.
Diese Absohrift bietet mehrere Abweichangen und Eigentümlichkeiten,
besonders in orthogimpldsdier Beeiahnng, so daß sie dis Zeidien fa nieht T«r-
wendet; deswegen lasse ich ans ihr die yariae lectiones zum Texte des Origi-
nals folgen, wobei ich mit einem eingeklammerten B diejenigen bezeichne,
welche den beiden Kopien gegenllher dem Original gemeinsam sind: Z. \p
ÖocencRH; 3 rpar&Mi; 4 npaBH; 5 (l^cejit, bIrb; *6 cmb; 6/7 ce b&cIuh XBtfpoBB-
VEMH (f&r BBCH ffv6pOBB^aHe) ; 7 MOMs; 8 rbto (B); 9 rbto, npaBHMB; 9/10 cpB-
noMB (B); 10 (Sese, BBJKeAH (B); 10/11 pasBBi (B); 11 ^bto, cbohobb 3); 12 ^ecxB-
HiROBB (B); 12/13 8 MoeH seMJiH (für 8 icHe); 14/15 npHMBiCBJHt; 15 6rB (6b B];
17 pomBCTBa XBpBCTOBa THCsma; 19 acboth (B), xbhb (B); 20 HOBana. Wie man
sieht, stimmt die jfhigere Abschrift mit der älteren in mehreren Punkten Über-
ein, besonders wichtig sind der Nominativ 6oTh anstatt des Vokativs 6o;Re in
Z. 15, sowie ^ecTUHROBB in Z. 12, so daß man deswegen annehmen konnte, die
jüngere Kopie sei ans der älteren geflossen; doch in anderen Punkten gibt
die jüngere Abschrift gegenüber der älteren den Originaltext treu wieder, so
besonders in cxaro Z. 1 (cTora B), AOKOja Z. 6 (AORO^t B), roAt Z. 8 (rBAt B), so
daß wohl daran zu denken ist, daß beide Abschriften ans einer dritten, ver-
loren gegangenen Kopie geflossen sind. Beide Kopien wurden ganz bestimmt
in der ragusanischen Kanzlei verfertigt; dies ist an und für sich vorauszu-
setzen und wird durch den Umstand bestätigt, daß wenigstens sporadisch der
Halbvokal durch e wiedergegeben wird: qecTHHROBB in beiden Abschriften,
dann ce bbcImh und 6e3e BBcaRoe in der jüngeren Abschrift (vgl. Archiv f.slav.
Phil. XYI, 346). M. Rdetar.
Kleine Mitteilungen.
Johannes Uieviö ein Grammatiker des X VIL Jahrh,
Schon Banduri und nach ihm Dobrovsk^ (Instit. p. LXII) erwähnen eine
in der Pariser Nationalbibliothek befindliche handschriftliche Grammatik der
kirchenslavisch-klein- oder weißrussischen Sprache, deren Verfasser sich
selbst Joannes üsevicius (in anderer Othographie am Schluß Ügevicius) be-
zeichnet und seine Abstammung durch den Ausdruck Sclavonus sehr ungenau
bestimmt P. Martinof gedenkt des Werkes in seinem Büchlein Les Manuscrits
Slaves de la bibliothöque imperiale (Paris 1858, S.36— 38) und hebt hervor, daß
die Sprache, welcher dieses Büchlein gilt, »un mölange de slavon et de polo-
nais« bilde. Vor kurzem hat auch Akademiker A. I. Sobolevskij die Pariser
Ebindschrift von neuem in der Hand gehabt und in den »^tohIrc der Eäjewer
Nestor-Gesellschafk darüber näher gehandelt (mir liegt ein SA. vor). Damach
hat das Manuskript den Titel FpaMaTBiRa | cioBeBCRax | HanscaHa | npes-B (bei
Kleine Hitteüangen. 1 55
Hartmof: irpeVL) loaBBa YsceBava oioBXBHHa, c^aBBOK AicaAeMiH üapsscKOH
(Hart napHxcROH) b xeoüioriH cxyseETa | b IlapBxy | poRy otb aapox^Bia Gusa
EosKoro I AXHT — folgt der lateiniflche Titel. Der YerfasBer bezeichnet Bich
also selbst im Jahre 1643 als sacrae theologiae stadioBOB der PariBer Univer-
Bitst Nnn bin ich aber in der Lage, ttber denselben Mann noch nach einem
anderen Exemplar seiner Grammatik zu referieren, das sich nicht in Paris,
Bondern in Arras (Nordfrankreich) in der dortigen Stadtbibliothek befindet Das
Exemplar kam, Dank sei es der Yermittlang des Herrn Enstos Ferd. Men6ik,
in miBere Hof bibliothek nnd stand mir durch einige Zeit zur VerfUgung. Ich
will es kurz beschreiben. Die Handschrift ist in Leder gebunden, kl.-40. Nach
den 3 ersten leeren Blättern folgt 4 das Titelblatt, einen schön ausgeftlhrten
BOderrahmen darstellend, dessen oberen Band zwei Engel mit Lüienstauden
bilden, ein Geflechte yon Früchten, das sich in der Mitte herabsenkt, haltend.
Ober demselben steht in einem Medaillon 1^ '^&j mit ausgestreckten Hän-
den, an der Brust ein kleineres Medaillon mit dem Jesuskind haltend, um das
Ganze liest man im Kreise + ^ecTHeHmsH) zepoBHM'B b cjraBBeBinsB) so bctebb.
Als Seitensänlen stehen links das Bild des 1. BASHJIIH, rechts das Bild des
S.HnKOJIAn, darunter als Fortsetzung auf jeder Seite eine Blumenverzierung
imd ganz unten auf beiden Seiten je ein Engelkopf. Den unteren Band des
Bahmens schließt ab eine ovale Verzierung, in welcher die Jahreszahl steht:
MTA (D
HAfiOTKiHlA CHa SO
;ra x u c.
In der Mitte des so verzierten Baumes liest man den Titel des Werkes:
rpaUMaTHKa
CAORIH^CKaU
3a0:KfHa A HanriicaNa
iwAHHA ^9KfBHMa
CaOBUHHHa.
Man rieht schon aus dieser Titelangabe, daß das Exemplar der Stadt-
bibliothek Arras um zwei Jahre jttnger ist als das Pariser Exemplar. Die
Ortsangabe fehlt hier. Ob das Manuskript in Paris oder anderswo (z. B. in
Born?) zustande kam, kann ich augenblicklich nicht sagen. Auf dem nächsten
(5.) Blatt steht in Farben ausgeführt das Wappen, das im blauen Grund einen
Igel zeigt, über dem blauen Felde steht ein schmaler weißer Streifen, in wel-
chem drei grüne Mondsicheln <L eingetragen sind, darüber ein noch schmälerer
roter Streifen, auf demselben erhebt sich eine Gesichtsmaske mit der Büstnng
bis über den Hals und die Schultern, die Verzierung besteht aus Gewinden in
drei Bundungen (größeren, mittleren, kleineren). Über dem Wappen liest mar
3EAH3^a ii SfifAAiKAf unter demselben diese Verse in Gold:
r T
1 56 Kleine Mitteilangen.
Hfl rePBli nflHO BPUrflAA-bPOBli
OiiSiuHf CA b' rfpBK u*fccfi4u 3HaAA^iOTb,
FA^SK'k EpHraAA'^pOBTk UH^Tlk äCHOCTk 3HaKSlO.
l) SB'Kp'k KOTOpyH CD BCMA^ CA BOpOHHTk,
I^HOTkl A CAaBU lÖHU^'k SKI ^Op^HNTk.
Kto 3ick roA^Ba A^^pi SBaxcifTk,
Al^A^KOCTk A ipHpOCTk AaTBO AU'k npH3HaiTk.
Il&aH'k 2?}KIBHHH CAOBAHHH'k pOKS /t^AXÜ^.
Blatt 5^ ist leer. Auf Bl. 6 und 7» beginnt das Alphabet, kolnmnenartig
gnippiert, in der ersten Kolumne steht der Name des Buchstaben mit cyrill.
Unzialschrift geschrieben^ in der zweiten mit KursivschrifÜ;, in der dritten mit
latein. Buchstaben, in der vierten die Aufzeichnung der Buchstaben selbst in
der Unzial- und Kursivform, in der fünften endlich der entsprechende latein.
Buchstabe. Die lateinische Namenbezeichnung lautet (ich hebe nur einige
heraus) : glaoul . . giuite . . ircy . . slouuo, tuuerdo, ik, onyk, . . . t^i, tcher,
cha (chapeau), chtcha, ior, iory, ier, iat . . fita, igitsa, ins, titla. Zum Schluß
dieses Verzeichnisses folgt mit cyrillischer Kursivschrift: HpiEAarocAO-
BIHHa ICH BOropÖAHlil A'I^B^} BOnAOTHB'kUIHMlk BO CA HC
TfBJ 'AAI^ nAfHHCA, 'üji.AWW npH3BaCA, 'IfBBa CBOBOAHCAy
CMipTk ^MCpTBHCA, a Hh^ IV}KH}fO^ T'^Mlk nOl^l|Jf B030nifU'k
BAarOCAOBIH'k BOrik H3B0AHBIil" TAKO. Auf Bl. 7b, 8 bis 11^ liest
man compositio syllabica, d. h. Zusammenstellung von Silbengruppen, zuerst
in Unzialschrift, nachher in Kursivschrift. Als Leseprobe folgt mit durchge-
führter Silbentrennung Ps. 103 v. 1—14, in verschiedenen Schriftarten aus-
geführt Auf fol. 12 gibt der Grammatiker das glagolitische und daneben
als Erklärung das kursive cyrillische Alphabet (die glagolit Buchstaben sind
der sogenannten kroatischen eckigen Schrift entnommen, es kommen auch
die üblichen kroatischen Ligaturen vor). Auf fol. 12^ steht cyrillisch-kursiv
das d^ve Ham-B in kirchenslavischer und fol. 13^ in polnisch- weißrussischer Fas-
sung, oben wird es HoiHTBa rocnoAHia, unten MOinTBa naHLCKai genannt. Es
wird vielleicht nicht überflüssig sein, beide Texte nebeneinander zu stellen:
(Dhc HaiiJik HHCc Ich Ha hcbi-
CfY'k, A^ CBfTHTkCtÜ HMEI TBOf,
Aa npHHACTk i^apcTBif tboi,
Aa b8a< boau tbou, liKO ha
HfBICH H Ha 3fMAH. Xa'KBIi
HAlil'k HAC8l|JHklH A^H^< ^^
AHfCk, H WCTABH HAWK A^^^^H
Hatlll UIKO^KC H Mkl IVCTaBAUf Mlk
{Dm HAUIlk KOTOpuA fCTCCk
b' HfBCC(]flk, CBITHCf HM0 TBOl,
npiHAH KpOAfBlkCTBO TBOf,
B^AH BOACa TBOA, tlKO HA HfBtl
H HA 3CMAH. XaISBIi HAlUlk
nOBIUlAHHH fii^AÜ HAMlk TCHfp'k,
H CDn^cTH HAU*k A^^rH hauii
UKO h Mkl {Dn8i|JACM'k a^^^hT-
Kleine MitteilungeiL
157
AOASKHHKOU'k HaUJHU'k, H Hl
BORIAH Hack BO hckSuj^hVi, ho
H3E4BH Hack Ui aSKaBOFO, äxo
TBol icTk i^apcTBO wu^a H China
H CBtlTOrO A^X^ HUH*K H npH-
CHO H BO Bt[KH B'KKOU'k, aUHHk.
KOU'k HaUlHUlk H Hl BOBI^H
Hack B'k noK^ujiHYiy aai nack
ssaB'k (D Bciro aaoro, noHi-
Ba^K'k TBOl icTk KpoaiB'kCTBO
cHAa H caaBa {0i^a h cuna h
cBUToro A^XAj Tinip'k A
BAE}Kfi,hi H Ha Bt[KH Bt^KOBlk,
aUHHk.
Auf Bl. 14b imd 15A folgt nach verschiedenen Schriftproben, gezeigt an
dem Verse »npYsAiTo noKJioHYMCA napesH nameMs öors« nnd nach einer Implo-
ratio B. Y. Mariae — das Vateranser glagolitisch, doch nicht in rein kroa-
tbcher Redaktion, denn der Grammatiker schreibt dolhi (h für g) na&a, doÜni-
kom% Yoyedi, BvStaho dnga (wnrde i> mit % verwechselt). Anf Bl. 15^16 liest
man cyrillisch no6AopoB6H@ 6oropoAHm>i a^bu HapYH und HcnoBexaEHd Bipu
npftBOcxasHoa. Bl. 17 enthält 'AsösRBHAapi öoc^hbckYh, d. h. das cyrillische Al-
phabet bosnischer Abart, mit bekannten paläogr. Abweichungen bosnischer
Dmcke. Anf BL 18 liest man >Commentarins litteramm«, d.h. es folgen einige
Bemerkungen zn einzelnen Buchstaben, z.B. h wird von h unterschieden, dann
heißt es >7 et A idem valent«, femer werden i von h gut auseinandergehalten.
Anf Bl. 19 steht leotio abbreviata et plana, d. h. eine Übersicht der Abbrevia-
turen, in cyrillischer und glagolitischer Schrift
Auf Bl. 20 beginnt De partihtu orationüy und zwar zuerst de deelinati<h
nibu$ Nommumj es werden vier Deklinationen aufgestellt: 1) CTapocxa, 2] nasi,
cioBo, 3) KaifeHi, nuTaä, 4) CTajn, iraana. Zu jeder dieser vier Deklinationen
sind einige Bemerkungen hinzugefügt Darauf folgt (Bl. 29) die Deklination
der Adjektiva, ebenfalls mit verschiedenen Bemerkungen, auf BI.32 »De com-
paratione«, und auf BL 33» »de casibus nominum vagabundis«, worttber so
gesagt wird: »Sclavonica lingua casus quosdam habet vagabundos, id est ad
nullum ex sex ordinariis pertinentes, qui cum praepositionibus, uti npH coram
aut penes, na supra, b^ in positi plenam sortiuntur significationem, egr. na
«KttxK in prandio, npH nanazi coram dominis, npH jnDffexx 6oram hominibus,
b' xextsH in ferro, b* aha' in diebus. Et hi vagabundi casus plerumque in a
vel e desinunt, ut b' KOJitsH vel b* »ojilse. PluraHa in (leerer Raum) vel (leerer
Baum) desinunt ut patet supra. Vagabundis casibus in dedinationibus nom.
substant ad locum abblativi crux + apponitnr. Nomina adjectiva vagabundis
earent«. Diesen Notbehelf von einem casus vagabundus veranlaßte die Lücke
in der Deklination, da der Verfasser unter Ablativus nur die Form des Instru-
mentals angibt, darum wurde hie und da beim Ablativus noch die Endung des
Lokals mit + hinzugefllgt, z. B. bei der L und U. Deklination heißt es Abi.
plur. aifx + ax%, bei der m. und IV. mme + az-k. Auf Bl. 34» wird De prono-
minilms gehandelt Hier lesen wir (fol. 37i>) die Bemerkung: Derivatio pro-
nominum fecundior est Sclavis quam Latinis, als Beispiele zitiert er neben
CBosnoch cBOBcsift, so auch TBoftcRiH, MoficKis, Bacxix. Dann kommt: De
158 Kleine ICitteilttiigen.
compositione, variatione ac deriyatione nominum. Für die Kompoaition wer-
den einige Beispiele angeführti wie KpacoMOBim, kpecomobccbo. Znr Variatioii
zählen solche FäUe, wie : ^jioBeR'B-jBDAH, poRi-^iTa, <I%nn Bingolaria nnd pla-
ralia tantnm. Znr Deriyatlon rechnet er Beispiele wie «eAop'B-^eAopöBHTB,
KpaKOBIb-KpaKOBMHHH'B, CJIOH*CKO-CJ(eHSain-CJieHXa^Ka, HeMem>-HeMKHHA, MOCKBa-
MOCRBHTHH'B-MOCROBKa, Und bci Adjektiven: M&xBiii-MadimzHufi-ii&nbceHRiH-
iiajBEbceHeqRiH-MajmceH^qeHRifi. Anf Bl. 40 ist von De generibns nominnm die
Bede — damit beschlieiSt die Deklination. Anf BL 44 beginnt De coningatio-
nibns yerbonun. Zur I.Konjng. rechnet der Verfasser Verba wie kb», Majiraio,
znr IL Yerba mit vorausgehendem Konsonanten, wie uethb, Baps. Das Para-
digma endigt in der 3. pers. sing, und 3. pers. plur. immer auf -Tb. Für das
Präteritum kennt er zunächst nur Bildungen von dem Partizipium auf -x'Lj
wobei auf die Genusunterschiede besonderes Gewicht gelegt wird, so heißt
es, daß das Präteritum imperfectum, perfectum et plusquamperfectum diffor-
miter singulariter und pluraUter uniformiter gebildet werden, wofür Beispiele
gegeben sind: ROBiuieM'&, ROB&JiecB, ROBa.», dann ROBäjiaMi, ROB&.KacL, ROBajca
und ROBa^EOMX, ROBajocB, ROBajio; dagegen Plural nur: robejexcmu, ROB&jHcre,
KOBidUi. Für das Futurum wird neben u 68xoy ROBaTH auch noch 68X8 Rosaa»
zitiert und] dazu bemerkt: Praeter hanc formandi fiituri tempora normam
unum quidqne verbum habet pecuüare futurum simpUciter sonans, vg. crhio.
Der Imperativ lautet in der 3. Person uezaH xsS vel rsotb. Den Optativ bildet er
so : w vel ÖOAftH ölimi robä.s'b, 6bicb ROBajr'B, 6bi KOBaji'B (durch alle Genera), und
als Plusquamperfectum dazu: w vel 6oAa£ 6bim'b öbij^'b moskÄi» etc. Nebst dem
Infinitiv ROBaTH vel ROBaxB zitiert er als Gerundum ROBauA cndendL Daraus
leitet er das Partizip auf aHBiH etc. ab, dann das Substantivum auf -8: ROBanS
cusio. Dagegen ist ihm rbio^h endende gerundium secundum, dieses leitet er
von der 1. Pers. sing, durch HinzufOgnng von -^n ab; aus dem Gerundium
entsteht dann auch das Partizip auf -^iv, -qaA, -voe.
Zu der in dieser Weise analysierten Koigugation kommen nun aber noch
einige Formen der lingua sacra hinzu (Bl. 51), wobei der Verfasser als 2. Pers.
sing, die Form raraiuiemH, dann als Dual mbi rjaroiesi, bbx rjiaraieTe hinzu-
fügt (für die 3. Pers. dual kennt er keine Form, er sagt: tertia caret!). Femer
als Imperfektum : anx rjaroJiaz'B, xbi rzarojiajrB ecv, wh^b] (wna, who) tjiavox^
plur. raarojiaxoM'B, rjaroiacxe, rirarpjiama vel rjiaiuiazB. Als Futurum kennt
er neben 6ba8 r^aroji&TH noch Bosrjiarojs). Das Verbum substantivum wird so
koi\jugiert : u 8cTeM&, xbi ScxecB, vwb Sctb, mbi 8cxecKBi, bbi eoiecxe, qphh cb'xb.
Als einziges Verbum anomalum wird angegeben iwh comedo. Dann kommt
aber noch]>Congeries verbomm variam terminationem habentium« (Bl. 58" ff.},
wo er eine ganze Beihe von Verben, die im Präsens auf ax», ab>, oh>, b», t»,
68, RB, Jiio, HR), ms, nr, ab, 3rb, bb, hb, ps, ob, ^b, xb, mB lauten, einzeln durch-
nimmt, um durch diese mechanische Aufzählung wenigstens einigermaßen dem
Hangel an systematischer Einsicht abzuhelfen. Zum Schluß folgt noch etwas
aus der Vergleichung verschiedener slav. Sprachen untereinander: »Poloni
1. pers. sing, per q caudatum effemnt ut pisz^ Bntheni per s ut mimB, Bohemi,
Moravi, Dalmatae et caeteri (70») reddunt per x vel mn: ummM vel maaxm
(sie) scribo. Praeteritum Poloni cum Buthenis simüe: pisalem : luica.ieM'B,
Kleine Mitteiliuigen. 1 59
nonnnlli Bathenamm dicant nucaBeMi, Bohemi et Moravi reddunt pisai sem
vel pisftw sem vel psaw aem. Sacra lingoa Solavonica praeteritam fonuat per
axB, ut nacazi scripBi, r^urojKazi dixi. InfinitivaB PoloiÜB venit in 6 moUe:
piu^, csytaiS. Sntlieni, Bohemi, Moravi et (70^) caeteri Sclavoniae popoli,
item aaera lingoa in hth yel htl, ut nHcaxH-iixcaTB, vbih, 6hth«.
fSe folgen noch ganz kurze Bemerkungen De ParticipÜB und De genere
Yeiborum. Dann einiges De adverbio und De PraepoBitionibuay De con-
innetionibuB, De interiectionibuB. Auf Bl. 75» beginnt SyntaziB (schön orna-
mentiert). Hier wül er nur das hervorheben, quae a latina constructione dia-
crepant, und zwar zuerst: Constructio genitivL Da erfahren wir u. a., daß
>Bola poBsessio per adiectivum exprimitur« : Kopona RopojieBCRaA non Kopoaa
RpoxAy Bed ubi adiectivum adiungitur : KopoHa kpoja «panuBCKoro vel ramnaH-
cEoro. Ita KOHL reTMaHCKiu, non kobl rexMaHa, sed kohl reTMaaa xspeaKoro.
Dann spricht er vom Genitivus partis: jitun, mh ziit6a panis id est partem.
Vom GenitivuB bei den Verben, die mit Präpositionen zuaanunengesetzt sind,
Beiapiele: t^CTsnaxH ahotu, HaBUKaxH HaÖoacecTBa, aoctbuhxk aeöa, HaAAaxa rpo-
m6K, noAnoMO^ BÖororo, npecraia bjiocth, aacnaTH seqepH, bjath naBa. Etiam
simplieia : 6opoHK> npasa, zopoHiocA xopoöu vel xopoHiDca nepex xopoiSoio, xa6HJi'&
apecB. Comparatio cum genitivo : oioHue lacHiumoe iciceiia, vel cum praep.
aax'b: cjioHue licnikmoe raat» uicem», Superlativus cum ablativo praepositio-
nem adhibet mcxh: cjiohuo BaHAcaiKmoe uexK nAaneraMa, vel cum praep. a:
cxoEne HauACHiumoe s' luan^TOBi, ApacTOTejiecx 8^ MBApuii» HaHMBApeumlH.
Folgt Bl. 77b De Passivis. Ablativum qualitatiB et iuBtrumenti sine praepo-
Bitione tnnc admittunt, quando quis sibi ipsi passionem infert: npawBAodHJ'L
CA uHdxoa), 8a6aji'i> ca HoaseM'L. Alteri ab altero si infertur, per activam locu-
tionem vel per praeteritum passivum a gerundio priori formatnm effertur:
Tuca Mcae 3a5sji'& vel ü ScieifL {& xe6e 8a6HTi>iK. Sacrae lingnae conatructio
paaaiva Bimilis latinae: XpacTOCB KpecrHicA <& IwaHaa bo lepAana. Weiter
folgt: CouBtructio verbi substantivi ecTeic-B sum nominativum vel ablativum
postulat : ecxcMX apaaB vel ecxeM'L apÖAeM'B, Öu.iom'b tforaiuit vel 6i»LieMi 60-
raTum, aocraBaio reTMaaoirL. Unter der ÜberBchrift De deponentibua (BL 78^)
lesen wir: 8acxBaH>-3axHBaio genitivum amat: saxHaas» pocKoma, 6tAU, npanu;
BismBX» gratnlor: BiamB'a) To6t Aodparo baopobsa; paABB>CA ablativum cum
praepositaone b : paAsncA, limscA b Ao6poro saopob'a xBoero; xe^s medeor accus,
gaadet: Jie^B xopoös. Folgt Bl. 79» De impersonalibuB. In to et ho si fuerint
trsnaitiva, casum sui verbi reeipiunt: HanacaHo jucrL. Absoluta intransitive,
id est cum praepositione efferuntur: (ürano, cKaicaHo no «juma vel aa ».laua.
Noch hört man De praepositionibus, De adverbiomm constructione und De
ablativo absolute. Vom letzteren wird gesagt: Apud Sclavonos perpetuo for-
matnr in ma: aanacaBma JucT^b, mutata syllaba jicmi in ma: Bamicaaeif'& : aa-
1IH€aB^u^ ^uraaeMi : vaxaBma. Ablativus absolutus praesentiB a Sclavenis per
circumlocution^ effertur: kofau naaoBajrB apou, vel sa: sa apojieBiHA kp<Ua.
Tempus genitivo vel ablativo exprimitor: xoro ^&cb et xuirb ^acoM-B, loro ffaa
. . . Constructio locorum cum praepositionibus : npaöxaxH xBmtu ao üapiusa.
Noch kommen einige Bemerkungen de numeralibus. Betreib der Prosodie
sagt der Verfasser: dicere tarnen ausim SolavoniB omnibus BjUabas positione
160 Kleine Mitteilimgeii.
plemmqne eese longas, nt säi^Huic, cMävEuv, abi aa cMa longae sunt Unter
der OberBchrift »Garmmum compo8itio< wird ein kirchenBlaviaches und ein
polnifchee Distichon zitiert: EzarociöBeHHUH ^uioBiRi KorpuH onxi^ (kSrv | i
npe> nHOTU lopsen xo H66a Aopör» | B^d^ ja zawsze wielbiJt imi§ boga mego \
üie wynidzie z ost moieh nigdy chwala iego, dann wird das WerkKochanow-
skia (offenbar sein Psalter) empfohlen and zum Schloß auf Bl. 84 — 85 werden
die Zahlwerte einzelner Buchstaben vorgenommen, bis /t^r TpH xHceqx, jfi^e-
TBi^H THce^H, /rTiu' THce^eH. Beliqna fere inositata sunt Hiermit schließt
das Manuskript: Atque haec de rebus grammaticis abunde dicta snfficiant
idque ad M.D.G. et B.y.M. Die nKchstfolgenden sechs Blätter sind leer. Am
Schluß die Bibliotheksnotiz : 91 fenillets.
Über das Verhältnis dieser Bearbeitung der Grammatik Tom J. 1645 zu
dem Pariser Exemplar vom J. 1643 läßt sich nach der kurzen Analyse des
Pariser Textes nur so viel sagen, daß die beiden Exemplare in vielen Dingen
sehr nahe Übereinstimmen^ und doch ist die zweite Bearbeitung eine Erweite-
rung und wie es scheint, hie und da, eine Berichtigung der ersten Arbeit Die
Berttcksichtigung des glagolitischen und cyrillisch -bosnischen Alphabets
scheint in dem Pariser Exemplar nicht enthalten zu sein. Dagegen finde ich
die allgemeine Bemerkung Aber die Aussprache der Konsonanten, die Sobo-
levskij zitiert, in der neuen Bearbeitung nicht Berichtigt erscheint die zweite
Bearbeitung darin, daß die Deklination nicht mit dem AdUektivum, sondern
mit dem Substantivum beginnt Bei diesem ist für die I. Deklination dasselbe
Paradigma cTapocTa angewendet, das bei Sobol. zitierte auoRa kehrt auch hier
in der Bedeutung prolongatio (nicht procrastinatioj wieder, mit dem Dativ
Buoue. Fttr die ü. Deklination gelten in dem Pariser Exemplar als Paradigmen
uMjTh und 6o8^cTBo, zBonHCRo, bei uns aber u&vh und cjiobo, das Wort xjionxcKO
vir crassus und rIhcro baculus magnus kommen unter den zitierten Beispielen.
Unter den angeblichen Ausnahmen des flüchtigen e und o werden auch hier
die Worte poR^ doRi, cmorx, npopoRi, <l^poR'&, xapjsoR'i, ctor'b, uotori, nocom,
iijioBiR'&, npoR'B zitiert Für die ni. Deklination sind im Pariser Exemplar als
Paradigmen angeführt: RaMeni, TyntA (rycTaK bei Sobol. scheint Druckfehler
zu sein), sliaBene, tojia, bei uns aber RaiieHL, ryjrafi, Bojane, tojia. Das Übrige
scheint Übereinzustimmen. Für die lY. Deklination zitiert SobolevskiJ ntcu
und JU0HH, bei uns dagegen cran und xaaEJL, dagegen wird h^chb nebst anderen
Worten unter den Übrigen Beispielen angeführt. Auch in dem Kapitel De com-
paratione steht bei uns an erster Stelle das Adjektiv ^&phbih, vapHeHmiS, Ha&-
vapHi^mHÖ, dann erst sauHUK u. a. Die Bemerkung de casibus vagabundis
kehrt bei uns beinahe in derselben Fassung wieder, wie im Pariser Exemplar.
Jeden&lls wird man den Yerfiuiser dieser in zwei Exemplaren erhaltenen
Grammatik der kirchenslavischen Sprache von nun an unter der Zahl der-
jenigen SOdwestrussen nennen müssen, die sich um die Mitte deBXVn.Jahrh.
um die grammatische Seite dieses Kirohenorgans kümmerten, deren Tätigkeit
sich bekanntlich von Wilno und K^ew bis nach Rom erstreckte, wo selbst
Levakoviö ihren Einfluß verspürte. Ob Joannes Uievi& sonst noch was ge-
schrieben, weiß ich nicht; überhaupt über die Schicksale des Mannes näheres
zu erfahren — das muß ich dem Eifer der Kleinrussen überlassen. F. J.
VBRLAG DER WEIDMANNSCHElf BUCHHANDLUN« IN BERLIN.
Soeben erschien:
PSALTERIUM
BONONIENSE
INTEBPßETATIONEM VETEBEM SLAVICAM
CUM
ALHS CODICIBÜS COLLATAM.
AÜNOTATIONIBUS ORNATAM,
APPENDICIBUS AUCTAM
ADIÜTUS ACADEMIAE SCIENTIARÜM VINDOBONEN-
SIS LIBERALITATE
EDIDIT
V. JAGifc
ACOEDÜNT XIX SPECIMINA CODICUM
Lex. 80. (Vni u. 968 S.) Geh. 25 Mark.
Der altkirchenslawische Bologner Psalter liegt endlich in
dieser prächtigen Ausgahe vollständig Yor. Ihm ist ein Kom-
mentar beigegeben ; dessen griechische Vorlage nächstens er-
Bcheinen wird. Die Ausgabe ist mit der Unterstützung der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien mit ganz
neuen cyrillischen Typen gedruckt und enthält außer dem Psalter,
teils in parallelen Texten teils in kritischen Anmerkungen, noch
mehrere andere gleichartige Denkmäler.
VERLAG DER WEIDMANNSCHEN BUCHHANDLUNG IN BERLIN.
CODEX SL0VENICU8
BKRtJM ORAMMATICABTTH
EDIDIT
V. JAGIC.
4". (XXIII u. 782 S.) 1896. Geh. 15 Mark.
VETERIS TESTAMENTI PßOPHETABÜM
INTERPRETATIO ISTRO-CßOATICA SAECÜLI XVI.
Adjuvante Academiae litterarum caesareae Vindobonensis liberalitate
edidit
gr. 80. (VII u. 316 S.) 1897. Geh. 10 Mark.
Diese um das Jahr 1563 gemachte Uebersetzung der Lutherischen Ueberseteung
der Propheten im istrokroatischen Dialect, deren erste Ausgabe vemichtet su sein
schien, wurde in einem einzigen erhaltenen Exemplar in einem Stift OberGster-
reichs entdeckt und wegen der Vortrefflichkeit der Sprache derselben von dem Akade-
miker V. Jagiö mit Unterstatzung der kais. Akademie der Wissenschaften heraus-
gegeben.
DAS SLAYISCHE HENOCHBÜCH
VON
N. BONWETSCH.
(Abhdlgn. d. Kgl. Ges. d. Wissenschaften zu Göttingen. Phil.-hist. Kl. N. F. Bd. I No. 3.)
40. (ö7 S.) 1896. Geh. 4 Mark.
ALTPOLNISCHE SPRACHDENKMÄLER
SYSTEMATISCHE OBERSICHT, WOBDIßM ÜKD TEXTE.
EIN BEITRAG ZUR SLAVISCHEN PHILOLOGIE
VON
W. NEHRING.
gr. 80. (VIII u. 324 S.) 1887. Geh. 8 Mark.
Mit 1 Beilage von B. Bebras Verlag in Berlin.
Druck toi» Breitkopf ft H&rtel in Leiptig.
((
ARCHIV
FÜK
SLAVISCHE PHILOLOGIE.
. ÜMTER lOTWIKKÜMG
A.BBÜCK»£I1, A.IESKIE», W. NEHmSG, F. FORTDNATOV,
BEBLIV. LEIFKIO. BBESLAU, BT. PBTBI18fitRO,
C. JIRECEE, ST. NOVMOnC, A. S0B01ET3EU,
WIBN. BELOBAD, St. PBTBSeBUBO.
HBRAD8QEGBBKN
V. J A G I C.
NEÜNUND ZWANZIGSTER BAND.
ZWEITES UND DEITTES HEFT.
BERLIN 1907.
WEIDMANNSCHB BUCHHANDLUNG.
S.W. ZIMMERSTRASSE 94.
I, K. 1>. RICKEB.
J-
INHALT.
Abhandlungen. g^;^
Der Spirant v vor o aus idg. 9nm Urslayischeni von G. Iljinskij 161
Quelques remarques sur la langue polabe, par Casimir Nitsoh 169
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromfr Erben, mit besonderer Berdck-
siohtigung des Gedichtes »Z4ho^ovo loze« (Schluß), 7on Jaroslar Sutnar 184
Besiehungen der ukrainischen historischen Lieder, resp. »Dumen«, zum süd-
slavischen Volksepos, von Michajlo Ter8akoye<5 221
Drei Fragen aus der Taufe des heiligen Vladimir, von StjepanSrkulj. . . 246
Beiträge zur Quellenkritik einiger altrussischer Denkmäler, von Iwan Franko 283
Beiträge zur serbokroatischen Dialektologie, von FranjoFancev 905
Beiträge zur Kulturgeschichte des serbischen Volkes, I von Aleksalviö . . 390
Kritischer Anzeiger.
Vondr&k, Vergleichende slav. Grammatik, angez. von V. Forzezinski . . . 411
Schrader, Sprachvergl. und Urgeschichte, angez. von A. Brückner 429
Brückner, Gesch. d. poln. Sprache, angez. von H. Uiaszyn 440
Zum slavischen Folklor:
Federowski, Folkloristisches aus Weißrußland, angez. von G. Polfvka . 445
Bomanov, Weißruss. Erzählungen, angez. von G. Polfvka 454
Medveck]^ Monographie über Gyetva, angez. von G. Polfvka . . . . . . 458
Speranskij, Aus Altägypten, augez. von G. Polfvka 461
Gavriloviö, 20 serb. Volkserzählungen, angez. von G. Polfvka 469
Baudonin de Courtenay, Slavisches aus Norditalien, angez. von G. Polfvka 473
§aselj, Aus dem Volksleben in Adlesi6i, angez. von Ivan Gräfe nauer . . . 475
Kleine Mitteilungen.
Einige serbokroatische Lehnwörter, von P, Skok 477
Alle Einsendungen für das »Aichiv für slavische Philologie c sind
an mich nach Wien V in. Kochgasse 1 5, cu richten.
Y. Jagic.
Das Aichiv füi slavische Philologie erscheint in Heften lu
10 Bogen oder Doppelheften zu 20 Bogen, je vier Hefte bilden einen
Jahrgang. Preis für den Band 20 Jf, für einzelne Hefte 6 Jl.
Der Ladenpreis für die bis jetzt erschienenen Bände I — XXVHI
beträgt 561 Jf. Dazu gehört: Supplementband zum Arohiy für
slavische Philologie, enthaltend: Bibliographische Übersicht
über die slavische Philologie 1876 — 1891, zugleich Oeneral-
register zu Bandl — ^XUI von Fr. Pastrnek. gr. 8. (VUIu. 415 S.)
15 uT.
Berlin. Weidmannsche Buchhandlung.
Der Spirant v yor o aus idg. 9 im Urslayischeii.
Die Teigleichende SpraohwiBsensohaft hat schon Iftngst die Tatsache
festgestellt, daß bereits in der indogerm. Grundsprache nnsilbisohes ^ in
gewissen Fällen Tor folgendem Vokal ausgefallen ist. Vgl. z.B. gr. %i'Avov
n iL fökäm > Nachkommenschaft« ; gr. ro/, lat. tibi zu gr. ai aus *t^e^
ai. itam\ gr. q>ißofiai aus q>fißo^ai zu qftifyia^ gr. doiöq zu ai. dvayäa
»doppelt«; gr. di-^ lat. di- zu lat. bi aus *d^%-\ gr. %oltai zu preuß.
^t^ 'Wille«, lit. kveczü »lade ein« ; gr. fi^ aus *%yfiih9 zu lat. «ea;,
dt <^^, lit 9ze%z\ asl. mecTb, ai. ja^; gr. a/o^ zu lat. ^b%\ gr. fi^^og
n goi Wc^tt« usw. Vgl. Hirt, Handb. der gr. Spr., § 199.
Warum unsilbisches ^ in den einen FftUen schwindet und in den
anderen bestehen bleibt, ist ein noch unerklärtes linguistisches Rätsel.
Aber es ist von hohem Interesse, die Tatsache festzustellen, daß man
ehras Ähnliches nicht nur in der idg. Grundsprache, sondern auch im Ur-
Blaiischen finden kann. Während aber in jener unsilbisches ^ vor fast
allen Vokalen und nach fast allen Konsonanten ausfallen kann, fällt es
im ürslavisehen hauptsächlich vor o aus, und zwar nicht yor jedem o,
sondem nur vor dem o, das aus idg. 9 entstanden ist und auf einen von
den idg. postlingualen g^ k und kh folgt. Ich sage »hauptsächlich« und
sieht »ausschließlich«, wenn die recht zahlreichen Fälle, in denen im
ürslavisehen y^ nach 8 ausgefallen ist, nicht in die idg. Urzeit znrflck-
reichen, wie dies Boknsen in seinen »Untersuchungen« 8. 197, 211 m.E.
sehr flberzeugend nachgewiesen hat.
Indem ich die obige Begel aufstelle, muß ich jedoch zuvor gestehen,
daß ich über kein besonders reichhaltiges Tatsachenmaterial verfttge, um
lie zu stutzen. Dieser Umstand ließ sich übrigens voraussehen, denn
nicht nur in den slavischen, sondern auch in den anderen indogermanischen
Sprachen ist die Zahl der idg. 9 entsprechender Fälle verhältnismäßig ge-
ring, und wenn der künftige Verfasser einer ürslavisehen Grammatik alle
Fälle aufiBählen wollte, wo wir Parallelen zu idg. 9 haben, so würde seine
Liste nicht sehr lang sein. Aber zur Bestätigung einer phonetischen Regel
bedarf es häufig nicht einer großen Zahl von Tatsachen, es kommt viel-
ArtklT fftr •UTiiehe Pkilologit. XXIX. 11
162 G. Hjinakij,
mehr auf die Qualität dieser Tatsachen i) an, und dieser Umstand ULßt
mich hoffen, daß die weiter unten angeführten Fakta nicht ohne Bedeutung
ftlr die Geschichte des Spiranten v im UrslaYischen sind.
Ein Beispiel, das die von mir aufgestellte Regel m. E. besonders
g^t veranschaulicht, ist das folgende.
I. Im ürslavischen gab es ein Substantivum *kop^ »Bauche. Dies
bezeugen vor allem Sech, kop »Rauch« und russ. koifl id. Gebrftuchlicher
ist das Wort in den modernen slavischen Sprachen mit dem Suffix -%^;
vgl. Sech, kopetj niedersorb. kopij poln. koped, russ. kohotl. Yerbalde-
nominativa dieses Wortes sind erhalten in 6ech. koptiiij poln. kopciöy
russ. KOOTHTb, KonriTb.
Wie steht es nun mit der Etymologie dieser Wörter? Es ist zu be-
achten, daß iech. kop und russ. koifl fast Laut für Laut lit kväptxs
»Rauch« entsprechen und zugleich in der Bedeutung damit YöUig ftberein-
stimmen. Gewöhnlich wird aber lit. kväpas zu lat. vapar, gr. xaTtf^ög
»Rauch« gestellt, d. h. zu idg. *qu9p' Fick I« 396, Br. Gr. V § 193, 319,
343, KVG § 130, 167, ühlenbeck Ai. Et Wb, 58, Walde 160, 648, Zu-
pitza, Germ. Gutt. 55. Was die letztgenannte Wurzel betrifft, so führen
die meisten Forscher sie auf idg. *qeyßp^ zurück, und Hirt Ablaut, § 45 1
sogar auf ein dreisilbiges *qeyi£pei'' d. h. auf dieselbe Wurzel, deren Y II
ursL kypiti darstellt (asl. KunliiTH, big. icnniA, serb. Kmi&eTH, slov. ki-
pitiy Sech. kypSti, obersorb. kipieö, poln. kipieö^ russ. KnniTb). Sl. *kopbj
das wie lit. kväpaSy lat. vapor und griech. yia7cv6g der Reflex einer anderen
Wurzelvariation ist, konnte nur aus sl. "^kvopb = idg. *qu9po* entstehen.
U. Ein anderes Beispiel, das dieses Gesetz bestätigt, ist nicht weniger
merkwürdig.
Im Urslayischen gab es die Wörter "^kopz und *kopa »Haufen«. Die
erstgenannte Form bezeugen slov. kdp »Büschel, Schopf«, obersorb. kop
»Gipfel«, »Kamm auf dem Kopf eines Vogels«, russ. Kon'B »Haufen«;
aus der zweiten Form sind entstanden: big. Konä »Heuschober«, serb.
Kdna id., slov. köpa »Büschel, Schopf«, »Heuhaufen«, iech. kopa
»Haufen«, »Heuhaufen«, obersorb. kopa »Haufen«, poL kopa »Haufen«,
»Heuhaufen«, russ. Kona id. Wir haben dieselbe Wurzel mit dem Suffix
"hnr- in obersorb. kopjen »Heuhaufen«, großruss. (Twer, Pskow) Konem»
^) Ich erinnere daran, daß das bekannte Gesetz Lid^ns über den Abfall
von anlautendem ^ vor r und / im Baltisch-Slavischen (Ein baltisch-slavisches
Anlautgesetz, Göteborg 1899) auch auf einer sehr beschränkten Zahl von Tat-
sachen beruht Vgl. auch Rozwadowski Quaestionum series altera 8.
Der Spirant v vor o ans idg. 9 im UrshtviBchen. 1 63
id., sowie in mss. Koiraa, und mit dem Suffix -bc- in 5ech. kopec »Haufen«,
poln. kopiec »aufgesohfltteter Erdhflgei«. Von derselben Wurzel sind
zweifellos folgende Yerba gebildet: sloy. kopiti »anhäufen«, ieeh. kopiti
id., obersorb. kopiö »anhäufen, auftflrmen«, poln. kopiö »sohobem, sam-
meln«, mss. KomiTii »sammeln, sparen«.
Eine einigermaßen befriedigende Etymologie dieser Wörter ist meines
Wissens noch nieht gefunden worden. Ihre Entstehung wird indessen
yerständlicher, wenn wir beachten, daß es im Urslavischen Wörter gab,
die den genannten nicht nur der Bedeutung nach sehr nahesteheo, sondern
ineh was die Suffixe betrifft, und die sich von ihnen nur durch ihren 'U-
Vokalismus unterscheiden. 80 gab es im ürslayischen neben *kop^
»Haufen« ein *kupi>y das dieselbe Bedeutung hatte, wie solches asl.
KOifn'k, big. KyiTB. serb. ic^n, slov. küp beweisen; neben *kopa »Haufen,
Heuhaufen« gab es im ürslayischen ein *kupa mit derselben Bedeutung,
wie dies big. Kyn& »Heuhaufen«, serb. Kyna »Haufen«, Sech, kupa »Ge-
treidehaufen, Heuschober«, obersorb. kupa »Htlgel«, poln. kupa »Haufen«,
mss. Kyna id. darstellen; endlich fand sich im Ürslayischen neben dem
Yerbum * kopiti »sammeln, anhäufen« das Yerbum *kupiii mt derselben
Bedeutung; dies geht aus serb. k^^uhth »sammeln«, sloy. kupiti »an-
häufen«, iech. kupiti ii.y poln. kupiö »sammeln«, russ. KynHTb id. henror.
Wenn die Herkunft yon ursl. *kupbj *kupa und *kupiti ebenso
dunkel wäre wie die yon ursl. "^kopb^ *kopa und *kopiii, die ihnen so-
wohl in Bezug auf die Bedeutung wie in Bezug auf die Suffixe gleich-
stehen, so hätten wir durch diese Gleichung natOrlich nichts gewonnen.
Aber glficklicherweise ist die Etymologie der ersten Reihe längst bekannt.
ürsL *kup^, *kupa usw. sowie lit kaüpas »Haufen, Hflgel«, ahd. kauf
»Haufen«, apers. kaufa »Berg«, gehen auf idg. *£öt(p- zurflck. YgUFick
I^ 27, 380, Br. Gr. P § 421, Prellwitz» 251— 252, Walde 160, Zupitza,
Germ. Qutt. 110, 115, Bemeker IF. X 152, EpaHA'TB, Aon. sau. 88,
Meillet, £tudes 219, 236. Wie yiele andere Wurzeln der -u-Beihe kann
auch die Wurzel *kdup~ auf eine idg. zweisilbige Wurzel *ko^ep' zurück-
gehen. Je nach der Akzentstellung konnte diese Wurzel noch im Indo-
germanischen die Varianten *kdup' und ^k^ap- bilden. Die erstgenannte
Form mußte im Slayischen zu *kup~ werden (woyon ursl. *kuphy *kupaj
kupiti)y die zweite zu *kvop-y woraus dann nach unserer Regel *kop'
(ursl. *kopbj *kopaj *kopiti) entstand.
m. UTfi!L,*kolino *y6w* (asl. koa'Kho, big. KOxiHO, serb. KOibeno,
sloy. kol4no^ iech. koleno^ obersorb. koleno, poln. kolano^ russ. KOjiHo),
11*
164 G. njinekij,
das Meillet, Stades 444, ohne Grund von nrsl. *kolino qyöltj trennt, wird
gewöhnlich zn lit kelys »Knie« gestellt, welches anf idg. *q^el- »sich
drehen, sich bewegen« znrflckgeht. Vgl. lat colo, gr. Ttilof^aij sl. *koIo
nsw. Fick P 389, Br. Gr. I^ § 653, Uhlenbeck AI. Et. Wb. 86, PreUwitz^
359, Walde 132—133, Hirt, Ablaut § 774. Ich halte diese Etymologe
fHr wahrscheinlich, möchte aber gleichzeitig darauf hinweisen, daß sUv.
kolSno sehr wohl auch zu pr. po-quelbton »kniend« gestellt werden kann
(Bemeker, Preuss. 8pr. 302), das Br. Gr. P § 279, KVG § 157 mit Ht.
klüpti »niederknien, stolpern« und gr. n&XTcri aus *xfdl7trj »Trab« ver-
gleicht. Wenn dies richtig ist, so kann slav. *kolino in seiner Wurzel
auf idg. *q^9l^ zurflckgehen, das ohne das Determinativ -£(/>)- ins Sla-
vische flberging und dort das Suffix ^Sno erhielt; dieses Suffix bezeichnet
das Wirkungsobjekt: wie z. B. *polSno »das was brennt« bedeutet, so
bedeutet *kol6no »das was sich biegt«. Mithin würde slav. *kolino in
semasiologischer Hinsicht eine interessante Parallele zu gr. yopvög »Bie-
gung« und gr. yiovia »Winkel« darstellen, die bekanntlich von 9i.jänu
»Knie«, gr. y6w id., lat. genu id. usw. etymologisch untrennbar sind.
Es ist schwer zu sagen, welche von diesen beiden Etymologien des
slav. *kol6no mehr für sich hat: sowohl die Bedeutung »sich biegen« wie
die Bedeutung »sich drehen« lassen sich mit dem Begriff »Knie« ver-
einen. Stellt man sich aber auf den Standpunkt einer primitiveren Auf-
fassung — und nur eine solche Auffassung kann bei der Erforschung
archaischer Wortformen in Betracht kommen — so Iftßt sich kaum daran
zweifeln, daß die Bedeutung »sich biegen« als die ursprflnglichere und
konkretere für den Begriff »Knie« als Grundbedeutung zu gelten hat,
denn der Begriff »sich drehen« oder »sich bewegen« wäre fdr »Knie« ein
gar zu allgemeiner und man könnte ihn eher mit dem unteren Teil des
Fußes in Zusammenhang bringen als mit dem oberen. Unter Berück-
sichtigung aller dieser Umstände ziehe ich nicht nur die zweite Etymologie
vor, sondern bin sogar geneigt, lit. kelys nicht als aus der Wurzel *q^el',
sondern als aus dem Worte *qvely8 (vgl. preuss. po^quelbton) entstanden
zu erklären. In *qf/Lely8 ist dann ^ aus phonetischen Gründen ausgefallen
oder infolge irgendeiner Volksetymologie, die es z. B. mit dem Yerbum
kilti »aufheben« in Zusammenhang brachte.
IV. Ursl. *kaSa (big. Kama, serb. Käma, slov. käia^ 6ech. kaie^
obersorb. kaia^ poln. kasza, russ. Kama) ist etymologisch noch nicht ein-
wandfrei erklärt worden. Am wahrscheinlichsten ist die Zusammen-
stellung Zubatys ASPh. XVI, 395, mit lit. kasziu »seihen«, wonach Xra/a
Der Spirant t; yor o aiu idg. » im UnUyiflchen. 1 65
»das Dorehgeseihtec bedeaten wttrde. Aber diese Erklärung ist nnr auf
den ersten Blick wahrscheinlich, denn die Entstehung des litauischen
Wortes selbst ist rätselhaft und aoBerhalb des baltischen Sprachgebiets,
wo sich nochlett. käst »seihenc, lett. kästarü »Seihetnch« findet, kommt
es wohl nicht vor. Der Versuch Znpitzas, Germ. Outt. 103, gr. %6a%tvov
»Sieb«, als ihm verwandt hinzustellen, ist nicht glücklich, nicht nur des-
halb, weil er zu diesem Zweck lit. köazti in kos- «z^t zerlegen muß, sondern
Tor allem, weil gr. Y.6a%vvov als Reduplikation der Wurzel *8k[h)i »trennen,
spalten« erklärt werden kann. Persson Zur Lehre 113, Prellwitz^ 230.
Wenn Walde Lat. Et. Wb. 132 dazu lat. colum stellt, das er aus qoU-slom
entstanden sein läßt, so darf man nicht vergessen, daß lat. colum nach
Lindsay, Die lat Sprache 128 seiner Herkunft nach zweifelhaft ist und
phonetisch ebenso gut auch aus *cavülum »kleine Öffnung« erklärt werden
kann. Vgl. lat. caulaej caullae »Höhlung^ öflhung«. Aber nicht so sehr
diese morphologischen Schwierigkeiten als semasiologische Schwierigkeiten
veranlassen mich, die Etymologie Zubatys anzuzweifeln. Es ist nämlich
bei der Bereitung von Grfltze durchaus nicht unbedingt nötig, sie durch
einen Sieb zu seihen. Selbst in den Kulturländern geschieht dies auch
in verhältnismäßig wohlhabenden Häusern keineswegs überall.. Um so
weniger darf man erwarten, daß es in der indogermanischen oder ur-
alavischen Urzeit, in der das Wort kaia entstand, geschehen ist
Alle diese Schwierigkeiten schwinden von selbst, wenn wir das
slavische Wort *kaia zu ai. kvAthati »er kocht« und got hvapö »Schaum«
stellen. Was die Bedeutung betrifft, so kann diese Gleichung kaum ernst-
liche Entg^nungen hervorrufen, da jede Grütze gekocht wird und jede
Orfltzart hierbei »Schaum« geben kann. Was das phonetische Verhältnis
dieser Gleichung betrifft, so wird es sofort klar, wenn wir unsere Regel
darauf anwenden. Beide Wörter gehören nach der scharfsinnigen Ety-
mologie Pedersens IF. Y 38 zu derselben Wortgruppe wie lat cäseus
und slav. kysnqti^ kva^ und gehen auf idg. *guät[8y zurück. Indem
wir mit dieser Etymologie die vonHirt, Ablaut § 392 gebotene Etymologie,
wonach slav. *kv(U^^ *ky8nqti usw. auf idg. *ko^ä-8 zurückgeht, kom-
binieren, — Hirt erklärt dabei nicht, warum 8 in kysel in diesem Falle
nicht zu ch wurde, was wiederum, wenn man Pedersens Standpunkt teilt,
ganz verständlich ist — können wir fttr das idg. drei phonetische Vari-
anten dieser Wurzel konstruieren: 1. *k^ät8'f woraus lat cäseus, slav.
kvasi ; 2. ^koy^ts, woraus später *küt8 und hierauf slav. ^kys- in *ky8el,
*kysnqti entstand, und 3. *ku9tS'. Letztere mußte im Slavischen *kvo8')
166 G. üjinskij,
*ko8' ergeben. Und ebenso wie bereits im Urslavischen von ^koasb das
Yerbom *kv<mti (ygl. asl. KsacHTH, big. Ksacu, serb. KsäcHTH, sIoy.
kvdsttiy ieeh. kvtisitij poln. ktoasiöj mss. KBacHTi») gebildet wurde, konnte
Yom slay. *ko8 = idg. ^^pj^B- das Iterativnm *ka8iti gebildet werden.
Und ebenso wie von *kv<mt% im Slaviscben *kvaia (ygl. sIoy. kvdia,
poln. kwasza nnd mss. Ksama) gebildet wurde, konnte vom nrslav. *kasiti
im Slavisohen *kaia gebildet werden.
y. Zu den etymologisch dunklen Wörtern im Urslavischen gehOrt
das Adjektivum *goh (vgl. asl. rOAii, big. foj'b, serb. rö, slov. gdl^ ceoh.
hol^j obersorb. holy, poln. goly^ russ. rojnJHJ. Einige Forscher stellen
dieses Wort zu lat. calvus > kahlköpfig«, aber die anlautenden Konsonanten
sprechen dagegen. Genauer entspricht in dieser Hinsicht goh dt k(ihl
»kahlköpfig«; nach der Meinung Kluges KZ. XXXI 91 kann letzteres
aber aus dem Lateinischen entlehnt sein. Der Versuch Zupitzas KZ.
XXXYU 389 slav. gol und dt. kahl und lat. calvus ^ ai. ktUva^ als » An-
lautdoubletten« zu betrachten, wttrde keine Bedenken erregen, faUs es
keinen anderen Weg gäbe, das Wort zu erkl&ren. Man kann jedoch slav.
goh auf sehr einfache Weise erklären, wenn man es zu slav. *gulti%
»abschälen, abschinden« (vgl. serb. f^jehth, slov. güliti) und iuliti (serb.
H^jraTH, slov. iuliti) stellt. Obwohl diese Verba jetzt nur in zwei sla-
viscben Sprachen gebraucht werden — vielleicht gehören übrigens auch
big. xyjiMk »eine Wunde reizen« neben serb. T&fjb »Schwiele, Hühner-
auge«, slov. iülj id. dazu — so ist au dem indogermanischen Ursprung
ihrer Wurzel doch nicht zu zweifeln, den fast gleichzeitig tmd unabhängig
voneinander Bemeker IF. X 156 und Zupitza Germ. Outt 145 gefunden
haben. Wenn dem so ist, so kann uns nichts hindern, slav. *gul~ auf
eine idg. Wurzel *göul- aus *ga^el- zurückzufahren; aus einer anderen
Variante von idg. *go^el'' *g%9l- ist ursl. *goh entstanden. Mithin be-
deutete nach dieser Etymologie ursl. *goh nicht so sehr »kahl« als »ab-
geschält, abgeschtmden«.
Als morphologische Stütze für diese Etymologie dienen die Verben
guliti und iuliti \ aber selbst wenn wir bei unserer Beweisführung nicht
die Möglichkeit hätten, uns auf sie zu stützen, so würden wir auch dann
zu derselben Etymologie gelangen, sofern wir nur die Semasiologie des
in Frage stehenden Wortes sorgfältig berücksichtigen. Man kann in der
Tat das interessante Faktum nicht gut übersehen, daß ursl. *goh als
Prädikat belebter wie unbelebter Gegenstände gebraucht werden kann,
während sein Synonym '^nag^ nur in Bezug auf den Menschen gebrauch-
Der Spirant v yor o ans idg. 9 im UrBlavischen. 167
lieh ist So sagt man im RnsBischen nie Haraa seMXfl, wohl aber oft
rojafl aeiufl ; es heißt nicht Haraa cT^Ha sondern nnr rojaA CTina; man
sagt nicht narafl erenB, sondern einzig und allein rojiaA CTenL ; ein glatter
nnbemooster und sehimmelloser Stein wird nicht '^HarnnTB, sondern nnr
rojamrB genannt nsw. Der Umstand nnn, daß gerade nnr *goh das
Prildikat unbelebter Gegenstände ist, dient als Beweis, daß seine nr-
sprOngliehe Bedentang nicht »entblößt« oder »kahlköpfig« war, sondern
eben »abgeschftlt«, »abgeschunden«, »abgerupft« u. a. m., also eine Be-
deutung, die ursl. *naffh ganz fremd ist^j.
YL In den südslavischen Sprachen findet sich das AdjektiTum ochoh
in der Bedeutung »stolz, hochfahrend, eingebildet, prahlerisch« (vgl. big.
oxoxB, serb. bxoj, slov. oh^Tj. Verbunden mit dem Suffix ^sth haben
wir dasselbe Wort im serb. oxojioct, sIoy. oholost »Hochmut«.
Schon die Bedeutung dieser Wörter verlockt dazu sie zu ursl. *chvala
(asL )^R4A4, big. xBaJia, serb. XBäjia, slov. Aväla, Sech, chvdla, obersorb.
khfoaiuj poln. chwaioj russ. xsajia) zu stellen. Uhlenbeck Ai. Et. Wb.
355 hält dieses Wort ftlr eine Entlehnung aus dem Deutschen, jedoch
ohne jeden Grund. Da anlautendes s nach den Gesetzen der slavischen
Phonetik nicht zu ch werden muß, bin ich am ehesten geneigt, die Wurzel
von cktala auf eine idg. schallnachahmende Wurzel ^khöu- zurflckzu-
fOhren. Dieselbe Wurzel haben wir, wie Lid^n ASPh. XXVUI kürzlich
gezeigt hat, in arm. xattsim »ich spreche«. Von ihr darf auch ursl.
*chula (asl. X^V^^y ^^S* ^^^ ^^^^' ^f^^t ^^s* xy<i&) nicht getrennt
werden, das Pedersen IF. V 64 und Uhlenbeck Got. Et. Wb.^ 26 m. E.
sehr mit Unrecht zu got. bi'Sauljan »besudeln« stellen, indem sie sl. und
got 8 ohne Not auf idg. -ks- zurflckfdhren. Sowohl sl. *chvala wie sl.
*chula bedeuteten ursprünglich in ihrem wurzelhaften Teil einen Schrei,
und zwar lag der Bedeutung von * chvdla > Jubelruf« oder »Triumph-
geschrei« zugrunde, der Bedeutung von *chula dagegen »Schrei des Un-
willens oder des Tadels«.
1) Diese ErwSgungen lassen vermuten, daß »rduuc in Bezug auf den
Menschen ursprünglich nicht so sehr »das Fehlen von Kleidung auf dem
Körper, das Unbedecktsein des Körpers«, als »das Fehlen von Behaarung auf
dem Körper, das Fehlen von Kopfhaar und Bart« bedeutete. So wird die
schon vonMiklosich EtWb. 7 gegebene Etymologie des weaUhgolec »Bursche«
und goif »Kind« als Benennungen »bartloser Menschen« bestätigt Ob nicht
hiervon auch iech. hoch Knabe (vgl. 6ech. Pech von Petr oder poln. Stach von
Stanüiaw etc.) gebildet ist, das Gebauer Slovnik staroiesk]^ zu ahd. haehe
stellt?
168 ^' IQinekyi
Wa8 das phonetische VerhAltnis der Woneln beider Wörter betrlffl,
so wird es klar, wenn wir ihre idg. Wnrzel *khäur anf ein Uteres iwei-
silbiges *khoy(ar znrflckfQhren, dessen Variante *khou-' yerbnnden mit
dem Suffix -2a im Urslayischen das Wort *chtda bildete, wShrend seine
andere Variante *kh^ß' mit demselben Suffix *cAvala ergab. Die dritte
Variante *kh^9' schließlieh ergab nrsl. *choh^ das sich im heutigen sttd-
slavischen ochoh erhalten hat. ^t dem einen Zustand beEcichnenden
Suffix ^t~ Tcrbunden haben wir idg. *kh\(dr und *£%9- in sl. *chvattat%
(slov. chvastdti, rnss. xsacTaTL) und *cholo8th (im heutigen stldsL oeho-
losth). Endlich wurde im Slavischen tou slav. *choh das verloren ge-
gangene Iterativum *chaliti gebildet und von diesem sind rnss. oxaii»-
HH^aTB, HaxaxBHH^aTB, HaxajTB gebildet^).
Vn. Die Frage, in welchem Verhältnis ursl. *ch%Uti zum Verbum
*choUt% steht, beschäftigt schon seit langer Zeit viele Forscher. Ich
werde die Aber diese Frage geäußerten Ansichten hier nicht besprechen:
ich habe das in dieser Zeitschrift schon (ASPh. XXVUI 457—469) getan.
Ich gestatte mir, hier nur darauf aufmerksam zu machen, daß m. £. das ^ in
ckbtSti nicht phonetisch aus o in chotSti entstanden, sondern hierher als
Analogiebildung aus dem Verbum *ch^tit% »rapere« gelangt ist, wie ich
a. a. 0. gezeigt habe. Vgl. russ. oxoTa »Wunsch« und »Jagd« neben
dial. oxBOTa, das sich schon in einem AsÖyKOBHHiTB des XVI. Jahr-
hunderts findet. Ich wfirde diese Ansicht auch noch jetzt vertreten, wenn
ursl. *chytit% auch nur eine einigermaßen sichere Etymologie hätte.
Leider steht die Wurzel *chyt- in den heutigen slavischen Sprachen ganz
vereinzelt da und Wurzeln, die ihr in den anderen indogermanischen
Sprachen genau entsprechen, sind meines Wissens noch nicht nachge-
wiesen worden. Dieser Umstand legt mir die Vermutung nahe, daß sl.
*chyt%ti mit *ch^iit^ etymologisch identisch ist und daß folglich auch
das erstgenannte Verbum ursprünglich »leidenschaftlich wünschen« be-
deutete. Was das morphologische Verhältnis der beiden Verba betrifft,
so wird es ebenfalls klar, wenn wir annehmen, daß es in der idg. Ur-
sprache eine zweisilbige Wurzel *kho^ät^ gab. Aus ihrer Variante *kho^9tr'
konnte im Urslavischen *chytit% entstehen, aus einer anderen Variante
*khut- (als einer Tiefstufe von *khout'') *ch^UH^ und endlich aus der
dritten Variante *kh^9t^ gr. x^^^^ ^^s *xf^''^'^ ^^^ ^^' *chotb (vgl.
1) Kozlovsky ASPh. XI 385 vergleicht diese Wörter mit lat. hälare, aber
das h dieses letzteren ist unursprünglich. Vergl. Sommer Handbuch S. 122,
WaldeLat. EtWb. 281.
Der Spirant r vor o anfl idg. » im UnlaTischen. 169
gr. xoTtyög und bIat. *iafrb am idg. *q^9p') ans *cAt7oto. Dieselbe
Wnxsel, jedoeh in nasalierter Form liegt wahrscheinlich sl. *chqth nnd
arm. xandy G. xandoy »ardente brama« zugrunde.
Dies sind die Beispiele, die m. B. mit größerer oder geringerer
Wahrscheinlichkeit beweisen, daß im Urslavischen « vor o aus idg. 9
ausfiel, wenn ihm ein postlingualer Konsonant (^, k^ kh) Tor-
herging. Wenn v andererseits folgerichtig vor altem (idg.) o erhalten
bleibt, so kann man das nur dadurch erklflren, daß dieses o offener ge-
sprochen wurde als o aus idg. 9, Und es erscheint beachtenswert, daß
dn fthnlieher Vorgang sich auch in einer späteren Periode im Leben der
slavischen Sprachen wiederholt hat: während v tot a als einem breiteren
Vokal bestehen bleibt, schwindet es yor o (auch wenn dieses = idg. o)
in gewissen Fällen. Vgl. big. fosahB »Nagele, slov. gozditi »Terkeilen«,
obersorb. höidi »Nagel«, poln. gdidi id. neben asl. rsoSA^ »Nagel«,
big. roosAi id., serb. m^SA »aus der Erde hervorragender Stein«, slov.
gtazdiii »verkeilen«, iecL hvoidij »Durchschlagholz«, poln. gwöidi
»Nagel«, russ. fbosab id.; oder slov. gdzd »Wald« neben aserb. tbosa^
id. und iech. hvoxd »Berg«; oder slov. hoja »Tanne«, obersorb. khojna
»Kiefer«, poln. ehoja »Kienbaum« neben serb. xBÖja »Zweig«, slov.
hvoja »Tanne«, Sech, chvoje »Nadel der Kiefer«, russ. zboe »Tangel«;
oder niedersorb. choid neben poln. chwoszczka^ russ. XBon^ »Schachtel-
halm« (Equisetum); oder Sech, choiti »Besen« neben obersorb. khoido
id. ; oder Sech.cAorj^ »krank«, poln. chory id. neben Sech, chwarj id., russ.
XBopuH. Der umstand, daß auch in diesen Wörtern v nur nach post-
lingualen Konsonanten schwindet, macht den Parallelismus zwischen
beiden Vorgängen, dem alten und dem neuen, besonders auffallend.
StPetersburg. O, Ujinskij.
ftnelqnes remarques snr la langne polabe.
Le professeur Baudouin de Courtenay dans son ezcellent resnm^ de
la question kasubienne (Archiv, XXVI, 366 ss.) en est venu k mon opinion
(comparez: »Stosunki pokrewie^stwa j^zyköw lechickich« dans les Ma-
teryaly i prace Komisyi j^ykowej de l'Acad^mie de sciences de Cracovie,
170 GaBÜnir Nitsch,
m, i — 57) qne le polabe, le kasub et le polonais forment jnsqn'k un
certain degr^ un territoire lingmBtiqiie uniforme, dit l^hique, arec nne
86rie de propri^t^s commimes et essentielles. Mais, n'ayant pas pens^
snffisamment snr les signes earact^ristiqnes dn polabe, il n'a pas ^mis son
opinion sni les relations entre le polonais et le kasnb pris ensemble et Ia
langne polabe. II se contente d'exprimer Topinion qne les recheichea
syst6matiqnes snr le polabe ne changeront probablement pas les jngementB
prösents snr les rapports mntnels de ces denx territoires lingnistiqnes.
II m'a honor^ de son approbation, avonant qn'entre tons les nonveanx
lingnistes j'ai le mienx r^soln cette qnestion. II y a trois ans qne j'ai ^rit
cet artide et mon avis n'a pas ohang^, an contraire, je erois ponvoir
mienx le motiver qne je ne Tai fait dans la pnblication polonaise. N'^tant
pas arriv^ non plns ä des conolnsions positives snr beanconp de pointa
de la grammaire polabe, je ne vonlais pas encore prendre la parole dans
cette qnestion, mais Tartiole de M. Eoblischke (Archiv, XXVIII, 261 ss.)
m'a d^cid^ k le faire. M. E. ^crit sans consid^ration des antres travanx
snr ce point on snr les qnestions en parent^, commes celles des M. M.
Enljbakin, Mikkola, Sachmatov et enfin, ce qni est ponr Ini compromet-
tant, la dissertation de M. Lorentz, qnoiqn'elle ait 6t6 imprim6e dans
^Archiv pCXIV, 1 ss.). En cons^qnence il toit parfois des ohoses qni
apr^s les travanx citds ne penvent nnllement 6tre admises, d'antre part il
Ini arrive de d^convrir TAm^riqne ponr la denxi^me on troisi^me fois.
Je ne penx ni venx m'oocnper sp^cialement de ce travail, mais la snite
d^montrera d'eUe mäme qne mon opinion n'est pas fansse. Dn reste, je
ne refnse pas k M. Eoblischke le m^rite d'avoir expliqn€ qnelqnes faits
qni jnsqn'ici manqnaient de dart^ (snrtont snr le polabe m^me, dans son
»Drawäno-Polabisches«, p. 433 ss.), bien qne ses explications soient de
natnre plns philologiqne oü M. E. est nn travaUlenr tr^s exact, tandis
qn'il n'a pas encore assez approfondi les qnestions lingnistiqnes propre-
ment dites.
Or, M. Eoblischke a bien compris qne le partage dn slave oommnn
^ en e et a et de 1^ en ^et'g doit ^tre consid^r6 comme le fondement
de la thöorie l^chiqne, fondement qni ne pent 6tre attaqn6 scientifiqnement.
Mais, qnand il af&rme qn'on n'a pas jnsqn'ici dairement sn qne le polabe
et le polonais sont tont-k-fait analognes dans le traitement de IV, il fant
remarqner qne ce fait ötait certainement connn de beanconp de savants,
bien qn'ils ne l'aient pas positivement exprim^ ce qn'a finalement fait
M. Lorentz dans 1' Archiv. Qnant k la d^palatalisation des voyelles pa-
Quelques remarqneB sur la langae polabe. 171
latales devant les consoimeB dentales non palaUles, comme nn fait l^hiqne
eommun, c'est moi qni l'ai acceiitn6 dans mon travail. C'est le point qne
je n'ai paa snffisamment expliqn^ et qne je venx d^velopper dans le
Premier chapitre de mon trayail eomme nne large base de commnnantö
de ces langnes.
Mais, avant tont je m'arr^terai qnelqne pen sur la transcription dn
polabe qni n'est point nne qnestion pnrement orthographiqne. II est
natnrel qn'il fant changer Torthographe de Schleicher, si Ton tronre
d'antres lois phon^tiqnes et c'est M. Mikkola qni dans > Betonung« a
commenc^ ä le faire. En ontre, Torthographe tont k fait uniforme n'est
en principe pas possible, parce qne nos sources polabes ne proviennent
pas d'un seul dialecte. Anx faits döjä connus M. K. en ajoute un nonvean,
eelui dn alave eommun y qni dans la finale accentu6e est repr^sent^ chez
Pamm Schnitze par a. Mais, en g^n^ral, sa transcription est incons6-
quente, maladroite et au surplus arbitraire. Passant sons silenoe les
nombreuBes erreurs typographiques, il est difficile p. e. de comprendre le
profit ou le besoin dn changement du v de Schleicher en to et de Vo en 6\
mais, si cette orthographe est indifferente, 11 n'en est pas de m^me avec
la transcription des g, q ean ung^ ang (ditü/ungte, zimang) qui, spdoiale-
meot k la fin d'nn mot, est tont k fait fausse: c'est la m6me mani^re de
reprösenter la voyelle nasale qne Ton emploie parfois en allemand pour
les sons fran^ais, si Von reproduit p. e. train par träng. On peut ap-
pronver le ij (bien qne je pr6f6rerais le f) au lieu de H de Schleicher (les
faits orihographiques comme skiona et toeigöl oü nous avons ki au lieu
de ^et ^ au lieu de ef prouyent snffisamment que les ^, d'et £, g se sont
enti^rement m^l^], mais on se demande pourquoi l'auteur conserve le g
(mtoe dans le m^me mot gölumbtje ^) ete. Bien que ce ne soit pas la place
pour nne esqnisse enti^re de la transcription polabe (eile devrait ^tre
donnöe dans la nonvelle Edition des sources polabes), je ne peux pas
1} L'explication de ffelumhge n'est pas bonne. Gontrairement & Topinion
de M.K. on ^rit souventy au lieu de dj\ mais non au lieu de tj, ce qui est
d*aceord avec la nature de ces consonnes: comparez ka&ub c i cöt6 de z, slo-
Y^ne S ä c6t6 dej\ latin quis k cöt4 de vivua etc. Llncompatibilitö entre ce
ploriel dölgb'e et le singulier dölohäk pourrait s'ezpliquer par la supposition
que la forme d^minutiTe n'^tait en usage que dans le singulier (fait assez fr6-
quent dans les dialectes polonais, cf. M. i P. Uli 325], si la qualit^ palatale du
h devant e n'^tait un peu frappante.
n
172 Cuimir Nitach,
omettre le fait essentiel que M. K. transcrit parfois b1. com. y et sl. eom.
u par äu^ laUsant autre part oi pour *y et eu ponr *u Bans motiver cette
vari^t^. Or, -si l'on examine les mots avec lea sl. comm. y^i^u ehez
Hennig von Jessen et chez Schnitze, on 7 troave presqne tonjonrs ai ponr
*% (il n'y a pas motif de changer ai de Schleicher en ei) ; pour *y JL
emploie ai ou ai presqae dans la mßme qnantit^, S. tonjonrs äu\ ponr *u
J. a au (rarement ai\ chez S. on tronve äu. On roit qne chez J. *y a
plntdt tendance de se confondre avec *i (je ne compte pas les exemples
de *y apr^ les gnttnrales oü, comme dans le polonais, il est tonjonrs
^ale ä *i\ tandis qne *u est tonjonrs exactement s6par6; chez S. ce sont
*y et *u qni se sont tont ä fait m^l^s. II n^est pas possible de ne voir
dans cette vari^t^ qne Forthographe, ce sont indnbitablement des diffdrences
dialectiqnes.
I.
La langne slave commnne poss^dait les voyelles palatales snivantes:
e 6 ih qj[ ^ et dans l'^poqne polabe de tr^s bonne henre s'est Joint k
elles encore Vü^ n6 dn pr^lave 0. Tontes ces voyelles ont snccomb6 ä
la ddpalatalisation dans le polabe. Ponr atteindre notre bnt il fant les
traiter dans l'ordre snivant.
1. Je commence avec Vi^ parce qne le proc^s vocale est ici tont-k-
fait clair et il n'a nnl besoin d'explications. ü fant n^anmoins remarqner
qne la loi de M. K. selon laqnelle il y a denx conditions dn changement
de Vi en a et de Vq en 'q^ notamment Taccent et la dnret^ des consonnes
qni snivent, n'est pas conforme ä la v^rit^: qnant k Taccent il snffit de
citer parmi le grand nombre d'exemples le polonais giäzda on gndzdo^
msse zvSzdd et gnizdö ponr montrer qne ce changement est ind^pendant
de l'accent; qnant an caractäre non patatale des consonnes qni snivent,
la condition qn'elles doivent ^tre dentales est trop connne ponr en parier
plns longnement.
2. Le changement de l'f en ar est absolnment analogne, ce qni 6tait
d^jä connn avant la d^conyerte de M. E. II est vrai qn*il a montr^ le
degr6 interm^diaire, Ver dn vienx polabe, mais on ponvait Tadmettre sans
ayoir vn de telles formes dans les docnments, si Ton sait qne Var de f
non palatale avait anssi ce degr^, comme je Tai d^montr^ ponr le bas
sorabe (M. i P. in, 9) ; on ponvait anssi ignorer ce degr6 et malgr^ cela
bien comprendre la commnnant6 dn traitement de ce son dans tontes les
langnes l^hiqnes. La qnalit6 palatale on non palatale de la consonne
pr^^dente est ici d'nne importance secondaire. Qnant ä l'opinion dn
Quelques remarqueB sur la Ungue polabe. 173
pTofesseor Baudouin que l'unique forme primitive polonaise est tart et
Tnnique primitive kasube ütrtj e'est aussi M. E. qui n'a pas raison. Son
principe qu'on ne peut pas admettre d'analogie lä oü le polabe et le
poionais sont d'acoord est un fanx principe : on connatt donc, dans toutes
les langaes, des exemples oü la concordance n'est pas phon^tique mais
fortuite, souvent analogique; du reste, cette concordance {£omü et ziamo)
dans le caa qui nons conceme est tr^s rare, les exemples comme tjdrde —
twardy sont plus nombreux. M. K. ne donne pas raison de l'existence
dans le poionais du iart ä cdt^ de Tordinaire tart^ la pr6dilection d'une
langue pour l'nne ou l'autre forme phon^tique n'explique rien. H sugg^re
au professeur Baudouin que selon celui-ci *zamo est devenu ziamo sous
Tinfluence' de ziamüty^ ce qui n'est pas v6ridique: le professeur B. a fait
ddriver ziamo de la oonfusion du nominatif *2;arno et du locatif ztemfa;
ce i, bien qu'il n'existait dans tonte la d^clinaison que dans une forme,
ponvait mettre en d^u^tude les formes avec z^ parce qu'il ^tait corrobor^
par l'existence de ce i dans Tadjectif ziemisty (non ziamisty qui s'est
d6velopp6 plus tard sous Tinfluence de ziamo), Si je m'occupe encore de
cette qnestion qui doit €tre daire pour tous ceux qui connaissent la litt6-
ratnre concemant les langues 16chiques, c'est encore pour citer un exemple.
Qn n'a pas connu jusqu'4 präsent la forme de la racine pj[d avec le p
non palatale, on a cit6 toujours les formes analogiques j9tar<^ etpiardnqö.
Or, je connais un nom de famille Pardyak^ nom populaire qui dans la
vraie prononciation dialectique sonne Pardyjäk^ ce qui ne peut signifier
rien d'autre que le commun ^Ioti^Sa pierdoia ou pierdzioch.
Ges deux faits sont communs ä tout le territoire l^chique.
3. Quant k V^, ce n'est que dans le polabe et le kasub que Ton peut
prouver sans doute le m^me d^veloppement primitif, comme l'a d^montr^
IL Lorentz. Toutes les explications de M. E. sur les voyelles nasales sont
fausses. 8'il avait connu le travail de M. Euljbakin sur la quantit^ des
vojelles polonaises (Sbornik otd^lenija russkago jazyka i slovesnosti,
T.YYTTT^ Ko. 4) OU au moins celui de M. Lorentz sur les voyelles nasales
(Archiv, XIX, 132 ss.], il n'aurait pas besoin de supposer que c'^tait
la diffärence primitive de Taccent qui a caus^ dans beaucoup de cas le
partage en f et o, il saurait que c'est bien une r^alit^, mais .... que les
lois de d^veloppement sont tout ä fait autres, parfois m6me oppos^es k
ceUes qu'il donne. — Mais, bien que la langue polonaise ne connaisse pas
la d^palatalisation du sl. com. ^ devant les dentales non palatales, on ne
peut afifirmer qu'elle ne l'ait pas connne autrefois. On sait qu'U j a dans
174 CMimir Nitsch,
cette lan^e nne ^poqne oü 1& diff(6renoe qnalitatiTe parnules devx voyelles
naaales primitives s'eBt effac^e et d'aatres difiFi6renceB, fond^es exclo-
Bivement sur les difffrencea quantitatires, se sont form^es. J'ai prony^
la poBsibilit6 d'existence d'nne d^palatalisation dans le pass^, possibilit^
fond^e BOT le d^veloppement tr^B semblable dans nn dialecte bas sorabe
dn XVP Biäole, notamment celni de Jakabica qoi, comme je Tai d6montrö
dans leB M. i F., pent ^tre consid^^ comme nn dialecte frontier entre le
polonais et le baB sorabe. £n tont cas, l'existence des traces de cette
d^palatalisation dans le kasnb, bien qne ce temtoire ait snbi plns tard
les m^mes changements qnantitatifs qne le polonais, et lenr manqne total
dans le polonais ne pent t^moigner contre la possibilit^ de cette existence
plns ancienne, parce qne ces traces kasnbes ne se sont conserv^es qn^en
yertn d'nne loi sp^ialement kaanbe, celle de la d^nasalisation dn vienx {
dans cette langne. L*histoire de ces yoyelles dans le polonais et dans le
kasnb pent donc 6tre r^present6e d'apr^s le modMe snivant:
slcom.f ' P • Tj -^ 'qw-^ (), 'p ka&. et pol.
16ch.f"2)3i^_> p.etk.f* f ^» "^ ^ w ,w ff, '(? pol. en g^n^ral
sl. com. ^ »-^ 16ch. 9 ir-> p. et k. 9 J ^* ^ l^, 'q ka&. et pol. dial
ka&. et pol. dialect.
Ce partage de l'f en ^* et ^° anssi dans le pr^polonais n'^tant qn'hypoth^se,
n'est pas ponrtant invraisemblable.
Nons amyons maintenant ä denx faits, Tun qni n'a en lien qne dans
le polabe, Tantre senlement dans le kasnb et le polonais.
4. L'o slaye commnn est deyenn en polabe ö on ü^ par cons^nent
nne yoyelle palatale. M. E. a yn jnstement (p. 282 et 442) qne le partage
de ces denx sons s'est accompli selon la m6me loi que celle de IV en e et
'a, ce qn'a d6)k remarqn^ Schleicher (p. 60). Mais, cette obseryation de
M. E. ^tant jnste, il l'a jet^e en passant et n'a pas accentn^ son impor-
tance. C'est ponrquoi je yenx ici en dire qnelqnes mots. Or, on pent
6tre sür qne Vo primitivement est deyenn Vü et qne c'est plns tard qne
cet ü deyant les dentales non palatales a chang6 en moins palatale ö.
Ontre le parallelisme de ce fait ayec les changements d6jk cit^ il y a
^) plus palatale, deyant toates les consonnes, except6 dentales non
palatales.
^ moins palatale, devant les dentales non palatales.
3) de ce moment comme chaqne antre t ka&nb.
Quelques remarques sur U langte polabe. 1 75
d'autres arguments pour prouver cette Chronologie. D'abord, k la fin
d'un mot on a toujours ü (nebü), apr^s, Vü ne pourrait proyenir de Vö
que deyant loa palatales, eomme Ve est devenn i derant elles {nebii —
nibeiö)j tandis qne les labiales et les gutturales non palatales ne pourraient
agir dans aucune direciion. Alors, si nous avons siüpa et nugay ces
formes ne peuyent ^tre que primitives. Quant k Texceptionnel ö devant
iV, p. e. zöru on d&ronka^ il faut rappeler que derant oet r Ve n'est pas
de mtee devenn t: hire non bire d'oü il en r^sulte que iV n'6tait pas
tr^ paiatale. L'ezacte r6vision du mat6riel donne encore d'autres preuves :
devant les consonnes autres que dentales dures nous avons toujours ü
aveo l'nnique exception döst [vd ISnü est Taccusatif}, mais devant les
dentales dnres k cdt6 de Vö regulier on pent donc trouver parfois ü et il
est impossible de n'y voir que l'orthographe et le manque d'exercise des
hommes qui ont not6 oes mots ; ce sont des restes d'un 6tat plus ancien.
Le changement du groupe vo en vü qui ne s'est fait que devant les
palatales (vücesa mais vdknu) y forme un apparent oontraste. En r^alit^,
nous n'avons pas tu devant les labiales et gutturales, oar dans l'^poque
de la palatalisation de Vo en ti le groupe vo n'existait que devant les
consonnes entiörement palatales, chaque autre vo s'^tant d^jä chang6 en
vd. Ce n'est que de cette mani^re qu^on peut expliquer les exemples
eomme vd/u k c6t6 de vücesa. Si le changement de Vo en ü 6tait plus
ancien que celui de vo devant chaque consonne dure en vd^ nous aurions
viUu, Les exceplions ne valent neu: le locatif väda a pu r^sulter sous
rinflnence d'autres formes qui avaient toutes vd^ dans vüklüp nous avons
une assimilation (peut-6tre seulement dans l'orthographe) k la voyelle
succödante, assimilation assez fir^quente dans nos sources polabes, p. e.
Uyijer (=s sUdr) ou tmdffin (= vtidtn) ; quant k viit^ je ne puls l'expliquer
sufifisamment, mais je le mets donc ensemble avec les autres pr^fixes,
eomme püd, rüz^ prid oü nous avons partout la voyelle plus paiatale au
lieu des attendus ö', e,
5. En Opposition apparente avec la loi l^chique g^n^rale de la d4-
palatalisation se comporte le polabe e qui ne devient Jamals o, ce qui, au
contraire, a lieu dans le polonais et le kasub. Ici Ve devient i devant
les palatales, dans tous les autres cas il reste e, p. e. nibeio — nebü.
IL Lorentz (Archiv, XXIV, 1 1) affirme que ce traitement est compl^tement
oppos6 au polonais, mais, les conditions du changement polonais et polabe
n'^tant pas les m§mes, on ne peut qualifier identiquement ces deux ph6no-
m^nes. M. K. (p. 276) cherche justement la cause du manque du change-
176 Casimir Nitseh,
ment da polabe e ea o dans la qualit^ non palatale de la consoime pr^6-
dente. Je reviendrai encore plns tard snr ce aiget, ioi je remarqne
senlement que dans le polonais on peut tronver des exemples qni approu-
yent oette hypoth^se. Ainsi, nons avons lä parfois ce changement daas
les mots oü Ve d^riye de \\ p. e. wioaka^ dztonek, ce qm n'a Jamals
lien, s'il d^rive de V^: toiyoiirs seUj bez. Mais M. E. fait errenr en y
comparant le tch^qne, paroe qne cette langne ne oonnatt point U döpaUta-
lisatioii, m^me \k oü la consonne est palatale, comme devant Sj p. e. svSL
— On pent encore trouver nne antre cause k cette absence de changement
de r^ en o. Nons avons va qne la palatalisation de Vo en ü est d'one
6poqae tr^s ancienne. Or, ä l'^poqne de la d^palatalisation des YoyeUes
palatales la langne polabe ne poss^dait plus 'Vo et la tendance k eviter
Tarticalation haute et retir^ de la langue (qu'on voit anssi dans la palata-
lisation de chaque u) 6tant en contradiction arec la tendance k la d6-
palatalisation, n'a pas permis k Ve de changer en o. Les Yoyelles ^, /, ^
se transformaient en d'autres ayec le son radical a qui, plut bas et plus
ayanc^ que Vo et Vu^ n'6tait pas soumis k ce d^placement de l'articulation
yers le deyant. — ü est difficile de prouyer laquelle de ces deux
circonstances en ^tait la cause essentielle, mais on yoit dairement que le
manque de ce ph^nom^ne n'est pas en Opposition ayec les tendanoes
l^chiques communes; ce sont les diverses ^poques qu'il faut prendre en
consid6ration. — Sur le groupe telt je dirai quelques mots plus loin, y.
paragraphe 8.
II nous reste encore trois yoyelles palatales slayes communes, notam-
ment », t» et ^. Toutes les trois se sont soumises dans le polabe elles
aussi k une d6palatalisation, mais sans aucune connexion ayec le lieu
d'articulation des consonnes qui suivent, la consid^ration de son histoire
n'appartient donc pas k la rigueur k ce ohapitre, aussi je me bome ici k
dire quelques mots sur ces ph^nom^nes.
6. Quant k Vi qui s'est d6palatalis6 pour devenir diphtongue ai, la
chose 6tant daire, eile ne donne lieu k aucune r6flexion. Le manque de
la qualit^ palatale des consonnes pr^6dentes [zäima^ nait dans le contraste
k ionUj pQta) prouve que c'est un fait plus r6cent que toutes les autres
d^palatalisations.
7. L'histoire de Vh n'est pas si facile k retracer. Bien que dans la
majorit^ des exemples nous avons un ä avec la pr^c6dente molle ou dure,
il nous reste quelques mots avec i. M. Lorentz croit qu'il y a dans ces
cas une palatalisation plus forte, mais il n'a pas pu donner de Ioi k ce
Qaelqnef remarques snr k langne polabe. 1 77
phdnom^e. H est dair qiie ce proc^s est plus anoien qne la ddpaiatalisation
de toutes lee aatres t> en a oa a, parce que le changement d'un d non
psiatale (dans tons ces cas nous ponnrions attendre d, non a) en i n'est
pts possible. Je ne penx non plns donner nne loi absolnment pr^oise,
nuds j'appeUe l'attention snr les oonsonnes sniYantes apr^s cet i de Vt.
Ce sont: le prunitif i {visäi eto.), palatale däjä k l'^poque slaye commime,
et Vn devant t oü Ton pent comprendre ais6ment qne Vn est plns capable
de la qoalit^ palatale qne les antres oonsonnes et qne cela pent ezister
phis £aeilement devant i qne devant e qni, comme le montre son histoire
daos les diYerses langnes slaves, n^6tait pas si palatale. Ainsi on ponrrait
eq»liqner rdibinik et väknirdk ; qnant ä stäudindcj 11 paratt naltre sons
risflnenoe de *studhnica, Ponr zaitine oü oe n^est pas senlement Vi k
edt^ de Vd dans nüöikie qni est frappant^ mais anssi l'existence m^me
d'nne yoyelle k e6i6 de lesne^ vSme, on pent admettre la forme prunitlTO
da BufiBxe --wirjo comme dans le msse iitnij^ tandis qne les antres ad-
jeetift de ce type avaient le snffixe -ftfi^o; Finflnenoe de l'accent n'est pas
admissibley si l'on oompare: msse Usnoj — polabe lUne^ r. noSnöj —
p. näöäne et r. iünij — p. zaitine j r. virm/j — p. vime, Enfin griSdt
n'est pas elair, mais Vi se tronre dans ce mot anssi dans le vienx slave
et dans les divers dialectes modernes, ün semblable proc^s de palatali-
Bition de V^ sons l'inflnence de la snivante syllabe palatale se voit dans
&!f, lii&t et nüdit^ bien qne les conditions ne soient pas ezactement les
m^es. On pent comparer anssi vgdil et widin ayec les nonreanx i
devant les palatales, non avec d, comme p. e. dans krodäl, — Qnant k
Texistence de Vir dn / ä oötd de l'ordinaire dr, ce qni semble 6tre
psnll^e au proc^s oi-dessns d^montr^ et qni desoend certainement d'nne
äpoqae tr^s anoienne, je ne penx donner anonne explioation.
8. Le changement dn sl. com. ^ en / dans le polabe est selon
M. LorentB nn fait phon^tiqne qni t^moigne absolntement contre la proche
parent^ entre cette langne et le polonais. Mais, bien qne ce proc^s seit
Hü des plns anciens (ce qne je pronve dans le denxi^me chapitre de ce
trsTail), on ne pent Ini donner nne trop grande valenr. Cet / montre
dans tontea les langnes slaves nne forte tendance k se changer en |: il
nV & pas de langne oü nons n'aurions pas an moins de ses traces et on
Be pent donc joindre les langnes msses, slaves m^ridionales et le polabe
qni on fait enti^rement cette modification en nn gronpe plns proche,
eontrairement an polonais, tchäqne et sorabe. Si Ton vonlait consid^rer
cliaqae changement commnn comme eigne de parent^, comme le yent
if«ki? fb ilATlsohe FUlologie. XXH. 12
176 Csnmlr Nitsoh,
IL-Lorentz, il fandmt lier en nn gronpe te Idi^tte, le polonns et le bwi
dBusabe qoi ost chaiig^, oontrmrement aa haut sorabe et an pdabe, ohaqae
l apr^a les dentalea en lu (bas sorabe dtüjki — haat «orabe 4otht). Oes
dfiQx gronpementB sont pourtsat impoesibke et tnontrent oft oondnlt iine
p^dJoiteBqiie appdicatfam m^me d'im jnste principe. La d^liMAlisatkm
de lY ne peut avoir xme graade yalenr, ear les exemplee de oette voyefle
«ont pea nombrenx d'oü il r^nlte qne les modifioalioiis anxquelleB eile
s'est sonmise dans nne partie du pays n'^taient pas sniries du partage
territorial en denx parties anssi diffdrentee qn'elles n'aientpn se d^elopper
ensemble encore apr^ ce fait. — Le changement dn telt en tolt est im
pb^nomöne tr^s semblable: bien qn^il ae seit acoompli enti^rement dans le
polabe et partiellement senlement dans le msse, le sorabe, le polonais et
vraisemblablement anssi dans le kasnb, on ne pent n^anmoins eonclnre
qne le polabe e'est s^ar^ le premier de tons ses parents. — II fant enoore
remarqner qne le polonais wtokq^ eit6 par M. E., ne pent pas fignrer
oomme exemple de ee proeäs, car 11 n'existe pas ; la jnste forme est tolohq
aveo Vo analogiqne ans antres mots: d'apr^ le modhld plecie — plot^
on a forrn^ ä wlecze nne forme nonvelle wlok^.
La d^palatalisation des voyelles devant les dentales dnres est donc
avec la tendance ä oonserver les voyelles nasales et avec le cbangement
dn sl. com. ^ en ar la prenve de Tezistence d'nne ^poqne l^cliiqne. Con-
sid^rant les fiuts plns r^ents, on pent noter denx tendances commnnes
k tont ce territoire, bien qn'elles se soient acoomplies apr^s la Separation
gtegrapbiqne dn polabe et dn kasnb-polonais. La premiöre c^est le
cbangement dans le polabe des y, t devant les /, r en d : täl, sär, pal,
dara, ce qni est paraUMe anx formes polonaises ser^ uderzyd et anx
dialectiqnes (d^jä dans le vienx polonais) bei^ paree qne Vd correspond
sonvent an polonius e. Enfin, le cbangement de Vä en o est nn fait
qni n'est oonnn qne dans les langnes l^biqnes, mais il s'est aecompli si
tard qne la longnenr s'est conserv^e dans le polabe dans d'antree eon-
ditions qne dans le polonais, notamment sons et devant le nonvel aceent
Ge cbangement est tr^s r^cent et on le voit par des docnments hiatoriqnes
dans lesqnels l'o n'existe pas avant le XYII^ si^de (cf. Listy filologiek^,
XXXni, 394).
IL
Une antre qnestion tr^s importante ponr le polabe c'est la d^palata-
lisation des consonnes devant les voyelles palatales, proe^ aecompli dans
r^oqne post^rienre ä celle de la d^palatalisation des voyelles devant les
Qnelqnes remarques aar U langne polabe. 179
co&flonnes dentales uism paiatales. M. Eoblisohke dit qne la iangae polabe
n'arat point La qualit^ palatale des consoniies. Lea oinq tyj^ ayeo ces
eonsonneSy notamment pds^ vuta^ Sonü, Täude, dÜQte ne vaient rien Selon
son opinion paree qn'elles n'ont pas la qnalit6 palatole da polonais, du
soiabe et dn grand rosse. Cette demi^re raison est bizarre : dn fait qn'on
ph^om^e n'est pas identiqne ä oeux des autres langnes on ne pent pas
es dMnire qa'il n'ezistait point dans la Iangae polabe. Du reste, M. E.
ne donne pas nn seol mot d'ezplioation de oes cinq oas qoi ne pen^ent
s'expliqa0r antrement qae par l'aeoeptation da oaract^re au moins dem!-
palatale de ces oonsonnes dans nne anoienne ^poqne du polabe. U est ä
regretter qne M. E. qoi cite la daret6 da petit rosse eomme an parall^e
n'a paa eonnn Tartiek de M. äachmatov (AxoMy, XXV, 222 ss.) avee son
exeeUeot parall^e entre le polabe et le petit rosse (p. 237 — 8). II y
aorait trony^ l'explieation de oes oinq cas ayec les oonsonnes palatales,
la prenve de Texistence antrefois de oette qaalit6 devant oes oonsonnes
qoi Tont maintenant perdae (notanmient inqz^jodnq)^ les lois de la perte
de la qnalit^ paUtale deyant b et f . II est dono ais^ de oonstater qn'on
a d6jä fait ^ et Ui snr le polabe des observations splendides, mais il faot
connattre la litt6ratare avant de dire qn'on ne s'est pas encore ^mancip^
de rinflaenoe de Schleioher. M. E., oomme je Tai d^jä dit, est on philo-
logae, mais il manqoe de t6flexions sor les qoestions lingoistiqaesg^n^rales.
D oü il lai arrive d'^noneer parfois ayec one grande consoience de soi-
ni§me des opinions g^n^ales non moliy^s. Ainsi 11 dit qne la transition
de & en ty n'est pas possible, bien qne M. Sachmatoy Tait d^montr^e
(qnelqaes sappositions dans cet article penyent ^tre Topinion personnelle
de Taatenr, mais la possibilit6 da changement de ii en ty j est sofB-
aamment proay^). Qoelqoes lignes plos loin M. E. dit qae la d^palatali-
sation de tootes les oonsonnes dans one Iangae n'est jamais possible.
C'eat anssi one affirmation par trop hasardeose. Je pois nonuner an
dialeete polonais, oeloi de la Varmie septentrionelle, oü tootes les
eonsonnes palatales sont deyenoes non palatales (of. M. i P. m, 437).
n s^agit daas ee cas, il est yrai, d'one mfloenoe de la langoe allemande,
mais cela n'y fait rien : 11 y a donc beaocoop de oas oü neos ne oonnaissons
pas la cause d'un fait phon^tiqae et rinfloence d'one langoe ^trang^re
eziste pent-^tre parfois üi oü neos ne l'admettons pas. Quant au polabe,
jostement le iait quo la d^alatalisation n'est pas oniyerselle, que cette
langoe n'a pas one doret^ absoloe prooye qoe ce proo^ n'est pas conga
Bo«s rinfiuenee allemande, ce qo'on yoit d'ailleors d'apr^s le grand
12*
180 Casimir Nitsch,
parall^ÜBme bot ce point entre le ^and et ie petit rnsse et entre le
polonais-kasnb et le polabe, parall^lisme plnB grand qne M. K. ne le
soapQonnerait.
La perte de la qualit^ palatale jostement devantles yoyelles palatales
et seolement devant elles, cette possibilit^ de n'articnler palatalement
qn'im ^l^ment du gronpe composö d'une conBonne et d'iine yoyelle, ne
B'est pas accoxnplie natnrellement dans nn conrt espace de temps. Leg
exempleB comme rinBtrnmental lüchtöm^ nibisäm k c5t6 de grdfkolü
montrent qn'ä l'^poque du changement de Va devant leB palatales en d
les labialeB finales (au moins rh) n'6taient pluB palatales, tandls que la
plus grande partie de ce changement (p. e. pän^ klane^ dvdrdi) ne pou-
yait s'accomplir qu'avant la d^palatalisation de ces couBonnes. La d6-
palataüsation de iV (non seulement devant les vojelles palatales) peut
6tre encore plus ancienne, les exemples comme dörjohka avec l'd' derant
une consonne anciennement palatale prouvant qu'ä r^poque de la d^
palataüsation des Toyelles devant les dures dentales n'existait plus r
mais rj; bere etc. ne montrent la duret6 de IV qu'ä l'^poque du change-
ment de Ve devant les palatales en t, mais ce changement pouvait
s'accomplir ä une ^poque post^rieure ä la d^palatalisation de V'd. La
qualit^ palatale de iV devant i a pu ezister plus longtemps, ce qui se
laisse conclure du ditar M. ä cdt^ de dwardy J. P., dtoarrey S., twaray
Pf. : *di)hrh avec IV dur a donnä *dvdrj tandis que devant le mou ri la
qualit6 palatale de Va a disparu d'oü dvdrdi; il faudrait encore expliqner
la duret^ de Vv dans dwar M., ce que je tiens pour un fait plus r^cent,
parallMe auz polonais dialectiques iwatf dztoirze etc. (cf. M. i P. m,
247). Mais en somme, la question de la d^palatalisation de IV n'est pas
complötement daire. — La qualit^ palatale de la syllabe qui suit 6tant
cause unique de cette d^palatalisation de 1'«, M. E. n^a pas raison, s'il
en cherche encore une autre dans l'accent (p. 443) et cette supposition
est enti^rement superflue, s'il ne donne aucun exemple de la perte de la
qualit^ palatale de Vh non accentud devant les dures. Dans Funique
exemple de cette perte devant une dure que je connais, notamment dans
Idt (^crit love Pf.) d est accentu^; peut €tre que l non palatale a pam
ici sous Tinfluence du mot allemand. Quant ä Tinstrumental oti nous
avons lüchtöm^ nebüäm, rdnUMm^ on peut croire qu'il s'agit ici d'une
6poque plus ancienne, comme je l'ai montr^ plus haut. — Cette loi, d^
montr6e d^jä par M. Mikkola (Betonung, p. 10), n'est point l^chique,
comme le croit M. E., eile n'est que polabe. Aussi le parallMe avec le
Quelqnefl remarques bot la langne polabe. ISl
bas Borabe n'eziste pas (of. Macke, Niedersorbisohe Laut- and Formen-
lehre, p. 59 88).
Ces denx d^palataliaations, l'nne dea Yoyelles i, /, ^, ü devant lea
dentales dnres, l'antre des conBonnes devant lee vojelleB palatalea penvent
serrir de point de däpart ponr marqner la Chronologie de qnelqneB antrcB
faitB phon6tiqne8. Qne la d^palatalisation des consonnea est poBt^rieore
k eeUe des royelles on le voit de Teadstenoe dea conBonnes palatales
devant les Toyellea d^palatalis^es, des exemples comme moröj pgte a cdt^
de fneri§cef pqt: antrement nons aurions moröj pgie ete. Le üsit de la
d^palataUsation de Vü en ö qni doit ^tre k pen pr^s de la m^me 6poqae
qne lea antres changements de ce genre montre qne la transition de l'o
en ü est plns anoienne. L'ezistence dn vd devant les oonsonnes dnres
k eöi6 de tu devant les palatales {edl — vuikt) pronve qne le changement
dn vo devant les consonnes dnres en vd s^est accompli de meillenre henre
qne le changement de Vo en tif, parce qne la transition post^rienre dn vü
en vä n'cBt pas possible: nons avons vd devant chaqne consonne dnre,
non senlement devant les dentales, et le r^nltat de ce procte est tont
antre qne le r^nltat de la d^palataliaation de Vü. üne antre prenve de
eette Chronologie c'est la forme vddu k cdt^ de vücisa\ on y voit qn'ä
Tdpoqne dn changement dn vo en vd existait encore le k dnr, ce qni ne
Berait paa possible devant Vü: avec nne Chronologie inverse nons anrions
vüiu, L^identit6 des changements dn vo avec cenx de l'o initial pronve
qne cet o est devenn vo encore de meillenre henre.
n 7 a encore nne antre s^rie de faits qni devaient s'accomplir avant
la d^palatalisation des consonnes. Ce sont: 1. la palatalisation de
qnelqnes h en t, de qnelqnes / en tr, de V^ devant les palatales en «;
2. la ddpalatalisation dn telt et de 1'^. Qnant ä i., ce procös devait
B'achever avant le commencement de sa d^palatalisaüon qni s'est accom-
plie dans les m^mes conditions, et les changements de Vjr en ir et de V%
en f , comme analogiqnes, proviennent probablement de la m^me ^poqne.
Qnant k 2., nons savons senlement qne le proc^s: teltz=*:tolt est plns
aacien qne la metath^e dn tolt en tidt^ laqnelle est probablement de la
mSme ^poqne qne la metathöse dn tert, Dans le polabe m6me on ne
pent d^Bigner qne le demier terme dn changement du iert en tret qni ne
ponvait s'accomplir qn'avant la palatalisation de Ve en t, si nons avons
zribq k e6t6 de briza^ mais de la comparaison avec les polonais brzoza^
trzoda on pent tirer la condnsion qne dans le polabe c'est anssi nn fait
plns ancien qne la d^palatalisation des voyelles devant les dnres dentales.
1 82 OaBiiair Nitsch,
Le sl. com. ^ a disparu certainement aossi de MslM>nne henre: ü sa
döpalataÜBation n'^tait qne simnltaii^e ayec la d^palataliBaüon de l\
noiiB aurioiia iduk et nonvduk.
Qaelqnefi aatres faita sont eertainement plus itäoents qne oea deox
di$palataliBatiosB on peuvent bien 1' toe. Ainai, le ohangement de Vi en o«
ne ponirait s'aceompHr avant la perte de la qualit^ palatale dea cenaonnes,
antrement nana aarionB non zdima maia idima] il en eat de mdme avee
la tranBition de Vu en äu, si l'on a kläucj räubu sans la d^palataUsation
de la oonsonne deyant le palatale ä. lei on pent ezpliqner iä vdidone^
reoonnn par M. K. oomme foime inorganique; or, si l'on fait d6river de
*f>ydanijiu d'ot Tienx polabe *vydaiiu, on ne voit ancnne ndaon de la
perte de la qnalitö palatale devant ti qni ä la fin non aocentn^e du mot
est devenn plns tard an e. £n ontre, lea dipfatongnes ai et ät^n'ezistent
qne sona et devant le nonvel accent, de m^me Vo de Vä dont j'ait ä4jk
parl4 k la fin du premier ohapUre. Maia le plua r^cent de toua lea
faita phondtiquea eat la perte du e entre lea gutturales et le nouvel o:
kosy chöle,
Conune dana oette ^poque nouvelle v ne disparatt paa aprte lea
sifflantes (p. e. svortt)y il en ^tait peut»6tre de m^me dana un temps trto
ancien d'oü peut döriver l'absenoe du v non seulexnent aprte les gutturales,
oomme dana düzd (sl. com. gvotdh)^ sürdc (sl. oom. skoorbcb)^ maia
aussi apr^ les autres occlusives, eomme dans ddfy tüj\ Maia aprte lea
sifiBantes l'ezistence du zvän et du aoor^ne permettent paa de n^orter
züne et süj k oette andenne ^poque. «Tadmeta que oes diaparitiona sont
de la m6me 6poque que oelle du v dans kjot^ gj^izda^ ij&rds^ sjQte ete.
et si Ton conaiddre l'ezistenoe des aioqie (adverbe) et switi k oötä de
sj^te (adjeetif) et sjot^ si l'on y ]\joute wainq^ koddley on voit que cette
diaparilion du v dana le groupe: ctmsanne + i (ou vf) + wtydle doit
6tre post^rieure que la d6palataliaation dea oonaennea. L'exiateDoe duj
devant ä^ o, q et son abaenoe devant ü a'ezplique par la prozinnt^ de
l'articulation du/ ä celle de Tu qui l'a absoib^ oe que ne pouvait ftdre
aueone voyelle non palatale.
Le ohangement dea t, y devant r, leaä est d'une ^poque entre la
d^alatalisation des conaonnea (där<i^ pdl^ non däray pdl^ et la diph*
tongnisation de Vü L'identifieatfon dea AI, jr avec i^ <f ne pouvait paraitre
qu'apr^ la d^palatalisation des conaonnes, autrement noua^auriona döl^
bdk^ tun au lieu des döl^häk^ ^. Ges i^ d därivant aussi des k^ g
devant l'y, il £aut admettre que les groupes Ay, gy ont cbang^ eBiki^ gi
Quelques remarques sor la langae polabe. 183
«yant l'identification citäe plus haut, alors au plus tard k l'^poqne de la
d^MÜatalisatioii de tontes les autres oonsoimes.
Le tablean sniyant donne la Chronologie de tons ces changements
phon^tiques.
2) tert=±tret^ toU-ri^tiät: breza,
rnläka.
1. o-=r±rt?o-: voko.
2. 90 devant Ifis consonnes dnres
zz^ra: edkOj väda.
3. 0 =:t ü: stüpa, nüSj vüna.
4. les palatales labiales finales et Vr deviennent non palatales: Serje^
dmirjankaj dvdr, Tüchiäm^
5. a) i^ /, ^, ü devant les dentales dnres =± a, ar^ q, 'ö: kvat, tiarde^
pgta, dvörjankaj i^ö8\ b) an plus tard avant la fin de cette ^poqne
Vh devant i et ni, V^ devant les palatales deviennent t : vüi, nügii,
6. a) la däpalatalisation de V*ä devant les palatales: dvdrijpdn; b) an
plns tard k oette ^poqne le changement de 1'^ devant les palatales
en i (an moins en ^: zriSq^^ siile.
7. a) 1a d^palstaliaation de tontes les oonsonnes devant les voyelles
palatales: seqU, nöSj nitj pdn^ visi; b) an plns tard k cette äpoqne
ky-rz^ku
8. a) yr, «r, yl^ ir — ^ dr^ dl: ddruypdl, tdl^ mügdla; b) an plus tot
k eMß ^poqne ke^ ge — ^ ^, de\ c) an plns tÖt k cette ^poqne la
diqparitlon dn v dans le gronpe: consoime + ^ (on tj) -^üoyelle:
zünej tjarde^ mj\ sjaL
%. t — > aiy y T=±: dij U'=± äu: «atV, wd«, eäuzdcu
10. n — >' o^ zoboy sjot.
11. la diaparition dn v dans le gronpe: gutturale + v + o: kosj chole,
n est probable qn'on ponrrait enrichlF oe tablean (oü je donne p. e.
(f et d tonjonrs dans lenr derai^re forme historiqne) aveo d'antres proc^s*
de la langne polsibe, comme, d'antre pait, on.ponrra pent-^tre modifier
ee qne j'ai Mt, snrtont qnand nons anrona nne nonvelle ^tion. des
Bonrces polabes. Mais il est dair qn'ä lenr 6tat präsent on pent dire
anm quelqne ohose snr cette langne int^essante.
Grapcovi^,,(McembTe 1906. Casimir Nitsch,
184
Prosodisehes und Metrisches bei Earel Jaromir Erben,
mit besonderer Berfteksiehtignng des Gedichtes
j>ZähofoYO loie<i.
Ein Beitrag sor Geschiehte der nea^echiflohen Proaodie und Metrik yon
JaroBlay Sntnar.
(Schluß.)*)
ZflioroTO loze.
v-/ w w \^\^
Sediyö mlhy | nad lesem plynoii,
jako dnchovö | ylekoace se hidem;
jehlb ulöti I y krajina jinoa —
pnato a neylidno | ladem i Badem.
Vitr od zipada | stadeni yöje, 5
v-/ _ v-/ v^ \^ \y \y\u w
a pHiloutl^ listi | tichoa piseüi pöje.
Znim&-td to piseik; || pokaid^t' y jeseni
liBtoyö na duM l iepci ji znoya:
\^ \^ \^ \^ V-/V«/ v^
ale m&lo kdo H poohopoje sloya,
_ v^ v-/ \y \y \^ \J v-/
a kdo pochopi, 0 do smichu mu neni. 10
W W V^ V^ V-A> V-/
Poutni6e nezD&m^ || y h&bit^ der^m,
B tim kHiem y ruce | na dloah6 holi,
.i— w v^ v^ \j \y v-^
a B tim HÜeneem — 1| kdo jsi ty koli,
v«/ V^ W \J v^ w v-/
kam Be ubir&i 0 ^Jt^ pod ye6erem?
kam tak poBpich&S? 0 tvk noha boBa, 15
a jeBeÜL chladni — 1| studend rosa:
zistaii zde u n&s, || JBmet' dobH lidi,
dobr6hot' hosta 0 ka£d^ r&d vidL —
Pontni6e mil^ I — 1| nei ty'B jeftti mlad/,
jeiti youB tob^ | nepokr^yi brady, 20
a tyoje lice D j^ko pikn6 panny —
w \J \^ \y \^ \y v^
ale ooi tak bledö || a smutni Byadl^,
wv-/ \J \^ \y v>
a tyoje o6i || y dülky zapadlö !
v^ w \J \^ vyv-/ \JI
Snad je ye työm 8rdci||£el pochoyan]^?
Bnad ie neit^sti 0 työ tölo Byiii 25
lety iediy^mi 0 dol& k zemi niü?
M14den6e p^kn^! || neohod' za noci,
moin^-li, budem H r&di ku pomoci,
a pH nejmenfilm 0 Bnad poteäime.
Jen nepomijej, || pojd', pohoy tölu: 30
v-/ \^ w \-/_ \^v^ _v-/
nenitT bez 16ka D nii&dn6ho ielo,
a mocn^ balzam || y dAyiJFe dhme. —
Nie neBlyii, neyi, || anü oko zyedne,
v-/ v-/ \y \^ _ \J\y v^
nenilf ho rnoin^ | ze an&y yytrhnouti!
a tarn jii zach&zi y y chraatini jednö : 35
__ v-/ w v^ \u\^ _ \*/
p&n bfth ho posil&llna jeho poutil
♦) Vergl. Archiy XXVII, S. 527—562; XXVIII, S. 94—116; 292-306.
ProBodiBches und Metriflohea bei Earel Jaromir Erben etc.
185
IL
Dalek6 pole, | sirok^ pole,
predlonhi oesta 0 p^es to pole btti,
v^ \-/ v^ \^\y \^
a podl6 ceety | pahorek Mi,
a dievo &tihl6 D etoji na yrchole:
idhlitr to jedlice — 1| y&ak beze Boöti, 5
Jen malA pH&ka | Bvrchn pHdöUna,
a na t6 pHice 1 pHbit^ yidöri
rospjst^ obrai || Krista p^na.
Hlavu krvayon || y prayo naklo&iye,
rnce probit6 1 roztahuje y üf i : 10
y &vh syöta atrany 0 jimi ukaznje,
y ärh Btrany protiyn^Jljakoi oesta miH:
prayoa na y^cbod,||kdei se syMo rodi,
leyon na zipad, || kdei noc yojeyodi.
Tarn na y^chodö B nebesk& je br&na, 15
tarn u yMn^m r&}i B bydli boii syati;
\U \^ \J O v-/ v-/ \J — v^
a kdo dobi« ^ini,|| 6&ka jemn d4na,
W V-/ \^ \^ \J ^ N-/ ^
le ae tarn b nimi t^i || bnde radovati.
>-/ \^ \J v^ v-/ \-/v-/ W
Ale na sipadÖ 0 JBOU pekelni yrata,
tarn plane moirem 1 aira i amola, 20
tarn pleton d'&bloy6,||zl& rota prokiati,
zlo(e6en6 duie 0 y obniy& kola.
y prayo, Eriste panel || tarn dej n&m
doapiti,
yiak od leyice || yysyobod' ayö döti I
\^ \J «u/ v-/ v-/ \^ v^ v,/
Ta na tom pahorka||leie nakolenou 25
nÜ mlad^ pontnik | y rannim ayitla
kmitu,
okolo kfiie B mku oto6enoa,
yroncni objimi B d^eyo beze citu.
N^ \j \y v-/ v^ \y s-/
Brzy coa iepce, | slzy ron6 z oka,
brsy saae yzdycbi — 1| tÜce, z hln-
boka. — 30
Takto ae lou6i || od ay6 drah6 panny
mlideneo mll^ fl ▼ poaledni dobö,
nbiraje ae | y cizi ay^ta atrany,
V-/W _Vy \J Vi/V-/ v^
antt pak yeda, || aejdou-li ae k aob^ :
jeM poaledni | yroaoi obejmuti, 35
jeitÖ poiibeni B jako plamen ihonci:
jii möj ae tu dob^e,||cÜyko pMidouci:
v-/ v^ v-/ \^ v-/ v^ v/
chyile neilifaatni||pry6 odtudmne nuti! —
^w'V•
\^ — W^ — W
Tytf jako atSna, B pohledöni ledn^,
ale y ardci plamen B zhoubn^, diyok^, 40
nihle ae poutnik B ae zem& zyedne,
\J v^ v-/ \^ v^w v-/
a k zÄpadu rychlö B zamiH kroky. —
Brzy potom zmizel B y buat^m leaa
\^
prouti:
p&n bfth ho pot6& B n& jobo pouti l
N-/ V-'V-/ W ^^ W V-/
Stoji, atoji ak&la { y blubok^m leae,
podl6 ni cesta B v habroy^m houÜti,
v^ v^ ^ ^ \y\y _ v^
a na t^ ak&la B dub yelik&n pne ae,
kril yökoyit^ B luul yi&nou pou&ti:
k nebea&m bol6 B yypinaje 6eIo, 5
zeleni ramena B drii na yie atrany;
tuh^ od^y jeho B hromem rozoran^,
a pod odöyem H yyhnil6 tölo :
\y \y \J v-/ \^ v^ v«/
dntina prostrann&, || pHhodn& yeimi —
w v^v-/ \^ w w v-/ -_ v^
pohodln;^ nodeh B lit6 leani &elmy I 10
A hie I pod tim dubem||na mechoy^m
\j
loii,
61 je ta poataya | yeliki, hroznA ?
zvii^e hi iloyik fl y medyidi koii?
Sotya kdo iloyöka B v tom atyofeni
pozni!
1:86
JaroBlay Sutaar,
\^^^\y\j v^ w ^/ w \y
Tilojeho — ^Lilall na sküe leüci, 15
ädy jehO' — svaly || dubov^ho kmene,
vla«y a vousy || v jedno ßpl^vajici
8 jeiat]^m obQÖim || tväfi za6azenö;
v^ v^_v^ _ ^ v-/ y
a pod obo6im || zrak bodajici,
zrak jedovat^, || podobn^ pr&vö 20
zraka badimu || v zelen^ trive.
\J \J V-/ v-/ WS-/ v-/
Edo je ten 6lo¥6k?||a to mrain^ 6elo,
\y \^\J \^ KJ Vyvy V.^
jak^i obmysly || ae jest obestirelo?
Kdo je tejQ 6lOY6k? || co chce y ti6to
pöniti? —
Nie 86 mne oeptej I |t ohledni se
V höäki 25
W V-/V-/-— N-/ W Vi/V-/ V>
8 ob6 Btrany cesty ; |{ zeptej se t^h kosti,
\y \j v> v^ \J \^
jeito tu leü 0 pr&chnivdjioe;
vy vyv> vy Vi/vy v*/
zeptej se töch 6erD^ch,||neylidn^ch hosti,
v-/ v^ v^ v-/ \^\y V^'
jeito tu kr&kaji || obletujice:
w v-/ V>'-_V> v^v^ v/
ti mnoho vidÖli — 11 ti v^di vice J 30
\^ v./ v-/ V-/ — . V-/V-/ v«/
Ta väak mni lesoills loie »v^ho skoU,
v^ v^vy v-/ v-'v-/ vy
zrak upfenj^ y cesta D divoce plane;
\J \J V«/ \-/S-/ \m/
kyjem ohromn^ni.|| nad hlayoa to&i,
V^ \J w v> wv-/ v-t
a skok za BkokemUprosti'ed ceBty stane.
Kdo pHch&zY cestonP — || V hikbit^ 35
v-/ _ w
mUdenec,
v*/v^ .^vy Vi/ v-^ v«' v*/
kfü mi^e y race,||za pasem rfiienec! —
.^v«/ v/ v-/ v/v^ v/
Utec ml&deD6eI 0 obrat'se zp&tky!
v^ w v-/ v-' vy v-< v-/
tri oeata y jlston || tebe smrt uy&di.
^_vy v./ v^v-/ v/vy v-/
Ziyot-t6 lidskjr g i bez toho kr&tk^,
V/ V>' V-' V/ S-/V-/ v>t
a ikoda ty6ho Upanensk^ho ml&dil 40
v./ v/ v-/ v> vy v-/\-/ v/
Obraff se, utikej, J co ti sila ata6i,
s-/ v/v^ v^v-/ V^'V^t v^
dokud'kyj ohromn^j|na t& nepHkya&l,
S-/V/ v-/ v-/ _;_v-/ V-' vy
a neroztKäti || tvon hlaviökn y kusy I —
V^ \J v^ v-/ \u ^ v*/ V^
Nesly&i, neyidi, 1 1 v ielu syöm hiaboköm
\^\^ vy w v-/ — v-/
jde d&le piredse 0 povloyii|^m krokem, 45
V-/ V/Vy V^ V-/V>! V/
kde iiyota ay^iio | pozbyti mnai. —
Vyv-/__V>' VZ-^V-'V^
» Stftj öervel kdo jsi ? || kam t6 cesta
v-/
yede?« —
v./ w v#/ v./ \y v-zv*/ v^
Zastavil se poutmk,|{ zyedna lice bled6 :
vz v-/ v*/ v-/ vyvy \^
»» Jeem zatraoenecaa — 1| odpovid& tÜe —
W V./V-/ W V> V-/ V>'
>»do pekla. cesta m&, || do satansfc6
SSel««— 50
_v-/
__ vy
,w vyv/ vy
»Hohol do pekla? —II GtyHcitö l6to,
v«/ vz v-/ v-' v-/ vy v>f
CO jii tu sedim, jj mnoho jsem slySiyal,
^^ v-/ v^ v-/ \j v-y vz v-'
mnoho yidiyal, || ale pisn^ t^to
w v-/ — W V/ V-/V./ v-/
potud ml nikdo || jeftti nezazpivall —
vy v-^ v-/ v^_v/v-/ V>'
Hoho! do pekla? jj neti'eba ti kroki, 55
v-' v-/ vy »_v/ v>' vy v/
sim ti tam doprayim,||neyzdeebnei ani ! —
v> v-' vy v^' v-/ vy \j
Yhak tii se napini || mikj po6et rokft,
vz vy v/ vy vy vy w v/
pHjdu snad za tebon||tak6 na snidaniu —
vy _- vy vy v-/ VZW «-.V^
»»Nie ty se nerouhej 0 miloBti boü!
v/ vy vy v^ vy vyvy vy
DHve nei jsem yidöl || den jbiyota pry]^, 60
vy vy v</vy Vi/vz vz
zapsin jsem pekltt || otce sy^ho kryi
\j \j vy . \J v-' vy
klamem d'Äbelsk^m — 1| pro pozemski
vz
zboii.
\j vyv-/ vy vy ^V ^
Milost boii yelkil || aznameni kHie
vy vy vy vy ^/v/ vz
zl&met^ i 8tra&liy6 jj pekeln^ mHie,
vy vy v-A vy v-/ vyvy vy
pontzi Satana || se v6i jeho moei ! 65
v^ vyvy vy v-/vy V»*
Miloatiboii yelkÄl || ta tM ditl,
\^ w v/ v/ vy v^ vy. v-y
ie se slab^ poutnik || co vitis nayziti,
vy V-/V/ \J- — v-/vy-__vy
dobuda z&pisu || z pekelnö noci»«« —
vy —vy v/ vy __ v-/vy
»Coprayid? — za töchlet,||Ba6tyH*
_v_/
oeti,
v/s-/ v/ vyvy v-/
bez po6tu jsem jich || do pekla. zklitil, 70
ProBodisches und
M Eurel Jaromii Erben etc.
t87
▼^kaejeitinikdoHzpitkynenavr&til! —
Sly& 6erve f jsi mlad^ || heboo&k^ pleti,
bylbys mi dobi«, | misto tab^ sv^H,
aa malon poohoutku || dnea na ye6eH :
ale pnatim ti — | neobim tebe jiti — 76
viak jeM nikdo, D co jich ta Hlo koli,
nen&el moji || ankovit^ holi t —
Poatim ti ierve! || ale to obci miti:
\^ \^ \J v-/ v^ v-/ v^
pHsahej, ie potom || v^rnö mi povi&,
\j \^ \u v^ vy v-/ v> \y
CO V pekle uvidiijja ^bo se dovift.« — 80
I Y%tfbi\ se pontnik, || a yysoko zdviie
bM svon poatnickon || se znamenim kläe :
»•P^iaahÄm na kHie D Bvat^ho slivn,
ie ti z pekla vÖrnoullphnestt zprivul««
I?.
Minala zima, || snih na bor&cb taje,
s^ \^ \j v-/ v-/ Ky\j \j
T iidolieb poyode& || od snihn a deftt^;
jefib 86 vraci 1 z daleköbo kraje:
a viak niS poatnik 1 nepHcb&zi jeit6.
y zele& odMy ae 0 v leae ratoleati, 5
iijala pode kl'em 0 milon y&ai d^&e;
alaTik vypraynje | dloub^ povösti:
ale Udni zpr&ya || z pekeln^ Hie.
Uilo jaro— 16to; || Jii se dnov6 kr&ti,
povötH cbladne, || listi opadivi : ID
_v-/ v-/ \y \J v-/v-y w
z pekla T&ak i&dniJÜUlnÄ nejde zprÄya.
Zdali 86 poutnik 1 p^eee jeiti yrÄti?
zdali neklealo B ceetoa jebo telo ?
\^ \^ \y vy \^ \^ v-/
zdali bo peklo ( y Bobi nepoü'elo ? —
vy _ vy \> \j W — WW
Lesni mni pod dnbem 0 b yyBok^bo
w
•tana 16
^^ \^ v-/ v-/ ™. v/ vy vy
ikaredö poblüi || y z4padni Btrann;.
vyw vy vy ^ v^ v^ .^w
sedi a brnii: D *Co jioh ta ftlo koli,
\j.^\y w _ vy v-/__vyvy vy . .
neuiel nikdo m6 1| Bnkoyit6 boli !
vy vy v-/ vyvy vy
Jen jednobo D jsem na bIovo ysadil,
vy ^ \y .^\j vy vy
Jen toho jednobo — 1| a ten mne zra-
dYlI«— 20
vy vy v-/
ozval 86 t^i
w _ vyvy _vy
»•O nezradil tebe I «■ -
— vy
ftasem
vy vyv^ 'w' vy \j\^ .— vy
podl6 mnie poutnik||poy^&eD^m blaeem ;
__ v-/vy vy vy vy vy _vy
poBtaya pHm&, | oko pi'iBn^, srnel^,
\~/ \^ vy \j\j vy
Btnden^ poklid Q na jebo &ele,
'^jy^ v-/ vy «_ vyvy vy
a z jebo bled6, || nilecbtilö tvÄfe 25
vy vy vy v^ \^ \y vy
jakoby planula || alnne^nÄ zihd.
v-/ vy vy v-/ .«vy vy vy
»» Nezradil jsem tebe !||ptisahoa ztnha
vy vy vy vy vy vyvy vy
zay&zal jaem ae ti, D bHio^ boiU sinba;
vy vy vy vy vy \y\»y \y
a nyni pi'isah&m D jefitö tobÖ znoya:
w_ vy vy vy \^\^ v^
pHBab&m na kHie || Byat^bo sl&ya, 30
vu'vy vy vy \j\j vy
ie tob6 v6mou||z pekla neBu zpr&ynl««
w — \^ \J \^ \^ —. vy.vy vy
ZacbvÖl ae mni lesniJlBlyie tatosloya,
vy vyvy vy v^ vyvy vy
a yyBko&il zbftm J B&bna po By6 zbroji:
vy vyvy \^ \y \y\^ vy
a y&ak jako bleakem ||omrÄ&en;^ stoji —
vy vy vy vy vy vy vy«.vy
neBnesef zrak jebo || zraku poutnikoya. 35
vy vy \^ KJ\j \j
»»Tuto Bed' a Bly&I || poyÖBti br&zy
__ vyvy «_v-/ vy \^ \j vy
zyÖBtuji tobe || po pekeln6 cbozi;
\y\j vy vy \m/\J iv^
o bnöyu boiim || bIovo moje By^dÖi:
vy_ vyvy vy vy vyvy vy
ale milost boi8k&]| neskonienö vÖUii I ««
vy \j\J — v-/ w vy
Vypravaje poatnik, || co y pekle
vy
BpatHl: 40
vy vy vy v^ wvy vy
mofe plamenüy — 1| bHdk6 d'4bltiv plaky ;
vy vyvy vy <^ \j\^ vy
a kterak ee ii votjj b y Mnon smrti sbratHl
vy Ky vy vyv-/ vy vy __^^
na y 66n6, yidy noy^ || zatracencüv muky. —
\^ -. \^ \^ vy
vy vy
Mui leBni pod dubem || zamracen^ sedi,
\y \^ vy vy \^ \>j vy
nemluyi aloya — ||jen pi'ed Bebe bledL 45
188
Jaroslav Sntnar,
w V-/V-/ v-' \y \y v-/
Vypravuje poutnik, || co v pekle sly&ei :
6piDliv6 n&fky — 1| zlofe^en^ kleni —
wi_ w w \J \y v^'w.^v-/
▼ol&ni pomoci — 1| v&ak nikoho neni,
kdoby tn potöiil,||kdo k pomoci pHiel,
\-/ w v-/ v-/ W V-' v^
Jen y66Di kletba, || vMn^ zatraceni ! — 50
Mai lesni pod dub0m||zamra6en;^ sedi,
nemlayi slova — 1| jen pi^ed sehe hledi.
Vypravuje pontnik, || jak znamenim
kliie
pHnutil Satana, 0 pekelnö knüe,
rozk&zati d'&bluJiBtr&jci klamu zl6ho, 55
aby zase rrÄtil || krvi psanoa bl&nu.
v-/ v-/ >m/ \^ \J v-/ \-/ V-^
Protiyil se d'&bel || pekeln^ma pinn,
\^ __W \J v-/ v-/ _ v-/ v^ w
neyr&til z&pisu || die rozkazu jeho.
v-/ v-/ v-/ v^ v-/ v-/ V-/ __w
Bozlitil 86 Satan II a y zlosti svö yeli:
»Vykoupejte jeho 0 ▼ pekelnö koa-
pelil«— 60
U6inila rota || die jeho rozkazn,
pi'iprayila l&zeik || z ohn^ a mrazn:
B jednö Btrany hoH || jako nhel ziiatf ,
8 dnih^ Btrany mrznejj y k&men ledoyatf :
a kdyi yidi rota || miru naplninu, 65
w v-/ >-/ \-/V-/ w w «^
obraei zmrzlinn || opak do plamenft.
\y \j \J \J \-/ \j \-/ w
Strailivi fve d'&beI,||jako had Be Byiji,
v-/ v-/ v^ \-/ ^ v-/__v^
ai ho pak jii BmyBl || i cit pomiji.
\j v^ v-/ \y \y \^ \y w
Tu pokynul Satan, || rota odstoupila,
a BÜa zaB noy& || d'äbU oiivila. 70
Ale kdyi propufitdn || opöt d;^äe lehce,
krvi psan^ bUnylJptec yydati nechce. —
v-/ w w v-/ v^__ w w
Bozlitiy se Satan, || k&ie ye 8y6m
hn^yu:
»Kaie at' obejme || pekelnou döyu I« —
A byla ta d6ya || s ieleza sknta, 75
r&mö yztaien^ || k toniebnö milosti:
pHyinala d'&bla || na syi prsa kruti,
a zdrceny JBon | vftecky jeho koBti.
v-/ w v^ v-/ v,/ v-/ v«/ \^
Strailivi ive d'&bel,|| jako had se Byiji,
vy v-/ v^ \y vy v-/ v^
ai ho pak jii Bmy8l||i cit pomiji. 80
Ta pokynul Satan, || panna povolnila,
a BÜa zaB noy& H d'ibla oiiyila.
v-/ v-/ N-/ \^ N-/ v^v^ \y
Ale kdyi propa&t6n || op^t d^fie lehce,
krvi psan^ bl&ny||p^ec vydati nechce. —
I zafi6el Satan || poBledni bv6 bIovo: 85
»Uyrzte jeho D v loie Z&hofovo ! « —
»y loie ZÄhoBy o ? || y Z&hofoyo loie ?« —
yol& y udideni || mui diy^ y leee,
hrozn^ tölo jeho || osykon bc trese,
a pot yyrÄii || z tuh6 6ela koie. 90
v^ \y\^ v-/ v-/ v-/ v-/ v^
»Loie Z&hoi'oyo! — ||ZiLhoir je to jmeno,
\^ \y \^ \^ \J v-/ \^ v^
od matky m6 nikdy || 6aBto yyaloveno,
kdjri uiiyaia mne 0 pl^Bti rohoie,
kdyi mi rohoiemi || na mechu Btl&yala,
a yl6i koiinou || mne pHkrj^vala. 95
A nyni y pekle || Z&hoh>yo loie — ?
V&ak povöz mi ty » || ty Bluho boii,
CO 6ek& Z&hoi'e || na pekeln^m loii ?« —
»» Sprayedliya jestll pomBty boii mka,
le6 ukryto vö6n6 Q jeho nBouzeni: 100
V^ V^' V^ V-' V^' V-/ V-/ v^
nezn&mät' mi sice || ty& pekelni muka,
iile tT;^ch zlo6inft 0 nie menii neni.
V-/ V^ W Vy V-/ V-ZVi/ v^
Nebo v6z, ie d'ibel, || ely&e ona eloya,
zhroziy Be pokuty || loie Z&ho^ova,
kryav;^ z&pis || yr &tii bez prodleni I «« — 1 05
StoletA Bosna || na chlumovö Btr&ni
hrd6 yypini || k nebi bv6 t^m6 :
ProBodisehea und Metrisches bei Earel Jaromir Erben etc. 189
\j \^ ^_j^ ^ — \j \j — y
i pHjde sekersi I sosna hlavu sklÄni,
.. ^ v^ __ w v^ —^ v-/ _ s^
a täk^m p&dem | zachveje se seme.
DiTokf tar lesnitl v bujnosti bv6 sily 1 10
vy ^ w — v-/ v^ — ^^ — ^
z koi^ne vyyraciUmocnÄ y lese di^eva:
\y \y v-/ \j \y y v^ — ,^
proboden ofttipem, | potici se chyili,
^ \J \^ \^ V-/ \J V^i
a padne, y bolesti I smrtelnö i'eva. —
_ \^ \^ _ v-/ ^ — v-/ ^ — .y
Takto mni lesni. || Poraien ton zvesti
naiemiklesillvesmrtelnömBtracha; 115
_ >»^ ^— w v-/__ \^ ^ ^y
rve a sviji se, H blje v hlavu pesti,
V^ \Jr \J Vy V-/ \-/W — V«/
nohy poutnikovyllobjimaje v prachu:
_Z Zf \^ ^ <y <^ — ^^ —V
»Smilui se, pomoz,||pomoz muii boiil
w _ w v^ — v^ ^ — ^ ^ _v^
nedej mi dospiti || k pekeln6mu loii I « —
Nemluv Ukto ke mndl || 6erY jsem,
royei tob*, 120
bez milosti boüllztracen yö6ni vek&y ;
_ v^ v^ — v^ w — v^v-/ _y
k ni ty se obraf , || od ni prose 16kuy,
a ciÄ pok&ni || y pray6 jeste dobc.« « —
^ w w — w v-/ _ w y
Kterak m&m se k&ti? || yiz tu na m6
hol!
ty fady yrubty :||co jich tu jest koli— 125
»po*ti je,mii4eS-li— 1 tazntokakaWi,
kaid^ ten yroubekUjest jednayraida!«—
_ v/v^ — v-/ v^— ^^ w, — y
I zyedne poutnik,||kzemi se naklone,
_ w^ — O ^ — v^ w _ Y
h&l ZÄhoioyu — ||kmen mocn6 jablone —
a zarasi ji l| y tyrdS sk&ly t6mi, 130
v>_ w w — s^ v^ — v^y — y
jako tenkj^proutek||do Zorane zeme.
•»Tu kie* pfede sySdkem || sy^ch
hroznf ch einu,
klei ye dne y noci,|lukrutn^ zlosynu!
Oasu nepo6ite1, II nedbej iizne, hladu,
__ W w _«v^ ' ^ _ ^ v-/ _ v^
jedno po6itej R sy^ch zloiin& ^adu, 135
lituj a pros boha, || aby smazal yinu.
V^__ \^ \J » w v-/ v«/ v-/» W
Vina ty& jest yelk&,|| t^k&, bez pHkladu :
bez pHkladu budü || i tyoje pokini,
a bez konce jest || boii smiloy&ni !
Tu kle6 a 6ekej — 1| a£ se y jedn6 dobö 140
z milosti boii || yrätim zase k tob*.««
Takto di poutnik,||a jde cestou dide.—
A Z&hoir kle6i, || kleM neustÄle;
»• v^ vy vy V-/ v>v-/ v-/
kleii ye dne, y noci — 1| nepije, neji;
yzdychaje boiihoJI prosi smüoyÄni. — 145
Den po dni mine; I| ji£ i snih se sh&ni,
ledoy* mrazy || jiijii pHch&zeji :
a Z^oir kle6i, || prosit nepf est^yi —
ale na poutnika || darmo o6ekäy&,
ten nepHchäzi, || neyraci se k n6mu. 150
B&h budü milostiy || muii kajicn^mu!
T.
DeyadesÄte let || p^eletilo System;
v-/ vy >^ __>^ v^ v-/ v>' _v-/
mnoho se zyr&tilo || zatim od t6 chyile:
V-/__V-/V./—V>' V/__ V-/V-/ _v^
kdo onoho 6asu D b^al nemlumitem,
jest nyni starcem, || do hrobu se ch^le.
A y&ak m41o jioh || dozr&lo k t^ dobö, 5
ostatni y§ichni||jsou schoy&ni y hrobÖ.
Jin^ pokoleni — || cizi obliÖeje —
yfte ye^syöt* cizi,|| kam se Moy6k d^je:
Jen to slun^^ko || modrayöho nebe,
jenem to niiüdnö || promdny neyzalo; 10
a jako piFed y^ky || lidi tödiyalo,
tak i nyni jeätö || yidy blaii tebe !
Jest op^t jaro. || Vlain^ y6tHk duje,
na lukiuih sy^i || kol^bi se tr&ya;
slayik sy6 poyÖsti || op6t yyprayuje, 15
a fijalka noyou || zas yftni yydÄyä.
t90
Jftro8lay'8iitii&r,
HabroY^ Btinem || hlnboköho leaa
dv^ poiitiuk& II 86 ceston nbirä :
V^ \J V-/ V^ \J \J \J v-/
Bhrben^ stai^ek, || v moe berla nesa,
berla biskupskon, || yökem jü se ti^eaa, 20
a p6kii^ müdeneo, || ten jej podepiri.
\J ^ \^ v-/_ v^ v-/ ^
»»PoBe6kej, syna m&j! 1 r&d bych
\-/ \-/ _ v-/
odpo6iiiiil,
odpo6inati || si mk dnie i&di!
Bäd bych se jii k otcom || sesnul^
pnvinnl,
ale mUoflt boii || jinak mi uklÄdi. 25
Milost boii velkÄl || ta Blaha BV^ho
\J \^ v-/ \-/ \J \J v-/
mocn6 provedla || skrz pekelnon br&nQi
y iA^Ah sy^m Byat^m || poy^&ila jeho;
a protoi duÄe m& |1 dobroi'eöi pÄna.
Peyii6 jsem doafal||y tebe, hospodine: 30
deji, at' tvk 8l&ya|| na zemi 8po6ine! —
Syna mftj, iiznim! || ohledni se yukol:
ta&im, ai neni-li || mdl^ch smyBKi m&-
_ y
meni,
tdiim, ie mi blizk6||najdei obientyeiii,
aby byl dokonin || m&j üyota ükol.«« 35
Odei&el mÜdenecJiy lesni zasel Btrany,
zdali by kde na&el || pramen achoyan;^.
I dere 86 hoostiin, || kri^i dM a d&le,
aj^ i 86 prodere || k mecboyit^ Bkäle.
Ale ta n&hle || noha jeho Btane, 40
a jako syÖtla&ka |j ye^er l^tajici,
le8kne 86 podiy || y p6kn6 jeho lici :
diyn6t' nezn&mÄ || ytii6 k n^ma yane,
yiin^ ney^8loyn&, |{ neBkonÖen^ ynady,
jakoby y raj8k6 || yBtupoyal Bady. 45
v-x _ v«/ v-/ _v-/ v-/ _ vy '^ __v-/
A kdyi pak mladenec |{8krz6 hoBt^ chyoji
yzhüra 86 prodere || a na Bk&la ykro6i,
y6c nepodobnoa || yidi jeho oM :
na hol6 8k41e || etrom koftaty stoji,
Btrom jabloiioy^, || y kü 86 rozklidaje, 50
a na n6m oyoce || diyn4 kr&By zraje —
jablka zlatÄ — 1{ a z nich se nese
ta raj8k4 ytind || yÜol po y&em lese.
I zpleBalo Brdce'l y ml&dencoya töle,
a zrak jeho hilf || jiBkHl 86 yesele : 55
»Ach jiatÖ, jiBt^! || bfth dobrotiy^
8taiPe6koyi k yftli || ta by^ £ini diyy:
pro po8ila jemn — 1| miato chladn6 yody —
paBti y 1686 8k^ II raJBk^ nese plody.«
Ale jak b ochotoa || po jablka a&hne, 60
tak 8 aleknatim || raka za8 odtihne.
»»Ty nech, netrhej — 1| y&ak jai ne-
sazel!««
hlaB dat^, hlabok^ || k&ie jema z taha,
blizk^ hlaa, jakoby || ze zem^ yychizel,
_ v^ vy v-/ v-/ v>^-/ s-/
neb nikdei yikol || neyid6ti draha. 65
v-/ _ w \-/_ \J v-/ _ ^> v^ _ v^
Jen patez yelik^ || Btoji yedl6 n6ho,
v^ v-/ \-/ \-/ \^ \^ v>
po nhmi ostraiiny 11 8 mechem se ymoo,
a pod&l zbytky || daba prastar^ho,
kmen rozdrcen^ || b iiroa yydatinoa.
W V-/ 'w' \-/ \^ V-/ s-/ \^
Obeäel jinoch peh, || prohliii datma, 70
obefiel ta celoa || okolni krajinn :
y&ak ani Btopy || nalezti nemoha,
v^ _ v«/ v-/_v-/ '^ v-/ « v«y
ieby ta kriiela || kdy lidaki noha,
y&adei jen poahoa H yid^ti pastino.
»A Bnad 86 acho m^ || oblozeno Uli? 75
Bnad zyife diyokö || zahralo y dAli?
Bnad od yody y akile || zyok onen po-
chazel?«
ProsodischeB und M etriBchoB bei Csrel Jaromir Erben etc.
tfll
dl k BoM B&m jinoch; || a nedbaje zvnkii,
op^ po jablkn || vxtahiy e rnka.
>»Ty nech, netrhej — 1| v&ak jsi nesÄ-
zel!«« 80
blas dat^ hhnotniji H zapovida saBO.
v/ vy ^ vy \^«.v-/v/ __v-/
A kdyi se mUdenec || ohl6dl po blase,
hie ! pai'ez velik^ H mezi ostraiinon
h^bati Be po6ne, II a z mecha se Mnou
dlonhi dv6 rameiia,|| k jinocha mÖHce, 85
a nad mnenj, || jako amohi^ svioe
V mlhav^ noci, | dv^ Öerven^ch o^i
s pod &ed6ho mechu || k nima se toJbi.
Zd^il Be mlidenec,||a znamenim kfiie
znameni ae jednoo, || po dmhö a Üeti; 90
vy \^ \^ Iv-' \J \^ v^
a jak vypla&en^ || z hnizda oBtHie,
neUedaje eesty, || nevida obtüe,
pHno Be Bkily || honkim dol& leti;
a riuraven^ || od OBti^ch snM,
^ \J \J V>' Vw> \J \J W
na zemi padne || k Btaf edkovi blüe. 95
«Ach pane, pane ! |' zle je v tomto lese :
koaati jabloii || na Bk&le, na pUuii,
a jablo& na ja^e || zral^ plody nese,
a paivB yelik^ || trhati je brini.
A ten paiez mlnvi, 0 oMma to6i, tOO
a efayt& ramenem, || kdo k jabloni kroi^i :
\j \^ \y \j \y \j \j w
ach pane, d'&blovo |) ta jest panovini!«
••Mj^lttae, B7nnniüj!||tatomüoBtboii
BYÖ diyy 6ini — 1| bndü jemn aUva!
yidim,iepont'moje||jii ae dokon&yi, 105
ridofae t^lo m6||Y zemi t^to bIoü! —
JeM mi poBlni | naposled, m^ synii!
doved' mne nahorn, || na skalnou pla-
nina.««
ü^mll tak jinoch : ||napred oeatn klesti,
a potom BtaMkaJIpo ni m&BÜ n^Bti. — 1 10
\J \J _ \«/ \J __V^ \J __ w
A kdyi jü pfiÜi R nahorn k jabloni,
aj ! ta Be pafez U ke Btai^e6kn kloni,
vztahnje tkmh vatKc, || % radnje ae:
»Ach pane, pane mfy|! g dlonho'a ne-
pHchäzel:
hie tv& sazenice || jli ovoce nese, 115
ach ntrhni, pane ! || v^k aäm jsi s&zel. « —
»»ZiJioH! Z^hoH!||pokoj b'ndii tob"^:
pokoj ti pHnÄÄim||y poBledni bv6 dobd!
vy v^ vy _ v^ _ vy v^ \^
Bez miry, bez konce | jest milost boÜ,
niiB oba yytrhla || pekeln^mn loii ! 120
Propnst' mne nyni j]i,||jakoi i j& tebe:
necht' Be ta popel niä||Yedl6 Bebe aloii,
a dncha necht' vezmon || andUov^ z
nebe!««
»Amen !« diZ&hoh ||Ay tom okamieni
sesol se ve Bkrovnoa | pracha hro-
m4dku; 125
a Jen ostraiina || na hol^m kamen!
z&Btala statt, D jema na pamÄtka.
Ziroveü i Bta^ec||mrtey na zem klesi—
pont' jeho pozemakÄ || jii dokon&na! —
•</ \^ O' \j \y \^ v^ v^
I z&stal ml&denecllsim a prosIfedleBa, 130
by jeitd yykonal || y&Ii sy^ho pina.
\y W v-z v-/ _ v^ v^ v^
Le6 nad hlayoa jeho||t6 8am6 chyile
yzna&eji se dyö || holnbice bil6;
y radostn^m pIesa||yznÄ6eji se yzhtro,
ai i Be yznesly fl k and^Isk^mn k&ra. 135
192 Jaroslay Sutnar,
Falsche Wortbetonnng im Zähofovo loie,
Anf den ersten Blick sehen wir, daß dieses Gedicht (ohne jeden
Strophenban nnd mit der verschiedensten Reimordnnng) in dem zuletzt
besprochenen Hetrnm verfaßt ist.
Anch hier zerftllt jeder Vers in zwei Hälften durch die Diäresen ,
von denen 155 (mehr als ein Drittel) sogar mit der Interpunktion über-
einstimmen. Nur ungefähr 5 Diäresen unter 450 Versen im ganzen durften
gegen den Sinn verstoßen, was außerdem nicht tiberall in gleichem Maße
geschieht. In dem einzigen neunsilbigen Vers n 8 steht ein viersilbiger
Ditrochäus als zweite Hälfte, und als erste Hälfte steht ein Ditrochäus
in den zwei zehnsilbigen Versen IV 19, V 18, wogegen in den ttbrigen
durchgehends zehn- bis zwOlfbilbigen Versen beide Hälften je ftlnf bis
sechs Silben enthalten. Daß diese Hälften von ganz gleicher metrischer
Natur sind, beweist unter anderm schon : Vers IV 86 neben 87 und 9 1 mit
ganz denselben Worten, Vers IV 56 neben 72 und 84 mit fast den
gleichen, Vers III 26 neben 28 sowie Vers IV 143 neben 144 und weiter
Vers V 95 neben 57 sowie Vers 117 neben 118 mit größtenteils sehr ähn-
lichen Worten in der zweiten und in der ersten Hälfte. Jede von den
beiden Vershälften endet mit einem Trochäus, wovon uns in der zweiten
Hälfte schon die Reime gänzlich flberzeugen. Denn unter den 53 drei-
silbigen Wörtern im Versschlaß reimen nur 1 1 mit einander, so daß in den
übrigen 42 Fällen ein dreisilbiges Wort entweder einem zweisilbigen (in
29 Fällen) oder einem — hier dem zweisilbigen natürlich gleichzustellen-
den — viersilbigen Worte (in 13 Fällen) gegenübersteht. Daß die erste
Vershälfte gleichfalls immer auf einen Trochäus endet, können wir mit
gleicher Sicherheit nachweisen. Unter den 133 dreisilbigen Wörtern
vor der Diäresis müssen nämlich bis auf nur 38 Fälle alle mit Betonung
auf der zweiten Silbe schon wegen des nachfolgenden Auftaktes gelesen
werden, weil ein Zusammentreffen von mehr als zwei tonlosen Silben im
Öechischen ganz unzulässig ist. Dabei darf man natürlich in der größern
Anzahl (38 : 11) dieser scheinbar zweifelhaften Fälle vor der Diäresis
nichts Auffallendes erblicken, da ja die ganz zweifellosen Fälle mit
dreisilbigen Wörtern vor der Diäresis ungefähr in demselben Verhältnis
zu demjenigen im Versschluß stehen (95 : 42). Außerdem müssen wir
den Vers vor der Diäresis immerhin als eine Art Innenvers betrachten^
dessen Natur selbstverständlich eher Unregelmäßigkeiten zuläßt. Da-
gegen wird solches im Versschluß meistens schon durch den Reim ver-
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 193
hindert y wie sonst auch — abgesehen von den bereits besprochenen
Fällen nnd den yiersilbigen Wörtern oder den dreisilbigen mit je einem
tonlosen einsilbigen Worte — noch 24 falsche Troch&en vor der Diä-
resis (darunter 20 mit nachfolgendem Auftakt) keinem einzigen im Vers-
Bchlnß gegenüberstehen. Und ähnlichen scheinbar zweifelhaften Fällen
begegnen wir natflrlich ebenfalls im ersten Fuße der beiden Vershälften,
der mit Ausnahme der oben erwähnten drei Verse (ü 8, IV 19, Y 18)
immer einen Daktylus mit oder ohne Anakrusis enthält. So giebt es
Yershftlften ohne Anakrusis, bei denen wir an Stelle eines nicht ana-
kmsischen Daktylo-Trochäus weit eher einen Ditrochäus mit Auftakt
lesen möchten. Abgesehen von den gar nicht zahlreichen derartigen
Fällen mit mindestens zwei einsilbigen Wörtern in nicht anakrusischer
Vershälfle (nach der Diäresis 5 und im Versanfang 7 = 12) im Gegen-
satz zn den noch etwas spärlicher vertretenen unregelmäßigen Fällen
mit mindestens drei einsilbigen Wörtern in anakrusischer Vershälfte
(nach der Diäresis 0 und im Versanfang 6 = 6) sind es in der Regel
Vershälften entweder nüt einem ein- und einem viersilbigen (oder statt
des viersilbigen auch mit einem drei- und einem [tonlosen] einsilbigen)
Worte (nach der Diäresis 8 Fälle [darunter 1 mit einem drei- und einem
einsilbigen Worte statt des viersilbigen] und im Versaufang 21 Fälle
[darunter 3 mit einem drei- und einem einsilbigen Worte statt des vier-
silbigen] = 29 Fälle] oder mit einem einsilbigen und zwei zweisilbigen
Wörtern (nach der Diäresis 22 und im Versanfang 41 = 63 Fälle), denen
jedoch eine große Reihe anakrusischer Vershälften gegenflbersteht ent-
weder mit zwei einsilbigen (oder statt ihrer auch mit einem zweisilbigen)
und einem viersilbigen (oder statt des viersilbigen auch mit einem drei-
und einem [tonlosen] einsilbigen) Worte (nach der Diäresis 65 Fälle
[darunter 57 mit einem zwei- und einem viersilbigen Wort] und im Vers-
anfang 20 Fälle [darunter 15 mit einem zwei- und einem viersilbigen,
1 mit einem zwei-, einem drei- und einem einsilbigen Wort] = 85 Fälle)
oder aber mit zwei ein- und zwei zweisilbigen (oder auch mit drei zwei-
silbigen) Wörtern (nach der Diäresis 102 Fälle [darunter 87 mit drei
zweisilbigen Wörtern] und im Versanfang 39 Fälle [darunter 27 mit drei
zweisilbigen Wörtern] =141 Fälle). In den letztem Fällen (und Über-
haupt in allen anakrusischen Vershälften) muß man ja schon wegen Ein-
haltung derselben Taktzahl im Anfang einen Daktylus (mit Auftakt) lesen,
so daß jene unsichem nicht anakrusischen Vershälften (92) durch diese
sichern anakrusischen (226) wohl mehr als genügend aufgewogen werden.
Axehiw tta ilftTisoke PhUologia. XXIX. 13
194 JaroBläy Satnar,
Oaii2e Verse ohne jede Unregelmäßigkeit kommen zwar nnr In 29
Fällen vor, wobei der Auftakt 5 mal in der ersten, 8 mal in der zweiten
nnd 2 mal in beiden Vershälften stebt. Aber es giebt außerdem noch
ganz regelrechte — 89 erste (25 mit Auftakt) nnd 79 zweite (28 mit
Anft&kt) — Vershälften, welche bei der yölligen Gleichheit beider Vera-
hälften zusammen ungefähr 84 ganze Verse ausmachen. Werden nun die
ganzen regelmäßigen Verse dazngerechnet (29-f-S4= 113), so kann un-
gefähr ein Viertel der sämtlichen 450 Verse als ganz fehlerfrei bezeichnet
werden. (Dagegen begegnen wir in diesem Gedichte ungefähr 62 regel-
rechten Troohäenversen und etwa 49 regelmäßigen Jambenversen.)
Die hier vorkommenden Unregelmäßigkeiten teilen wir natürlich
ebenso in vier Abteilungen, wie das in den frflhem Fällen geschehen ist.
I.
1. Versschluß (mit Reim): nechod za noci, - ku pomoci I 27,
28, zase - ohlödl po blase, V 81, 82, na pläni, - bränf - panoväni 97,
99, 102.
2. Innen vers a) vor der Diäresis: listov^ na dubä I 8, ne-
nit bez l^ku 31, pravou na y}'chod, II 13, levou na zäpad, 14, a skok
za skokem III 34, do pekla? 51 55, prijdu snad za tebou 58, za teoh
let, 69, lesnf mui pod dubem IV 15, mu£ lesni pod dubem 44 51, jako
piFed yhkj V U, prlmo se skälj 93, jablon na jare 98, bez konce 119,
v-/ _ v./
sesnl se ve skrovnou 125.
b) nach der Diäresis: do smlchu mu nenf I 10, ze snAv
vytrhnouti 34, pres to pole be£l II 2, od sv^ drah^ panny 31, na me-
chov^m loSi III 11, na skäle le£fci 15, za pasem rüi^enec 36, na tö ne-
pHkvacf 42, do satanskd rfse 50, pro pozemskä zboif 62, se vsf jeho
moci 65, se znamenfm kme 82, od snehu a deste IV 2, po pekeln^
chuzi 37, na svä prsa krutä 77, na mechu stlävala 94, na pekeln^m lo&i
98, na chlumov6 sträni 106, ve smrteln^m strachu 115, od nf prose 1^
kftv 122, do zoran6 zemS 131, do hrobu se chyle V 4, na zemi spoiine
31, po jablku sahne 60, ze zemi vychäzel 64, po druh6 a ti-eti 90, na
skäle, 97, na skalnou planinu 108, po nf musil n^sti 110, ke stareiku
kloni 112, na hol^m kamenl 126.
ProBodisches und Metrisoliea bei Kare! Jaromir Erben etc. 19$
3. VertamfaiLg: ao pekla oeAla mä III 50, za maion poobonftu
74, na T^kn6, lY 43, od mätky m6 nSkdy 02, b^ milostybo&i 121, bez
pnklada badi£ 138, pro poaila jemn V 58, po n^mi o8ti*nfiny 67, z pod
aed^bo mechn 88, bes mäy, 119.
n.
1. YersachUß (mit Reim): svadl^ - v dAlky z'apädl^l 1 22, 23,
za noci - rädi kn pomoci, 27, 28, rodi - noc vojevodf 11 13, 14, vrata -
rota prc^aia, 19, 21, tarn d^ näm dosp^ti, - ddti 23, 24, vron^ obe-
jmäti, - nittf 35, 38, 6elo - se Jest obestfelo? in 22, 23, tebe smrt
ütM- mlädi 38, 40, sta&f - na t8 n^ep^kva^Y, 41, 42, alysival - jeStJ
nezazplyal I 52, 54, däti - oo yHSz navräti, 66, 67, zklätil - zpä&y
w \^ \^ v/v-/ w v-/ — . y
nenavrätil! ^ 70, 71, y lese ratolesti, - dlouh^ povesti: IV 5, 7, tSlo -
V 8obe nepoirelo? - 13, 14, die jeho rozkazn, - mrazn 61, 62, svfjf -
i cit pomgf. 67 79, 68 80, nenf - vrätil bez prodlenf ! 102, 105, k zemi
se nakiönS, - jablonS 128, 129, Sinä - nkrutny zlosynul 132, 133,
hdn - bez pnkladn: 135, 137, tvoje p'oklni, - smiloyänf 138, 139,
dile-kle£f nenstile; 142, 143, prosit neprestävä - - oSekirä 148, 149,
promSny nevzalo; - t^sivalo V 10, 11, trära - v4ni vydävä. 14, 16, se
v^ v-/ v> \y \-/ v^ '^iT- ^
eeston nblrä: - j«j podeplrä. 18, 21, räd byeh odpoehml, - zesnnlym
pnvhial, 22, 24, zädä - jinak mi nklädä. 23, 25, hospodine - na zemi
spo^el - 30, 31, säbne - rokn zas odtähne. 60, 61, vsak jsi nesi-
Zell - ze zemS vycbdzel, - zvok onen pochäzel? 62 80, 64, 77, nalezti
nemoba, ~ noha 72, 73, ostriie - nevida obtiie, 91, 92, dloubos nepri-
ehäzei: — sizel 114, 116, y tom okamiieni - kamen! 124, 126, hro-
\y \y v^
midkn - jemn na pämätkn. 125, 127.
2. Innenvers a) vor der Diäresis: jeräb ul6tä I 3, pnsto a
nevlidno 4, vitr od zäpadn 5, a kdo pocbopl, 10, pontnlce neznäm^ 11,
V-/ — W V-/ ,i_ V> Niii/ — . v-/ V/
kam 80 nbiräs 14, kam tak pospichäs? 15, snad ie nesteati 25, a pH
nejmenaim 29, jen nepomljej, 30, tarn )il zachäzf 35, mce probit^ 11 10,
tarn na vycbodö 15, ale na zäpade 19, na tom pahorka 25, vronene ob^
jimi 28, jestS poslednf 35, chvlle nestastnä 38, a pod odlVem III 8,
dutina prostrannä, 9, £i je ta postava 12, s jeiatym oboiim 18, a pod
13*
196 Jaroslav Sutnar,
obo)^fm 19, jakymi obrnysly 23, kyjem ohromn^m 33, QÜkej, 41, dokad
kyj ohromny 42, a nerozÖfstl 43, nevidl, 44, 8äm ii tarn dopravirn, 56,
aS 86 naplni 57, ty se neronhej 59, dobada zäpisn 68, za malou po-
choatkn 74, co v pekle uvidls, 80, y üdolich povodeii IV 2, zdali nekleslo
13, skaredd pohliM 16, nensel nikdo m^ 18, nyni prisahäm 29, voläni
pomoci - 48, kdoby tn potösil, 49, nevrätil zäpisu 58, ale kdy2 pr%-
pist^n 71 83, a pot vyrä£Y90, ieki Zähore^ 98, ale tv^ch zioSTnü 102,
zbroziv se poknty 104, hrdS Typfnä 107, z kofene vyvracf 111, proboden
ost^pem, 112, nedej mi dospSti 119, a ci& pokäni 123, casn nepocftej,
134, jedno pocitej 135, ten nepHchäzi, 150, jenom to nii^ädnä V 10^
slavfk 8v6 povSsti 15, mocne provedla 27, ac nenl-li 33, aby byl doko-
nän 35, a2 i 8e prodere 39, divnet neznämä 43, vAni nev^sloYiiä, 44,
vzhAru 8e prodere 47, vSc nepodobnoa 48, ale jak 8 ochotou 60, ne-
trhej-62 80, doved mne nahorn, 108, ZähoHl 117, pokoj ti pHnäslm
118, oba yytrhla 120, necht' se tu popel näs 122, pout' jebo pozemskä
129, by jest8 vykonal 131.
b) nach der Diäresis: pokaM6t y jeseni I 7, pocbopuje
sloya 9, nepokryyä brady 20, niiädn^ho 2ela 31, anii oko zyedne 33,
pribit;^ yideti II 7, roztahnje y sfri 10, yysyobod syS dSti 24, sejdon-li
se k sobe 34, pohledönl ledn6 39, yypfnaje celo UI 5, ohledni se
y hoQstf 25, zeptej se tSch kosti 26, prosti*ed cesty stane 34, odpoyldä
tise 49, ale pfsne t^to 53, netreba ti krokü 55, nechäm tebejfti 75,
ale to chci mit! 78, nepHchäzl jest^ lY 4, pl'ece jestS yrätf 12, ozyai se
t^mS casem 21, poyysenym hlasem 22, nslecbtil^ tyäre 25, omräSen^^
stoji 34, neskoncene yetsf 39, zatracencüy mnky 43, zamraSen^ sedi
\^ — \^ w w __ ^ ^ v> _ w
44 51, zlorecen^ klenf 47, op^t dyse lehce 71 83, poslednf sy^ sloyo 85,
y Zähoroyo lo£e 87, Zähor je to jmeno 91, Zähoroyo loze 96, pomsty
boM mka 99, zachyeje se zemö 109, potäci se chylli 112, poraien tou
zyesti 114, objimaje y prachn 117, pomoz muH boSf 118, ukrntny zlo-
synu 133, nedbej ziznS, 134, aby smazal yina 136, jizjii pHohäzejf 147,
> 91, Zähoroyo loze 96, poi
lotäci se chylli 112, pora
iimaje y prachn 117, pomoz muii hoii 11
^ smazal yina 136, jizji
neyraof se k n^mn 150, preletSlo svStem Y 1, zatfm od t^ chylle 2,
dozrälo k t^ dobe 5, prom^ny neyzalo 10, opet yypraynje 15, zesnulym
privinul 24, poy^sila jeho 28, ohledni se yükol 32, najdes obSerstyeni
ProBodiaches und Metrisches bei Earel Jaromir Erben etc. 197
34, neskonSen^ vnady 44, vAkoI po Tsem lese 53, nevidSti draha 65,
prohGzf datinn 70, okolnf krajinn 71, nalezti nemoha 72, oblazeno sali
75, zapovidä zase 81, ohl^di po blase 82, nevida obtiie 92, tnto milost
boil 103, naposled, 107, napred oestu klesti 109, naborn k jabloni 111,
pokoj bndii tobi 117, v posledni sv^ dobS 118, vedl^ sebe slo^f 122.
3. Yersanfang: ale coi tak bled^ I 22, ale na zäpadi n 19,
zlofecen^ dnse 22, ale v srdci plamen 40, pohodln^ nooleb III 10,
zeptej se tdcb cemych 28, jeSto tu kräkajf 29, obrat se, 41, doknd kyj
obromn^ 42, neslysl, 44, zastavil se pontnfk 48, pHjdn snad za tebon
58, porazl Satana 65, dobuda zäpisu 68, prisahej, 79, prisahäm na
ttfie 83, y üdollch povodeä lY 2, ale Sädnä zpräya 8, nslo jaro- 9,
neosel nikdo 18, podl6 mni^e pontnfk:22, nezradil jsem tebe 27, zaväzal
v^ \y v-/ __ v^
jsem se ti 28, pHsabäm na läile 30, zachvel se mni lesnf 32, nesne-
W , W__ V-«' _ v^ v^
86t zrak jebo 35, ale milost bo£skä 39, yypravuje pontnfk 40 46 53,
kdoby tu potJsil 49, pHnutil Satana 54, rozkäzati däblu 55, aby zase
TTätil 56, nerrätil zäpisn 58, rozlitil se Satan 59, yykonpejte jebo 60,
neinila rota 61, pHprayila Uze& 62, obraoi zmrzlinn 66, ale kdyi pro-
pnsten 71 83, rozlftiy se Satan 73, nnie at obejme 74, pHvinala däbla
"ilj neznämät mi sice 101, ale tv^^cb zlocinü 102, nebo ySz, 103, pro-
boden ostSpem 112, nedej mi dospSti 119, nemlny takto ke mnd 120,
spocti je, 126, ale na poutnfka 149, poseckej, V 22, ale milost bo&f 25,
V ürad^ syem syat6m 28, aby byl dokonän 35, zdali by kde nasel 37,
ale jak s ochotou 60, ieby ta kräcela 73, opet po jablkn 79, nebledaje
cesty 92, doyed mne naborn 108, ncinil tak jinocb 109, Zäbori! 117,
pokoj ti pHnäsim 118, propnst mne nynf 121, sesul se ye skroynon
125, zäroyeü i stai'ec 128.
in.
V-/Vy— ^
1. Versscbluß (mit Reim): snad pot^sime. - dHme I 29, 32, ze
snuy yytrhnontil - pouti 34, 36, syrchn pfideläna, - päna n 6, 8,
zhonci-dlykop]be2ädoncl: 36,37, naskäle lezloi, -yjedno spiyyajfci-
zrak bodajicf, III 15, 17, 19, mnobo jsem slySiyal, - nezazpfyal 52, 54,
liatf opadäyä: - zpräva IV 10, 11, k toni^ebn^ milösti: - kosti 76, 78,
198 JftroBlav Satnar,
pokänf - bo2f srniloylnf I - prosf BmUoTlnY. - shäBf 138, 139, 145, 146,
nepiwtävi. - danno otekävä, 148, 149, k nSmii - muü kajionömal 150,
151, yeSer l^tajlei^ - Hol V 41, 42, niho - dnbu pntstaf^ho, 66, 68,
k jinooha mSnoe, - Bvlce 85, 86, kme - z hnlzda ostnie, - obtfie - bliie
89, 91, 92, 95, na pUni - bränf - jest panovlnf I 97, 99, 102, aliva -
jiz se dokonävä, 104, 105, praoka hromädkn; — na pamätku 125, 127,
w v-/ _ v-/
jii dokonänal - pAna 129, 131.
2. Innenyara a) vor der Diftresis: ale mälo kdo I 9, a a Um
rAienoem - 13, lety sediv^mi 26, y dye atrany protiyii6, II 12, zrakn
hadimu III 21, ntec mlädenSel 37, mnobo yidfyal, 53, klamem dabei*
sk^m - 62, ale paatim ii - 75, h&l ayon poutniekon 82, fijala pode kiem
IV 6, nnze at obejme 74, a zdrceny jaou 78, y boleati 113, rye a Bviji
ae, 116, mMea->li - 126, a zarazi ji 130, yzdyohaje boJifho 145, ale na
pontnika 149, bndii miloatiy 151, jen to alnn^Sko V 9, dy^ poatnfkft 18,
berln biaknpakon, 20, jako ay^tlnska 41, obeael jinoeh pei, 70, potom
ata(eika 110, yztahnje räoiS yatHo, 113, propuat' mne nyni jiS, 121.
b) naeh der Diäreaia: yiekouee ae radem I 2, tiehoa piaeii
pSje 6, nyni pod ye&erem 14, dol& k zemi nl£i 26, atoji na yrchole II 4,
ayrchn prideläna 6, jakoi eeata mlH 12, nebeakä je bräna 15, bydli
bozf ayatf 16, y rannim ayStla kmita 26, y cizl aySta atrany 33, yrouci
obejmati 35, jako plamen zhonei 36, diyko p^te^idoncf 37, y huat^m
leaa prontf 43, drü na yae atrany III 6, hronem rozorany 7, lit^ leanC
aelmy 10, y jedno aplyyajfci 17, a loie ay^ho akoSi 31, tebe amrt nyidi
38, panenak^ho mlidf 40, y £ela ay^m hlaboköm 44, mnoho jaem alyaf-
yai 52, tak^ na anidani 58, otee ay^ho kryi 61, miion yflni dyae IV 6,
liatf opadäyä 10, iädnä nejde zpräya 11, ceatoa jeho tSlo 13, oko
pHan^, 23, hHany bo2f alnha 28, bHdk6 däbl&y pluky 41, a yiSnön
amrtl abratHl 42, y^Snä zatracenf 50, atr^ci klamn zl^bo 55, kryl paa-
non blinn 56, pekeinämn pänn 57, y pekeln^ konpeli 60, y ktoen le-
doyaty 64, opak do plamenft 66, k tou^ebnd miloati 76, s tnh6 iela
koie 90, yrätil bez prodleni 105, aoana hlayn aklänl 108, y bi^Boati ay^
aüy HO, mocnä y leae dreya 111, bije y hlayn p^ati 116, k pekelnömn
lo2i 119, ztracen y£in^ ySkfty 121, y prayl jeat^ dob£ 123, y tyrdi
ProBodiBches und Metrisches bei Karel Jaromir £rben etc. 199
skäly i6mi 130, t^ikä, 137, hoii smiloväni 139, vrätim zase ktob^ 141,
boii smiloväni 139, vrätin
kleSf nenfitäle 143, prosi smiloyäni 145, prosit neprestävä 148, b^val
semlnvn^m Y 3, cizi obliceje 7, vlainy y^trik di\je 13, kol^bä se träva
14, v&kem iil se ti'esa 20, jinak mi uklädä 25, y lesnf zasel strany 36,
kräSf däl a dile 38, yeSer l^tajfd 41, y pdkn^ jeho lici 42, yftDÖ k n&ma
rane 43, yidi jeho oci 48, diyn^ kräsy zrige 51, y mlädencoya t61e 54,
jiskni 86 yesele 55, mlsto chladn^ yody 58, rajsk^ nese plody 59, stojl
Tedl^ neho 66, dabu prastar^ho 68, s sfrou yydatinoQ 69, jako 8molii6
syice 86| hoastlm dolfi letl 93, k stai-e&koyi bliie 95, zral^ plody nese
98, badi2 jemn sliya 104, dloaho s neprichäzel 114, pekeiii6ma loii
120, mrtey na zem klesä 128, yäli sy^ho päna 131, k and&isk^ma
kAm 135.
3. Versanfang: znämä-te to piseä I 7, poatnfce neznämy 11,
stflüät' to jedlioe II 5, stoji, III 1, tuh^ od£v jeho 7, sotya kdo Moy^ka
14, jak^mi obmysly 23, s ob6 strany cesty 26, milost bo2f yelkä 63 66,
slaylk yypraynje IV 7, lesni mni pod dabem 15, üpinliy^ närky 47,
V-/ _ W v-/ _ V^ _
voläni pomoci 48, s jednö strany hoH 63, s drnh6 strany mrzne 64,
kryi psan^ bläny 72 84, yolä y ud^senf 88, hrozn^ tSlo jeho 89, zhroziy
se poknty 104, kterak mäm se kiti 124, litnj a pros boha 136, yina tyä
jest yelkä 137, kleSi ye dne, 144, jinö pokolenf V 7, jenem to niSädn^
10, slaylk sy6 poy^sti 15, milost boSi yelki 26, taSim, 33 34, stal^eiikovi
k y&ii 57, pustä y lese skäla 59, bllzk]^ blas, 64, dlouhä dy^ ramena 85,
zdSsil se mlädenec 89, m^iis se, 103, yidfm, 105, rädot se t£io 106.
lY.
1. Versschlnß (mit Reim): pokaM^t y jeseni - nenf 17, 10, se-
rto-njmf pod yecerem? 11, 14, panny-!^el poohoyan^f? 21, 24, pole-
Btoji na yrchole: n 1, 4, sniti - pKbitJ yidSti 5, 7, y pravo naklo&nje, -
juni nkaznje, 9, 1 1, syatf - bnde radoyati. 16, 18, le&e na kolenoa - mkn
otä&iou, 25, 27, z oka - z hlnböka. - 29, 30, divök^, - kroky 40, 42,
strany - hromem rozoran]^, III 6, 7, kmene - tyäfi zacazen6; 16, 18,
y hibit^ mlidenec, - za pasem rüienecl - 35, 36, y £eln sy^m hlnbo-
k^m - krokem 44, 45, ani - tak^ na snidani! - 56, 58, zyöfi - dnes
200 JaroBlav Satnar,
na veiSeri: 73, 74, znova - slova - zrakn poutufkova. IV 29, 32, 35,
klenf ~ neni - vScn^ zatracenf ! - 47, 48, 50, veli - v pekeln^ koupeli! —
59, 60, z&at^ - y kämen ledovaty; 63, 64, mfrn naplnenu, - opak do
v^ _ v-/ v-/ v-/ _v-/ , vyv-/_v-/ W V-/ _ V-/
plamenfl. 65, 66, rota odstonpila, - däbla oiivila. - panna povolnlla, 69,
v-/ v_/ _v-/ \y \^ \^
70 82, 81, slovo - V loze Zähorovo! - 85, 86, jmeno - casto vysloveno,
91, 92, loi^e - koze - pl6sti rohoze, 87 96, 90, 93, na mechn stlävala, —
mne prikryyala. 94, 95, jeho nsonzeni: - neni - bez prodleni 100, 102,
105, sloYa - lo&e ZihoioYHj 103, 104, nakloni - kmen mocn^ jablone —
128, 129, neji - jizjü prichäzejf : 144, 147, svStem - b^val nemluvne-
tem, V 1, 3, cizi obliSeje dSje 7, 8, nevzalo - lidi teifvalo, 10, 11,
daje - opet vypravnje, 13, 15, hospodlne: — spocine 30, 31, smyslft mä-
meni, - najdes obcerstvenf, 33, 34, strany - pramen uchovan^. 36, 37,
y sfr 86 Tozklädaje, - zraje 50, 51, tSle - jiskKl se vesele: 54, 55, bfth
dobrotivy - divy 56, 57, vinou - s sirou vydutinoa. 67, 69, prohlfzf
dntinn, - okolni krajinn: - vidSti pnstina. 70, 71, 74, mezi ostruiinon -
^ \-/ v-/ V-' _ V-/'
sinon 83, 84, Bjnu - na skalnon planinu. 107, 108, nahora k jabloni, -
kloni 111, 112, a raduje sei- nese 113, 115, okamicenl - na hol^m
kamenf'l24, 126.
2. Innenvers a) vor der Diäresis: jako dnchov^ I 2, stiblät to
jedlice - II 5, hlavn krvayon 9, ie se tarn s nimi t^z 18, pleton däblov^,
21, Ysak od leviee 24, jestö poUbeni 36, kräl vSkovit^ m 4, zelenä ra-
mena 6, sotva kdo clov^ka 14, zrak jedovaty, 20, jezto ta kräkaji 29,
mnoho vid^li - 30, jsem zatracenec - 49, do pekla eesta mä, 50, zU-
met i strasliv^ 64^ porazf Satana 65, y zelen odely se IV 5, slayfk yy-
prayuje 7, jen jednoho 19, toho jednoho - 20, jakoby planula 26, more
plamenüy - 41, piinutil Satana, 54, obraci zmrzlinu 66, räme yzta&enä
76, y loie Zähoröyo? 87, yolä y udÖ8enY88, loSe Zähofövo! - 91, kdyi
mi roho^emi 94, ylci koi^inoa 95, piijde sekera, 108, nohy pontnikoyy
117, hül Zähofoyu - 129, a bez konce jest 139, deyadesäte let V 1,
mnoho se zyrätilo 2, a ysak mälo jieh 5, jin6 pokoleni - 7, shrben)^ sta-
i-eiiek, 19, pSkn^ mlädenec, 21, synu m&j! 22 103, protoi doäe mä 29,
odesel mlädenec, 36, kdyz pak mlädenec 46, ström jablo&oyif', 50, na
nSm oyoce 51, tak s nleknntfm 61, hluboky- 63, jakoby 64, pafez yeliky
ProsodiBches und Metrisches bei Earel Jaromir Erben etc. 201
66, po nSmi ostimmy 67, kmen rozdrcen^ 69, leby tu krä^U 73, snad
se Qcho m^ 75, zvire divok^ 76, opSt po jablku 79, blas dnty brmotneji
Sl, kdyz se mlädenec 82, parez velik^ 83 99, dloubä dve ramena, 85,
a nad rameny, 86, zdesil se mlidenec, 89, jak vyplaSen6 91, a zkryayen^
94, cbytä ramenem, 101, däblovo 102, rädot se t^lo m6 106, pane m&j\
114, tri sazenice 115, jen ostmi^ina 126, zfistal mlädenec 130.
b) nacb der Diäresis: jako pSkn^ panny I 21, rädi kn po-
moei 28, y pravo naklo&QJe U 9, jimi nkazuje 11, 5äka jema diLna 17,
bude radovati 18, leze na kolenon 25, mkn otocenon 27, dfevo beze cita
28, slzy roni z oka 29, dnbov^ho kmene ni 16, tväri za(azen6 18,
y häbitö mlädenec 35, zvedna Ifce bled6 48, ctyiicät^ 16to 51, jesti ne-
zazpfyal 54, zpätky nenayrätil 71, mfsto tnb6 zyeri 73, snkoyit^ boli 77,
•>-/ \^ \^ v-/_ vy \j
z dalekäio kraje IV 3, y lese ratolesti 5, y sobe nepoifelo 14, s yyso-
k^ho stann 15, sukoyit^ boli 18, jestö tobe znoya 29, z pekla nesu
zpräyn 31, slyse tato sloya 32, sihna po sy6 zbroji 33, zraku poutnfkoya
35, sloyo moje syidSi 38, jako nhel z&at^ 63, mfrn naplninn 65, jako
had se syljl 67 79, rota odstonpila 69, däbia oäyila 70 82, käie ye sy6m
hnSyu 73, ysecky jebo kosti 78, panna poyolnüa 81, y lolbe Z^ofoyo 86,
osykou se trese 89, casto yysloyeno 92, jebo nsonzenf 100, slyie ona
sloya 103, loi^e Zäboroya 104, k zemi se naklonS 128, darmo oiekäyä
149, mu2i kajicn^mn 151, modrayäho nebe V 9, lidi tSsfyalo 11, blnbo-
k^o lesa 17, y ruce berlu nesa 19, dobroreii pänu 29, y tebe, 30, pra-
men nchoyan^^ 37, k mechoyit^ skäle 39, noba jebo stane 40, skrze bnst^
cbyojf 46, mku zas odtäbne 61, käze jemn z tnba 63, yidöti pnstinn 74,
mezi ostrul^inoa 83, k jinocbu mSrfce 85, trbati je bräni 99, y zemi t^to
slo&f 106, jakoz i ja tebe 121, andMoy^ z nebe 123, jema na pamätku
\y v^ v^ ^^*— ^^
127, bolubice bil6 133, yznäsejf se yzbüra 134.
\J _ V-'— v-/ _ w
3. Yersanfang: pusto a neylfdno I 4, yftr od zäpadn 5, listoy^
na dnbS 8, lety sediyymi 26, y prayo, U 23, brzy zase yzdycbä 30,
jesti polfbeni 36, brzy potom zmizel 43, zelenä ramena III 6, dntina
prostrannä 9, tele jebo- 15, üdy jebo- 16, s jeiat^m oboSfm 18, drfye
nei^ jsem yidil 60, zlämet'i strasliy^ 64, y zeleä odSly se IV 5, fijala
pode krem 6, skarede poblfzl 16, jakoby planula 26, protiyil se dabei 57,
202 Jaroalftv Sutnar,
Btraslivö fve dabei 67 79, y loie Z^orovo 87, loie ZiLhofovo 91, divok^
tnr lesnf 110, z korene yyyracf 111, nohy poutnikovy 117, jako tenk^
v«/ \^ v^ yy
prontek 131, insu. nepoSitej 134, rzdychaje boifho 145, mnoho se zvrir
tilo y 2, sbrbeny stareSek 19, odesel mlAdenec 36, yfini neyVsloviUL 44,
yzhüra se prodere 47, obesel jinooh pe& 70, obeSel tu celou 71, h^^bati
\y v-/ \y \^
se pocne 84, znamenä se jednon 90, yztahuje räm& 113.
Bei Heranziehung der Belege sind wir natflrlieh anch hier überall
so yoi^egangen, wie das bei den zuletzt besprochenen Versen der Fall
war. Die auf der zweiten Silbe betonten Doppelzusammensetzungen
(po-ka-l^d^t', ne-po-kryvÄ, od-po-yidä, ne-pri-chäzi, za-po-yidä, na-
po-sled, ne-u-sel, po-se-ikej) sind ebenfalls in dieser zweiten Abteilung
nicht schwach yertreten, während yon einem Einfluß der Nachbarschaft
auf die Unregelmäßigkeiten auch in unserm Oedichte mit Ausnahme
v^ vy \y
yielleicht einiger rätselhaften Fälle (popel näs, cesta mä, synn m^,
duse m&y uoho m^, telo m^, pane mftj) kaum die Rede sein kann. Wir
wollen nun im folgenden wieder die AbweichuDgen systematisch durch-
gehen, worauf noch eine Übersichtstabelle beigefflgt werden soll.
L^. 3 Fälle mit einsilbiger Präposition und zweisilbigem Nomen
(darunter 1 mit langer erster Silbe des Nomons, aber nicht rein quanti-
tierend); 2.a) 1 Fall mit einsilbiger Präposition und einsilbigem Nomen
(rein quantitierend), 16 Fälle mit einsilbiger Präposition und zweisilbi-
gem Nomen (darunter 8 mit langer erster Silbe des Nomons, aber nur 4
rein quantitierend) , 2. i) 8 Fälle mit einsilbiger Präposition und ein-
silbigem Nomen (darunter 6 mit langer Silbe des Nomons, aber nur 1
rein quantitierend), 12 Fälle mit einsilbiger Präposition und zweisilbigem
Nomen (darunter 4 mit langer erster Silbe des Nomons, aber nicht rein
quantitierend), 11 Fälle mit einsilbiger Präposition und dreisilbigem
Nomen (ohne lange erste Silbe des Nomons) ; 3. 1 Fall mit einsilbiger
Präposition und einsilbigem Nomen (rein quantitierend), 5 Fälle mit ein-
silbiger Präposition und zweisilbigem Nomen (darunter 4 mit langer
erster Silbe des Nomons, aber nur 1 rein quantitierend), 4 Fälle mit ein-
silbiger Präposition und dreisilbigem Nomen (darunter 1 mit langer
erster Silbe des Nomons, aber nicht rein quantitierend).
H« 1. 25 Fälle mit dreisilbiger Zusammensetzung und mitBetonung
auf d. zweiten Silbe (darunter 16 mit langer zweiter Silbe, aber nur 5 rein
quantitierend), 18 Fälle mit einsilbiger Präposition und dreisilbiger Zu-
ProsodiBches und MetxischeB bei Karel Jaromir Erben etc. 20S
ummenBetsiuig oder mit TierBÜbiger DoppelznBammensetsiuig oder end-
licli mit yierBilbiger Zuflammensetsmig mittels eises aweiBilbigen Wortes:
mit BetonoBg «nf d. zweiten Silbe des zaBammengeBetsten Nomens und auf
d. dritten 8ilbe der tibrigen Zusammensetznogen (darunter 8 mit langer
zweiter beziehungsweise dritter Silbe, aber nur 4 rein quantitierend] ;
2. a) 3 Fftile mit zweisilbiger Zusammensetzung (darunter 2 rein quan*
titierend), 62 Fälle mit dreisilbiger Zusammensetzung und mit Betonung
auf d. zweiten Silbe (darunter 33 mit langer zweiter Silbe, aber nur 9 rein
qnantitierendj, 12 Fälle mit einsilbiger Präposition und dreisilbiger Zu-
sammensetzung oder mit viersilbiger Doppelzusammensetzung: mit Be-
tonung auf d. zweiten Silbe des zusammengesetzten Nomens und auf d. drit-
ten Silbe der Doppelzusammensetzong (darunter 7 mit langer zweiter be-
ziehungsweise dritter Silbe, aber nicht rein quantitierend), 2,b) 25 Fälle
mit zweisilbiger Zusammensetzung (darunter 18 mit langer zweiter
Silbe, aber nur 10 rein quantitierend), 23 Fälle mit dreisilbiger Zu-
sammensetzung und mit Betonung auf d. zweiten Silbe (darunter 13 mit
langer zweiter Silbe, aber nur 5 rein quantitierend), 25 Fälle mit vier-
silbiger Zusammensetzung und mit Betonung auf d. zweiten Silbe (darunter
10 mit langer zweiter Silbe, aber nur 2 rein quantitierend); 3. 34 Fälle
mit zweisilbiger Zusammensetzung (darunter 17 mit langer zweiter
Silbe, aber nur 14 rein quantitierend), 24 Fälle mit dreisilbiger Zu-
sammensetzung und mit Betonung auf d. zweiten Silbe (darunter 6 mit
langer zweiter Silbe, aber nicht rein quantitierend), 1 1 Fälle mit vier-
silbiger Zusammensetzung und mit Betonung auf d. zweiten Silbe (darun-
ter 2 mit langer zweiter Silbe, aber nicht rein quantitierend).
m. i. 6 Fälle mit dreisilbigem Wort und mit Betonung auf d. zwei-
ten SUbe (darunter 4 rein quantitierend), 16 Fälle mit viersilbigem Wort
und mit Betonung auf d. dritten Silbe (darunter 3 rein quantitierend) ;
2. a) 8 Fälle mit zweisilbigem Worte (darunter 3 rein quantitierend),
16 Fälle mit dreisilbigem Worte : 14 mit Betonung auf d. zweiten und 2
auf d. dritten SUbe (darunter 10 rein quantitierend), 2 Fälle mit einsilbiger
Präposition und dreisilbigem Nomen oder mit viersilbigem Worte: mit
Beton'nng auf d. zweiten Silbe des dreisilbigen Nomens oder auf d. dritten
Silbe des viersilbigen Wortes (darunter 1 rein quantitierend), 2. b) 75 Fälle
mit zweisilbigem Worte (darunter 39 rein quantitierend), 6 Fälle mit drei-
silbigem Wort und mit Betonung auf d. zweiten Silbe (darunter 1 rein
quantitierend), 7 Fälle mit viersilbigem Wort und mit Betonung auf
d. zweiten Silbe (nieht rein quantitierend); 3. 34 Fälle mit zweisilbigem
204 JaroBlav Sutnar,
Worte (darunter 23 rein qaantitierend), 3 FftUe mit dreisilbigem Wort
und mit Betonung auf d. zweiten Silbe (darunter 1 rein quantitierend),
2 Fälle mit viersilbigem Wort und mit Betonung auf d. zweiten Silbe
(nicht rein qnantitierend).
lY./. 20 Fälle mit dreisilbigem Worte: 19 mit Betonung auf d.
zweiten und 1 auf d. dritten Silbe, 38 Fälle mit einsilbiger Präposition
und dreisilbigem Nomen oder mit viersilbigem Worte : mit Betonung auf
d.zweiten Silbe des dreisilbigen Nomons und auf d. dritten Silbe des
viersilbigen Wortes; 2.a) 9 Fälle mit zweisilbigem Worte, 41 Fälle mit
einsilbiger Präposition und zweisilbigem Nomen oder mit dreisilbigem
Worte: 39 mit Betonung auf d. zweiten Silbe des dreisilbigen Wortes und
2 auf d. zweiten Silbe des zweisilbigen Nomons oder auf d. dritten Silbe
des dreisilbigen Wortes, 23 Fälle mit einsilbiger Präposition und drei-
silbigem Nomen oder mit viersilbigem Worte : mit Betonung auf d. zweiten
Silbe des dreisilbigen Nomons und auf d. dritten Silbe des viersilbigen
Wortes, 1 Fall mit fflnfsilbigem Wort und mit Betonung auf d. zweiten
Silbe, 2.b) 53 Fälle mit zweisilbigem Worte, 6 Fälle mit dreisilbigem
Wort und mit Betonung auf d. zweiten Silbe, 12 Fälle mit viersilbigem
Wort und mit Betonung auf d. zweiten Silbe; ^.20 Fälle mit zweisilbigem
Worte, 20 Fälle mit dreisilbigem Wort und mit Betonung auf d. zweiten
Silbe.
Nach der beiliegenden Tabelle sind auch hier am stärksten neben
den zweisilbigen Wörtern (größtenteils nach der Diäresis und im Vers-
anfang) die dreisilbigen Wörter vertreten mit Betonung fast durch-
gehends auf d. zweiten Silbe, wogegen die (zur großen Mehrheit mit
Betonung auf d. dritten Silbe im Versschluß und vor der Diäresis, nur
zum kleinem Teile mit Betonung auf d. zweiten Silbe nach der Diäresis
und im Versanfang stehenden) viersilbigen Wörter schon weniger häufig
vorkommen. Ohne starken Einfluß auf die Unregelmäßigkeiten ist
natürlich die Quantität auch hier in den ersten zwei Abteilungen nicht
geblieben, während bei den selbstverständlich lange nicht so zahlreichen
rein quantitierenden Belegen in den ersten drei Klassen die Seltenheit
ihres Erscheinens natürlicherweise im direkten Verhältnis zur Länge
des betreffenden Wortes steht. Die allermeisten Abweichungen finden
sich (mit der Zahl 421 gegen die Gesamtzahl 741) wieder in den 590
anakrusischen Daktylen, welche 70 mal in der ersten, 150 mal in der
zweiten und 185 mal in beiden Vershälften vorkommen.
ProBodiBches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc.
205
Übersiehtstabelle.
Wörter.
Zweisilbig.
Dreisilbig.
Viersilbig.
Fünf-
silbig.
1
L
/.
3:1 ( 3H- )
2.a) 1:1:1
16:8:4 (16 + )
2.6) 8:6:1 8
12:4 (12+ )
12
11 (11+ ) 11
3. 1:1:1
1
5:4:1 ( 5 + )
5
4:1 ( 4+ ) 4
1
10:8:3
36:17:5 (36 + )
15:1 (15+ )
n.
U
25:16:5 (25 + )
18:8:4 ( +18)
2.a) 3:2:2
62:33:9 (62+ )
12 : 7 ( +12)
2.6] 25:18: 10
25
23:13:5 (23 + )
23
25 : 10 : 2 (25 + ) 25
1
3. 34:17:14
34
24:6 (24+ )
24
11:2 (11+ ) 11
DÜ
72 : 45 : 29
170:85:24 (170+ )
81 : 28 : 6 (51 + 30)
/.
6:6:4 ( 6+ )
16:16:3 ( +16)
2.ä} 8:8:3
16:16:10 (14 + 2)
2:2:1 ( +2)
2.6) 75:75:39
75
6:6:1 ( 6+ ) 6
7:7 ( 7+ ) 7
1
1
1
3. 34 : 34 : 23
34
3:3:1 ( 3 + )
3
2:2 (2+ ) 2
1
189:162:94
201:116:40 (199 + 2)
108:55:10 (60 + 48)
IT.
1
1
/.
20 (19 + 1)
38 ( + 38)
2.a) 9
41 (39 + 2)
23 ( + 23)
1(1+)
12.6) 53 53
6 ( 6+ )
6
12 (12+ ) 12
3. 20
20
20 (20+ )
20
271 : 162 : 94
250
288:116:40 (283 + 5)
99
181:55:10 (72 + 109) 72
1(1+)
Falsche Satzbetonung im Zäho^ovo lo2e.
Die hierher gehörigen ein- und zweisilbigen Wörter zerfallen wie-
der je nach der Länge oder Eflrze der vorangehenden beziehungsweise
nachfolgenden Silben in zwei Abteilungen, wobei weiter in Betracht ge-
zogen wird, ob diese ein- und zweisilbigen Belege in der ersten oder in
der zweiten Vershftlfte stehen.
208 Jaroslav SntBftr,
!• DiA elmgllbigt« Wdrter.
L
1. Zweite VerBhftlfte: kdeji se syiüo rodi n 13, tebe smrt nTädf
in 38, jii se dnoy^ kritt IV 9, t^ se v jedn^ doM 140, ji£ Fsnfli se
shini 146, kam se iloväi d^je V 8, kräii däl a dfle 38, a z nich se nese
52, vsak säm jsi sizel 116.
2. Erste Vershälfte: a s tfm rfliencem I 13, s skok za skokem
m 34, dokud kyj ohromn^ 42, 2e se slab]f pontnfk 67, za t£ch let, 69,
üie ti z pekla virnoa 84, lesnf ma2 pod dnbem IV 15, toto sed a slysl
36, ta kle& a (ekej 140, jenom to niiädnö V 10, rid bych se jii k otcftm
24, bllzk^ hlas, 64, qbesel jinoch pe&, 70, dlouhä dvd ramena 85, vzta-
haje rimk vstnc, 113, vznäseji se dvi 133.
IL
1. Zweite Vershälfte: co ti slla stacf JJl 41, kam t^ cesta rede
47, ale to chci mfti 78, ä ten mne zradii IV 20, jako had se svljf 67 79,
fcU pomijf 68 80, räd bych odpoSmnl V 22, r sY( se rozklädaje 50, fii
se dokonärä 105.
2. Erste Vershälfte: ie se tarn s nimi n 18, säm t^ tarn dopra-
Tim m 56, Ysak se jestS nikdo 71, neusei nikdo mö IV 18, ai ho pak
ji2 smysl 68 80, a pot vyräii 90, kdy2 mi rohoSemi 94, nebo t^z, 103,
_ w v-^ W _ ^
a ci& pokäni 123, lituj a pros boha 136, devadesite let V 1, ty nech,
62 80, £e pont moje 105, necht'se tu popel 122.
B. Die zweisilbigen Wörter.
I.
1. Zweite Vershälfte: tichon piseä p&je I 6, tvä noha bosa 15,
jmet' dobH üdi 17, ty's jestö mlad^ 19, a srnntn^il svadl^ 22, ty^ tölo svfil
25, dol& k zemi nfSf 26, vsak beze sn^ II 5, jako2 cesta miH 12, kdez
se SY&tlo rodf 13, bydli boii svatf 16, y rannim SY^tla kmitu 26, od sy6
drah^ panny 31, y cizi SYÖta strany 33, jako plamen ihoncl 36, y hnst^m
lesa pronti 43, dr£f na Yse strany III 6, Ift^ lesni selmy 1 0, to mrain^ ielo
22, CO chce y t^to ponsti 24, s loSe SY^ho skoci 31, prostif^d eesty staae
34, mnj pocet rok& 57, otce SY^ho krYf 61, se Ysi jeho mocf 65, nechäm
ProsodiBcheB and Metrisohes bd Karel Jaromir Erben etc. 207
tebe jfti 75, milon viini d^se IV 6, jU ee dnov6 kritl 9, liAai nejde
ipräva 11, eestou jeho tilo 13, oko prfsn^, 23, hrfsn;^ botl sluha 28, co
y pekle spatHl 40, bHdk^ d'äblftv phiky 41, s y^Snon smiti sbratHl 42,
CO y pekle slysel 46, etr^ci klamn zl6ho 55, kryf psanon blinn 56, op&t
dyse lehce 71 83, na syä prsa kmtä 77, mui divf y lese 88, z tah6 cela
koie 90, iy sluho bo2i 97, nie menSf nenf 102, sosna hlayn skläni 108,
moeniL y lese dreya 111, b\je y hlayu p^sti 116, pomoz mnü bo2l 118,
itraeen y&cn§ y^kfty 121, od nf prose l^fiy 122, y pray6 jeatö dobe 123,
ta zaimka kaSdi 126, jest jedna yral^da 127, y tyrd^ skäly t^m6 130,
SY^oh brozn^ch cinil 132, nedbej i^fzni, 134, aby smazal yinn 136, az se
Tjedn^ dob6 140, yräüm zase k tobi 141, zatfm od t^ chyfle V 2, kam
se cloy^k d^je 8, yzdy blazf tebe 12, yla^^ y^rik dnje 13, si mä duse
Udä 23, ta slnhn sy^o 26, y lesnf zasel strany 36, y p6kn^ jeho Ifci 42,
TAn£ k n^mn yane 43, yidl jeho oci 48, diyn^ kräsy zraje 51, yftkol
po Ysem lese 53, sy^ cini diyy 57, mfsto chladnä yody 58, rajsk^ nese
plody 59, stojf yedl6 niho 66, jako smobiö sylce 86, houstim doI& leti
93, zle je v tomto lese 96, zral^ plody nese 98, bndii jemn släya 104,
napred cesta klesti 109, po ni mnsil n^sti 110, pokoj bndiz tob6 117,
jest milost bozf 119, yedl^ sehe slozi 122, mrtey na zem klesä 128, yfili
SYäho päna 131, t^ sam^ chyfle 132.
2. Erste Yershälfte: s tun kriiem y rnoe I 12, a tyoje Uce 21,
a tyoje oci 23, a dfeyo stihl^ II 4, jen mali pffcka 6, y dy£ syeta strany
U, tarn plane morem 20, näs mlad^ pontnlk 26, tyär jako st^na 39, ale
y srdci plamen 40, stoji skäla III 1, tnh^ od^y jeho 7, s ob^ strany cesty
26, kHz miye y mce 36, tyä cesta y jiston 38, a skoda ty^o 40, stflj
eerye! 47, milost bol^i yelk& 63 66, ie se slaby pontnfk 67, ysak jest^
Bikdo 76, £e ti z pekla yernon 84, podl^ muie pontnfk IV 22, a z jeho
bled6 25, ysak jako bleskem 34, jen v&cnä kletba 50, s jedn6 strany
norf 63, s dmh^ strany mrzne 64, kdy£ yidi rota 65, kryi psan6 bläny
72 S4, hrozn6 t£lo jeho 89, ysak poy^z mi ty 97, nemlny takto ke mai
120, i zyedne pontnfk 128, kleS p(ede sy^dkem 132, kle6 ye dne y noci
io3, klecf ve dne, 144, den po dni mine 146, jest nynf starcem V4, jest
opet jaro 13, milost bo&Yyelkä 26, zrak j'eho iütf 55, ach jist^ 56, pusti
208 JarosUv Sntnar,
y lese skäla 59, neb nikdei vikol 65, ach pane, 96, ten parez mluyf 100,
sve divy cinf 104.
n.
1. Zweite Yershälfte: jako p^kn6 panny I 21, pohov tau 30,
ani£ oko zvedne 33, pres to pole h(kii U 2, Säka jemn d^a 17, drevo
beze cita 28, slzy ron£ z oka 29, ti vMf vice IQ 30, co tii sfla stacf 41,
kam tö cesta vede 47, zvedna llce bled^ 48, ale pfsnö t^to 53, ta rici däti
66, mfsto tah6 zvferi 73, pfece jestö Trätl IV 12, jestfe tobfe znova 29,
z pekla nesn zprävn 31, slyse tato slova 32, sähna po sv^ zbroji 33, sIoyo
moje BvSdci 38, jako uhel z&aty 63, käze ve sv^m hn^vu 73, vsecky
jeho kosti 78, pomsty boif nika 99, slyse ona slova 103, roveüi tob£ 120,
viz ta na m6 holi 124, jde ceston däle 142, v rnce berln nesa Y 19, noha
V-/V^ V-/V^ v^v-/ ^/v^
jeho stane 40, skrze hust^ chvojf 46, käie jemn z tnha 63, kdy lidskä
noha 73, tnto milost bo21 103, v zemi t^to sloii 106.
2. Erste Yershälfte: a jesen chladnä 116, je ve tv^m srdci
24, a mocn^ balzam 32, a podld cesty 11 3, a na t^ prfcce 7, kdo dobfe
cinf 17, Eriste pane 23, brzy zase vzdychä 30, brzy potom zmizel 43,
a na t^ skäle III 3, pod um dnbem 1 1, tSlo jeho — 15, üdy jeho - 16,
jde däle predse 45, vsak se jest^ nikdo 71, ale zädnä zpräva lY 8, nslo
jaro - 9, ze tobe vemou 31, ale milost boSskä 39, aby zase yrätil 56,
a nynf y pekle 96, a t£ik^ pädem 109, ty rady ymbfiv 125, jako tenky
prontek 131, a Zähof klei^l 143 148, i nyni jestg Y 12, ale i^ost bo£i
25, ta rajskä vftne 53, a podäl zbytky 68, vsak ani stopy 72.
Dem Gebrauche des schwierigem dreisilbigen Yersfnßes (stellen-
weise mit Anakrnsisl) sind fast dnrchgehends zuzuschreiben die so
zahlreichen (53) Unregelmäßigkeiten mit tonlosen einsilbigen
Wörtern (Im) mit vorangehendem einsilbigen Worte 5 Fälle
im nicht anakrusischen dritten Yersfuß neben 1 Fall im anakru-
sischen dritten Yersfuß und 7 Fälle im nicht anakrusischen ersten
Yersfnße gegen 2 Fälle im zweisilbigen zweiten Yersfuße, b) mit
folgendem einsilbigen Worte 9 Fälle im anakrusischen dritten
Yarsfuß und 10 Fälle im anakrusischen ersten Yersfuße neben 1 Fall
im nicht anakrusischen ersten Yersfuße; 2.a) mit vorangehendem
ProsodiBches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 209
zweisilbigen Worte 5 Fftlie im dritten Versfuß und 6 Fftlle im
ersten Versfüße gegen 4 solche F&lle [und 1 Fall mit vorangehendem
fUn&ilbigen Wort] im zweisilbigen zweiten Versfaß, i] mit folgendem
zweisilbigen Worte 2 Fälle im ersten Versfuß), und demselben drei-
silbigen Versfuße verdankt man ausnahmslos die noch weit zahlreichem
(204) Abweichungen mit tonlosen zweisilbigen Wörtern (a)
mit vorangehendem Worte 122 Fälle im dritten und 77 im ersten
Versfüße, b) mit folgendem Worte 2 Fälle im dritten und 3 im
ersten Versfuße), wobei natürlich auch wieder Fälle mit reiner Quantität
vorkommen : hier in einer ziemlich bescheidenen Anzahl im Vergleich
zur Gesamtzahl der Unregelmäßigkeiten (1. bei einsilbigen WOrtem
1 + 11 = 12 Fälle von der Gesamtzahl 9+ 17 + 1 1 + 16= 53, 2. bei
zweisilbigen WOrtem 15 + 11 = 26 Fälle von der Gesamtzahl 89 +
49 -I- 35 + 31 = 204). (Selbstverständlich gibt es auch hier wieder
Stellen, wo die zweisilbigen Wörter unter dem Einflüsse der Satzbetonung
oder eines besondem Nachdruckes ihre Betonung ganz gut und mit
Recht verlieren können, aber bei einsilbigen Wörtern wird es nur ganz
ausnahmsweise durch Annahme eines besondern Nachdruckes möglich.)
Es unterliegt nun wohl nach unsem Auseinandersetzungen nicht
dem geringsten Zweifel, daß wir als logaödisches Metrum: (v>)-wv^.w||
fyj^y^sj^^ jenes zu bezeichnen haben, in welchem das Gedicht Zäho-
h>vo loie abgefaßt ist. Dagegen war noch Vrchlicky selbst der An-
sieht, man könne »selbstverständlich« (in einigen Partien von Erben^s
Gedichten und namentlich] im Zäho^ovo lo£e kein einheitliches rhyth-
misches Gesetz feststellen, da nach seiner — durch langes Beobachten
der Rhythmik Erben's gewonnenen — Überzeugung sich der Dichter in
treuer Nachahmung des (echischen Volksliedes bewußt oder unbewußt
verschiedener Urstoffe der antiken Metren in accentuierender Form be-
diente ^). Die erwähnten Worte Vrchlicky's lenkten auf das Metrum
^) >[VII] Jednotn^ho zäkona rbythmick^bo v n&kter^ch paaiiich Er-
benov^ch bisni oy&em stanoviti nelze. V pH6in6 t^ zvl&it je »ZÄhoi^ovo loie«
Tysoee zajimav6 . . . Zde vychÄzel docela od n&rodni 6esk6 pisn6. Jsou v
»Zähohyvh lo&i« ver&e, kter6 do umilöho rhythmu nevpravite . . . Sem tam
najdete [Vni] i stopy jaköhosi rhythmick6ho paralelismu, proti kterömu
▼iak, ehcete-li jej stopovati dÄle, bÄsnik sÄm hfeii ihned ye ver&i n&sledaji-
dm . . . Ve muh dloub^m posorov&nim rhythmiky Erbenovy ustÄlilo se pfe-
Bvkl6eni, ie at' jui s vidomim nebo bezvidomky uiival b&snik rftzn^ prvky
▲tcUt Ar ■UTiMb« Pliilologie. XXIX. 14
210 Jaroslav Satnar,
nnsers Gedichtes die Aufmerksamkeit äolc's, welcher ihm weiter nach-
ging und unter Berufang auf die Sechischen Sprüche erklärte, die Verse
besäßen regelmäßig vier Takte: vier Hauptaccente mit freier Anzahl
tonloser Silben ^^). Sole täuschte sich jedoch, indem er bekanntlich der
Dichtung gleichfalls die jetzt allgemein anerkannten Betonungsregeln
(freilich mit manchen Fehlem] aufzuzwingen suchte, obwohl schon der
Reim stellenweise dagegen sprach. Außerdem besitzen eben nach
der äolc'schen Messung manche unter den von ihm ausgewählten
schwierigem Versen unbedingt mehr als vier Takte, weil es ausge-
schlossen ist, daß im Öechischen mehr als zwei tonlose Silben aufeinan-
der folgen dflrfen ^^j. In diesem Sinne sprach sich schon Eräl aus, wel-
cher das Metrum der ersten zehn Verse (ohne Detailstudien tlber dieses
Gedicht) richtig erkannte : bis auf einen umstand, daß nämlich auch er
von der Diäresis keine Erwähnung tat ^^), Das sind unsers Wissens alle
nennenswerten Ansichten tlber das Metmm unsrer Dichtung, wo man
nur der Anwendung des Daktylas und der oft vorkommenden Anakrusis
antick^ch meter pfizvuSni,« (Dieselbe Ansicht aufgenommen und paraphra-
Biert von äiijan [28]}. Offenbar geht der Kritiker in seinem sonst aasgezeich-
neten Artikel an dieser Stelle irrtümlich ebenfalls von den modernen Beto-
nungsgesetzen aus, so daß er dann freilich im Zähofovo loj^e verschiedenen
Urstoffcn antiker Metren begegnen muß. Später [VIII] spricht er noch von
den im Verse des Zähoirovo loie »regellos verstreuten Daktylen«. (Vgl. dies-
bezüglich weiter äolc [177, 178] und Kril [L. f. Rü6. 21. (1894) 428]!) Oder soll
er mit seinen allerdings sehr unbestimmten Worten wirklich an einen logaOdi-
schen Vers gedacht haben, wie das bereits von Sole (178) angenommen wurde?
51) »[178] . . . z&kon, die nöhoi verse ty sloieny jsou: Veri »Zdhofova
hie* mä d takty, 4 Maoni prizvuhy a nese se phirozenym rhythmem naÜ mluvy . ..«
(Bezüglich der Sprüche 180.)
52) Bei Aufzählung der schwierigem Verse (182) gibt Sole selbst zu, daß
sich mancher von ihnen auch ganz gut mit fünf oder sechs Accenten vor-
tragen »läßt« (183). Nach Sole soll der Dichter das erwähnte Versmaß — mit
^ößern oder kleinern Änderungen — gleichfalls in Eytice, Zlat;^ kolovrat,
StÖdr^ den, Holoubek, Veätkyne, ja im wesentlichen auch in Poklad, Svatebni
kofiile, Polednice, Vodnik, Vrba, DceHna kletba und ebenso vielleicht in der
Lilie verwendet haben (183).
») L. f. Ro6. 21.(1 894) 428, 429 : Nach Eräl ist der Vers im Zikhoirovo loie
»offenbar« größtenteils daktylisch-trochäisch (stellenweise auch jambisch-
anapästisch). An Kxk\ hält sich dann Schenk und Straka (212, 213). Da Kräl
noch nicht die Diäresis (nach seiner Messung auch Cäsur) berücksichtigt, vor
der immer ein Trochäus steht, so mißt auch er unrichtig Vers 14, 5,8:
ProBodisches und MetriBches bei Karel Jaromir Erben etc. 211
in verdanken hat die so zahlreichen Unregelmäßigkeiten, daß znr Fest-
stellimg dieses Yersmaßes später Forschungen mehrerer Männer er-
forderlich waren.
In einem Briefe ans dem Jahre 1842 an Stanko Yraz schreibt
Erben selbst hinsichtlich der richtigen Sechischen Prosodie , diese sei
die des Volksliedes and zwar accentnierend, wobei jedoch nach dem
Gefllhl nnd Gehör gleichfalls auf die Quantität Rücksicht genommen
werde ^). Das war bekanntlich auch nngefUir Erben's prosodischer
Standpunkt, welchem er in seiner Qedichtsammlung flberall treu blieb.
Aber in den ältesten Dichtangen hielt er sich sehr streng an die Gesetze
DobroYsky's, wie das neben den von Kräl^^) angeführten Gedichten
besonders noch ein fehlerfreies kurzes nnd offenbar gleichfalls ans der
ältesten Periode stammendes (der vollständig citierte Yeier] zeigt, wel-
ehes auch später in der zweiten Auflage unsrer Gedichtsammlung unter
die sPfsni« aufgenommen wurde. Bei dem sonst so hohen poetischen
Werte der meisten Gedichte Erben^s ist nur umsomehr zu bedauern,
daß ihnen der Dichter solch eine verfehlte Prosodie unter dem Einflüsse
der von ihm gesammelten Volkslieder (»Plsnö närodni v Öechächa . . .
VPraze 1842-1845. [Druhö vydänl : V Praze 1852-1856.] »Prosto-
närodnf iesk^ pfsn6 a Hkadlaa ... V Praze 1862-1864) und vielleicht
auch ein wenig infolge seiner persönlichen Beziehungen zu den noch
M) Braudl (20): *... [neni] pot^ebi ... [n&rodu nademu v jeho pisnicb], jako
i?6domit4mu 6asomörci, Mi näsili 6initi, jej vede cit a sluch, kdy pHzvuku
a kdy ^aBomiry n&leiitÖ uiivati m&. V n&rod se tedy pobHiiti a od n^ho, a
nikde jinde, prav^ prosodii 6e8k6 se u6iti jest« ,.. (Dasselbe »illyrisch« : Kolo.
Kojiga III. [1843] 102.) Dazu bemerkt ErÄl (L.f.Bo6.23. [1896] 13) mit Recht
folgendes: ». . . ie Erben pHkazoyal napodobiti tuto prosodii i v b&snioh
nmel^cb, tomu ti^eba se diviti. V p(edmluv6 jeho »ProstoD&rodnich ^esk^ch
pisni a Hkadel« z r. 1863 . . . tvrdi pfece dobfe, ie hlavoi 6&el bisnika ni-
rodniho jest jenom zpiv, ie pisn6 proBton&rodDi povstÄvaji iasto die ndphnt
ߣ hotovdhoy tak ie nota ustanovuje pof&dek slov, forma Hdkü i vede r^m.
Kdo o vznikini proBtoDärodnich pisni Boudil tak sprivuS, ten nemSl pfece
prosodii jejich slov, odlou6eD^ch od n&pivo, doporniovati i pro bäsnÖ pouze
recitovan^. A doporu6oval-li pi^ece, mh\ dHve zkoumati, mÄ-li nÖjakö a jak6
z&kony. Ale toho ani Erben neu^inil, a tak vlastnÖ doporu6oval i sÄm v b&-
snich svych provädM prosodickou libovul!«.
») L. f. Bo6. 21. (1894) 427: »Povzbazeni k radosti« (abgedruckt das
erste Mal 1831), »Touha« (veröffentlicht znm ersten Mal 1831), »Bevniv^« (ge-
dmekt das erste Mal 1831). Fehlerlos ist merkwürdigerweise gleichfalls das
weit später datierte Gredicht Erben^s: »Vditba« (Österreichisches Frflhlings-
Album 1854. Herausgegeben von Heliodor Truska. Wien, XXXIX).
14*
2fi2
Jaroslav Sntnar,
lange Jahre spiter dam Zeitmaße wohlgeneigten Palaok^ nnd ^afalbfk
aateil weiden liefi. Dort kann höehBtene yielleioht ein hesondera aoa-
gezeichneter Vortrag manehes retten, was jedoch schon bei der hier voU-
itftndig abgedmckten Obersetinng der Ooethe'schen Ballade »Erlkönige
kanm gehen, dflrfte, da sich darin bekanntlich das Metrum an vielen Stel-
len trotz des Vergleiches mit dem Original gar nicht feststellen läßt ^).
Erdl dnchu.
w ^ v^ _
vy — . v^ w _ v-/
Kf pozdni to jezdec ||_v6trem a tmou?
Otec to s ditetem, | dom^jedon;
^^ _ W W v-/ W ^W
syni^ka mil^ho B v nÄni6i mk
a tiskne a hf eje 1 a objimä !
"^ _ v^N^^ 11 v-y — v-/
»M6 diti, ooi üzkostni R tak se disi^?« -
»>Taä6kX coi küle |?| dnchl nevidiS?
hie kr^e se srsti || a s korunoa!«« —
»M6 diti, Jen yodni || to piry jsoa.«
\^ ^
W —
N-/_
V^_
-- II - -
- II - -
_w II w _
_ II w-
W\-/ —
V>V^»
'^ —
s^ —
»»»Pojd', diti mil^, || pojd' ke muh sem!
Ede krton^ si spoln || pohrajem ;
mk louka je p^kn&, ||^ kv6tnata,
a m&ti moje || mk &at ze zlata.«««
10
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s^ —
v-/ —
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- II
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-- II
- II --
v^ . w .
— s.A^ —
ww —
»»Ach t4to, tati6kn, j]_sly&üi-li nyni,
jak6 mi krAl sliby 1| ti^n6 6ini?«« —
w — v-/ v^ -^v-/ ^ N-' y _
»Spokoj se^^m^ ditÖ, 0 & b&zne nech; 15
snoh^tf to listi || &ami po sadech.«
\j^
v-/^
Ni>W_
vy_
\y _»
--, II ^ -
v^ ^W 11 ^v>^
°^ Neben der Übersetzung steht Vers fUr Vers das Metrum des Originals
(bezeichnet nach Heinrich Düntzer's »Erläuterungen au den deutschen
Klassikern«. Erste Abteilung. [Erläuterungen zu Goethes Werken.] Goethes
lyrische Gedichte ... Zweite neu bearbeitete Auflage. Zweiter Band. Leipzig,
1876,316,317: mit Ausnahme der Diäresis, welche Dttntzer gar nicht er-
wähnt). Vgl. auch Rr&l (L. f. Ro6. 21. [1894] 428) !
ProBodJBohes und Hetrisohaa bei Karal Juomir Erben eto.
213
Vi/ V/ V^^ V-/ ^ Vi/ «_
»>»Pojd', dit^ zUt6, D pojd' Jen se mnon,
m6 doerky ti pilni fl BloiiiitJ>iidoii;
V-/ __>V./Vi/ —V-/V^^V-'_
m^ dcerky, tty v nooi || tance migi,
ve sp&nek tft tanci]uio B nzpivigi.«««
20
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V-A^ —
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v/ —^,11 — v^>-^
s./ .v/ II v/ _
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V/ ^ V/WM.
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Vi/ _v/ v/^ v/ zl V-/V/-y.
»Ach tito, tati6kii, D coi nevidii
V/ __v/ v/ _ \-/ ^ v/s^
iieh deerek ki&lov^cb||tam vocly blü?«« —
V/ >w/-_. V/ V/ —Vi/ v/_
»Vidim, Tidim to, ü iii6_diti mil6:
v^ ^ v/ v/ v/ ^ v/ v/__
vrby JBon to ier6 B a vyhnil^.«
V^— VA-/ — V/ II V/ — V-/V/
v/— v^— w||v/— v/,
V/^ W w II ^ -.^^A^.
v-^— v/v/ — v./ |9| — vX'.
»^ _ v/ vy
_ v/
•»•Aj rid tö m&m, (jsi) ivirn^ ['s], || mosim
t^nut; 25
v/ v/ v/ v/ v/ v/ v/ _
t B&m-li nepiijdei, fl ohd eily QÜt««« —
V/ — V/ V^— V/ W « V/ V/ —
»Ach tito, tati6kn! | jii po mn6 sahi,
%-/ — v./ v/ _v/ _ v/ _
kr&l duoh& jü v moci |?| By6 mne mi!««
w— fwWv/— II vA^ — v/s^ —
v/ — v/v^ «^ v/ II H/ —
w — v/v/ — v/ II W —
v/v/^
V/V/ —
v-^ —
— v/ II v./ — v/ —
V/_Vi/V/ _v^v/_v/v/ __
I hrftza jeBt otci fl a_d&v& se y cval,
v/ v/v/ __v^ v/^y _
flT6 ^pici dit^ 0 ^ n&ni6i jal;
v^v/v/ _v/ v/_v/v/_
pHjiidi do dvorce B v mysli trapliv^,
\J — .V/ V/— V/ ^ V/Vi/«
166 diti ▼ uirtihi B jii — neiiy«.
v/— v/— v/||v/— VA./ —
30 V-»— W — V./ II V/ — Vi/V/ —
V/— v/ — II ^ — vA/ —
v/— v/— v/Mv-/— ^ —
Die hier recht grell in all ihrer Verfehltheit heryortretenden >Priii-
eipient waren ttbrigena bekanntlich keine Eigentümlichkeit Brben's,
denn ihnen war mehr oder weniger zngetan und achwankte soznsagen
(bei Abfassung aooentnierender Gedichte) ihr Leben lang in der ge^
■ebOderten Weise zwischen den beiden Prosodien beinahe die gasaze
Schar yon Dichtem, weiche sich auf dem iechischen Parnaß yon da-
mals tummelten ^^. Fflr die oben besprochenen ünregelmftßigkeiten
der mit Präpositionen yerbundenen und der zusammengesetzten Wdrter
ist weiter gewiß nicht ohne Bedeutung, daß damals yon den Dichtem
fiwt allgemein (wenn auch nicht immer mit Olflck) Philologie betrieben
wurde. Daneben müssen in der an allslayischen Werken so reichen
s^ Diese Dichter bespricht Kril: L. f. Bo6. 21. (1894) 418—448.
214 JaroBlav Sutnar,
Zeit Erben's auch die dazumal in Böhmen fleißig studierten slavischen
Schwestersprachen stark eingewirkt haben, deren Einfluß es nicht in
letzter Reihe zuzuschreiben sein dürfte, wenn die Richtigkeit der mit
andern slavischen Sprachen in Widerspruch stehenden Regeln DobroT-
sk^'s bezweifelt wurde ^®}. Aber den allergrößten Einfluß flbte die
Prosodie des all diese Bedenken scheinbar bestätigenden Volksliedes
aus, welches damals nach Herder's Vorbild von den besten Dichtern
Böhmens eifrig gesammelt ^*) und als einziges lebendiges Wort dieser
Zeit in jeder Beziehung nachgeahmt wurde. Unter dem Dreigestime
der zweiten Dichterschule (Jan Eollär, Frantisek Ladislav Öelakov-
sk^, EarelJaromlr Erben) wirkten die angeblich zum großen Teile
sehr alten Volkslieder mit ihrer — nach dem damaligen Urteil offenbar
ursprünglichen iechischen — Prosodie auch sehr stark — zum Unter-
schiede von EoUär's fast fehlerfreien Versen — auf Öelakovsky's
»Ohlas plsnf 5eskycha ein, wo man das jedoch einigermaßen entsobnl-
digen kann, da diese Gedichte Celakovsky's größtenteils — als Lieder
im Gegensatz zu den fast ausschließlich epischen Dichtungen Erben's —
für den Gesang nach Volksliederart nicht ungeeignet waren ^^).
^) Der 6ecbi6chen Betonung wendet sich zu vor allem Jos. Tmhlif 's
Artikel »0 pHzvuku vÄbec, zvliSt'o fceskdm« (Ö.M.k.Ö., 1872, 402—422) —
neben den bereits genannten Arbeiten von Gebauer und Er&l. Der slavischen
Betonung ist namentlich das Werk Roman Brandts: »Naiertanie slavjan-
skoj akcentologü« . . . (Sanktpeterburg 1880. [Izvle6eno iz V toma IzvÖstij
Istoriko-filologiieskago Instituta knjazja Bezborodko v N^in^]) gewidmet:
überdies der schon erwähnte Aufsatz von Jokl. — Die dreisilbigen und noch
mehr die viersilbigen Wörter (mit Betonung auf der vorletzten Silbe) am
Schlüsse der einzelnen H&lften daktylisch-trochäischer Verse scheinen ge-
wissermaßen polnischen Einfluß zu verraten, sowie die vielen Unregelmäßig-
keiten der damaligen 6echischen Verse überhaupt stark an die regelrechte
Anarchie der polnischen Verskunst erinnem. (S. Antoni Malecki's »Gra-
matyka JQzyka polskiego wi^ksza«. [Lwöw, 1863, 406 — 425]!) Interessant ist
in dieser Hinsicht weiter eine Verglelchung des Originals Poklad mit der pol-
nischen Obersetzung desselben Gedichtes von Adam RolciszewskizRo6-
ciszewa (: »Skarb zaczarowany« ... WPradze ... 1853] und der »illyrischen«
von Stanko Vraz (: »Blago« ... [D61a. 6etvrti dio. (Razlike pjesme. Prevodi.)
ÜZagrebu, 1868,21—41]).
^) Bezüglich dieser Volksliedersammlungen s. Öendk Zibrt's Werk:
»Bibliografick/ pi'ehled ^esk^ch närodnich pisni« ... (V Praze 1895. [Sbirka
pramentiv ku poznÄni literämiho iivota v Gech4ch, na Morav6 a v Slezsku.
Vydivi III. tHda Öesk^ Akademie cisai'e Franti&ka Josefa pro vödy, sloves-
nost a um^ni V Praze. Skupina tireti. Präce bibliografick6. Cislo 1.])!
eo) Kril (L. f. Ro6. 21. [1694] 425—427): Auch die Verse der Volkslieder
ProBodisches nnd MetriBches bei Earel Jaromir Erben etc. 215
Hinsichtlich der Herkunft des MetrnmB in nnserm schon nm das
Jahr 1838 begonnenen nnd spftter stark umgearbeiteten Gedichte <^^)
sagte sehon Solo in seiner Abhandlang (180-181), ein ähnlicher Vers
mit vier Takten nnd freier Anzahl tonloser Silben nnd mit anapästischem
Rhythmus — im Gegensatz zu dem daktylischen im Z^orovo lo2e —
komme regelmäßig in den unter dem Namen der Bylinen bekannten Hel-
dengesängen der Russen vor, welche bekanntlich Celakovsk^ in einigen
Stücken seines berühmten »Ohlas pfsnf rnsk^chcr (1829) nachahmte <^^] .
Diese Hypothese von der Einwirkung des Metrums der Bylinen auf
unaer Versmaß wäre ganz annehmbar nmsomehr, als es bekannt ist, daß
Erben schon als Student Celakovsky's »Slovansk^ närodni pfsnöc und
»Ohlas pfsni mskychcr sehr eifrig las <^'). Jedoch Aber solch ein aus-
schließliches Bylinen-Yersmaß ist in den altem und auch in den neuesten
diesbezttglichen russischen Arbeiten nirgend etwas Befriedigendes zu
finden ^), wenn man auch anderseits zugeben möchte, daß eine Anzahl
bekommen einen strengen Rhythmus häufig erst dnrcli die Melodie, da der Text
allein wegen seiner nachlässigen Prosodie oft entweder keinen oder einen
sehr unvoUkommenen Rhythmus besitzt. Über die Prosodie des ^echischen
Volksliedes s. 0. Hostinsk^'s »0 naäi svötsk^ pisni lidov^« (Öesk^ lid. I.
. [1892] 365--368)!
01] Brandl (15). Die erste Fassung ist nicht mehr aufzutreiben.
^ Den Einfluß der — in Böhmen schon durch eine Übersetzung Öela-
kovsk^'s (Slovansk^ nÄrodni pisnd. V Praze 1822, 1 1) und später durch vier
Übersetzungen Jaroslav Längeres (»Staroiitn^ b&snd ruskö«. [Öasopis Öesk^ho
Museum, 1834, 138 — 154, 373—393) bekannt gewordenen — Bylinen aus der
Sammlung Eiria Danilov's auf einen Teil von Celakovsk^'s »Ohlas pis. ms.«
behandelt hauptsächlich J. MachaFs: »F. L. Oelakovsk^ho Ohlas pisni rus-
k^ch. Eritick^ rozbor vzhledem k n&rodni poesii rusk6«. (V Praze, 1899, 6 —
15. [Otisk z Listn filologick]^ch.])
«>) Brandl (10). Bei dieser Hypothese läge auch die Vermutung nahe, daß
Erben im Metrum der — für so altertümlich gehaltenen — - Bylinen ein ursla-
visches episches Metrum erblickt haben mochte, indem er bei seiner Kenntnis
des Russischen nnd bei seinem regen Verkehr besonders mit russischen Ge-
lehrten (Brandl [21, 22 u.s.w.]) wahrscheiolich auch eine Kenntnis oder Ahnung
von der urslavlschen Betonung im Russischen hatte.
M) Vgl. hauptsächlich: Aleksandr Fedorovi6 Gil'ferding (»Oneiskija
byliny, zapisannyja . . . l^tom 1871 goda«. Izdanie vtoroe. Tom pervyj . . .
Sanktp^erburg, 1894, 41 ff. [Sbomik Otd6lenija (Russkago jazyka i sloves-
nosti Imperatorskoj Akademli Nauk. Tom pja^desjat' devjatyj]) und auch
F. Kord (»0 russkom narodnom stichosloienii«. [Izv^stija OtdÖlenija Rus-
skago jazyka i slovesnosti Imperatorskoj Akademii Nauk. Tom. L (1896) 1 —
216 JaroBky Satnar,
von Venen in den bylinenartigen Gedichten Öelakovsk^s gleiohfalls
daktylisch-trocliäiBch mit nnd ohne Auftakt gelesen werden kann ^).
Erfolglos würde man sieh aneh bemühen, dieses Versmaß mit Sicherheit
45 (I. Byliny.) Tom. H. (1897) 429—500, 501*— 504* (Priloienie)]). — Etwas
Ähnliches sagt nur Frant. Vymasal in der von ihm zusammengestellten nnd
mit litterarischen Einleitungen versehenen »81ovansk& poesie. V^bor b ni-
rodniho a nmilöho b&sniotva slovansk^ho v ^esk^ch pi^kladech« . . . (L sva-
zek. [Bnski poesie.) VBmt, 1874, X), womach man in Jedem einigermaßen
ausgearbeiteten Vers der russischen epischen Lieder — trotz ihres sonst sehr
freien Metrums — einer >GSsur« mitten im Vers und somit zwei symmetrischen
VershSlften begegnet (mit der ziemlich seltenen regelmäßigen Versform:
^ v/ vi/ w >!/ II w V-; v^ v^ 0/). Auf Vymazal wird sehr stark eingewirkt haben
W. Bistrom (»Das russische Volksepos«. Erster Artikel. [Zeitschrift fUr
Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft. Fünfter Band (1868) 180—205]),
nach dem das Metrum: — ~~"^|i — — — -^ (mit je einem Hauptaccent auf
der dritten und der achten Silbe, mit je einem Nebenaccent auf der fünften
tmd der zehnten Silbe) als die Grundform des Verses im russischen Volks-
epos (185) anzusehen sein durfte (mit vielen angeblich leicht zu hebenden
Ausnahmen [186]).
V) Wir haben vielmehr den Eindruck gewonnen, daß die ^echischen
Übersetzer Öelakovsk^ und Langer in den Bylinen kaum ein Versmaß er-
blickten und nur mehr oder weniger Wort für Wort Übersetzten. (Den fünf-
füßigen Trochäus in seiner einzigen Bylinen-Übersetzung wählte Öelakovsk^
offenbar willkürlich.) Folglich kann auch in den die Bylinen nachahmenden
Gedichten des »Ohlas pis. rus.« kein Metrum nachgeahmt worden sein, da
selbst der Herausgeber der — erst 1818 vollständig erschienenen — ersten
Bylinen-Sammlung Eir&a Danilov^s (»Drevnija rossüskija stichotvorenija«.
Isdanie trete ... Moskva, 1878, XVI— XVII) K.Ealajdovi6 über das Metrum
nichts Bestimmtes zu sagen wußte. (Mit dem den russisehen Volksliedem
entlehnten Metrum dürfte Öelakovsk;^ in der Vorrede zum »Ohlas pis. rus.«
die Nicht-Bylinen gemeint haben und in Bezug auf die bylinenartigen Ge-
dichte offenbar nur ihre Begellosigkeit nachgeahmt haben.) Über das Versmaß
des bylinenartigen Teiles des »Ohlas« ist unsers Wissens bisjetzt nichts Ein-
gehenderes gesagt worden, obwohl besonders M&chal bei seiner — schon in dem
Aufsatz: »Üvod ve Studium rusk^ch bylin«. (Ötvrti v^o6ni zpr&va eis. kril.
vy&äiho gymnasia v iita^ uUci v Praze za ikolni rok 1891, 3 — 33) glänzend
bewiesenen — Kenntnis der Bylinen sich später nicht bloß mit einigen myste-
riösen Worten (8) hinsichtlich des metrischen Verhältnisses des »Ohlas« zu
den Bylmen hätte begnügen soUen. Bei Kril (L. f. Bo6. 21. [1894] 438—439)
werden ganz arrhythmisch genannt unter anderm die bylinenartigen Gedichte
Celakovsk^'s und die Bylinen-Obersetznngen Längeres, deren Autoren über-
haupt kein Metrum angestrebt und nur Prosa in Zeilen abgeteUt haben
dürften.
Pro8o^ch6B und MetrisohM bei Ksrel Jaromir Erben etc. 217
SU finden entweder in den altSeeUsehen Dichtungen (Legenden n.8.w.)
oder in der OrOnberger oder der KOniginhofer Handschrift n. s.'w. oder
in den epischen Volkaliedem oder endlich in den Gtodichten der Zeitg^
noBsenechaft Erben's, soweit natürlich dnreh dieselben anf unsem
Dichter dn Einfloß hierin ansgeübt werden konnte ^). Dagegen näher
liegt wohl der Oedanke an die Balladen Goethe's ^^, welcher Oberhaupt
die Dichter der zweiten Litteraturperiode und besonders auch den
BalUdendichter Erben sehr stark beeinflußtCi so daß dieser bekanntlich
unter anderm den 9 Erlkönig« übersetzte **). Mitgewirkt haben konnte
W) Auch in den in der Museal-Bibliothek des Königreiches Böhmen be-
findlichen Briefen Erben^s an Eybi6ka und Boitlapil geschieht von die-
sem Metrum keine Erwähnung. — Mit der metrischen Ähnlichkeit einiger Ge-
dichte der KOniginhofer Handschrift mit den Bylinen beschäftigt sich auch
das Buch: »Gedichte aus Böhmens Vorzeit verdeutscht von Joseph Mathias
Grafen von Thun. Mit einer Einleitung von P. J. dafaMk und Anmerkungen
Yon F. Palacky«. (Prag, 1845, 30, 31, 33, 34.) (Über die Metren der in der
KOniginhofer und Grttnberger Handschrift enthaltenen Dichtungen s. Kril
[L. f. B06. 20. (1893) 430—433]!)
ST) unter den Balladen Goethe's mit yierfttßigen jambisch-anapSstischen
Versen wollen wir nur noch diejenigen nennen, wo diese Verse regelmäßiger
▼oikommen in der beliebten Form '-^-^w-v^||w-v^v^-(v^): > Hochzeit^
lied«, »Der getreue Eckart«, »Der Todtentanz«, »Der Gk>tt und die Bi^adere«,
»Ballade». Solche Verse Öfters schon bei Bürger. Sigmar Mehring nennt in
seiner »Deutschen Verslehre« (Leipzig [1891] 30, 31,47, 102—104, 118, 119
[Üniyersal-Bibliothek 2851—2853]) diesen Vers einen amphibrachischen, wo-
gegen Westphal (214, 217, 218) die Möglichkeit amphibrachischer Versfüße
mit Becht entschieden bestreitet und die Verse nach Anapästen abgeteilt
haben will.
^ Über den Einfluß Goethe's auf die Dichter der zweiten Schule han-
delt unter anderm Amo&t V. Kraus (»Goethe a Öechy« . . . [V Praze, 1896,
namentlich 57—60, 160—169, 185) und Matthias Murko (»Deutsche Einflüsse
anf die Anfänge der böhmischen Romantik« . . . [Graz, 1897, hauptsächlich
82—88, 199—201, 246—248, 316—320] [Deutsche Einflüsse auf die Anfänge
der slavischen Bomantik. I.]). S. bei dieser Gelegenheit auch unsem Artikel
•Karel Jaromir Erben« (Bozhledy, 1901, 414—416), unsre Abhandlung »K p»-
desit^mu T^oii prv^ho yydini Erbenovy »Kytice«« (ö. M. k. Ö., 1903, 115—
126, 348—361) und das »Vorwort« in unsrer kritischen Ausgabe Erben's (XVII
-LIX)!
Das Versmaß des »Erlkönigs« behielt Erben in seiner Übersetzung
nicht vollständig bei und ahmte nur den jambisch-anapästischen Haupt-
charakter desselben nach: Bei Erben kommt der Anapäst weit Öfter vor (rein
jambisch kein einziger Vers, bei Goethe 2), bestimmt jedoch fast nur im zwei*
218 Jaroslav Satnar,
bei Erben natürlich, wofern er eine Ahnung von dem ursprüng-
lichen Sechischen Verse hatte, der nach Julius Feifalik gleich jenem
andrer Nationen accentuierend gewesen sein und in der Regel vier
Hebungen mit freier Anzahl von Senkungen besessen haben dürfte ^^].
ten Versfüße (um 19 Fälle mehr als im Original), wogegen im ersten Fuße im
Gegensatz zu den 3 FäUen im Original kein Anapäst steht; auch schließt die
erste Vershälfte niemals bestimmt mit der Hebung des zweiten Fußes (bei Goethe
8 mal) und die zweite fängt dann niemals mit Doppelsenkung des dritten Fußes
an (auch bei Goethe nur 1 mal), aber dagegen schließt die erste Vershälfte ab-
weichend vom Original 2 mal mit Doppelsenkung des dritten Fußes (und die
zweite fängt dann natürlich nur mit Hebung desselben Fußes an) ; die regelrechte
Diäresis versagt im Original und auch in der Übersetzung bei 2 verschiedenen
Versen (Vers 25 in der Übersetzung ist dem Originalvers: »Ich liebe dich, mich
reizt deine schOne Gestalt« nachgebildet, wo man jedoch wahrscheinlich »lieb'«
zu lesen hat [s. Düntzer (316)!]; in der Übersetzung sollte demnach der Vers
ungefähr: »Aj räd td mäm, sväm^'s, musim tö mit« lauten). — Von den ün-
regelmäßigkeiten seien nur die tonlosen Präpositionen (se srsti 7, se mnou —
budou 17, 18, ve spanek 20, do dvorce 31) und die Zusammensetzungen mit
tonloser erster Silbe (spokoj se 15, nepujdeS [DoppelzuBammensetzung] 26,
mit-uzit 25, 26, pHjiidi 31, v naraöi 32) in den Versen mit sicherm Metrum
genannt! (Vgl. auch bezüglich der Varianten zum Eräl duchu unsre Ausgabe
Erben's [148—150]!)
^ Der Gedanke Feifalik's in der Schrift: »Über die Eöniginhofer Hand-
schrift« (Wien, MDGCCLX, 64) wird eingehender begründet in Hermann
Us euer 's Buche: »Altgriechischer Versbau. Ein Versuch vergleichender
Metrik« (Bonn, 1887, 69, 70). (Vgl. über beide Autoren Er&l [L. f. Bo6. 14.
(1887) 131 und Ro6. 20. (1893) 55,58]; über die Möglichkeit der gänzlichen
Unterdrückung der Senkungen im öechischen Volksliede s. neben Usener [69,
70] auch die Bemerkung V. £. Mourek's in dessen Publikation: »Tandarius
a Floribella. SkUdäni staro£esk6 s nSmeck^ Pleierov;^m [srovnÄno]«. . .
[V Praze, 1887, 101. (PojednÄnik. 6esk6 spole^nosti nauk. — Vn. fada, l.[Bva-
zek.) (Filosoficko-historickÄ tHda, 6i8lo 6.)], hinsichtlich der 6echischen
Sprüche vgl. äolc [180]!) Unter dem Einflüsse der Bebauptong Feifalik's er-
blickt nun^olc (183) unter anderm im Verse des ZÄhofovo loie den Ursprünge
Uchen epischen Vers der Cechen, worauf in der »Mala Slovesnost, kterou . .
5ro vy&&i tHdy i^kol stiFednich sestavili Fr. Bartos, Fr. Bil^ a Leander
loch« (Sedm6 vydäni . . . V BmÖ, 1899, 298) derselbe Vers mit Bezeichnung
des Metrums nach der Solc'schen Theorie schon als Beispiel des ursprüng-
lichen 6echischen Verses angeführt wird. (S. dasselbe bei ErU [L. f. Bo6. 23.
(1896) 426, 427] schon bezüglich der fünften Auflage dieses Buches aus dem
Jahre 1895!) — Interessant ist in dieser Hinsicht auch das »deutsche Vers-
maß« (mit meist vier Hebungen) in Schi 11 er 's »Taucher« (so nachMehring
ProsodischeB und Metrisches bei Earel Jaromir Erben etc. 219
Außerdem war unserm Dichter wohl auch Dobrovsk^^s Anempfehlnng
der möglicherweise mit Daktylen gemischten Trochäen bekannt 7<^), aber
die Hanptanregung dürfte doch von den Balladen Goethe's ausgegangen
sein, unter denen schon das Versmaß im »Erlkönige als Grandlage für
nnser Metrum dienen konnte ^i).
Anhang.
Um fflr die Bekräftigung unsrer metrischen Angaben noch ein
übriges zu tun, wollen wir hier schließlich eine Beihe von Versen an-
führen, zu deren prosodisohen Unregelmäßigkeiten (in der letzten Fas-
sung] fehlerfreie Varianten (in einer frühem Bearbeitung) vorliegen
[vgl. unsre Ausgabe Erben's) :
[135—138]), angeblich nur nach Hebungen gemessen und mit freiem Spielraum
für Senkungen (bald mit ansteigendem und bald mit absteigendem Bhythmus),
was jedoch Düntzer (in den »Erläuterungen z. d. deutsch. Elass.« Dritte Ab-
teilung. [Erläuterungen zu Schillers Werken.] 12. u. 13. Lieferung [Die lyri-
schen Gedichte]. Wenigen- Jena, 1865, 121 — 122) bei diesen nach seiner An-
sicht jambischen Versen mit manchen metrischen Härten und mit freiestem
Gebrauch der Anapäste entschieden in Abrede stellt. (Nach Eduard Belling
[»Die Metrik Schillers«. Breslau, 1883, 111] begegnen wir darin jambisch-ana-
pästisehen Versen stellenweise mit Hebung gleich im Anfang.)
70) Dobrovsk^: »A. Lehrgebäude d. b. S.« . . . (13). (Vgl. Pelzel, 2. Aufl.
[213] und Eräl [L. f. Ro6. 20. (1893) 195] über die 1. Aufl. desselben Buches!
S. vielleicht auch Erben [»Pisnö nir. v Öech.« (Sv. IE. 267)]!)
7^ Einen Anstrich von Altertümlichkeit hat dem Zähotovo loie wahr-
scheinlich die Senkung verleihen sollen, die im Versanfang und nach der Diä-
resis bald stehen und bald wegbleiben konnte, so daß daraus Verse mit dak-
tylisch-trochäisohefii Rhythmus und mit oder ohne Auftakt entstanden sind:
Bezüglich dieses wechselnden Rhythmus ist auch unter den Balladen Goethe's
»Der Gott und die Biy ädere« zu vergleichen, wo die Verse 42—44 Daktylo-
Trochäen sind im Gegensatz zu den übrigen korrespondierenden Versen mit
jambisch-anapästischem Rhythmus [vgl. Mehring [119]). (Über Erben s. noch
Eotsmich [17, 18], Er&l [L.f.Ro6. 21. (1894) 424. Ro6. 23. (1896) 12, 13, 30, 391]
unddujan[30]!)
Zum Schlüsse dieser Abhandlung können wir nicht umhin, unsem besten
Dank allen denen zu sagen, die uns in irgend einer Weise bei dieser Arbeit
unterstützt haben, namentlich jedoch Herrn Professor Er&l in Prag, welcher
seinerzeit (vor etwa vier Jahren) nicht die keineswegs geringe Itf übe gescheut
hat, den Aufsatz im Itfanuskript durchzulesen.
220 JaroBlftv Saütar, ProsodisohM und Metrisohes bei Karel Jaroioir Erben.
In letzter Fftssnng.
Pok. jinde fttisti 0v6 ponesu
^ — ^
vchodn jii nalezti neni
ÜBt k dsmicha nerozhf älo
a jüi Bk&ly t& dos&hla
Pol. i bodeji t6 Brfieä Bim
a hie, ta kdoB n Bvdtnice
In früherer Bearbeitong.
Troohüen.
1248
n39
11150
IV 19
14
19
blas — vichHce podoba
24
ta BI76 : jedna — dnih& — tf eti 41
A.B. vidycky xsmh Hkala
m4 zlatÄ mati&ka
1
zde 8v6 iiU^Bti neponesn
▼choda neni k nalezeni
V ÜBmöeh Jg^t nerozhf ilo
a Jii Bk&ly podoB&hla
i ^^ do tö sr&eü B&m
^^^^'^^-kdoBinaednice
aj! tu kdosi „ o«a*«s-«
ejhle tu kdoB ^ *^**"«^
iPeÖ se yichru podob&
y tom tu jedna — druhÄ — ti^eti
iasto nme, co diti,
tiMvala miti
Jamben.
v-/
a odBtrft tarn tu zÄvoru
» otS «^^^ ^^"°^"*
ie na Boha jbI myslila
y&ak ale radu, radu m&m
tak pireb^ani moje na bvM
by zaplatOo Btai^ dluh
yy. jeito znajic otefty slaynö biny
a perly tdik6 o6ka ztiiily
Freilich stehen auch anderseits den fehlerfreien Versen der letzten Fas-
sung die verfehlten Varianten einer frflhem Bearbeitung (in noch viel
zahlreichem Fällen) gegenüber. Wien, im Sommer 1905.
8. k. odBtr6 mi tam tu zivoru
otevH mi bvou komoru
na boha ie jsi myslila
2. k. ale vSak radu, radu mim
L. 00 y poli rosa, co na f ece d^
V6&t aby zaplatil star^ dluh
245
259
299
n31
54
46
yy, kdo zni^ice otc& slavnö ciny 197
w _ w
S. 1. perli6ky jemu o6ka stüily
14
221
Beziehimgeii der ukrainischen Mstorisehen Lieder
resp. »Dnmen« zmn sUdslayischen Yolksepos.
Bemerkimgen und ZoBätze zuH. n. A&niKeBH^'B »HIcroilro cjrixoFL o6meHiii
»acHOÜ PycH cb lorociaBHHaicH bi jnrroBCKO-noi&CKifi nepioA'B ex HCTopin, uexxj
spo^ — BXffyifaz'&c in »HsiSopHHKik KieBCKiu nocBJimeHHul T.^-^^opsH-
CKOMy«, pp. 119 — 137. KieB'b 1906.
Die eben angefahrte Frage interessierte mich noch ror dem Er-
seheinen der Bemerkungen des H: Prof. Da^skeviS und derselben hatte
ich aaeh einen An&atz gewidmet. Wenn ich trotzdem meine ehemaligen
Bemerkungen nicht fallen lasse, so tue ich es aus dem Qmnde, weil die- ^
selben nicht im Einklänge stehen mit denjenigen des geehrten Professors.
Es soll mir zunächst erlaubt werden, auf die Art und Weise seiner Behand-
lung näher einzugehen, weil von derselben auch die Lösung der Frage
nicht wenig beeinflußt wurde.
Die Arbeit des Prof. Daskevii besteht aus zwei Teilen. Im ersten
Teile sind die historischen Nachrichten angegeben über den Verkehr der
Ukraina (nebst Polen) mit den Südslayen: Bulgaren und Serbo-Eroaten.
Der Yerfasser fUirt diesen Yerkehr schon auf die älteren Zeiten zurflck
und flir den Zeilpunkt, wo die Sfldslaven nach Ukraina öfters herbei-
zuströmen begannen, betrachtet er das 16. Jh. (p. 124). Dabei beruft er
sieh auf die Arbeiten anderer Oelehrten, wie üeTpoB'L (»HcTopH^eciciH
BSTÄBXh Ha BaaHMHUA OTHomemfl Mex^y oeptfaMH h pjcckemh b^ o<$pa-
soBamH H JDrrepaTypi«. P%qi>. Kien^. 1876), — GotfojieBCKiH
(»lOxHOCjaBHHCKoe BjdAHie na pyccKyio nncBMeHHocTL b% XIV — XV.
BiKarB.« Pi^L. Gn6. 1894), — II. A. KyjiaKOBCKiH (»Ha^aio
pycoKOH mROAi y cep6oB^< Ssb^ct. ot^. p. h3. h ojcob.' Hiin. Aks^.
HayiTB. 1903 n.). Wegen der vollständigen Quellenangabe wäre es
wflnsohenswert auch die letzt erschienene Arbeit von Petroy zu nennen
u. d. T. »BocnHTaHHHRH KieBCKOH AKi^eiiiH h3'£ CepÖOBi»« u. s. w. in
»HaBicTifl BT. OTA. 1904, IV.
Wir mflssen dem Verfasser dankbar sein, daß er möglichst alle
Nachrichten ttber die Ankunft der s. g. Hajduken nach ukraina und
Polen gesammelt hatte (pp. 124 — 127). Es muß aber bemerkt werden,
222 Michajlo Tersakoveö,
daß dieselben znr Beweiskraft des Aufsatzes nichts Wesentliches bei-
tragen. Einige Sporen, die die Hajdoken im Leben des nkrainischen
Baners gelassen haben, wie z. B. der Name eines Tanzes (raH^yK), sind
alleinstehend und unbedeutend und daraus allein läßt sich noch nicht auf
den Anteil der Hajduken selbst bei der Schaffung der Dumen schließen.
Man kann auch der Meinung des Verfassers nicht beistimmen, wenn
er (p. 127) die Namen der Dörfer >Cep6n< und >Cep6HHiBKa« in Zu-
sammenhang bringt mit einer Nachricht aus dem J. 1617, nämlich mit
der Anwesenheit der Serben auf den Landgütern des Fürsten Janus
Ostrogski. Einer solchen Behauptung geht jede Beweiskraft ab und es
wäre weniger gewagt und dabei offenbar allein richtig, derartige Fälle im
Zusammenhange mit einer anderen allgemeineren und daher sichereren Tat-
sache zu erklären und zwar mit Hilfe des Anteiles der Südslaven an der
Bildung des Eosakentums des 16. u. 17. Jh. Dieser Anteil wird auch von
dem Verfasser nicht verkannt, aber er verdient mehr hervorgehoben zu
werden, um so mehr, als er ftir die Theorie des Verfassers sehr zutreffend
wäre. Die unbeschränkte Freiheit des Eosakentums wie auch die Tat-
sache, daß es den christlich-orthodoxen Glauben gegen die »verfluchten
Bissurmenen«mit Erfolg zu verteidigen wußte, übten einen anziehenden
Einfluß auf die Südslaven aus, welche zu Hause unter dem politischen
und religiösen Joch der Osmanen stöhnten. Ihre Anwesenheit in den
Eosakenregimentern kann man schon für den Anfang des 17., ja sogar
für das Ende des 16. Jh. vermuten, denn in dem Augenblicke des höchsten
Aufschwunges des Eosakentums, nämlich in den Zeiten des Hetman
Bohdan Chmelnickyj begegnen wir schon vielen südslavischen Namen
in den kosakisehen Reihen, wie es aus den »PeecTpa seero soäcKa
sanoposcKaro nocji^ 36opoBCKaro AoroBopa cb KopojeH'B nojbCKHiTB
Hhomi Ea3HMHpoM'£, cocTaB.ieHHue 1649 ro^a, 0KTfl6pH 16 ahh, hs-
;i;aHHMe no noAJHHHHKy 0. M. Boahhckhm'b < (^TeniÄ b-b ÜMoepaTop-
CKoiirB 06n^ecTBi ncTopiH h ApoBHOCTen pocciHCKHX'B npH mocrob.
yHHBepc. 1874, No. 2, I— XXXIV, 1—214. — No. 3, 215—337) und
anderen zufälligen Nachrichten aus dem 1 7. u. 18. Jh. zu entnehmen ist.
Was den zweiten Teil der Abhandlung anbelangt, welcher die gegen-
«eitigen Beziehungen der ukrainischen und südslavischen Epen behandeln
sollte, so scheint der Verfasser anfangs die Absicht gehabt zu haben,
denselben nur als eine anspruchslose Illustration an die Ausführungen
des ersten Teiles anzureihen. Man gewinnt wenigstens einen solchen
Eindruck dadurch, daß der Verfasser sich mit der in Rede stehenden
Beziehungen der akr&iniflchen histor. Lieder zun Büdslav. VolkBepoB. 223
Frage nur kurz besehäftigt (pp. 122 — 123) und in der weiteren Folge
ipdedenun die Anfz&hlnng der historischen Tatsachen fortsetzt. Die
letzteren schienen fttr ihn von einer so großen Bedentong zu sein, daß
er sieh in der Lage fühlte (pp. 128 — 137} an die nähere ErOrtenmg zu
treten und die von ihm früher aufgestellte Theorie zu verteidigen. 8eine
Theorie lautet: »Ob XY-ro eroxkria, Kor^a Ha^aJTL cJiaraTbCH cboh
XHTepaTypHUH o(S jhicb b'b sana^noH PycH, CTazn, sipoHTHO, hbctbohho
oöosHa^aTbCfl CBoeoöpasHUfl qepTu losHopyccKOH ncTopH^ecKOH noaslH
H npHBHMaTB To HanpaBjeme , KOTopoe HazoAHitrB b^ nosxBfhmmnch
AyVaX'B. ^0 H3B%CTH0H CTOneHH OHO OKOH^aTeJEEbHO BO^BOpH-
JiOCL nOA'B T^M'B I03EH0CJiaBflHCKHM'B BJClAHieifB, KOTOpoe
otfyCJOBHJIO nOBOpOT'BH BO BCOH pyCCKOH nHCLMeHHOCTH CO
BTOpOH nOJIOBHHU XIY B^Ka« (122).
Ln Laufe des ganzen etwa 9 Seiten langen Exkurses (128 — 137)
hat aber der Verfasser seinerseits zu wenig Beweise angeführt, als daß
wir ohne weiteres seiner Behauptung beistimmen könnten. Er will zwar
wissen, daß man in der Wissenschaft auf die Parallelen zwischen den
bulgarischen und serbischen Epen einerseits und den ukrainischen Dumen
andererseits schon die Aufmerksamkeit gelenkt hat und beruft sich dabei
auf Prof. SumcoY (»CoBpeMeBHaH MajopyccKafl 9THorpa«la« in »Kien.
CTap.« 1895, n., p. 198). Dadurch versündigt er sich gegen die Ge-
nauigkeit, denn Prof. Sumcov hatte in der erwähnten Stelle keine Absicht
von einer solchen Parallele zu sprechen; aus den Worten »ecJH 6u
xajfopyccide annreTU b'b ßYMSxi» Öbuh conocTasjieHBi h cjra^eHBi cb
CeptfcKHMH H 60Jn*apCKHMH, B'B TaKOH'B CJTy^a^ OHH UOÄymUL 6lÄ
secBMa i^HHoe HapyxHoe ocB^n^eme h OT^eTJoiBO onpeflj^xHzoch 6bi,
HacKOJBKO OHH Ha^ioHaJHBI H HacKOJiBKo o6n^eHapoAHBi « (1. c. p. 198)
ist nur ein Desideratum zu entnehmen, das keinen Anspruch erhebt, etwas
pr&judizieren zu wollen.
Auch die Berufung auf die Arbeiten anderer Qelehrten wie Neu-
mann (im Warschauer »Ateneumc 1885), Famincyn ( JoMpa h cpo^HBie
HHCTpyiieHTBi p. Hap.) hat dem Verfasser nicht viel Dienste geleistet.
Bei dem ersten war es nicht viel zu gewinnen, denn jener Aufsatz war
nur eine populäre, für das polnische Publikum bestimmte Skizze, bei dem
anderen darum nicht, weil sein eben genanntes Werk, wie schon sein
Titel besagt, eigentlich einen nur sehr entfernt verwandten Zweck ver-
folgt — wovon übrigens die Rede erst später.
Kurz und gut der geehrte Professor war bei seiaer Theorie einzig
224 Miohiglo TeWiftkoveö,
und allem auf seine eigene Yermntiuig angewiesen, welche er jedoch keines-
wegs anf überzeugende Beweise zu stfltzen yermochte. Er konstatiert
zwar eine allgemeine Ähnlichkeit zwischen den ukrainischen und den
sttdslavischen resp. serbischen Epen, indem er sagt, daß »uajopocciHOKiH
AyMu 9T0 nioHH TBXOH, HO rjTyöoKOH ne^ajra, KOTopoio oh% po^i^hatch
crh H)rocjaB£HaHH« (p. 136) oder »ho HMeHHO b^ cbäj otf^HOCTH orpa-
Aamfl H nocTOHHHOH tfopböu sa neoirhßUÄeMaa h si^HUfl npana
ZH7H0CTH, B03M02KH0 6uzo fljLE loaLHOpyccoB'L oön^eme H na no^iB^
OAHHaKOBOH iHpo-ainiqecKOH iiodsin« (ibid.), oder anders gesagt, einer
ähnlichen, traurigen Lage entspringen auch ähnliche, traurige Lieder,
also eine Bemerkung, die auf die Poesie eines jeden beliebigen Volkes
passen kann, und nicht gerade auf die Bfldslaven allein. Ja, bei der
Festsetzung der Ähnlichkeit zweier Epen bleibt noch die Frage offen,
welches von ihnen das beeinflußte und welches das beeinflussende ist.
Wir wissen schon, wie Prof.DaskeyiS darfiber denkt, aber ein einziger
Beweis für die Abhängigkeit des ukrainischen Epos von dem stldsla-
vischen, nämlich die Entlehnung des Wortes »EyTypHaK« spricht viel
zu wenig.
Man kann daher den wissenschaftlichen Takt des Verfassers nur
billigen, wenn er ün Resum^ der Bedeutung seiner Theorie sehr be-
scheidene Schranken setzt: »Sa^a^a HacTOflu^eH saM^TKH cooroHja
TOjn>KO Wh yKasamn ^hcto bosmoshuz'b nyxeS loro-eiaBSHORaro
BziflBiH H yqacTifl b^ cosAaniH yKpanHCKsx^ xyM'By a ne b'b caMOM'B
BUACHeHin jispo^Bhon^ h czoxbux'b HBieniH' B'B stiotb jfhßsuarh h
B'B ioro-cjiaBflHOKOM*B 9noc%, na KOTopua yxe o6pan^aia BHsiiaHie
HayKa h KOTopus npeACTOHOTB en^e HSCji^AOBaTb cb ÖoAmeio oöoroii-
TejiBHOCTiio« (p. 137).
Nun fragt es sich, was hat den Verfasser zur Au&tellung einer
solchen Theorie yerleitet, wenn er dennoch nicht imstande war, dieselbe
aufrechtzuhalten und derselben eine Anerkennung zu erkämpfen? Ich
glaube, zwei Orflnde sind daran schuld: Die einseiüge Auswahl des
Materials und das Auüerachtlassen der auf die Frage Bezug habenden
kompetenten Literatur.
Was das erste anbelangt, so sehen wir, daß der Verfasser fast aus-
schließlich nur ttber die historisch-kulturellen Tatsachen verfttgt,
der literarischen aber entbehrt, welche einzig und allein ausschlag-
gebend sind. Wir sehen vor uns im Vordergrunde das Kommen und
Gehen zahlreicher sttdslavischer Auswanderer in verschiedenen weltlichen
Betiehnogen der nkrainiBchen hktor. Lieder zum stidslay. YolkBepoB. 225
Eigeiiflchaften (Hajduken, Mitglieder der Kosakenregimenter n. drgL)^ —
im Hinter gruB de dagegen (der Verfasser läßt hier an die Arbeiten von
PetroY nnd Golnbinskij denken) den Aostansch von Eirchen-
bflchern zwischen Ukraina nnd Rußland einer- und Serbien nnd Bulgarien
andererseits, die Serben in der Kiever Akademie und Oberhaupt mannig«
faltige Berflhmngen auf dem Qebiete der geistlichen und geistigen
Kultur. Bei solchen Verhältnissen kann man gegen die Versuchung, in
den Rahmen dieses gegenseitigen Eultnrwechsels auch die Dumen und die
junakischen Lieder hineinzuziehen, theoretisch wenig einwenden; der
Qedanke an die Beeinflussung der Epik, einer auf die andere, liegt sehr
nahe, ein falscher Sehritt in der bekannten Richtung und man befindet
sich schon auf dem Lrrwege. Aber bei einer yielseitigen Prüfung und
Heranziehung des literarischen Materials mfißte man diesen gefähr-
lichen Weg bald verlassen. Bei unserem Verfasser war aber das nicht
der Fall aus dem Grande, weil er die diesbezflgliche Literatur des Gegen-
standes zu wenig gewtlrdigt hat.
Aus diesem Bereiche waren vor allem zwei wichtige Studien zu be-
rücksichtigen: von AntonoviS-Drahomanov und ^iteckij. In ihrer
Sammelarbeit (HcTopiraeeKiA nicBH MajcopyccKaro napo^a. KieBX 1874)
erblicken die beiden erst genannten Gelehrten in den Dumen das, was
man in ihnen beim ersten Anblick bemerken kann, n&mlioh eine treue
Darstellung der Personen und Ereignisse aus der Geschichte der Ukraina
des 16. und 17. Jh., d. h. aus der Zeit der kosakischen Feldzflge gegen
Osmanen und der Emanzipationskriege des ukrainischen Volkes gegen
das polnische Joch. Hinter jedem Ereignis, welches in Dumen dargestellt
wird, zeigen die beiden Forscher eine geschichtliche oder kulturelle Tat-
sache, in jeder in den Dumen genannten Person entdecken sie eine ge-
schichtliche Persönlichkeit. Durch solche Interpretation, mit einem yiel-
seitigen Kommentar begleitet, gewann der überwiegend größere Teil von
Dumen einen unerschtttterlichen, geschichtlichen Grund. Es blieb nur ein
▼iel geringerer Teil von Dumen, mehr moralisierenden Charakters übrig,
die mit dem ausschließlieh historischen Apparate nicht zu erklfiren waren.
Auf welche Weise und unter welchen Umständen sind solche Dumen zu-
standegekommen? In seiner gründlichen Studie (Mucan o Hapo^HUX'L
MaxopyccKBPCB Ayxax'B. Eies'B 1894) antwortet j^iteckij, sie seien
ebenso fast auschließlich das lokale Produkt, das Produkt der scho-
lastischen Schule und des ganzen ukrainischen Volkes. Das von ^iteckij
angefahrte Material ist so reich und so überzeugend, daß seine Ansichten
▲MhiT ftr slaTiaehe Philologie. XXIX. 15
226 Michajlo Tersakoveö,
im wesentlichen einer Änderung nicht unterliegen können. Einem
nenen Forscher blieb es nnr übrig die Resultate beider Studien zu r^sn-
mieten und nur wenig neues hinzuzufügen, um die bereits gewonnenen
Resultate in einer entsprechenden Perspektive hervortreten zu lassen.
Wie gesagt, Prof. Daskevii hat diesen Umstand außeracht gelassen und
darin ist der Grund des Mißlingens seiner Arbeit zu suchen. Meine nächst-
folgenden Bemerkungen gelten nun dem Versuch die Sache in das richtige
Fahrwasser zu bringen.
Die Frage über die im Titel genannten Beziehungen ist in der
Wissenschaft keineswegs neu. Seiner Zeit wurde darüber gestritten, ob
und in welchem Grade die musikalische Seite der Dumen von der des
südslavischen Epos abhängig sei. Die damals ausgesprochenen Ansichten
von Famin cyn (/I^OMpa usw. p. 152) einer- und seinem Rezensenten in
»BicTHHK'B EsponM« 1891, August, p. 848 u. ff. andererseits ver-
traten ganz entgegengesetzte Standpunkte und es wurde dadurch klar an
den Tag gelegt, daß der gute Wille allein zur Entscheidung der Frage
nicht ausreichend ist, wenn man des wissenschaftlichen Apparates ent-
behrt. Wie wohl die Spezialisten in dieser Hinsicht sehr viel werden vor-
bringen können, muß ich zu meinem tiefsten Bedauern mich in dieser
Frage als inkompetent bezeichnen, da ich kein Musiker bin. Ich bin also
gezwungen diese Frage offen zu lassen und meine Aufmerksamkeit der
literarischen Seite zuzuwenden.
Auch die letzte war schon von manchen Forschem berührt worden,
wie Neumann (Warschauer >Ateneum« 1885, Oktober], Drahomanov
(HcT. iri&CHH usw. passim), Sumcov (CoBpeMeHnaÄ MajopyecKaH 9tho-
rpa^ia. 1897, 2. T., p. 4 u. ff.) u. a. Da aber ihre Bemerkungen nur
zufällig waren, so hatten sie keine Absicht gehabt darauf zu antworten,
wie und in welchem Grade man von der Beteiligung des südslavischen
Epos an dem ukrainischen sprechen darf; dennoch aber haben sie immer
der größten Originalität der Dumen beigestimmt. Nachdem ich nun alle
entscheidende historisch-kulturelle Umstände geprüft und die Dumen mit
dem südslavischen resp. serbischen Epos verglichen habe, kam ich zur
festen Überzeugung, daß man dem letzten nur eine ganz unbedeutende
Rolle bei der Frage über die Beeinflussung einräumen kann. Das ist
doch leicht verständlich! Bei einem so starken Aufschwünge der Geister,
wie es in der Ukraina des 16. — 1 7. Jh. der Fall war, kann man kaum das
Wirken eines fremden Elementes voraussetzen. Denn von der musika-
lischen Seite abgesehen, hätte das letzte entweder im Inhalte oder in der
Beziehungen der okrainiBchen histor. Lieder zum südslay. YolksepoB. 227
Form zum Vorschein kommen können. Wir werden aber sehen, daß dies
weder in dieser noch in jener Beziehnng zntrifit.
Was das erste anbelangt, ist die Entlehnung des Stoffes fiOr das
Epos der kosakisch-polnischen Kriege aus oben angeführten Gründen
absolut ausgeschlossen. Was die osmanisch- kosakischen Konflikte an-
belangt, so wären hier einige Berührungspunkte zwischen beiden Epen
möglich, aber, wie schon früher gesagt wurde, haben die diesbezüglichen
Erklärungen von Antonovii-DrahomanoY keine Spur davon ent-
deckt; im Gegenteile, sie haben nur einen sehr engen Zusammenhang
swisohen den Dumen und den historischen Tatsachen an den Tag gelegt.
Ja selbst Prof. DaskeviS war nicht imstande mehr anzuftlhren, als die
Entlehnung des Wortes >6yTypHaKc.
Es bleibt eine einzige Duma, so allgemein bekannt und für die
Theorie des Prof. Daskevii so zutreffend, daß man sich wirklich wundem
muß, daß er dieselbe nicht zu seinen Zwecken ausgenutzt hat; es ist die
Duma von »Alexij Popovii« oder anders die Duma »von dem Ge-
witter auf dem Schwarzen Meere« genannt. Von verschiedenen Kom-
mentatoren wurde sie verschiedenartig gedeutet. Doch wenige von diesen
Erklärungen kann man befriedigend nennen, weder die Erklärung
Wesselofskys, daß »ioxhuh Ajiema IIonoBim ^oacHBaeT'B cboh
BtiTL en^e n wh oäpaai AjieKciflllonoBEraa MajopyccKOH Ayuu« (»IOxho-
pyccidA 611LIHHIJ« in »GdopsHiCL oTA^jeniH p. ASUKa h cjiob. Hiin.
AKaA. HayiTL. « B. XXXYI, npHJ. No. 3, p. 279], noch die Erklärung des
Prof. DaskeviS selbst, daß unsere Duma »nepe^^UKy ÖujHiiHaro
otfpasa« darstellt (Ekuhhu 061 Ajienii nonoBH"^ h np. in >KieBCKaH
CrapHna« 1883, p. 60 — 61). Man kann auch der Meinung Potebnjas
nicht beistimmen, welcher (OtfiACHeHifl MajEopyecKHz h cpoAHiiix napo^-
HBts niceHB n. 301 — 310) unsere Duma in Zusammenhang bringt mit
den Südslavischen Parallelen, einer bulgarischen und einer serbischen.
Diese Annäherung begründet er durch den Umstand, daß »b'b tfojtrapcKoS
ntcHi (es folgt gleich ein Zitat in der russischen Übersetzung) npo CTan-
KOBH^a Ay^ (MnjiaAHH. 65. cj.) h3x cTiaiH Mp. xyva naxo^HM: Öypio
na Mopi, HcnoB^A^ rpimHBKa, rjiaBHuä ero rpfo npoTHB MaTopH,
KaMem» eiiy Ha meio, saicjno^eHie 0 HenpocTHTejiiiHOCTH rpixoB npo-
THB MaTepH H cecTpu h noa^qpaBjeHie cjrTmaTejCAM« (06'bhch. n. 304).
Allein schon Prof. Sumcov hat in »^yua 06^ AxeKci^ IIonoBH^«
(KieBCKaH CTapnHa 1894. I. pp. 1 — 311) sehr evident gezeigt, daß das
Sujet unserer Duma sich in den Legenden aller europäischen mittelalter-
15*
228 Micluylo Tersakoyec,
Hohen Literataren einer großen Popularitili erfrevie, ja daß man in
SohotÜand selbst in den neuesten Zeiten eine selir ttbnliohe Yariante ge-
funden hat. Man mvß anoh die Richtigkeit der folgenden Ansichten des
Prof.SumeoT Aber die Stellnag unserer Duma innltten der enropftiseheift
Varianten anerkennen: »Ha eo3;iaHie AynBi 06*1 AjokcM IIoiiOBnt
saTpavena 6oxbmsa. xy^oiKeeTBeHsafl cnjia, h ne eHOTpa na cyxn;eeTBe*
Banie cxo^nuz'» np(«3BeAefliH y xpyrHX'L BapaAOB%, xoxho cmeaTb,
Tro> ßjvLB, 9Ta rxy((oKo opHmBanHoe h vh blicokok cTeneEB ry;(o-
atecTBeHBoe MaJopyecKoe nponsBeAeHie. ^oeroHHCTBO xyMU saiUKH
qaeTCfl BTB pa^a6oTK^ xcTaiefl, wh uckjceowi coqeTaHin hx^ m, wit
oeo6eHBOCTn, bi^ mafkocth h lynaHBOCTH. Aj^ npoBmcaerrE xmnaji
MUCJib H jsHTiHoe qyBCTBO BUcoKaTO ^tocTOEHCTBa H Hpex^e Beere
6jra3Koe iK^Hoe SBaKOMCTBO n^Bi^a es onHcusaraiBiMB nsieHiHMn «h3h-
qecKaro h BpaBCTBesBaro xapairrepa« (1. c. p. 11). Wie gesagt, man
mnß diese Ansiohflen, die dnrch ein reiehes Material bestätigt werden,
ftlr riehtig erklären. Nnr in einer Beziehung erheischen sie eine Ergän-
zung resp. Verbesserung. Es sind nämlich die Ansichten des Verfassers
Aber die gegenseitigen Verhältnisse unserer Duma zu den Ton Potebnja
angefahrten sAdslavischen Varianten unklar oder unrichtig. Prof. 8um-
coY legt das Hauptgewicht seiner Forschung auf die westeuropäischen
Varianten, stellt aber in Schatten die südslavischen, indem er fast ohne
jede Reserve die Meinung Potebnjas akzeptiert (1. c. p. 3 — 4). Es ist
aber sehr wllnschenswert, eine genaue Abgrenzung zwischen den ukrai-
nischen und den sfldslayischen Varianten zu geben. Zu dem Zwecke sind
wir gezwungen, auf die schon oben [vgl. S. 227) von Pot angefflhrten
Momente zurAckzukommen:
Zunächst das Meeresgewitter kann nicht als ein Verbindungspunkt
zwischen der ukrain. Duma und der bulgar. Variante angesehen werden.
Das Gewitter, welches in der bulgarischen Variante mit dem Znsammen-
stArzen des Ghilandarklosters droht, ist dort nur ein zufUliger, lokals
topographischer Zusatz. In dem analogen serbischen Liede in der Samm-
lung von Cubro Öojkovi6 (»H^BaHiA opHoropcKa« 1837, pp. 64 — 65),
welches seiner kArzeren Fassung und seiner einfacheren Komposition
halber als eine ursprAngliche Form und als Quelle ^) betrachtet werden
1) Der Ausgangspunkt dieses Motivs wenigstens für die sAdslavischen
Var. scheint das hOchst räuberische und liederliche Leben des Helden zu sein
— und die Strafe dafitr. Das Verbrechen des Helden ist in der bulg. u. serb.
Beziehangeii der nkrainisohen histor. Lieder vom südfllay. Yolksepos. 229
maß, ist keine l^nr von dem Oewitter. Die bnlgmrisebe Fassung wie die
«erbiselie InftereasMireB sich vor wHkim um die Sflnde und das Gesofaiek
des Oslden; gegen das Ende yergtßt das bulgarische ganz das Oeidtter,
00 dafi wir BMlit er£ahren, ob dasselbe sich gelegt hat oder nicht, naoh-
dem ^kr Held (Staiikioviö Dvki) in das Meer geworfen wurde. Das Werfen
in das Meer ist tfelgüch nkht als ein Opfer anzusehen, welches dazu be-
atinunt war, dajB Jieer zu stillen, soadem nur als eine Art dw Strafe,
wekdie durch «ine andere «rsetzt werden konnte. Anders yerhilt sich
die flache in der Duma. Das Oewitter ist dort ein integrierender Bestand-
teil des Oanzen und stdlt eins von den so gewöhnlichen Erdgniesen der
Eosakenflotille auf dem Schwarzen Meere dar. Das gibt auch Potebnja
XU, indem er dem histoidsch-igeographischen Kommentar des Antonovi^
und Drahomanov folgend, die bezeichnete Duma auf das Ende des
16. Jk. EurfickiÜhrt, d. h. die Zeit, wo die Kosaken noch nicht weiter als
bis (an das nördüch-westliohe Ufer des Schwarzen Meeres zu fahren
wagten (Oö-bhch. II, 302).
Im Zusammenhange mit dem Oewitter muB man auch die Beichte
des Helden berflcksichtigen ; es tritt nämlich auch hier ein Unterschied
zum Vorschein sowohl in der Intention wie auch in dem Resultate der
Beichte. Oleksij PopoviS bekennt seine Sflnden^), um das Meer zu
Yar. gleicherweise geschildert; auch von der Strafe wissen sie dasselbe zu
eiz&hlen:
PasöOibe C6 Jfl[6Ra 4yKal)HH^e,
EoüiOBao Aesex roffVH Aana,
Hht^ yiinpe, hh npeÖoJinjeBa!
npoa KOCiH My TpaBa nponniiaJBta,
A y xpaBy c' .^yre sMHJe jerjie ; (Oöi/ich. II. 309).
Dasselbe wiederholt die bulg. Yar. :
na MH o;k6 (GaBa sTyMeH) y TeMHa Rejiia,
HsroBope Gana HryiieHa
Ha OHero OraHROBHKH ^yno:
>CHHe MOE OraHKOBHKe JljKol
Kaaui, CHHO, mo ch norpeiiiHJio ?
BojieHi jiejKamrb sa AeBOx'B roAHHu^
Gh HCRHHaJ'B AO AOBeT'L UOCTeJEH,
Ho nocTOiiH AO AeserB nepHHUH,
HS'B ROCTH-Xe TpeBa H8HHRHa.I0,
Hs'B TpdBa-Ta jjdth bmIh jasaxi,
Gl o^H rjieAami, co p<fkiie ho «aRAiu'B!«
1) Nur eine einzige Yariante weiß von einem materiellen Opfer: das Blut
aus dem kleinen Finger des Helden (Antonovi^-Drahomanov, o. c, p. 184).
230 Michajlo Terdakoved,
berahigen^ was ihm auch gelingt. Stepanovid D. bekennt aber die
seinigen nnr darnm, damit die Mönche, von denselben in Kenntnis ge-
setzt, den Grund erlangen, den Sünder zu bestrafen. Die Sflndenbe-
kenntnis ist also im bulgarischen Liede nur ein literarisches Motiv, die
Art und Weise, auf welche wir von der Vergangenheit des Helden er-
fahren, wodurch das bulg. Lied sehr nahe steht dem serbischen, in wel-
chem der Held seine Sünden vor seiner Mutter bekennt. Die Beichte in
der Duma ist aber wiederum ein integrierender Teil des Ganzen. Daraus
folgt, daß der Unterschied zYrischen der Duma und den südslayischen
Varianten bezüglich der Beichte, auf zwei verschiedene, von einander
unabhängige Quellen zurückgeht.
Was das Resultat der Beichte anbelangt, d. h. die Strafe, müssen
wir einer Strafe erwähnen, welche Potebnja als gemeinsam fdr die
Duma und das bulg. Lied bezeichnet, n2lmlich »der Stein um den
Hals«. Doch beruhte die Annahme Potebnjas auf einem Mißver-
ständnis. Die Worte des Ol. PopoviS :
»ES KOsaKH, nanone mojcoaaT!
Ao6pe BH B^[HHTTe,
CaMoro Mene,
OjeKCiA ÜOJOBH^a BOSBMlTe,
^0 MoeT mnT
EaMiHb ÖijieHBKHH npHBflsiTe,
Oqi MoT Kosai^bKi MOJOAei^bKi
^epBOHOH) KHTaHKOK) sanuTTe,
y ^opne Mope
CaMoro Mens cnycTTTe (Ant.-Drah. o.e., p. 178)
sind doch nur eine gewöhnliche Metapher, die mitunter auch in den
ukrainischen Liedern und Sprüchen sehr häufig vorkommt und deren
Quelle die allgemein bekannten Worte des Evangeliums zu sein schei-
nen, — während dieses Motiv in der bulgar. Var. eine Tatsache bildet,
indem dem Sünder ein Stein um den Hals wirklich aufgehängt wird ^) :
^] ȆporoBopn Gaua nryiieBa
Ha OHie xpHCTa Kajryreps:
>Aa seMHTe eACHi» jieceHi RaMeHx,
JleceHi» KamcHi» mo (me) Aa mh TeacHTi
Äa MH TeTKXTh Ayp^ AO TpHCxa OKa,
Jla, Bi&psHTe GiaHKOBBKB ua r&pjo,
BapjieTe ro GraEica so Mope-xo,
Begehungen der ukrainischen histor. Lieder zum Btidslav. Volksepos. 231
Man maß femer absolut die Meinung Pot. abweisen, als ob die
schwerste Sflnde des Helden, d. h. die Yersflndignng gegen die Mntter,
einen Yerknflpfangspnnkt zwischen der Duma und den südslavischen
Parallelen bildete. Es läßt sich freilich nicht in Abrede stellen, daß sowohl
die eine wie die anderen das Gewicht eben auf dieserSünde legen. Allein
hier kann man nnr von einem znMligen Znsammentreffen sprechen. Die
strenge Anschannng der Duma hat ihre Orundlage im Yolkskulte der
Matter; das ukrainische Volk brachte diese Anschauung schon früher in
der scholastischen Schalpoesie und neulich in seinen Liedern zum Aus-
druck. (VgL in dieser Hinsicht die schönen Exkurse in ^iteckij 1. c.
pp. 68 — 71, 157 — 159.J — Daß man in unserem Falle gerade mit
einer lokalen Tradition zu tun hat, ersieht man noch aus einer interessan-
ten E^einigkeit: Von den bei AntonoviS-DrahomanoY angeführten
Varianten sprechen nur 6 von Ol. PopoviS als von der Hauptperson ; die
anderen 4 kennen schon keinen Ol. PopoviS, sie wissen nur von 2 oder
3 Brüdern zu erzählen. Der Umstand, daß der Held der Duma von dem
Gewitter auf dem Schwarzen Meere unter dem Drucke des mütterlichen
Fluches zu leiden hat, läßt das Volk eine Brücke zu einer anderen
Duma (die Flucht der 3 Brüder von Asoy) bilden, deren Helden
auch im Konflikt mit dem mütterlichen und väterlichen Segen stehen.
Und endlich, um mit den Ansichten Pot. abzuschließen, kann man
das Motiv » nosApaBjenie cjymaiejiHM« keineswegs als einen An-
knüpfungspunkt betrachten. Es ist doch die übliche Formel jeder Duma,
welche man aus dem Grunde, daß dieselbe auch in den südslavischen
epischen Liedern vorkommt, in das Verhältnis der Abhängigkeit zu
setzen — kein Recht hat.
Man ist also nicht berechtigt, wie es Pot. woUte, die besprochenen
Momente als Berührungspunkte zwischen den ukrain. und den südslav.
Var. zu betrachten. Die einen wie die anderen haben ihren Ursprung
in zwei verschiedenen Quellen ^) , deren Prüfung mich weit über die
Jifi.n* Ro ro CraHRa Mope npiiiMH.«
IIa mo 6i^a ipHcxa KajyrepH!
BiLpsa^a My tou jcceui» KaMOH'L,
mo Aa xeacHTVAyp* ffo rpucTa OKa,
To BapjiH^e CraHKa bo Mope-io (Mu.iaA. S. 68).
1) Von der Existenz der westeuropäischen Parallelen des in Bede stehen-
den Sujets wie auch von den gegenseitigen Beziehungen der bulg. und serb.
Var. war oben die Bede. Was die Geschichte dieses Sujets in Ukraina anbe-
232 Midiajlo Tet&akoyeö,
Schranken meinet gegenwirtigen Betraohtongen ftihren irtirde. Fflr
meine Zwecke, glaube ich, ist das oben Gesagte ansreichend. Wir haben
aber dadurch auch noch etwas anderes erreicht: Die »Duma von dem
Oeintter auf dem Schwarzen Meere c war die einzige, welcher die bis-
herige Forschung eine südslavische Abkunft zuzuschreiben geneigt war.
Selbst Prof. DaskevK war nicht imstande, mehrere AnknüpfimgB-
punkte ausfindig zu machen. Angesichts dessen muß konstatiert werden,
daß das südslavische Volksepos mit seinem Inhalte keinen sichtbaren
Einfluß auf die Schaffung der Dumen ausgeflbt hatte, weil es nidit in der
Lage war, einen solchen auszuüben, und daß folglich alle Versuche,
einen solchen Einfluß nachzuweisen, mit einem Mißerfolge endigen
müssen.
Wie sollen wir nun alle die Urkunden verstehen, die von der An-
kunft der Südslaven nach ükraina zeugen? Sollten denn die zahlreichen
und wunderschönen junakischen Lieder keine Spur eines Einflusses auf
die poetische Schaffung der Dumen- Autoren zurückgelassen haben?
SoUten Jene Serben, die nach TJkraina kamen, so stark ihre nationale
Pracht vergessen haben, daß sie den Ukrainern gar nichts davon gespen-
det haben? Qewiß nicht! Aber dieser Nachlaß kommt nur in der Form
zum Vorschein und in einem nicht sehr großen Umfange, so daß er von
manchen auch nicht bemerkt wurde.
Ich habe im Sinne eine Eigenart, welche den Dumen einen spezifi-
schen Schwung verleiht und welche in der serbischen Epik sehr verbreitet
ist, — nftmlich den Gebrauch des Vokativs statt Nominativ. Vergebens
würde man nach vielen Beispielen dieser Erscheinung in den ukrainischen
Volksliedern suchen. Zu den von Dr. St. Smal-Sto6kyj (Ȇber die
langt, so ist es interessant hinzuzufügen, daß dasselbe sich einer großen Po-
pnlaritSt erfreute und verschiedene Varianten ergeben hat Neulich ist z. B.
eine interessante, einer Handschrift aus der zweiten H&lfte des XVII. Jahrb.
entnommene ukrainische Parallele von N. I. Petrov bekannt gemacht, wo
von einer Witwe die Rede ist, welche ihre beiden kleinen Kinder umgebracht
hat, um einen Schlachzizen heiraten zu kennen, — welche aber bei der Ge-
legenheit einer Meeresreise während eines starken Grevritters als die größte
Sünderin in das Meer geworfen wurde. (Vgl. H. H. nexpoB'B. OnHcaHie pyKO-
nucHLix'L co6paHiu, BajLomm.iacK bi ropoAi Kiesi. BBinycRX lU. MoCKsa 1904.
Nr. 278. Kiev. Soph.-Handschrift Nr. 129.) Daß die Duma von Ol. Popovi6
eine höhere Entwickelungsstufe in dem Leben des Sujets in Ukraina bedeutet,
nämlich in der Bichtnng seiner Nationalisierung und Lokalisierung, ist er-
sichtlich.
Bezaehangeii der akramiBohen hntor. Lieder zum BÜdflUv. YolkBepos. 2S3
Wirkimgen der Analogie in der Deklination des Kleinrassisclien« Archiv
£ bI. Phil. Vin,p. 233) drei — nnd zn den rem Miklosieh (Vergl. Gram-
matik lY, p. 370) vier angeführten Beispielen kannte ich nnr wenig
hinjEufUgen:
Oh bhxoaht cTapa Hene,
Jt pyica B tTctT,
welches Beispiel aber anch einem Liede auB der kosakiBch-polnischen
Periode entnommen ist. (Anton. Drahom. U.B., p. 61, Nr. 12 B.) Zn
diesem Zwecke habe ich alle Beispiele dieser Erscheinung ans der Samm-
lung des AntonoviS und Drahomanov, aus dem Anhange zu dem
öfters genannten Buche des j^iteckij und aus dem Material, das in
»KieBCKafl GTapHHa« vorhanden ist, und zwar in jenen Jahrgängen, die
von iiteckij schon nicht mehr berücksichtigt werden konnten, ge-
sammelt. Da sind sie :
1) Ot tofaT to npnnajo äoMy 3 npasoT pyicn
^OTHpi nOJKOBHHKH:
IlepBHH nojKOBHH^e MaKCHM OjnnaHObKHH,
A APymH nOJKOBHHqe MapTHHe IloJITaBCLKHH,
TpeTTn nojEKOBHH^e Isan Eoryne,
A ^eTBepTHH MaTBiH BopoxoBH^y,
(AHTOH.-ÄparoM. II, 1, Nr. 1, p. 6).
2) Hk y Bhhhhi^T, na rpflHiii;!,
HaA EyroM piKOio
TaM cTOflB iBane Eoryne KaJienHi^bKHH,
oÖHTejK) KoujEHi^BKHH (ibid. ^. 13, p. 98).
3) TofaT-to He Morjra snaTH hT cothhkh, hT noxKOBHHKH,
HT AXypH KOSai^BKHT,
HT vysd rpoMMCBKHT,
TOfi nam nan reTbMan XMej[i>HHi^>KHH,
EaTH) 3hhob Eor^any TlnrnpHHCBKHH
y ropoAi ?HrpHHT sa^yMaB Bxe h sarsAaB (ibid. Nr. 14, 99).
4) Ot tofäT-to iBany IIotoi^i>khh,
KpOJEH) nOJBCBKHH
.Ihcth qHTae usw. (ibid. p. 102).
5) Sx CTaB Kosa^e is ABopa icxoxaTH,
GTaxo TpH cecTpm^T piAHeHBKiT ero BHnpoBOsaTH.
(^HTei^. 0. c, p. 192.)
234 Hichiylo Ter§akoved,
6) HaA AHlnpoBOH) caroH),
Hm xojioahoh) BOAOK),
JleKHT Kosa^e mojioahh,
ToBapHiuy bohckobhh,
^e^ope 6e3piAHHH (ibid. 207).
7) OxoMaHe KomoBHH Toe sa^yBae,
CiOBaMH npoMOBJHe (ibid. 208).
8) AroMane KypiHHHH,
IIocTpejflHnH,
IIopyÖaHHH)
Ha paHH cBiepTejniHHH (!) iBseMorae, usw. (ibid. 209).
9) ÄTOMane koiuobhS tos 3o6a^a€ (ibid.).
10) To me HK cxaj (!) KopcyHCKHH nojKOBHHK nane ^HJiOHe na ^ep-
KeHt-ÄOJHHy noA (!) ropo^ Täfehio iipH6yBaTH,
GTaj (!) AO KOsaKOB (!) cjOBaMH npoMOBJATH: (ibid. 216).
11) EnniKoi) CaMiHjio AjiKan Hamy^ TpanesoHCKos ahta MOJOAoe,
Ha pyKH 6paji (!) (ibid. 230).
12) Tor^a yse Khuiko GaMiSjo, reTMaH sanoposcKiH, ao Koaa-
KOB (!) cJOBaMH npoMOBJTfle: (ibid. 231).
13) Khihko CaMiHJO lepBony KoporoB Kpemaxy na ^epAan bh-
cTaBJifle,
CiqeBHe (!) KosaKH cTajiH nosnaBaTH (!),
GTajlH B JOAKH cTAaTH,
CTajDi ÖJtHsqi npHTxsaTH,
3a jaBKH rajEepy KpjOKsxta xBaraTH,
CxaiH AO 6epera tfjras^e npHTüraTH,
GTajcH K03aKH c raJtepH na tieper BHCTynaTH,
GeMone GKaJiosyÖe reTMaHO ao raiepH 6jaasMe npHCTynas
usw. (ibid. 232—233).
14) TofäT Khihko GaMiäjro s rajepn BHCTynae,
I B^e AO ero cJOBaMH npoMOBJcae: (ibid. 233).
15) A APyroH (!) 6nÄ (!) cTapnraHOH) AjickcTh IIonoBH? IIhpathhckhh,
Kosa^e jcencTpoBEH,
ÜHcap BOHCKOBHH (ibid. 235 — 236, n. 236).
^) Die Form >Khiiiko< ist voc. za nom. >KHmRac, welche letzte Form
einige Male auf derselben Seite (230) vorkommt H. ^iteckij ahnte ihre Be-
dentang nicht, darum betrachtete er sie als einen Fehler, indem er sie mit
einem sie markierte.
Beziehungen der nkrainiscben hiBtor. Lieder zom südslav. Volksepos. 235
«
16) ATOMane MaTHin cxapeHbKHH Toe sa^yBae,
G^OBanH npoMOBJiHe: (ibid. 242).
17) Heynij (!) CTp^eHKO IleTpe MeK TypKH-HHH^iapH BÖiraTH,
Mor (!) «My Tojiyß Bojouihh, c lue^ rojioBKy chhth (I).
(ibid. 243.)
IS) OTOMane TopcKiS, H^Ko JIoxbhipchh, ia KypeHü BHxoxae,
CjosaMH npoMOBJfl€: (ibid. 242).
19) Oh Ha oiaBBTä YKpaTHT,
y cjaBHOMy ropoAT y KopcynT,
To TaH 3KHB npOZHBaB KOpcyHCBKHH HOJnCOBHHK IlaHe XBHJOHe
(KisBCKafl CTapHHa, 1904. U, p. 285).
20) To KOpCyHCbKHH nOJKOBHHK,
üane Xbhjohb, Tee cjiobo sa^yBae (ibid. 288).
Und endlich das letzte Beispiel :
21) GaM ce6i (!) Kosai^T (!) jsjtam ra^ae, hto (!) ero ÖesxJiTÖH, 6e3-
bbah (!) sneMarae (^htci^. o. c., p. 200),
vro die Form KOsai^T ein sichtbarer Fehler statt Kosa^e ist. Es fragt
sich nnr, wem soll man diesen Fehler zuschreiben : dem Schreiber oder
dem Kobsar. Es ist sehr möglich, daß dem erstem, denn seine Hand-
schrift, so wie wir dieselbe bei ^iteckij reproduziert sehen, wimmelt
▼on einer Menge allerlei Fehler (^iteckij, o. c, p. 182 — 185). Es
ist aber auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß die Verdrehung
auch Yon dem Kobsar herrührt, welcher die Bedeutung der ihm schon
fremd gewordenen Erscheinung nicht mehr verstand.
Was die Statistik dieser Erscheinung anbelangt, so ist zu erwähnen,
daß man in einer Variante einer Duma voc. statt nom. gebraucht, wäh-
rend es in einer anderen Var. derselben Duma schon nicht mehr der Fall
ist; ja selbst in einzelnen Var. kommen beide Formen promiscue vor.
Das spricht dafür, daß wir es nicht mit einer autochthonen Erscheinung
zu ton haben; ihr Hausrecht behauptet sie in der serbischen Volksepik i).
1) Mag auch dieser Parallelismus in der Anwendung des Vokativs sing.
für den Nominativ sing, in der epischen Dichtung der Serben und Kleinrussen
sehr nahe liegen, an eine Entlehnung aus dem Serbischen ist dabei schwer-
lich zu denken. Man entlehnt in der Regel nur den Inhalt, den Stoflf, einzelne
Worte, nicht aber die Wortfonnen. Wenn z. B. der ganze serbische Zehn-
silbler entlehnt worden wäre, dann könnte man allenfalls auch diese Anwen-
dung als entlehnt ansehen. So jedoch, einen einzelnen Fall des sprachlichen,
richtiger grammatischen Gebrauchs, aus dem Zusammenhang herausreißen
296 Michajlo Ter&akove6,
Darauf, daß der Gebrauch voc. statt nom. ein Merkmal des serb.
Epos bildet, hat schon Zima L. hingewiesen (Flgore u nasem narodnom
pjesaictvu s njihoTom teorijom. Zagreb 1880, p. 217 — 218) uitd bei
dieser Oelegenheit auch einige Beispiele angefahrt, ohne aber davon zu
sprechen, in welchem Grade diese Erscheinung verbreitet ist. Unter-
dessen brauchen wir den ersten besten Band der Kar adii<5schen Samm-
lung (Staatsausgabe BB. U, III, IV, VI, Vn, VIII, IX) aufzuschlagen, um
uns von der großen Verbreitung des in Rede stehenden Gebrauchs zu
überzeugen. Das gibt auch Miklosich zu (Vgl. Gramm. B. IV, p. 370);
bei dieser Gelegenheit zitiert er auch vier Beispiele aus dem Ukrainischen,
ohne aber von den gegenseitigen Verhältnissen dieser Erscheinung in
ukrain. und serb. Epen zu sprechen.
Das bisjetzt Gesagte ist auch alles, was von den Spuren der serb.
Epik in den ukrain. Dumen zu sagen ist. Im Augenblicke der großen
nationalen Bewegung geschaffen, auf dem einheimischen Boden heran-
gewachsen und mit den einheimischen Säften genährt, erhielten die
Dumen im Munde eines Serben jenen leichten, spezifisch serbischen An-
strich. Der letzte Umstand hat aber keinen Anspruch, die von ^iteckij
Ausgesprochene Meinung von den Autoren der Dumen aufisuheben; er
will dieselbe nur erweitem in dem Sinne, daß wir neben den Spitalgreisen
als den Autoren und Pflegern der Dumen auch von dem ganzen Eosaken-
heere sprechen mttssen, dem auch viele Serben angehörten.
Anders verhielt sich die Sache mit jenem Teile des ukrainischen
Gebietes, welches schon vom J. 1340 an ein abgesondertes politisches
Leben führte, d. h. Galizien mit seinen sog. Botrussen. Ihre eigenen
epischen Lieder haben sie nie geschaffen, denn die geknechteten Sklaven
haben keine heroische Epoche durchlebt. Der großen kosakischen Enum-
zipation gegenüber sind sie beinahe fremd geblieben. Wenn man den-
noch bei ihnen Lieder und Dumen der Kosaken-Periode findet, so sind
dieselben ganz buchstäblich von der Ukraina entlehnt.
Desto schärfer aber haben sich die unseligen Zeiten der tatarisch-
und in seinen wenigen Beispielen eine Entlehnung erblicken — das Ist
kaum möglich, kaum denkbar. Man müßte denn einen ganz besonderen Fall
voraussetzen, daß Serben als Kosaken schon die kleinmssischen Dumen zu
singen erlernt haben, ohne ihr serbisches Erbgut vergessen zu haben. Solchen
Individuen die wenig zahlreichen Beispiele der Anwendung des Vokativs fSr
den Nominativ in die Schuhe zu schieben, das mag originell klingen, aber
wahrscheinlich ist es nicht. F. «7*.
Beziehungen der nkninischen histor. Lieder zum BüdBlav. YolkBepos. 237
tftrki&cheii Überftlle in das GedächtniB eines Galiziers eingeprägt. Das
galiiiseh-nttheiiische Lied hat bis auf unsere Zeiten manche Episode auf-
bewahrt, die wir in den ukrainisehen Liedern nicht finden. Ein Teil yon
diesen Episoden, wie aus der Ausgabe der AntonoviS-Drahomanov
sa ersehen ist, schildert wirkliche historische Tatsachen, der andere aber,
einer fremden Quelle entlehnt, hat sich nur wegen des literarischen In-
teresses akklimatisiert. Diese Quelle war nftmlich die serb. Epik, die
sich einen Zutritt nach Polen und Galizien schon sehr frflh durch die
YermittluBg der serb. Sftnger und Geiger erworben hat. Die Anwesen-
heit der letzten an dem Hofe des Vladislaus Jagiello und der Jadviga
wird schon im J. 1415 notiert i). Ihre Popularität ist bald so groB und
so berflchtigt geworden, daß man gegen dieselben spezielle Besehlflsse
£usen mußte. »Wide rzeczy skodii?rych dzieje si^ w pa^twach na-
siyeh sa prseohowaniem Wlochöw i SerMw nieosiadlych i lufnyeh;
pneto zakazigemy przechowywaö ich pod win^, ktöra jest w prawie o
przechowaniu cjganöwc heißt es in ^Volumina legum* III, p. 468.
Yon der großen Popularität der serb. Sänger zeugen auch die polnischen
Dichter des XYI. u.XYII. Jahrh. Ein klassisches Beispiel rflhrt von dem
Dichter Miaskowski (1549 — 1622) her, welchen meinem Wissen nach
Prof. Y. Jagic der erste zitiert hat, zuerst in: »Cnje^o^aHCTBa es npo-
nuEocTH 0 cpncKHM Hap. njecMaMa« 1875, und dann in »Gradja za histo-
ryu aloYinflke narodne poezije«. U Zagrebu 1876, p. 86 — 87. Da sind
die Worte des Dichters:
Drudzj zai co to lata na Xoldziech trawili,
Tr^b iui y b^bnow sjci, kozita polubili:
Przy nim Serbin i^Xoiny dhigi smyczek wlecze,
2:.eb skrzywiwssj po polciu a Rjwulf sieeze,
Grai%c im starodubskie dumy, iak przed laty
Tuiicow bili Polacy j m^&ne Horwatj.
Die Forscher haben schon die Aufmerksamkeit auf die Parallele
zwischen den serb. und ukrain. Liedern gelenkt. Antonovi^-Draho-
manoY haben in ihrer Sammlung vier Lieder angeführt, deren serbischer
Ursprung außer Zweifel liegt: 1) >noKyiiKa ÖpaTOM'E ceoTpu-njiiH-
HHmii« wird Yon ihnen in Zusammenhang gebracht mit einer serbischen
Parallele: »IIpo^^aTa £y6a Eor^aHOBa« (o. c, p. 281 — 282, u. 275 —
1) Monum. med. aevi. B. XY. Dr. F. Piekosi^ski: Rachunki Wlady-
slawa Jagie^ i Jadwigi. p. 457 u. 459.
238 Michajlo Teräakoveö,
286) — 2) »Tema BTt lu^Hy y shth« mit einer balgarischen (o. c,
p. 286 — 296, u. 295 — 296) — 3) »BpaTB npo^aexi cecxpy TypKaM^«
und 4) >OTei]rB npo^aeTi» äo^b TypnaM-B« mit mehreren serb. n. bolgar.
(296—302. 302—311).
Die genannten Lieder verraten zwar eine weite Verwandtschaft
auch mit anderen europäischen Varianten, dennoch sind sie mit den
serbischen Var. am nächsten verwandt, was die beiden Forscher hervor-
heben. Dieser Bemerkung muß noch ein wichtiger Umstand hinzugefQgt
werden: dielBerücksichtigung der Abstammung der bekannten Varianten.
Von 6 Var. des Liedes ad 1) wurden nämlich vier in Galizien, eine bei
den Pii^Suken, eine unbekannt wo gefunden. Von 5 Var. des Liedes
ad 2) sind vier in Galizien, eine unbekannt wo aufgeschrieben. Je drei
Var. des Liedes ad 3) u. 4) sind alle galizischer Herkunft. Die fast aus-
schließlich galizische Abstammung der Var. kann mit den oben erwähn-
ten Nachrichten von den serb. Sängern und Geigern in Polen und auch
Galizien nicht besser übereinstimmen.
Zu den vier erwähnten Liedern möchte ich noch das fSnfte hinzu-
fügen, dessen serb. Herkunft Dr. Ivan Franko schon in >ZytieiSlovo€
B. in, p. 369 vermutet, mit der Übersetzung des zu vermutenden serb.
Originals begleitet und welches er neulich (SanncKH Bayic. tob. Im.
lIIeBqeHKa y JbBOBi. B. 67, Bibliogr. 15 — 16) wiederum zur Sprache
gebracht hat. Die Vermutung des Dr. I. Franko ist ganz richtig, obwohl
die Ähnlichkeit nicht so leicht zum Vorschein tritt wie bei den anderen
vier Liedern. Wir wollen das in Rede stehende Lied näher prüfen, weil
man dabei das Volk bei seinem Schaffen beobachten kann, das dahin
geht, das Lied von den serb. Elementen frei zu machen, demselben das
lokale Kolorit zu verleihen und dadurch an die lokalen Verhältnisse an-
zupassen.
Es sind drei Var. dieses Liedes in Galizien gefunden (zwei davon in
Eolbergs »Pokucie« B. U,p. 17 u. 18, und eine in *Zt/tteiSlovo* B.IH,
p. 369 ff.), welche von dem Konflikte zwischen zwei Gatten handeln, dem
Gatten Ivan und seiner Gattin Marijana. »Dieser dritte« ist ein Türke, dessen
Verlockungen Marijana erliegt, ihren Gatten verläßt, ja denselben gefangen
zu nehmen hilft. Dem Gefesselten gelingt es aber, sich zu retten. Durch List
gewinnt er von dem Türken den Bogen, mit welchem er seinen Neben-
buhler und seine Gattin erschießt. Der Inhalt des serb. Liedes (Samm-
lung des KaradL, Staatsausgabe B. HI, 34 — 44 : »HeBJepa A>y6e rpyn-
qHHB«) ist im Grunde genommen derselbe, nur mit dem Unterschiede, daß
Beziehungen der ukrainischen histor. Lieder zum südfllav. Yolksepos. 239
hier noch zwei Personen vorkommen (die Schwester des Helden und sein
junger Sohn), die den galiz. Vax. schon abgehen. Es ist selbstverständ-
lich, daß das serb. Lied dadurch an Situationen und Konflikten reicher
ist. Das galiz. Lied mußte auf Manches verzichten. Der Heroismus des
kleinen Knaben, der seinem Vater den Türken zu bändigen hilft, war
in Oalizien bei hiesigen poetischen Mitteln nicht begreiflich. Man konnte
auch nicht den Anteil der Schwester des Helden akzeptieren, weil die-
selbe in der serb. Yar. eine Schänkerin ist, und Schanker pflegen in
Oalizien nur Juden zu sein. Man verstand auch nicht das freie Walten
des Tflrken, der allein ohne Hindernis in das Dorf kommt und hier
ohne etwas zu ftlrchten einem anderen seine Gattin entfflhrt. Die Os-
manen sind doch in Oal. nur in ganzen Massen erschienen. Hat aber
einmal unser Lied, dem serb. Original folgend, den Türken allein han-
deln lassen und dadurch die geschichtliche Wahrheit vergewaltigt, so hat
es versucht, anderswo dafür einen Ersatz zu geben. Es hat nämlich die
psycholo^che Seite der Heldin vertieft und ihre Untreue dem Gatten
gegenüber durch einen Riß in ihren gegenseitigen Verhältnissen motiviert,
während im serb. Liede die Ursache des Verrates nur Verlockungen und
Versprechungen des Türken sind, die aber .bei den dortigen Verhältnissen
verständlich waren.
Durch das Verzichten auf die Rolle der Schwester und des Sohnes
des Helden mußte das galiz. Lied sich nach einem anderen Mittel der
Befreiung des Helden umsehen. Es verwendet dazu die Mittel der ein-
heimischen Poesie und läßt seinen Helden dem Türken den Bogen ent-
locken, in der angeblichen Absicht, ein Paar Tauben zu schießen. Der
nichts Böses ahnende Türke tut dem Gefangenen den Gefallen, bricht
aber selbst unter dem Pfeile seines eigenen Gewehres zusammen. Der
Ausgang derselbe wie in der Duma von Bajda Vysnevedkyj^ der in
Konstantinopel auf dem Hacken hängt und den Sultan um den Bogen
bittet:
Oh ]^apK)-3K mIh MOJso/^eceHLKHH,
üo^aS mohT jyqoK Ta TyreceHBKHH,
HoAaH MenT TyrHH jryqoK,
I cTpijoqoK ^TJfflH iryTiOK!
Oh 6a^ ä xpn rojyÖOHtKH,
XO^ H yÖHTH äJä HOrO ÄO^KH.
flfi H MTpiO, TaM H BI^TJK),
^e H Bäxy, Tau h Bpa^y.
340 Kicliiylo Terfiakaveö,
Oh AK cTpiiHB, — KapA Bi^Tjras,
A i^apHipo B noTEJonpo,
Horo AOHLKy b roJOBOHBKy. —
(ÄHTOHOBH^-^arOMaHOB I, p. 146.)
Kurz Tmd gut, die Fäden der fremden Stickerei sind schon beträchtlicli
aufgeschlitzt und mit den einheimischen ersetzt, dermaßen, daß wir nur
mit Hilfe der Analyse das Original entdecken und die Gemeinsamkeit
konstatieren können.
Möglich, daß es jemandem gelingt, mehrere Parallelen der Entleh-
nung anzufahren ; vorläufig kann ich das selbst nicht tun. Die fftnf an-
geführten Lieder, deren serbische Abstammung zweifellos ist, sind aus-
reichend, um die Vorliebe der galiz. sog. Kuthenen für die serfo. Lieder
yon den Türken zu illustrieren. Wie es aber an dem letzten Beispiele zu
ersehen ist, ließen die galiz. Ukrainer das entlehnte Gut nicht unbe-
arbeitet; im Gegenteil sie waren bemüht, dasselbe an ihre Verhältnisse
anzupassen.
Angesichts dessen muß man sich ftir die Meinung erklären, daß die
serb. junakischen Lieder nur auf die galizisch-ukrainischen einen EinfluB
ausgeübt hatten, während sie auf das Epos der Dumen, yomehmlich auf
den Inhalt einen solchen nicht ausgeübt hatten. Was die Form an-
belangt, so kann man schon von einem Einflüsse sprechen. Man gedenke
dabei der oben besprochenen stilistischen Besonderheit, die dem serb.
Epos zu verdanken ist. Michaßo Teriakoveö.
PS. Während diese Zeilen schon im Herbste 1906 fertig waren, begann
im Mäni 1907 in >3anHCKH HayROBoro xosapHCXBa Imohh IIIeBYeHKa«
in Lemberg eine größere Abhandlung von Dr. IvanFranko u. d. T. »Gxy«
sU' HaA yKpaYHCLKHMH HapoAHHMH nicuHMH« zu erscheinen, welche
auch einen Teil des von mir behandelten Materials berührt Dr. Franko be-
schäftigt sich nämlich sehr eingehend mit jenen Liedern, denen ich die gali-
lische Provenienz zugeschrieben hatte. Da ich in meinem Artikel nicht den
Zweck verfolgte, mich mit der Detail- Analyse der besagten Lieder abzugeben,
so habe ich mich lediglich auf die Illustriemng der bekannten gegenseitigen
Beziehungen beschränkt Andere Ziele hat sich Dr. Franko in seiner wert-
vollen Abhandlung vorgesetzt. Die feinfühlige Text-Analyse und Gruppie-
rung, die scharfsinnige Kombination in dem Heranziehen der verwandten
slavischen Varianten sind ohne weiteres anzuerkennen bei der Erklärung der
bei mir S. 17 — 18 nur flüchtig besprochenen vier Lieder. Ich verweise daher
einfach auf die entsprechenden Kapitel der »Studien«. Dem bei mir S. 17
BesEehnngen der nkninischen histor. Lieder nun sttdBlay. VolksepoB. 241
vnten ad 1. sutierten liede >IIoKyiiKft öpaxoMi cecxpu njftiiE^nu« ent-
sprioht bei Dr. Fhmko Kapitel III, 68 — 77 (TypvHE xynye cecxpy-no-
joHüHKy); 4emad2. o. d. T. »Tom« B'h njK^Hy y bäte« S. 18 entspricht
Kap. VI, 77^84 (Tepa b do^ohY y batji); dem ad 3. ibid. »Epax npo-
jtaeT cecxpy TypRaii.c entepriohtKap.IY, ^S — 68 (Epax npoxa« ceczpy
TypvBHOBH); dem ad 4. jbid. »Oxen npoAaex ao^ Typ^aK« entapricht
Kap. m, 48—58 (EaxLRo xxpoAae Aovxy Typ^HHOBv}.
Aach dem fünften von mir angeführten Liede von »Ivan nnd Mari-
j ana€ S. 18 — ^20 hat der YerlaBBer eine^ aehr eingehenden fizkors gewidmet
Er ateht auch jetart auf denselben Standpunkte, den er Mher in »ittie % Slavot
behauptete, d. h. er iet für die Entlehnung des GnuuUiy ete ans der serbiachen
Yolkaepik, wogegen sich nichts einwenden läßt Nur die Art nnd Weise, wie
er die lokale Tradition mit der fremden Entlehnung verknüpft, scheint mir
unannehmbar. Der Verfasser sucht n&mlich auf Grund der lokalen Tradition
die Entstehungsieit des Liedes au bestimmen. Jedoch sein Streben, die £nt-
stehuDgsaeit des Liedes festzusetzen, dessen Helden keine geschichtlichen, ja
keine einheimischen, sondern der fremden Poesie entnommene Personen sind,
muß man schon im Voraus sehr gewagt nennen, geschweige denn, wenn der
Verfasser über keine stichhaltigen Beweise verfiigt Dr. Fi;anko hat zwei Be-
weise, mit deren Hilfe er die Genesis des Liedes in das 16. Jh. zurückführt;
der eine von ihnen ist geschichtlich-kultnrell-topogzaphischer, der andere
literarischer Nator. Außer den drei von mir genannten Varianten des Liedes
besitzt Dt. Franko zwei andere, noch nicht gedruckte, vermöge welcher er
den ideellen Volltext rekonstruiert Der Anfang des Liedes:
Ta H6 naB IsaH luo po(iHTH
Ta MycXB cY oseHxzH,
Ta B3AB codi MapHHo^Ky,
HapKHo^Ry sa näso^Ky.
>Oii iBaue, iBaso^Ry,
IIoRHfli niixa roplBO^Ky,
UoKaHL nHTtf, rauuyBaxv,
EyxeMo ch r^aaxyBaxH.
Aan ROBBKH aa boihrh,
A BOoo^oK aa iuy;RoqoK,
A cYAe^iie aa xpeime,
A Kaa^yqoK aa hcth^or.
Ta niAOMO b vhcto noje,
Ta BiopeM co6i HHBRy,
& hY ByaRy, hY niapoRy,
Ahi ÄOBry, hY RopoTRy (>3anHCRB«, B. LXXV, p. 32 — 33 )
nnd das Nachdenken über seine Beschaffenheit zwingt den Verfasser zur fol-
genden Annahme: »Dieses Lied ist wenig verbreitet und nur in Pokutie, in
der gabelförmigen Gegend zwischen Prut und äeremoS aufbewahrt Es gerät
schon sichtbar in Vergessenheit, vielleicht wegen seiner Länge, wegen des
wenig begreiflichen Inhaltes und einer ungewöhnlichen, altertümlichen Melo-
die. Einzelne Details der in ihm geschilderten Lebensweise weisen auf sein
▲rehiv f&r fUfifehe Philologie, ttiy, j^
242 Michajlo TerSakove^,
hohes Alter hin^). 1) Es wird keine Erwtthnnng des Dorfes getan,
w o Iy an lebte ; im Gegenteil ans dem Inhalte des Liedes geht es hervor, daß
er in dem Dorfe gar nicht lebt, sondern irgendwo in einem Meierhofe, in der
Einsamkeit so, daß er gegen den Türken niemanden anßer seiner Fran zu
Hilfe rufen kann. 2] Er pflügt mit dem Weibe ein beliebiges Ackerstück,
das heißt er beginnt einen noch freien, unbeschränkten Boden
zu pflügen. 3) Vor der Heirat hat er nicht ein Landmannsleben ge-
führt, sondern ein freies, Burlaken (Schlenderer)- oder Kosaken-
Leben so, daß ihn erst seine Frau überreden muß, die Pferde gegen die
Ochsen, den Wagen gegen den Pflug, den Sattel gegen das Joch und die
Riemengeißel gegen die Pflugreute umzutauschen, das heißt, von der ritter-
lichen Kosaken-Lebensweise zur landmännischen überzugehen.
Fügen wir noch hinzu, daß Ivan und der Türke den Bogen schießen,
daß Marijana zu Pferde reitet, wie es sich einer Steppen-
Kosakin geziemt, so bekommen wir ziemlich deutliche Hin-
weise auf die Zeit des XV. — XVI. Jh., wo diese Züge ganz der
Wirklichkeit entsprachen, besonders in diesen Teilen unseres
(verst. ukrainischen) Landes, welche südlich und östlich gegen
die Grenzen des türkisch-tatarischen. Gebietes lagenc (3a-
nHCKK, p. 37).
Diese Annahme und zwar die Schlußfolgerung ist schon aus dem Grunde
unannehmbar, weil unser Lied sonst zu einem Flickwerk werden würde, das
von allerlei aus verschiedenen Gegenden zusammengebrachten Teilen zusam-
mengestopft ist Denn wenn wir die in dem Schlußsatze aufgezählten Züge
als solche, die der Wirklichkeit eiitsprechen, also fast alle wichtigeren Be-
standteile des Liedes als reell betrachten, was steht uns dann im Wege, noch
den letzten Bestandteil, den Saub resp. den Kauf des Weibes, als reell anzu-
nehmen und folglich die fremde Entlehnung ganz und gar abzulehnen. Denn
war eine derartige Zusammenkunft des Ivan mit dem Türken mOgUch, warum
konnte nicht auch der Baub des Weibes möglich sein? Dr. Franko schweigt
jedoch von einer solchen Möglichkeit und in der weiteren Folge beschäftigt
er sich nur mit den serbisch-bulgarischen Einflüssen.
Wenden wir uns nun zu den drei Beweisgründen, die den Verfasser zu
dem bekannten Schlüsse brachten. Ad 1. Dr. Franko traut zu sehr seinem
eigenen Kommentar zum Texte des Liedes, wenn er den Ivan zu einem ukrai-
nischen Steppenmeierhof besitzer macht, der einsam, fem von allen Leuten, in
dem Kampfe gegen den Türken nur auf die Hilfe seiner eigenen Frau ange-
wiesen ist Wenn man schon die allbekannte Tatsache, daß man auf die
Topographie der Volkspoesie sich nicht allzusehr verlassen darf, mit in Rech-
nung zieht, so muß man einwenden, daß die Abwesenheit jeder Topo-
graphie in solchem Liederzykl'us, zu dem auch unser Lied gehört, nichts
merkwürdiges ist, daß es im Gegenteil eine bewußte Manier ist Um nur ein
Beispiel anzuführen: In dem Liede »EaxBKo npoAae Ao^Ky TypKSM«
^) Die Numerierung und das Unterstreichen gehört mir.
Besiehnngen der nkriinisohen histor. Lieder zum BÜdslav. Volksepos. 243
[*Siudien* Kap. III) fragt die verkanfte Tochter, wo sie Bioh vor den Tfirken
▼erbergen darf. Der Yaier gibt ilir nicht einen Nachbar an, sondern sagt :
IxH CHHxy, B ?opHy ropy,
Tau icyjEiipi rpitf uypyioTB,
BoHX Te6e BaMypys>TB (SanscKs, p. 49).
Die unglückliche Tochter, die von dem Türken weggeführt wird, findet unter-
wegs keine Hilfe, ebenso wie Ivan. Die genaue topographische Angabe
würde den YolkssSnger in Verlegenheit bringen, denn sonst müßte er yon
den Gegenden sprechen, die er nie im Leben gesehen hat; dämm zieht er vor,
dieselbe mit Stillschweigen zn übergehen, ebenso wie Dr. Franko, fttr weichen
die Topographie in dem eben genannten Liede kein Interesse darbietet, weil
er sonst gezwungen wäre, seinen Ursprung auch in der Steppen-Ükraina zu
suehen.
Ad 2. Der Verfasser findet weiter im Texte, was dort nicht zu finden
ist, wenn er die Stelle vom Ackerbau dahin deutet, der Held nehme ein freies,
vor ihm noch unbebautes Ackerstttck in Besitz, um es zu bebauen ; jedoch
aus dem vollen Texte einer Var., vor allem aber aus dem Texte der anderen
drei Var. (denn die fünfte zieht der Verfasser zum Vergleich nicht heran), ist
nur zu entnehmen, daß Ivan einfach seinen eigenen Acker bebaut Die Worte:
Ta BiopeM co6i HHBKy,
& hY By3Ry, bY mnpOKy,
A hY ÄOBry, hY RopOTKy
lassen nicht die Erklärung zu, daß die Gatten ein beliebig großes Grundstück
bebauen, sie dienen nur zur Beruhigung derjenigen Person des Ehepaares,
welche früher der Trunksucht huldigte und dadurch der regelmäßigen Arbeit
entwöhnt war.
^ Ad 3. Die Behauptung, der Held habe vor der Heirat ein freies, ritter-
tiches Kosakenleben geführt, ist unbegründet Die Erwähnung des Pferdes,
des Wagens, des Sattels und der Biemengeißei als der Sinnbilder eines Ko-
sakenritters besagt gar nichts; zur Ausrüstung eines Kosaken fehlt noch
vieles, darunter auch das Wesentliche, ciie ganze Angriff- und Defensiv-
Waffe. Ja, woher konnte denn der galizische Volkssänger einen Kosaken
schfldem, wenn er ihn erst 1648, zur Zeit des Bohdan Ghmelnickyj, zum
erstenmal in Galizien gesehen hat? Er war doch nur imstande, davon zu
sprechen, was ihm zugänglich war, was er mit seinen Augen jeden Tag be-
trachtete, also von dem Pferde, dem Sattel, der Geisel vulgo nahajka (womit
er als ein Leibeigener mitunter selbst blutig gezüchtigt wurde), dem Wagen.
Kurz gesagt, die Erldärung des Verfassers trifft nicht zu; wir müssen
uns also nach einer anderen umschauen, die uns den Text des Liedes begreif-
lich macht. Ich glaube nun bei meiner früheren Erklärung, die ich S. 239 ge-
geben habe, bleiben zu können. Dort ist folgendes gesagt: »Hat aber einmal
unser Lied, dem serb. Original folgend, den Türken allein handeln lassen
und dadurch die geschichtliche Wahrheit vergewaltigt, so hat es versucht,
anderswo dafür einen Ersatz zu geben. Es hat nämlich die psycholo-
gische Seite der Heldin vertieft und ihre Untreue dem Gatten
gegenüber durch einen Biß in ihren gegenseitigen Verhält-
16*
244 ICiohitfio Tedafcav^,
nisaen motiviert«. DioMe psycholo^^sohe Moment ppidt tine gsoBe
Bolle in 4em Streben nAch der ErgSnanng and VervoUkommung des Taxtee.
Stellen wir uns einmal auf den Standpunkt eines Yolkssängers: Die Gattin
verrät ihren Mann an einen anderen — dazu maß aie einen Grund haben — ,
sie hat auch einen solchen, ihr Mann ist doch ein Trankenbold <), er vergeudet
Geld, er vemaehljtoBigt seine Wirtschaft» statt auf dem Acker au arbeiten,
zieht er tot angeblich in Wirtschaftsangelegenheiten herumaufahren oder ao-
gar wie ein »Herr« auf gesatteltem Pferde zu reiten. Endlich erliegt er jedoch
den Überredungen seiner Frau; er gibt sein lustiges Leben auf, und in dem
Augenblicke, wo der Türke kommt, ist er schon auf dem Acker beschäftigt.
Man kann nun einwenden: Der Mann ist nunmehr auf die richtige Laufbahn
gekommen, aus einem Trunkenbold ist er ein ordentlicher, arbeitender Mann
geworden, seine Frau hat alles erreicht, was sie mit ihren Überredungen hat er-
reichen wollen, sie hat nun keinen Grund mehr, ihn au yerlaseen und ihn im
Stiche zu lassen; sie verrät ihn dennoch. Also eine Inkonsequenz, der Ab-
gang der Logik, der Ethik usw.? Ganz richtig. Der Volkssänger hilft aich
jedoch auch in dieser Lage, indem er die strenge Eonsequenz einführt, der
Logik und der Ethik Rechnung trägt. Es ist interessant, daß in einer Yar. des
Liedes (Eolbergs >Pokucie« II, p.l8) die Verantwortung fttr den Verrat, als
die Folge der Familienzerwürfnisse, auf Marijana, nicht auf Ivan fällt, wie in
den anderen vier Var.; sie ist eben der Trunksucht ergeben:
>A MapAHKO, Map^HoqKy,
IIORHHL UHTH roplZOVKy,
HoKBHB naxji la ryjLaxa,
Ta 6yA6M0 i'asAOBaia«.
Ein Weib, das die Zeit auf Zechgelagen vergeudet, die Wirtschaft seines
Mannes vernachlässigt und ruiniert, ist imstande, auch um selbst zugrunde zu
richten. Ein ganz folgerichtiger Schluß. Aus dem Grunde kann ich nicht der
Meinung des Dr. Franko ganz beistimmen, das lied sei in dieser Var. ver-
dorben; in sprachlicher Hinsicht, ja (eine Beimischung von Polonismen}, aber
in der Entwicklung des Sujets bedeutet diese Var. einen Fortschritt, indem
sie das Fremde, Unbegreifliche, den hiesigen Verhältnissen Zuwiderlaufende
durch das einheimische, also mehr begreifliche, logische, natürliche Element
zu ersetzen sucht
Der Verfasser gibt noch ein anderes Hilfsmittel zur Festsetzung der
Entstehungszeit des Liedes an ; dieses findet er in der Szene, wo Ivan dem
Türken dem Bogen entlockt, mit welchem er seinen Gegner und seine Frau
zugrunde richtet. Oben habe ich die Meinung geäußert, daß unser Lied diesen
Zug sich ans der Duma vom Bajda-Vy&neveökyj zueigen gemacht hat
Dr. Franko behauptet das Gegenteil (vgl. SaniicRH p. 45 — 46). Die Episode
mit dem Bogenschießen sehe in unserem Liede natürlicher, älter aus ; sie habe
also den Ursprung der entsprechenden Episode der Duma gegeben. >Mdglich,
1) 0& iBaae iBaHO^Ky,
noKSHB naxH ropiBOVxy,
noKHEB UHTH, rauByBaTE usw.
Besiehii]ig«ii der nkraiaitolMii ktotor. Liedsr zank slldslar. VoUaepöB. 245
dAfi uBsereitt Liede jene nrel ZeSeii entnommen sind, die Bi^da im Monde
führt, die in aneerem ikleKit anf bewabri dind, die jedoch gnt itar Sitoaitfon
Ae H Bftflty, MM ir Bpaxy«.
Im Monde des Ivan würden diese Worte ganz natüiiieh sdn, (bestimmt dazn),
am den Türken zar Über^be &M Bogens za bewegen, damit er (lyan) seine
Eanst versacken könnte« (1; c. p. 46). Da jedoch die genannte Doma gegen
das Ende des 16. Jh. entstanden ist, so haben wir, meint der Verfasser, den
zweiten Beweis, daß die Entstehongszeit des Liedes spätestens aaf das Ende
des 16. Jh. zorückzoführen sei.
Ich lasse jeden frachtlosen Streit beiseite and werde nar dasjenige be-
rühren, was klar and anwiderlegbar ist. Es maß n&nlich zagegeben werden,
daß nor dasjenige entlehnt werden kann, wss bekannt ist, — dagegen das
unbekannte bleibt verborgen and anbenützt In anserem Falle sind wir damit
ganz im Klaren. S&mtliche Yar. des Liedes von Ivan and Marijana sind gali-
zischer Herkanft, dagegen die der Dnma von Bajda-Vydnevedkyj sind an-
gleichmllßig verteilt: der überwiegend größere Teil davon fUlt Ukraina za,
welche aach die Wiege der Doma bildet, die übrigen Yar. in viel geringerer
Zahl gehören nach Galizien, wohin sie erst verpflanzt warden. Es ist evident,
daß die Dama aas dem Liede, welches in der Ukraina ganz unbekannt war,
nicht entlehnen konnte, daß also nar das Gegenteil richtig ist, d. h. daß anser
Lied die bezügliche Episode bei denjenigen Yar. der Dama geborgt hatte, die
von Uiaaina nach Galizien gekommen sind. Es wird interessant sein noch
za wissen, daß der Typos eines Wanderschützen sowohl in der alten als auch
in der jüngeren Poesie der Ukraina Öfters vorkommt In »SanncxH o
iDXHOH PycH« von Knlifi, B. I, p. 3 — 5 haben wir »du Legende von dem
goldenen Tore*^ in welcher der Held Michajiik (Michelchen) bei der Erobe-
rong Kievs einem Tataren die Pfeile in seine Eßschüssel schickt. Die Heraus-
geber der »HcTOpH^ecKiji nicHH MazopyccRaro Hapoxa« glauben,
diese Legende sei das Brachstück eines epischen Gedichtes von derZerstOrong
Kievs durch den Chan Batyj 1241. Trotz ihrer prosaischen Form haben
Antonovii-Drahomanov die Legende in ihr Sammelwerk aufgenommen,
indem sie behaupten, »sie habe sich aus einer altertümlichen Duma entwickelt,
die den epischen Charakter und den Yersbau allmählich eingebüßt hat. Der
auf ans gekommene Yierzeiler dient als klarer Beweis dafür« (HcTop. n^caa
B. L 51). AuiSerdem hat ein gewisser Herr Stojanov den genannten Herans-
gebem eine interessante Mitteilung gamacht: Er habe in seinen Kindeijahren
ein Lied von Michajiik in Kiev gehOrt; in diesem Liede schießt der Held
dreimal, mit dem ersten Pfeile schießt er dem Sultan aus dem Munde die
Tabakspfeife hinweg, mit dem zweiten hat er ihn selbst erschossen, mit dem
dritten seine Frau, (ibid.) — also ein Fall ganz Xhnlieh dem unseren. In der
neueren Zeit finden wir das Werfen der Pfeile in das MittagsmaU des Gegners
in der Yolksüberlieferung von dem Semen Palij, dem Zeitgenossen des
Hetman Ivan Mazepa aus dem Anfange des 18. Jh. (vgl. einige historische
Überlieferungen, mitgeteilt von P. P. Cubinskij in »SanncKi »roBanax-
■aro OTXt.ieBifl pyccKsro reorpaeivecKaro o6mecTBa« B. I, p. 299)
246 Mich^jlo Teriakoveö, Beziehimgen der nknin. histor. Lieder etc.
Es ist alBo kein Anhaltspunkt vorhinden, um die Entstehnngsseit des
in Bede stehenden Liedes zn bestimmen. Wir müssen nns lediglich damit be-
gnügen, dieses demselben Zyklus zuzuzfthlen, welchem die vier anderen von
mir angeführten Lieder angehören. Zwischen ihnen besteht der Unterschied
nur in dem Fortschritt ihrer Entwicklang. Einmal den serb. Sängern entlehnt,
blieben die vier Lieder auf derselben Stufe der Entwicklung. Ganz anders
yerhielt es sich mit ihrem fünften (Genossen; wie, das haben wir gesehen.
Miehqflo Teriakao§6>
Drei Fragen aus der Tanfe des heiligen Yladimir.
Als im Jahre 1888 die Bussen das 900jährige Jubiläum der Taufe
gefeiert haben, erschien bei dieser Gfelegenheit eine schöne Anzahl von
Monographien und Untersuchungen, die diesen interessanten Punkt der
russischen Oeschichte mehr oder minder wissenschaftlich behandelt haben.
Wenn auch diese Untersuchungen manche Seite dieser Begebenheit in
anderem Lichte erscheinen ließen, so blieb dennoch manche Frage der-
selben wegen Mangel an glaubwürdigen Quellen und Nachrichten dunkel
und unentschieden. Die russisch-slavischen Berichte, auf denen der bis-
herige Stand der Taufe Vladimirs aufgebaut wurde, gehören durchweg
kirchlichen ELreisen an, die diese Begebenheit natflrlich yon ihrem Stand-
punkt aus betrachtet haben. Es ist auffallend, daß wir Aber ein so wich-
tiges Ereignis, wie es eben die Taufe ist, so spärliche glaubwflrdige
Nachrichten besitzen. Aber auch die zeitgenössischen byzantinischen
Chronisten erwähnen die Taufe entweder überhaupt nicht oder es wird
ihr auch dort, wo sie es tun, nicht die Bedeutung zugeschrieben, die si^
für die byzantinische Hierarchie tatsächlich hatte. Auch dieser Umstand
muß einen tieferen Grund haben. Erst durch die Bekanntschaft; des ara-
bischen Chronisten Ihn Jahja, der im Anfang des XI. Jahrh. lebte^ werden
uns nähere Umstände bekannt, unter denen die Taufe Vladimirs vor sich
gegangen ist. Obwohl diese Quelle der russischen gelehrten Welt schon
im J. 1883 in der Übersetzung des bekannten Orientalisten Baron Rosen,
der sie mit einem reichen Kommentar^) versehen, bekannt gewesen ist, so
1) HMuepaTop'B BacsJiiK Eoirapoöoäiia. HsBJieveHifl isx .itTonHCE Axxu
AHTioxiHCRaro. üpBJKOxeBie ki> XIV. san. ax. h. Nr. 1 .
Drei Fragen ans der Taufe des heiligen Vladimir. 247
hat man entweder davon keine Notiz genommen oder man hat sie nnr
(seltene FSlle ausgenommen] oberflächlich benutzt Noch im J. 188S steht
der weitaus größte Teil dieser Qelegenheitsnntersnchnngen im Banne der
mssischen Chronik. Besonders sind es drei Punkte, die einer näheren
Beleuchtung bedürfen, es sind dies 1] die Frage der Gesandtschaften,
2) die Gründe, die Vladimir bewogen haben das Christentum anzunehmen
und 3) das Jahr der Taufe. Wir werden versuchen, diese drei Punkte
ins richtige Licht zu stellen. Da aber das Jahr des Regierungsanfangs
Vladimirs besonders für die zweite Frage von größter Wichtigkeit ist, so
werden wir zuerst bestimmen, wum Vladimir Alleinherrscher von Ruß-
land geworden.
I.
Die Angaben über Vladimirs Regierungsantritt sind verworren. Nach
der Chronik fing Vladimir im J. 980 zu regieren an (ziTonHCB 74) ^),
während er nach der »IlaiiflrB h noxnaia BxaAHiiHpy« des Mönches
Jakob und des »Apennee xurie cb. BjaAHMnpa« zur Zeit der Besetzung
Kijews am 11. Juni 978 Alleinherrscher von Rußland wurde^]. Diese
beiden Quellen sagen ausdrücklich, daß Vladimir sich am 11. Juni 978
in Kijew niedergelassen habe, während sie vorausschicken, daß dies im
8. Jahre nach dem Tode seines Vaters Svjatoslav gewesen sei. Aber
Bchon hier haben wir mit Schwierigkeiten zu kämpfen, da sich diese
Quellen scheinbar selbst widersprechen. Der Tod Svjatoslavs Wlt in
das J. 973 und von 973 — 978 süid nur 5 und nicht 8 Jahre. Es stehen
also entweder das J. 973 als Todesjahr Svjatoslavs oder das J. 978 als
Begiemngsanfang Vladimirs nicht fest oder es steht nicht fest, daß dies
8 Jahre nach dem Tode Svjatoslavs geschehen sei. Das Jahr 973 als
Todesjahr Svjatoslavs bezeugen die Angaben des Zeitgenossen Leo Dia-
conus'), es ist aber auch das J. 978 als echt zu betrachten, wofür die
präzise Angabe nicht nur des Jahres und des Monats, sondern auch des
Tages spricht, während die Bezeichnung »8 Jahre nach dem Tode seines
1) Wir zitieren nach der Laurentius- Chronik der arcbeographischen
Kommission vom J. 1 872.
*j rax76aHCRiH, HcTopiü pyccKoä i^epKBH, 2. Ausgabe, 245, wo die»naMfln
H noxB. Bji.€ mitgeteilt ist, während das >ApeB. auiTie cb. Es.« nach der Aus-
gabe im >^TeHiA vh HCTop. oönit. Hecxopa JiiTonHCiia, kehfe BxopaA, ota. II, 17 <
zitiert ist.
>) Im J.972 haben die Kämpfe mit Tzimisces in Bulgarien stattgefunden
(Leo Dioc. Vm. C. 7), den nächsten Winter verbrachte Svjatoslav bei den
Stromschnellen und im Frühjahr 973 fand er daselbst den Tod.
248 S^'epsn Srkalj,
Vaters SvjätosUv« einer näheren Erklftning bedatf. Sehr leicht konnte
die Quelle Jakobs nnd des »Ap6B. xht.« dnreh die Regienrngsdaner
Jaropolks getäuscht werden, die nach der Chronik 8 Jahre lang, von
973 — 980 (j[iT. 72^1—7652) gedauert haben soll. Da gewöhnlich der
Begienmgsantritt mit dem Tode des Vorgängers anfängt, so nimmt er
einfach an, dsiß Byjatoslav beim Regiemngsantritt Jaropolks bereits tot
war, ^as indessen der Wahrheit nicht entspricht. Jaropolk hat in der
Tat 8 Jahre regiert, aber diese zählen vom Jahre 970, als ihn der Vater
vor seinem endlichen Abzug nach Bulgarien zum Ftirsten in Kijew ein-
gesetzt hat (jiT. 67>3). Seit diesem Jahre herrscht Jaropolk ununter-
brochen in Eljew, während sein Vater mit Joannes Tzimisces um die
Herrschaft über Bulgarien daselbst kämpft und nach Rußland nicht mehr
zurflckkehtt. Er fand bekanntfich den Tod durch die räuberischen PeSe-
negen bei den Dnjeper- Stromschnellen 973. Tatsächlich hat also die
Herrschaft Svjatoslavs über Rußland 970 aufgehört. Nun ist die Frage,
wem man mehr Glauben schenken darf, dem Mönche Jakob und dem
»JlpeB. SHTie OB. Bj.« oder der Chronik. Es ist ein Verdienst äach-
matovs, die Quelle gefunden zu haben, aus der der Verfasser des »Apenuee
surie cb. Bja^z^HNnpa«, aber auch des »Ha^aj[i>HiiiH cboa'b« geschöpft
hat; es ist dies eine noch ältere Chronik, die er »/[pesHtämü spesreH-
HRir£< oder neuerdings »^pesH^HmiH ji^TonHCHUH cboa'B«^) nennt. Dieser
»ApeBH^SminjiiT. CBOA'i« diente zugleich dem »Ha^ajriiHUH cbo^ci« ala
Quelle; der Verfasser des Letzten hatte jedoch auch andere Nachrichten
zur Hand (wie wir sehen werden) und ignorierte diese oben erwähnte
Angabe. Bemerkenswert ist, daß die Chronik selbst Angaben hat, die
unsere Behauptung, daß Vladimir 978 Alleinherrscher von Rußland ge-
worden ist; bekräftigen. Unter dem J. 852 befindet sich in allen mir zu-
gänglichen Varianten der Chronik der bekannte Auszug über die Be-
gierungsdauer einzelner Fflrsten, wo sich auf Vladimir folgender Satz
bezieht: »BoJtOAHMepi khasui ji^t-b 37« (jiir. 1 7i*). Da aber der Todes-
tag Vladimirs in allen Quellen einstimmig mit 15. Juli 1015 angegeben
ist, so ergibt 1015 — 37 das Jahr 978. Wir sehen daraus, daß der Ver-
fasser des »Haq. cboa^c zweierlei Angaben benfltzt hat, darunter eine,
die mit den oben erwähnten Denkmalen gemeinsam war. Diese Tatsache
>) Die erste Benennung in seiner Abhandlung »Oahh'b hb-b HCTOüBasoB-B
jiTOHECHaro CKasanifl o RpemeniH Bj[tasinfBp&«, XapROB'L 1905, 66), die zweite in
seiner neuesten Abhandlung »KopcyacKan jiereHA& o apemeHia BjcaAntapac,
GaHKTneTep6ypr& 1906.
Drei Fragen ans der Taufe des heiligen Vladimir. 249
wurde bis jetzt — so yiel mir bekannt ist — nicht berücksichtigt. Fflr
das Jahr 978 als Begiemngsanfang Yladimirs k((nnen wir anch die An*
gäbe der Joachimschen Chronik bei TatiSSev anfahren, nach weleher
Jaroslav, der Sohn Rognjedas, im Jahre 978 geboren wurde (HcTopia
U, 56): Damach fUlt das Unternehmen Vladimirs und Dobrynjas gegen
Sogwold und seine Familie in den Anfang des Jahres 978, da Jaroslay
wahrscheinlich Ende desselben Jahres geboren wurde. Weiter' ^bt die
Chronik unter dem Jahre 1054 an, daß Jaroslay 76 Jalire gelebt hat
(>%iBe se BC^x^ jt^T'B 70 h 6«, 158^); 1054 — 76 ergibt wieder das
Jahr 978 als Gfeburtsjahr Jaroslavs. In diesem Jahre hat also Vladimir
den Zug gegen Bogwold unternommen, dessen Tochter Rognjed zum
Weibe genommen und sich in den Besitz des fürstlichen Stuhles von Kijew
gesetzt und nicht im Jahre 980, wie das die Chronik angibt. Die Chronik
oder der Verfasser der >IIob%ctb Bp. zirt* l&ßt zwar aus einer Stelle
unter dem Jahre 1016, wonach Jaroslay in diesem Jahre 28 Jahre zählte
(h 6jd TOFAa HpoGJiaB^ ä^tl 28, 139^1), schließen, daß Jaroslay im
Jahre 988 geboren wurde (1016 — 28 = 988); dies ist offenbar ein
Pehler; denn statt 28 muß 38 stehen, wie das auch TatiSSey angibt
(UlaxHaTOB^, KopcyHCKaH Jier., 23). Wir müssen noch auf eine Stelle
in der Chronik hinweisen, die (natürlich korrigiert) fOr das Jahr 978
spricht Es ist der Aufenthalt Vladimirs in Schweden, wohin er samt
seinem Onkel Dobrynja yor seinem Bruder Jaropolk 977 geflohen ist.
Diesen Aufenthalt dehnt die Chronik auf drei Jahre aus und zwar yon
977 — 980 (^T. 74^^^), er kann aber unmöglich so lange gedauert haben.
Von Schweden aus bereitete sich Vladimir für den Rachezug gegen Jaro-
polk yor, wozu er nach normannischer Sitte (die bei seiner Dru^ina doch
yorherrschend war) yerpflichtet war^), darum konnte er auf die Unter-
stützung der Waräger rechnen. Um einen solchen Zug zu organisieren,
brauchte man keine drei Jahre, besonders, wenn man Leute bei einem
solchen Volke sucht, wie es die Normannen überhaupt waren, die nur
yon aolchen Eri^s- und Raubzügen lebten. Der Aufenthalt in Schweden
kann nur ein Jahr gedauert haben, was auch der ältesten Quelle, dem
»ApeB. Jri&T. cboäx«, yollkommen entspricht. Der Aufenthalt flült nur
in das Jahr 977, im folgenden Jahre wurde Vladimir Herr yon Kijew.
1} Ewers, Ältestes Recht der Russen, 101. Durch die Noygoroder Stattr
halter ließ Vladimir seinem Bruder sagen, >da er unschuldig meinen Bruder
Oleg erschlagen und mich beleidigt hat, ziehe ich gegen ihn (TaTHmoBi, Hct.
n. 57).
250 Stjepan Srknlj,
Fassen wir alle diese Momente zusammen, so mfissen wir den An-
gaben Jakobs, des »Apenn. XHTieBojoAHMHpa«, resp. dem >^eBHiHmiH
jAt. CBOA'Bt mehr Qlaaben schenken als der Chronik. Das Datom der
ersteren ist pr&ziser und zeugt, daß man es genau so aufgezeichnet ge-
fanden hat.
Den Kampf zwischen Vladimir und Jaropolk kOnnen wir schon als
einen Yorkampf fOr die Helikon betrachten, bei welchem Vladimir als
Haupt der Anhänger des alten Glaubens auftrat Vladimir war gezwungen,
im Kampfe mit Jaropolk sich eine Partei zu schaffen, auf die er sich
stützen konnte, da er schwerlich mit seinen Warägern und Noygorodem
allein den Rachezug mit Erfolg hätte bewerkstelligen können, und diese
ünterstfltzung konnte er nur seitens der Anhänger des alten Glaubens
finden; hierin haben wir auch den Grund des Verrates zu suchen, den
Bind an Jaropolk zugunsten Vladimirs begangen (ji^t.TS^ — 76^^). Crcwifi
gab es schon zur Zeit Olgas Leute in Kijew, die das Christentum mit
scheelen Augen betrachteten und zu denen gehörte möglicherweise auch
Bind. In christlichem Glauben erzog Olga auch ihre Enkel, von denen
Jaropolk als der älteste zur Zeit ihres Todes etwa 8 — 9 Jahre alt sein
konnte (er dflrfte um 960 geboren sein, da Syjatoslav 942 geboren wurde),
Oleg und Vladimir dürften um 1 — 2 Jahre jünger gewesen sein. Wäh-
rend Jaropolk auch weiter in Kijew blieb, wo es genug Christen gab,
wurde Vladimir früh durch die Übersiedelung nach Novgorod, wo die
Zahl der Anhänger des christlichen Glaubens kaum nennenswert war,
demselben entzogen. Und was vom Christentum an ihm haften geblieben
war, das hat gewiß sein praktischer Onkel Dobrynja, der ihn nach Nov-
gorod gebracht, ausgemerzt. Dobrynja hat gewiß auch das übrige Ruß-
land für seinen Pflegling ins Auge gefaßt und für ihn bei den Anhängern
des alten Glaubens Sympathien zu erwecken gesucht. Jaropolk blieb
auch weiterhin den Christen gewogen, darum genießt er auch Sympa-
thien der Christen, ja die Joachimsche Chronik charakterisiert ihn als
einen Mann von sanftem Gemüt und allen gegenüber gnädig; er liebte
die Christen, und wenn er selbst auch nicht das Christentum angenom-
men, so hinderte er andere nicht, es anzunehmen (TaTnn^eB'B, Hot. I, 37).
Sobald Vladimir in Kijew festen Fuß gefaßt hatte, trachtete er, die
abgefallenen Völker wieder seiner Herrschaft zu unterwerfen. Als An-
hänger des Heidentums förderte er dasselbe überall, wodurch er, ohne
es eigentlich recht gewollt zu haben, den Weg der Organisation des
Reiches betrat; die Religion wurde nun ein Band, das verschiedene Völker
Drei Fraf^en aus der Taufe des heiligen Vladimir. 251
enger aneinander geknflpft. Schwerlich hat YlAdimir schon vor der An-
nahme des Oiristentams an die Organisation des Reiches überhaupt ge-
dacht, denn er war zu sehr mit verschiedenen Kriegen beschäftigt; die
eigentliche Oi^anisation des Rdches tritt erst nach der Annahme des
Christentums unter Beihilfe seiner Frau Anna, ihrer griechischen Um-
gebung und Dobiynjas in den Vordergrund. Vorläufig förderte er nur
den alten Glauben durch Aufstellung neuer Götzenbilder, woran nicht
zu zweifeln ist, da nach der eingehenden Untersuchung Roinieckys (Perun
n. Thor, Archiv f. s. Ph. XXIU, 506 u. 507) jene Stellen der Chronik,
die von der Aufstellung des Perun m Eijew und des neuen Götzen in
Novgorod (ji^T. 77^®} handeln, im ursprUnglichen Text standen und keine
spätere Interpolation sind. Um dem alten Glauben ein größeres Ansehen
zu geben, brachte Vladimir aus Schweden, wo gerade damals die Kunst-
Schnitzerei in Blüte stand (Weinhold, Altnordisches Leben 422), einen
neuen, fein ausgearbeiteten Perun mit silbernem Kopfe und goldenem
Schnurrbart mit und stellte ihn an die Stelle des alten Bildes, das höchst-
wahrscheinlich durch einen einfachen Pfahl mit einem ausgeschnittenen
Kopfe dai^estellt war. Eben dieser Gegensatz zwischen dem alten und
neuen Gtötzenbilde bestimmte auch die Beschreibung seines äußeren Habi-
tus in der Chronik und ist kein späterer Zusatz, wie es Roiniecky glaubt.
Und nun läßt plötzlich dieser Förderer des Heidentums dasselbe im
Stiche, übt Verrat an der Partei, die ihm zur Herrschaft geholfen, wird
zum ausgesprochenen Anhänger des Christentums, stflrzt seinen Götzen
Perun und läßt ihn weit über die Stromschnellen treiben. Vergebens
werden wir nach den wahren Ursachen dieses unerwarteten Wechsels in
den russischen und byzantinischen Quellen suchen. Die russische Chronik
schreibt diesen Wechsel teils der Rede des griechischen Philosophen,
teils wieder seinem Gelübde zu, daß er das Christentum annehmen werde,
wenn es ihm gelingt Cherson einzunehmen (jitr. 107 ^~9). AUes, was
in den russischen Quellen, namentlich in der Chronik, über die Taufe
Vladimirs, von der Ankunft der Gesandtschaften im Jahre 986 gesagt
wird, wo sich auch die Rede des griechischen Philosophen befindet,
wurde, wie dies Sachmatov zu erklären gesucht hat, höchstwahrscheinlich
einer Vita des bulgarischen Fürsten Boris nachgeahmt (Oahh'b nax hct.74).
Diese vermutliche Vita Boris, die uns übrigens verloren gegangen ist,
diente dem KompUator der Taufe Vladimirs (wir weisen nur auf das Bild
vom jüngsten Gerichte hin) als Vorlage, die er trotz der Anachronismen,
die darin vorkommen, geradezu sklavisch nachgeahmt hat äachmatov
252 Stiepan Srknlj.
msoht dtfranf aufinerksam, daß nrsprflnglich zwei »Skazania« Aber die
Taufe Vladimirs entstanden, eines hatte die Stadt Gherson zum llittel-
pnnkte, wfthrend das andere die Taufe Vladimirs nacM Eijew, resp.
Vasiljev verlegt. Diese beiden Versionen fanden in den froher erwShnten
»ApesH^SmiH Äir, cb.« Eingang. Das erste spiegelt sich im »Ha^.
CBOA'B«, das andere im »Apennee shtIo« ab (das setzt z. B. den Fall
von Cherson in das dritte Jahr nach der Tanfe). »Apenn^HmiH j^t. cb.c
war nicht in Jahre verteilt and das »Ap* ssnTie« schöpfte daraas solche
Nachrichten, wie die z. B., daß er das zweite Jahr zu den Stromschnellen
ging, oder daß er zam Alleinherrscher am 11. Jani 6486 geworden ist
(IIIaxMaTOB'L, Oahhi hs'b HCT. 65). Erst der Verfasser des »Ha?, cboa^c
hat in den Text der Chronik genanere chronologische Angaben einge-
tragen. Das »GKasame«, nach welchem Vladimir in Kijew oder Vasiljev
getaaft wnrde, fand aach Eingang in den »H. cbo^'B« and weiter in
»üob^ctl Bp. jri&TB«, es ist dies der Bericht unter dem Jahre 986 bis zn
jener Stelle, wo Vladimir vom griechischen Philosophen aufgefordert
wurde, den christlichen Glauben anzunehmen (.i^t. 104^). Das Ende
des »Skazanie« wurde nicht eingetragen, da es der Verfasser des »H.
CBOA'B« mit der Taufe in Gherson in Übereinstimmung bringen wollte
(UlaxMaTOBiB, Oahh'b, 67 und KoycyHCKafl jier., 24), da er von der
Richtigkeit dieser Version überzeugt war^). Damach hat also die Rede
des griechischen Philosophen auf Vladimir keinen Einfluß gefibt, da sie
in die russische Erz&hlung einfach aus der bulgarischen Erzählung Aber
die Taufe Boris gekommen war. Sachmatov meint übrigens, daß auch
der Bericht von Gesandtschaften der Päpste aus der Vita Boris in die
Vita Vladimiri gekommen und daß sie überhaupt nie stattgefunden haben.
Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Eompilator der Erzählung von der
Taufe Vladimirs die päpstlichen Gesandtschaften dem bulgarischen Ori-
ginal entnommen hat. Bekanntlich stand Boris in regem Verkehr mit dem
päpstlichen Stuhle; aber der Eompilator mußte entweder gehört oder auf-
gezeichnet gefunden haben, daß auch zu Vladimir Gesandte vom Papste
kamen. Man muß als die größte Wahrscheinlichkeit zulassen, daß zu Vla-
dimir Gesandte aus Italien, wenn nicht gerade vom Papste direkt, so wenig-
stens von der EuserinTheophano, der Schwester Annas, gekommen waren.
Damit soll nicht gesagt sein, daß diese Gesandten die Aufgabe hatten,
1} Und jene, die es nicht recht wissen, erzählen, daß er in Eijew getauft
wurde, andere wieder sagen, daß Vasiljev es war, und wieder andere erzählen
es anders (jiiT. 109»-»).
Drei Fragen auB der Taufe dea heiligen Vladimir. 253
Yladimir flr den römiaohen Glauben zu gewkinen. Eine päpatliohe Oe-
aandtsduift schließen die danudigen Beziehungen zwischen Yladimir und
der westlichen Kirche nicht aus; dieselben waren keineawegs abgebrochen
und die väterliche Fürsorge Yladimirs fUlr den römischen liGssionar Bmn
beweist, d&ß sie auch nicht unfreundlich waren. Brun, der sich anf dem
W^ge zu den PeSenegen an Yladimirs Hofe aufgehalten hat (1006/7),
yerfaßte darüber einen Bericht, der umso wertvoller ist, weil es der ein-
zige zeitgenössische Bericht ist, den wir Ober Yladimir besitzen^]. Die
zei^enOssische Geschichte der Päpste (damals hatte den päpstlichen Stuhl
inne Johann XY., 985 — 996) weiß von solchen Gesandtschaften nichts
zu berichten; wir mtlssen dennoch eine Gesandtschaft voraussetzen, die
nach Cherson gekommen ist, und zwar die Gesandtschaft der Kaiserin-
witwe Theophano. Theophano hat sich jedenfalls durch Gesandte bei
einem so feierlichen Momente, wie es die Heirat ihrer Schwester war
(denn in Cherson handelte es sich nur um die Heirat), vertreten lassen,
und da sie sich damals durch das ganze Jahr 989 bis in den Sommer 990
in Italien aufgehalten hat, so ist nicht ausgeschlossen, daß diese Gesandt-
schaft mit Zustimmung des Papstes Johann abgegangen war. Da der
Yerfaaser der Taufe Yladimirs gewußt hat, daß auch päpstliche Gesandte
zu Yladimir gekommen waren (allerdings nach Cherson), so nahm er nach
dem Yorbilde der Yita Boris als etwas selbstverständliches an, daß sie
nur wegen der Bekehrung Yladimirs kamen. Auf diese Weise entstand
die päpstliche Missionsgesandtschaft. Auffallend ist jedenfalls, daß die
päpstlichen Gesandten in der Chronik als s Deutsche« angegeben werden:
IIo TOifB ace npaAoma H^mi^h, rjiaro.i[ioiue: »npH^ozoiri nocJiaHH oa
iianexa« (ji^t. 83^<^~^^). Daß diese nähere Bezeichnung als »Deutsche«
der Yita Boris entnommen wäre, ist ausgeschlossen, aber erklärlich
ist sie eben dadurch, daß sie Gesandte der deutschen Königinwitwe
Theophano waren. Die Gesandten Theophanos haben vielleicht auch Ge-
schenke fitr Anna mitgebradit, aber es ist eine Frage, ob sich darunter
auch jene Beliquien befanden, die die Nikonsche Chronik erwähnt
|57i3-i4j. £a i3t weiter auch noch fraglich, ob das die Reliquien des
heiligen Clemens waren, die Yladimir nach Kijew mitnahm. Bekanntlich
nahm der heilige Kyrill, als er sich in Cherson aufgehalten, Reliquien
des heiligen Clemens mit und brachte sie dann nach Rom. £r hat aber
wahrscheinlich nur einen Teil der Reliquien mitgenommen, während der
1) Mitgeteilt in Giesebrechts »Geschichte der deutschen Kaiserzeit« II,
667—670, Bowie auch in der »PyccRaH Eecixa« 1856, 1.
254 Stjepan Srknlj,
andere Teil in Cherson geblieben war. Diese brachte Vladimir dann nach
Ejjew samt den Reliquien des Jttngers Clementis, Phöbo. Der Papst brauchte
diese Reliquien nicht zu schicken; der Verfasser des »Skaianie« (der
höchstwahrscheinlich chersonischer Abkunft war) wußte, daß der heilige
Kyrill bereits die Gebeine des heiligen Clemens mitgenommen hatte. Da
sie nun wieder von Vladimir nach Eäjew gebracht wurden, so nahm er
an, daß sie Gesandte des Papstes, d. h. der Eaiserinwitwe Theophano,
nach Cherson gebracht haben. Diese Reliquien waren die Schädel der
erwähnten Heiligen, wie wir aus der Vita S. Mariani, abbatis Ratispo-
nensis (geschrieben um 1185] sehen. Aber die Nachricht, die wir in
dieser Vita lesen, steht bezüglich dieser Reliquien in direktem Wider-
spruch mit der Erzählung des Chronisten. In der erwähnten Vita Mariani
kommt nämlich das Wort »Chios« vor und in der Erklärung unter >g<
erzählt Jaroslav dem Gesandten des französischen Königs, dem Bischof
von Chälons, Roger: »quod ipsemet quondem ibi (d. h. in Cherson] per-
rezit et inde secum atulit capita S. 8. Clementis et Phoebi discipuli eins
et posuit in civitate Chion, ubi honorifice venerantur, quae capita eidem
episcopo ostendit«^). Diesen Widerspruch könnte man entweder dadurch
erklären, daß auch Vladimir nicht alle Reliquien mitgenommen und die
genannten Schädel erst Jaroslav nach Kijew gebracht hat, oder war
Jaroslav damals bei der Heirat seines Vaters in Cherson zugegen, und
man habe die Reliquien dem unschuldigen Kinde (Jaroslav dürfte damals
1 0 Jahre gezählt haben) anvertraut.
Wie der Kompilator Nachrichten ttber die Anwesenheit der päpst-
lichen resp. der deutschen Gesandten in Rußland gefunden, so fand er
auch Nachrichten über bulgarische und griechische Gesandte, die zu
Vladimir kamen. Daß in jener ereignisvollen Zeit Gesandte von den Bul-
garen und Griechen nach Rußland kamen und gingen, daran wird nie-
mand Anstoß nehmen, der die damaligen politischen Verhältnisse des
byzantinischen und bulgarischen Reiches ins Auge faßt. Die Haltung
Rußlands war für Bulgarien ebenso wie für die byzantinischen Kaiser
Basilius II. und Konstantin VIII. von größter Wichtigkeit. Die beiden
Kaiser befanden sich in einer mißlichen Lage, vom Westen und Norden
wurden sie von den Bulgaren und vom Osten wieder vom Gegenkaiser
Bardas Fokas bedrängt. »Die Not zwang ihn (d. h. den Kaiser Basi-
lius U.) Gesandte zum Kaiser der Russen zu schicken — und sie waren
seine Feinde — « (Foseiii, HmiepaTop'L B. B. 23 ^•"■'®). Diese Ge-
^) Acta sanctorum Martii t. II, 370.
Drei Fragen aus der Tanfe des heiligen Vladimir. 255
sandten gingen nach Jahja 987 zn Vladimir, es ist aber nicht ansge-
schlössen, d&ß er eine Gesandtschaft anch nach der nnglflcklichen Schlacht
in der Nähe des Trajantores im Jahre 986 geschickt, ja es ist sogar aehr
leicht möglich, daß sich die griechischen nnd bulgarischen Gesandten zn
gleicher Zeit bei Vladimir eingefnnden haben, denn die Bulgaren mußten
ihrerseits alles aufbieten, um ein Bündnis zwischen Vladimir und Basi-
lius n. zu verhindern. Auf Grund des bisher bekannten Materials können
▼ir nicht bestimmen, ob es gerade diese Gesandtschaften sind, die die
Legende anfahrt, bestimmt können wir aber behaupten, daß diese Ge-
sandtschaften auf die Bildung der Legende einen Einfluß gehabt haben.
Die Gesandten der Donaubulgaren verwandelte der Eompilator in die
Gesandten der Volgabulgaren, die Mohamedaner waren, und machte sie
n mohamedanischen Mission&ren. Es bleiben noch die jüdischen Ge-
sandten. Diese sind in das »Skazanie« wahrscheinlich unter dem Einfluß
der jüdischen Legende — und Juden gab es in einem so wichtigen Han-
delsplätze wie Eijew genug — vom Übergange des chasarischen Chans
Bnlan zum Judentum (Grätz, Geschichte der Juden 1871. V.B. 189), ge-
kommen. ZavitneviS versuchte diese jüdischen Gesandten als Gesandte des
Gegenkaisers Bardas Fokas und seines Verbündeten, des grusinischen
Kaisers David zu erklären; sie sollen durch das Chasarenland ihren Weg
zn Vladimir eingeschlagen haben und hätten die Aufgabe gehabt, einen
eTentuellen Bund zwischen Basilius U. und Vladimir zu verhindern
(SaBHTHBBHTi, BjiaAHMHp'L CBHTOH, 152}. Daß Bardas Fokas diesen
Bund zu verhindern suchte, ist nicht ausgeschlossen, aber es ist unmög-
lieh, dies näher zu bestimmen, sowie auch, ob die jüdisch-chasarischen
Gesandten der Legende jene des Gegenkaisers Bardas Fokas waren, denn
dafür fehlt uns jeder Anhaltspunkt.
Von den Gesandtschaften des Jahres 987 kann man als in der Tat
(allerdings nicht in kirchlichen Angelegenheiten] erfolgt folgende an-
fiiliren: 1] die Gesandtschaft der Donaubulgaren, 2) die Gesandtschaft
Basilius II. vom Jahre 987 und eventuell auch vom Jahre 986 (nach der
Niederlage beim Trajanstor), 3) die Gesandtschaft Vladimirs nach Eon-
stantinopel, um das Bündnis mit Basilius U. abzuschließen (es mußten
gerade nicht 10 Männer sein, aber auch nicht 5, wie es die Erzählung
Bandoris will ([ToiytfHHCKiH, Hct. p. i^. 249]; diese Gesandtschaft hatte
natOrlich mit Untersuchungen verschiedener Religionen gar nichts zu tun),
während die Gesandtschaft der Eaiserinwitwe Theophano resp. der
Deutschen oder des Papstes erst 988 oder 989 erfolgte.
256 S^epui Srkny,
n.
über die Ursachen, welche die Taufe Vladimirs veranlaßten, haben
wir yerschiedene Anslepingen, die uns aber nicht zufrieden stellen können.
Wir müssen sie sowohl in politischen Begebenheiten des byzantinischen
Beiches, als auch im persönlichen Charakter Vladimirs suchen, und wir
schicken schon jetzt voraus, daß es der persönliche Charakter Vladimirs
war, dem die Taufe zuzuschreiben ist und daß die damalige politische
Konstellation fOr die Intentionen Vladimirs ungemein günstig war. Ver-
gegenwftrtigen wir uns vor allem die damalige politische Lage des byzan-
tinischen Beiches.
Damals herrschten in Konstantinopel die BrUder Basilius II. and
Konstantin VHI., die unter der Vormundschaft des Kaisers Nicephorus
Phokas (963 — 969) und Joannes Tzimisces (969 — 976) und nach dem
Tode des letzteren unter der Vormundschaft des natflrlichen Sohnes des
Kaisers Bomanus I., Parakimomen Basilius, standen. Dieser hatte die
Begierung an sich gerissen, obwohl sie Tzimisces seinem Schwager Bardaa
Sklerus, der damals das Oberkommando in Kleinasien inne hatte, zugedacht
hat. Um Bardas Sklerus unschädlich zu machen, nahm er ihm das Ober-
konmiando ab, wodurch sich dieser verletzt fohlte, sich empörte und zum
Imperator ausrufen ließ. Nachdem aber Parakimomen Basilius seine Em-
pörung durch Bardas Phokas niedergeworfen, flflchtete Bardas Sklerus zum
£mir-al-Omra des Chalifen von Bagdad, der ihn einkerkern ließ (Gedre-
nus ed. Bonn. U. 433). Durch die vormundschaftliche Beg^erung litt daa
kaiserliche Ansehen und der Staat kam fast in eine Ähnliche Stellung, in
welcher sich das Kalifat von Bagdad unter den Emiren al-Omra befand.
Kaiser Basilius ü. entließ den Parakimomen Basilius und stellte wieder
das kaiserliche Ansehen her (Carl Neumann, Die Weltstellung d. byz.
Beiches, 49). Da der Kaiser in seinen Entschlüssen eigenmächtig vor-
ging, verletzte er dadurch die Befehlshaber, darunter auch Bardas Phokas,
der nach derselben Stellung trachtete, die sein Verwandter Nicephorus
Phokas innehatte. Dies Bestreben, vollkommener Alleinherrscher zu sein,
geriet durch die Niederlage beim Trajanstor stark ins Wanken. Auf die
Nachricht von dieser Niederlage Basilius 11. verständigte sich Bardas
Sklerus mit dem Emir-al-Omra, Sam-sam-al-daul, der ihn aus der Haft
entließ (FoseH'B, Hiinep. Bac. 13^^~^^) und ließ sich neuerdings zum
Ejuser ausrufen. Kleinasien war d^n ELaiser Basilius IL gar nicht ge-
wogen, das Volk fttrchtete sich vor dem nahenden Absolutismus, der
EJerus war fOr die Freiheit der Kirche besorgt (Qfrörer, Byzantinische
Drei Fragen ans der Taufe des heiligen Vladimir. 257
Oesehiohten n, 608 — 609). Daher flbertmg Basilios neuerdings das
Kommando an Bardas Phokas, dessen er sich dnrch neuen Eid verge-
wissern wollte. Phokas dachte iniwischen gar nicht den Eid einzuhalten,
umsomehr da er des Heeres sicher war, er bemftchtigte sich durch List
des Gegners Bardas Sklerus und ließ sich ebenfalls, 14. September 987,
zum Kaiser ausrufen (Cedrenus, IL 443). Phokas wurde bald Herr von
Kleinasien. Zur selben Zeit fielen 4iuch die Donaubulgaren ins byzantinische
Beich und besetzten einen großen Teil desselben (BacKneBCidH, PyocKO*
BB3. oTpuBKH, iKypH&i M. H. D., MapTL 1876, 141), SO daß außer einigen
Städten in Europa nur noch Konstantinopel und die Flotte dem Kaiser
treu blieben. In dieser schweren Situation suchte Basilius bei Vladimir
EQlfe, wie uns dies der arabische Chronist Jahja erz&hlt: »Und es empörte
sieh offen Bardas Phokas und rief sich zum Kaiser aus am Mittwoch, dem
Feiertage des Kreuzes, am 14. Ailul (September) 1298 (987), d. h. den
17. Dzumaid I, 377 und wurde Herr des Griechenlandes bis zu Doryleion
und der Meeresküste, und es kamen seine Heere bis Chrysopolis. Und
es wurde gefährlich seine Tat, und der Kaiser Basilius wurde wegen der
Stärke seiner Heere und seiner Si^e Aber ihn besorgt Und sein B^ch-
tom wurde verzehrt und die Not zwang ihn zum Kaiser der Russen zu
Bchieken — und sie waren seine Feinde — , um bei ihnen in seiner
gegenwärtigen Lage Hilfe zu suchen. Und jener willigte ein. Und sie
BcUossen miteinander einen Vertrag Aber Verwandtschaft und der Kaiser
der Russen heiratete die Schwester des Kaisers Basilius danach, als er
ihm die Bedingung stellte, daß er und das ganze Volk seines Landes,
und sie waren ein großes Volk, das Christentum annehmen soll. Und
die Russen bekannten sich damals zu keiner Religion und anerkannten
keinen Glauben. Und es schickte nachher (BnocJi^ACTBin) Kaiser Basi-
Hiis zu ihm Metropoliten und Bischöfe und sie tauften den Kaiser und
aUe, wen seine Lftnder umfaßten und er schickte zu ihm seine Schwester
und sie gründete viele Kirchen im Lande der Russen. Und als zwischen
ihnen die Heiratsangelegenheit entschieden wurde, kam auch das Heer
der Russen und vereinigte sich mit den Heeren der Qriechen, die beim
Kaiser Basilius waren, und sie zogen alle zusammen in den Kampf gegen
Bardas Phokas zur See und zu Lande nach Ghrysopolis . . . .< (Posen^B,
Hiiu. Bac. 23 »i— 2410).
Nach Jal\ja also ging die Gesandtschaft Basilius 987 zu Vladimir.
Wenn Basilius auch eine Gesandtschaft sofort nach der Niederlage beim
Trajanstor zu Vladimir geschickt hat, was der Jahresangabe der Chronik
AitUT ftr lUviseh« Philologi«. XXIX. . 17
258 Stjepan BrknlJ,
entsprechen wfirde (986), was ancli TJspenskij (SCypHajii m. h. n. anp&n>
1884, 296 in der Besprechung des Auszuges aas dem Chronisten Jahja),
Vasiljevskij (Pyce. bh3. oxp. 172) und Bchlnmberger (L^^pop^e ü. 726)
annehmen, so ist diese erste Gesandtschaft ohne Erfolg geblieben, da
die Russen nach Jahja 987 Feinde des Kaisers Basilius sind. Wie wir
oben gesehen, ließ sich Phokas im September 987 zum Kaiser ausrufen.
Kaiser BasiHus dttrfte bereits frflher von seiner Absicht durch den Sohn
Bardas Sklerus in Kenntnis gesetzt worden sein. Phokas bot nftmlich
Sklerus gemeinsame Aktion gegen Basilius an und als sich Sklerus trotz
der Warnung seines Sohnes Romanus yerleiten ließ, verließ derselbe srä^i
Vater und benachrichtigte den Kaiser von dem Geschehenen (Poseux,
ÜMn. Bac. £. 23i>'i^). Der Kaiser hat also von dem Abfall Phokas
früher gewußt, als er sich Öffentlich zum Kaiser ausrufen ließ. Schwer-
lich hat Basilius gewartet, bis Phokas sich ganz Kleinasten unterworfen
hat. Seine Situation war verzweifelt, sobald das Heer von ihm abgefallen
war, darum hat er sich sofort, bevor noch Phokas vor Konstantinopel er-
schienen war, um eine Hilfe umsehen müssen und hat seine Gesandten
noch im September oder sp&testen im Oktober 987 nach Kiev geschickt
und nicht, wie das B. Rosen annimmt, erst Ende 987 (HMn. Bac. 198).
Nicht nur daß die Gesandtschaft Basilius noch im Jahre 987 nach Ruß-
land gekommen, sondern sie ist schon im selben Jahre zurückgekehrt und
mit ihr auch (Beginn des Jahres mit 1. März gerechnet) sind die Ge-
sandten Vladimirs in Konstantinopel angelangt, um mit BaslUus den end-
gültigen Vertrag festzustellen. Was konnte Basilius Vladimir für die
Hilfe bieten, nachdem er seine Schätze ftir den Krieg bereits verzehrt
hatte? Wir wissen nur den Preis des Bündnisses, es ist die Hand der
Schwester Basilius, Anna, wofür wieder Vladimir ein Aushilfscorps Basi-
lius schickte, das erst nach dem 4. April 988 in Konstantinopel angelangt
ist. Früher war die Schiffahrt auf dem Dnjeper wegen Bis unmöglich,
und wenn die Russen schon vor dem 4. April in Konstantinopel angelangt
wären, hätte sich der Kaiser in jenem Dekrete, wo er die Anordnung
Nicephorus wegen zu großer Verbreitung der Klöster außer Kraft setzt,
nicht eines so verzweifelten Tones bedient (PoseirB, Hvn. Bac. 198,
BacHjn>eBCKiH, P.-bh3. oTp. 118 und >KypHajiB m. h. n. für Juli 1879:
MaTepiajuu a^h BnyT. hct. bh3. rocy^apcTBa, 229). Nach dem zeitge-
nössischen armenischen Chronisten A^ohik war das Aushilfscorps 6000
Mann zu Fuß stark (als er nämlich von einem Zusammenstoß zwischen
Russen und einer iberischen Abteilung in Armenien um das Jahr 1000
Drei Fragen aiu der Taufe des heiligen Vladimir. 259
spricht, wobei er bemerkt, daB dieses Anshilfskorps der Kaiser Basilins
von den Bossen ansgebeten, als er seine Schwester an den mss. Kaiser ver-
hdratethabe — BacnjLeBcidH, OTp. 148). Der Zeitgenosse Leo Dia-
conns erwShnt diese Heirat mit keinem Worte. Psellas erwähnt nnr das
Anshilfskorps (Sathas, Bibl. graeca IV. 10). Erst die späteren Chronisten
Cedrenns^) und Zonaras^) erwähnen es. Es ist auffallend, daß die Zeit-
genossen gerade ein solches außerordentliches Ereignis, wie es diese Ehe
einer kaiserlichen Prinzessin mit einem BarbarenfOrsten ist, mit Still-
schweigen tibergehen. Der Fall gilt als sehr selten, da solche FäUe am
byzantinischen Hofe verpönt waren. Bekanntlich hat schon Konstanti-
Dus VIL Porphyrogenetes abgeraten, die kaiserlichen Prinzessinen an
BarbarenfOrsten zu verheiraten, die fränkische oder deutsche kaiserliche
Familie ausgenommen (de adm. imp. 86) und doch gab man dem Ge-
sandten Otto I., Luitprand, als er um die Hand Theophanos fflr dessen
Sohn Otto n. anhielt, zur Antwort, es sei etwas Unerhörtes »ut Porphyre-
geneti Porphyrogenata — hoc est in pnrpuro nati filia in purpuro nata,
gentibus misceatur« (Leo Diac, 350). Uspenskij meint, daß die byzanti-
nischen zeitgenössischen Chronisten aus Patriotismus diesen Fall ver-
schwiegen haben (Kypn. anp. 1884, 312), wir mflssen aber tiefere Orflnde
suchen und wir finden sie in der Qeheimhaltung der Bedingungen, unter
welchen die Hilfe geleistet wurde, wozu Basilins H. durch politische Ver-
hältnisse gezwungen war. Betrachten wir noch einmal die Situation, in
der sieh Basilins befand: Basilins hat alles bis auf die Hauptstadt und
die Flotte verloren und nun soll er auch die Treue dieser auf die Probe
stellen durch die Bekanntgebung der Vertragspunkte? Wenn diese Be-
dingungen öffentlich bekannt geworden wären, so hätten sie sehr leicht
zur Katastrophe fftr Basilins fahren können. Die Gegner des Kaisers
hätten sich diese Oelegenheit nicht entgehen lassen, um Stimmung gegen
den Kaiser zu machen, sie hätten mit Nachdruck alle Schattenseiten des
Charakters Vladimirs — seine uneheliche Abkunft, seinen Brudermord,
Mme Weibersucht — hervorgebracht, also Eigenschaften, die eher ftlr
alles, nur nicht für einen kaiserlichen Schwager paßten. Basilins mußte
1) »Es g^ang nämlich Basilins, von den Bussen eine Sundeshilfe zu be-
kommen, indem er ihren Fürsten Vladimir durch die Heirat mit seiner
Schwester Anna zum Schwager machte« H. 444.
*) »Er trat in die Verwandtschaft mit dem Fürsten der Bussen durch
seine Schwester Anna und erhielt dadurch das Aushilfskorps« 114.
n*
260 Sljepan SrknJlj,
daran gelegen sein, daß die Vertragsbedingongen geheim gehalten werden,
und an diese Oeheimhaltong wnrde anch Vladimir gebunden. Daher die
Yersehwiegenheit der Zeitgenossen; dämm erfahren vir den wahren
Sachverhalt durch eine dritte nnbeteOigte Seite, durch den arabischen
Chronisten Jalgia. Durch die Qeheimhaltung des Vertrages blieb eben
auch die Taufe den Zeitgenossen geheim. Auch Golubinskij (Hot. p.
i^. 132) und ZavitneviS sind der Meinung, daß die Taufe insgeheim vor-
genommen wurde, nur meinen sie, Vladimir sei daran gelegen gewesen,
daß es das russische Volk nicht erfahre (Bj[a,/uiMHp'B ob. 153).
liit dem Aushilfskorps steht noch eine Frage in engem Zusammen-
hang, ob sich nEmlich Vladimir persönlich an dieser Expedition beteiligt
hat. Der arabische Chronist des XTTT. Jahrb., El Makin, der übrigens
fast wörtlich Jahja kopiert, erzählt unter anderem, daß sich Vladimir,
nachdem die Bedingungen bezüglich der Annahme des Christentums und
der Heirat erftült waren, mit seinen Heeren zur Dienstleistung zum Kaiser
Basilius begab und sich mit ihm vereinigte (BacHjaeBCKÜy OTp. 140).
Dieselbe Nachricht hat auch der arabische Astronom aus der ersten Hftlfte
des XTTT. Jahrb., Ibn-el-Athir: »Und sie (Basilius und Konstantinus]
schickten Gesandte zum ELaiser der Russen und baten um Hilfe und ver-
heirateten ihn mit einer ihrer Schwestern, aber sie weigerte sich einen
Mann zu nehmen, der nicht denselben Glauben hatte wie sie. Infolge
dessen nahm er das Christentum an, und es war das der Anfang des
Christentums in Rußland. Und er heiratete sie und ging gegen Bardas«
(BaciuBeBCKiH, oTp. 147). Auch ein byzantinischer Chronist — es ist
Skilizes, der sich übrigens mit Cedrenus deckt — gibt an, daß Vladimir
persönlich an der Expedition teilgenommen, »(Imperator) instructis noetn
navibus, atque in ipsas impositis Roxolanis (accessierat enim ab ipsis
socia auxiHa) praefectoque classi eorum principe Bladimero, sibi cogna-
tione coniuncto ab sororem suam Annam« (BacE^ELeBcidH, OTp. 150). Es
gibt auch russische Quellen, die angeben, daß Vladimir in Konstantinopel
gewesen, so die »IXob^cti» o jiaTUHixx«, die erzählt, daß Vladimir selbst
bis Konstantinopel mit feindlicher Absicht vorgedrungen, wo sich aber
seine tierische Natur in die göttliche Bescheidenheit verwandelte und aus
ihm aus einem Wolf ein Lämmlein Christi wurde und er das Christentum
annahm (IIonoB'L, HcTopHKo-aorrep. oösopi, 187) ^). Wir haben noch eine
^) Dieselbe Nachricht hat auch die Chronik Avramkas im Chronograph,
mit dem Unterschied, daß ihn vor Eonstantinopel der heUige Geist erhellt und
er 80 das Christentum angenommen (IlaxHoe cotfpaHie, HI. 16, 25 <^].
Drei Fragen aoB der Taufe des heiligen Vladimir. 261
Andeatnng anf diesen Fall und zwar im »IIoxBajDiHoe ojiobo« Ilarions,
wo Yladimir mit Eonstantinas dem Großen und seiner Matter Helene ver-
glichen wird, »denn dn bist ihnen ähnlich, dn hast gebracht das Kreuz
ans dem Neu- Jerusalem, der Stadt Konstanlanus« (^TeniA HecTopa JI.
n. 57 — 58), während es im Texte Makarius' steht »Du hast mit deiner
Großmutter Olga das Kreuz etc.« (MaKapiH, HcTopia p. i^., I. 135).
Um einen Beweis ftlr die Anwesenheit Vladimirs in Konstantinopel dar^
aus m ziehen, müßte man diese Stelle geradezu wörtlich nehmen,
was nicht angeht. Diese Stelle kann also nicht einmal in Betracht
gezogen werden. Obwohl Uspenskij die Anwesenheit Vladimirs in Kon-
stantinopel zuläßt, wenn nicht während dieser kriegerischen Begeben-
heiten, so in anderer Angelegenheit (iSypnaj^, anp. 1884, 308 — 9) und
mit ihm Schlumberger, der die Möglichkeit, daß Vladimir selbst das Aus-
hil&korps geführt, zugibt (L'^pop^e II. 719), während Vasi^cYsldJ die
Frage noch fttr unentschieden hält (oxp. 155), so halten wir doch Vladi-
mirs Anwesenheit in Konstantinopel ftlr ausgeschlossen. Die Bestätigung
dafür finden wir in den Quellen selbst, sowie in den politischen Verhält-
nissen Rußlands und der persönlichen Sicherheit Vladimirs. Die Quellen,
die uns Ton seiner Anwesenheit in Konstantinopel erzählen, gehören durch-
weg einer späteren Zeit an, £1 Makin und Ibn-el-Athir dem xni. Jahrh.
(und überdies erwähnt es ihr Original, Jahja, nicht), die Chronik Ayramkas
dem Ende des XV. und Anfang des XVI. Jahrh. (allerdings kann sie einer
älteren Quelle entnommen worden sein), auch Skilizes gehört einer spar
teren Zeit an. Entscheidend ist, daß wir dies in keiner zeitgenössischen
Quelle finden. Die Chronik erwähnt es auch nicht und sie oder wieder
ihre Quellen hätten gewiß ein so wichtiges Ereignis aufgezeichnet, gerade
wie sie den Aufenthalt Olgas in Konstantinopel verzeichnet hat Übrigens
üeßen die Abwesenheit Vladimirs aus Rußland dessen Verhältnisse nicht
zu. Er hat gewiß von der Unzufriedenheit gewußt, die in Rußland wegen
der Abwesenheit Syjatoslairs geherrscht, der dadurch das Land den Ver-
wlistungen der PeSenegen ausgesetzt hatte. Wir wissen auch, daß jenes
Aushilfskorps, das er nach Konstantinopel entsendet, in seinem eigenen
Heere so große Lücken zurflckgelassen, daß er nicht imstande war,
größere Unternehmungen gegen die PeSenegen vorzunehmen, ja er war
Bogar bemflssigt (wie wir aus Brunos Bericht entnehmen) die Grenze
dureh kflnstliche Befestigungen zu schlitzen. Weiter durfte Vladimir ge-
rade jetzt, wo er das Christentum angenommen hat, Rußland nicht ver-
käsen, denn obwohl seine Taufe geheim vorgenommen wurde, konnte er
262 Stjepan Srkulj,
dennoch nicht sicher sein, daß man dies nicht erfahren würde nnd da»
wflrde einen Aufrnhr der Anhänger des alten Glaubens znr Folge gehabt
haben. Aber auch seine persönliche Sicherheit ließ die Beteüignng an
der Expedition nicht zn, denn wo hätte er eine Garantie daftlr gehabt,
daß Basilins nach der glflcklichen Beendigung des Krieges nicht ver-
suchen könnte sich seiner zu entledigen?
Alles dies läßt Vladimirs Beteiligung nicht zu; er blieb in Bußland,
wo er den Gang der Dinge abgewartet und dflrfte höchstwahrscheinlich
in Tmutarakan sich aufgehalten haben. Zu dieser Annahme berechtigt
uns der unerwartete Angriff auf Cherson, denn ein solcher von Kgew
aus hätte nicht geheim bleiben können und weiters erwartete er dort die
Ankunft Annas. —
Es kann kein Zweifel darüber herrschen, daß die Taufe Vladimirs
eine Folge politischer Konstellation ist. Die Ereignisse der Jahre 986 —
989 im Osten Europas, die für Rußland von großem Vorteile waren, er-
klären uns die Taufe. Wir müssen aber besonders betonen, daß ein an-
derer Fürst an Vladimirs Stelle, z. B. sein Vater Syjatoslay, in ganz an-
derer Weise die Situation ausgenützt hätte und daß es damals znr Taufe
überhaupt nicht gekommen wäre. Es ist ein persönliches Verdienst Vla-
dimirs, daß er die Ereignisse in solcher Weise ausgenützt hat, daß sie
zur Annahme des Christentums geführt haben. Selbstyerständlich finden
wir diese politischen Ereignisse in den russischen Quellen nicht, da ihn^i
der ganze Hergang der Verhandlungen unbekannt geblieben war. Den-
noch suchten jene Quellen, die über Vladimir und seine Taufe geschrieben,
auf verschiedene Weise zu erklären, wie es dazu gekommen war, daß
Vladimir, den die Tradition als einen verkörperten Anhänger der alten
Beligion darstellt, plötzlich für das Christentum gewonnen wurde. Metro-
polit Ilarion sagt in seinem »IIozBajKBHoe cioboc, daß Vladimir Christ
wurde, ohne Apostel gehört und ohne Wunder gesehen zu haben, weil
er durch seinen eigenen Verstand die Wahrheit erkannt habe f^TemH
HecT. j., II. 56). Der Mönch Jakob schreibt diese Sinnesänderung der
Gnade des heiligen Gdstes und der Erinnerung an seine Großmutter
Olga zu (roJTj^ÖHHCKiH, HcT. p. i^. 239). Nach dem Diakon Nestor
wurde Vladimir durch die göttliche Offenbarung aufgefordert, das Christen-
tum anzunehmen (GpesHeBciciH, GKasame o ob. EopHci h TÄi&kj 6),
während ihn nach Banduri die Verschiedenheit und Zerfahrenheit in reli-
giösen Dingen dazu bewogen hat (rojryÖHHCKin, Hct. p. u^., 248). Nach
der Chronik war es die Tätigkeit des griedüschen Philosophen einerseits
Drei Fragen ans der Taufe des heiligen Vladimir. 263
nad das Oelflbde bezflglioh der Einnahme von Cherson anderseits, das
Yladimir zur Annahme des Christentums brachte.
Die meisten nissischen Historiker halten sieh an den Bericht der
Chronik, so SoloYJev (Hct. F. hsa. 6. 1. 160), BestoieT-Bjnmin (PyccKafl
HOTopifl), vflhrend Golnbinskij auch in der zweiten Ausgabe seiner Kirchen*
gesehichte an der Behauptung festhält, daß Yladimir von der frühesten
Jugend dem christlichen Glauben zugetan gewesen sei und ihn zur An*
nähme des Christentums auch politische VerhAltnisse veranlaßt hätten,
d. h. er habe sem Volk in die Reihe der europäischen zivilisierten Staaten
durch das Christentum einfllgen wollen (HcTopiA 151 u. 161). Dabei
ignoriert er vollkommen die Entdeckungen des Baron Bösen, obwohl ihm
diese, wie man aus einer Bemerkung (161, 2) sieht, bekannt waren. Die
eiste Behauptung steht im Widerspruch mit den Berichten des Chronisten
Aber die Anfitellung der Götzenbilder und Aber das Opfern. Es ist wahr,
daß Vladimir deswegen noch kein begeisterter Anhänger des Heidentums
seiQ mußte, ja wir haben Gründe anzunehmen, daß er in religiösen Sachen
vollkommen gleichgültig war, denn die Beligion war ihm nur ein Zweck
nr Erreiehung sdnes Zieles. Eine Zuneigung zum christlichen Glauben
bei ihm anzunehmen, würde die Aufstellung der Götzenbilder und das
Opfern nicht zulassen. Weiter steht der Behauptung Golubinskij's auch
die Tradition entgegen, die Vladimir zu einem wahren Anhänger und
Förderer des Heidentums gestempelt hat An die Aufgabe, das Reich
der Zivilisation zuzuführen, konnte er damals nicht denken, da erge^
rade bis zur Taufe fortwährend in verschiedene Kämpfe und Kriege ver-
wickelt war.
Um die religiöse Veranlagung Vladimirs kennen zu lernen, müssen
wir einen Bückblick auf seine Jugend, auf die Umstände, unter denen er
gelebt und auf die religiöse Überzeugung seiner Umgebung werfen. Wir
räsen bereits, daß er die Kindheit bei seiner Großmutter Olga zuge-
bracht, die ihn zugleich mit seinen Halbbrüdern gewiß im christlichen
Glauben erzogen hat Aber bevor noch diese christliche Erziehung in
ihm tiefere Wurzeln hatte fassen können, starb Olga, und Vladimir kam
US dieser christiiohen Atmosphäre in eine völlig heidnische, nach Nov-
gorod, wo das Heidentum in voller Blüte stand. Wir dürfen nicht außer
^t lassen, daß Novgorod ein Tummelplatz der skandinavischen Nor-
nuumen war, die damals noch fast durchw^ Heiden waren. In Novgorod
^vde am meisten der slavisch-heidnische Glaube mit jenem der Bkandi-
luirier vermengt und es war zugleich am meisten dem diristlichen Glauben
264 Stjepan Srkalj,
entrflckt, obwohl dieser anch hier Anhftnger haben konnte, da es ein wich-
tiger Verkehrspnnkt war. Dorch den regen Verkehr mit Skandinavien
blieb auch Novgorod länger nnter dem normannischen EinfloiB als E^ew.
In dieser heidnischen Sphäre verbrachte Vladimir seine Jngencyahre, bis
er sieh bemüßigt sah in Schweden vor Jaropolk Zuflucht zu suchen. Da-
mals herrschte dort Erich, der während seines Aufenthaltes in Dänemark
das Christentum angenommen, es aber sofort wieder verlassen hatte, so-
bald er nach Schweden zurflckgekehrt war (Oeier, Geschichte Schwedens,
ttbersetzt von Leffler I, 121). Wir dürfen uns Ober diesen Vorgang gar
nicht wundem, denn von einer demütigen Ergebung den Gittern gegen-
über, wie sie sich anderwärts findet, ist im Norden keine Rede. Wenn
z. B. unter einzelnen Geschlechtem oder Familien Fduidschaft ausbricht,
so werden regelmäßig die feindlichen Tempel und (Götterbilder ohne wei-
teres als Feindes Freunde zerstört und verbrannt. Und ungescheut be-
kennt gar mancher, daß er an nichts glaube, als an sich selbst oder seine
Stärke und sein Glück. Nur eine Überzeugung hielt alle und auch wohl
diese trotzigsten Geister in scheuer Ehrfurcht: die von der ünabwend-
barkeit des einmal bestimmten Verhängnisses, das nach der Göttersage
von der Hand der Nomen ausgeht. Man kann sagen, daß die überirdi-
schen Vorstellungen bei den Normannen im ganzen weniger Einfluß aus-
übten als bei irgendeinem Kulturvolk, welches die Geschichte kennt (Bü-
dinger. Die Normannen und ihre Staatengründungen, Sybels Historische
Zeitschrift IV. 338). Unter den isländischen Landnamamannen gab es
Leute, die ihren heidnischen Namen aufgaben, ohne einen christlichen
anzunehmen, es gab darunter Kolonisten, die nicht einmal opfern wollten,
wie z. B. Hjörlfeifr oder Asgeier Eoieif, der aus eigener Veranlassung das
Opfem aufgab, ohne vom Christentum gewußt zu haben. Bersi Godlaus,
Halls Godlaus, Helgi Godlaus opfem ebenfalls nicht, sie vertrauen nur
auf ihre eigene Kraft; (Maurer, Islands und Norwegens Verkehr vom IX.
bis Xm. Jahrb., Zeitschrift fOr deutsche Philologie 2. B., 450). Als den
Freysgoden Hrafhkell seine Feinde vertrieben, seinen Tempel, der dem
Gott Frey gewidmet war, samt den Götzenbildem verbrannt und seinen
Lieblingshengst Freyfax, den er ebenfalls dem Gott Frey geweiht hat,
von einem Felsen ins Meer stürzten, ohne daß der Gott diesen Frevel ge-
straft hätte, sagt er: »Ich glaube, es ist dumm, an einen Gott zu glauben,
von nun an glaube ich an keinen Gott mehr« (Lenk, die Saga von Hrafii-
kell Freysgodi, 62). Gisle in der Gisle Surssohns Saga (aus dem X. Jahrh.)
gibt das Opfem auf und nimmt keinen anderen Glauben an (P. E. Müller,
Drei Fragen ans der Tanfe des heiligen Vladimir. 265
Sagaenbibliothek des skandinavischen Altertums, übersetzt ans dem Dir
nisehen von Dr. Karl Lachmann, 125). Als sich Sigmnnd, Bresters
Sohn, in der Fftreingasaga (Ende des X. nnd Anfang des XI. Jahrh.) in
Dronthjem einschiffen wollte, um den Tod seines Vaters zu rächen, ant-
wortete er anf die Frage Hakons, des Jarl von DronÜyem, an wen ver-
trane er: »an meine eigene Kraft nnd Stärke« (ibid. 132). In der Lax-
dälasage (Mitte des XI. Jahrh.) weigert sich Bolle, das Christentum
anzunehmen, da ihm der christliche Glaube zu weich scheine (ibid. 1 53).
In derselben Saga sagt dem König Olaf Triquason Eaarton, als er ihm
zugeredet das Christentum anzunehmen, daß man ihn* durch Qttte am
ehesten dazu bringen wflrde das Christentum anzunehmen, und daß er
den nächsten Winter auf Island Thor weniger verehren werde, worauf
ihm der König lächelnd sagte: »Es scheint, daß Kiarton mehr an seine
eigene Kraft und Stärke vertraut, als an Thor und Odin« (ibid. 154).
Helge und Grim in der Fliot^lidasaga verirrten sich während eines Schnee-
gestöbers und kamen in den Tempel ihres Erziehers, wo Götzenbilder
standen, und sie sprachen Frey und Thor mit folgenden Worten an:
Wenn ihr wollt, daß wir sowie andere Menschen an euch vertrauen, zeigt
euch hoiHürtig, seid ihr nicht gewillt uns zu helfen, so werden auch wir
uns um euch nicht mehr kflmmem (ibid. 167). Als der norwegische
König Olaf der Dicke in einen Helden, der sich zu keinem Glauben be-
kannte, drang, das Christentum anzunehmen, entschloß sich dieser mit
den Worten: »Quodsi in deum quendam mihi sit credendum, anne mihi
peius erit in album istum Christum credere, quam in deorum alium« (Krug,
Forschungen in d. alt. russ. Geschichte U. 469). Die Normannen konnten
sich flir das Christentum nicht erwärmen, weil sie fttr das jenseitige
Leben gar nicht empfindlich waren, denn das künftige Leben in der Wal-
halla kommt nur jenen zugute, denen diese Welt nichts mehr bietet als
den Tod (wie den zum Tode Verurteilten, verwundeten Helden und auch
jenen Helden, die sich vor dem nahenden Alter ftlrchten), sie ziehen den
8i^ und das Leben der Walhalla vor, den Sieg und das Leben wünschen
sie ftlr sich, die Walhalla dem Feinde. Hieraus sehen wir, daß die Nor-
mannen keine religiöse Begeisterung, keinen religiösen Eifer besaßen, und
wenn es schon vorkam, daß ein Held einen anderen Glauben angenom-
men hat, so blieb auch dann jedweder reli^öse Fanatismus fem (Snorri
Sturluson, Weltkreis H., 108). In einem solchen Volke konnte es keine
religiösen Gegensätze geben. Der Übei^ang von einem Glauben zum an-
deren wurde als Privatsache betrachtet — erst später bekam er eine
266 Slgepan Srkny,
politiaehe Fftrbung — bei ihm ist das reli^Ose Bewofitseiii so gering,
daß von einem Oewissensiwang keine Rede sein konnte, Toleranz aber
nnd Oleiohgflltigkeit liegen sehr nahe (Brflckner, Geachichte Bnßlanda,
288). Fflr einen nordiaohen Helden existiert nur der Bnhm und der
Beiehtom, alles andere wird als Nebensaehe betrachtet, nur Rnhm and
Reiehtnm können als eines Mannes wflrdig in Betracht kommen. Die
Glanbensangelegenheiten Ernst zu nehmen gilt in den Angen nordischer
Helden fflr lächerlich, eben darum nahm auch Svjatoslav den christlichen
Glauben nicht an, als ihn sdne Mutter Olga dazu zu bewegen suchte —
seine »Druiina«^ würde ihn ausgelacht haben (At, ßi^).
Alle diese Umstände mflssen wir uns vergegenwärtigen, wenn wir
über Vladimirs religiöse Ansichten und Veranlagung sprechen wollen.
Die religiösen Ansichten jener Gesellschaft, in der er aufgewachsen ist,
in deren Atmosphäre er gelebt hat, sind nicht ohne Einfluß auf Vladimir
geblieben. Es fragt sich nur, ob Vladimir in der Tat von einer »Dru«
2ina« mit solchen Ansichten umgeben war. Und dieses muß man bejahen.
Wir weisen nur auf jenen Teil der »Druüna« hin, die nach dem Ab-
gange des anderen Teiles nach Konstantinopel bei ihm geblieben, die
auch nach der Taufe einen großen Einfluß behalten hat, er muß sogar
ihren Unmut, daß sie nicht mit hölzernen Löffeln essen wollen, dadurch
besänftigen, daß er ihnen silberne geben ließ (jiiT. 123^^-21). Wir kön-
nen mit Bestimmtheit die Behauptung aufstellen, daß in Vladimir der
Sinn für Religion nicht besonders entwickelt war; er konnte sich also
keinesfalls schon von der frühen Jugend an zum christlichen Glauben
hingezogen gefflhlt haben, denn wenn ihm auch ein bischen vom Christen-
tum aus jener Zeit, die er bei seiner Großmutter verbracht, haften ge-
blieben ist, so hat sich dies im Norden, in dem neuen Eieis, der ihn
umgab, yerloren, wozu auch Dobrynja seinen Teil beigetragen hat. Dieser
Indifferentismus dem Glauben gegenüber dürfte Vladimir nicht im ge-
ringsten gehindert haben, den alten Glauben in seinem Reiche zu ver-
breiten oder ihn zu hindern, das Christentum anzunehmen, das eine wie
das andere war durch jeweilige Situation und Notwendigkeit bedingt
Golubinskij meint, daß auf Vladimir bezüglich der Religion auch
seine Frauen, die Christinnen waren, einen Einfluß ausgeübt hätten (Hct.
p. A. 1 53). Wir müssen das verneinen, da keine seiner Frauen, die Prin-
zessin Anna ausgenommen, einen größeren Einfluß auf ihn ausgeübt hat
Er brauchte ja nicht auf seine Frauen der Religion wegen irgendwelche
Rücksicht zu nehmen, da die Verschiedenheit des Glaubens kein Ehe-
Drei Fragen ans der Taufe dea heiligen Vladimir. 267
hindemis war (Weinhold, Altnordisches Leben, 244). und dennoch ist
es dne Frau gewesen, die Aber den Olanben in Rußland entschieden hat,
es ist die Prinsessin Anna, die Schwester Theophanos und der beiden
Kaiser Basilius ü. und Konstantinus YIU. Ihretwegen verließ er seinen
alten Qlauben und nahm sozusagen über Nacht das Christentum an,
und das konnte er eben wegen der Gleichgültigkeit der Religion gegen-
flber umso leichter tun. Den Grund, warum er das Christentum so leich-
ten Herzens angenommen, haben wir in seiner Weiberlust zu suchen.
Zu einem großen Weiberfreund hat ihn ja auch die Tradition gestempelt;
als solchen charakterisiert ihn Thietmar von Merseburg (»Vladimir war
em unersättlicher Schwelger« Chronic, lib. VII c. 52). »Vladimir war
begierig nach den Frauen«, erzählt uns die Chronik, >er hatte Rognjed
zum Weibe, die ihm 4 Söhne geboren : Izeslav, Mstislav, Vyseslav, Vsevolod
und 2 TOchter; die Griechin beschenkte ihn mit S^atopolk, die Böhmin
mit Vyseslav und eine andere mit Srjatoslay und Mstislav, die Bulgarin
mit Boris und Gleb. An Kebsweibem hatte er 300 in VySegorod, 300 in
Bjelgorod, 200 in Berestovo (die Nikonsche Chronik ffigt noch hinzu:
300 in Rodnja). Er war eben ein unersättlicher Schwelger, der sich ver-
heiratete Weiber zuführen ließ und Jungfrauen entehrte« (jt^t, 78®^^') ^).
Und wenn auch der Chronbt die Zahl der Kebsweiber entschieden über-
treibt, um nur den Gegensatz im Leben Vladimirs vor und nach der Taufe
hervorzuheben, so zeigt uns schon die ziemlich große Zahl seiner Frauen
und seiner Kinder, daß Vladimir ein großer Weiberfreund war. Man
braucht sich aber nicht darüber zu wundern, wenn er selbst eine Por-
phyrogeneta zum Weibe haben wollte und Kaiser Konstantm Vn. Por-
phyrogenetes erzählt uns, daß eben die Fürsten der Barbaren besondere
Vorliebe fAr kaiserliche Prinzessinnen zeigten (de adm. imp. c. 13).
Wir haben gesehen, daß die politische Situation des byzantinischen
Reiches ungemein günstig für diesen brennenden Wunsch Vladimirs war.
Nur durch die äußerste Not gezwungen willfahrte Basilius dieser »con-
ditio sine qua non« Vladimirs für die empfangene Hilfe. Der eigent-
liche Grund der Taufe Vladimirs liegt also in dem Wunsche,
die Hand der Prinzessin Anna zu gewinnen, dieser Wunsch ist
68 auch, der die Christianisierung des russischen Volkes beschleunigte,
worauf schon Gibbon in seiner »History of the decline and fall of the
Roman empire« (VI, 163) hingedeutet hat.
') Dasselbe enthält auch etwas genauer das »lOxHo-pyccKoe xetIo Bjaxu-
upa« (^Teflix Heer. Ji., 35).
268 Stfepan Srknli,
m.
Das Jahr der Taufe Vladimirs steht in engem Znsammenhange mit
der Eroberung Chersons; wir müssen daher zuerst feststellen, wann Cher-
son erobert wurde, um dann die Zeit bestimmen zu können, wann Vladi-
mir getauft wurde. Bei der Besprechung dieser Frage fUlt der sonder-
bare Umstand auf, daß Vladimir, der Verbflndete Basilius^ so plötzlich
die Stadt seines Verbflndeten belagert und sie auch wirklich einnimmt
Woher dieser Umschwung? Bei der Beantwortung dieser Frage entfallen
von selbst die Erklärungen Earamzins, Makarius und Qolubinskis, warum
er Gherson angegriffen hat. Die beiden ersten sind der Meinung, daß
Vladimir zu stolz war, sich vor den Griechen durch das aufrichtige Be-
kenntnis seiner heidnischen Irrtümer zu erniedrigen und sie friedlich um
Taufe zu bitten (EapaMSHH'B, Hct. r. p. 129, ManapiH, Hot. p. j\. 14),
während Oolubinskij wieder glaubt, daß er darum Cherson angegriffen
habe, damit er als Sieger mit den Griechen verhandeln könnte, sonst
würden ihn die Griechen als ihren Untertan betrachtet haben, wenn er
auf friedlichem Wege von ihnen das Christentum angenommen hätte, an-
derseits habe er wieder eine griechische Prinzessin zur Frau haben wollen
(HcTopifl p. i^. 160). Ebensowenig kann uns ZaritneviS mit seiner An-
nahme zufrieden stellen, wonach Vladimir Cherson habe erobern wollen,
um Leute zu bekommen, die sein Volk im christlichen Glauben unter-
richten würden (RiaAHMip'B cb., 196). Viel Wahrscheinlichkeit hat die
Ansicht des Barons Rosen für sich, die darin gipfelt, daß Vladimir Basi-
lius mit den Waffen in der Hand zur Vollziehung der Heirat zwingen
mußte (HnnepaTopi Boc. £. 217). Es handelt sich bei dieser Frage um
die Bestimmung, wann die Heirat stattfinden sollte. Da wir den Wort-
laut des Vertrages nicht haben, so sind wir auf Vermutungen angewiesen.
Jedenfalls hätte das nach der Niederwerfung der Empörung Bardas Phokas
geschehen sollen. Vladimir erwartete den Ausgang des Krieges, wie oben
erwähnt, höchstwahrscheinlich in Tmutarakan, das damals zu Rußland
gehörte, ab. Da aber dieser Teil des Landes am Azowschen und Schwarzen
Meere, weit vom übrigen Rußland, lag, so hat er jedenfalls soviel Leute
gehabt, daß er vor allen etwaigen Überraschungen der PeSenegen sicher
war und sich die Rückkehr nach Eijew sicherte. Da Bardas Phokas bei
Abydos 13. April 989 gefallen (Poseu'B, Hmu. Bac., 25^®) und seine
Empörung damit geendet hat, so glaubte Vladimir, daß nun die Reihe an
Basilius sei, seinerseits die Bedingungen zu vollziehen und ihm seine
Schwester Anna zu schicken. Vladimir dürfte zu lang auf seine Brant
Drei Fragen ans der Taufe des heiligen Vladimir. 269
gewartet haben nnd weil sie nicht kam, griff er unerwartet Cherson an
(Poschs, Ibin. Bac. 217). Ihre Ankunft hat sich vielleicht dadurch ver-
zögert, daß sie eich weigerte zu gehen, wie uns das dieChronik (jAt. 108^)
und Ibn-el-Athir (BacHJLeBCidH, oxp. 147) bestätigen. Es ist selbstver-
ständlich, daß sie sich schwer entschließen konnte, als Opfer der Politik
soweit von den sonnigen Qelftnden des Bosporus in das düstere Barbaren-
land sich zu begeben und einen Menschen zu heiraten, vor dem sie eher
Abscheu als was anderes haben konnte, denn seine Weiberlust und sein
Brudermord sind ihr nicht unbekannt geblieben. Die Unterdrückung der
Empörung Bardas Phokas war eben vollendet, Basilius konnte leichter
atmen und vielleicht hoffte er sogar sich den schweren Bedingungen
Vladimirs zu entziehen, was Vladimir mit der Eroberung von Cherson
beantwortete. Dennoch scheint ein anderer Grund f&r diesen Vorgang
gewesen zujBcin. Wie oben erwähnt, war es Basilius daran gelegen, daß
die Bedingungen, unter welchen er von Vladimir die Hilfe bekommen
hftt, geheim gehalten werden. Nun würde man ihm auch nach dem Falle
Phokas verübelt haben, wenn er seine Schwester an den Barbaren Vladi-
mir verheiratet hätte, ohne einen besonderen Orund dafür gehabt zu
haben. Vielleicht lautete ein Punkt des Vertrages dahin, daß Vladimir
zur besümmten Zeit Cherson überfalle, um auf diese Weise scheinbar die
Hand Annas als Rekompensation fdr Cherson zu erhalten. Die Öffent-
liche Meinung würde gegen die auf solche Weise entstandene Ehe weniger
einzuwenden haben. Es ist wahr, daß wir dafür keine Beweise haben,
aber die Verhältnisse schließen diesen Fall nicht aus. Der Angriff Vladi-
mirs ließe sich noch auf eine andere Weise erklären: vielleicht war die
Stadt von Basilius abgefallen, um sich ebenfalls an Bardas Phokas an-
zuschließen. In beiden Fällen wird uns dadurch der Verrat des Griechen
Anastasius erklärlich^). In ganz anderem Lichte erscheint uns dieser
Verrat, wenn wir jenen Verräter Anastasius als einen Anhänger Basilius'
gelten lassen, der diesen Verrat im Interesse seines Herrn geübt hätte.
Eine Bestätigung dafOr sehen wir darin, daß Vladimir gar nicht im Sinne
gehabt, die Stadt für sich zu behalten. Aber auch Basilius mußte ein
großes Interesse daran gehabt haben, mit Vladimir auf friedlichem Fuße
1) In der Bekonstruktion der Chersonschen Legende ersetzt Sachmatov
den Namen >Ana8tasius€ durch den warägischen Namen >J^dbema< als den
Siteren (Kopcyn. 4er. 89). Jedenfalls ändert das an der Tatsache, daß Cherson
durch Verrat gefallen, nichts.
270 Stjepan Srkalj.
auch weiter zu leben, denn sonst stand ihm die Gefahr bevor, daß daa
Aushilfskorps gegen ihn auftreten, ebenso daß Vladimir sich auf die Seite
der Bulgaren schlagen konnte.
Welches immer der Grund zum Überfall gewesen sein mag, jedenfalla
war er zu einem sehr gflnstigen Zeitpunkt vorgenommen. Die Empörung
Bardas Phokas war zwar unterdrückt, seine Anhänger jedoch schlössen
sich an B. Sklerus an, den die Witwe des ersteren aus der Haft entlassen
hatte und der die versprengten Soldaten B. Phokas wieder an sich ge-
zogen, während im Westen noch immer die Bulgaren das Reich bedrohten.
Die Garnison von Cherson dürfte sehr gering gewesen sein, da den größten
Teil gewiß Basilius an sich gezogen hatte; die Stadt war ja ohnedies durch
das Bündnis mit Vladimir geschützt. Dennoch fand Vladimir einen ernsten
Widerstand, den die Bürger selbst organisiert hatten. Man kann nicht
wissen, wie lange die Belagerung gedauert, ob überhaupt Vladimir die
Stadt erobert hätte, wenn sie nicht durch Verrat ihm in die Hände ge-
spielt worden wäre.
Es ist ein Verdienst Vasiljevskis, den Zeitpunkt der Einnahme be-
stimmt zu haben. Die Stadt fiel nach April 989, aber noch vor Ende
Juli desselben Jahres. Am 7. April 989 erschien nämlich am nächt-
lichen Himmel eine Feuersäule, die nach Leo Diaconus die Einnahme
Ghersons durch die Tauroscythen und die Eroberung von Berröe durch
die Bulgaren ankündigte (175); am 27. Juli desselben Jahres war durch
längere Zeit ein Komet sichtbar, der nach Leo Diaconus (175 — 176} ein
Erdbeben voraussagte, das auch wirklich nach der Angabe VasUjevskis
am 25. Oktober 989 stattgefunden hat. Vor dem 13. April 989 ist es
ebenfalls nicht geschehen, da an diesem Tage die Bussen noch gegen
B. Phokas kämpften. Der Fall von Cherson fällt also Ende Juni oder an-
fangs Juli 989 (BacHJibeBCKiu, OTp. 156 — 158; FoseEX, Hunep. Bac.
E. 215)1). Sobolevskij setzt den Fall der Stadt in das Jahr 988, da er
mehr Glauben der späteren Aufzeichnung der Chronik schenkt als dem
Zeitgenossen Leo Diaconus, fOr den er annimmt, daß er die Begebenheiten
des Jahres 988 mit 989 vermengt habe (Foa'b Kpen^eHiii Bjt. ob., ^TeuiA
HecT. X. 6).
Sobald Vladimir Herr von Cherson wurde, schickte er zu den
1) Zavitnevi6 sucht zu beweisen, daß Cherson erst spät im Herbst 989
gefallen (0 MicTi h BpeMOEH Rpem. ob. Bä, h o roxi Kp. KiesxHH'B, TpyAu kIob-
CKOK xyx. aK. 147).
Drei Fragen ans der Taufe des heiligen Vladimir. 271
Kaiflem Gesandte*) mit der Drohang, daß er ebenso wie Oherson anch
Konstantinopel einnehmen werde, wenn sie ihm ihre Schwester nicht zur
Frau geben, d. h. wenn man den Vertrags Verpflichtungen nicht nach-
kommen sollte. Basilius wurde jedenfalls in eine Zwangslage gesetzt:
war dies im geheimen Vertrage, so konnte er leicht, ohne von der öffent-
lichen Meinung stark bedrängt zu werden, dem Wunsche Vladimirs ent-
sprechen, war es nicht darin besprochen, so mußte er es unter dem Drucke
der momentanen Situation tun, er durfte sich nicht mit Vladimir ttber-
werfen. Basilius schickte seine Schwester in Gefolgschaft von Priestern
und Großen nach Cherson, wo die Trauung stattfand^ Die Trauung
nahm der Bischof von Cherson in der Eathedralkirche der heiligen Sophie
▼or. Wir heben hervor, daß in Cherson nur die Trauung und nicht
die Taufe vorgenonmien wurde.
Durch die Geheimhaltung des Vertrages blieb auch der Ort, wo die
Taufe vorgenommen wurde, ftlr die Zeitgenossen ein Geheimnis. Dieser
Umstand ließ Raum für verschiedene Vermutungen und ermöglichte die
Bildung zweier Vitae Vladimirs, die sich hauptsächlich um zwei Mittel-
punkte gruppierten; die eine ist die chersonische Überlieferung, die wir
m der Chronik haben, und die zweite ist die Eljewsche — resp. Vasiljev-
Bche Überlieferung — deren Spuren wir, wie dies Sachmatov bewiesen,
ebenfaUfl in der Chronik finden. Ja, es gab noch andere Versionen
(xpysHe me rbslko CKaaKiOT'B, jiIt. 109**), die dem Chronisten so un-
wahrscheinlich schienen, daß er sie nicht einmal mitteüen wollte. Übri-
gens ist der Chronist von der Richtigkeit seiner Darstellung so flberzeugt,
daß er einfach sagt, »die anderen, die es nicht wissen, erzählen, daß er
in Kijew, wieder andere, daß er in Vasi^ev getauft wurde«. Rosen hält
die Version von der Taufe in Cherson ftlr die richtige (Himep. Bac. 219).
Wir ziehen aber die Meinung Golubinskis vor und sagen, daß er höchst-
wahrscheinlich in Vasiljev, s.w. von Ejjew, getauft wurde (Hct. p. i^. 1 3 3),
da dadurch die Taufe viel leichter geheim gehalten werden konnte. Schon
der Name selbst zeigt, daß er in irgendwelcher Beziehung mit Vladimir
steht, da bekanntlich Vladimir bei der Taufe den Namen Basilius be-
kommen hat. Weiter unten führen wir die umstände an, die uns ver-
snlaasen, die Taufe Vladimirs in das Jahr 987 zu verlegen; wenn also
Vladimir im Jahre 987 tatsächlich die Taufe annahm, wovon wir flber-
^) PacnpocTpaHHoe npoj. aurrie« gibt ihre Namen an : Oleg und ZdBbema
(HTOHiji HecT. JL 30).
272 S^epan Srknlj,
sengt sind, so entfiUlt Cherson ab Ort der Taufe von selbst Oben haben
wir erwähnt, daß die Chersonsehe Überlieferang die Taufe nach Cherson
verlegt ZarVerbreitong nnd Bestätigong dieser Oberlieferong trag außer
der Chersonschen Legende das Erz&hlen seiner »Druünac bei, die sich
während der Trauung in Cherson befand. J)iese konnte sehr leicht die
Zeremonie der Trauung mit der Zeremonie der Taufe verwechseln. Da
sich in Cherson auch ein TeU der Druüna taufen ließ (j^t. 109^}, so
haben einsselne gewiß erzfthlt, daß sie die Taufe damals genommen, als
sie mit Vladimir in Cherson gewesen, und so konnte die Version von
seiner Taufe in Cherson sehr leicht entstehen ^).
Wir haben schon erw&hnt, daß der Verfasser des »Ha^aJHUH cboa'b«
das »Skazanie« von der Taufe Vladimirs einfach in sein Werk aufge-
nommen hat Diese Erzählung war nicht nach Jahreszahlen verteilt, so
wie es auch die übrigen Vitae nicht waren (dieselben sind mitgeteilt in
»^TOHifl 0. HecT. jr.c), das hat erst der Verfasser des »Ha^. cboa^« be-
sorgt Diese Verteilung auf Jahre hat er so ungeschickt vorgenommen,
daß er in das Jahr 988 Ereignisse von zwei Jahren einreihte. 8o ist die
Taufe Vladimirs in das Jahr 988 gekommen. Dagegen erw&hnt eine
Quelle ausdrücklich, daß Vladimir im Jahre 987 getauft wurde, es ist das
»^TeHie 0 shtIh h o noryÖJieHiH 6x, cTpacTOTepni^ EopHca h FxiÖac
des Diakon Nestor (das bekanntlich aus dem Anfang des Xu. Jahrh.
stammt): >Ge 6h fi jri^TO 6000 h 400 h 90« (Cpe3HeBCKiH, GicaaaHifl o
CB. EopHci H rji%6i}, das würde das Jahr 982 geben; man sieht, daß
hier noch am Ende eine Zahl fehlt und tatsächlich haben andere Texte
noch die Zahl » 5« am Ende, also 6495 = 987. Es ist beim Abschreiben
der Buchstabe >e< == 5 weggefallen, weil der Abschreiber dieses >e«
ft\i »90-e« angenommen und einfach ausgelassen hat (rojiytfiiHCRiH,
HcTop. p. i^. 138^}. Diese Erklärung läßt auch Sobolevsldj zu, obwohl
er sich wann fOr das J. 988 einsetzt (Foa'b Kpen^. 5). Indirekt gibt das
J. 987 als das Jahr der Taufe der Mönch Jakob sowohl in dem »CRasa-
Hie cTpacTOTepnBipo cb. My^eHHKy EopHca h ri%6a<, wie in seiner
üoxBaia (rojyÖHHCKiH, 245) mit den Worten >IIo cbatoitb se Rpe-
o^eHBH noxHBe 6ä. khas'b BojtoAbnep'B 28 j^t'l«. Da wir sein Sterbejahr
1) Der Verfasser der Chersonschen Legende schöpfte aus der mündlichen
Überlieferung, ans den geschichtlichen Erzählungen und Gedichten, besonders
aus dem Oedichte von der Brautwerbung Vladimirs, sagt äachmatov in der
>Kopc. .1.« 60 n. 120—121. Übrigens glaubt äachmatov, daß die Taufe in Kijew
stattgefunden hat (ibid. 59).
Drei Fragen ani der Taufe des heüigen Vladimir. 27 3
genau in allen Quellen mit 11. Jnli 1015 angegeben finden, ao ergibt
1015 — 28 = 987. Dieselbe Angabe Aber die Lebenadaner naoh der
Tanfe mit der Zahl 28 finden wir noeh in vier anderen > Yitae« und swar
im »CiOBO 0 TOMi, KaKo Kpecracfl Bjia^^pDfipXy bo3mji KopcyvB«, im
»üpojoxHoe XHTie IIy($j.B]i6j.« (IIIaxxaTOBi, Kopczer. 40], weiter
im »PacnpocTpaHeHHoe npojoxHoe xsiie PyM. Mys. Nr. 435« (?Te-
Hifl HecT. J. 31) und im »Ap^BHee XHTie ob. Ri.< f?T. Heor. 16). In
die Bekonstroktion der »KopcyHCKafl jerenAa« stellt auch äaehnuitoy
diese Zahl (K. x. U9), meint aber, daß dieser Satz erst später eben ans
dieser Legende in das »JpeBHee s.« eingeschaltet wurde ßbid.21). Der
Mönch Jakob und das »JpeBHee x.« respektive »^poBHiämiH ji^t.ob.«
geben uns noch andere Angaben, aus denen wir auf das J. 987 als Tauf-
jahr schließen kOnnen: »Haxpyroe jiiTO no Kpen^emH k noporoiTB
xoxH, Ha TpeTbe xiTO KopcyH^ ropo^i b3h, Ha veTsepToe jAto ußp-
KOFI KaMeny cBjiTUfl Eoropo^Hi^a saioxH « und dann »flpo-
noiKa ytfmna b% Kuesft xyxH Bozo^HMepoBi. TS. &kßfi b'l Kucb^
Koaarh Bojoahm ep^ vh oomob jAto no OMepni oTi^a CBoero GBATocjaBa,
HicHAa nH>HJi vh 1 1-H AOHB, vh x^To 6486. KpeoTBxeoji khüs'b Bojio-
XHMeprB B*B A6CAToe xiTO no ytüeniH tipaTa CBoero flponojnca« (Toxy-
(Shhciqh, Hct. p. ^. 245, ?TeH.HecT. n.23)^). Das Jahr 987 als Jahr
der Taufe bestätigt auch der Fall von Cherson, der 989 geschah, also
im dritten Jahre nach der Taufe. Ebenso ergibt wieder das zehnte Jahr
nach der Ermordung Jaropolks, die 978 geschah, das J. 987. Qolubin-
sky wollte hier eine Korrektur insofeme vornehmen, daß er statt »AecH-
Toe X« »A^BflToe x.« setzt, wie er es in der I^onschen (L 25) und
Pskovschen Chronik (IV. 175 — zitiert nach Oolubinsky 131) fand.
Dies ist aber nicht notwendig, da das zehnte Jahr nach 978 das J. 987
ist, denn man nahm damals als erstes Jahr jenes, in welchem die Be-
gebenheit stattgefunden hat Sowohl Diakon Nestor, wie Jakob und das
>.2^BHee SL« haben aus derselben Quelle ihre Nachrichten geschöpft,
wir kennen sie schon, es ist dies das oben erwähnte » ApenH^HnoH x%t.
1) Das zweite Jahr nach der Taufe ging er zu den Stromschnellen, das
dritte Jahr nahm er die Stadt Cherson ein, das vierte Jahr gründete er die
ftefaieme Kirche der heiligen Muttergottes • »Die Leute Vladimirs töteten
Jaropolk in Kijew und der Fttrst Vladimir ließ sich in Kijew im achten Jahre
nach dem Tode seines Vaters Svjatoslav, am 11. Juni des J. 6486, nieder. Die
Taufe nahm der FUrst Vladimir im zehnten Jahre naoh der Ermordung seines
Bmders Jaropolk.«
ArckiT für tlftTiseh« Philologie. XXDL lg
274 SQepaa Sitny,
CB.<, in welchem sich die beiden »GicasaHie« yob der Taufe Vladimirs
der Kijewschen (Vasüjevsehen) und Gkeraonschen Überliefenmg wieder-
spiegeln (Oahhi van» hctov. 66) ^). Nach dea Untersaehungen Sachma-
toYS gehören die Begebenheiten, die uns die Chronik nnter dem J. 986
mitteilt, bis zn jener Stelle, wo Vladimir vom griechischen Philosophen
aufgefordert wurde, den christlichen Glauben anzunehmen, dem »CKasa-
nie« Yon der Taufe Vladimirs inEüJew, an, auf was wir bereits oben auf-
merksam gemacht haben (ibid. 67). Nun würde man nach dieser Auf-
forderung erwarten, daß Vladimir tatsftchlich das Christentum angenom-
men habe. Statt dessen erzählt uns der Chronist sofort weiter unter dem
J. 987 über die Beratung mit seinen Vornehmen und Stadtftltesten und
über die Sendung seiner Gesandten zum Studium anderer Religionen zu
den Bulgaren, Deutschen und Griechen, um so auf die Cheraonsche
Überlieferung zu kommen (ibid. 67). Hierher, meinen wir, gerade unter
das J. 987 gehört die Erzählung Yon der stattgefundenen Taufe in Eijew,
respektiYe Vasi^CY, die der Verfasser des »Ha^.ce.«, als er den »Apes-
H^HmiS Ä, c.« benützt, einfach ausgelassen, da er überzeugt war, daß
nur die Chersonsche Überlieferung die richtige ist. Der Verfasser des
»Ha^i. CB.« hat also mit der Kijewschen Überlieferung begonnen, den
Schluß weggelassen und mit der Chersonschen fortgesetzt und geendet
Die Chersonsche Überlieferung you der Taufe Vladimirs ist unter
dem Einflüsse der Chersonschen Geistlichkeit entstanden. Der Verfasser
konnte ein Nachkomme jener Chersonschen Geistlichen sein, die Vladimir
aus Cherson mitgenommen hat oder einer der später angekommenen
Geistlichen (IIIaxHaTOBrb, Kopc. ä. 60). Die Legende ist noch Yor dem
>Haii. CBOA'B« entstanden und hatte eben jene Tendenz der russischen
Literatur, die Ende des XI. Jahrh. zum Vorschem gekommen : zu be-
weisen, daß die russische Kirche auch durch das innere Leben innig mit
der griechischen Kirche Yerbunden ist Diese Tendenz unterstützten auch
die russischen Mönche und unter diesem Einflüsse stand auch der Ver-
fasser des »Ha?, cb.«, der, nach Yiden Merkmalen urteilend, Mönch in
>Mihailo-Vydubickischenc Kloster gewesen ist (ibid. 71 — 75 und 104).
^) SachmatOY hat in dieser Abhandlung gemeint, daß diese Kifewsche
Überlieferung die Taufe in das J. 986 setzt, weil er Yon der Voraassetzung
ausging, daß der Fall Chersons im J. 9S6 geschah (ibid. 6G— 67), in seiner letz-
ten Untersuchung über die »KopcyncKaii jer.« setzt er den Fall Ohenons ganz
korrekt nach dem »jltpesHiumiii z. c.< in das J. 989 (Kopc. z. 23) und fo^lich
die Taufe in das J. 987 (ibid. 59).
Drei Fragen ans der Taufe des heiligen Vladimir. 275
Um sber die Angaben der Ghersonschen Überlieferung, besonders den
Ort nnd das Jahr der Tanfe, als die einzig richtigen darzQsteilen, maßte
er alles meiden, was mit dieser Legende im Widerspruche war, und natttr-
lieh mußte er dieser Überlieferung auch die Chronologie dem entsprechend
anpassen, d. h. das Jahr der Taufe in das Jahr 988 versetzen. So rückte
er den Tod Jaropolks in das Jahr 6488 (= 980], die Niederlassung
Vladimirs ebenfalls in dieses Jahr, den Fall von Cfaerson in das Jahi-
6496 (3= 988), dabei hat er aber vergessen alle anderen Angaben dem-
entsprechend zu ändern; daher die Widersprüche im >Hav. cb.< und in
der »IIoB. sp. j.« und ebenso die Widersprüche mit den oben erwähnten
Quellen. —
Man könnte die Frage stdlen, wieso hiül>en die oben angeführten
Quellen das Jahr 987 als das Jahr der Taufe angeben können, sobald
die Taufe geheim vorgenommen wurde? Die Taufe konnte geheim ge-
halten werden bis zur Heirat Vladimirs; nach der stattgefundenen Trau-
ung sie auch weiterhin zu verheimlichen, war fOr Vladimir kein Qrund
mehr vorhanden, man konnte Sfhr leicht erfahren, wann und wo die
Taufe Stattgefunden hatte.
Nun können wir genau die Zeitfolge der oben erwähnten Zitate kon-
struieren: 11. Juni 6486 (978) bestieg Vladimir den fürstlichen Stuhl
von Eijew, das zehnte Jahr nach der Ermordung seines Bruders Jaropolk,
das ist 987, nahm er das Christentum an, 28 Jahre nach dessen An-
nahme, also 1015, starb er, das zweite Jahr nach der Taufe, also 988,
zog er gegen Porogi (Stromschndlen), eigentlich begleitet er sein Aus-
hUfskorps bis hierher und zieht höchstwahrscheinlich nach Tmutarakan,
das dritte Jahr, also 989, nahm er Cherson ein, was wir aus Vasiyev-
skis Studien wissen und vom Baron Rosen bestätigt wird, das vierte
Jahr, also 990, legte er den Grundstein zum Bau der steinernen Kirche
der heil. Muttergottes . . . .^).
Die Angaben über die Taufe Vladimirs sind bei Jahja etwas unklar,
80 daß man zum Schlüsse kommen könnte, daß Vladimir erst nach der Er-
oberung von Cherson das Christentum angenommen h&tte, was der Cher-
aonschen Überlieferung entsprechen würde. Um diesen Punkt klarzu-
1) Nach der Chronik faßte er den Gedanken dazu 989 (ji%T. 1 19B) nnd ließ
ihn ausführen, was auch im J. 990 geschehen konnte, da in der Chronik das
J. 990 fehlt; wir werden übrigens auch die Taufe des russischen Volkes strei-
fen und feststellen, daß dieselbe im J. 990 geschehen ist und die Kirche hat
er jedenfalls nach dieser Tat zu bauen begonnen.
18*
276 Stjepan Srkny,
legen, müssen wir die schon oben zitierte Stelle noeh einmal anfBliren:
». . . . nnd die Not zwang ihn zum Kaiser der Rassen zu schioken —
nnd sie waren seine Feinde — um bei ihnen in seiner gegenwärtigen
Lage Hilfe zu suchen. Und jener willigte ein. Und sie schlössen mitein-
ander einen Vertrag ab Aber Verwandtschaft und der Kaiser der Russen
heiratete die Schwester der Kaisers Basilius, als er ihm die Bedingnng^
stellte, daß er und das ganze Volk seines Landes, und sie waren ein
grofies Volk, das Christentum annehmen soll Und die Russen bekannten
sich damals zu keinem Glauben, und es schickte nachher (BaocjrtACTBiH)
Kaiser Basilius zu ihm Metropoliten und Bischöfe und sie tauften den
Kaiser und alle, die seine Lftnder umfaßten und er schickte zu ihm seine
Schwester und sie gründete viele Kirchen im Lande der Russen, und
als zwischen ihnen die Angelegenheit der Heirat entschieden wurde, kam
auch das Heer der Russen ...... Aus dem Kontext sehen wir, daß der
ganze Abschnitt von »und der Kaiser der Russen heiratete die Schwester c
bis inclusive »und sie gründete viele Kirchen im Lande der Russen«
zwischen Klammem gehört, da uns Jahja einfach die Heirat näher er-
klärt; er teilt uns eben mit, daß Vladimir die an ihn gestellte Bedingung
wirklich erfflUt hat, daß er und sein Volk das Christentum angenommen
haben, nachdem man ihm Metropoliten und Bischöfe und zuletzt auch die
Prinzessin Anna geschickt hatte. Jahja teilt einfach Tatsachen mit, die
ihm bekannt waren, unter diesen auch, daß Vladimir getauft wurde. Den-
noch blieb ihm die Tatsache unbekannt, daß Vladimir die Taufe bereita
angenommen, als der Vertrag mit Basilius perfekt wurde. Diese Begeben-
heit mußte ihm geheim geblieben sein, da er sie aus den byzantinischen
Quellen, die ihm zur Verftlgung standen, nicht entnehmen konnte, wäh-
rend ihm russische Quellen — denen sie nach der Taufe bekannt wurde —
unzugänglich waren. Nach dem bloßen Wortlaut des oben zitierten Pas-
sus Jahjas müßte man annehmen, daß Vladimir in der Tat 989 getauft
wurde, wie dies auch Baron Rosen tut, der die Taufe in den Spätsommer
oder Herbst des Jahres 989 verlegt (HMnep. Bac. 217), was sowohl der
Chersonschen Überlieferung, die sie in das Jahr 988 verlegt, wie auch
der Kijewschen (Vasiljevschen) Oberlieferung widerspricht. Uspenskij
geht noch weiter und sagt, daß Vladimir im Monate Juni oder Juli selbst
vor Konstantinopel erschien und daß ihm der bestürzte Basilius erst dann
die Schwester gab (^ypn. m. h., anp. 314 — 315). Auf das Jahr 987
als das Jahr der Annahme des Christentums durch Vladimir läßt schon
die Situation, in der sich Vladimir dem Kaiser Basilius gegenüber be-
Drei Fragen aoB der Taufe des heiligen Vladimir. 277
ündj BchließeiL Als ihn nimlioh Basilins 987 om Hilfe gegen Bardas
Phokas bat, haben die kaiserlichen Gesandten außerordentüeheVollmaoht
bekommen müssen, nm auf alle Bedingungen Vladimirs eingehen zu kön-
nen. Ob sie anch Aber die Hand der Porphyrogeneta yerfngen konnten,
wissen wir natflrlieh nicht, als sicher kann man nnr sagen, daß die Per-
fektionierong des Vertrages in Eonstantmopel stattgefunden haben mußte.
Vladimir war sich vollkommen bewußt, daß Basilius nur durch die
Jlnßerste Not gezwungen wurde, diese schwere Bedingung anzunehmen
nnd daß er vielleicht Gelegenheit gesucht haben wflrde, sich dieser er-
niedrigenden Bedingung zu entledigen, sobald sich nur ein Anlaß finden
könnte, nnd einen Anlaß zu finden wftre leicht gewesen, wenn Vladimir
nicht allen Vertragspunkten nachgekommen wäre. Um jede solche Even-
tualität auszuschließen, nahm er noch vor dem Abgange des Aushub-
korps und in Gegenwart der griechischen Gesandtschaft das Ohristentum
an, folglich anch vor dem Zuge nach den Stromschnellen oder Tmntarsr-
kan. Durch seine Anwesenheit in Tmutarakan zeigte Vladinur, daß es ihm
mit dem Vertrage ernst war, auch war es in seinem Interesse, daß Basilius
seinerseits möglichst firflh die Bedingungen erfUle. Die ErfUlung wflrde
sich aber in die Länge gezogen haben, wenn man Vladimir erst nach der
Unterdrückung der Empörung Bardas Phokas durch griechische Metro-
politen und Bischöfe in der christlichen Religion hätte unterrichten mflssen,
dadurch könnte Basilius Zeit gewinnen, in der sich eine Möglichkeit zum
Vertragsbruche gegeben hätte. Aber anch der stflrmische Charakter
Vladimirs ließ ein solches Indielängeziehen der Heirat nicht zu. Schon
diese Situation an sich selbst verlangt, daß die Taufe Vladimirs in das
Ende des Jahres 987 fällt, wozu uns auch PseUus in der oben er-
wähnten Stelle ermächtigt, wonach die Ankunft des AushiUBkorps kurz
vor dem Anlangen Bardas Phokas am Bosporus und den Dardanellen
erfolgte.
Mit der Heirat Vladimirs bringt Regel auch die Frage vom Kaiser-
tttel in Zusammenhang. Er will beweisen, daß die beiden Kaiser nebst
der Schwester durch ihre Gesandten den Bischof von Ephesus und Epar^
ehoB von Antiochia auch kaiserliche Insignien geschickt haben und ihm
den Titel ^ßaailavg* verUehen haben. Aber seine Beweise: 1) daß
Vladimir auf den alten russischen Mflnzen mit kaiserlicher Ejrone auf dem
Kopfe, in der rechten Hand das Sceptrum mit dem Kreuze, in der linken
«n Emblem, das leicht die »Akakiac vorstellen könnte, erscheint, 2) die
Fragmente des Toparcha Goticus und 3) der Titel »Oarica«, den seine
278 S^epan Srkag,
Gemahlin, die PriiUBesBin Anna, fflhrt, Bind nicht stichhaltig^). Wen»
Vladimir wirklich den Kaisertitel erhalten hätte, so wflrde man dies so-
wohl in den Qnellen wie auch anf den Mfinzen geprägt gefanden haben,
während sich anf den HUnzen in Wirklichkeit nnr » B ja^Hirap^ na oroA « ')
befindet Die Fragmente des Toparcha (Joticns beziehen sich, wie dies
Westbeig (nnter Mithilfe der Astronomen Kononovii m Odessa nndVisli-
cenins in Straßbnrg) bewiesen, auf das Jahr 963 (Westberg, Fragmente
d. Top. 0., 117) nnd wenn sich anch diese Fragmente in der Tat anf die
Zeit Vladimirs beziehen wfirden, so bedentet dennoch das Wot ^ßaci-
Isvovra^ (so wird nämlich jener Fflrst, der nördlich von der Denan wohnt,
genannt) nicht ^ßaaiXevg* selbst, noch weniger, daß dieser »ßaatXevg*
Vladimir gewesen ist. Die »Carica« Anna fahrte diesen Titel, weil sie
ans einer kaiserlichen Familie stammte. In der altrassischen Literatur
haben wir eine Nachricht, die man fttr diesen Fall als Beweis anflShrt;
es ist die »Sage vom babylonischen Reich«, in der erzählt wird, daft
Vladimir vom Kaiser Basilins den ganzen kaiserlichen Byssns bekommen
habe nnd daß er seit dieser Zeit nnter dem Namen »Monomach« bekannt
gewesen ist (A. Wesseloffskj, die Sage v. bab. Reich, Archir U, 142 bis
1 43). Wie wir sehen, wird hier der Name des Vladimir Svjatoslayii mit
dem Namen des Vladimir Monomachos verwechselt, da Kaiser Basilins
ein Zeitgenosse unseres Vladimir ist. Da wir für diese Nachrichten,
sowie anch fär die Behanptnng der mssischen Gesandten beim polnischen
König Sigismnnd Angnstns, 1554 (infolgedessen, daß Ivan IV. Vasiljevi&
den Kaisertitel angenommen) nnd der Behanptnng der mssischen Boljaren
vor den polnischen Gesandten 1556, daß den heil. Vladimir Kaiser Basi-
lins nnd der Patriarch mit der kaiserlichen Krone damals gekrönt, als
sie ihn getanft haben'), gar keine, weder rassische noch byzantinisch-
arabische Qnellen bis ins XVI. Jahrh. besitzen, so entfallen anch die Be-
hanptnngen Regeis von selbst; Vladimir hat weder den Kaisertitel, noch
die kaiserHchen Insignien empfangen.
Die Heirat Vladimirs mit der Prinzessin Anna (geboren am 1 3. März
963 — Gfrörer, Byz. Gesch. U. 483) hat im Herbst des Jahres 989 statt-
^) Da mir das Werk Regeis » Analecta Byzantino«Rassica« nnzagänglich
war, so berichte ich nach der im ^TPntLjn m. H.n.a]ipija 1892 von R-skij (428)
mitgeteilten Kritik.
S) Die Münzen sind in Schlombergers »L*£pop6e« angegeben.
S) H. n. S^BOB-L, IIoBiCTH 0 BaBB.KOBt H »GsasaBie 0 KBJisixi Bjugooiip-
cxBXi« pSypsaji m. b. n., okt. 1891, 328).
Drei Fragen aiu der Tanfe det heiligen Vladimir. 279
gefanden. Sie sflldte also 26 Jahre, als sie an Vladimir gegen ihren
eigenen Willen nnd im Interesse des Staates und der Dynastie verheiratet
wurde. Obwohl nns der Chronist außer ihrem Tod im Jahre 1011 gar
Biehts an berichten weiß, können wir dennoch nach der oben dtierten
Stelle ans Jahja schließen, daß sie sich mit Eifer der Verbreitung des
ehiistlichen Glaubens hingab.
Man kann nicht feststellen, ob Vladimir noch in demselben Jahre,
in welchem die Trauung stattgefunden hat, nach Eijew zurflckgekehrt
war oder erst im Frflhjahr des Jahres 990, es steht aber fest, daß die
Taufe des russischen Volkes, d. h. der Kijewljanen (denn diese muß man
anter dem russischen Volke verstehen), in diesem Jahre stattgefunden
hat, da man eine Taufe »en masse« im Spätherbst oder gar im Winter
am Flusse nicht vornehmen kann. Obwohl diese Zeitbestimmung außer-
halb unserer Au%abe liegt, mttissen wir dennoch auf einen Beweis auf«
merksam machen. Sachmatov hat in einem Aufsatze, der im Journal des
Ministeriums der Volksauf klärung im April des Jahres 1897 erschienen
war: »Xponoxorifl ^qpeBHimumx'B pyccKHZ'B jiri^TonHCHUxx cboaob'b«,
darauf hingewiesen, daß der Verfasser der 2. Redaktion der »ÜOBicTi»
Bp. rkTh€ Verbesserungen vornahm und Zus&tze hinauf ttgte und hat dies
alles mit chronologisdier Übersicht unter dem Jahre 887 angegeben:
On MnzaHJia i^apfl ao Kpen^enifl Eojn'apcKOH scmje jAtl 17 (6360 —
6377), a OTB Kpen^eidH ao npej^oxeiiia khhtb Atl 29 (6377 — 6406);
a OTi npejioxenifl khhtb ho Kpen^ema FyecKiH seiUH Attl 92 (6406
ins 6498), ot% Kpen^emff Pyccidfl seMJiH ao CMcpTH BojiOAHiiHpoBU 25
Avh H fif> y6ieHifl EopHca h rjB[%($a ; oti yriiema EopHca h Tj^äa ao
npcHecenifl mou^. ä. 57 1) (XpoHOJiorifl, 480). Fflr uns sind am wichtig-
sten die Angaben von der Übersetzung der Bücher bis zur Taufe und
?on der Taufe bis zu seinem Tode, resp. der Ermordung der heiligen
Brflder Boris und Gleb. Die Übersetsung fand im Jahre 6406 statt, bis
zur Annahme des Christentums sind 92 Jahre vergangen, was 6498 oder
990 nach Chr. ergibt. Von der Taufe des russischen Volkes bis zum
Tode Vladimirs sind 25 Jahre vergangen; da Vladimir im Jahre 1015
1) Hier die Obersetzung: »VomEIaiser Hihael bis zur Taufe des Bulgaren-
laades sind 17 Jahre, und von der Taufe bis zur Übersetzung der Bücher sind
29 Jahre, von der Übersetzung der Bücher bis zur Taufe des Bussenlandes
sind 92 Jahre, von der Tanfe des Bussenlandes bis zum Tode Vladimirs 25
Jahre und bis zur Ermordung Boris und Glebs; von der Ennordung Boris und
Glebs bis zur Übertragung der Bellquien 57 Jahre«.
280 S^epan SikoU»
gestorben ist, so ergabt das, 25 abgereehnet, wieder das Jahr 990. Yer-
gleiehen wir diese Angaben mit unserer oben erwShnten Stelle, daß die
Taufe des mssisehen Volkes erst im Jahre 990 Torg^onunen werden
konnte, so gelangen wir zn dem Schlnsse, daß die Tanfe der Eljew^anen
in der Tat in das Jahr 990 gehört i).
Von den westlichen Chronisten, die die Taufe berühren, bringen
wir nur den Berieht Thietmars, weil er uns mit einigen Worten die Char-
rakteristik Vladimirs entwirft, die seinem Charakter vor der Taufe voll-
kommen entspricht: »Vladimir nahm sich eine Frau aus Griechenland,
Helene (I), die mit Otto m. verlobt war, ihm aber tflckischerweise ent-
rissen wurde. Auf ihr Zureden nahm er den christlichen Glauben an,
aber er schmtlckte ihn nicht mit guten Taten. Er war ein unersätt-
licher Schwelger und blutdflrstig und fügte den verweichlichten Da-
naem viel Böses zu« (Chronic, lib. Vn. c. 52)^).
Aus unserer Untersuchung ergeben sich folgende Tatsachen:
I. Vladimir wurde Alleinherrscher von Bußland 978.
n. Auf die Bildung der Legende von der Taufe wirkten außer der
Vita Boris auch die Gesandtschaften der Griechen, Bulgaren und der
Deutschen (der Eiuserin Theophano oder des Papstes).
in. Der eigentliche Grund der Tanfe Vladimirs war der Wunsch,
die Hand der Prinzessin Anna zu gewinnen; der christliche Glaube war
also nur ein Mittel dieses Ziel zu erreichen, wie der alte heidnische Glaube
nur ein Mittel war, um die Herrschaft Aber Bußland zn erlangen. Die
mißliche Lage, in der sich die beiden Kaiser, Basilius U. und Konatan-
tinus VIIL, befanden, kam ihm ungemein zu statten.
IV. Die Taufe hat er am Ende des Jahres 987 angenommen. Sie
fand geheim und in Gegenwart der griechischen Gesandtschaft statt, und
zwar höchstwahrscheinlich in Vasi^jev. Die Geheimhaltung war durch
den Vertrag mit Basilius bedingt.-
^) Golubinskij (Hex. p. n. 146) und Zavitn6vi6 (0 iiicrt k Bp. spem. 151)
setzen ebenfalls die Tanfe des russischen Volkes in das J. 990, Jene Vladimirs
in das J. 987.
>) Während Tfaietmar wenigstens eine dunkle Ahnung von der Tanfe
hat, schreiben zwei andere westliche Chronisten, Peter Damianus (f 1072) und
der Inteipolator der Chronik Adhemars (der im XH. Jahrh. gelebt), die Tanfe
dem MissionSr Brun zu (^optebckIk, Kpeni. xb. fixuaifipa h Pycs no Moax-
nwwh BSBiCTam, ^tobIb HecT. j[. 124).
Brei Fragen ans der Taufe des heiligen Vladimir. 281
V. Nach dem Tode des Gegenkaisers Bardaa Phokaa zOgerte Basi-
lins (vielleicht im geheimen Einvernehmen mit Vladimir) mit der An&-
fthmng des Vertrages. Vladimir aber, der fttr diesen Fall vorbereitet
war, zwang ihn dnrch den unerwarteten nnd gelungenen Überfall anf
Cheraon zur Ansf&hmng des Vertrages. Daher fand die Tranong im
Jahre 989 statt, nnd Vladimir verzichtete anf Cherson.
VI. Die Taufe der Eljew^anen resp. des russischen Volkes fand im
Jahre 990 statt.
Vn. Wenn auch Basißus durch den Zwang der Umstände dem
Wunsche Vladimirs willfahren mußte, hat dennoch dieses verwandtschaft-
liche Band dem byzantinischen Reiche ungemein große Vorteile gebracht.
Vladimir und durch ihn Bußland wurde an byzantinische Interessen ge-
bunden, mußte einen Teil seines Heeres den Byzantinern zur Verfügung
stellen und dadurch den Untergang des bulgarischen Reiches ermöglichen,
aber auch Russen wurden von Eonstantinopel femgehalten.
Vm. Jener Zweck, den Uspenskij den Russen jener Zeit, also auch
Vladimir unterschiebt, daß nämlich die Russen zur Oberzeugung gekom-
men, daß sie einen viel größeren Einfluß auf die Geschichte der Bul-
garen und des byzantinischen Reiches als Christen haben werden als
Heiden (Pyci» h BHsaHTiH, 37), ging nicht in Erfttllung, denn der Ein-
floß Rußlands im Sflden hört eben mit der Vernichtung des bulgarischen
Reiches anf.
IX. Durch die Hilfeleistung wurde Rußlands Heeresmacht schwächer,
es konnte g^en die PeSenegen nicht energisch auftreten und mußte die
Grenze durch Zäune, kleine Festungen und Wachthäuser geschfltzt wer-
den. Aber eben dieser Umstand hinderte die Vergeudung der nationalen
Kräfte auf verschiedene wüste Zflge (wie zu Bvjatoslavs Zeiten) und lenkte
Vladimir auf den Pfad der Organisation des Reiches, wo sich sein orga-
nisatorisches Talent ausgebildet hat. Das Christentum wurde mit Eifer
verbreitet und dieses stellte fttr die Folge ein gemeinsames Band ver-
Bchiedener Völker und Stänmie, die den russischen Staat bildeten, dar.
In diesen Friedensjahren tritt unter Einwirkung Annas und der Griechen
die Weichheit des Charakters und die Gutmütigkeit Vladimirs, die ihm
soviel Sympathien in- und außerhalb des Landes verschafft haben, immer
mehr in den Vordergrund.
Dr. Stjepan Srkulj.
282
Beiträge zur Quellenkritik einiger altmssisclier
Denkmäler.
Der verehrte Altmeister der Slayistik nnd für knrze Zeit auch mein
Lehrer, Hofrat Prof. V. Jagid hat einst im Semmarium den tiefsinnigen Aus-
sprach getan: die Bücher sind dazu da, um gelesen zu werden. Je mehr
ich mich in die ältesten Denkmäler der nissischen, spezieller gesagt der
südrassischen Literatur hineinlese und mich in der sie erklärenden
Literatur orientiere, desto öfter kommt mir der Gedanke, diese Denk-
mäler wären bisher mehr stadiert, mehr nach Citaten dorchgestöbert, als
wirklich gelesen, mit literarisch gebildeten Augen gelesen worden. Trota
der ungeheueren kritischen Arbeit, welche ihnen im Laufe des XTX. nnd
am Anfang des laufenden Jahrhunderts zugewendet wurde, trotz des oft
beneidenswerten Eifers und der bewundernswerten Kriticität und Scharf-
sinnigkeit mancher Forscher — die groEe Gemeinde der Nachbeter nicht
zu erwähnen — finden sich noch immer und immer Punkte, wo die
Arbeit fast nicht begonnen oder an unrechter Stelle begonnen wurde, wo
veraltete Doktrinen oder sogar Dogmen den freien Ausblick verlegen
und ein freies Urteil hindern. Lediglich als ein Dilettant (Geschichte ist
ja nicht mein Fach) und als Literaturhistoriker, gegenwärtig an einer
zwar nicht erschöpfenden, aber doch nach Möglichkeit den modernen
Ansprüchen entsprechenden Literaturgeschichte SüdruBlands (Ukraine)
arbeitend, war ich bemüssigt, mich vor allem an die Urquellen zu halten
und die bisher existierenden Bearbeitungen der alten, vormongolischen
Literatur nur als sekundäres Hilfsmittel zu gebrauchen. Das wichtigste
für mich war, von der eigenen Lektüre der Denkmäler einen möglichst
unbefangenen, literatur- kritischen Eindruck zu bekommen, was mich in
vielen Fällen zu etwas unerwarteten Folgerungen führte, welche hie und
da den Fachforschem vielleicht sich nützlich erweisen können, mir
wenigstens aber diskutierbar erscheinen. In einer anspruchlosen, populär
gehaltenen Literaturgeschichte ist für keine weitläufige wissenschafiliehe
Beweisführung Platz, und so wäre ich der Redaktion des »Archiv fttr die
slav. Philologie« sehr dankbar, wenn sie es mir vergönnte, wenigstens
einige der von mir beobachteten Phänomene hier in Kürze zu beleuchten
und meine Ansichten darüber zu motivieren.
Beiträge zur Quellenkritik einiger altruBBischer Denkmäler. 283
Ich möchte den drei wichtigsten altrnssischen Denkmälern: dem
üe^epeKiH HaTepHKit, der ältesten, sogenannten Nestorehronik nnd dem
allgemein bekannten »Gjobo o junxy Hropeet« meine Anfmerksanüceit
anwenden. Natürlich werde ich diese Denkmäler nicht einer umfassenden
Analyse unterziehen^ noch auch das von ihnen bereits Gesagte und VoU-
gflltige wiederholen oder auch nur hervorheben; das meiste davon ist ja
allen Slavisten mehr oder weniger bekannt. Ich berühre nur Punkte, wo
ich etwas Neues zu haben vermeine.
L Quellen der drei Paterlklegenden.
In dem Journal »Ejjevskaja Starina«, 1906, März-April, hat der
junge Eajever Gelehrte H. Barac eine kleine Abhandlung »Erzählungen
und Legenden des altrussischen Schrifttums, welche zu den Juden und
dem Judentum in Beziehung stehen,« veröffentlicht, eigentlich N. 1 einer
gröAeren Arbeit In diesem ersten Kapitel (das zweite ist heuer in N. 3
der neugegrOndeten Zeitschrift »Ukraina,« welche das Vermächtnis der
eingegangenen »Kijevskaja Starina« übernommen hat, erschienen] hebt
der Verfasser, offenbar ein Judophile, die bisher sehr wenig bekannte
>Tatsaehe« hervor, daß die bisherige Darstellung des altrussischen Lebens
in Beziehung auf die Judenverhältnisse sehr mangelhaft ist. »Es ist
genug, daran zu erinnern, wie grausam und unerbittlich das heilige
Prinzip der Glaubenstoleranz und Religionsfreiheit in unserem Vaterlande
vergewaltigt wurde, besonders in Bezug auf das jüdische Volk. Eine
Masse himmelschreiender Tatsachen der Vergewaltigung der jüdischen
Beligionsüberzeugungen bergen alte Tafeln in stummen Überlieferungen.«
Die Aasdrucksweise war zu poetisch und dabei zu kategorisch, um nicht
die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Organe auf sich zu lenken.
Doch war die Ausführung dieser Ansicht des H. Barac nicht so schlagend,
wie es die Ausdrucksweise verhieß. Erstens hat H. Barac vergessen,
jene Religion nachzuweisen, welche auf dem »heiligen Prinzip der
Glaubenstoleranz« aufgebaut ist, und zweitens war seine Beweisführung
f&r Altrußland und die darin grausam und unerbittlich vergewaltigten
Juden auch nicht ganz sattelfest H. Barac wies auf zwei im PeSerskij
Paterik enthaltene Erzählungen hin und hat sie für zeitgenössisches Ver-
ständnis gehörig präpariert Hier die Erzählungen, welche ich wörtlich
zitiere, da H. Barac, wie er selbst bekennt, das Original nicht kennt und
seine Weisheit nur aus Vorlesungen des verst Prof. Mafysevskij schöpft.
284 Ivfti^ Franko,
»Ho cf naKu Alsno icTk Hduik HcnoB*bAaTH, Na npoHff
noxBaafH'ff easKHaro (♦coAOcYn) cKaaaHlTiuk hohth, h uhcc iv
HfU'k A^^'l'^HH^ HCTHHHO HCnOBlSA^>01|Ji f^KI HO Vfii'k HUIfU*k
Ic X*£ TOrO pBIHIC. Gi BO H CHI^I WBUMaH HUAIUI BA9KHIJH,
UKO 3KC UHOraSKAU B H01|JH B'kCTaA H WTaH BCkX"*^ **^X^
^Kaujf K ^KHAOUik H T'Kxik npfHHpaA f}Kf w XpcTt:, KOpA m§
H A^CA^AA TtlUlk, UKO (VmiTHHKU H EfSaKOHHHKU T^KX""^
HapHu^aA. HCaAauic bo fxcf iv Xpert: HcnoBt^A^HiH o^BkfHy
Prof. Matysevskij hat diese Erzählung so interpretiert, daß diese
Nachtwandemngen des Theodosius in das vom Pe5ersk siemlich entfernte
Eijever Judenviertel wegen irgendwelcher religiöser Versammlangen
der Juden unternommen wurden, daß wahrscheinlioh diese Ver-
sammlungen nicht nur von Juden, sondern auch von russischen Christen
besucht wurden und daß Theodosius wahrscheinlich auf diesen
religiösen Versammlungen nur zu dem Zweck erschien, um die jüdischen
Rftnke gegen die Christen zu demaskieren und russische Christen vor
jüdischen Lügen zu bewahren. H. Barac verwirft diese Hypothese, aber
nur dazu, um seine eigene dafür zu setzen. Diese Hypothese lautet wie
folgt: »Da in der Zeit des Theodosius, sowohl vor als auch nach ihm,
die Juden in Rußland mit allen Mitteln gezwungen wurden, zum Christen-
tum überzutreten, so griff man nicht selten auch zu richtigen Zwangs-
mitteln. Natürlich blieben die erzwungenen Neophyten insgeheim Juden
und verließen das Christentum offen bei der ersten Möglichkeit. Es ist
natürlich anzunehmen, daß solche Abtrünnige in Bußland nach Ent-
deckung ihrer Schuld in die Klöster zur geistlichen Obrigkeit behufs Ein-
redung und Belehrung geschickt wurden. Solcher, scheinbar zum
Christentum bekehrter Juden war aller Wahrscheinlichkeit nach
auch in der Pe&erskaja Lavra eine große Menge verschickt, wo sie, man
muß es vermuten, sich nächtlicherweile behufs Verrichtung des Ge-
betes und jüdischer Glaubensriten versammelten. Diese Scheinchristen,
welche insgeheim am Judentum festhielten, hatte also Theodosius in
sorgsamster Überwachung. Den Mönchsbrttdem nicht trauend, stand er
vielmals in der Nacht auf und ging persönlich, vor allen insgeheim, aus
1) IlaMiiTHHRH pyccKou jiHTepaxypBi Xn h XHI BiKOBX, H8ff. Bjiaxnfipom
AKOBseBLiKi. GnöyprL 1872, S. XLIX— L.
Beitritge zur Qaellenkritik einiger altrassischer DenkmlÜer. 285
seinen Zellen zu den in das Kloster zur Bekehmng versohiokten Konver-
titen, disputierte mit ihnen, tadelte nnd beschämte sie als Abtrflnnige
nnd Yerlen^er des Ghristentnms, wobei er wirklich riskierte, irgend
welche Unbill von ihnen zu erleiden.«
Es wftre vielleicht wirklich etwas Wahrscheinliches daran, wenn
sich anch die leiseste Spnr eines reellen Beweises dafür finden ließe, daß
es in Altroßland wirklich solche Solovki-KlOster, wie wir sie in Rußland
im XVI. — XVn. Jahrb. im Gebranch sehen, gegeben habe, aber wir
finden keine Spnr davon. Dabei spricht der Verfasser der TheodoBins-
legende von keinen Konvertiten, sondern von Juden sans phrase, er-
wfthnt keine Unbill, der er sich aussetzte, sondern spridit von seiner
Hoffiiung, fflr seine Provokationen und Schmähungen von den Juden den
Tod zu erleiden. Wir besitzen keinen Schein des Beweises, daß im
alten Rußland Juden je zur Taufe gezwungen wurden, desto weniger,
daß sie dann abfielen, insgeheim am Judentume festhielten und in Klöster
verschickt wurden. Statt eines altrussischen Dokumentes zitiert H. Barac
nur einen Beschluß der Konstantinopeler Synode vom J. 786 über die
Juden, welche (ohne Zwang] mit unreinen Zielen das Christentum an-
nehmen. Tatsachen, wie er sie braucht, findet er ftlr jene Zeit nur in
Spanien, — er hätte sie vielleicht auch in Italien, Frankreich oder Eng-
land finden können, aber ftlr Altrußland passen sie gewiß gar nicht.
Aber nein, H. Barac hat dennoch einen Beweis erbracht, einen alt-
ruBsisohen und sogar einen solchen, den er in demselben Paterikon ge-
funden hat. Es ist nichts weniger, als die allgemein bekannte Erzählung
von dem Nikita Zatvomik, einem jungen Mönche, welcher aus B^erde
nach einsamem Höhlenleben sich in einer Höhle vermauerte, dort nach
einer gewissen Zeit der Vision eines Engels gewürdigt wurde, welcher
ihm gebot, nicht selbst zu beten — er werde selbst ftlr ihn beten, Nikita
aber soU sich nur fleißig aufs Bücherlesen legen. So las denn Nikita
die heilige Schrift, aber nur das alte Testament, während er das neue
weder lesen noch sogar anhören konnte. Er bekam einen prophetischen
Geizt, disputierte gewaltig und zitierte hebräisch, bis es den heiligen
Vätern des Höhlenklosters (unter ihnen wird auch Nestor, der Verfasser
der Chronik, namhaft gemacht) zu viel wurde, sie ihn aus seiner Ver-
mauerung hervorholten und tüchtig exorzierten, so daß ihm Hören und
Sehen verging und er eine geraume Zeit ganz bewußtlos lag; als er aber
vollkommen zu sich kam, zeigte sich zum höchsten Erstaunen der heiligen
Väter, daß Nikita nicht nur kein Sterbenswörtchen hebräisch, sondern
286 Iwan Franko,
nicht einmal lesen nnd schreiben könne nnd daß er nie ein Wort der
heiligen Schrift gelesen zn haben sich ei-innem könne. Er sah seine
Verirmng — fügt der Erzähler hinzu, tat reichlich Buße nnd wurde
später Erzbischof von Novgorod.
Wie erklärt nun H. Barac diese wundersame Geschichte? Ganz
einfach: dieser Nikita war ja so ein jüdischer Konvertit, welcher mit
Gewalt im Kloster eingeschlossen wurde; der Engel, der ihm dort er-
schien, war irgend ein jüdischer Rabbiner, das übrige möge man sich
auslegen wie man will, besonders da auch Parallelen nur aus abend-
ländischen Quellen angeführt werden, welche weder zur Nikita- Legende
passen, noch auch das Geringste in derselben erklären können.
In meiner Rezension über diese Arbeit (SannKCH Hayic. tob. Im.
Hles^eHKa 1906, Bd. LXXn, S. 190 — 193) habe ich auf die Grund-
losigkeit einer solchen Interpretation der Pateriklegenden hingewiesen
und machte die Bemerkung, daß es doch notwendig sei, bevor man solche
Erzählungen zur Rekonstruktion historischer Tatsachen gebraucht, zuerst
eine literarische Kritik an ihnen zu üben, um sich zu überzeugen, ob sie
überhaupt für eine historische Konstruktion tragf^hig sind. Die Vita
Theodosii ist ein authentisches Werk Nestors, nebenbei aber in seiner
literarischen Form ganz und gar unoriginell. Nestor hat yerschiedene
griechische Heiligenleben zur stilistischen Verzierung seiner Tatsachen
benutzt. Bereits im J. 1896 im ersten Bande der Hsb^ctIh ot;^^^.
pyccKaro H3i»nca h cjosecHOCTH hat äachmatov die stilistische und teil-
weise sogar die sachliche Abhängigkeit der Vita Theodosii von der alt-
russischen Übersetzung der griechischen Vita Sabbae (^nrie Gasu
IIpeocBHn^eHiiaro) nachgewiesen. Dies genügt vollkommen, um auch
die an ihrem Platze in der Vita Theodosii ziemlich unklare und unwahr-
scheinliche Notiz über die nächtlichen Besuche der Judenversammlungen
vom Theodosius als eine fremdartige, hier nur mechanisch eingeschaltete
Floskel zu betrachten.
In dieser Frage ist die von H. Barac zitierte Erzählung vom Nikita
Zatvomik entscheidend. Diese Erzählung ist mit wenigen Abweichui^en
einer griechischen Asketenerzählung nachgemacht, welche in die be-
kannte und ebenfalls sehr früh in Altrußland übersetzte Kompilation
»Pandekte Nikons vom schwarzen Beige < (üaHAeKT'B HiiKOHa^epHoropi^)
aus einer sehr allgemein bezeichneten Quelle einbezogen wurde. Da das
ganze große Werk Nikons bisher weder griechisch noch kirchenslavisch
gedruckt wurde, so wird es vielleicht für die weiteren Forscher von
Beiträge zur Qaellenkritik einiger altrnBsischer Denkmäler. 287
Nutzen sein, wenn ich den Text dieser Erz&hlnng ans einer Handschrift
des Lembeiiger Basilianerklosters in wörtlicher Übersetzung veröffentliche.
»Ein gewisser Mönch Namens Gregorins erzählte, ihm sei das Ver-
langen gekommen, nach Jerusalem zu gehen und die Auferstehungskirche
Christi sowie andere heilige Plätze dort zu besuchen. Ich ging also
und kam an einen Platz und fand dort ein^i hohen Fels und darin eine
Höhle und unter dem Felsen ein Kloster. Und die Mönche dieses
Klosters sagten mir, unlängst habe einer von unseren Brfldem den
Wunsch geäußert, sich in jener Höhle abzusondern und fragte darttber
den Prior. Dieser kluge Mann sprach aber zu ihm: »0 Kind, wie wirst
du dich in jener Höhle allein absondern, wenn du die Leidenschaften
deines Körpers und deiner Seele noch nicht besiegt hast? Wer ins
Schweigen flbergehen will, soll ein Lehrer und nicht ein der Lehre Be-
dürftiger sein. Du aber, ohne noch dieses Maß erreicht zu haben,
bittest meine Wenigkeit, daß ich dich in dieser Höhle einsam leben lasse.
Ich sehe aber, du kennst die verschiedenen dämonischen Finten nicht. Viel
besser für dich ist, den Vätern zu dienen und ihre Gebete zu empfangen
und nut Urnen in geziemenden Zeitpunkten Ruhm und Lob des Herrn des
Weltalls zu singen, als allein im Kampfe mit unreinen Gedanken zu
leben. Hast du denn nicht gehört, wie unser Vater Johannes Klimax
geschrieben hat: »Wehe dem Einsamen, denn wenn ihn Wehmut oder
Faulheit übermannt, kann ihn kein Mensch emporrichten; wo aber zwei
oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte —
sprach der Herr.«
Dies und Ähnliches sprach zu ihm der Prior, konnte ihn aber nicht
bewegen, von diesen seelenverderblichen Gedanken abzustehra. Als er
sah, sein Vorsatz, in der Höhle einsam zu leben, sei unveränderlich und
er unverweilt bat, ihn in der Höhle leben zu lassen, hieß er ihn tun, was er
wilL Und als er mit den Gebeten der Väter in die Höhle eintrat, trug
ihm ein Bruder zur Essenszeit die Speisen hin, er aber hatte einen an
äer Schntir hängenden Korb und ließ diesen herab und nahm sie in
Empfang. Während aber dieser Mönch in der Höhle war, unterließ der
Widersacher aller im Gott ehrlich leben Wollenden, der Teufel, nicht, dem-
selben böse Gedanken täglich und nächtlich einzugeben. Und nach einigen
Tagen verwandelte er sich in einen Lichtengel und erschien ihm und
sprach: »Wisse, daß fttr dein reines Gewissen und fOr dein hohes engd-
gleiches Leben Gott mich schickte, deiner Heiligkeit zu dienen.« Der
Mönch aber antwortete: »Was Gutes hab' ich verrichtet, daß mir die
288 I^&ii Franko,
Engel dienen?« Er aber: »Alles, was dn gemacht hast, ist groß nnd
hoch, daß dn die Welt mit ihrer Schönheit yerlassen hast nnd MOnch ge-
worden bist nnd dich selbst mit Fasten nnd Nachtwachen nnd Qebeten
kasteit hast, nnd nnn anch das Kloster verlassend hier dich verborgen
hast. Wie sollen denn die Engel nicht deiner Heiligkeit dienen?« Mit
solchen Worten hanchte ihn der seelenverderbende Drache an, fachte
seinen Stolz anf nnd erschien ihm jeden Tag.
Als aber an einem Tage das Hans eines Mannes von den Dieben
bestohlen wnrde, kam der nnreine Dämon, welcher ihm als Engel er-
schien nnd ihn verffthrte, nnd sprach: »Da kommt ein Mann, dessen
Hans von Dieben bestohlen wnrde; gestohlen wurde ihm dies nnd dies
nnd die Sachen liegen an dem nnd dem Orte. Sag ihm also, er möge
gehen nnd sein Gnt zurückholen.« Und richtig kam der Mann und ver-
neigte sich vor der Höhle, der Mönch aber sprach von oben: »Wohl ge-
kommen bist dn, Bruder; ich weiß, daß ein Leidwesen Aber dich ge-
kommen ist, doch traure nicht! Die Diebe kamen in dein Haus nnd
nahmen dies und dies und verbargen es an dem und dem Ort Geh'
also hin und du wirst alles finden, und bete für mich. « Jener aber dies
hörend wunderte sich sehr und ging und fand alles Gestohlene, und
rühmte ihn im ganzen Land sagend: »Der Mönch, welcher in jener Höhle
sitzt, ist ein Prophet.« und eine unz&hlbare Menge Männer nnd Frauen
kam zu ihm herbei und hörten, was er sprach, und wunderten sich, denn
er, vom Teufel erfdllt, sagte einem jeden, was mit ihm geschehen war
oder bald geschehen sollte. Der Prior aber und die Mönche hörten dies
und wunderten sich, in wie kurzer Zeit er so geworden ist, daß er Yer-
gangenes und Künftiges vorhersagen kann.
Als nun jener Elende eine geraume Zeit in dieser Verführung ver-
bracht hatte, erschien ihm am zweiten Tage der zweiten Woche nach der
Himmelfahrt unseres Herrn Jesus Christus jener unreine Dftmon nnd
sprach zu ihm: »Wisse, Vater, wegen deiner makellosen Lebensweise
und des engelgleichen Lebens sollen zu dir auch andere Engel kommen
und dich bei lebendigem Leibe in den Hinmiel bringen, damit du dort
mit Engeln die unsichtbare Schönheit bewahrest.« Dies sagte der un-
reine Dämon und verschwand. Doch der menschenliebende nnd barm-
herzige Gott, welcher nie eines Menschen Verderben wollte, legte dem
Mönch ins Herz, alles dies dem Prior bekannt zu geben. Und als ein
Bruder, wie gewöhnlich, das ihm Nötige brachte, neigte er sich von oben
und sprach zu ihm: »Bruder, sage dem Prior, er möge hinaufkommen
Beiträge sEiir Quellenkritik einiger altraBsiBcher Denkmäler. 289
zu niir.€ Dieser ging nnd sagte ee dem Prior, welcher alles, was er in
den H&nden hatte, bei Seite legend an&tand und hnrtig hinausging und
auf einer Leiter in die Hdhle hinauf klomm und zu jenem sagte: »Wes-
wegen, Kind, wolltest du, daß ich hierher komme?« Der Mönch sprach:
»Womit belohne ich dich, heiliger Vater, fOr alles, was du fbr meine ün-
Würdigkeit getan hast?« Der Prior sagte: »Was Outes hab' ich fOr
dich getan?« Er aber: »Ja, heiliger Vater, viel Gutes und Hohes und
Großes, da ich durch dich wflrdig befunden wurde, mich in das heilige
EiDgelsbild zu kleiden, durch dich auch in diese Höhle zu leben kam,
durch dich auch Engel zu mir kommen und mich ihrer Unterredungen
würdigen.«
Dies hörend verwunderte sich der Prior und sagte: »Du, Elender,
siehst Engel und wurdest der vorhersehenden Gabe gewürdigt? Wehe
dir, Elender, wehe dir! Sagte ich dir denn nicht, steige nicht in die Höhle,
daß du von unreinen Dämonen nicht verführt werdest?«
Auf diese Ansprache des Priors antwortete der Mönch: »Sprich
nicht so, würdiger Vater. W^en deiner heiligen Gebete sehe ich Engel
und am Tage der Himmelfahrt soll ich von ihnen in den Himmel getragen
werden mit diesem meinem Leib. Wisse auch deine Heiligkeit, daß,
wenn ich emporkomme, ich von unserem Herrn Jesus Christus erbitten
wiD, daß auch dich die Engel emportragen, damit du mit mir jene
Seligkeit teilest«
Dies hörend, schlug ihn der Prior ins Gesicht und sagte: »Bist du
rasend, Elender, und hast du den Verstand verloren? Da ich aber hier-
her gekommen bin, gehe ich nicht fort, sondern werde abwarten, bis ich
sehe, was mit dir geschehen wird. Denn jene Engel, jene eklen und un-
reinen Dämone, von welchen du sprichst, werde ich nicht sehen. Wenn
du sie also kommen siehst, sage es mir.«
Dann sich herabneigend, ließ er die Leiter wegnehmen und ver-
weilte mit dem Verführten in der Höhle, fastend und betend und unauf-
höriieh Davids Lieder singend. Als aber der Tag kam, an welchem der
VerfUirte in den ffimmd zu fahren hoffte, sah er die kommenden
Dämonen und sprach: »Sie sind da, Vater.« Da umfing ihn der Prior
und rief mit großer Stimme: »Herr Jesus Christus, Sohn und Wort
Gottes, hilf deinem verftihrten Diener, laß ihn nicht in der Gewalt de
ehrloeen Dämonen!« Und als er dies sprach, stürzten sich die Teufel
auf den Verführten, um ihn aus den Händen des Priors herauszureißen,
dieser aber verfluchte sie, sie aber ergriffen den Mantel des Verführten
▲rebiT fikr slaTUehe Philologie. XXIZ. 19
290 Iwan Franko,
nnd verschwanden. Und man sah, wie der Mantel in die Höhe der Luft
emporfahr, bis er verschwand, nnd nach einer Iftngeren Zeit fiel der
Mantel von oben anf den Boden. Da sprach der Oreis zn dem Vei^
fllhrten: »Siehst dn, Sinnloser nnd Elender, was sie mit deineim Mantel
^macht haben? Ebenso hätten sie es anch mit dir gemacht: wie den
Simon Magns hätten sie dich in die Lnft emporgetragen nnd dann fallen
gelassen, damit du zerschellest nnd im Bösen deine geblendete Seele
verlierest, c
Dann rief der selige Greis die Mönche nnd hieß sie die Leiter
herbeitragen, ftthrte den Verblendeten herab nnd befahl ihm, in der Küche
nnd in der Bäckerei nnd in anderen klösterlichen Arbeiten dienstbar zn
sein, damit seine Gedanken demfltig werden.
Seht ihr die Ränke der bösen Dämonen? Seht ihr, welche Feinde
wir haben? Laßt nns also anf nns selbst Acht geben nnd nnsere Herzen
streng bewahren und die von ihnen dargebotenen Gedanken nicht an-
nehmen nnd an den Tod nnd ewige Qnalen denken. Diese überwinden
wir mit Fasten nnd Wachen nnd Gebeten nnd bitten Gott mit demütigem
Herzen, daß er uns vor den Netzen des Bösen bewahre.«
Vergleicht man diese Erzählung, welche bereits im IX. Jahrh. in
griechischer Form existieren mußte, mit der Erzählung in dem Eijever
Paterikon, so wird uns ihre Übertragung und Umarbeitung in der Eijever
Kompilation ohne weiteres klar, und die Hypothese des H. Barae verliert
jeglichen Grund.
Diese Legende gehört zum Cjklus jener Erzählungen des Eijever
Paterikon, welche nach sehr richtigen Darlegungen des Akad. Sachmatov
der alten ausführlichen, noch im XTV. Jahrh. bekannten, seither aber
verlorenen Vita Antonii entnonmien wurden, wo die Anfibige des
russischen Mönchtums »auf Grund der griechischen Traditionen« dar-
gestellt wurden. Wir haben im Paterikon noch eine Erzählung, deren
Provenienz nicht auf den südrussischen, desto weniger anf den Kijever,
sondern auf griechischen, vor allem chersonnesschen Grund hinweist
Es ist die bekannte Legende von dem Höhlenmönche Eustratius,
welcher, von den Polovzen mit anderen gefangen genommen, einem Juden
verkauft wurde. Derselbe wollte alle Christen zum Judentum bekehren,
als sie sich aber weigerten, gab er ihnen nichts zu essen. Eustratius,
von Jugend an ans Fasten gewöhnt, ermahnte sie, standhaft zn sein nnd
das Fasten nicht zu fürchten. Richtig starben anch alle in einigen
Wochen vor Hunger, nur Eustratius allein blieb am Leben. Der Jude
Beiträge snr Quellenkritik einiger altnuBiBcher DenkmiUer. 291
nagelte ihn ans Kreuz, und als er auch da noch drei Tage lebte und von
einem Übertritt zum Judentum nichts hören wollte, durchstach er ihm
mit dem Spieß das Herz. Wir besitzen diese Erzählung in zwei
Bedaktionen, deren eine, primitivere und ausdrflcklich auf Ghersonnesus
weisende, im Paterikon, die andere, in Kijev lokalisierte, in alten
Prologen sich findet Die Legende verdient eine spezielle Forschung.
Daß auch andere Legenden des Eljever Paterikons gar keine
Produkte einheimischer Tradition, sondern fremden Quellen enüehnt sind,
dies unterliegt fttr mich keinem Zweifel. Ich nenne hier noch die schöne
Erzählnng »Über Johannes und Ser^us ein außergewöhnliches Wunder. c
Es sind zwei große Freunde, beim Sterben flbergibt einer dem anderen
einen Schatz, welchen er seinem Sohne, sobald er das Mannesalter er-
reicht haben wird, einhändigen soll; der Sohn erreicht das Alter und
fordert vom Freunde seines Vaters sein Erbe, dieser aber leugnet die
Existenz des Schatzes. Nun fordert der Sohn ihn auf, seine Behauptung
in der Höhlenkirche durch einen feierlichen Eid zu bekräftigen; der AUe
schwört und wird gleich darauf von den Dämonen weggeführt, nachdem
er noch den wirklichen Verbleib des Schatzes bestätigt hatte.
Diese, in den mittelalterlichen Predigten und Promptuairen von
Westeuropa ziemlich verbreitete und variierte Erzählung habe ich, so viel
mir erinnerlich, bei dem griechischen SchriftsteUer Pausanias in seiner
»Beschreibung Griechenlands« gelesen, habe aber augenblicklich das
Citat nicht bei der Hand. Jedenfalls verlohnt es sich der Mflhe, die
Legenden des Eijeve|r Paterikon auf ihre hagiographischen und folk-
loristiflchen Quellen hin zu untersuchen, ehe man sie als lokale Produkte
und als historische Quellen fOr die Verhältnisse Altrußlands gelten läßt.
IL Die Komposition der ältesten Chronik.
Im XIX. Bde. des Archiv Air sl. Philologie haben wir den Artikel
Eugen äSepkins »Zur Nestorfrage« gelesen, welcher leider darüber, was
in Europa unter »Nestor« verstanden wird, keinen genügenden Auf-
schluß ^bi In Europa, vom alten Schlözer angefangen bis anf IGklosich
und Louis L^er, versteht man unter Nestor die älteste Eijever Chronik.
Die russische Kritik hat gründlich nachgewiesen, daß der Mönch Nestor
mit dieser Chronik gar nichts gemeinsames hat, daß wir von ihm nur als
vom Verfasser zweier hagiographischen Werke, der Passio des Boris und
Oleb sowie der Vita des Theodosius, reden können, daß er also ins
19*
292 Iwan Franko,
Qebiet der rosaiBchen Hagio^i^hie nnd nicht der Hiatoriographie gehdrt.
Und keine Neatorfrage mehr. Interessant ftlr die Geschichte der mittel*
alterlichen Historiographie ist nnr die Frage der Komposition der ftltestoa
rassischen Chronik, der sogen.. IIob%oti> BpeMeHHUx^ jtkTh. nnd diese
Frage hat Herr äSepkiB nnr gestreift nnd nicht geUtot.
Die älteste Chronik ist nns in zwei wichtigen Handschriften llber-
liefert, dem Codex Lanrentianns nnd dem Hypatins-Codex. Der erstere
reicht bis an das Jahr 1110 nnd schließt mit der bekannten Inschrift:
»HryifeH'B CnziiBeoTep^ eBHTaro MwxaHJa Hanncax'B Kbhtu com
j[%TOiiHcei^B€ nsw. mit dem Datnm 1116. Diese Inschrift findet sich im
Hypatins-Codex nicht, wo derselbe Text, welcher im Lanrentins-Codex
mit dieser Inschrift in der lütte nnterbrochen wnrde, weiter fortgesetst
wird. Die Inschrift bildet also keinen Beschluß des Textes, sondern ge-
hörte höchstens nnter den Schlnß des Jahres 1 1 1 3, wo die einheitliche £r-
zählnng Basils, die wir weiter besprechen werden, mit dem Antritt
Vladimir Monomachs anf den Großfllrstenthron in Egev schließt. Das
Jahr 1116 ist also kein Datum ftlr den Schlnß dieser Chronik nnd ist
nnr aus Versehen eines späteren Kopisten an diese Stelle gelangt
Was wir bis dahier haben, ist keineswegs ein einheitliches Werk,
sondern eine Kompilation ziemlich rider nnd heterogener Werke und
loser Notizen, welche wir in vier chronologisch aneinandergereihte
Gruppen teilen können. Da die russischen Ausgaben keine Kapitel-
einteilung haben und gewöhnlich nnr nach Jahreszahlen zitiert werden,
was beim Lesen verwirrend wirkt und keinen Überblick gewährt, so
zitiere ich weiter die Kapitel und Absätze nach der Ausgabe des
Miklosich (Cronica Nestoris, textum sloTcnicum edidit Fr. Ifiklosich.
Vindobona 1860). Miklosich hat sich mit dem »Nestor« einen schlechten
Spaß erlaubt, indem er ihn aus dem Kijever Dialekte des Xn. Jahrh. in
die Sprache der pannonischen Legenden übersetzte; seine Ausgabe ist
also ein Kuriosum, aber seine Ejipiteleinteilung ist meistens gut und
sollte auch in die russischen Textausgaben eingefOhrt werden.
Die erste Textgruppe umfaßt die Anfänge Bußlands bis zum Tode
Svjatoslays im J. 972, eine Zeit, welche man nicht so sehr die mythische,
als rielmehr die epische nennen kann (Mikl. Kap. I — XXXVI). Sie be-
steht, wie die ganze übrige Chronik, aus diversen Elementen, nnter denen
man unterscheiden muß:
Excerpte aus byzantinischen Chronographen, gewöhnlich mit
Spuren älterer bulgarischer Obersetzung und slarischen Zusätzen, so im
BeitrSge zur Qaellenkritik einiger altrassischer DenJonäler. 298
Ejip. I von den Worten: ao noHbTBCRaro MopH na noxyHOii^miA crptHU
bis snm Sohinß des Kapitels, der Anfang ans Hamartolos. Von dem^
selben Clironograplien sind aneh Kap. XI bis zn den Worten: incoxe ce
H npH uBCTh HUHi üojiOBipj, eine rossisehe Notiz, welehe nach dem
J. 1060, der Zeit der ersten Erscheinung der Polovzen in Rußland, ge-
sebrieben werden mußte. Von demselben Ohronographen stammt auch
Kap. XXIV ttber den ApoUonius Tyanensis. Kap. n ist aus der Ohronä
Malalaa genommen, Kap. XIII, die Feststellung der Chronologie auf
Grundlage der griechischen Chronographen; Kap. XIV Abs. 1, XVII
zwd erste Absätze, XIX 4. Absatz, XXI 1. Absatz, XXV Absätze 5
und 6, XXVI Abs. 2, XXVII Abs. 1, wahrscheinlich auch 2, sind aus der
bulgarischen Übersetzung des griechischen Chronographen entnommen.
Kap. XVI ist die Umbildung einer griechischen Legende von der wunder-
baren Rettung Konstantinopels von einem persischen Über£sll und hat
nut Askold und Dir nichts zu tun.
Kap. rV — ^V enthalten eine apokryphe Legende über die Wanderung
des Apostels Andreas von Byzanz ttber Kijev und NoTgorod nach Rom.
Kap. XX enthält eine, wie es scheint, bulgarische Umarbeitung der
pannonischen Legenden Tom Cyrill und Method. Dies sind die CTident
fremden Elemente in der Chronik, welche höchstens als Beweise der Be-
kanntschaft des Kompilators mit diesen Büchern einen Wert haben.
Den zweiten wichtigen Bestandteil dieser »ältesten« Chronik bilden
die beiden Verträge, Olegs und Igors, mit den Griechen (Kap. XXTT
und XXVn). Alle Anzeichen sprechen dafür, daß diese Dokumente,
ursprüngKch griechisch geschrieben, noch vor der Verfassung der Chronik
ins Russische übersetzt wurden und der Kompilator der Chronik sie
bereits fertig vorfand, da ihre Sprache altertümlicher ist als die Sprache
der Chronik.
Ein besonderes Ganzes bilden Kap. VI und Xn, die Erzählung von
den drei K^ever Brüdern und vom Chazarischen Tribut — keine Ge-
sehiohte, sondern eine stark überarbeitete Lokalsage mit ätiologischer
Onmdlage (Kij als Gründer Kijevs).
Ebenso kann man die Kap. XV, XVI und XVIII als Scherben einer
uormannisehen Sage über drei Brüder, welche in der Fremde ihr Glück
versuchen und schließlich zwei ältere von dem jüngsten getötet werden,
betrachten, wobei der altrussische Bearbeiter die Namen zu Gunsten der
Lokalisation verwechselte (in Kijev kannte man alte Gräber von Askold
294 Iwan Franko,
und Dir und Oleg). Wenn man dazu noch Kap. XXTTT über Olegs Tod
hingnnimmt, so hat man alles, was nns von dieser Sage geblieben iat
Fflr eine historische Grundlage, für eine wirklich erfolgte Bemfong der
Yarägen nach Rußland gestatten diese Sagenfragmente keine Schlösse.
Kap. XXVni— XXX, Igors Tod nnd die Rache der Olga sind eben-
falls eine Sage skandinavischen ürspmngs und keine Geschichte. Eine
ebensolche belletristische Umarbeitung, eine Romanze und keine Ge-
schichte ist die Erzählung von dem Besuch Olga's in Eonstantinopel
(XXXI), was man aus der Yergleichung dieses Kapitels mit dem S^ugnis
eines Augenzeugen, Konstantin Porphyrogenet, in seinem Traktat »De Ce-
rimoniisc ersehen kann. Das Kap. XXXTTT (PeSenegen vor Kijev) ist ein
echtes südrussisches Volkslied im epischen Styl; so, wie es ist, l&ßt es sich
nur mit geringen stilistischen Auslassungen im alten slavischen Versmaß,
im i2-sUbigen Vers rekonstruieren. Ebenso gewiß ist die Erzählung
Tom Kriege SyjatoslaTS mit den Griechen in Bulgarien sowie sein Tod
an den Dnieprschwellen eine Sage, doch keine Geschichte, wie wir
ebenfalls aus den entsprechenden Zeugnissen der Chroniken ansehen
lernen^).
Außer diesen größeren Bestandteilen haben wir noch eine Reihe
loser Notizen von verschiedener Natur. Also Kap. XIV, Absatz 2, die
Varäger und Chazaren als Bedrücker der Slaven im Norden und im
Süden — eine Kombination des Redakteurs, welcher zu seinem gleich
darauf folgenden Sagenfragment eine notdürftige Einleitung brauchte.
Kap. XVn, Absatz 3, Notiz über den Tod Ruriks und die Nachfolge
Igors — auch eine Kombination des Redakteurs, ohne Quellenwert, nur
um Olegs faktische Herrschaft als eine Regenz im Namen Igors dar-
zustellen. Kap. XIX, Absätze 1, 2, 3, chronistische Notizen (die Chrono-
logie ohne Belang), gewiß auf faktischer Tration begründet Kap. XXI^
Absatz 2, Notiz des Redakteurs, mit Ausnahme des Namens der Frau
Igors. Kap. XXV, alle Absätze, vermischte Notizen über russische und
bulgarische Vorkommnisse — russische und griechisch-bulgarische Brocken
(Gründung Adrianopels). Kap. XXVI, zu Ende karge Notiz über die Geburt
Svjatoslavs. Kap. XXXIT, eine Charakteristik Svjatoslavs und lose
Notizen über seine Besiegung der Chazaren, VjatiSen und Bulgaren. Die
letzte Notiz ist eine Kombination des Redakteurs als Einleitung zum
1) Siehe die gründliche Analyse bei M. Hruievskij, Geschichte der
Ukraine I, 476--489.
Beiträge nir Quellenkritik einiger altnuBischer Denkmäler. 295
Volkalied ttber die PeSenegen, um die Abwesenheit des Fttrsten in EJjey
zn motivieren. Kap. XXXY, genealogische Notizen über die Familien-
yerbflltnisse ByjatoBlays. Wenn man zu diesen spärlichen Brocken lokaler
Tradition in diesem Teile der ältesten Chronik noch die in der ersten
NoYgoroder Chronik aufbewahrte Notiz darflber hinzufügt, daß Igor die
XJgli^ bekämpft hat, so haben wir alles faktische, was uns über diese
Epoche der russischen Geschichte überliefert ist Und dies ist ver-
schwindend wenig.
Es bleibt uns noch ein Bestandteil dieses Teils der Chronik, nämlich
Kap. m, Yn, IX, X, welche ein besonderes Ganzes bilden und noch am
ehesten für die Arbeit des Redakteurs der Chronik betrachtet werden
können. Es ist eine Probe der allgemeinen Charakteristik der Slaven
und ihrer Einwanderung aus dem Lande an der Donau, und dann speziell
die Charakteristik der russischen Stämme und ihrer Siedelungen, ihrer
Sitten und Gewohnheiten. Es gab eine Zeit, da man diese Kapitel als
einen Ausfluß großer Sachkenntnis bewunderte. Heute wissen wir, daß
die Theorie von der Einwanderung der Nordslaven von der Donau grund-
falsch und die meisten Charakteristiken unseres Chronisten wertlos und
von einem pol^janischen und christlichen Vorurteü diktiert sind. Die Be-
merkungen Aber die heidnischen Spiele und Tänze zwischen den Dörfern
und ttber die alte, aber nicht mehr primitive Raubehe »wer mit einer sich
beraten hat« sind die einzigen interessanten Details dieser ethnologischen
Schilderung.
Was weiter folgt, Kap. XXXVH bis S. 8 1 (ein Teil des Kap. XLYU, i
welches hier abschließen sollte, da ja mit den Worten »OBKTonojK'L
xe iAjifi Wh EneBt« nicht nur ein neues Kapitel, sondern ein neues Werk
beginnt), ist ein besonderes Ganzes, Versuch einer Kompilation der älteren
Legenden und Schriften über Vladimir und die Taufe Rußlands. Zu den
Quellen dieser Kompilation gehören auch besonders auf uns gekommene
Denkmäler, nämlich
1) eine alte Vita Vladimiri, ursprünglich griechisch, mit chersone-
siscfaer Tendenz geschrieben (Vladimir tauft sich im Chersonesus, nimmt
von hier Geistliche, unter ihnen seinen Freund Anastasius, Bücher und
kirchliche Paramente und Kunstwerke und läßt die Chersoniten auch in
Rußland eine bedeutende Rolle spielen) ;
2) die Legende vom Erproben der verschiedenen Glauben, dem darin
interpolierten Sermon des Philosophen, worin eine Übersetzung des
griechischen Glaubensbekenntnisses des Michael Synkellos entdeckt
296 Iwan Franko,
wurde, welches bereits in Balgarien zur Zeit Symeons übersetst war nnd
in dieser Übersetzung mit dem HsÖopemTB GsATocjEaBa vom J. 1073 nadi
Rußland kam, vom Kompilator der Ghronik aber aus dem Orieohisoben
nen Übersetzt wurde. Daran wurde eine summarische Übersicht der
sieben kirchlichen Synoden mit einer kleinen daran angeschlossenen
Polemik gegen die Lateiner und mit einer Erwähnung des Pseudopapstes
Peter des Stotterers geknüpft, dieser Teil auch im Sbomik Svjatoalays in
bulgarischer Redaktion bekannt. Auch wird hier dem Vladimir vom
christlichen Missionär ein Bild des jüngsten Gerichts auf Leinwand ge-
malt vorgezdgt; nach der recht plausiblen Meinung Sachmators Über-
rest einer verschollenen Legende von der Taufe des bulgarischen Fürsten
Boris.
3] das Lob Vladimirs, von Jakobus dem Mönch geschrieben, auch
ein selbstständiges Werkchen, welches vom Ghronisten seiner Kompilation
einverleibt wurde.
Nun wollen wir den Text dieses Teiles detailliert mustern.
Kap. XXXVn und XXXVm bilden die Einleitung der Monographie
über Vladimir: der Streit zwischen Jaropolk und Oleg dient nur dazu,
Vladimir aus Novgorod nach Schweden zu führen und seinen Krieg mit
Jaropolk einzuleiten; hier wird auch eine Gharakteristik Vladimirs als
Heiden und Lüstlings eingeschaltet, um einen effektvoUen Kontrast zu
seiner späteren Heiligkeit zu bekommen. Zur Methode des Schrift-
stellers gehört auch die Einsetzung größerer Bibelzitate, so auf S. 47 — 48
Salomo's Sprüche über die schlimmen Weiber.
Kap. XXXIX als lUustration des Heidentums, eine Erzählung über
die ältesten Kijever Märtyrer, einen von den Griechen gekommenen
Varägen und seinen Sohn, welche von den Kijever Heiden getötet
werden; die Erzählung ist offenbar expost erdichtet worden, da sie auf
einer Fiktion der Menschenopfer für Götter bei den Russen basiert, und
ein solcher Brauch mehr der religiösen christlichen Schablone, als der
wirklichen Geschichte angehört.
Kap. XL, Absatz 3, die Erzählung über verschiedene Missionäre
beim Vladimir samt dem darin eingesetzten Glaubensbekenntnis des
Synkellus. Dieses Kap. schließt sich logisch an drei folgende an, wo
die Glaubenswahl und die Taufe Vladimirs im Chersonesus erzählt wird
— alles dies keine Geschichte, sondern eine Legende.
Kap. XLIV und XLV, Absatz 2, ist ein weiterer integrierender
Teil der griechischen Überlieferung, Vladimir als Kirchenerbaner. Diese
Beitrilge snr Qaellenkritik einigar altnuiBiBcher Denko^^er* 297
Enfthhiiig wird Ton einem Volkslied über den Zweikampf eines rassischen
Gerbersohnes mit einem PeSenegen (Kap. XLV, Abs. 1) nnterbrochen;
das Volkslied hat einen ätiologischen Zweck , den Namen der Stadt
Perejaslay zn erklären. Hier, mit dem Kap. XLV, endet anch die
griechische Tradition Aber Vladimir^ über sein späteres Leben nnd
Wirken weiß sie nichts zu sagen. Der spätere Eompilator, welcher
dieses griechische Schreiben in die Hand bekam nnd Ton dem Wirken
Vladimirs anch nichts mehr wnßte, begnflgte sich damit, noch eine
Lokalsage oder ein Volkslied Aber die Belagemng B^lgorods hierher
an setzen (Kap. XLVI], ein wanderndes Märchen über die hungern-
den Belagerten, welche ihre Belagerer mit dem in BodenlOcher aus-
gegossenen Habermuß und Met foppen und sich so von der Belagerung
befreien. Schließlich folgt im Kap. XLVn, S. 80, von den Worten
>CH BCTB HOBUH KoOTKHTHH'Lc biS S. 81, »lOSe 67AH yxy^HTH
wAwh xpECTiBHOiTLc, dss Enkomium Jakob des Mönches, vom Kompi-
iator eingesetzt. Seinerseits hat dieser Eompilator die Erzählung des
Griechen durch einige kleine Notizen unterbrochen, so Kap. XXXVUI,
Abs. 2 und 3 (S. 48), wovon die erste ganz konfus und wertlos (Vladimirs
Zug gegen die Lachen), die zweite ganz lakonisch und ohne Details ist.
Von derselben Art sind die im Kap. XL, Abs. 1 und 2, mitgeteilten
Anekdoten ohne historischen Wert Ob die im Kap. XLIV, Abs. 2,
mitgeteilte Notiz Aber die Grflndung B61gorods wirklich historisch ist,
m(k)hte ich bezweifeln; sie sieht ja aus wie eine Einleitung zn der im
Kap. XLVI mitgeteilten Erzählung über den B^lgoroder Habermuß; im
J. 992 gegrfindet ist sie im J. 1007 bereits sagenumwoben. Die Stadt
muß entschieden älter gewesen sein. Schließlich sind im Kap. XLVH,
Abs. 1, 2, 3, 4, 5, Notizen aus irgend einem Synodicnm Aber die Todes-
ftlle im Hause Vladimirs abgeschrieben, sowie eine Notiz Aber das Lehn-
▼erhältnis NoYgorods zu Kijev, welches die Ursache eines fast aus-
gebrochenen, nur durch Vladimirs Tod vereitelten Konfliktes Vladimirs
mit Jaroslav wurde. Dies ist das äußerst spärliche historische Material
dieses zweiten Teiles der Chronik.
Der dritte Teil der ältesten Chronik umfaßt die Zeit seit dem Tode
Vladimirs bis zum Tode seines Enkels Vsevolod, 1093. Dieser Teil
wurde von einem Geistlichen, vielleicht vom Hegumen Sylvester, redigiert
und enthält außer zahlreichen Notizen zur weltlichen Geschichte meisten-
tdls Excerpte ans alten Heiligenleben (Jakobus des Mönches, Passion des
Boris nnd Gleb, Kap. XLVI, S. 81, ine. CsATonojncB xe ci^e Kuent)
298 Iwan Franko,
und die damit verknttpfte Oeschichte Aber den Untergang des Svjatopolk,
Kap. ItYlIy ein Bniehstflok ans der verloren gegangenen "^ta Antonii
Aber die OrOndnng des Höhlenklosters, Kap. LXni, im Anschluß an die
kurze Notiz Aber den Sieg der Polovzen Aber mssisohe FArsten lesen wir
das dem Theodosins zugeschriebene Cjobo o KasHflZX öojkhhx'b;
Kap. LXVni gibt Aber den Theodosius und die ftltesten Asketen Details,
welche in der Nestorschen Vita Theodosii nicht enthalten sind und teil-
weise auch aus der Vita Antonii excerpiert sein mögen; Kap. LXXIV,
die Erzählung eines Mönchs des Höhlenklosters (nicht Nestors) Aber die
Yon ihm selbst bewerkstelligte Entdeckung der Leiche des Theodosius
und ihre Übertragung in die Kirche). Von den Notizen, welche der
Verfasser aus mAndlicher Tradition aufschrieb, sind besonders die vom
Munde des Varigers Ja& au^ezeichneten interessant Auch gel^ent-
liche Anleihen aus dem griechisch-bulgarischen Chronographen fehlen
nicht, so die bekannte, auch von ÖSepkin zitierte Notiz Aber die Mißgeburt
im Flusse Sdtoml, welche aber f&r die Komposition der Chronik keine
Bedeutung hat. Ein Fluß S§toml hat bei K\jey nicht existiert und wird
nur beim Verfasser dieses Teils der Chronik zweimal erwähnt; der Name
scheint eher eine MAhle, als einen Fluß anzudeuten (iyto — mel); die
Notiz selbst ist eine Nachbildung der auch in unserer Chronik weiter
zitierten Wundergeburten in Griechenland zur Zeit des Maurikius, wo
auch die Reflexion steht, daß solche Ausgeburten nichts Qutes Yor-
bedeuten.
Der letzte, vierte Teil der ältesten Chronik ist wieder ein besonderes,
einheitlich konzipiertes Werk, eine in Erzählui^sform gekleidete politische
Tendenzschrift, welche den Zweck hat, Rußland zur solidarischen Ver-
teidigungsorganisation gegen die Polovzen zu ermuntern und die FArsten
zur Hintansetzung ihrer Familienstreitigkeiten und zur Anerkennung
eines Oberhauptes zu bewegen. Der Verfasser dieses Teiles hat uns
seinen Namen selbst Aberliefert: er nennt sich Vasili»; ihn für einen Geist-
lichen oder einen Mönch zu halten, liegt kein Grund vor; er denkt nicht
mönchisch, sondern durchaus weltlich-politisch, legt seinen FArsten
patriotische Worte in den Mund, beschreibt sehr interessant den Einfall
der Polovzen und die Leiden der Gefangenen oder die Blendung des
Vasilko von Terebovli» auf Befehl des FArsten David und den dadurch
hervorgerufenen volynischen Krieg. Alle erzählten Tatsachen weiß er
seinem Hauptzweck, der Propaganda der ersten politischen Idee,
der politischen Konzentration Rußlands, zu unterordnen und ist als erster
Beiträge znr Quellenkritik einiger altrusBischer Denkmäler. 299
wirklicher historiBch denkender Schriftsteller Rußlands zu betrachten.
Sein Werk reicht nur bis zum J. 1113, bis zum Regierungsantritt
Vladimir Monomachs in Eijey ; dieser Fürst war sein Lieblingsheld, doch
weiß der spfttere Notizensammler Aber seine Eijeyer Regierungszeit nichts
Ton Belang zu sagen. Vasilb war ein weltlicher Mann, wahrscheinlich ein
Gefolgsmann des Eijeyer Fürsten ; Redakteur der Chronik war er nicht,
da in der Kompilation auch seine Erzählung yon losen Notizen, deren
Inhalt sich manchmal mit dem seiner Erzählung deckt, durchbrochen
wird. Seit dem J. 1113 beginnt die sogenannte £jjeyer Chronik.
HL Die Sompositioii des >C;[obo o mrhRj HropeBft«.
Dieses schöne altrussische Bojaren-(nichtYolks-)Lied, welches lange
Zeit als das einzige, aus yormongolischer Zeit zurückgebliebene Denkmal
der damaligen Poesie angesehen und fast wie ein Wunder angestaunt
wurde, rief eine ganz respektable Literatur heryor, wurde historisch,
literaturgeschichtlich und hauptsächlich philologisch (mit Hinsicht auf
seine zahlreichen »dunklen Stellen«) durchforscht und bearbeitet Man
hat es natürlich ftlr ein Ganzes gehalten, fllr das Werk eines einzigen
Verfassers, und hat sich auch erkleckliche Mühe gemacht, dieses Ganze
logisch und künstlerisch zu yerstehen, respektiye seine einzelnen Bestand-
teile in irgendwelchen logischen Zusammenhang zu bringen. Die Ge-
lehrten hätten sich manche Mühe erspart, wenn sie das Werkchen als das
betrachten wollten, was es wirklich ist, nämlich als einen aus yer-
schiedenen Liedern und quasi gelehrten Noten mechanisch zusammen-
gesetzten Traktat (Cjiobo}. Ich lege dieser Analyse wieder eine kritisch
unzulängliche, aber praktisch (mit Eapiteleinteilung) eingerichtete Aus-
gabe des Em. Ogonoyskij zu Grunde.
In dem gegenwärtigen Igor- Sermon haben wir den Anfang des
eigentlichen Igorliedes nicht; er wurde yom Redakteur entfernt, welcher
daftlr sein quasi gelehrtes, in Wirklichkeit aber sehr rhetorisches Ein-
leitungskapitel setzte. Daß das Lied anfangs einen anderen Eingang
hatte, beweist gleich das erste Wort des Kap. 11: »TorAa nropB FBspi«
usw., wo doch yordem keine Zeitbestimmung geblieben ist, worauf sich
dieses Tor^a beziehen könnte. Es wurde da gewiß ein Ereignis, welches
den Impuls zum Zuge gab, etwa ein Familienrat, eine Truppenreyue oder
so was ähnliches dargestellt, und da — hiermit beginnt die eigentliche
Erzählung — sah Igor eine Sonnenfinsternis.
300 ^^^^ Franko,
Als ein ziemlich konfuses Einschiebsel möchte ich auch Kap. VI b&*
trachten (Eiuh niipi TpoflHH bis To 6ujio bx Tuparn h irs tu iltbku,
a CHA6H paTH He cjrumaHo), verschiedene Notizen ans der Chronik pLan-
los zasammengetragen. Zu derselben Kategorie der Einschiebsel gehört
auch Kap. VIII, Absatz 1 und 3 ; Absatz 2 ist ein abgebrochenes StOck
der Bchildemng der dreitägigen Schlacht Igors mit den Polovzen an der
Kajala. Konfases Zeng ist anch Kap. IX, Abs. 1 nnd 3, der Tranm
Syjatoslavs. Im Absatz 2, in der Antwort der Bojaren auf die Ansprache
des Großfürsten, wird als Dentnng seines Traumes ein JÜt^es Lied zitiert,
welches einen Zng zweier rassischen Fürsten gegen Tmntorokan mit einer
Katastrophe an der Kajala schildert.
Im Kap. XI haben wir zuerst das Fragment eines Liedes über den
Tod Svjatoslays in der Schlacht mit den Litauern und dann ein Lied oder
das Fragment eines Liedes über Vsevolod. Das übrige gehört zum Igor^
liede, nur die konfiise Glosse am Anfang des Kap. XIV stört noch den
Gang der Erzählung. Sehen wir nun, was das so auseinandergelegte
>Gjobo» uns als seine Bestandteile bietet.
1) Das Lied über den Zug Igors, ohne Anfang, mit unterbrochener
und nur fragmentarisch ausfüllbarer Schilderung der Schlacht an der
Kajala, mit dem schwunghaften Aufruf an zeitgenössische Fürsten (dieser
Aufruf bietet eine feste Basis für die Datierung des Gedichtes, da er sich
an den haliier Fürsten Jaroslav Osmomysl als an einen Lebendigen
wendet, Osmomysl aber zwei Jahre nach dem Zuge Igors gestorben ist),
die schöne Klage der Frau Igors, Jaroslavna in Putivl, die echt drama-
tische Beschreibung der Flucht Igors, lauter Episoden von hohem
poetischen Werte.
2) Das Lied vom Vseslav — XI Abs. 3. 4. 5 — möge es hier in
wortgetreuer Übersetzung folgen:
In dem siebenten Trojansalter
warf YseBlav ein Los
um ein geliebtes Mädchen.
Der warf sich aufs gesattelte Pferd
und sprang der Stadt Kijev zu
und berührte mit dem Speer
den Kijever goldenen Thron.
Sprang von da wie ein reißendes Tier,
in der Mittemacht von Bilhorodi
hängte sich im blauen Nebel,
klopfte früh mit Mauerbrechern,
öffnet Tore Novgorods,
Beiträge zur Qaellenkritik einiger altraBsischer Denkmäler. 301
sehlng ins Niehts den Buhm Jaroslavs,
macht dann einen Wolfesspning
ans Dndntki znm Nemiga.
Am Nemiga wird das Feld
mit (Barben-Köpfen bedeckt,
mit ehernen Flegeln gedroschen,
anf der Tenne Leben gestrent,
die Seele vom Leibe geworfelt
Nemigas blutige Ufer
nicht mit Gutem waren besäet,
besäet mit Gebeinen der BnssensOhne.
Vseslay der Fürst richtete die Lente,
gab Befehle den Fürsten,
lief selbst aber als Wolf in der Nacht;
von Eijev bis znm Hahnenschrei
lief er nach Tmntorokan,
dem großen Chors (Sonne) als Wolf
hat er den Weg durchquert.
Diesem läutete man in Polotsk
zum Morgengebet früh
in der Sophienkirche mit Glocken,
er aber hört In Kijev das Geläute.
Ob auch »kundig« sein Geist im starken Leib,
oft ertrug er bitteres Leid.
Das ist kein altrussischer Volkston ; das knappe, abgerissene, dunkle,
ja lapidare dieser Zeilen erinnert an die nordischen Runen der Edda.
Was sagt die Chronik darüber? »Ln demselben Jahre (1067) kriegte
Yseslav, BriaSeslavs Sohn aus Polotsk, und nahm Novgorod ; drei Söhne Ja-
roslays, L&jaslav, Svjatoslav und Vsevolod, taten ihre Truppen zusammen
und ^ngen gegen Yseslav trotz des strengen Winters, und sie kamen
nach Minsk, die Minianen aber schlössen sich in der Stadt ein; die
Brüder aber nahmen Minsk, hieben die Männer zu Tod, nahmen Weiber
und Kinder gefangen (wörtlich: auf Schilder) und gingen znm Nemiga
(Niemen); und Yseslav kam ihnen entgegen. Und sie kamen beide am
Nemiga am 3. März zusammen, und der Schneefall war groß, und es
war ein grimmiges Morden, viele fielen, Lsjaslav, Svjatoslav und Ysevolod
gewannen die Oberhand und Yseslav entfloh. Die Brüder lockten ihn zu
sich mit einem Schwur, sie wollen ihm nichts Böses tun, er kam zu ihnen
und sie fthrten ihn als Gefangenen nach Eijev; bald darauf aber befreiten
ilm die Eijever im Tumult, und der erschrockene Fürst Lsjaslav floh nach
Polen. So wurde Yseslav ein Fürst von Eijev, entfloh aber bald darauf
in seine Stadt Polotsk, wo ihn aber der zurückgekehrte Izjaslav bald ein-
302 Iwan Franko,
holte und in die Flacht trieb.« Sein Tod wird unter dem J. 1101 er-
wiüint. Von seiner zanberischen Natur weiB die Chronik nichts, doch
die Eijever behielten ihn lange im Andenken und »erinnerten sich an seme
Befreiung in Eijev, woftlr 70 Städter vom Sohne Bsjaslavs hingerichtet
wurden«.
Das Lied selbst muß eine geraume Zeit nach Vseslavs Tode ent-
standen sein, da seine abenteuerliche Persönlichkeit bereits im unheim-
lichen Lichte eines Wftrwolfs und Zauberers erscheint Der Kompilator
des Gjobo hielt es ftlr geraten, hier ein Zitat von seinem lieben Bojan zu
geben, welches dazu gar nicht paßt und nicht besonders geistreich ist.
3) Fragment eines Liedes auf den Tod Izjaslavs — XI Abs. 1 —
ein interessantes Beispiel eines Trauerliedes:
Schon rinnt die Sola nicht
mit silbernen Wogen
Zur Stadt Perejaslav ;
und die Dvina rinnt kotig
zu jenen grimmen Polotskem
unter dem Ruf der Heiden.
Einzig der Izjaslav
Sohn des Vasilko
hämmerte mit seinen scharfen Schwertern
auf die Helme der Litauer,
vermehrte den Ruhm
seines Großvaters Vseslav,
und wurde selbst unter roten Schildern
auf blutigem Gras
zerhämmert mit litauischen Schwertern.
(Hier fehlt etwai) auf das Bett und sprach:
»Dein Gefolge, o Fürst,
haben Vögel mit Flügeln bedeckt,
und die Tiere ihr Blut geleckt«.
Er war nicht da, der Bruder Bra6islav
und der andere Vsevolod;
einer hauchte die Perlenseele ans
aus tapferem Leib
durch das goldene Halsband.
Dumpf sind die Töne, weg sind die Freuden,
in Horodno hallt Trompetenschali.
Auch dieses zweite Lied knüpft an Polotsk an und besingt einen
Enkel Vseslavs. Sollte es mehr solche Liedercyklen gegeben haben?
Hier noch das Fragment aus dem Kap. IX, Abs. 2, welches ich für ein
besonderes, zum Igorliede nicht gehöriges Stück halte.
Beiträge zur Quellenkritik einiger alimBsiecher Denkmäler. 303
Wehmut hat unsere Seele erfüllt!
Zwei Falken flogen auf
vom vSterllehen goldenen Stuhl
zu suchen die Stadt Tmutorokan,
oder vom Don mit Helmen zu trinken.
Schon sind den Falken die Flügel gelähmt
von den Säbeln der Heiden,
sie selbst aber wurden gefesselt
mit eisernen Fesseln.
Es wurde dunkel am dritten Tag
die beiden Sonnen verloschen,
die beiden roten Säulen verdunkelten sich,
verdunkelten sich junge Monde.
Die weiteren Worte mögen ein prosaisches Einschiebsel des Kom-
pilators sein, welcher das ältere Lied an die neuen Namen anpassen will.
Dann hören wir wieder das alte, prägnante Wort:
Schon erhob sich die Lästerung über den Buhm,
schon stürzte sich das Elend auf die Freiheit,
schon warf sich Div auf die Erde.
Die schönen gotischen Mädchen
singen am Ufer des blauen Meeres,
klingeln mit russischem Gold
singen die Zeiten des Bus,
herzen die Bache äarokans, —
wir aber, Gefolge, sind fireudenleer.
Für den späteren Bedakteur bleiben das Kap. I, Kap. n, Abs. 2,
Ejtp. VI, Kap. Vni, ein Mischmasch der prosaischen Kommentare mit
poetischen Brocken, wie das Stückchen eines Trauerliedes russischer
Frauen:
Bussische Frauen weinten sagend:
»Schon soUen wir unsere lieben Männer
nicht mit Gedanken gedenken,
nicht mit dem Gemüt vermuten,
nicht mit den Augen erblicken,
und kein Gold und kein Sflber mehr
mit Geklingel tragen.«
Kap. IX, Abs. 1 und 3, Traum Svjatoslavs und seine Beflexionen
über den Zug Igors, die Bojan -Zitate im Kap. XII und Kap. IX, erster
Absatz. Er allein kennt den Bojan, »die Nachtigall alter Zeit«, von der
er aber aufdringlich nur ziemlich geistlose Gemeinplätze zitiert. Zweimal
tritt er mit dunklen Verdächtigungen gegen Igor auf, im Kap. VIIl,
Abs. 3, wo er den alten Svjatoslav für seine Siege an den Polovzen be-
304 Iwan Fnmko, Beiträge zur QaeUenkritik einiger altniBBiacher Denkm&ler .
lobt und Igor tadeln läßt, »weil er den Beiektom im Floß Kajala ver-
senkt hat«, und das zweite Mal Kap. IX, Abs. 3, wo er den Byjatoslay
(nicht den alten Polovzersieger, sondern den Oheim Igors) seine Brnder-
söhne mit bitteren Worten tadeln läßt: »0 meine Bmdersöhne Igor und
Ysevolod, frflh begannt ihr die PoloTzerlandschaft mit Schwertern zu be-
drängen nnd euch Rnhm zu suchen. Aber unehrlich habt ihr gesiegt,
denn unehrlich habt ihr Heidenblut vergossen.« Diese Vorwürfe
sind purer Unsinn; die linksuferigen Fflrsten wurden ja von den Polovzen
unaufhörlich bedrängt, befanden sich mit ihnen in unaufhörlichem
Eriegsstande, haben ihnen keinen Eid auf ein friedliches Leben geleistet,
was konnte also dem S^atoslav Grund zu solchen Vorwürfen geben?
Daß der EompUator auch über Igors Familienverhältnisse keinen
richtigen Begriff hatte, beweist jene Stelle im Kap. VIII, wo gesagt wird:
»Thh 6o ABa zpaöpafii GBUTBCJaBH^a, Mrop'B h BcesojiOA'B, yxe jdrk)
ytfyAHCTa, KOTopyio to Önme ycnHJi'B OTei^i hx'l GssiTOCJaB'L rposnuH,
BejraKUH KueBCKUH« usw., wo ja von den Siegen Svjatoslavs und
Monomachs aus dem Anfang des XU. Jahrh. gesprochen wird, während
Igors Vater viel jünger war und um die Mitte des XII. Jahrh. in Nov-
gorod Siversk regierte und nie Siege über die Polovzen davontrug.
Seine id^e fixe, an der man seine Einschiebsel erkennen und ausscheiden
kann, ist die, daß er die KOTopa und Kpauoja (Bruderzwiat undintriguen]
als die Hauptübel der russischen Staatsverfassung betrachtet, fOr ihre
Beseitigung aber kein Heilmittel findet. Dr. Iwan Franko.
Anmerkung der Redaktion. Es sind schon so viele Versuche ge-
macht worden, um dem IgorUede in allen seinen Teilen beizukommen, daß
gewiß auch Dr. Iwan Franko berechtigt ist, mit seiner subjektiven Auffassung
des Denkmals zu Worte zu kommen. Wenn der Geschmack und die Sinnesart
der alten Menschen des XH.— XHI. Jahrh. ganz nach unserer Art gewesen
wären, so würde der Verfasser gewiß berechtig^ sein, nicht nur den Vorwurf
gegen das Denkmal in seiner jetzigen Gestalt zu erheben, sondern auch za
zeigen, wie es besser gemacht werden könnte. Allein der Beweis, daß das
»Slovo« wirklieh nichts anderes als eine aus verschiedenen Liedern zusammen-
gestoppelte Kompilation sei, haben seine Einwendungen doch noch nicht er-
bracht V, J,
305
Beiträge znr serbokroatischen Dialektologie.
Der haj^Diakkt von Virje^ mit BefikiksiMigu/ng der DiaiUkie Poira/ima^»
(Kopriimioaf-Pitomaha),
Einleitung.
Die Torfiegende Arbeit berfleksiehtigt alle dialektischen Yenchieden-
heitoD, die in den DOrfem der Podravina von Pitomaia (Östlicher Punkt)
bis Eoprivnica (westl. Punkt) snm Yorsehein kommen. Der Dialekt Ton
^e, als der nns am besten bekannte, bildet den Mittelpunkt unserer
Darstellnng.
Um zuerst die Grenze zwischen Kajkayisohem und Stokavischem zu
ziehen: ausgehend Ton der Drave an der Grenze zwischen Kroatien und
Slayonien ist der erste Ort auf kroatischem Boden PitomaSa noch kaj-
kaTisch, der erste Ort aber auf dem Boden Slayoniens Gradao gehört
schon dem sto-Dialekte an. Yon Pitomaia weiter geht die Grenze über
Otroyanee, Grabroynica (Preradovids Geburtsort), Kozarerec, Suha-Sirova,
Eatalena, BudroYCC, Öepelovec, MiSetinec, Sr. Ana, Rakitnica, Jabuieta,
Babotok, Gor. Zdelice. IGt Gor. Zdelice hört meine eigene Untersuchung
auf, doch auf Grund der Kenntnisse, die ich von anderen habe, zieht sich
die Grenze von Gor. Zdelice mit Kormanica potok gegen Norden bis Novi-
grad und weiter yon Novigrad bildet die Grenze die Straße, die nach Ko-
priynica fuhrt Die Bewohner der nördlich von dieser Straße liegenden
Orte sprechen den Kaj-Dialekt; südlich liegende Orte, die meistens von
den Orthodoxen (Griechischorientalischen) bewohnt sind, gehören dem
sto-Dialekte an. Noch immer auf kroatischem Boden, aber jenseits der
Drave, d. i. nördlich, liegen die Orte Gotalovo, NovaSka, Gola und idala.
Die drei ersten Orte von Kaj-Sprechem bewohnt, werden auch in unserer
Darstellnng berficksichtigt, der vierte Ort ^dala, obwohl politisch zu Kroa-
tien gehörig, ist der Umgangssprache nach größtenteils magyarisch, und
nur in der Schule, Kirche und Gemeinde wird kroatisch gesprochen, dar-
um wird er hier unberflcksichtigt bleiben.
Auf dem so begrenzten Boden wird, was selbstverstftndlich ist, nicht
flberall derselbe Dialekt gesprochen, sondern wir können behaupten, daß
ein jedes größere Dorf einige LauteigentOmlichkeiten aufweist, besonders
in dem lexikalischen Yorrat werden in den verschiedenen Orten für einen
Arehir ffir slaTisch« Philoloin«* XXIX. 20
306 Franjo Fancev,
und denselben Begriff yerachiedeiie Worte bevorzugt; so z.B. nor in Gjnr-
gjeveo werden gewöhnlich livada^ tepsifUj aukaö gebraucht^ dagegen in
Virje sinokoia tigä^A^ ce^phc; ein Novogradac verwendet fOr »schlagen«
gewöhnlich das Yerbnm gA^stij ein 'Virovac dagegen neben großer Menge
(Aber 50) von Ansdrflcken ftr den Begriff »schlagen« kennt gerade dieses
Wort fast gar nicht, sondern spricht gewöhnlich bitt\ t^öij ndaioiti nsw.
Um anf das kleinste die Zahl der Typen des kaj-Dialektes in der Podra-
vina zu reduzieren, mtUsen wir mindestens drei Haupttypen aufstellen.
Als Orundlage fUr diese Einteilung dienen uns in erster Reihe die Reflexe
des akslav. Nasallautes ^ und des ^-Sonans, daim die Entwickelung des
a in langen Silben zu einem dumpfen a^-Laut, und die Aussprache des
u (sei es primär, sei es sekundär) als ein t^-Laut. Diese Entstehung be-
ruht auf Grund der Verschiedenheiten im Yokalismus, eine andere wird
sich beim Besprechen des Akzentes ergeben; eine dritte wäre vielleicht
nach Formen zu gewinnen.
Die erste Gruppe repräsentiert Koprivnica; als Reflex des Nasal-
lautes 7k und des ^-Sonaiiten ist hier u\ kein a9 und kein ü. Sehr nahe
dieser Gruppe liegt Novigrad (mit Delovi und Hlebine); hier nämlich
kommt auch weder aP noch ü vor, aber man hört hier und da ein o statt
t^, als Reflex des Nasallautes ^, aber nicht des ^Sonanten. Zu dieser
Gruppe können wir rechnen die örtlich abgetrennten Orte, beide Zdelice,
Babotok und Jabui^eta, wo als Reflex des ;i^ und l nur u ist, sonst aber
weder aP noch ü begegnet.
Die zweite, mittlere Gruppe, deren Hauptort Virje ist, kennt als
Reflex des Nasallautes 7k und des ^-Sonanten nur o als Regel, langes
(primäres) a wird a^, aber kein ü gesprochen. Zu dieser Gruppe gehören
die umliegenden Dörfer bei Virje: Miho^janec (Mijölä^nci), Hampovica,
Sv. Ana, Semovec (Semdfci), Molve, Sigetec, Peteranec, Dmje, Botovo;
jenseits der Drava Gotalovo, NovaSka und Gola. Doch in aUen diesen
Dörfern wird nicht ganz gleich gesprochen, sondern wir nehmen sie nnr
im großen und ganzen als eine Gruppe.
Obergang von dieser Gruppe zur dritten bildet Gjurgjevec; in diesem
Orte wird u schon als ü ausgesprochen, aber kein aP mehr. Fflr den
Nasallaut 7k und den ^-Sonanten kommt o neben u; keiner von diesen
zwei Lauten hat Übergewicht, sondern beide werden in denselben Worten
von verschiedenen Leuten gebraucht.
Die dritte Gruppe mit dem Hauptvertreter Elostar (gespr. Kloitfj
kennt kein o, sondern nur u ffir das 7k und |, kein aP\ dagegen das u
Beitrüge zur BerbokroaÜBchen Dialektologie. 307
wird hier noch schArfer als selbst in Ojnrgjeveo als ü ai&gesprochen.
Noch immer znm Kaj-Dialekte gehörend aber schon mit dem Fehlen des
ü ist die Pfaire PitomaSa.
Der Kern der Dialekte Podravinas gehört jedenfalls sor nördlichen
Grappe des E^jkavischen überhaupt um den Eigentflmlichkeiten dieser
Oroppe (siehe Zboir. I. Oblak. B. 59fr.) begegnen uns hier: das o tOi den
Nasallant^ und ftr ^-Sonans, das e fflr dicHalbvokalCy enge Aassprache
des % (als ein e*j f)j nur ein 6 (auch fOr tj)y Abwesenheit des o fOr das
silbenschließende /; das Vortreten des v vor das anlautende u (wie auch
▼er das o = ;r). Aus der Formenlehre haben sie mit jenen gemeinsam:
Instr.-Sing. a St. om, -utiif Oen., Dat., Adj. und Pronom. -offa^ -omu]
Imperat auf -f mo, -^te bei den Verben der I. — ^IV. Klasse. Auch die
Bildung des Futurums ist gleich jener in den nördlichen kiy-Dialekten
wie auch im Slovenischen, d. i. bei den perfektiTcn Verben wird das Fu-
torum durch die Form des Präsens ausgedrückt, sonst durch bQdem oder
h^m (akslay. b^a^) ^^ d®°>^ Partizip praet activ II. Wie in jenen,
werden auch hier im Gen. Loc. Dat. und Instr. Plur. A^jektiya und
Pronom. ausschließlich die Formen -i*'(A) e^m^ pni (-'Kjf'K, -'Kll'k und
-*kilH) gebraucht Auch die erweiterten Formen in der 3. P. Plur.Prfts.
auf -0;'ii, ^ju sind bis inkl. PitomaSa, ausgenommen Viije, wo die Eon-
traktion selbst bei -ejo der Verba der IIL und -q;b der Verba der V. Klasse
eingetreten ist, verbreitet Selbst der Erweiterung durch -idu, -^u (-adu)
begegnet man im Dialekte von Pitomaia.
Mit den nördlichen Dialekten (Varaidin, Medumuije) haben unsere
Zentraldialekte, welche unserer zweiten Gruppe angehören, gemeinsam
die dumpfe Aussprache des (primär) langen a (als a^).
Nicht einheitlich erhalten sich unsere Dialekte gegenüber anderen
nördlichen (vgl. Oblak, Lukjanenko) bezüglich des |, n und rj (r ). Was
das palatale ^ anbelangt, so ist es in Gola zu einem mittleren / geworden;
ziemlich häufig kommt dieses mittlere l auch in anderen vor, doch am
wenigsten ist es in "^'e Tcrbreitet; hier, d. i. in Virje, zeigt sich ein
palatales ( auch dort, wo es etymologisch nicht berechtigt ist; so ist das
/ vor dem -41% bei den Verben der IV. Klasse ausnahmslos zu ( geworden,
z. B. de^ti, se(itij be^^ti usw., vielleicht unter dem Einflüsse des Part,
praet pass, wo Palatalisation berechtigt ist (z. B. ]fBAiii€Ni^ akslav.).
Das palatale li ist entweder bewahrt oder es ist die Entpalatalisation
(also Verhärtung) eingetreten. Umstellung "jnr- ist sehr selten und kommt
mehr individuell vor; das/, oder mit sehr schwacher Nasalierung i^j\j^)
20*
308 Fnnio Ftaeev,
kommt (Iberllanpt sieht vor. Das paktale r wurdo entweder Terhirtefc
oder hat aioh ein solohes palatalee r sa einem rj entwickdt.
Wfthrend in anderen nordkajkayieohen DiaklEten neben d aneh j
vorkommt, iat hier ein j lußerst gelten nnd regelmftßig hört man nnr
ein 4.
Hier mOohten wir auch einiges über die Gegend, hauptsächlich ttberViije,
als Hanptort unserer Darstellnng, sagen. Die Gegend von Koprivnica bis
Pftoma6a ist von lanter Kroaten bewohnt, doch sehen Östlich vonEloltar gibt
es anch Nichtkroaten, und xwar Magyaren nnd Steierer, doch so wenige, daß
solche gleich kroatisiert werden nnd die Kinder sprechen schon nicht mehr
die Sprache ihrer Eltern. Am besten zeigen nns die Vornamen wie viele
ietzige Kroaten nicht ürwohner in diesen Gegenden, sondern Einwanderer
sind. Aber nicht nnr fremde (nngarische nnd dentsche) Namen, sondern es
kommen anch solche einheimische vor, die nns in das fttokavische Sprachge-
biet führen, dann anch solche mit bulgarischer Form; aber anch tO^iache.
Zn den einheimischen itokavischer Natnr gehören gewiß Dngani^, Gjnkeiiö,
Füipovid, Ljnbojeviö, Perovid, Bajkoviö, Sokoloviö, Tnrkovi<S, j^koviö nsw.
Zn den mit bulgarischer Form gehören Fancev,Bakov, Ilijev, Jnrkov,Markov,
Perov, Petkov usw., tttrklBche sind Adakovid, Odobadiö, Hasan, Zobundiija,
Babadiija usw. Fremden nnd zwar magyarischen Ursprungs sind: Bajsar,
Gik, Gikoi^, Öorba, Fereniaba, Hatadi, Ke6ked, Jan6i, Legradi, Magoc, Pilpek^
8ele&, dalvari, Soi, Totar usw.; deutsch: Aniperger, Frigt, Frajman, Herman,
Ginster, Laui, Sumandl, ätaber, Tii^ar usw. ; fremd klingen auch Henc, Ha-
pavel, Gibai, Gjegerec, Kelemin, Kuliman; Balatinec, Marusiec, dadek; Piki-
va&a usw.
Doch anch die Spraohe ist voll von Fremdwörtern; meistens haben
wir sie gesammelt nnd nur als Dlustration soll hier ein Beispiel angeführt
werden, wie das magyarische Wort apa in der Form jäphi, J^P^ das
einheimische otac (anch dieses kommt ahi ^t^CJJ^t^c jmäjdia) ersetzt;
desselben Ursprungs werden anch la&bk^ ba6a, £i6a (mit dem ersten
wird der filtere Bmder, mit dem zweiten die ältere Schwester ange-
sprochen) sein.
Das Volk nennt sich Horvä% HarvaPt, HrväH und die Sprache
harvä^cki, harvSPcki und hroaPckij^zik. Doch um die Schriftsprache
oder den sto-Dialekt vom kaj-Dialekte zu unterscheiden: wenn man
den sto-Dialekt spricht, so sagt man, es wird >po gospdcku oder
^vlaikU gesprochen, dagegen für den kaj-Dialekt ^poprostOyproHaSki^
boge^iki*.
Ein Ort vom anderen unterscheidet sich neben besonderen dialekti-
schen EigentOmliehkdten nnd dem lexikalischen Idiotikon aneh dnroh
zur serlNtoeAtlMfaeii Dialektologie. 809
Traoiit und die Oebrindie^ doeh dioM sterben flllmildieli ftQs. Was
soatt die Oelyriaehe mbelaagt, gibt es vielee i0cn gemeinBaaieB, jft selbst
dienlbeo LMer werden bei deneben CM^eoheit gemngeD, bo s. B.
nur Heekielt:
^Sprwodi mSf GjurOy do dvara mojegaf^
T^»Kak M te sprevodilf nepoznam ti dvara! *^ usw.
«u HMbine, oder ^Sefali ßtno baiu^€ (eielie: Zbor. tmnm. Uf i obi&.
johL SloT. lyes I. Seite 192^ 193) werden aoek in Viijs gesHigen.
Sprevo^ m^ne, dragi^ do dvora fnojega\
Kok bi te »prevodil, kat ii za nje neznam,
Moje ix je dvare leko spczmivatiy
Moji so ti dvori le*po ogräd'^i
Smi^kom % bosS^kom i z borovom granom usw.
oder
SydTi itno baiu^ca
PqUnka diioqfka^
Pqlin brala UetopeTy
Ma zeisna evüa (?) usw.
Zur Ostemzeit wird in '^Hrje »kolo* gespielt und in kolo werden
meistens Liebeslieder gesungen^ doch es kommt in ihnen gewOhnlieh ein
jutnak nnd seine ]fiba vor nnd jedes Lied iHngt mit den Worten
Dmia mojay oj divojkal
sn. lek will Mer nur den Anfang von zwei solehen Eolo-Liedem an-
fthreD:
Vino pije Pandiuricay
S njime pije tursko momSe^
S njime pije, i njim goeori :
Boga tqbij Pandiurica,
Prelepo H lübo itnai nsw.
^er
Preletelajasna zvezda
Preko dvora mlad^MiJu^jla,
Uitqj^ ttstajf mlad-Iühq/lu,
Ttoj pajddüh kofia poji^
Ä tvojjadbn iedtn stoji nsw.
310 Fraajo Faneey,
Nieht mehr so rerbreitet ist das Hemnudehen Ton »ladariee*^ wie
ieb mich aus meiner Jugendzeit erinnere , daß es der Fall nooh war,
welohe am Johannstag von Hans zu Hana gingen nnd die Lieder sangeo,
mit welchen Olflck im Hanae nnd bei der Wirtschaft gewünscht wnrde.
Bei diesen Liedern ist am wichtigsten ihr Refrain
Oj lepo ladoy ladoy lado
nnd naoh diesem »lado< werden sie ^ladarice* genannt um nnr ein
Beispiel eines solchen Liedes zn zeigen, fahre ich hier von einem solchen
Liede nnr den Anfang an. Wenn die ladarice in den Hof eines Hansea
kommen, fangen sie so an:
Falfin bodi Jeiui Eristui;
Oj lepo hdoj lado^ lado*)
Podajte nam Ivaneka^
Da se i njime poigramo.
Bog pomaii iomu atanju
1 u ku6% gospodaru
Ponajbolje stari majki
I u kuci drtdinici usw.
Was die Volkspoesie anbelangt| mir ist nnr jene von Viije bekannt,
ist jene der älteren Generation viel wertvoller als die der jüngeren, henti-
gen. Nach ihrem Inhalte gehört die altere meistens den lyrisch-weib-
lichen an, die Hauptpersonen in ihnen sind gewöhnlich ein junak nnd
seine lübordivojka] ihre Melodie ist grundverschieden von den Melodien
der neueren Lieder. Die Lieder der filteren Generation haben nur ftr
einen Vers Melodie, so daß alle Verse nach einer Melodie gesungen
werden, dagegen sind die Melodien der neueren Lieder fOr ganze
Strophen komponiert, viele von den magyarischen Liedern genommen,
oder die Melodie eines in der Schule erlernten Liedes wird auch an-
deren Liedern angepaßt. Aber auch der Inhalt der neueren lieder ist
meistens frivol.
Was noch bei diesen Liedern von Wichtigkeit ist, das ist ihre
Sprache, die meistens verschieden ist von der gewöhnlichen Yulglr-
sprache; ja selbst bd den Leuten, die nie einen Satz in der Literatur-
sprache gelesen haben, kann man den Einfluß des stokavischen Dialekts
'^} Dieser Vers wiederholt sich als Befrain nach jedem anderen Vera.
BdtriSge nur serbokroatiflehen Dialektologie. 31 1
in den Liedern konstatieren. So nur in den Liedern kommen soldie Worte
wie dioofka^ IfÄba^ mamie^ iedo^ maia naw. vor; femer sind in den
Liedern nnr « fttr ;k nnd |, dann a statt des e flbr die Halbrokale ftblieh,
BO X. B. rukoj iutf jabuka, iuza oder taman, darij santk usw. Auf-
fallend ist anch in diesen Liedern die Anwendung der besonderen Form
flbr den Vokativ, wie %. B. ustqf, ustaj\ mlad-Miha{u oder tutq/ 8naio
sfuMca] spavq/j tpavajmaio naia\ odizorja aestro naia nsw. Aneh
die Bildung des Fatoroms ist in solehen Liedern meistens mit du, cei
nnd nidit mit bodem oder bom oder mit Prftsens bei den perfektiven
Verben wie z. B./a $q k t^bt obrnoH ne 6u\ onda du 8^ k tebi obmoti;
ano df tni ^uba biti\ ano 6^o nafaUti nsw.
Einige von diesen Liedern sind nach der lebenden Tradition über
100 Jahre schon hier bekannt
Fflr die Geschichte und Entwickelang der Dialekte ist es von Wich-
tigkeit, ob die Ansiedelung, wo ein Dialekt gesprochen wird, alt oder
neu ist. Was die Dörfer der Podravina anbelangt, so sind meistens alle
sehor alt Schon ans dem Jahre 1201 (siehe Starine XXI S. 230) ist der
Name Zd^)a ftberliefert (Zdelia »ad rivnm ZdeUa«, noch heute so genannt
ein Bach in IHije); ob in derselben Urkunde »rivus Hausta« mit heutigem
Hotova (potok) und >Cemoglawc mit »darova glavica« identisch ist, kön-
nen wir nicht sagen. Aus dem Jahre 1216 (Starine XXI S. 256 — 7)
haben wir Oorbonuk (das heutige Elostar) mit »ecclesia s. Adrianic.
IMese Kirche findet man nicht mehr, aber man kann noch in Klostar den
Ort zeigen, wo einmal diese Kirche stand, jener Teil des Dorfes um die
Kirche herum heifit »Oderianc. Unter demJahrel334 undl501 (Starine
IV. 214) stehen im Veneichnis der Kirchen der Agramer Diözese unter
anderen anch Prodauiz, Susicha, Grabounok, Molina (1501), Supancz,
welchen heute Viije, Gtjurgjevec, Klostar, Molve entsprechen. Ob mit
Supancz das heutige 2upanci identisch ist, können wir nicht sagen, doch
sehr wahrscheinlich ist es, obwohl mit diesem Namen heute die Wiesen
genannt werden. Zum ersten Male taucht der Name »Yiriec erst im
17. Jahrhundert aus dem Jahre 1622 (s. Lopasid: Spomenici hrvat kra-
jine, Acta 1884, 3 Bde) auf, »sed fluvius zdelia ambit castetium Virie«.
Gtjurgjevee ist nach der Kirche des heiligen Georg (in den üdnnden der
Mitttligrenze gewöhnlich Set Georgen genannt), Klostar nach einem
Kloater benannt Von den alten Namen hat sich nichts erhalten. Vixje
ist offizielle Benennung des Ortes, aber bei den Bewohnern wie auch in
der Umgebung ist sie gar nicht flblich, sondern man sagt nur Yiri oder
312 Fmi^FMbMT,
bei de» giieidiieehH^rieiitoUsolMB äto-epraeheni Ylam. Der Bewelmer
yo» Yiije iiemrt sieh Yiiofbo und als A^jektiT wird viioftkt gebnaeki;
YlgeBski iat gindieli imbekeani
Die Erklftrnng der gebrauohten Zeiohen.
Den Vokal a in den langen Silben, wo er rieh Nhon dem o nähert,
besMehnen wir mit dem Zeichen BrUekes a^ (Sieverg a') s. B. glSf^va^
iraPda, Dae a ohne ^ beaeiehneit reines a (gleieh dem kolumaehen a).
Das ä beaeichnet den a-Lant vor einem j\ wo es als ein breites e (^
dentsehem ä) ausgesprochen wird, z. B. daj\ kraj\ mlajü, £ik^f.
^Lante haben wir folgende: q dn breites e in den konen Silben
(Bricka «^, 8iev«rs m^) z. B. i|ita, «^/o, tm^\ e steht gegenabear ^ in den
langen Silben, ist gleieh dem stokavischen 0: iSn, 9ela nsw. ; e* iat Beflez
des akstarr. iL in langen Silben, wird als ein enges sieh dem % nlhemdes
B ansgesprodien, s. B. ds^te^ le*pj ste*na nsw. ; (r ist ^ enges e in konea
Silben, als Beflex des *!:. z ist das Zeichen fbr ein sehr redoziertes e in
den SnfBxsilben. Beispi^e Ar das ^ sind ^a, vlfra naw. ; fllr das «:
ienbkj petbh nsw.
Das Zeichen 0 beaeieluiet das lange oder kurze gesddossene #; das
0 ist gleieh dem stokayischen 0, z. B. KdA g. N. £^/i, r^io, täga^ «fso,
iSAa nsw., voda — v^de^ nfge nsw.
Das u beaeiehnet den gewöhnlichen ii-Lant; ü den sieh dem t^ wie
nngefthr das denfsehe il, nahmnden ti-Lani
Von den Konsonanten kennen die Dialekte der Podravina keinen
unterschied zwischen c nnd ö. Koch ein besonderer Laut ist ein hartes
dj wie ein ü ansgesprochen, doch nicht als zwei Laute, sondern als ein
gerade so wie c nicht ti ist Wir werden diesen Laut als if^ beaeidhaen.
Wir gebrauchen die üblichen BetonungszeiehoL: das Zeiohen "" drflekt
eine betonte Ifittellange ans. Wo wir das Zeichen ' gebrauchen, daoDut
wollen wir keine bestimmte Betonung ausdrttcken.
Beltritge xai Berbokroatiachen Dialektologie. 313
DialektoIogiBohe Karte. .
./
Is. VokalismoB.
Niflht 80 ^nüuh, wie in dea stokariaelieii IXslektea ist der Yokalis-
mu ia aiMt«! Dialektal, is wir Her für eiaeo jeden Tokal, aaS«r i,
mekrew dnrch veischiedetie Einflflaae huTorgvafeBe Befleze luben. Tor
albm lut auf die Entwiekelnng d«r Tt^ale die Betonnng und die Qsan-
titlt gewirkt, in iw^sr Beihe aber anoh die BtaUimg der Vokale im Worte
uGbit, n> da& man bertckaioktigen muß, ob ueh ein Tokal in «ner ge-
■fiÜMMaien Silbe iMfindet oder ix einer offenen.
Dat imn« o&ne o, bei welchem der Hnndkanal mlB^ geflffliet Meibt
314 Fraajo Fancev,
und die Zunge sieh nicht viel ans ihrer Lage entfernt (Sievers Phonetik*
S. 81; sein a^), kommt zunächst in den knrsen Silben (orsprttnglioh) vor
und zwar betont oder unbetont. Seknndär verlängertes a, welche Yer-
Ungernng durch die Position wie auch durch den Akzent hervorgerufen
sein konnte, erscheint einersdts als reines oflfenes a, anderseits aber auch
als ein getrflbtes geschlossenes aP; eine bestimmte Regel, wann es als a,
wann dagegen als a9 erscheint, sind wir nicht im Stande au&ustellen, wie
das die Beispiele zeigen werden. Doch die Trübung des a scheint ge-
wöhnlieh dort einzutreffen, wo die verlängerte Silbe in den Spradien und
Dialekten, die die steigende und fallende Intonation unterscheiden, die
steigende Intonation aufweist; dagegen ist diese Trübung seltener in den
Fällen, wo die Intonation der verlängerten Silbe eine fallende ist, z. B.
a) zuerst in den kurzen (betont und unbetont) SUben: £äia, ktada^jor
Säka {jabukajf jagdda {jagodajj pastöria {p^tarka)\ Marica (8ak.:
Marica)^ kaJ^tHia (5: ka{Ma)j ravnica (5: rawiica\ slaHna (i, Nema-
niö: «/a&tna), siafina (5. Nem.: starina) usw.
b) a) in den ohne Position gelangten Silben, die im stok. und im
6ak. Akzent mit reinem offenen a haben: blato {bläto)y mäsloy jato^
jäale; dläka^käpa^ mläka^Bäka^kaia^kahaypäiaj «ro^a usw., ß) durch
die Position: larvbc (iJänac-ldnca Nem. S. 20) -länca^ magctrbc^ (S. mdr
garac und magärac^ mägarca und magirca Nem. 49, 53) "fnagärcaj
posr&mc (5. posränac-po^änca Nem. 53 und posränäo-poiräncä puer
concacatuB)' posranca^ so auch delavbc (£. Nem. 49 d^lavac-dälavca)
-deläfca^ laßtvbc (S. Nem. 49 läjavac-läjavca) -lajafca usw.
c) In den Fällen mit sekundär verlängertem a begegnet auch ein ge-
trabtes geschlossenes a^, wie folgende Beispiele zeigen, zuerst a) mit dem
* Akzent im cak. und im stokav.: kraPsta (6. Nem. S. 19 krä$ia crusta;
Scabies), ma^bka (S. Nem. 22 mä6ka)\ JdPnica (c. Nem. ' Aniea S. 34),
lü^stavica (stok. : lastavica) usw.
ß) in der Position: 8ta9rhc (S. Nem. 20: stärao- stdrca) siaf^rca^
opä^i^k [6, Nem. I. 52 opänak, pL opdnki socci g€nus)'Opä^nka usw.
Dieses reine offene a kommt auch statt des getrflbten geseUossenen
a^ der langen Silben der zweiten Gruppe (Virje), in der ersten (Koprivnica)
und in der dritten (Klostar-Sesvete) Gruppe, dann in den Übergangsdia-
lekten Novigrad, Gjurg|evee und Pitoma^a, welche kein a9 kennen, z.B.
trava Novigr., £^äj\ iqnam Novigr., Gjurg|., Kai, Budrov-Ferdin.,
Otrov., Elost, Katal., Zdel., JabuS., Babot; so auch majka (Tige:
mS9jkd\^ mlädi (mlä^dt), zäkäj (zcfikäj) usw. Das Fehlen des a^ in ge-
Beitrüge nur serbokroatiBehen Dialektologie. 315
Bannten swei Gruppen setzen wir anf die stärkere Beeinflussung des sto-
karaohen Vokalismns, wie aneh sonst in diesen Gruppen stärkere Be-
einflussung seitens des stokaTischen als in der sweiten Gruppe zu kon-
statieren ist.
Der a^-L«nt, bei welchem die Zunge in derselben Stellung wie beim
a bleibt, nur die Mundwinkel etwas, doch nicht so stark wie beim Laute
o, zusammengcBOg^n werden (Sievers Ph.^ 101), der nur in zweiter Gruppe
begegnet, erseheint in den primftr langen Silben, mochte das a betont
oder unbetont gewesen sein, und in den sekundär yerlfingerton und wie
sehen gesagt worden ist, mehr in den Fällen mit der steigenden Intona-
tion als in jenen mit der fallenden. Etwas dieser Erscheinung ähnliches
findet sich auch sonst in den slav. Dialekten, ja selbst mit dem Obergange
zum o. So im Polnischen. Dann auch im Dialekt von Lastovo (Archiv
f. slav.PhiL XVI. S. 428), also im Öakavischen; und unter den slov. Dia-
lekten im Jaunthalerdiaiekte (Kärnten). Z.B.: a) in langen betonten Silben:
blSPgo (i. blägo Nem. n. 5, stok. : blägo\ zlä^tOj vraPta\ rä^na (e. hräna
Nem.n. 25), maPjka^ Icfida usw., ß) in langen sonst unbetonten Silben:
plä^ind (5. Nem. n. 8 plaind)^ va^pno; gläPva (i. Nem. IL 29 gläm)^
stra^naj irS?va usw. Auch in den Fällen wie mdPjftca (S. mdjHca
Nem. n. 37), AäV«;a, bräydicüj vä^änkay lä^stavica usw.
In sekundär gelängten Silben unter der steigenden Intonation, wie
die Beispiele zeigen: im Locat., Sing., Masc. o-Stam. fkcfim (6ak. Nem. I.
7. cäsSäsCj loc. cäse) -cäs^cäsa, fgrä^Au (neben vgrähu 2ak.Nem. 1. 8
gräk^dha^äheygrM-grMa, dgrat-vogrä^du [dgrad-dgrada Nem. I.
30), dbras'po obra^zu^^ obraza usw.
Dritter o-Laut, welchen alle drei Gruppen kennen und welcher in
den primär kurzen, durch ein/ geschlossenen Silben steht, wird so aus-
gesprochen, daß es sich dem breiten e (ä, a^) Laute nähert. Bei der Bil-
dung dieses ä-Lautes wird die Zunge etwas nach vorwärts bis an die
ünterzähne vorgeschoben und die Mundwinkel auseiandergezogen (Sievers
Phon.» S. 86).
Diese Erscheinung ist verwandt mit dem böhmischen regressiven
Umlaut des a, vgl. Tondrik (Vergleich. Grammatik I 80).
Beispiele: Yiije: däj-^äjiey käu säAäj) häjkäti^ rdjH^ $ld^^
usw., so auch in Mihojanac, Molve, oemovac; Novigrad: däj\ iäj; Hle-
Une: dej{IboT. z. nar. l^v. i ob. I. 193); Gjurgjevec: däjtej k^f; Elo-
star: krSjcar^ cekäj) käj\ däj\ Sesvete: mläjiiy däj; Budrovec: däjß
{mij usw.
316 Faa^ FaBMT,
Von äea kajkayiachen IMaldcten, die uns hsmte beksnnt usd,
den aP-iiwat der Dialekt von Medmnrnje (sieh: OblakNeato o medumirB!-
kom nure&j« Zbom L 8. 48-) und der wn Yanddin (Va^avee: PripimjeikB)
z. B. mUdij väpnOy gläva, kroal^ trinoajsU
Der o-Lant ist in den Dialekten der Podnmiia meistens ein primlrer
Vokal, aber nicht selten aneh seknndftr ala Beiex der allUrcbensIay.
Halbvokale, deren regelmäßiger Vertreter hiNr ein a-Lant ist Wo wir
hier ein a fOr die altkircheaslay. Halbvokale haben, ist es als Einfloß des
stokaviaehen Dialektes zu betrachten, wdcher in den Liedern grftfier ala
in der gewOfanliohen Umgangssprache ist. Die gewöbnliehen Bei^ele
mit dem a sind folgende: IdPf (ükR'k), baPst (HkCTb), tiPtt (Tkrrk),
laPS (Ak3Kk), opaPiMc (onkH'kK'k), paH (nbiMi), das Snffix -iPngtüo
(kCTBO), poldg?n (A^Hk), doch nnr de^. Obwohl in allen diesen Be»-
sfrieton eine Lftage erscheint, dürfen wir dennoch nicht daraos den Schiafi
ziehm, daß hier wegen der Linge a als Reflex des sdiwaehen Vokale
gilt.
In den Liedern haben wir ein a statt des erwarteten e\ Koprivniea
\^^TX\l%y.dainas^lakunoc[\l%dobar(tecer](\ll)\ PitomaSa:i2oiar
[fuecer) (179); Hlebine: Iratac (192), tada(\^^). Viije (nach unseren
An&eichnnngen): tamna nocka^ ll^li d&nak^ snaia snaiiea nsw.
Das a filr ein AI hat man in jaöm^ (fannaii'ki, hordeun), &H-hc
(^KAA-O, Stimulus aculeus), yoJr^ (MkApO, nndena).
Das a fOr dn *t[ findet sich in nä^dra (HiSApo). Nicht auf "k ist
das a in oc in den Adverbien d^klac (AOKOA*t[), d^tlaS (aotoaIe), d^
vlacy dQnlac usw. zurttckzufthren, s<mdem -o^ ist eine Neubildung wie
-«£, aPr in kQdhk, ovßdbk^ sigdSPr^ nigdaPr (in diesen wiedw a^mt >>
are ^ ar und dann mit dem Suffix ar wegen der Betonung verweohael^.
Anm. : Ein a hört man in Fremdwörtern statt au: in raPb^^ räfank^
rafanJie\ /äro/ (Schraube); stattet: ^ma^m (gemein), gmefinda (Ge^
meinde),^ii (fdn); statt äu: fraPlot (Fräulein); statt ä: jaPgar (JSger),
lä^rma (Lärm); statt e: fatiti (fehlen), /aft/s^a (Fehlung); iaitöment
(Testament); statt er: fdatar^ tlilar usw.
2) Halbvokale 'k, k. Der regelmäßige Beflex beider Halbvolnto ist
in der ganzen Podravina (hier kommt in Betradit nur j,ener Teil, von dem
hier die Bede ist, d, L von Koprivnica bis PitomaSa) ein ««Ijant^ weLoher
aber nicht mit dem etTmologischen den gleichen VertLndeningen nntsi-
liegt, d. k ohne Unterschied auf Quantität und auf Betonung, ebenso aaf
Stellung im Worte, im Inlaute wie im Auslaute. Beispiele: Inlaut:
BeitrSge anr serbokroatisoheii Dialektologie. 317
Wmaeisilbe: d^, de^id vnd de*ic, migla, dhka, sßHo, m»fta, b'itvo,
pSaij näioy bSzg, pi$; gen&U^ zdehnitiyfsenSti qbw. Snficuilbe: hier
Ycxr alkn KonBoimteii (außer einem r, /, n) als dn sehr reduieriei e («);
wenn dem Halbvokale in der Snffixsilbe r, /, n folgen, so werden diese
ab Bonanten ^, |, ^) ansgesprochen, z. B.
a) dti^ (OTkHk), Mmc (KONkHk), £&tbc (KOTki^k), ve^mc
(K'fcfikHk); gläAk (rAA^ikK%]j pethk (nAT'kK'k), wethk (cBAT*kK'k),
lakbt (ii^nckTk) usw.
ß}f^H (nkKAk,ftrdasSkroat iai^pbkhl (<Cpaiao) Toranssetsen),
so do6f .
Im Aofllante sind die Halbvokale anch in unseren Dialekten wie auch
sonst in sUvisohen Sprachen spnrlos verioren gegangen; doeh haben wir
auch Beispiele, wo im Anslante die Halbvokale ersetst sind, z. B.: of
(os*k), on (OH*k), enia^reehend den stok. ovc^] onaj\ aber anch te^ (neben
t) n^e^ (OH'k) (z. B. im f lagh/, naP i hrhj\ ze (ck -«a: ze shni -sa
svimdjj 86 mirom (fortwährend} ; doch Öfters in den Kompositis einer Pri-
position mit einem Yerbnm, z. B. odebräii (odahrat%)y zebräH {izabrati),
podeiffätij xeigati {saigaiij. Wie man sieht, wird in diesen Fällen der
Halbvokal durch e ersetzt^ wenn das Wort mit einer Eonsonantengrappe
anfibigt
In der Wurzelsilbe schwindet der Reflex der Halbvokale zuerst in
bekannten Fillen wie sdn-sna^ pUs^sa] de^n^ de*ne aber do dneva]
dnevUy dneeonij dneti usw.; auch solche Fille sollen hier erwähnt wer-
den wie tml^ und £imf, knCica neben temniea (Gefängnis); anch dot"
mcfir {do^tma-re, Tklia in der Bedeutung: genug, in Halle und Fälle),
gmSPziU (r'kll'kS-). hH (pi^XCk -rai)^ aber lek -kka (AkrkK'k), gda
(nigdarvBW. Kl^rAA), vSzda (BkCk^A -^azda)] hnS^rUti [mhi : mhgj
aber namegndtijj nagnäti (aber genSii : ganuti) usw. ; der Halbvokal
worde «ach nicht ersetzt in: hrpty noft
Ziemlich oft fällt der Halbvokal ohne Ersatz in den Suffixsilben auch
in Nom. Sing, aus, wenn vor dem Halbvokal oder besser gesagt vor seinem
Beflez e ('k) ein r, l, n steht, z. B. töriy ndrc, im&rc (DrOse, ilifezda)^
itvdrc (Star, iktorac) ^rc {kurac)^ iure (eine Art Schflrse), iv^c (Wa-
genschmiere), gvSrc (ein Getränk von Gewflrze), zgdrc (Wind vom Westen) ;
zcTdlc (Wind vom Osten), mdlc {tnohcy Motte); wir haben auch stölc
(stolae)j kUlc [kolac) gdiört, doch gewöhnlicher sind stöhc^ k6hc\
Senk (Schnabel bdm Weberstuhl), trSno (eine Art Speise für kleine Kin-
der) nnd vielleicht nodi einige.
318 Frai^'o Fancer,
Schon im XYI. und XYIL J«lirhandert findet man bei den
schreibenden Schriftstellern einige Beispiele , meistens immer dieselben,
die als Reflex ein a statt des gewöhnlichen, d. i. regelmäßigen e zdgen.
Bei Pergoaid etwas hftofiger als bei Yramec, so bei jenem auch in
Snffixsilben neben ^ek^ -«e, -en^ auch cJc^ ac^ an\ auch in der Wnnsel-
silbe: vasnicaj maniey loffljej aber anch im Auslaute ta (T'k), preza^
va. Vramec hat dan (^i^Nk), sedam^ dost (in Eronika], laiuöij 6a$t
(5 mal), Ictg^je^ laiac (3 mal), dcian (11. 7); doch aber noch *lieii€. Auch
in den kigkavischen Urkunden des XYI. Jahrhs. ist hie und da ein a zu
finden: dan(lbSTPetnAeYtc)svedoca8toa] ca«/,c2ana$ (1592 Nede|i8Se),
aodacj dan (Sv. Ivan Zelina 1592) usw. Im XYII. Jahrh. kommen mit
a gewöhnlich laz (mit aQen Ableitungen), cast; doch auch noch cest^
lezec, test Petretid [lest S. 52, cest 98 usw).
Aber auch in den Urkunden aus dem XYII. Jahrb., die in Podravina
geschrieben smd, begegnen hie und da die Formen mit a, doch e bildet
die Regel, so z. B. Eopriynica (1636 Starine XXX mankajuci [menh')
lahkOf do dan danaini aus dem Jahre 1644 (Starine XXX S. 6), vzamii^
cast, aus Sigetec (S. 1639, Starine XXX S. 14) kada^ aber dem a gegen-
über kommt ein e viel häufiger, so z. B.: vezdaj nütarmemej zacetekj
ves, dober^ dohodek (1636); preiestni sem^ sedemsto (1644); sem, da-
hodek (Sigetec 1639). In der zweiten sogar auch tork.
Bei den heutigen uns bekannten Dialekten , werden die Halbvokale
gewöhnlich durch ein e ersetzt, doch gibt es auch solche, in welchen a
Regel bildet. Zu den ersten gehören Dialekte von Medumurje (Murinsel),
Yarai^din, Trebarjevo, Stupnik; hieher auch der Dialekt von Prigoije, in
welchen in den Wurzelsilben ein e die Halbvokale ersetzt. Zu den zweiten
Prigoije mit der Suffixsilbe, Lokve usw. (A.M.jIyKi>flneHKoKaHKaBCRoe
HapWe SA. der Eiewer Universität HsBiCTifl (1904 Dez., 1905 März,
April, Mai) und darüber Rezension von Prof. Jagiö, Archiv f. slav. Ph.
XXYHS. 578ff.).
Hier könnte man noch erwähnen f>un (und Ableitungen wie vune*,
vum^sM^ doch vnot^) und v^zhm\ doch ist hier nicht die Rede von einer
Entwickelung des Halbvokals zu u^ sondern eher von einer Yerwechselung
mit der Präposition Bik (ou, v)\ andere Entwickelung zeigt stok. von,
vani^ wie auch böhm. ven.
3) ^Laute. Die ^Laute, als Yertreter des etymolo^chen e, als
Reflexe der akslav. Halbvokale, des akslav. 1E und des akslav. Nasallautes
A sind nicht zu einem einheitlichen «-Laute geworden, welcher dann
rw—WWW W^
Beitrüge znr serbokroatischen Dialektologie. 3 1 9
unter gleichen ümstSnden gleiche Yer&ndeningen erleiden würde, sondern
wir mflssen drei Gmppen unterscheiden, das etymologische e nnd der
Nasallant A bilden die erste, die Halbvokale die zweite und der "k-Laut
die dritte Omppe; jede von diesen drei Gruppen ergibt unter gleichen
Umstftnden ihre besondere Weiterentwickelung.
Zuerst die Entwickelung des etymolog^chen e und des Nasallautes
A. Speziell fflr den Dialekt von Viije gilt die Begel: das etymologische
e und der Nasallaut A werden in den kurzen (betonten wie unbetonten)
Silben zu einem offenen, sich dem a nAhemden ^ [ä, e^ Brflcke, e^ Sie-
yers; Siegers Phon.^ S. 86], dagegen in den ursprünglich langen oder
sekundir yerlilngerten Silben wird e mehr geschlossen (etwa wie das e
im sto-Dialekte) ausgesprochen. Yirje gegenllber stehen alle anderen
Dialekte, da diese auch in langen Silben den Laut zu einem offenen ^
(«^) werden lassen. Ojurgjevecs Eigentttmlichkeit ist dagegen darin, daß
dort die gewöhnliche und die geschlossene Aussprache des e in kurzen
Silben mehr znr Nachahmung der stokavischen Aussprache zu sein
scheint
Beispiele: Yirje: 9v^kir{svMar), n(^bo{nSbo)^ffr4bhn^kr^mwi{ffrMSn,
krhnin)^ sv^farva (Sak: svikrva Nem.II 33), al^^^na (S. aUzena S. 33);
unbet. : p'^o (perd l, 1. c 7], s^lo (i. seid 1, c. 7), r^^to (reietö iak.
Nem. IL 15), vrqt^no (vretenb L c. 16), t^lq (stok. Ule^ russ. Tejti),
rämq (stok. r&me\ pryfqtica (stok. pripelica\ mqs^cina (5ak. meaecina
Nem. n. 59) usw.
In den langen Silben: zu «^/o, jf^o, plur. sela^ pera; ledy med (zu
m|{20, V^da)^ im so (stok. m€8o\ vr^iena^ r^ieia^ ien (Qen. pL), l^ne
(gen. Sing.), trpe (3 Plur. Präs.) usw.
Neben der offenen Aussprache des etymol. e und des Nasallautes dk
in den kurzen Silben wie i^a;'Noy., zi^mlaj s^4lo El., t^^bi Gjurgj. usw.
sollen hier Beispiele mit offener Aussprache in langen Silben zitiert wer-
den; vgd^, vel^ Novigr., n^cq Sig., pghur^, bgl^ Gjurgj., poit^ike^ pri-
s^cij kuTiko s^l tütiko i^g Kaiin., trpq Ferd., m^u Budrov. usw.
Der e-Laut als Reflex der Halbvokale hat nie eine offene Aussprache
weder in kurzen noch in langen Silben, sondern in Wurzelsilben ist die
Aussprache, ähnlich jener des stokayischen e. Neben dieser geschlossenen
Aussprache kann es in den langen Silben auch eine andere geschlossene
Aussprache haben, die sich dem t, ebenso wie der Reflex des akslay. 1E
in langen Silben, nähert.
Beispiele: Viije: m&ffla^ pSk^j m^a^ dUska; sieblo (5ak. stäbU
320 Fmjo Funoer,
N«D. IL 8) UBW.; aber de^^ deiic; dS^shtj -deg^k^ m^i gpL, fiSdb'
(tittbk)j sn^h (»neha) «w.
In imbetoiiteii «oslantenden CRIben (Boflhntilfaeii) wird dar Reflex der
HalbTokale ab ein sehr redunerter Laiit, wir kömitn ifai Haflwokal bob-
neii, gesprodieii.
Beispiele: Tikbk (neben hh- Akr*kK-k), sladhk [tAAXkMrw\ wUghn
(UkrAkN*k) ihmn (TkUkH-k), Ithc (oTki^k), soibn\ Jemdricht Hieb.;
dohn (AA*kXCkH*k) B^.; kanSihc 9ta?ru: Midtw.; jdtbc (Babofti^ ZdeL,
JabnS.) ; vrSPbhCj n^zhk GoL, cuchk Ojnrgj usw.
Der e^laaxt als Reflex der akaL *K kennt im IMaldkte Ton ^Vbje mir
geseblossene Anaaprache. X wird in langen Silben wie ein enges e, das
sieh dem t nihert, aosgesproehen; das ist derselbe Lant, welchen wir im
ICagyarisehen mit Akut (4), ebenso im Französisehai (in 6t6) oder im
Dentschen im Worte Bee hören. In knrsen Silben ist der Beflex des *t[
noeh immer ein enger Lant, doch nicht so ansgesproehen, sondern etwas
reduziert.
Beispiele: a)Y]ije: sne^g^ mle*koj9re*daj be*iaii usw.; B^p^de*-
lamj $ ke*fn Nov., cPm^ie^m Dr&e., ce^la^ naie^ Hieb., cve*tj re^c^
ftre^la GoL, vune\ ne^je Molv., le^e\ $^no Gjmgj., &pOj dPte Slost,
de^läie ZdeL, de^te poveUte Jabul. nsw.
ß) v^Uj itCiga [97ie^g)j sl^ta^ mfffft', cdv^j drf;\ sos^ ^^-l
fdvfkVoY.; dfläü Big,; or^h.dica^ ^to GoL: 9^te, syatiQyasQ.;
dv4 J^k Ferd. ; Sov^k^ spov^ Klost ; d^ca^ trp^ti GM[>rovn. , nufda
Bndrov., v^a TA. Balot. nsw. Pitomaia kennt aneh e^ nnd f^ so mlS*iOj
le^p; aber cot^k^ süsfd.
Wie schon oben gesagt, der Reflex des aksl. iE in den IMalekten
Podravinas, ist ein geschlossenes e {e^j (), darnach gehOrt dasEajkavische
der PodraTina wie anch sonst die kaj-Diaiekte der ekavisehen Zone an.
Doch sporadisch begegnen einige Bdspiele mit der ikavischen Ansspraehe.
Das sind schon bekannte divqjha^ sinokoia nnd atiräti nnd iiiräii neben
steräti; hierher rechnen wir : sim (vesintj mss. c&itb), pioüi (nOTOA'fc),
häj-g^idi (-rOA'K)) pozütri (-1E loc. 8g.), vlä^ni (-1E) nnd -t als Easns-
snfBx im loc. Sing. fem. gen. nnd im loc. Plnr. masc. nnd nentr. gen.,
z. B. als loc. sing. fem. gen. v zem^* — v zSmlij v roke* — v roU^ f
kopi^ — fkopi; loc. plnr. masc. et nentr. gen. po selP — po seU^ po
pole* — po polt; pri voU* — pri voli, kone* — k^ihi usw. Wie man
sieht, ist im Anslante t* als Reflex des akslav. *k intakt geblieben, wenn
es betont ist, dagegen nnbetont wird es zu t nnd nicht mehr e*. Daß
Beitr&ge zur serbokroatiBchen Dialektologie. 321
dieses i als eine lanüiohe Entwickelung und nicht als Analogiebildnng
nach den weichen Stämmen, bei welchen ein i (h) dem "k der harten
Stamme entspricht, au&nfassen ist, zeigt nns die Geschichte des Eaj-Dia-
lektes, doch darüber ist die Rede bei den Formen.
Wir müssen die Meinung Lnkjanenkos (S. 78) zorflckweisen, wenn er
sagt: Bx cinepHOH h cisepoBocTo^raoH ^acTHXE KpHaKeseipcoH syn ....
Oahh'l pas'L noHSJEHCTCfl H SA^cB te : liepa (Zbr. I — 1 7 5). Die ijekavischen
Formen (in Zbr. »hvala lijepac I. 175) sind in Kopriynica wie auch in der
ganzen k^'kavischen Umgebnng nicht üblich; der Verfasser des KaHKas-
CKoe napi^e hat selbst sehen können, daß die Sprache der Lieder (Zbor.
L 176, 177) ans Koprivnicas Vorstädten (Banovac, Bregi, BreSanec, Dn-
bovec und HtGklinovec) nicht dieselbe ist mit jener in den in Prosa geschrie-
benen Gesprächen, während jene kajkavisch ist (z. B. ziiel^ vence^jeden^
üucem, bratec 176, zutra^ belam^ prelepa 177), ist diese dagegen ans-
gesprochen stokayische Schriftsprache (z. B. : izgubüi stno . . . (statt zgub,)
u (statt V oder rti), izailo (statt ziilo) usw. S. 174, 175.
Was das kajkavische der früheren Jahrhunderte anbetrifft, fiült uns
die Sprache des XVL Jahrhs. auf. Pergosiö (Dekretum) schreibt y, t, te,
ye und e; Vramec t^, ee und e\ ebenso kajkavisch geschriebene Urkun-
den (Kukuljevid Listine hrvatske) des XVI. Jahrhs. weisen y, ye, ie und
e auf; das XVII. Jahrh. kann nur ein e aufweisen. Unrichtig ist, wenn
Lulganenko sagt (80) : SaiiiHy *t[ wh HeyxapfleMux'B cjiorax^ snyKOM'B
e, a B% YAapfleMBixx >te< h >ee« mo3kho otm%thti> wl KanKaBn^HHi no
naMüTHHKaH'B 01 BTopoH nojOBHHU XVI-FO B^Ka usw., das beruht auf
IfißTcrständnis einer Stelle bei Oblak (Zbor. I. 46) ^Za nenaglaieno *t[
ima Vramec joi e*. Vramec schreibt loc. sing, von telo: teile ^ leite,
tele und tiele] $vet (Ej*.), sviet (Post.), let gen. pl. (Er.), liet gen. pl. (Post.)
usw. Ebensowenig kann man das für die Pergosiös wie auch Sprache der
Urkunden des XVI. Jahrhs. behaupten.
Ikavische Formen, ausgenommen Pergosid, bei welchem i-y als Re-
flex des akslay *K sehr häufig, doch unregelmäßig vorkommt, so daß wir
über seine Sprache erst dann werden sprechen kennen, wann wir etwas
mehr über ihn erfahren, ob er wirklich ein geborener Kaj-Sprecher war,
kommen vor: sinokofa (5 mal 1585 Hiianovec Euk. Acta er.) neben
senokoie (1588 PetruseYCc), divojka (XVII. Jahrh. Habdeli<5, ErajaSeyi<5
usw.).
In den Urkunden des XVIL Jahrhs., die auf unserem Sprachgebiete
Bu Stande gekommen sind, herrschen regelmäßig die ekayischen Formen
▲rehiT Ar •laTiieh« PMlologi«. XXIX. 21
322 Franjo Fancey,
(wie s. B. hehu^ imenicziu (dat. Bg.), vremenUj vreme, let (geii.pL, 1636),
prepovedalj letOy nesu (1644) aas Koprivnioa; cloveka, vernoga, Ute
(loc. Bg.) Sigetec 1639 (Starine XXX). Doch dann nnd wann anch ika-
visoh: pinez aber aneh penez (1636), sinokoie^ lisior (1636 — aber
lestor 1644), clovictvom, pineza ( 1 644). Heute sind pinez, clovictvo mit
ikavisoher Form nicht bekannt und listor (wie auch leetor) flberhanpt
nicht.
Auch die flbrigen heutigen kigkavischen Dialekte weisen nur solche
Reflexe auf, die sich aus enger Aussprache des e erklftren lassen, so Me-
dumurje in den kurzen Silben ein ( (»«, koje sasvim naginje na «<); in
langen *ej\ cije se j beide samo slaho cuje, ie % zatvoreno e< (Oblak
1. c. 46); Varaidin e und ej nur in bejiati und seinen Ableitungen; Pri-
gorje regelmäßig e (Boä6 Rad Bde. 115, 116, 118) Trebaijevo >e< (ne
mypoKoe ^, Lukjanenko S. 78), Stupnik >«<, Zagoije >««, in LokTC
(Strohal) bildet die Regel ei.
5) Nasallaute a — ^. Vom A war schon die Rede. Es ergibt immer
ein «, welches mit dem etymologischen zusammengefallen ist. Hier können
wir noch einige Formen mit scheinbarem Rhinesmus anfahren, wie rer^
dafi se [redati se), gengad se [gegati se — trftge gehen), zhqhenkaii
(jmd. gewaltig schlagen). Ähnliche Einschaltungen finden wir in kinüti
[se\ glünpast (glup), tönpast (tup), kündrast, kümbrast {kudrav), drön-
caü se [u^endrocati se sich rtltteln), kl^past — klenpqf(ui den Füßen],
pinphk [pipa).
Der regelmäßige Reflex des akslav. Nasallautes ^ ist in erster und
dritter Gruppe ein u, in zweiter ein o, welches in der ersten und in der
dritten mit dem etymologischen u und in der zweiten mit dem etymolo-
gischen 0 zusammengefallen ist In der ersten Gruppe wird dieses u, wie
das etymologische, als reiner u-Laut, wie im sto-Dialekte, gesprochen,
in der dritten dagegen, wo etymologisches u als ein t^Laut gesprochen
wird, wird auch dieses u, der Reflex des Nasallautes ;r, so ausgesprochen,
dagegen in der zweiten Gruppe als o und g (**o), wie das etymolo^che o.
Beispiele: I. Gruppe: büdu, golub, rüka (Ropriv.), klüp, vügl —
vägliS, vüghn (aber auch bom, bgdo, dblok, de^lajo] Noyigr.; su, budi
(aber gosic Zbor. I. 215), Hieb, gitska, i&ca, güshk (gen. pL), 3. PL
Prfts. -u, Instr. Sg. a-Si -um: delaju, ienum, jednum usw. Bab.
Zdel. JabuS.
U. Gruppe: roko (acc. sing.), pgtom (instr. sing.), znad^, böte usw.
DrÄe; bdte Peter.; toca, -no II. CL, vogl, goska Gotal. Gola (doch hier
Beitrüge zur serbokroatischen Dialektologie. 323
anch mit t«-Formen: vüzej vüzbk^ püty 8Üd)\ bodo, gn^d, potj gbmdtij
Teno üsw. Molve; mQi^ vQzbk s^pr^g^ ffosä^k] aco. sing, -o, 3 PL Prfts.
-0 {idf, pgvm^) usw. Virje, Miholj., Semov.: roka, sös^dy bddem (Pete-
ranec).
m. Gmppe: klüpj rübäca, aoc. sing, -u usw. Elost. ; güska^ Jen-
püty biidüj ocüj zaprüy acc. sing, -ü usw. Ealin. ^AiiFerdin., m^lü^ sii-
sMa, tniepüt Bndrov.; süd^parädu^ dojdu^ bude usw. GrabroT., zja-
pitfrij bumy zuba Eatal., zämui, v hizu (aoc.), &w usw. Pitom.
In Ojargjevec kommt o neben u^ beides gleich flblich. Als ich diesen
DniJismns bemerkt habe, habe ich einige hier und da gefragt, wie er
dieses oder jenes Wort spricht. Einige haben mir geantwortet, nnr »no/-
prosteiU sprechen mit o\ die anderen dagegen, daß nur diejenigen u-
sprechen, die ^gospockU sprechen wollen. Doch diejenigen, die den
>najpro8teiima€ das o gegeben haben, haben selbst hier nnd da anch
>o< angewendet; diese umgekehrt anch das ^gospocko* u, z. B. mit o:
oblgk, bgd^j dad?, drkvo, so, gfska, r§ka, zobi] mit u: detetinu trävu^
acc. sing, püta, tnütf, rüke^ ju^ imq/u nsw.
In Ealinovec, wo schon regelmäßiger Reflex des Nasallautes x% ein
u ist, herrscht bei den Verben 11. Klasse nur o, also no -h;k und nicht
-AM, z. B.: poforhotij pophiol,
6} 0. Der Laut -o, sei es primär oder sekundär, d. i. als Reflex des
akslav. Nasallautes ^ und des ^-Sonanten in der zweiten Gruppe, ist
unter gleichen umständen denselben Veränderungen unterworfen. In den
kurz betonten und langen unbetonten Silben wird das o als ein offenes o
(o^ Sievers), ungefähr so wie im sto- Dialekte gesprochen; dagegen in
kurzen unbetonten, wie auch in langen betonten, als ein geschlossenes ö
(o^, wie franz. seaü), als ob man am Anfang ein sehr kurzes ^ hören wflrde,
ungefähr wie ^o.
Beispiele: für o: covfk^ voda\ toca, vog^] bdha, jabdka; oder
göske^ sös^ida, 8oze\
für Q C*©): vgde^ cgv^ka, tgc^m^ bghe\ s^za, v^ze, kQra^ k^zansw,
7) |-Sonans. Dieselbe Entwickelung, welche der Nasallaut ;i^ zeigt,
hat auch Sonans-/. In der ersten und dritten Gruppe ist ^-Sonans zu u
geworden, in der zweiten dagegen o (o, g-^o),
Beispiele: 1. Gmppe: jabukuj pun, suza Eopriv., büva-buha, auza^
dug Noyigr.; jabuka^ suza^ sunce Bab., Zdel., Jabui.;
2. Gruppe: i^t^ v^k, c^n, boha, vdHk, ggtäti, s^nce^ s^zoj stQp^
iQcij mocätijpdz^ dggacbk usw. Virje., d^zbn Siget.; Jaboka Molv.; zot^
21*
324 Franjo Fancey,
conj sonce^ odvojici 3 Big. Präs. (fenoht werden} Gotal. Gol. (aber bMa] ;
jabdkcj sozoy Vdha Miholjan. Semov.
3. Omppe: jabükoj suza, büva Ealin., jabüka suza Ferdinand.;
jahüka BndroY., j'abüia Elolt, jäbuka Orabrov. In Ojnrgjeveo herrscht
auch hier Dualismus, neben u auch o: puno^ b^ja^ aber auch zoto^ $dza.
Die kajkavischen Bchriftsteller und Urkunden des XYI. und XVn.
Jahrhs. zeigen Dualismus auch in der Entwickelung des Nasallautes Sk
und des ^-Sonanten. Perg08i<5 kennt fDr beide nur «, ausgenommen nur
ein Beispiel mit o *na moku vre^€ (Dekret ni Kap. 20) ; bei Yramee
gleich üblich kommt u neben o fOi Xk und l vor {su — so^ bododemu —
buduüy vuzu — z voze^ po potu — po pute\ sonce^ soncen — sunce-
noguy isponi — napunete usw.); ebenso die Urkunden (Kukuy.) des
XYI. Jahrhs. haben o neben ti (z. B. 1585 HUanovec: ztodecZj zwcew
usw. in dieser nur ti); 1587 Gredice: sodec^ rokam^ acc.-o und u (toibo-
neveru\ 1588 Petruse vec: za neku tatbino^ pota neben puta^ ruka\
1589 Tmava: rokah^ 8U\ 1592 NedeJisSe: bodo6iy v to sumo\ Sv. Ivan
Zelina 1595: sodacj budu^ ruku: koreniko, proinio acc. ffir den Nasal-
laut Xk] soncenoffa (1585Hilanoyec); dogovanie (1589Tmava); dogom^
soncenoga (1592 Nede}isSe); duzni^ duguvane (1595 Sv. Iv. Zelina); na
puney dtdeny duguvaniem (1598 Medumurje) Air den ^-Sonanten. Selbst
aus Jaska 1586 von Tomo Erdödj >odwokly^ und €odtooche<.
Nasallaut ^ und |-Sonans zeigen nicht gleiche Entwickelung in den
heutigen kaj-Dialekten (siehe Lukjanenko), so während Medumurje (Oblak.
8. 47, 49) für ^ nur o kennt, hat es fttr ^-Sonanten in betonten Silben u^
in unbetonten o, YaraSdin fOr ^ t< und o, ftlr | aber ti, viel weniger o ;
Prigorje (Roii6), Trebarjevo (»bm^cto ^, l, ABjHeTCA BCiOAy ocoölih
SByiTB, cpeAHin MesKAy ><<« n »o«« Lukjan. S. 70 u. 103) und Stupnik
fdr beide (^ und ^ denselben Laut. Lokve und Fu&ki fflr das x^ regel-
mäßig 0, dagegen fflr l der erste ou, der zweite u und o.
Die Urkunden d^s XYII. Jahrhs. aus Koprivnica und Sigetec, wie
auch die Schriftsteller des XYII. Jahrhs. (bei Petretiö nur oborozen und
oroije S. 41) kennen kein Oj sondern nur u fflr den Nasallaut ^ und f&r
^-Bonans; z. B. 1636 behu, rukah^ cirkvu naiUj budtnH, dugo] 1644:
mar hu j su^ vruciney hodu, dugovanje (ausEoprivnica); 1639: ^ hoöUj
odluckaj dulno (Sigetec).
Anmerkung 1 . Auch der Dialekt von Yirje kennt einige Beispiele
mit t^ fflr ^ und ^, wie auch bei ^ und K einige mit a. Hierher gehören
m&ka (M^Ka, Pein), grübo (rpA^S'k, in der Bedeutung »sehrc), tisuca
BeitrSge sor serbokroatiAcben Dialektologie. 325
(neben gewöhnlieheren hi{ada yoA jezera^jezero)'^ aucb können wir er-
wähnen ^ohu^ necu neben ocem-necem] in einem Liede habe ich von
meiner Mutter gehört >idu U tijapomoci< (2 mal; sieh *F(üilase lepa
Jana.)] nur in ^r^ko^ (pcK^ 1. Sg. Präs.), pun^ napuniti. Hier sollen
anch drei Beispiele erwähnt werden, die schon im Altkirchenslavischen
Wechsel zwischen 3k und oy zeigen; das sind sumläti-sümlif (akslav.
coYUkHlETH nnd c«UkH*t[TH CA Yondräk, Aksl. Oram. 1900 S. 74),
mud'iti (mj^ahth nnd MOVAMi^^f)) ng^iti [HX^fi^WTH und ho^AHTH
aber nur nüida),
Anmerkung 2. Hier sollen noch zwei Beispiele ans dem Dialekte
von Viije erwfthnt werden, welche als Reflex des ^-Sonantn weder u noch
e>, sondern ein ^lu* zeigen; das sind Mt^äti nnd pluzäti. klucäti (KAk-
uiaTH), neben welchem anch kucäti (anch kociti an der Tflr klopfen) nnd
kQcäti[%. anfstoßen) vorkommen, hat dieBedentnng »worauf klopfen«; />/</-
zäti (ilA'KdaTH [riA'kSKkpozJ kriechen) kennt man ausschließlich, kein
*puzati, wie auch kein *pozati in der Bedeutung »kriechen«, man hört
aber doch opozn&ti (stok. opuznuti^ ausfallen) ; und in derselben Bedeu-
tung *plazatt€. Diese Beispiele glauben wir so erklären zu können, daß
durch die Vermischung des klucäti — kucati, plaziti—plazati — puzati
die Formen klucati und pluzati entstanden sind.
Anmerkung 3. In l^ica^ le^shc (ein 1E yoraussetzend, vielleicht sich
an AlkCk Wald anlehnend), und in bestrica (CkiCTpik) in der Bedeutung
»eine Art Zwetschke« und Ort Marija Besti^Ska oder B^trlca, wo das
einstige tj in galizianischer Art beinahe wie e klingt.
In iulikoj kulikoj ovuKkoj onuliko kommt u statt o vor. In diesen
Worten kommt u statt des gesetzlichen o auch bei den Schriftstellern wie
auch in den Urkunden des XVII. Jahrhs. vor, soEraja5evi6s iuliko (167),
Jkuliko (198); Milovac (Yorw.) tulikuj nekuliko (7); Habdeliö tulikajX^
Udiko 2, Uy 19, kuliko 3, 8, 12 usw.; in der Urkunde aus Eoprivnica
(1636) tuliko^ tul%kaj\ (1644) nekuliko (s. Star. XXX. S. 6). Bei den
Verben VI. Klasse lautet der Infinitiv regelmäßig auf -uvati (statt -ooaft*),
wahrBcheinlich unter dem Einfluß des Präsens.
Anmerkung 4. In den Fremdwörtern hört man folgende Verwechse-
lungen: ir und ier werden zu er^ wie in förma-fe^rmattj degrade^rattj
fnaie*rätij trance^rätt, pr^/^e^SVa^t (protestieren) ; pape^r^ tan/e% span-
cSV usw.; so auch be^rsa (Äfr«a— Weinstein), aber nur pasiir. Noch
haben wir e in tenta (Tinte, magy. tenta)^ lem^na^ it^nge (Stiege), kH^n-
kati (klingen), /iran^a (Vorhang); pelati (pigliare), o dem a gegen-
326 Franjo FaneeT,
über: faringa^ fgringäH (Fahrang), hölla (Halbe), drot (Draht,
magy. (fro/); taitom^t i^eAUmeii% fgndomqnt (Fnndament); gkgrät
(acnrate); o dem u gegenüber: i^a (Schnnr), fdstar (Schuster),
Möföti (schnnpfen), kronpe^r (Grandbime); u gegenüber dem o: truc-
trucäti (Trotz), itük (Stock oder eher Stück?); u dem au gegenüber:
lüff {luk — -parhk — Lange), durati (danern oder eher vielleicht roma-
nisch?).
8) t (h nnd *ki) nnd u. Vom % ist in keiner Gmppe was zn sagen;
das u hat in erster nnd zweiter Omppe keine weitere Entwickelnng er-
lebt, in der dritten dagegen, wie schon gesagt, wird es als ein geschlosse-
nes ü ausgesprochen.
Beispiele: rübäcüj vücitelj driigi, sküva, periüna^ 9ünkü%\afQ.y
zgübilj küViko^ zaprüy büdü Ealinoy., zafalüjem^ kücijaSj dühäna
Klost. usw.
9) 2^Sonans. Dieser Laut wird in unseren allen drei Gruppen ebenso
wie in allen serbokroatischen Dialekten ausgesprochen, z. B. Aj^* (KpkBk),
drta (aP'KBO), gegenüber dre^vo (aP^C^bo, Baum — Holz) usw.
Ausnahme von dieser Regel bildet clrkva-cirkv^ni oder ctrkveni
(i^pkK*u), richtiges ri sehen wir in ikri^oPk (Hut, stok. ikrjflk).
Sekundärer f-Sonans hat sich in cetpwjsty ceij^deset in einheimi-
schen, mfftaPl (Viertel), h^tcfii, b^caus (Wirt, Wirtshaus) in fremden
Wertem entwickelt
Anmerkung. Hier soll noch erwähnt sein, daß in den Füllen, wo
in den auslautenden Silben im Akslav. ein Konson. + p'k (k) oder M^
(Ak) steht, sich kein sekundäres e(i)-Laut entwickelt hat, sondern f und l
mit dem vorangehenden Konsonant silbenbildend ausgesprochen werden,
z. B. dMf (Aosp'k), mod^ (m;kaP'^)} ^'^*T (st^rp'k), tipf (sinpk
Eber); p^ikl (nkKA'k Hölle), vözl (^3Aik Knoten), r^k^ (pfKAHk), mögl
(uorA'k).
b) Vokalischer Anlaut.
Die Vokale werden sehr oft im Anlaute des Wortes oder einer Silbe
mity, V und h bedeckt, weniger in der gewöhnlichen Umgangssprache
als in den Liedern und zwaij und v kommen in einheimischen und h in
fremden Wörtern vor. Das j steht vor a, o (im Beispiele Jendrina^
Jeva auch vor e\ in den Liedern auch vor u), das v vor u und o (=^).
Beispiele: /: Ja^na^ Jada^n(7>c) (Adam), Jantfn (Anton),y8f*<>;"8ca
(oiac\ japhk'japa (magy. apa Vater), joko-j^H (oko — Auge),y8^«
BeitriLge zur serbokroatisohen Dialektologie. 327
{ogan ¥QJiti\ jopho-jopica {kS»)yjöle [ule ÖVjjjöct [ocat EsBig), japa-
ieAüjj'dsa,
In den Idedem auch solche Beispiele wie ju statt stok. u (hier t?,
vu\jod statt od^ jodgovoriyjobrni statt oimi^ Jonda statt onda, usw.
o: vüsfje (uiöej öflhong nnr beim Ofen), vüho {uho Ohr), vucitiy
nä^vukj vurica] vdgl^ v&zl^ vfiej vohaü [3k\ATH) riechen; päeok
(naü^Kik pauk Spane).
h: haiS^t (älät Werkzeug), kärkui (araX; Bogen [Papier]), hcfirija^
harap [arap\ higa^ heg^ide-hegedaPi asw.
c) Kontraktion.
Wenn auch nicht viele, so zeigt der Dialekt Ton Yirje doch einige
Beispiele neuerer Eontraktion, welche weder in der 1. und 3. Omppe
noch in der ganzen 2. bekannt ist. Allen drei Gruppen ist geläufig go^
spcfi^ospoja). InVlije undMolve ist bekannt Eontraktion des -q;'o der
Yerba Y. Klasse 1. Or. zu a? oder a, z. B. kopä^^puntä^y deUä^ usw.,
ebenso -y'o der Yerba III. KL 1. Or. wie razm^y statt des erwarteten
kopajo (3. PL Sing. -aWT'k), puntajoy delajo\ razm^'o (3. PL Präs.
-*kMkT'k), wie es in anderen Orten wirklich yorkommt, so Miho)., Novigr.,
Ojurgj. delajo und delaju^ razmeju usw. ; selbst in Yirje habe ich zuvcto
statt zuvä^ (f&r zuvaja^izuvaju) gehört.
Als Kontraktion des eje zu i* rechnen wir auch Komparative-Adverbia
wie obilne*y glasnPy rane^ (Habdeli<5 hat solche Formen wie obüneje 10,
glcumeje 55, srecnfje 58 [sreine^)^ MUovac sigurneje^ Magdalenid hojaz"
nej'e usw.).
d) Abfall der auslautenden Yokale.
Dem Abfall der auslautenden Yokale begegnen wir nur bei den Ad-
verbien. Die gewöhnlichsten Fälle des Abfalls auslautender Yokale sind :
ein 0 fUIt in solchen Beispielen ab wie: Juiky ovak, onak . . ., kamy tarn,
sim (vegitn) . . . ; dann noch in praf (= adverb. pravo)^ nek(-go). Ein
^ fiült in den Beispielen wie k^ty tQty on^tj ov^t, sakQty nik^t usw.
(akslav. Ki^AlL oder k;ka^) skroat kuda und kudi) ab; das ^ bleibt
erhalten, wenn die Partikel -^(a) oder -A^r, -karekar angehängt wird,
z. B. kod^kj sakodfky usw. oder kod^kaVy kod^kär^k, 'kodfkareka;
ebenso bleibt das o in den vorerwähnten Beispielen vor diesen Partikeln
erhalten, z. B.: kamokary tamokareka usw. Das -a fiült auch ab z. B. :
sady kad (neben gday dann in zaba^dafy zgQVy zd^l oder odzg^ (hier
wird das dz als ein 8, «, ausgesprochen ), ebenso odzdol.
328 Franjo Fancev,
In den Partikeln -re resp. -A;a, wenn sie im AuBlante stehen, fallen
"€ resp. -a ab; sie kehren zurflck, wenn die Partikel redupliziert werden,
z. B.: köd^k, kod^küTj kod^karekar oder tamokar^ tamokarekj -kuj
"kar oder stgd^, ntgdfr nsw.
IIa. EonBonantLimtui.
Zuerst die Konsonanten im Auslaute. Die stimmlosen Konsonanten
erleiden im Auslaute keine Yerftnderung; die stimmhaften dagegen wer-
den nie als solche ausgesprochen, sondern immer stimmlos und zwar g
als ein aspiriertes k^ d 2^A t^v alsy*, ;^ als i, z als «, d als c, id als lo,
z. B. : bog — bQk^ sijed — se% zuh — z^p, lov — /^, muz — mgi^
knez — knes^ hred — Ärcc, daid — *dezd (gen. sg. deida) — d^Sc,
Die stimmhaften Konsonanten werden auch in den Konsonanten-
gruppen, wenn der zweite Konsonant ein stimmloser ^, kj />, /, s und vor
c und c, stimmlos ausgesprochen, z.B.: fkaniü^ fücbn^ optoziti, apsa^
dttij potk3y\ricka {rid)y moskt^ otpovedäti^ röphc^ opftti usw. Man
spricht: otpdpa^pret cgv^kom usw.
Demgegenüber steht die umgekehrte Erscheinung, daß in einer Kon-
sonantengruppe, wo an erster Stelle ein stimmloser und an zweiter ein
stimmhafter Konsonant ist, der erste stimmhaft ist. Dasselbe gilt auch
von den Präpositionen, wie auch überhaupt, wenn ein Wort mit einem
stimmlosen Konsonanten endet und das nächste mit einem stimmhaften
anfängt, so wird auch der stinmüose stimmhaft. Auch ein stimmhafter
Konsonant im Anlaute des folgenden Wortes stellt die stimmhafte Aus-
sprache eines auslautenden stimmlosen Konsonanten her, welcher, wenn
auch etymologisch stimmhaft, wenn das Wort selbständig gesprochen
wird, nur stimmlos lautet, z. B. : gda (K^kA^)» g bogu [k bogu)^ bog daP
gesprochen bo-gddfl) usw. Besonders ist zu erwähnen, daß der c-Laut
vor stimmhaften Konsonanten als dz (3) ausgesprochen wird, z. B. otbc^
bok {ottr^zbok).
Hier können wir noch erwähnen, daß -7»- vor dem tönenden -b zu
-m^, also n-& wie auch nb zu mb [m-b) wird, z. B.: meniü-se (sprechen
miteinander) — ^menF-ba > memba^ brä^niti — ^obran-ba > obramba
{»Podobrambo tvoj'o^ ein Marien-Gebet) usw.; oder solche: hvc^en bog
statt /a/en bog wird zafdlem bog, und statt za pet ran boiP wird za
petrcfim boz^ gesprochen.
Die Sibilanten 8 und z werden yor den Palatalen c (c und d), i, I, n
zu den entsprechenden Palatalen, also suis^z zu z, mit Berücksichtigung
Beitrüge zur serbokroatiechen Dialektologie. 329
der erwähnten Regel, d. h. i vor den tönenden Zj n wird selbst zn i und
beide i yerschmelzen in eins, dagegen tönendes i vor i, c wird tonlos,
z. B. 8 ceifuij i (z) cov^^ka, ialtv^m (s^ialivom Hirtenflöte), i liPm, z
^ffa (*A ne^mj *z i^egci)^ 'z^fm {*s ienQm\ ^iahe (= z zale) nsw.
1. Dentale d nnd t.
Was die Qmppe d'\-j\ t-\-j anbelangt, so stimmen die Dialekte
der Podravina diesbessflglich mit den Stokavischen Dialekten, n&mlich ihr
regelmäßiger Reflex ist d nnd c (identisch mit dem etymologischen c—h)
z. B. : pr^doj niqda^ rodaPk, iuäj pogoden nsw. ; sr^a^ svPca.
Knr einige Beispiele haben auch j statt des d wie vojke [t>odice^
Zflgel), nazdfij\ dann mlajii^ slajSi^ räjii^ giäj'^i; nicht hierher gehören
• ■ ,
die FäUe wie pPem^ ^icfi^em^ dökem nsw. gegenüber stok. podem nsw.,
sondern diese Formen sind vom Infinitiv *poji%y ndfijtij döjli nsw. zu
erklären.
Die Gruppe d +j zeigt schon im XVI. Jahrh. in der Sprache Pergosic
nnd Yramec für das Eajkavische gleich üblich d und/, im XVU. Jahrh.
schon äußerst selten/, sondern gewöhnlich d. Auch die heutigen kaj-
kavischen Dialekte zeigen nicht einen einheitlichen Reflex, sondern die
einen ausschließlich cf, die anderen ausschließlich /, und in der Mitte
stehen solche mit beiden Reflexen/ und d] gegen die Sakavisch-sloveni-
sehe Grenze überwiegt das/, gegen die stokarische Sprachgrenze das d.
Obwohl man heute nicht mehr als Hauptmerkmal zur Scheidung des Sa-
kavischen Dialektes vom stokavischen das/ annehmen kann, sondern als
Gemeingut der ganzen serbokroatischen Sprache (Divkovic takoje, tuj'i,
meu {meju)j Re]koyi(5 takojer und noch heutzutage überall bekannt go-
spoja) doch von der urslav. Gruppe d+j hat der Westen das explosive
j nnd der Osten die Affricata d vorgezogen.
Wichtig, um erwähnt zu werden, sind die Formen wie Jec—j6cte
^jed — *jedte: lt}KAi^ — MAMT^) nnd/?8f?fc— ^oü^cte (*poved — *po-
vedte: RlEHCAfc^ — BlEAHTi), wo nach der 2. Person Singul. auch die 2.
Plural, gebildet ist. Diese zwei Formen kommen auch noch in Pitoma6a,
dem äußersten Punkte des Eajdialektes vor.
Auch begegnen einige Beispiele, bei welchen die Entpalatalisation
eingetreten ist, welche auch überall in Podravina bekannt sind, wie mlad
(Neumond, vgl. sloven. fnlaj\ med (fOr medu).
Die sekundäre Gruppe t+j und (/+/ (entstanden durch den Aus-
fall des Halbvokals) geht nicht in c und d über, sondern bleibt unver-
330 Franjo Faneev,
ändert, also als ^'nnd dj\ wie die folgenden Beispiele zeigen: czeije^
prQtje (I., ni. Gruppe prutje\ la^e (Pitom. lafje)^ zä^n^tje^ sadje (tob
sad Pflanzung), mladje (ron mldPd^ junge Bäume], oder Instr. Sing, der
f-Stämme wie smrtj^m^ spot^dj^m (von spov^ oonfessio); doch bildet
eine Ausnahme la^da (von ladja, AaAHH, russisch Ä^ho).
Geigenllber dem akslay. TpfTkH, dem das Stokav. treci entspricht,
wo auch eine sekundii« Gmppe tf nach dem Ausfall des Halbvokale k
entstanden ist, kennt der Dialekt Ton Ylije trUij irMa, trete und irgfÜ^
ire/tüy trS/te, PitomaSa nur treti, treta^ trete, dagegen Oola nur trejti,
tretjQy tr^'fje, Hlebine dagegen tretjiy tretja (Zbor. I. 191, 192).
Was von der Gruppe (;' und <(;* gilt, dasselbe gilt auch von der Gruppe
stj und zdj\ nämlich wenn sie primär ist, so gehen ^tj und zdj zu ic
(= SS^ und id^ Aber; dagegen in sekundärer Stellung bleiben sie un-
Terändert, z. B.: Iricen, zagvozdHn aber kostje^ breetje (yon hr^et
Ulmenbaum), Instr. müoetj^m, kreposlj^m ; grQzdje (Viije,Gola, Pitom.).
Entsprechend der Assimilation der Gruppen tn, dn und Ü, dl (siehe
Yondräk, Vergleich. Gram. I. S. 279) sind analog gebildet: jen (nur in
jenpoty sonst nxa Jed^n), jena^jeno, fjena und tje^n Gen. pL (von
fjed^n Woche) Virje, Jena, jeno, Jen put Pitom. usw.
In tmica läßt der Dialekt von Virje das t zu k werden, kniica, knii"
cerij aber nur tml^n neben termn\ ebenfalls in Gola und in Pitoma^
kmicüj kmicno.
2. Gutturale k^ g, h.
Abgesehen von dem uralten zweifachen Wandel, den die Gutturalen
im Slavischen erlitten haben, nämlich entweder in c, i, i oder in c, dz-z^
8 in den Wurzelsilben, wie z. B. : cesati — ko$a (kämmen — Haar), ielezo
(Eisen), srhiem (Homiß) < spseni (> sichern) oder cina (Preis), zilo
(vehementer), haben die Dialekte von Podravina die Assibilation der
Gutturalen aufgegeben, in der Deklination Nom. Plur der männlichen o-
Stämme, Loc. Plur. der o-Stämme überhaupt, dann in Dat. Loc. Sing, der
a-Stämme und in den 1:-Easus der pronominalen Deklination; bei den
Verben LEI. 4. Gr. tritt statt der erwarteten Assibilation die Palatalisa-
tion nach der Analogie der anderen Formen ein.
Z. B. Nom. PL masc. o-St.: kurjä^ki, vQki (Wölfe), r^gi (Hom),
dühi (Geister); loc. PL o-St.: cgveke^ (süOB'ki^'kj^'k), roge^ (po3t)fk),
dühle^ (AOYC'KY'K); dat. loc. sing. a-St.: r^ki (aber auch rohe^ loc sg.,
p^i^lK), n^^t (oder auch noge\ HOSlc), mMi (uoyct:); ^Kasus der
BeitrSge zur BerbokroatiBclieii Dialektologie. 33 1
pronomin. DekL ie^m (iBStr. sing. lil*Ktlk), tulikVm^ kuHX^'{hdiky'o),
druff^mi usw. (akalav. TOAHi^'ktlk tantus, KOAHU*K]|pk qnantos usw.).
In der Eonjngation Imperat L El. 4. Gr.; r^ci — rqcite^ p^ci—pqc^te^
itrÜi^ iiri£^tej pffmozi—pifmdrtj p^m^S^te—p^mifr^te ubw. (akslav.
pkUHy nki^H, nki4*KTf, U03H, uoa'kTf).
Die assibilierton Formen im Imperatiiy habe ich in einem alten Qebete
gehOrty welches wohl anch in Gebetbüchern zu finden ist Anfangsworte
sind >Pod obrambo tvojo pobeiimo, sreta mati boiac ; im dem Gebete
kommen die Formen >ne odvrzi nas« und >nego .... nas pomozic yor.
Palatalisierte neben den nichtpalatalisierten Formen beg^;nen bei
einigen Imperativen von dem EomparatiYsuf&x e^ii^ wie z. B. kr^p^k
(Kp'tsn'kKlk), im Eompar. kr§pce*ii und kr^pke^H (iak.: krepcSji Nem.
in 54 firmior), globok: glgboce^ü und globgke^H (neben glopit^ iak«
dibociß 1. c. profundior] u. a. ; aber nur suhe^H^ gluhPii u. a.
Gruppe sk^ zg. Wo die Gutturalen k^g mCyi übergehen, dort wird
anch ßk^ zg aus *sc^ *zz durch Assimilation zu icy ii^ weiter zu iti^ i(H.
Für das Urslavische setzen wir also ifh und id'i voraus, und von diesen
ifi^ icPi können wir alle Reflexe in slavischen Sprachen erkllbren. Im
Akaiav. wurde ifi^ zd^z zu if und i(f vereinfacht. Das Serbokroatische
(sto-Dialekt) zeigt dieselbe Entwickelung, nur daß es kein weiches t\ d^
kennt. Die kigkavischen Dialekte der Podravina sind bei der Aussprache
der palatalisierten sk^ zg als ifi [ic) und id^ geblieben. Die Aussprache
ic kennen alle kajkavischen Dialekte (siehe Lukjanenko Eiew. YHHBepcBT.
HsBtcTifl 1905 Mart. S. 141); nur der Dialekt von Prigorje h&t ein i, was
Oblak (Archiv f. sl. Ph. XVII. S. 288) als eine Assimilation von U über
i6 zai erklärt
Beispiele: de^ic (A'kJKAk, Begen), gen. deid^a, mgzd^äm (von
Il03rk, Hirn), brizdraii (iterat. zu brizgati, spritzen); Ücem (von
iskatiy suchen), trV&ce (zu treska, Splitter), Suffix •ticejjogMicej gra-
dlice usw.
Sonstige Veränderungen von Gutturalen. Das k geht (über h) vor
dem ^ in i über in einigen wenigen Beispielen, wie: ito (KlkTo: hto ]>
iio)^ so auch riUce^ nMce^ deren ce äkrabec Aui*mhtze, *nehtze zurück-
führen möchte; in scibe (Yirje) ist vielleicht durch die Annäherung an sakt
(RkcaKik quivus) s ausgefallen; in Gola spricht man aber saice. Ebenso
ifili-^iiel (von y^kTtSTH — jfOTtTH, wollen).
Sehr verschiedene Entwickelung zeigt in den Dialekten der Podra-
vina das h. Yor allem ist zu erwähnen, daß sie alle den etymologischen
332 Frai\jo FaneeT,
A-Lant im An-, In- and Auslante gut kennen, doch in allen diesen Stellnn-
gen iflt er auch den Yeränderongen unterworfen. Zuerst im Anlaute.
Im Anlaute fiUlt das h vor dem r und / gewöhnlich ab; diese Regel
ist allen Dialekten Podravinas gemeinschaftlich; nur einige lassen das h
auch sonst abfallen: rä^niti (Aront^* nfthren), ra^st (/<ra«^ Eiche), räpqf
(hrapav heiser), rä^kati—räf^ckati (hrakati ausspucken) ; lä^d (A/a^8ohat-
ten), luce (A/a^^ Hosen), l^b [hieb in der Bedeutung Laib Brot), ladlefina
[hladetina Sülze) usw.; "iia^ iga (hiza^ higa in Virje) Novigr., intöf
(Atn^^/ Yirje) EloStar; oie {l&ie und ote in Virje) Katalena, üada [hin
\ada Virje) KalinoY., po iiaj [po hizä^j Virje) Zdelice usw. In hrpa
(Haufe) geht das h in v über und lautet vrpa — vrpicß (Viije), hv in
hvaliti und in hvatati ergibt y, so haben wa fötlti^ faß^la^ faiaii^ fcfit
{hvat Klafter), zqfalüjem (EloSt.).
Im Inlaute und im Auslaute bleibt das h entweder unverftndert oder
einerseits wird es zaj] anderseits zu t?, oder es fällt gänzlich ab, z. B.:
a) unverändert düh^ /crüh, ffre^h, prä^h\ rliho^ vühoy müka^ strdhaxi&w.
(Viije); podsnehala (Zbor. I. 172), greha (253), cehaju (307) Eopriy.,
duhana (Elost.), ifdhove^ifi hiiam (Ealin.); ß) zaj: nij^f^ Mi/olanci
(statt Miholanci), drej\ smei/a (g. sg. von smeh und sme/j^ loc. plur. o-
Stämme-a;'(-acA%): 2ö»5^',3foft?a^'usw. (Virje, Molve,§emov.); -^^'(-acÄ*)
und ej: dr^\ sfiw\/a (Novigr.), or^' (Klost.), na livadaj {livadachi}^ orej\
orejof (Fitom.);f knigäj (Buöiov.); büja (fttr buha), na Jfo/eq;' (Ojur-
gjev.) usw. ; y)zuv: X&iuf-^a (koiuh Pelz), prisluvaPväii [prültihavatt)^
duva (neben duhä)^ rüvo (neben ruho vestitus) usw. (Viije); büoa^ vüvo
(Novigr.), sküva (= skuha) (Gjurgj.), büva (Kaiin.).
Daß wir in den FiUlen wie Loc. Plur. der o-St., dann Gen. Loc. PI.
pronom. adjek. Deklination mit ihren e* {-'^X'^f A^l4'fc]|f'k,T'k)flk) statt
des erwarteten -e^j (wie q/'zu AJif'k) nicht etwa den Abfall des auslauten-
den -A, sondern eine Verschmelzung des e* mit dem/, vor sich haben,
zeigen auch die Beispiele wie stne^j ffre* (neben sme];) ffre*h).
[3. Labiale p, 6, v, f, m.
Die Lautgruppen p +y, b -f-y, v +/ und m -\-j (primftr und se-
kundär) gehen in p^ — pl, b^ — W, f?| — vi, ml — ml über, z.B. irplavin
(der viel ertragen kann), J^ple (von krpa Fleck, Lappen) ; ilble (von kiba
Rute), vrble (von vrba Weide), nadrgbleno [drobtti brOckeln); drevle
(von c^r^o Baum-Holz), zdrä^vle (aber zdraofice und zdrav(ice Gesund-
heit), blagosTdvlen (gesegnet), rlvlem [rivati stoßen); zqm^a (Erde),
BeitriSge zur serbokroatiBcheii Dialektologie. 333
fffm^e {zaffrm Gebttseh), möm^a^t (mnnneln), seihst klöplä^m (yonkl^p),
cevlä^j[ron ce*v) usw.; aber zä^bji vüfbc (von iaba Kaulquappe) und mrar-
Rnak (vom mravRce neben mravlice (Ameise — Ameisenbanfen); hier
können wir noch erwähnen l statt l in plutäti^ phtn&ti^ pluckati\ plu-
va^cnica (pluvati, nAksaTH — haioh^th speien], pluskätty plu8ndti\
plüsia (ple^i-ohrfeigen), hluväti (brechen). Dieses Schwanken zeigt
schon das Akslav. in RAioiUTa (ans *pljufja) und nAcyiiiTA mit den
Reflexen beider Formen in den slav. Sprachen, poln. piuca^ dagegen
bOhm. plice. In Gjnrgjev. haben wir zemla und zem^a gehört; in Zbor. I.
finden wir sablu (176), hobliAe (206), zemlu, zdravlu (181 — 2) Pitom.,
spravlalij zemle (192), aber anch sablami (193) nnd zdravja (216).
Sonstige Verändemngen bei Labialen. Das v fült im Anlaute vor
dem /, und in tork vor dem t ab, z. B.: lä'dätij lastovit [vlcLdati^ vlast-
herrschen, eigen), lä^t [vlat), latafi se (vlatatisej Ähre, in Ähren schießen),
lä^kno (Flachs), Ki98 (ein einzelnes Haar); samolä^den (den man nicht be-
herrschen kann), ste^ci (ausziehen), zte*ci (izvuci herausziehen) usw. ; str
f^iirmsräka («2>raia Elster), srä^hk [svracak Gartenammer), srä^b —
srbeti se (Krätze) ; tvr gibt tr in ceifti — öet^tlnka (der vierte, ein Vier-
tel), ffd [tvrd hart); v schwindet im Anlaut vor «: v'is — sä^ — «?:
(skCk — Kkca (Bkcti) BkCf omuis) *v8a^ *vse ebenso säki — säce — sa^
haMf usw.
Weiter ist zu erwähnen, der Übergang der Gruppen mn zu t?» und
tn zu ml (selbst m/) z. B.: vnogi — vngiina (zu U'kHOrik, viel)^ güvno
(zu ^mbno Dreschtenne), /)/4f?na und daraus selbst ^/äf?m (nAauu,
plamen Flamme), plavndti (in Flammen aufflackern); andererseits mldk
(von BikH^K*k Kindeskind) in Pitom., Gol. vnuk^ Gotal. vnok (vergl.
stok. dialekt. mlogi (ftlr m^nog^)^ naramläti — ram^ice {ravnice) zu fid-
RkHlk, >planus« (selbst in PitomaSa).
Dem b in b%6ela (Biene) entspricht ein m und durch die Metathese
bekommen wir cmela^ cmehc (in Pitom. auch) ; dem p in p%tica und
piAenica ein t?, welches vor den stimmlosen t und i selbst stimmlos wird:
flica — ftic\fiefiica (Gjui^., aber in Virje/>i^Vca); demp in plando-
vati entspricht ein b: blanduväti^ bland^ce.
Einige Male begegnet auch n statt m in den Beispielen: Jadan
und Jadä^mc (von Adam)^ Abrahan (von Abraham)\ dann in 8ed^n''
dqset^ g8^nde8€t^ neniki (»deutsch«) (auch in PitomaSa noch), pe*nhc
(Bdhme), päntiti Budin.
Fremdwörter. Einem b des heutigen nhd. steht ein p gegenüber in :
334 Franjo Fancev,
A
pe^mc (Böhme), pß^^a^» — peilä^r (betteln, Bettler), pä^ßläti (beatein) -/>ä;-
ÜtHj p&klaf^ pük^a (buckelig), pere*c—prhe^c (Bretze), pä^nüin (Band-),
pänt (Band), plä'^m (blau), pe*lda (Bild), ptfikhk (Bund-), patä^^fia (Ba-
taille), praha (Brachfeld), ialäpQj'ka (-Balken), krompe*r (Omndbinie)
usw. Dem w gegenüber ein 6 in: hf^tä^i — h^catM (Wirt — Wirtshaus),
filboht (Sduldwache) ; auch in volta (ital. Wölbung, Gewölbe) zu b^lta^
S5U Schwefel steht iv^ptl^
4. Sibilante c, s, «.
Von dem Ursprung wie auch von der Aussprache dieser Konsonanten
ist nichts zu sagen, da dasselbe, was für das Blavische ttberhaupt, auch
flir die Dialekte der Podravina gilt. Wo diese Dialekte unter dem Ein-
flüsse der Analoge der Formen mit den erhaltenen Gutturalen die Aai-
bilation aufgegeben haben, wurde schon bei den Gutturalen besprochen.
Es war auch davon die Rede, wo die Sibilanten durch Assimilation in die
Palatalen übergehen (wie / cof>ekom^ i riom, z nega] usw., oder Tor den
stimmhaften Konsonanten selbst stimmloses s zu dem stimmhaften z
machen (wie zhQgom^ zutra usw.), unter denselben Umständen wie auch
im sto-Dialekte gehen die Sibilanten in die entsprechenden Palatalen (czu
c, z VI z^ s zu i) tlber, wie z. B. r§zäii — re*iem^ cesäti — ceiem.
Von der Assimilation der s-z in der Gruppe sk-zff an die Palatale
c, i, welche durch die Palatalisation der Gutturale k ff entstanden sind, ist
auch schon bei sk-zff die Rede gewesen.
Den Ausfall der Konson. t-d vor dem -c haben wir in den Worten
mit dem Suffixe -%c (-ec, stok. -ac) nach dem AusfaU des beweglichen -z
(e) in den Kasus Obliqui, mej'dca {j'dUc)^ söca (s^dhc) usw.; ebenso be-
kommen wir durch die Assimilation das c aus der Gruppe -ts^^^'j -&«««■
wie z. B.: hrvä^cki (hrvatskt), sveckt {svetski}^ lucki (ludski), ggtiecki
(govedski)^ ggspoctvQ {gospodstvo)^ bogä^ctvo [boffatsvo) usw.; ebenso
^Ißvoc.^ ^jgvoe. 2ti c, z. B. : oc2ci (odseci)^ pdcek (podsekj Tflrschwelle),
pocnehä^la {podsneha^a^ bei der Hochzeit), prece^däti (predsedati prä-
sidieren).
Ebenso wie man diva neben §lwa^ sleme neben ileme (auch sleme)
hat, wurde das 8 in Slavonija durch die Assimilation an das palatale (
palatalisiert zu >Slavünija*.
5. Palatale i^ iy ^ij-
Von der Aussprache des c (=&tok. c aus tj) ist nur so viel zu sagen,
Beiträge zur serbokroatischen Dialektologie. 335
daß 68 gänzlich mit dem c [h) zusammengefallen ist, so daß kein ünter-
sclded zwischen beiden besteht.
Die Gruppen er, zr, ir. Was das er anbelangt, so stimmen unsere
Dialekte einerseits mit den ätokavischen ttberein, d. i. er geht zu er über
in: crn [crhn^h), crlen [crhvljem]^ crf [crhvh)\ anderseits lösen sie aber
das*er wie auch zr, Sr zu c'**-r, z^^'^r, i^'^^r auf wie in: cerevo {crijevo
Darm), cere^p (crij'ep Dachziegel), cerepiine, cerepina (Scherben); auch
c^e^ina (*creSna fflr ^r^ina Kirsche), i^re*be (irib^ — zdrijebe)^ z^re^Hc,
zer^biea (junger Hengst — weibliches Ffillen). Vgl. die Fremdwörter:
iaro/ (Schraube), iora^^^e (Schrägen). JncrSn ist das rausgefallen: c^s.
Das intervokalische i geht in r über in den Beispielen: mdrem —
mgrf (moiem von mo6i können); in -;^d zu ^re: nigdatj nigder^ -god^
(roA'fe — 3K^)) tukar [turkorr), tukareka (tu^ka-re-ka), tukarekar (tu-
ka-re-korr) usw. ; vre (akslav. oy^Kf — lOHCl, slov. uie^ t^ie^ ure »schon«),
morti [moze biti »yielleicht«), borme [boze-me) usw.
Beim palatalen Spiranten/ ist vor allem seine zweifache Aussprache
henrorzuheben. Im Anlaute, im Auslaute und intervokalisch in solchen
Fällen wie boj\ boja^ znoj\ znoja (aber schon ozfuAen) wird der palatale
Spirant /als ein gewöhnliches serbokroatisches / (gleich dem »Halbrokal
I«, d. L dem t im Dienste des Konsonanten, vgl. Sieyers Phon.^ §§ ^^1 >
422); dagegen interyokalisches/, sei es etymologisch, sei es statt des
etymologischen A, wird besonders vor einem i oder vor einem e sehr
■ ■ • • ,
reduziert ausgesprochen, z. B. moj" mo^e, mo^ega^ tro^emu, svc^e^m,
• • • •
zuvah {*zuvajo), kä^ Hgoder .... [kajji [joj] goder), dobi h [dobijo
[ju acc. sing, fem.]), pc^i (pojes=podei), skr&a (s kraja) ; smej —
«me^, grf^a {grej'a), dry' or^^a usw.
Das sekundäre y, abgesehen von jenem, welches sich im Anlaute vor
einigen Vokalen entwickelt hat, haben wir in vojsk (t^o^aA; Wachs), mä/li
[malt klein).
Das i in iti wurde in den Kompositis mit den Präpositionen, welche
mit Vokal auslauten, entvokalisiert und es wird gesprochen d^ti, nä^jti,
prejtij dann selbst im Präs. dQjem, nä^jem, prejem usw.
Es wäre noch hier zu erwähnen, daß auch zwischen zwei Worten in
der gewöhnlichen Sprache (was noch häufiger in den Liedern vorkommt),
wenn ein Wort mit dem Vokal auslautet und das andere mit dem Vokal t
• « ■
anftngt, ein »reduziertes ^< gehört wird, z. B.: po Hmenu, preHskati^
noHgrati se^ja Hdem usw., um den Hiatus aufzuheben.
Fremdwörter. In den Wörtern lat. Ursprungs begegnet i statt des s
336 Franjo Fancey,
in Oremui (Spitsname »Oremtis*)^ oHtja, leHija^ iakratn^tU^ Erhiui,
Jezui, domeitruväti (mimBtneTeji)y iekreiüja (sakrtstijä), preiencija
(procesija)^ kaitlga — kaSiigäti, ilabekuväti [syllabico) usw.
In den deutschen: z gegenüber s in iv^ph^, z^^ra^fritbk^ zlaga\
zv^rc (SchwÄTze), i aus z (s): petr^zil (Petersilie).
6. Liquide r, / und Nasale n (m).
Die Dialekte der Podravina unterscheiden die konsonantische und
vokalische Funktion dieser Laute, doch bei / und n ist die Tokalische
Funktion nicht so ausgesprochen wie bei f , da man öfter auch einen sehr
reduzierten Halbvokal % [e) vor diesen zwei Lauten (/, n) zu hören glaubt.
Die Yokalische Funktion kommt in solchen Fällen vor, wo ein beweg-
liches a im stokavischen Dialekte sich einstellt, wie z. B. : P^tf^ ^4kfj
dobr^ pfpg' {papar)j pM^, p^pl (aber g. pfp^la)j misl [müf^l — tnülij^
d'^bl (und dehl Bber debela)] plävn — plavhn {^. plavna)^ d$zn (und
dfhn), prä^zn, zalosn (oder zalostbn) usw.
Konsonantische Funktion der /-r-fi. In der konsonantischen Funk-
tion unterscheiden unsere Dialekte l (mittler.), n und r, dann weiches {
(ib), ik (h>) und rj (nicht erweichtes /). Unter welchen Bedingungen ein
7, n statt der erwarteten weichen ^, h auftritt, sind wir nicht im stände
genau zu bestimmen, doch man kann so viel konstatieren, daß die Eni-
palatalisation häufiger dann eintritt, wenn ihnen ein Konsonant voraus-
oder nachfolgt. Palatale (, n kommen nicht nur dort, wo die Palatalisa-
tion schon im Akslav. vorhanden ist, sondern auch in den sekundären
Gruppen nach dem Ausfall des Halbvokals (wie hj\ nhj')\ das r wurde im
Auslaute entpalatalisiert, sonst aber fllllt es mit dem rhj zu r/zusammen.
Beispiele: {: lüdi (Ijudhje), z^m^a, v^^a, {üba (neben ltiba\ prvjfij
vese^e [vesehje), ze^e (zehje) usw., aber /(statt des ^ iS/it, lucki [Ijudski^^
klüc [kljuch Schlüssel), klün [kJjum Schnabel), klutäti {krhüati-kFu/q
picken), j9/e^üa^t, prij^tel (priStePh Freund), tmcttel (uciteP Lehrer),
lüsc'itij luzdhM [luitiii schälen usw.) (Virje), luplna [odlupiti ist wohl
ursprünglicher als ^upine)] podsnehala^ sablu^ ludiy hobline^ ikrebe^
talka^ nevolfi (Zbor. I) ; aber vpelavane, vpelana (fpelan^ Virje), kiklu
(206, 255) (AtA^a Virj.), ikrlak 255 (ikrijiä^kYiTJ.), kluku{Z01) Zbor. L
Koprivnica; zem^u, zalubil, podsnehdla^ ze^e (Zbor. I., Pitomaca), aber
auch vucitel — vuctt^la, deteVtna^ Uläda usw. Ojurgj., bdle DrAe., jöocf-
snehdlaj spravlali, zemley ze^e^ dopelali^falen (Zbor. I. Hieb.), aber auch
lubami, sablami Zbor. I. usw.
Beiträge zur serbokroatnehen Dialektologie. 337
Soweit ich unterrichtet bin, kennt Oola kein ^, sondern nur /.
is: kÖHj kanlij Ao^% ^ff^j ^i«^ nsw., praiüej dane^ zrfie^pe^
cetö\ aber ffnil {gnio fanl), grUda [gAida Nisae), gn^'\ könski^ k^nce^
si^fice (von 8vina)y opä^nka (g. sn opä^mJc)^ lisiä^nka (zn lütaihk
Wsde), cünka {xacü/izk Fetzen) naw. (VDr|e). Bbenso in Oola. i^ (g. ag.
fem.), poit^, abetfkniffäj Kai.
rj: tn&rye (mcre\ z6rjaj ierjcfifka (ieravica glühende Kohle),
zfüf^javiea (igansüica Sodbrennen), vniirjem [innrem)^ ^em [orern),
pretArjen {prevaren)j razdrjen (razoren), zmhjen (ixmjeren)^ odurfö^
väH^ nagmsW^jäti^ zame^jdU^ veherjaii — vecerya nsw., aber zidä^-^t
(z%dar%\ zlataf^r-a {zlaiart), ffospgdä^, pasttr {pa^yrt) naw. Ebenso
in GoIa irad in PHoma&t.
b) Metathese von Konsonanten.
Die Metathese Ton Konsonanten kommt in folgenden Beispielen zum
Voniehein: gä9rvan [gaioranh Rabe), cmela [bitcela Biene), iticu (hJUca
LMel), im^r^ti (Wurzel m^i- die Augen geschlossen hatten), bhtfuTUcej
blä^nduväti (von pladne Bfittagoruhe halten), panduriti -voti pod^-mariH
ontertauchen), robd\na (neben rodlüna die Verwandtschaft).
c) Aus- und Abfall von Konsonanten.
Wir haben schon erwfthnt, daß das h und das v yot dem l (wie z. B.
tdfidätiy laH oder /|i, lä^d usw.), dann das v vor dem s in ves-sa^ se
(statt 9«a, ose) oder sakak^f (statt vsakakof) usw. regelmäßig abfallen ;
ebcBSO wurde wik<m der Ausfall des o in der Konsonantengmppe süt-
(wie z.B. srä^b [statt svrab], sräka [statt avrakd] usw.) erwfihnt. Hier
k5nnten wir noch dazu erwähnen: bQm . . . statt bQdem^ mä^m statt
makom^ nScem statt nehcem oder neSoem.
ni. Betonnng und Quantität.
Auf dem Gebiete, welches wir zur Aufgabe unserer Besprechung
genommen haben und in der Lautlehre in drei Gruppen geteilt haben,
werden wir beaflgUch der Betonnng nur zwei Gruppen unterscheiden.
Die erste, deren Virje Hanptrepräsentant ist und welche Gegenstand un-
serer Betrachtung bildet, beefteht in der Eigentttmlichkeit, welche noch
bei keinem serbokroaüschen wie auch slovenischen Dialekte konstatiert
wurde, für welche wv aber Parallelen in den bulgarischen (mazedonischen)
Dialekten gefmid^ haben, nämlich in der Eigentfimüchkeit des Zwei-
AnhiT fttr •IftTiiehe Philologie. XXIX. 22
338 Fraiyo Fancev,
silbenakzentes, d. i. nnr die Torletzte und letzte Silbe, sei es in ^em
Worte, sei es in einem Wortgefttge, können den Akient tragen. Die
zweite Gruppe, mit welcher wir nns hier nicht beschftftigen nnd welche
östlioh Ton Virje mit EloStar nnd westlich diesseits Drave schon mit Hle-
bine beginnt, kennt dieses ZweiBilbengesetz nicht, obwohl sich die Be-
tonung des Ortes Elostar nnd aller Dörfer westlich von PitomaSa (Otro-
vanec, EJadare, Grabrovnica, Diievec) von der Betonung des kigkavischen
Dialektes von PitomaSa ebenso unterscheidet, wie dieser wieder, obwohl
näher der stokavischen Betonung, doch von dieser abweicht. Ebenso
stimmt die Betonung der Dörfer EHebine, Sigetec, Dr&e, Peteranec, dann
der südlich liegenden Dörfer Zdelice, Babotok, Rakitnica, JabuSeta mit der
Betonung der ersten Gruppe im großen und ganzen überein, und nur das
Fehlen des yoUkommen durchgefohrten Zweisilbengesetzes scheidet diese
Dörfer von der ersten Gruppe.
Das Zweisilbengesetz beherrscht Yollkonmien die Betonung der fol-
genden Dörfer: Novigrad (samt Delovi], Viije (samt Miho]anec, Hampo-
vica, äemovec, Sv. Jana), Moire, Gola (samt Gotaloro), Gjurgjerec (samt
MiSetinec, Cepelovec, Budrovec), Kalinovec nnd Ferdinandovec
Neben der erwähnten Eigentümlichkeit des Zweisilbengesetzes kennt
die erste Gruppe noch eine andere, die ihr auch einen besonderen Platz
in der Betonung der serbokroatischen Dialekte g^bt und im Verhältnisse
des Akzentes zur Quantität besteht.
a) Zweisilbengesetz.
In diesen Dialekten ist am wichtigsten die begrenzte Beweglichkeit
des Akzentes. Parallelen zu der in unsem Dialekten beobachteten Zwd-
Silbenbetonung findet man auf dem bulgarischen Sprachgebiete. Während
nämlich die bulgarische Schriftsprache (mit ihrem »oÖn^otS'KirapcROTo
y^apoHHe«) eine vollkommen bewegliche Betonung besitzt^ kennen einige
mazedonische Dialekte eine beschränkte Betonung. Das sind in erster
Reihe der Dialekt von Voden (mit »ABycpiraHO y^apemie), dann mit dem
fixen Akzente von Eostur und Prilep (der erste mit »BTopocpiriHO yxa-
peHHe«, der zweite mit »TpeTbocpH^HO y^apenne«]. Vergleiche darüber
B. Conev »3a y^apenHOTo b-b Ö'B.irapcKH oseicl« S. 22 — 27 und L. Ma-
sing »Zur Laut- und Akzentiehre der mazodoslav. Dialekte«, B. 109
bis 110.
Im Dialekte von Virje (gemeint ist die ganze erste Gruppe) gilt als
feste Regel, die keine Ausnahmen kennt, daß der Hauptton in einem
BeitrSge snr serbokroatiBcheii Dialektologie. 33^
Worte oder in änem Wortgefüge (d. L ein Wort mit ihm folgenden En-
klitiken, welche, eine oder mehrere, mit diesem Worte als ein Wort mit
einem Hanpttone ausgesprochen wird) immer anf die zwei letiten Silben
fidlen muß, so daß in einem Wortgeftige der Haaptton nicht mit dem
Hanpttone des selbständigen Wortes llbereinstimmt, sondern das selb-
stftndige Wort yerliert gänzlich die Betonung, welche es als selbständiges
Wort hat, und wird in diesem WortgefQge immer diejenige Silbe betont,
welche die rorletzte ist. Demnach mflssen wir die Betonung der Torletsten
und letzten Silbe bei den selbständigen Worten unterscheiden. Nur einige
Beispiele: jaVdka — jaVOika (gegenflber skroat ^Bit^Aia, slov. jahlko
(dialekt Bohi£. yait«A;a, 'Bau. jdbelko) ^ russ. iÖJOKO, bulg. jdtf'Bjnca),
ebenso jagdda^ macaha^ J^z^ro^ oldvo usw., mit der Betonung auf der
letzten Silbe in solchen Fällen, wie: kömcfir (skr. kdmär, slor. komär,
mss. KOM&p'L, bulg. KOHdp), ebenso rökä^f^ ggapgdin (5ak. gospodin
Kern. L 65), oder kumstvQ (5ak. küin$tvd ü. 9), ggddvnQ^ peSeiü, loc.
sing, wie rökS*, ngge*^ auch zem{e\ äsjm peklü^ selüj nebü\ gen. sing,
wie r&ga — ngge, r^ka — roKe^ aber Kuah jaboke^-jaggde usw.
In einem Wortgefbge: me^micä ^e taMf b^t^k, zemi mü ga\ vqU
da sd 8^ fägda dve* snUhe dogovaPrföle^ vngtre^ s'^ji zapfl usw.
Wichtig ist die Bezeichnung des Akzentes bei Belostenec (in seinem
»Gazophylacinm illyrico latinumc herausgegeben erst 1740 in Agram,
obwohl er 1595 — 1675 lebte). Die Betonung Belostenecs Gazoghylacium
weicht auffallend von der gewöhnlichen serbokroatischen und auch von
der Betonung, welche wir bei Petreti6 und anderen Schriftstellern des
XYI. und XVn. Jahrhs. des kaj-Dialektes finden, ab und gerade diese
Abweichungen nähern sie der Betonung unserer Dialekte. Im Stokavi-
Bchen geht die Ausgleichung in der Betonung einer Ableitung von dem
Grundworte davon aus, daß di^ Ableitung die Betonung des Grundwortes
annimmt, dagegen bei Belostenec, wie auch in unseren Dialekten, hat die
Ableitung eine vom Grundworte verschiedene Betonung und zwar bewegt
sich diese Unterscheidung in der Richtung, daß die Betonung gewöhnlich
die vorletzte Silbe betrifft Die folgenden Beispiele werden das beleuchten :
iäma — -jamica^ j<Uova^ jalof>%ca^ cüba — cubtca^ briiva — brittica^ bra-
mtel — branitelica^ izgonitel — izganitelica^ lopäta — lopaüca^ mHla —
meilica^ miritel — miritelica, nadaritel — nadaritelica^ ebenso kokoia-
ricüj kokoiica^ kratücay koiica^ kozica^ maternkca, preslica^ punicüj
sbiibenica, priatelica^ plepelica] mehköcUj dalekoca, gladkoca, ial-
köca] neutr. auf Aice^ ^iney -dne, wie godisce^ gnojnüce^ sedaliiSej
22*
340 Frai^ FMioeT,
skroviihe^ hhd^e^ jedH^e^ beline, blaffo^hvUne, d^puio^^ cur^ne^
ovilhie; UcuvAAe^ dostifavdAe^ ^vdne ubw. Aber es gi^ aooh AIk
weiCrkmigea wie iUica^ sUnica^ Hvtca^ iufenica oder iiMühe^ Helene
lum.y aber welche Bind in viel geringerer Zahl yorkaaden als di^eiuge%
die den Aka^lt auf der Yorletsten Sübe haben. Neeh anffaUender ist die
firsekefitnng, welche wir schon bei unseren Diaiektea k<mstatiert haben,
nftm^oh die Beobaelrisang der 6il%keit des ZweisilbengesefeBes. Wir fti*>
den 1»ei Belostenec solehe Beiq^iele wie büint-^ielim se^ iÜDam^-^cuoam
8tf doticem — datiSimse, hähm — holämee^ obläcim — obtaSimäe, ohih^
nüJeffhshUnujim se, fdaini — foshn se^ wetim — svettm se^ f)idfm —
vidim 80^ selbst *V€pya nd et* nsw. Hior können anch folgende Bd-
s^le angeMhrt werden, wie: duzen eem (aber düznoy virov: dozm shm)
zodovo^^fem^ vkaniteRoa^ z^ica^ iituvdnfe^ iieüce^ bldfoHho nsw.
Doch wir gehen Iner nicht naher darauf m, da uns das zu weit fahren
wUrdC) g6nng, man hat es hier mit einer fthnlichen, ja sogar ganz iden-
tbohen Erscheinung zn tan, die uns anch ans^e Dialekte zeigen, nur daß
sie sich in nnseren Dialekten enr voUkonunenen Regelmäßigkeit ent-
wickelt.
Naoh dem Gesagten haben wir es mit einem Zweisilbengesetze za
tun, moht in dem Binne des Zweisilbenakzeiites bei Masing (fianptformen
des serbochorwat. Akzentes), sondern im Sinne 4es griechischen and
lateinischen Dreisilbengesetzes, d. h. wie sich in diesen zwei Sprachen die
Betonnng auf drei letzten Silben bewegen kann, so bewegt sich die Be-
tonnag bei nns nnr anf zwei letzten Silben.
Unser Zweisilbengeeete kommt nnter bestimmten Bedingungen, wie
jenes der griechischen und lateinischen Sprache zur Geknng. Die End-
betonung erscheint nnr dort, wo die Betonmig (wenigstens in einer Gmppe
Yon Worten, dann dnreh Analogie anch airf andere übertragen) nrsprfing-
lieh lag nnd die betonte SUbe lai^ war, oder spftter verllngert worden
ist (vielleicht infc^ge d^r steigenden Intonation nnd überhaupt der Be-
tonung). Außer einigen Suffixal der Masculina wie -a^c, -aV, -a^£, -li>
usw., der Neutra auf -jej -ne^ einiger Kasus (wie gen. instr. sing, fem.,
gen. loc. instr. sing, masc, loc. inst. pl. neutr. unddat loc. plur. fem.) zeigt
uns sekundäre Lftnge loc. sing, (wie peklüj nebu^ selüj zem^e*j rdke\
kgpe\ peciy noc% (6ak. weist gewöhnlich die Kürze der E^asusendungen
in Loc. Sing.); auch die Neutra auf -^üo im slov. wie auch serbokroat.
Dialekten (Sakav., kajkav.) mit der Kürze in der Endsilbe, hier aber
Lftnge z. B. : Sakav. Xnlmstvdj tröjsM II. 9, slov. iritvdj zensiicd^ lud-
Bdtriige zur serbokveatMoben Dialektologie. 34 t
sivb^ maiM (Va)a¥eo Sad OXXXII. 8. 16S); Dialekt Ton Virj«: kum^
si9f, bictü^j proileeii^f, ux^h ffpdävnf (Namenstag).
Sonst aber, wenn die letato SISm kurz war, wenn anck batont, kornkte
sie den Akzent nicht behalte, sondern hat ihn durch die rftokg&ngige
YersdiiebBng anf die Torletate Silbe llbergehen lassen, wie z. B. : />^a
(skroat. ^^o, ross. nepcS), a^to {sSlo — cejö), vMa {vdda — boa&), zoe^zda
(zvifezda — sais^iä) nsw.
Neben der Ultimabetoanng haben wir sonst immer die PemdtMUK
betonung, d. i. die Betonung Mit auf die Torletste SUIm; ^bes kenunt
nnr dann zun Vorschein, wenn die letzte Silbe knrz war, mochte sie be-
tont oder unbetont gewesen s^, oder wenn sie erst sekundär in diesem
Dialekte kurz geworden ist, so daß wir keine Länge auf der iiach der
Pemiltknabetonung fdgenden Mibe haben können, sondern sie wird immer
yerkflrzt, wenn sie urspring^ch nicht betont war. So hat unser Dialekt
Tom altMi Erbe in bezug auf die zwei letzten Silben die alteHochtensteUe
nnverändert erhalten, wenn sie auf der vorletzten Silbe lag; dagegen wenn
sie auf der letzten Silbe lag nur dann, wenn diese Silbe lang wai oder
erst lang in diesem Dialekte geworden ist (ftuBerst seltene Fälle) ; wenn
aber diese Silbe ursprünglich schon kurz war, ist die Betonung regdmäfiig
um eine Silbe gegen Wortanfang verschoben worden.
Prof. Beäetar (Sfldwestl. serbokrat. Betonung S. 12) hat bezttglich
der Akzentnation in skroat. Dialekten 3 Typen konstatiert, er sagt näm-
lich: »Wir iSnden, daß in Bezug auf den Umfang, in welchem die äMere
Akzentuiemng sich erhalten hat, die dabei in Betracht kommenden Sto-
kavischen Dialekte drei verschiedene Stufen aufweisen, je nachdem der
ältere Akzent a) in allen SUben ohne Unterschied sviläj sasträj lep&iaj
fezikj neprätda^ vodSj b) in allen Silben nut Ausnahme der kurzen offenen
im Aufllante, also wehl lopäta^jezik^ n^praeda^ vode, aber k^ sviläj
seatrS, e) nur anf langen Silben beibehalten wurde, also nur nspravda^
vodij aber weder lopStaj/0ztk noch «vi/ä, sesirS. Wenn man nun be-
denkt, daß es IHalekte gibt, welche nur in kurzen offenen auslautenden
Silben die alte Betonung aufgegeben haben, so ist der Schluß wohl be-
rechtigt, daß in den stokavisehen DiaMct^i Oberhaupt die neu^e Be-
tonung sich zunächst von dieser Kategorie von BUben mü iä, sesträ zu ent-
widceln begann«.
Nach dem von Prof. ReSetar Gesagten stimmt unser Dialekt mit
keiner Omppe vollkozamen flberein, mit der Gruppe b) hat er gemeinsam
das Behaltm des Akzentes der vorletzten Silben ganz unberflhrt, mit der
342 Franjo Fancey,
Gruppe oj die Verschiebuig des Akzentes aneh von den kurzen geBchlos-
senen anslantenden Silben. Ähnliehen Vorgang zeigt uns die Betonung
Petretid (Evangeliomi 1651) und Belostenee (Oazophylacinm 1740); bei
ihnen ist die Entwiekelnng der neueren Akzentnation erst im Laufe ge-
wesen, und wir begegnen bei ihnen schon yorgesehobenem Akzent yon
der kurzen offenen SUbe im Auslaute (mit weniger Ausnahme), viel häufi-
geres Verbleiben bei der älteren Akzentnation der kurzen geschlossenen
auslautenden Silben, die alte Betonung der langen offenen wie geschlosse-
nen auslautenden Silben ebenfalls gut erhalten (besonders bei Belostenee).
Nur einige Beispiele: rdvno 253 (neben ratmb 255), kruio 22
(neben krütb 64, und krutd 44), jäko [lak^jako), pridi — -pride^ pojdi
— -p^'de^ dojdi — dojde usw., gldve 162 (was witgldfoa hinweist) usw.^
aber rogydk 54, gospoddr 157, dohre^ gori^ vodij troje usw. als gen.
sing., Jüdovdm (dat. PL 56), zemlüm (instr. sing. 178), iinagög 81, av^
als Oen. PL, pusUm (3 mal 56), Sintnij opiju 3. Präs. PL 25, rtuiüj
predü 3 Plur. 1 1 1 usw. bei Petreti^; gläva^ rüka^ nöga^ gdra, büha^ aber
auch igräj krpäj krastä; dann kondpy kokdi\ präs. 1. Sing.: -^, äm^
tm; Acyektiraauf dt^ it {wi^ hramlydm^ kai^,gutätn^grgräm^ ümämy
izepirämj igräm, hranim^ kraüfnyjeldv^jesendv^ jaldv^ korenit^ Sesiit
usw. ; aber auch cutim^ driim^ hrv&o^ klobükj sme^e^ aber siromah usw.
bei Belostenee.
Von den Dialekten des slovenischen Sprachgebietes und von den
kajkavischen des skroat. Sprachgebietes (vgl. Va^avec Rad vom Jahre
1878—1891 Prinos k naglasu .... Ro&iö Dialekt von Prigorje Rad CXV,
GXVI u. CXVUI; Oblak Dialekt von Medumurje Zbor. I) unterscheidet
sich der Dialekt von Viije, abgesehen vom Zweisilbengesetze gegenflber der
vollkommenen Beweglichkeit des Akzentes jener Dialekte, nur in bezug
auf die zwei letzten Silben, vor allem darin, daß er keinen kurzen Akzent
in der Endsilbe dulden kann, erhaltene ursprflnglich betonte Kürzen wur-
den in der Endsilbe unter dem Akzente verlängert
Kehren wir zum Zweisilbengesetze zurflck, um vielleicht eine an-
nehmbare Erklärung dieser Erscheinung zu finden. Wenn wir die Be-
tonung der Sakavischen und stokavischen (und auch kajkavischen) Dia-
lekte, dann auch der slovenischen und russischen, näher betrachten, sehen
wir, daß schon ursprflnglich eine sehr große Anzahl von Worten die Ultimsr-
oder Penultimabetonung hatte, also auf den zwei letzten Silben, und gewiß
war nicht größer die Zahl der Worte mit dem Akzente auf einer andern
Silbe, da wir ja auch aUe zweisilbigen Worte hierher rechnen können.
Beitrilge zur serbokroatiBcheii Dialektologie. 343
Aber es sind selbst bei mehr als zweisilbigeii Wörtern mehrere mit der
Betonimg anf den zwei letzten Silben als mit der Betonung auf einer andern
Silbe, so z. B.: 3 silbige Nentra bei Nemanid (Öakay.-Eroat. Stnd. II)
sind 1 60 mit der Betonung anf den zwei letzten Silben gegenflber 66 mit der
Betonung auf der ersten Silbe; in Prozenten macht das 29 ßi auf der
ersten Silbe und 11 ß( auf den letzten zwei. Bei dreisilbigen Femininen
kommt der Akzent bei 6 1 ^ auf den zwei letzten, bei 39 ^ auf der ersten
Silbe. Etwas anders verhält sich die Zahl der Worte mit Ultim»- oder
Penultimabetonung bei viersilbigen Femin. Hier entfallen auf die letzteren
nur 35)1^ (genauer 35,26^) gegenflber 65 >^ (genau 64,74^) mit der
Betonung auf der ersten oder zweiten Silbe, doch ^e viersilbigen Worte
sind Ableitungen, welche gewöhnlich den Akzent des Grundwortes ange-
nommen haben.
Im Dialekte von Virje sehen wir bezfiglich der Betonung aller Femin.
ausnahmslose Ausgleichung in Genit. Instr. Singular, Dat Local. Instr.
Flur. ; größtenteils auch bei Mascul. im Genit. Dat. Loc. Flur. ; in der
Quantität alle Neutra im Flur. usw. Daraus können wir den Schluß
ziehen, daß in diesem Dialekte die Ausgleichung in der Betonung eine
große Rolle spielte. Wenn also dieser Dialekt besondere Vorliebe fDr die
Ausgleichung zeigt, so glauben wir diese Vorliebe zur Ausgleichung auch
hier zur EBlfe nehmen zu können, um das Zweisilbengesetz zu erklären.
Zuerst hat dieser Dialekt die Betonung der kurzen offenen Silben
im Auslaute um eine Silbe gegen Wortanfang verschoben, vielleicht erst
später auch die Betonung der geschlossenen, aber die Betonung der inne-
ren Silben hat er unberflhrt gelassen. Die Betonung der langen (offenen
und geschlossenen] auslautenden Silben ist ebenfalls unberflhrt geblieben.
So hat sich eine noch größere Zahl der Worte mit der Betonung auf der
vorletzten Silbe gebildet. Jetzt hat diese Überzahl mit der Fenultimabe-
tonung auch auf andere Wörter, deren Betonung auf einer weiter liegen-
den Silbe war, begonnen einzuwirken und sie hat audi alle an sich ge-
zogen und so ist es gekommen, daß zuletzt die Betonung nur auf der
vorletzten Silbe stehen konnte. Zugleich als die Kasus mit der Penultima-
betonung auf den entsprechenden der Wörter mit einer anderen Betonung
gewirkt haben, haben auch die Kasus mit erhaltener Endbetonung der
langen Silben den entsprechenden Kasus nach sich gezogen und so wie
Bieh jäbukor-jäffoday lästavica^ prijateltca, ditelina usw. mit loVida^
sveX^GypepelügOy stareitna^ lepdta (von lepotä), vrucina (von vru6in&)
usw. ausgeglichen haben, haben sich auch nach Gen. Instr. Sing, wie
344 Fmyo Faucey,
noge^ ienij rüKe^ lepdtSj tfrucini, nogoniy rukonij lepdüm^ vru6inom,
dann Dat. Loc. Plnr. ienätnj rükäm^ lepotSmj nrucinäm^ ienaj\ rükaj\
lepotaj^ vrucinaj n&w., anoh ribe — trave (6ak. riba — rtit, trMa —
träoi) oder rü>ifn^ trävom, jagode-^jagodomj laeUmce — lägtavicom;
rib^m^ ribä^j\ irä^vä^m — iräPväPj\ jagodä^fn-^affadoPj^ läPstavi-
cä^m, lä^staeiccPj naw. gerichtet. Die Spurea der alteren Akzentuaition
haben aich in der Qaantitftt erhalten, welche gewöhnlieh jener anderer
Dialekte entspricht, aber es kommt anch vor, daß sie gerade unter dem
Einflasse des Akzentes verändert worden ist, z. B.: hä^rocaj — nä^ro^
oaj'a (Sak. ndrucajl, 58), Ucice (Uciee IL 12), söncSc6y greinica {grei--
nica n. 37) usw., oder lä^stavica {laataoica)^ pä^säAo (Sak. pazduha
n. 33), prestica [prhUca)^ träjlca {tr&jica), dvöfica [dvdßca) nsw.
Aach die Beispiele pod roko, na glävo usw. weisen auf pod rokoj na
glavo hin, da das Gesetz, nach welchem die unbetonten Längen nach dem
Akzente verkllrzt sein mußten, wie in g^lob (ätok. golüb)^ mlinar
(mlinär), älter ist.
Diese Beschränkung des Akzentes auf die vorletzte Silbe hat ihre
Geltung auch im Satze. In dieser Beziehung erinnert unser Dialekt an
den nordwestmazedonischen, wo wie Masing (Zur Laut- und AkzentLehre,
S. 112) sagt, daß die Eigentflmlichkeit in »der eigentlichen Akzentuation
hervortrat, wonach die mehrsilbigen Wörter sämtlich baryton, die mehr als
zweisilbigen stets auf der drittletzten Silbe betont werden«. Auch wenn
dem Worte der pos1|»ositive Artikel folgt, wird diese Eigentflmliohkttt
nach den Worten Masings »wenn der postpositive Artikel angefligt wurde,
so verschob sich die Akzentuation um eine Silbe g^;en das Wortende«,
aufrecht erhalten, dagegen im Sfldwestmazedonischen, wenn der Akzent
auf der vorletzten Silbe steht, kommt der enklitische Artikel nicht in
Betracht. Vgl. auch Conev (1. c. 26). Im Dialekte vonVoden (vgl. auch
Sbomik 1891, Sofia S. 1 1 4 — 120) beeinflussen der postpositive Artikel und
die Enklitiken das Gesetz der Zweisilbenbetonung (»ABycpn^HO yxa^
peHHe«) nicht, wae aber im Dialekt von Prilep der Fall ist Darüber sagt
Conev: »HanpoTHBi» urbKh bt» HapiqneTo, kocto HapeKoxMe üpiuincKo
Bjni TpeTbocpiriHO) ne caMO ^jich'bt'b, ho h owaami Apyrn eHiuaiTHKH
(na H HeeHXJDiTHiai) AiKCTsaTL na yAapenHeTo h ro npanUkTB x&
ce MilcTH, sa Aa aaesie onpiA^jieHOTo ch Micro; tbh nanp. KaaearB
Ha üpud^ncKO Hapi^HO ne eaMo rbAHHa — roAteasa, on» i^apHi^i< —
n;ap^aTa, ho h: ocraHsuia mh, npoxenn ce, na Aopn n A^ceT napn,
dejiCHÄ Benei^, Öask Ay^as, rjiy'a A,o6kj cy^arä sptfa h np. (S. 26).
Beiträge zur serbokroatiBohen Dialektologie. 34SV
B<mst ist HUB niehta aaaloges bekannt — auch die polnisehe ^aohe
UUIt die Enklitiken anf die Betonung dee Wortes nicht einwirken — wo
diese EigentHmliclikeit der besdirftnkten Betonnng so gnt im Worte wie
auch im Satze diurckgefObTt wftre, imd fie Akzentnation dieser Gmppe
der DialAte der Podravina (Noyigrad-Yiije-BnrdeTec) ist volBcommen
Tom »Zweisilbengesetze« (oder ZweisilbenbetoDiing) beherrscht, das keine
Ausnahmen weder bei den selbständigen Wörtern (als Wortakzent), noch
im Satze (als Satzakzent) kennt nnd diesen Dialekten den eigenen Platz
in der serbokroatischen Betonnng gibt.
b) Verhältnis der Quantität zur Betonung.
Neben dem Zweinlbengesetze ist noch als besondere Eigentflmlich-
keit dieser Dialekte das Verhältnis der Quantität zur Betonung zu er-
wähnen. Wir wissen, daß in den heutigen ätokavischen und kajkavischen
(Dialekt von Prigorje) Dialekten mit neuerer Akzentnation keine Länge
vor dem Hochtone stehen kann, dagegen in den Dialekten mit der erhal-
tenen älteren Akzentnation (besonders Sakavisch) nur in der Silbe, welche
dem Hoehtone vorausgeht und in den Dialekten mit der neueren Akzen-
tnation steht in solchen Silben nach der Verschiebung des Akzentes um
dne l^be gegen Wortanfang jetzt der lange steigende Akzent (wie z. B.
rüka — rükuj gläva — gläca Usw.). Darüber sagt Prof. Leskien (Unter-
such, ttber Quantität und Betonung in den slav. Sprach. L S. 74): »Der
enge Zisammenhang der Lage des Hochtonee mit den Quantitätsverhält-
nissen des Wortes zeigt sich vor allem in der Hauptregel, daß vor der
Hoehtonsilbe keine Silbe lang sein kann, Längen abo nur in oder nach
der Hoehtonsilbe erscheinen können. Da nun der Hochton im Serbischen
nieht mehr die alte Stellung hat, sondern um eine Silbe nach dem Wort-
anfang zu verschoben ist, so verändert sich jene Regel bei Wiederher-
stellung der älteren Lage dahin, daß eine Länge nur in der (älteren)
Hochtonsilbe, in der dieser unmittelbar vorangehenden und in den ihr
folgenden Silben stehen konnte«. Doch finden wir im Öakavischen (Ne-
maniö) einige Ausnahmen, welche Leskien als nur scheinbare nennt, wie
pdtfwöün (JI. S. 69), Upegä^ lepemü (neb^ tepiga^ lepiga und lepdmu)
in. S. 16, ebenso rävnegäj rävnemü in. S. 26. Abgesehen von diesen
Paar Beispielen kennen die stokavischen und iakavischen Dialekte wii^E-
lich keine Ausnahmen, so kann unser Dialekt (Viije) dieses Verhältnis
der Quantität zur Lage der Hochtonstdle nicht entkräftigen, obwohl es
diesbezfiglich bei ihm ganz anders ist. Hier ist die Quantität der der
J
346 Fraiyo Fancev,
Hochtonstelle yorangehenden Silbe auf die Lage dieser, d. i. die Hoeh-
tonstelle gar nicht gebunden, sondern mehr anf die Ursprflngliohkeit mit
Berfloksichlignng der spezifischen Regeln, welche in diesem Dialekte die
Betonung beherrschen. Die L&nge der der Hochtonstelle vorangehenden
Silben bleibt gewOhnDch, doch nicht ansnahmslos, erhalten, sie ist von
der Hochtonstelle ganz nnabhftngig, welche durch dasZweisUbengesetz anf
den letzten zwei Silben oder in yerschiedenen Kasus auf bestimmte Plätze
gebunden, die Hochtonstelle wechselt, die Quantität der Silben bleibt aber
dadurch unberflhrt. Nur einige Beispiele: täProd — nä^rod^m^ prUtka
— ffilikey vröcina — vröcine oäer lä^stavica — lä^stavic — UfistamcaPm^
presfica — presUc^m usw.
Parallel mit den iakayischen und kigkavischen Dialekten geht der
Dialekt von Virje auch bezüglich der Silben (in unserem Falle nur einer),
welche der Hochtonstelle folgen und wie in diesen die Länge solcher
Silben verktlrzt wird, so auch hier. Der Dialekt von Virje kennt keine
unbetonte Länge in der Endsilbe. Die Yerkflrzung der Längen nach dem
Hochtone scheint älter zu sein als das Zweisilbengesetz, was wir aus den
Fällen wiepgd gl&vg^ na glciiooy za rdkg^ pgd brädg, od gVadi {glaPd)
usw. (von pdd glävoy z& rdkOj päd brädo dann zu pdd glävo^ zä roko^
pdd brädo od gladij dann nach der Entwickelung des Zweisilbengesetzes,
pod glävoj za roko^ pod brädoj odglädi usw.) erschließen.
Nach diesem Verhältnis der Quantität zur Lage der Hochtonstelle
steht unser Dialekt wie auch mit dem Zweisilbengesetze unter den serbo-
kroatischen Dialekten, soweit man sie heute kennt, ganz vereinzelt; er
nimmt eine besondere Stelle ein auch unter den kajkavischen Dialekten,
welche unbetonte Längen schon, ganz wie auch das Slovenische, verloren
haben; dagegen hat er mit dem Cakavischen und mit dem Kigkavischen
das Aufheben der Längen nach der Hochtonstelle gemeinsam.
c) Silbenakzent
Wir kommen jetzt zur Frage, die eigentlich schon frflher hätte auf-
geworfen werden sollen, welche Akzente besitzt der Dialekt von Virje
(als Vertreter der ganzen Gruppe mit dem Zweisilbengesetse), ob wenig-
stens hier eine Übereinstimmung mit den anderen serbokroatiBchen und
slovenischen Dialekten zu konstatieren ist.
Wie bekannt, besitzt das ätokavische vier Akzente, zwei nach der
Qualität verschieden, d. i. fallenden und steigenden und bei diesen unter-
scheiden wir nach der Quantität je zwei, so bekommen wir im ganzen vier
BeitrSge zur serbokroatisclien Dialektologie. 347
Akzente und zwar eisen kurzen fallenden (bezeichnet mit ''; er entspricht
einem nrsprtlnglichen kurzen nnd auch einem langen mit steigender In-
tonation wie z. B. vrana, mss. Bopöiia, böhm. vrdna)] zweitens einen
langen fallenden (bezeichnet mit "; er steht auch gewöhnlich auf dem ur-
sprOngliehen Platze}. Fflr den stokav. Dialekt gilt als Regel, daß diese
zwei Akzente nur anf der Anfangssilbe stehen kOnnen, nnd andere zwei
Akzente, d. L der kurze steigende(»^ «) und der lange steigende (»'«)« neben
der Anfangssübe auch auf aUen anderen, ausgenommen nur die letzte.
Das gilt aber nur fflr die Dialekte mit der neueren Akzentuation.
Yon den kajkaTischen Dialekten hat der von Prigorje ebenso vier
Akzente wie das ätokavische. Roiid sagt darflber (Rad. CXY. 8. 97):
ȟ prigorskom dijalektu Setiri su akcenta kao i u stokavaSkom dijalektn:
jaki kratki "" , slabi kratki \ jaki dugi " i slabi du^ ' . Sporedna akcenta
u prigorskom dijalektu nema. Akcenat "" i ' ipak nije u svim rijeSima
tako izrazit, kao u StokavaSkom dijalektu, jer se u prigoiju u nekim rye-
Sima, rekao bi iovjek, kao zamjenjuju, t. j. mnoge rijeSi mogu imati
sad "" sad \ Slabi kratki ^ rado prelazi u '", kadu se ie&6e govori«.
Yaljaveo nimmt fOr das Eajkavische (in semen Prinosi) wie auch fflr das '
Slovenische drei Akzente an; ebenso werden auch fflr das Öakavische ge-
wöhnlich nur drei (MaSuraniö, Jagi6 usw., Nemanid nur zwei) angenommen.
Diese drei sind folgende: nur ein kurzer (fallender "") und zwei lange
(fallender und steigender).
Der Dialekt von Yiije kennt auch drei Akzente, aber drei nur nach
der Quantität, d. i. kurzen, mittellangen und langen. Nach der Tonqua-
lität können wir weder in langen und noch weniger in mittellangen und
kurzen Silben steigende Intonation konstatieren, sondern nur fallende
(oder wenigstens keine steigende). Daß wir wirklich keine steigende In-
tonation haben, zeigen uns am besten solche Beispiele, welche in slove-
nischen wie auch skroat. Dialekten steigende Intonation aufweisen, die
ihrem Ursprünge nach in die urslav. Periode hineinreicht, weil sie gemein-
slavisoh ist Diese Tonqualität in unserem Dialekte ist ganz identisch
mit der Tonqualität jener Beispiele, die von Ursprung an (auch slov. und
skroat) fallende Intonation hatten. Das sind folgende Beispiele: praPh-^
(slov. auch prah) neben krä^-a (slov. kräl-krälfl) ; Gen. PI. gla9f (zu
glä^vüy iiok, gldva: glave^ russ. röjiOBLi N. PL aber fojiöb'l gldvä)^ strähn
(zu CTopÖHi, strdnä) neben yS^m (jamay ^iok. jUma-jamäj slov. /aiwo-
jam)j düi (düia^ böhm. düi\ müh (mJiAa, mühäy böhm. mtich)\ ebenso
hrdi^ mäti (mit ursprünglich steigender Intonation) zajökoy vüAo, m^je^
348 Franjo FftAeev,
n^lfo vtBw. (balg, omb, yxb, Mope, i3/e6h usw. weg«a faliondar Intonsr-
tion) usw.
Anftnglioh waren wir dar Meinung^ daß der Dialekt von Virje kouM
steigenden Akzente besitzt, sondern nnr fallende, und iwar kurzen "^j
mittellangen ^ und langen " Akzent. Um uns nicht nur auf d«a eigene
Gehör zu verlassen, haben wir uns an Herrn Prof. Resetav und an einige
Studierende, die selbst dialektologiache Studien betreiben, gewendet; aber
weder Herr Prof. Besetar noch einer der Herren Studierenden konnte die
steigende Tonqualität benMarken. Auch ein geborene Virovan, namena
äiroki, der musikalisch gebildet ist und das Gymnasium in echt stokayi-
sehen Gegenden (Bjelovar und Srijem. Earlovei] besucht hat, wo er uek
die gute stokavische Aussprache angeeignet hat, konnte den ateigenden
Akzent für die Yirjaner Aussprache nieht bemerken, seine Wofte simd
»uzdi£u6ega naglasa na nalazim«. Er hat aadi die Virjaner Auaspradie
in Noten gesetzt. In sdnen Noten unterscheidet er auch drei (oder nodi
besser vier, zwei bei langen) und zwar:
W¥^^=^ »-t ^ j^ ^izf.^^^
m
mu - ha bä - ba kd - ra
oder — 5
kö - re mu - h%
ba -b8
Wenn wir kora des Dialektes von Virje mit grada (Masing, Haupt-
formen, nach Vlajids Aussprache S. 77]
^
grä - da
oder nach der Aussprache Badosevids im Worte aüdim {stuüm)
^ I 1= ,
— ^ — oder
SU - dim; sü - dKm
yergleichen, so muß uns der Unterschied zwischen beiden sofort aufSallen,
weil in den letzten zwei Beispielen [gräda^ südim) der hochtoaige Teil
Beiträge zur serbokroatbcheA Dialektologie. 849
der betontea SUb« viel k<lrseT ist als der tieftonige (»der Ton fiUlt plötz-
tieh, vtosk und imseh ib die tiefe Lage«, sagt Maeing 1. c. S. 77); dem-
gegenllber Beben wir in kora (Dialekt von Yiije) das nmgek^uite, der
hoehtonige Teil der betositen Bilbe dauert viel Iftiiger als der tieftonige,
man könnte fast sagen, daß wir liier eine ebene (»die Stftike des Ans-
atmnngBdmdces nnd daher die Höhe des Tones bldbt nnvertLndert«
ICkloiicIi, Ober die lang. Yoc. 8. 5), d. h. gerade Länge haben, da der
tiellonige Teil ekie sehr kovze Zeit «innimmt, so daß dieses Fallen der
Höhe um 732 iKor dazn notwendig ist, mn als Gieitton die hoehtonige Silbe
mit der Mgeoden tieftonlgen zn verbinden.
Viel ansgesproehttier ist das Fallen der Tonhdhe in den ansUniteaden
Langen wie in Beispielen
oder — H^ — - d oder
bo - ü^ * ni - o@ b& - b8 pri - pö - ve -
mu - he
Was den stekaTischen knnen fallenden [^) anbelangt, welcliem wir
den Iniraen fallenden des Dialdctes von Viije gegenüberstellen (dooh sei
es hier gleich bemerkt, diese zwei nnr qualitativ vergleichend), so sagt von
ihm Ilasing (1. o. 8. 65) »Außer in einsilbigen Wörteni hört man ihn (den
Binsilbenakseat) auch in mehrsilbigen, doch immer nvr anf einer Stelle,
nämlich in der ersten Wortsilbe.
Hier dürfte es wohl schwieriger sein, die fallende Bewegong des
Tones wahrznnehmen, man empfindet den Akzent nnr als einfallen Iktos,
der die eine Silbe mit knizem Vokal kräftig hervorhebt, worasf die Stimme
sofort in der folgenden Silbe mit nachgelass^ier Spannimg sich in Tiefton
fortbewegt. € In der Bezension des Sajkovidschen Werkes >I>ie Betonung
in der Umgangssprache der Gebildeten im Königreich Serbien, Leipzig
1901 « und der Besultate des Bonsselotsohen Instrumentes sagt Prof. Be-
setar (Arch. frl. Ph. Bd. 24 8. 25 1) »wo wir alle — Anhänger und Geg-
ner der Budmani-Eovaievidschen Theorie — ein einfaches Fallen des
Akzentes zu hören glauben, finden wir in obigem Schema eine vollkommen
gerade Linie, was mich, aufrichtig gesagt, nicht wenig wundert, denn
es scheint mir noch immer, daß ich auch in solchen Fällen wie S^o, wo
also die erste Silbe aus einem einzigen stimmhaften Laute besteht, ein
Sinken des Tones in der ersten Silbe höre; doch das ist der Punkt, wo
350 Franjo Fancev,
ich noch am ehestea geneigt wäre, eine Eonzession zu machen.« Der
Akzent der kurzen Silben im Dialekte von Viije weist nach meinem
eigenen Gehöre und nach der Aufzeichnung äirokis auch kdn Fallen des
Tones auf, sondern zeigt sich als ein einfacher Iktus (wie möAa, gglg^ca^
bghcnica, Igh&da^ laldka usw.).
Der dritte Akzent, von welchem wir noch zu sprechen haben, be-
trifft die mittellangen Silben. Eine Silbe kann nur dann mittellang sein,
wenn sie betont ist; unbetonte Silben können nur kurz oder lang sein,
unter welchen Bedingungen eine Silbe mittellang wird, sind wir nicht im
Stande zu sagen, ebenso in ursprünglich betonten wie unbetonten, mit
ursprünglich steigender wie auch fallender Intonation. Der mittellange
Akzent ist ein ausgesprochen fallender.
So haben wir im Dialekte von Virje zwei Akzente mit keiner ausge-
sprochen fallenden Intonation (kurzen und langen) und den dritten aus-
gesprochen fallenden.
Die Stelle des Akzentes selbst spricht fOr die fallende Tonqualität
der betonten Silben; auf den zwei letzten Silben, welche allein in unserm
Dialekte betont sein können, standen schon frflher (vgl. das Cakavische)
gewöhnlich die Akzente fallender Tonqualität, und dann haben nach
diesen aus Vorliebe zur Ausgleichung auch die Silben mit steigender Ton-
qualität die Qualität jener angenommen. Hier können wir gleich erwäh-
nen, daß dieser Dialekt die Unterscheidung verschiedener Formen durch
verschiedene Tonqualität aufgegeben und die Unterscheidung durch ver-
schiedene Quantität vorgezogen hat (z. B. kräj — kr^f'u als dat., kraPju
als Loc. Sing., ebenso ghrazu — gbraPzu^ mostu — mostu^ vddi^ zhnli^
ndgi — vfdi (corf?*), zetn^i [zeml€}\ n^gi (noge*]^ n^bu — ncbu {nebu)j
vdli (Nom. plur.) -vfli (Inst PL, auch voli) ; koi^i^-k^Äi — koM usw.).
Selbst der Regel der stokavischen Dialekte, daß der fallende Akzent
nur auf der ersten Silbe stehen kann, widerspricht unser Dialekt nicht,
obwohl er nur auf den zwei letzten Silben den Akzent hat. Fflr den Dialekt
von Virje können wir noch eine besondere Eigentflmlichkeit konstatieren,
das ist das Verhältnis der unbetonten vorangehenden Silben zur Silbe,
welche sich in der Hochtonstelle befindet und diese Eigentflmlichkeit er-
klärt sich aus der Natur der Akzente, welche fallend sind; jedes Wort,
welches den Hochton nicht auf der Anfangssilbe hat (aUe zwei- und mehr-
silbige mit der Ultima-, alle drei- und mehrsilbige mit Penultimabetonung)
wird in zwei Teile geteilt. Im ersten Teile, d. i. im tieftonigen bemerkt
man zwischen zwei benachbarten Silben das in kleinem, was zwischen der
BeitrSge zur BerbokroatiBcheii Dialektologie.
361
letzten tieftonigen des ersten Teiles des Wortes nnd der Silbe mit dem
Hoehtone im großen, man yemimmt keinen Gleitton zwischen zwei be-
naehbarten Silben, wie z. B. zwischen der betonten nnd der ihr folgenden
tiefkonigen, sondern jede Silbe wird ftlr sich aasgesprochen. Das ist die
Folge der fallenden Tonqualität einer jeden Silbe, jede steht im Anfange
hoher als zu Ende, die fallende Tonqualität der tieftonigen Silben ist
besser bemerkbar bei den langen als bei den kurzen, doch am besten
kommt sie zum Ausdruck vor der Silbe mit dem Hochtone. Da wir kein
Übergleiton vom Tief tone der letzten unbetonten zum Hochtone der be-
tonten Silbe haben und da doch die Stimme eine gewisse Zeit braucht,
um die notwendige Höhe zu erreichen, so entsteht eine kleine Pause zwi-
schen der letzten unbetonten und der betonten Silbe; diese Pause ist des-
wegen weniger bemerkbar bei den tieftonigen Silben, da das Intervall in
der Höhe zwischen zwei benachbarten Silben ein sehr geringes ist und
die Stimme eine sehr geringe Zeit braucht, um die notwendige Höhe zu
erreichen, dagegen braucht sie eine längere Zeit zwischen unbetonten
und betonten Silben, da hier das Intervall ein viel größeres, ist. YgL die
in Noten (von äiroki) festgesetzte Aussprache:
oder
mä<>j-ld-ca
8le> - pt - oa
b9 Il6 nii ca
pri - p9 - ve* - äSfi
Aus der Hebung und Senkung der Stimme geht noch eine Eigen-
tOmlichkeit hervor, d. i. das angebliche Vorhandensein mehrerer Töne,
deren jeder fflr sich Hochton zu sein fflr das ungeflbte Ohr in Anspruch
nehmen kann. Diese Eigentflmlichkeit ist so zu erklären: die Stimme
bewegt sich in fortwährendem Heben und Sinken des Tones ohne den
Oleitton und jede SUbe hat eine fallende Tonqualität; es scheint, die
nächste Silbe sei mit einem höheren Tone gesprochen als die voran-
gehende und deswegen scheint sie als hochtonig. Ähnlichen Grund
werden auch solche Fälle bei den kajkavischen Schriftsteilem haben,
wo wir zwei (oder mehrere) Akzente bezeichnet finden, wie z. B. düinö
(neben duin6\ vSlim^ cini^ clöviciy ciövecdnstve (loc. sing.}, pöpevcyfu
usw. bei Petretiö, mat^r^y beteimk^ sogar vesele se bei Ifilovac usw.
2^2 Frsnjo Fasoev,
Noch einige Worte Aber die tiefionige Silbe naeh der Hoditonstelle.
Von dieser kGanen wir Masiags Worte (L c. 8. 66) anwenden , der aagt:
»la aUen diesen BeispieLeii wird aar die jedesmal erste Sübe (hier Paen-
niitima) hoch und stark betont, aUe übrigen (Mer nur Ultima) werden in
Tieften und mit einem yerhiUaiismaiMg geringen Aufwand an 8tamndcraft
gesprochen; letetere nimmt dabei, innerhalb des Tieftenes, noch alimAh-
lieh weiter ab.« Nachdem unser Dialekt nur den Akzent mit fallender
Tonqualität kennt, so ergibt sich schon aus der Natur des Akzeates, daß
die ihm folgende Silbe tieftonig sein muß.
d) Quantität.
Der Dialekt Ton Yirje kennt dr^ Stufen Fon Quantität, d. L Kllne,
Mitteüänge und Länge. Kliree und Länge sind die gew(yfanlichen Arten
der Quantität; sie kommen in betonten nnd unbetonten Klben Tor; die
MitteUänge kommt nur in einer betonten SUbe, wenn aber eine solche
Silbe den Akxent verliert, so verliert sie anch die Ifiittelünge und ^eiclit
sich mit anderen unbetonten kurzen Silben ans.
Bezüglich der Quantität (d. i. nur der Eflrze und Länge) gelten die
von Prof. Leskien in seinen Untersuchungen über die Quantität ....
(Leipzig 1885, 1893, Arch. f. sl. Phil., 21, 24) au%estefiten R^eln im
großen und ganzen auch ftr den Dialekt von Yirje (z. 6. : I. X&hj ff&ba^
rdda (vodä) usw.; 11. düsa {düiajj ste^na (stena), anaPga [simga) usw.;
III. slama (cojöna — sVSima)^ vrana (sopÖHa), krava (Kopöna), zla^to
(aÖjroTo), graPd^graPda (r6poÄ'B-rdpoAa), phva (klruss. nojLOBdu-plf&va)^
dre*vo {js.^^eBO-drijevo) usw. (Unters. 1893. S. 532 [6]). Ebenso bezüg-
lich der schweren Suffixe (Arch. f. sl. Ph. 21 S. 323), welche keine Länge
vor sich dulden, stimmt unser Dialekt überein, z. B. rokami — roka^m —
rokä^j usw.
Doch finden wir sehr viele Beispiele, welehe gegenüber der Kürze
(Begell und m, Unters. 1893) im Stokavischen und Öakavischen in
Yirje die Länge aufweisen, das sind die Fälle sekundärer Dehnung, wie
z. B.: aloga^ vo^a, kd£a, metla^ plece\ die Länge des Nom. SingnL in
allen Kasus bei tä^st^ laPf^ ccfist^ la9zy vüi asw.; die Loe. Sing, wie
pasiUj kropuy bojuy dvorUf krokuj gno/uy nosuj rodu^ vozu usw.. (von
Nom. p&st-^^ta (Ma£.) post^dsta (Yuk.) £ak. pöst-pdeta NenL, mss.
nocrB-nocTä, krdp^krdpa (Ma£.), iak. krdp-krdpa usw. oder böf^Vija
(MaS.) russ. Öoh-66h usw. Leskien L; kraPsta (Blatter ^o^to-KopdcTa),
sräka («f ro^o-copÖKa), bluto {bläto^OÄOTo}^ bräino (irJüf}<M$op6mHo)|
Bdtrige m serbokrofttiseheii Dialektologie. 353
loe. aiBg. / grä^hu {ffrAha'jfr&h-a rop6z^rop6za), ebenBo mrSPzu
(mrtbMi Kopds'^Mopöaa); %kra ^kra)^ Ukra i^kra)^ Moa (tüta)^ vUAa
{vUiia), kttf^iOna, n^inniti (stok. krifh-klina, iak. klin-klina, tubb.
BXHB%-iUDiHa, Btok. und 6ak. fiitHÜtiy nus. HHTb-HHTH); c^sta^ treska
(itok. c^ta, trhka (Splitter); cäia (cäta-^ima), dläka (dläka)^ gäie
{gctde)^ kaia (kaia Brei), mläka {mläka Lache), iäka {icika Handvoll);
maslo {mäshj ni88« m&cjio), fcä^au {cäs^ cäsa^ itok. SSta-a Augenblick),
zm^sU (stok. mistig mas. mocth), nfsti^ p^ü, r^Si^ t^6i^ ty>sü se möci^
hötU (Mf^r-tfoern stoßen) usw.
Seknndtre Verkflrxungen wurden schon erwfthnt (8. 346), lA^pod
glli/oo\ solche sind j^qA podgrMor' (za grä^da^^ *pddgräda)f besrSma
i^hez srämy sräPm-srä^ma) nsw. ; ebenso seknndäre Yerkflrznng haben
wir in 9ne^kr9niga [nüjeg-mijega\hlk. anch snigsniga neben sniga;
hrPk-hr^ga (bi^jeg^brijega).
Ans den erwähnten Beispielen ist es nicht möglich, eine Schlußfol-
gerung lu aiehen, warum eine Kürze yerlängert wird; das Heranziehen
der Tonqualität hilft uns auch bei der Erklärung sekundärer Längen
nicht (Vgl. Yondräk, Vgl. Gramm. L 218.)
Die Dehnung der Eflrzen kann noch durch Position yerursacht wer^
den; es kommt auch vor, daß die Länge von solchen Formen, wo sie
durch Position yerursacht ist, auch in die Formen, wo keine Position yor-
fiegt, eingedrungen ist. Kurze Vokale werden in geschlossenen auslauten-
den Silben besonders yor den Konsonanten /, ^, r, m, ti^ ri, o und/ yer-
längert (ebenso wie ätokay. Vondrik 1. c. 230); yor anderen Konsonanten
werden sie nur mittellang. Position entsteht auch, wenn mit diesen Kon-
sonanten noch ein Konsonant eine Gruppe bildet Z. B.: 1. a): k^n
[k&i/iaj Stok. KQn\ vfii (üSiia, stok. von^vöAu^ iak. aber vdn^vd^), grfm
{grdma\ 9ißl (stöla^ aber na sfoly St. atö^ stdla^ iak. aiol^ aber stdla)^ mQj\
iv^' {mSja-tvdja) usw. ß): pöp^^dpa (päp-pdpa, noirB-non&), kr(^
[krdparkrdp-krdp [Mai.], Sak. krdp^ajj brät (auch brdta-brätnojj dlän
(dlanaj Sak. dlän-ni)^ gräh (grähorj st grah-graha)^ km^t {km^ta^y st
kmBt)^ zfi-z^ta usw.
/}'): JänhC'läncaj zdhnc^zdenca^ ühc-ielca, rastephnc-raste-
penca, Iqßtnc-lajqfca usw. ß"): staPrto^tä^rca (iak. stärac-stärcdjj
pa^hc'pä^lca (iak. p(Sdac-pälc(i\y so auch zaPjbc^ ikSfihc^ lakbt (neben
Okt), pgk£aOfbc ipof^^^).
Was die Frage anbelangt, wann eine Kurze mittellang wird, ist dies
ebenso schwer zu sagen^ wie auch, wann und warum eine sekundäre
Inkir tta sUvisoh« PhUolofi«. XXIX. 23
354 Fru\{o Fancev,
Länge (irie v^a^ k^za luw.) entsteht; nnr soviel kann als sicher ange-
nommen werden, daß die Mittell&nge einen Schritt zur Verlftngemng der
betonten Kürzen bildet, welche Yerlftngemng im Sloyenischen sohon
dnrchgefohrt ist. In einigen Beispielen wechseln selbst ifittellftngen mit
Langen, wie in matt und mäti (aber matqre^ dat. mä^^rt), brät-braia
nnd brät-bräta (brät^m dat. pl.) nsw.
e) Quantität der stammbildenden Soffixe der mehrsilbigen Nomina.
a) o-StSmme.
Da einzelne BofiBxe meistens dieselbe Qnantitätsersoheinmigen (dar-
nach anch dieselbe Betonung) aufweisen, werden wir hier dieselben auf-
zählen.
-47' -äja (wie pot^läj'pol^ictja (Ausnahme silaj -^a Ochsname}.
-aV -aPra (wie zlatSfir^ straicfir) usw. Ausnahmen: kQiar (stok.
Jcdiar\ so auch /^fcc/r, Htar^ ku^ar^ mlinar^ Mar^ iumar u. einige m.
-an "äna (= stok. -anin und -an) und cPn -aPna (= stok. an) wie
a^^lan -una^ i&pan (stok. iüpän); pura^n, duhSfin^ riäaPn usw.
-a^i -ä^ia : (velikä% meda% TomäH^ plemenita^i usw.).
-a^A -a^Aö : (teiä^k^ selä^ky veiöä^k (vjeitak), deveta^k usw., Aus-
nahmen kfzjak (kdzjak)j gglgbinak (stok. golübinäk)^ rlb-hak [ribnak\
svttjiak, 8ve*cnak usw.
-ä^c "ä^ca : [btijä^c^ vikä^c),
-a^c -aOca : (Grgä'>c, Uhä^c). *
-a^« -a^za (Matä^z^ preä^z).
"ä^s -ö^Äa : {kanä^Sy Vrbä^s (Oasse in Virje), viää^s (Hundsname).
'äH 'ä^ta : zanä% Hp>ä% Banä% holdäH usw.
-öV -2Va : vgäe^r^ barbe*r, gfitl^ty kvartS^r usw.
-f^ -f^a : bariky grabrlk^ spgvednikj beteznikj dginikj Ausnahme
zastavnik -^ka,
-ii -iia und ii -^a wie slcUkÜ^ malUj gkglU, sitnU^ aber kamii
Aia, staHii -stä^ma.
-fr -Ira : pastir, ieiir^ VelimiTj Zvgnimlr.
-€n '%na : ggspgdln^ Severtn, vlastelin^ (Varoidin'Varaidin).
.-^s
-ic 4ca Wie papeno-paperica,
tc -fca wie iS^tc-Sca, zripciö ^irepcicüj Lübic-^ica usw., aber plt
mfe, gradicy Lukic usw.
-^^ -oto : £ivgt-iivdfa^ tSpgl^ UkgMiBta^ Aher/alot.
-oü -of?a : h&rigfy lopgf^ ^dof^ aber hini^.
Bdtrige snr serbokroatisehea Dialektologie. 355
-jtf 'lia : iägoi, CUoi, häjgi, migi, hüdpi, ktcgi,
-or 'Ora : «yor, tä^bgr, cöpgr, iStgr^ Sddgr naw.
-ä^ -t!^ : hqfdükj bajük^ klohük,
-im 'Una : bagün (Sohweinsname), bggaiün^ ralsun^ aber söpäny
pöplün usw.
-är ^ra : mehür^ kgaiürj pandür,
"ül -ula : poni^ -pasüla.
-äA -äAa : A8ie«A -öAa, /$/mA, Scw A, rSj9uA.
-t!f -ä;a : «favf^;' -«/aotya usw.
fij a-Stämme.
^aca : vgdaiäca (todiiiaoa)^ Sfmeiiaca (sjSmeiiacajj pgkriväcOy
IgmacGy rghäca, ägväca f^llotaca)^ slatnAäia (aVSimnaca) naw.
"ora : deicäroy svüäraj Ukärüf pecara nsw.
-ona : riäana (in ridä^n\ barui&na^ kafoina,
-o^ : kqpo/ha.
^ia : Igpäta.
"üva : driäoaj fnelSva\ smSvOj beläva (KvimBmen); Afumahmen:
otava, paAäva.
'Ola : spiräla, 'ä^ia : medä^a^ primaria.
-8^ : dq(^la^ kgd^la^ ned"4la; -hia : Marina^ Katöna^ Dorina\
-^Rna : babeünaj labeüna^ teteüna, trneümi^ ggseüna usw.
-eolita ('^thina) kra^evina, carevinaj bä9ndvina nsw.
ntoa : vgdicGj baSica^ zimicüj ko£ic<iy lä^atatüca und -ica : tattcay
baniea. cartca^ kralica, Nemica, Svabicay KraMca^ lavica usw.
•^a : lutrya, patoPt^a^ kglija^ tnä^storija, duhandhja usw.
47a : kgmia, ggmila.
-€|a : dofilaj b^ltla.
-ina : batitMj zidinoj noitirSmi, vozarina^ zemfarina] Tomitia^
itefina^ Jakupina^ Lgvt^na^ li'ancina (Franciscus und Francina
[neben F^anc9na] Francüca).
-9iia : b^Kina, kufiiAa^ tarl^Aa, slusBna übw.
Htto : rak^ia.
-^ka : mgHkaj sgftka^ cemerikaj karikaj kaiika nsw.
-^ba : ief&dba^ kgsidba^ prgsidba,
-Sto : greKbta^ divSta^ m«78to, sramdta, strahdia^ aber dgbrota,
-oda : b^snffcOj vr^n^ca, kratk^ca, cUtQca,
-oba : grdfba^ rugQba^ hud^ba^ aber vütriba \^iroba),
23*
356 Fnjaio Ftnoev,
-8^ : jabdka^ laldka.
''^a : ce<jPäla^ dat^a\ ffizdüla^ Sir^a, t)»ndi{a(Ealmameii); kgSUla.
-üra : cotürCf gud&ra^ glavüraj divofcära, pijandüra.
-äya : jarüffüj pepe^a.
-ka : divQjka^ vretenka^ kokfSka, pltnoä^ka^ reietka, slä^mka^
ipricä^lkaj nd^fka^ magarka^ lutgraPnka^ zelenka^ pecenka qbw.,
aber i^/ia.
-ia : svfdü^bc^ pogMha^ nä^gMba usw. usw.
y) Neatrale o-StSmme.
"je : perje^ Hble^ l9^fe^prQtjey kameAe^ korSAe^ remede obw., ab«r
smetjef latje^ peceAe^ belene, loieiä^ daiä^ grafü oBir., gen. Bing.
amefja^j lafjä^.
Avo : predivOf pecivoj vafivo usw.
'tüo : klepeialo^ klecälg^ s^dälg (pL veiäla),
'ilo : zelenilg, b^^lg^ c^d'ilg usw.
'tvo -tvo/ä^ : drüitvg^junä^ctcg^ sirgmäHtvg^ cgvecä^nstvg usw.,
aber kumstv^^ luctv^j gospoctc^^ proklectvf usw., gen. sing. Awm-
stva^ UBw.
"See : gosecej tqlece^ d^üce (de^te)^ aber söncice.
-^SSe : grad'Üce^ jggMice^ tgpgMee^ ietatiice^ dvgrUie^ aber
eäi^Üce.
d) A^ektiTa.
-ao (spr. q^) -aoa-o, aber ä^vini^g^ z. B.: gizdqf-gizd&va^ aber
gizdä^frirOi-g (Btolz), ebenso gdbäf-ggba^vi (ansBfttiig) usw., aber krvSy^"
krvä^va^krva^vi (stok. Ä#rat)).
-ör (flpr. o/) -8ca -8co nnd ^» -8f?a -8po, s. B.: brisigfj zetof^
nufdv^dgf'y krä^ef^ prijat^ef nsw. ; Pronom. A^jekt haben nnr -o/* :
k<ik^ (ni-j ne-), tak^^ g^ok^^ gnakQf^ sakvack^f; anoh Aeg^, Mj^f.
-fe (gespr. if) -^va -^ro, aber Co^va-ivo, z.B.: plaH%f -toa -S90,
iUbw plailivi -iva -f«o, so auch lüaitf (liiäjiv mit der Fleehte behaftet),
beteil%f (kränklich), marlif (fleißig) nsw.
•^t -ata "äto aber a^tt -ä^ta -äHo. z. B. kösmai ^aia -o, aber ifco«-
ma^^' -a -o (haarig), gölcat-^glcd^ü (stok. ^8/ea^ fiadennaekt), nd/cai
{rHvcät nen) nsw.
-^^ *a5to -a«^o, aber ä^sti -a-g z. B.: /itfo«^ "Ksäsia -o, aber ^
«a^«^f -a -p (stok. TJ^a«^ maenla alba insigniB), bo anoh c6ba$i (Ton hibe^
»einer, der dieke Lippen hat«), iduaat naw.
Beitritge bot serbokroatiaehen Dialektologie. 35t
"ok 'dka -0 aber ^ki -a -o z. B.: visok -vibdka -o, aber vtsoki
vüoka -p ; 80 aneh firgkj gl&bgk.
"U -^ta -o oder it -ita -o, aber beide iti -a -o z. B. s!^dit ^srdtta -o
oder AameM^a-Of aber srditi -a -p oder kameniti kamenita -p; mit
-l< noch plemenit (pldmenit)^ glasgvit {glasdvit)^ straAgvit [strahd^
vü) n. n. e.
-ik -ika -^kOf "iki -a -p, s. B. o|/t% -^Kka -p, aber oe/li^t -a -p;
auch hier Mft'^ -^ti/i£, anäliky gvülik usw.
-«1» -$na -py aber ent -a -p, z. B. vöd^n --vgdi^ -o, aber vgdeni
-a -g^jöffAbfif zajöcthnj pfprbn; aber anoh Sn -a -p wie in cr/Sn -a -p,
;sa2Sn -a -p, steklen usw., anoh -enl wie jggnenl h^teg^ stekleni -ä^ -$.
-In -3/ia -p, z. B. i^ntn, maniicin^ strinin nsw.
-iti -5^ -^ neben -»I -a -p, wie z. B. dargvni {dardvnx\ kupgvni
{iupävrd)^ ngcnl^ vratni {vratnä^ kf^f) nsw., aber anoh s^Uni (z. B.
sffdni de^n)^ letdinf\ de^ne^inij n^gdd^ini nsw.
-M -a^ -^ neben ~6ki -a -p, z. B. ^<^r^f, mpiXri, Mademkä^j
svüuX^ (z. B. svinsk^ mSso) nsw., aber zenaki^ gpctnski nsw.
f) Betonung der Wortformen.
In diesem Kapitel werden wir die Betonung der Wortformen be-
sprechen. Da n&mlioh einige Formen den Akzent auf dem alten Platze
bewahrt haben nsw., nehmen wir hier nnr auf die Fälle mit Endbetonnng
Rücksicht; es ist wichtig, hier auch solche Fälle zn erwähnen, wo sich
die Quantität verändert hat, nm die gleichlantenden Formen wenigstens
durch die Quantität auseinander zu halten, da die Tonqualität wie auch
die Beweglichkeit des Akzentes aufgegeben wurde.
In der Deklination werden wir von einigen Kasus sprechen müssen
und die anderen, welche dem Zweisilbengesetze folgen, können wir ganz
unberücksichtigt lassen. Bezüglich der Betonung sollen hier erwähnt
werden: der Gen. Dat. Loc. Instr. Plur. masc, der Dat. Loc. lostr. Flur,
nentr., der Gen. Instr. Bing. Dat Loc. Plur. fem. bei den Substant.; der
Gen. Sing, fem., der Instr. Sing, aller drei Genera, ebenso der Gen. Dat .
Loc. Plur. bei den A^jekt. Bezüglich der Quantität: der Accus. Sing,
fem., der Loc. Sing, aller drei Genera, der Nom. Acc. neutr., der Gen.
Plnr. aller drei Genera.
In der Koi^ugation ist für die Betonung die erste Sing. Präs. für
den ganzen Sing, maßgebend; die dritte Plur. Präs. weist eine eigene
Betonung auf.
358 Frsi^o Fanoev,
i. Sabstanüya. a) Masonlina. Die Mascaliiia seigen Eodbetonung
gewöhnlich im Oenit. Dat. Loc. nnd Instr. Plur. ; in aUen diesen Kmsob
können sie auch den Akzent auf die Paennltima zurückziehen, doch nur
dann, wenn diese Silbe lang ist oder in diesen Kasus yerlängert wird;
z. B. cov^k^f: hapeid?nof (von kapetä^njj ludef^ sinom^ zqiom^ ko^m^
siramaPk^m; koAe*, vole\ röiä^ve*\ vragi-vrafftni^ pajdä^H usw.,
aber auch hapetoPnof^ orä^cef\ sinom^ siromä^kom ; pri *?äi, v^K;
klä^firi (oder klaftri)^ kravä^ri usw.
Auf dieselbe Weise, wie die Masculina den Dai Loc. und Inatr.
Plur. betonen, betonen diese drei Kasus auch die Neutra, d. L neben der
Endbetonung kommt auch diePaenultimabetonungvor, z. B.selä^m-^eiam^
pere^-peri, vräHi-^räHi usw.
Beztlglich der Betonung im Genit. Plur. (und Loc. Sing, wie peklü^
nebüj selü) können wir annehmen, daß sich die Betonung auf dem ElaauSf-
sufißx -ov (-u), wie der Kasus selbst, unter dem Einflüsse der ti-StBinme
entwickelt hat, und da dieses Suffix -^v (vgl klruss. -iv wie rpkxiB,
KosaiciB oder -de wie ap^höb, peM^HÖB, Hanusz, Arch. f.sL Phil. VIL
S. 327, skroat. -dm) lang war, so hat sich die Endbetonung behaupten
können; im Loc. Sing, war der Kasussuffix -4« kurz, die Betonung konnte
sich nicht behaupten und sie mußte verschoben werden. Da aber unaere
Dialekte die gleich lautenden Formen nur durch verschiedene Quantitftt
oder durch verschiedene Stelle des Akzentes (vgl. Nom. und Instr. Plur.
kMi^könij vdli-vfli usw.), nicht aber durch verschiedene Tonqualit&t
(wie in stokav. Dialekten] unterscheiden, so wurde notwendigerweise die
vorletzte Silbe im Loc. gegenüber dem Dat. verlängert, doch müssen wir
gleich hinzufügen, daß dies nicht konsequent durchgeftlhrt ist, z. B.
dvdru (dat.), dvoru (loc), so auch gndjti-^ndju, obrazurobrä^zUy kräju^
kräyu usw. Für den Dat. Loc. und Listr. Plur. ist es nicht notwencUg,
die Endbetonung mittelst der u-Stämme erklären zu wollen (wie dies
Haretiö bezüglich des Russischen tut, vgl. Bad Bd. 102^ S. 52); das
Öakavische zeigt in diesen Kasus bei den Stämmen mit Endbetonung
auch Betonung der letzten Silbe, z. B. popön (dat.), popeh (loc), popi.
Die Länge im Qenit. Plur. wie kön^ pol^ sei usw. ist ursprünglich
durch nachträgliche Dehnung (vgl. Vondräk, Vgl. Oram. L 8. 193 ff.;
Sakav. kmit-a^ Qen. PL km^iy pdp^a^ Qen. PL pöpj rälthral usw. Nem.
£ak. Stud.; slov. könj- Oen. PL kgnj\ skroat kdit- Gen. PL kdAä oder
pole-polä usw.) ; sekundäre Dehnung haben wir in der vorletzten Silbe
in Nom. Accus. Plur. Neutr., welche wir auch aus der Notwendigkdt der
Beitriige zur sdrbokroatisehen Dialektologie. 369
Untencheidiiiig dieser zwei Kasiu vom Genit. Sing, und der gleichlauten-
den Dnalform (neben der echten Dnalform auf -f ) erklftren, z. B. Ǥ2o/a-
sela (N. Ace. Plur.), Siig/a-iitaj pblejarpola^ p^ojarpera^ J^^^ojar
jezera^ veiä^la (viiala Nem. 11. 8. 11), r^l^tg^^ieta; "im^m^na-
ünena U8W.
Diejenigen Neutra, welche im Nom. Sing, endbetont sind, behalten
diese Endbetonung in der ganzen Deklination unverändert, und diese
Bndsilbe ist immer lang (5akay. auch so, Nem. ü. S. 8, 16, hotji -a,
kameAi -d) z. B. prokJectt? -ä^ -ü^ daiÜe-ä^^xusw. »Gespenst, Furcht-
bfld«).
ß) Feminina. Die Feminina haben im Gen. Instr. Sing.^ Dat und
Loo. Plur. ausnahmslos Endbetonung. Wie wir schon gesagt haben, ist
diese Endbetonung unter dem Einflüsse jener endbetonten Feminina ent-
standen, wo eine solche Betonung ursprOnglich war (z. B. 5ak. noffäj
Gen. nogiy Instr. nogün^ Dat. Fl. nogdn^ Loc. nogähj lepotär-lepoti^ le-
poiün, lepotdnj lepotäh usw.); femer, weil die Betonung einer langen
Silbe (Loe. PL €fij\ sekundäre Positionslänge) nach der neuen Betonung
in diesen Dialekten erhalten wurde, so muEte sie auch hier im Takte
bleiben. Erst nach der yoUkommenen Umwälzung der alten (beweglichen)
Betonung, welche in der Richtung vor sich gegangen ist, daß je größere
Ausgleichungen zu Stande kommen, wurde die Endbetonung einiger Sub-
stantiva bei allen durchgeftthrt, also nach noge^ngg^m^ nogcfimrnoga^j
u»w., auch hraoe-hrwoom^ hravSfimy kravä^j^jahoke^ jahok^m^ jaho-
kä^m^jalokäy usw.
Die Länge des Gen. Plur. ist alt, doch auch hier haben wir einige
Neuerungen. Der alte Unterschied in der Intonation kommt, wie schon
gesagt wurde, nicht zum Ausdruck (z. B. n^g von fidga, skroat. n^^o-
noga^ sIoy. noga-ngg^ böhm. noha^ ab. nuoh [nuh]^ nb. noA), oder k^z^
g9r usw., wie strähn (von 8trä^n[a]^ skroat. stränä, sIoy. strdn, russ.
cTopÖH'L), ^/ä^ (^/dva), düiuBw., wie SLUch jä^tn (yonyäma, skroat
jama-jämäj sloy. jäma'jam\ müh (skroat mühäj slov. müh) usw. ; bei
den mehr als zweisilbigen Stämmen fäUt die Betonung immer auf die letzte
Silbe, z. B. wie lopä% liüä^d^ prilik (nach livädj Nem. II. 38) oder
desetä^c (charta decem florenorum), t^ngkZi^ iivotiA (nach korenik, 1. c.
S. 58) usw., so auch macä^h (8ak. mä6eh Lc. 32), cipel (calceus), lal^k
(maxiUa), lobfd (atriplex) usw.; neben jabQk^ jag^d auch jä^bok^
ja^god. Die Endungen der (/-Stämme in der i-Deklination fOr den Dat
und Loo. Plur. wie auch im Instr. Sing. -Jörn zeigen auch nur Endbe-
360 FmBio Faiioey,
tonmig, z. B. kgstjff^ stvafyfm usw., rehjä^m^ rtJ^ä^j^ kgkgijSP]
kohqijaPj usw.
Die alte Endbetonung liat sioh in einigen Beispielen aneh im Loo.
Sing, mit der Dehnung erhalten, z. B. zfmp\ rgke*^ nqge^^ hopV'^ b«
den »-Stämmen in jpecf, noh^ (Sak. no^ oder nod^, fei^ oAßsped^ (Nem.
n. S. 66).
Das Femin. gospSfi bewahrt seine Endbetonung in der ganzen De-
klination.
2. AdjektiTa nnd Pronomina. Obwohl unsere Dialekte zw« ge-
trennte Anwendungen der AdjektiTon, d. i. in der bestimmten nnd unbe-
stimmten Form nicht mehr gut unterscheiden können, so kennen sie dooh
einen Unterschied in der Quantität, wenn auch ein unterschied in der
Form nicht zum Ausdruck kommen kann; dieser Untersdiied in der
Quantität kommt meistens in der Bichtung zum Vorschein, daß die Ad-
jektiva in attributiver Stellung eine andere Quantität als in prädikativer
Stellung aufweisen, z. B. üah (spr. iläp) släba-slabg^ aber slä^bi -a -o,
z. B. t^j^ v^i^ slabo^ aber slä^p de^te^ slä^bi cov§k usw., so aucli
blät^-blatna -o, aber bläHni -a -o; dobf d&bra -o, aber ddbri -a -o,
cänd^ctfy cand^äva -o, aber dand^ä^vi -a -o, firgk hroka -o, aber ür^ü
-a -p, pgboihn-pgb^hni^ ty^Uh-v^tika -p, aber vetiki -a -o.
Die Endbetonung ist gebunden: an den Instr. Sing. (-£*m) ICaseoL
und Neutr., an den Gen. und Instr. Sing. Femin. (wie auch bei den Sub-
stantiv. o-Stämmen), dann an denGen.Loc. (-6*-'K)f'k), Dat.(-6'm-*kll'k),
Plur. aller drei Genera; außerdem weisen einige Adjektiva in bestimmter
Form (besonders auf -ski) Endbetonung auch sonst auf, z. B. trUrwUi9
-$, vetr^nt -a° -9, jogik^l -a^ -ß, vrätn% -a^ -^, mgilA -o^ -5, lucki
-a^ -^ usw. Neben den erwähnten Fällen haben wir noch Endbetonung
im Gen. und Dat. Sing. masc. und neutr. nur bei vp£* (derjenige): «e-
nogä^y venomu; die übrigen Kasus zeigen auch Endbetonung, so loe.
ven^niy dat. und loc. fem. vene\ acc. ven$ usw., wie auch vrl9 i^,
vrlfm cgvi^ku usw.
3. Numeraüa. Bei den Numeralia (cardinalia) haben wir nur die
Betonung jener von 11 angefangen zu erwähnen, da jene bis 10^ welehe
zweisilbig sind, nur die Penultima betonen. In der Deklination haben
alle dieselbe Betonung wie in den entsprechenden Kasus die Adjektiva.
Die Numeralia von 11 bis 19 betonen immer die letzte Silbe, z. B.j'ede^
najstj dvanäjstniev^tnäjst; dvä^des^tt, tridea^ti betonen die vorletzte,
die Zahlwörter von bet^deset bis devedeset die letzte. Die Ordinalia be-
BeHrSge zur serbokroAtiBohen Dialektologie. 361
tonen anBnabrndos die Torletste, so fhn drügi . . . äysiiy jedenäPjstif
devffyufijsti^ -^ti : dvadeseti^dwedeseti.
4. Adverbia (eomparatiya). Die Adverbia eomparatiya anf-ä^ (= ^'§)
betonen ohne AoBnahme die letzte Silbe, z. B. raräf^ßriSf^ cisü*j brie^jisw.
5. Konjugation. Anch hier liegt es uns am meisten, jene FftUe zu
erwümen, wo wir der Endbetonung begegnen, da wir nur in solehen
FftUen von der alten Stellung des Akzentes sprechen können, während
die Paenultimabetonung eine Neuerung ist. Die Ultimabetonung kennt
nur das PrSsens. In der 1. Sing, (wie auch 2. und 3.) haben unsere
Dialekte Endbetonung nur bei den Verben der HI. und IV. Klasse, in
wdohen Fällen sie die ältere Betonung bewahrt haben, z. B. igl^mjefi
(▼on i^titiy stok. i^Rm)^ trpimJU~trpe*m (von ttpl^ti, stok. irpimj russ.
Tepiuib aber T^piramii}, drzimjü (von driati^ stok. cß*iim, russ. Aepxf
aber x^pssmi»), aber ttdim (von vid'itiy stok. vidim^ russ. BHxy-BKAHmb)
usw.; ebenso herrscht Übereinstimmung auch bei den Verben der IV.
Klasse, z. B. ggsHm/U (you ggsdH^ stok. gdsüm^ russ. ron^, rocTnmi»),
veseRm (von veseriti, itok. vesiRmj russ. Beeejob, necaiHmL) usw., aber
hdaim (tou ngsiti^ stok. näsim, russ. Honrf , aber H6cHmi>), vSdim (von
voditij stok. f>id%mj russ. Bosy, aber BÖAimii») usw.; g^enllber dem
msaiaehen roBop^roBopHnn» haben wir govStim-^S usw., StoL auch gd~
vorifn (= *govdrim), vgl Vondräk, Vgl. Gramm. S. 199 ff.
In der 3. Plur. haben die Verba aller Klassen Betonung auf der
letzten Silbe mit Ausnahme jener der III. und IV. Klasse, welche in der
1. Sing, die Paenultima betonen; wo noch in der 3. Plur. -^jo (eju) und
-Hiffo (-q;'t<) gesprochen wird, wird die vorletzte Silbe betont, z. B. pl^to^
P^i r^^^, mgrfj dignQ^ sian^^ razmQ^ leßj drie^ ggsüe^ ve$eß^ pti^^
di'läPj ber^f igl^^ zgv^j kopüjQ^ gospgdüj^.
g] Enklisis und Proklisis.
Eine Eigentflmlichkeit unserer Dialekte besteht auch darin — was
wir flbiigens schon erwähnt haben — , daß die Enklitiken und Proklitiken
die Betonung beeinflussen^ und zwar in derBichtung, daß das Zweisilben-
gesets auch im Falle, wenn einem Worte eine oder mehrere Enklitiken
folgen oder einem einsilbigen Worte mit kurzer Sübe eine Präposition
vorangeht, aufrecht erhalten bleibt. Dasselbe haben wir bei einigen bulga-
risohen[mazedonischen]Dialekten,s. Coney,3ayAapeHHeTO. . . S.A. aus dem
Bbom]kSofial891,Masing,l.c.S.109— 110). Beispiele: dem Worte folgen
Enklitiken: tMl^micc^ ^ taktf ieteg^ vozü «$ ^^ zemi mü goy Jcqj ii «$
362 Fnmjo Fuicey,
jq Mjalj veda tni se usw., dem Worte gehen Proklitiken yoraa: za groi^
na stolj na vrt, na kr st, na rit\ po ^o, prS nem, pri Ai\ naP m^, po
mq, po käj iiBW.y aber na n^s, za lä% pgd vQs (voz) usw.
B. Formenlehre.
I. Deklination.
1. Nominale Deklination, a) o-Stibnme.
Im Smgnlar weisen die 0-Stftmme (Maao. nnd Neutra) nnr wenige
Verändernngen auf. Nominativ, Genitiv, Dativ haben keine Entwickelnng,
durchwegs alte Formen erhalten. Accus., Sing, hat hier einen Schritt
weiter gemacht als im §tokavischen. N&mlich, was mehr syntaktische
Eigentümlichkeit ist, der Genitiv steht fOr den Accusativ nicht nur bei
lebenden Wesen, sondern auch bei leblosen Dingen, wenn diese ohne
Präposition stehen, wie z. B. mekni toga atola fkräj\ ja^ «hm zguhü
mojega noza usw. ; diese Erscheinung steht schon im XVL und XVII.
Jahrh. bei den EaJ-Schriftstellem vor, wiePergosiö: Dekrettim koterega
je , . ., bei Vramec, gda vre daju od sehe saada] dobrovero, kriöansko
Ijubav i sada dajoöt (S. 10), dura duha svetoga; diceü boga % mtra
Ijudem nazvesöaiuöi usw., oder in der Kronika: toga svieta boÜim
premeni. Bei Petretiö: jednoga novoga katekizmtda] ar vu toUkcm
vremene sünce svojega kolobära, imenom Zodifikma, cez jedno leio
obhdgya usw. Die alte Form des Accus, hat sich in zamoi (zamuz) üi
erhalten, welches als ein einheitliches Wort aufgefaßt wird und von ihm
ist ein Adjektiv zamohn (heiratsfähig) weitergebildet.
Locat. Sing, zeigt uns dieselbe Ausgleichung wie auch in stokav.
Dialekten, d. h. einerseits Anlehnung an den syntaktisch nahestehenden
Dativ, andererseits das Annehmen der Form der t^-Stämme fflr den Lo-
cativ. Die kajkavischen Schriftsteller des XYI. Jahrhs. (Pergosiö und
Vramec) zeigen noch gewöhnlich die alte Endung e (Pergosi6 sogar mit
ziemlicher Eonsequenz e nach den harten und t nach den weichen Stim-
men), die Schriftsteller des XVII. Jahrhs. schon regelmäßig ein Uy welches
im XVI. Jahrh. noch äußerst selten vorkommt, z. B. Pergosi^: orsage
E^ap. 11, 80, n. 5, iivote Kap. 63, dvore Kap. U. 18, spole U. 51, eiole
n. 52, aber tituluH Kap. 9, 41, i? svojem kotari (r ist weich hier; gen.
sing, lautet kotaria) Kap. 84, sudci IL 65, na konci 67, v ogni II. 16
usw., aber auch listi als Loc. Sing. Kap. 43 ; ein ti hat er in iitku, poslu^
oraagu 12, II. 5, voüku II. 13, betegu 11. 30, putu IL 30^ zahgu IL
BeiMgB sor serbokroAÜsehen Dialektologie. 363
71 usw. beimaso.; meste^ tyeh^ hiitve^ gospoctvey kolene nBw., aber
sugem^ zmenkani 22, 26, hogteni 76, imyeni 78, lici n. 27 {na lici
zemlte) IIL 3 (po lid...) usw.] u in gospoctvu 71 Kap. Vrameo kennt
bei Maac. nur e und u (svete 3, 5, 17, 18 nsw., oce 5, 12, 16, 21 nsw.,
ognee 7, varaie 7, 38, 62, irale 7 oaw. Eron.; u in kanovniku^ zaceir
ku^ boju^ gradu naw. ; bei Nentr. e (sehr selten «) und u wie morje 4,
9, 16, 53, spravüöe 23, lete 56 nsw., Eron. aucb rnarju] nur in Po-
atiUa ein t in znameni lA {po predebtve % znamem)^ cinjeni 15 {vsakatn
za to dele % cmfeni naiem). Im XVII. Jahrb. ist schon das e sehr selten
nnd das gewöhnliche SnfBx ist im Loc. Sing, ein u.
Ein Best der alten Endung im Loc. Sing, ist in i^pozutri^ erhalten,
wo der Beflex des akslay. 'k in unbetontem Auslaute zu einem t wird
{pozutri libermorgen, zutra morgen). Ob auch vraglf (von o vrage* —
beim Teufel) hierher zu rechnen ist, ist schwer zu sagen; nach seiner
Form wie auch nach der Bedeutung könnte es ebenso SinguL wie auch
Flur. sein.
Im Plural kennen die Dialekte der Podravina die Bildung durch den
Erweiterungssuffix -ov, ausgenommen den Oenit. Plur., nicht, sondern
nur solche Formen wie pSpi^ vdlij aini (Nom.), Hn^mj pgpQm (Dat),
sine (Accus.) usw.
Die alte Form fltr den Oenit. Plur. haben nur einige Masculina er-
halten, die regelm&ßige Bildung dieses E^asus ist durch den Bildungssuffix
der tf-Stamme — (gespr. Qf) ; die Neutra dagegen haben die alte Form
des OenitivsPL gut aufbewahrt und nur diejenigen Neutra, welche in der
auslautenden SUbe eineEonsonantengruppe haben, können eine Analogie-
bildung nach der adjekt-pronominalen Deklination mit dem Bildungs-
sifffixe i^ haben. Die Masculina mit der alten genitivischen Form sind
köA-k^n^ z6p{zubyz9p, p^nü^zi-pfnes] bei den Substant., welche junge
l^ere bezeichnen, wie gd^Ui (von gaska) -g^stCj pürici (pura) -puricj
rä^cici {raca Ente) -rcficic^ tetici-ielic usw., zuletzt bei einigen Substant.
mit beweglichem e {^^ Stok. bewegliches a), wie z. B. Idmcy Ic&mc^ zvdmc,
rezdmcj kläftf [klaftar\ l^enidfci^ Mijglcfind^ tjSd^f h&vT^c usw., im
Oen. PI l^mcj kQmc^ zvQrvbCj rezä^ncj klaPft^j Senidvbc^ MijglSPmc^
tjen (von tjednyn^jenYimjed^\ nQ^yiCy plicend-pticinhc.
Einige Masculina können die Endung der i-Stämme haben, wie/o-
r^U^ kKfiftri^faPH (hmt), aber gewöhnlich sagt man doch \udef und
▼iel seltener \udi.
364 Fn^jo Fmic6t,
Bei den Nentren Bind die gewöhnlichen Fonnen Yri^sitg^sit^s^lo-^ly
jetra-jetf, vraPtorvraH^ stMlo-siekly sC^gno-siegn neben sieffne^, pUmg-
plsm^j zrcalg-zrcä% kofitg^kQrit^ fm^tmSn, vim^-vimen.
In Dat Log. nnd Instr. Plor. kommen bei den Mascolinen nnr die
alten Formen (^M^]) ^^-^ (^ locai -*6X''^) ^^^ ^ (neben » ftir in-
(gtmment. ^); im Instniment. die Endung -fnl deri-Stftmme. Das loca
tiyigche ^ erklären wir ans dem älteren *e*j (-'kX 'k wie anch ä^j fDr
-a)fik wie ienäy-^iHAXik nsw.). Neutra haben die alten Formen fSr
den Loc. und Instr. Plur. bewahrt, dagegen fOr den Dat. Plur. kommt
als gewöhnliches Bildungssuf&x die Endung Him\ wir haben auch -q;'
und ami fOr Loc. und Instr. doch solche Formen sind gar nicht llblich.
Im Instr. begegnet anch bei den Neutr. die Endung -mi der t-Stibnme.
Das locativische e* («) ist ebenso zu erklären, wie auch bei Mascul. ; das
{ yerhält sich xu ff auch hier so, wie schon bei »pozütri* gesagt wurde,
ein e* in auslautender unbetonter Silbe wurde verkfirzt und reduziert sa
i. Die Ausgleichung dieser drei Kasus durch eine Form (wie im ätokayi-
schen) kommt nie vor.
Einige Beispiele: Dat mascul. sveti Ojurgj. /iß giizda kurjaPkom
oder kurja9k$mj vraPcem^ kgiüm^ vglom usw., neutr. seläm-aela^m^
vrä^täPtn^ kglaPm usw.; Loc. kgAe*'kfn%f vote^-v^li^ aber nur pgpe^^
zgbe\ z^pe^y Äo/S'usw.; neutr. seU^^aelij po\e^'pQj^^ kQll^ ora^ß usw.;
aber auch kglcPj^ vrataPj und besonders häufig bei rukaf^jy pnaPj
[prse% jetraPj {Jetre*)^ pluiaPJ [pluce^) usw.; Instr. 8 koMiz vQli (voU
auch), cgv^kij zgbmi (auch zgbni)^ vragm%^ ludml usw., neutr. vrä^ti^
kQlij seit, drevmij leHmi (letima, zle^ti} usw.; zuletzt noch kölSmif
vräHümij slgvämi usw.
Die Nachbildung nach den Endungen der a-Stämme (-am«, "Ochhj
•^mi)j begünstigt durch das a des Nominat und Accus.-PluraL, kommt
bei den Neutr. schon im XVI. und XYII. Jahrh. und zwar im Lokal, ein*
mal auch bei Mascul. Pergosiö hat dugovaniah 59, 63, 121 Kap.; das-
selbe auch bei Kuku). in einer Urk. aus dem J. 1598 (Nr. 331); Petretiö
hat dugovaniah, pistnah (45), srdcah (117) usw., ErajaSeyi<5: polyah
(354), bei den Masc. kommt im Beispiele po svo/ih lütyah (Kuk. Nr. 335
J. 1598).
Die alte Endung -» im Accus. Plur. hat sich nur in einem Beispiele
erhalten und zwar in na Viri, z. B. idem na Viri usw.
Was die Dualformen anbelangt, so können die Masoulina die Duat-
BeiirSge snr serbokroAtisoheii Dialektologie. 365
fonn fttr den Nom. und Aecns. haben, doch kommen ziemlich hftofig
auch die Plnralformen ror; besser sind die Doalformen bei den Nentr.
erhalten. Es wird gesproohen: dvä^ k&i^, dm^ Ddla^ tri cgvi^ki, ceüri
fVfca (pyara/?) aber auch dm^ Ä8Ät, dva^ vUi^ caviü, cetiri pVfci^
racaPkij ffdttSPki osw.; aber gewöhnlich nur dve^ sSl^^ tri Utq^ cetiri
dre*v^ naw. Die Formen fttr den Gen. Loc. nnd Dat. Instr. sind spur-
los Torloren gegangen.
b) o-StSiome.
Anöh bei den Femin. haben die Dialekte Podravinas keine nenen
Formen geschaffen; sie halten an den alten Formen fest. Im Dativ nnd
Locativ wären wir fttr unsere Dialekte mehr geneigt, die Endung i nicht
als Verallgemeinerung des f der weichen Stämme, sondern als eine laut-
physiologische Entwickelung eines kurzen geschlossenen f (t:) in unbe-
tontem Auslaute zu erklären. Was uns dazu führt, ist das Eajkayische
des XVI. und XVII. Jahrhs. Während Pergosid (Dekretum 1574) auch
hier wie bei den o-8tämmen (masc. und neutr.] noch gut den Unterschied
zwischen den weichen und den harten Stämmen kennt und bei den wei-
chen nur ein t, bei harten dagegen nur ein e vorweist, wie z. B. devoikey
iene usw. (dat.), aber voli (5 Kap.), meäi usw. oder hratie (36 Kap.
sesire (34 Kap.), süe (78), vode (133) usw., aber zemli (Kap. 133 »na
vode i na zemli^)^ vu kakove gode gracke medi (Kap. 29), po pogkp-
vnikove nUloM (IL 64) usw., kennt Vramec diese Unterscheidung nicht,
er schreibt ebenso zemli (Post. 5. 20), wie zemle (Krön. 1, 3, 12, 25 usw.),
^tfmmct (Krön. 45), sber postele (Krön. 52) oder zemlje (Post. 4, 16),
pustine (Post. 10, 13), miloSce (Post. 2), oitarie (Post. 15) usw., also
schon vorherrschend ein e auch bei den weichen a-Stämmen, wie bei den
harten ausnahmslos. Das XVn. Jahrh. weist bei harten wie bei weichen
nur ein e (siehe Petretiö, KrajaSevid, Milovec, • Habdeli<5 usw.); die kaj-
kavischen Urkunden (Starine 30) aus Koprivnica 1636 und 1644 haben
tf, seltener ein «, wie z. B. o, pri Koprivnice, v cirkve^ na Komamice^
aber pri Koprivnici (1636), na ove kraine aber v ikoli (1644); Ur-
kunde aus Sigetec 1639 (Starine 30) nur ein «, wie po volje und pri
Draoe. Daraus sehen wir, daß man in kajkavischen Dialekten frflher
an VeraDgemeinemng der Endung der harten Stämme als jener der wei-
chen denken mflßte und doch haben heute die kigkavischen Dialekte ge-
wöhnlich ein f in diesen zwei Elasus. Unsere Vermutung betrefEs der laut-
physiologisohen Ikavisierung der geschlossenen kurzen f in unbetontem
366 Franjo Faneer,
Auslaute unterstützen auch einige Beispiele aus dem KajkaTisehen ans
Virje. Im Dat. Sing, haben wir keine anderen Beispiele mit Endbetonung
als gospe* (von gospdfi), im Locai dagegen mehrere und zwar haben wir
in solchen F&llen nur ein J*' (-t:) aber nie ein i (das Zeichen ' drflckt hier
keine Tonquaütät, und die Länge ist durch Betonung verursacht); ein -^'
(lang, als Reflex des akslav. -*K) steht nur in betontem Auslaute, wie z.
B. zqmle*^ gö^P^*) roke*, vode*, noge^j kope^ (Straßengraben), ein t (durch
Reduzierung des kurzen geschlossenen ^ als Reflex des akslav. *k in kur-
zen Silben) in unbetontem Auslaute in denselben Beispielen, z. B. zemp^
r^Kij v^cK, nQgirn&gi usw.
Im Instr. Singul. haben unsere Dialekte tfm, Gm. Die Endung —
tun
erklären wir als — [- m, welches -m den o-Stämmen (masc, neutr.) nach-
gebildet ist; das ö und das u sind gewöhnliche Reflexe des akslav. Nasal-
lautes -^, welchen wir in der Form Inst. }KIh;k (neben skchoür) haben.
Wir würden erwarten, daß alle Dialekte, welche als gewöhnlichen Reflex
des akslav. ^ ein ti haben, auch in Instr. Sing, ein -um und nicht om
aufweisen, doch das ist hier nicht der Fall. Die Endung -um im Instr.
der a-Stämme haben wir nur in einem Orte (ELatalena) konstatiert, sonst
aber nur ein -om. Dieses -om ist in den Dialekten der Podravina, in
welchen das Zweisilbengesetz die Betonung beherrscht, immer betont und
lang; die Länge des -^ im Instr. (d. h. die Eontraktion aus 0^ zu lan-
gem ^) weisen auch einige skroat. Dialekte, dann das Slov., das Böhm.,
das Poln. [q) und das £Llruss. auf. Daß unser -om wirklich auf -;k zurflck-
geht, zeigt uns das kajkavische des XVI. und XYII. Jahrhs. Während
in Stokav. Dialekten die Endung -ov (von -OüK-o/u ttber ou durch Ent-
vokalisierung des o^ zu ot>) schon von Anfang des XTTI. Jahrhs. mit der
Endung -om der o-Stämme sich auszugleichen angefangen hat, zdgen die
Eaj-Schriftsteller des XVI. Jahrhs. u -um (Pergos. und Vram.) und alle
Schriftsteller des 17. Jahrhs.; -o -om weist nur Vramec auf, da er auch
sonst den Nasallaut 7h mit o neben u in gleichem Maße wiedergibt Die
Urkunde vom Jahre 1636 aus Eoprivnica (Star. XXX) weist auch zwei-
mal {paskumj volium) -um auf.
Das Beispiel auf -tim, welches wir nur durch das Zuhören aber
nicht durch das Fragen gewonnen haben, ist zjapum. Die Endung
-um haben wir auch in Jabu&etar-Babotok gehört in den Beispielen zjM^
num zbrmmy guskum. Sonst aber haben, wir nur ein -om gehört und
Beitriige snr serbokroAtisohen Dialektologie. 367
EHch in den Beiträgen ans Kopriynica, EQebine nnd PitomaSa (Zbor. I)
gefiinden.
Vom Vokativ haben wir Bchon in der Einleitung gesagt, daß er viel
hftnfiger in den Liedern als in der gewöhnlichen Sprache begegnet, die
ihn fast gar nicht kennt (ausgenommen yereinzelte Beispiele ine boie^
ffosponSy aber otbcnai), sonst wird die Form des Nominai auch als Vo-
kativ gebraucht; beim starken Anrufe wird die Betonung von der Paen-
nltima auf die Ultima übertragen und diese Silbe sehr gedehnt, wie z. B.
japeif bacekj Petrina^ Joiinä oder mamicä, neveatä, Katenä^ Marenä
usw. Bei weiblichen Namen kennt der Dialekt von Viije (fOr andere
Dialekte ist uns das nicht bekannt) besondere Form fttr Vokativ mit einer
anderen Quantität als in der Form fttr Nominativ; bei einigen ist die
Form ftr Nom. sehr ungewöhnlich, so daß wir diese Formen als Kose-
namen betrachten könnten, z. B. Maro (MaPra ist in Vijje nicht ttblich,
man hört es aber in ironischer Bedeutung), Käto {Kä^ta, dasselbe wie
bei MäPra)\ Ddro (Dora, ttbllche Form), so auch Bäro [Bä^ra), Jalio
(Jafilza\ Jäno (Jä^na)^ JUvo {Jeva) usw., in gleicher Weise werden ge-
braueht auch maso. Mtiko [*MÜka\ Gjüro (neben Gjüro und Gjüra)^
JUo (*Joia), äafo [*ätefa) usw.
Im Qenit. PI. hat sich die alte Form mit Abfall der auslautenden
Halbvokale erhalten; neben dieser alten Form haben wir doch eine Neu-
bildung mittels dnes -i*; daß hier dieses e^ nicht als Reflex der Halb-
vokale (vgl. das stok. ä) zu betrachten ist, ist mehr als klar; ebensowenig
können wir uns die Erklärung Oblaks (Arch. f. sl. Phil. XH. S. 440) an-
eignen. Wir sind der Meinung, daß die Endung -e^, der pronominal-ad-
jektivischen Deklination entnommen ist, wir haben also mit einer Ana-
logiebildung zu tun. Diese Endung -i* kommt gewöhnlich in den Bei-
spielen mit einer Konsonantengruppe in auslautender Silbe vor, sie kann
aber auch sonst vorkommen, z. B. göske* (neben g^nk)^ ruike* {rühk)^
aber auch kultko iene* (neben Sdn)^ doch in solchen Fällen ist die
kürzere Form üblicher als die erweiterte durch i*, z. B. nßg (HOr'k), düS
(Acyiuk) usw.
ImDai Loc. und Instr. kommen nur die alten Formen -a^m (-ail'k),
'äPj (-4)f*k) und -ämt (-ailH) vor; eine Ausgleichung unter diesen drei
Kasus kennen diese Dialekte überhaupt nicht; in Pitoma6a, Klostar, dann
Zdelice haben wir fOr den Locat die Form des Dat. gehört, so zenäm
(filr beide Kasus).
Außer der Endung e^ im Oen. PL, welche kein kajkav. Dialekt kennt
368 Fra^jo Fanoey,
(fliehe Lokjaiieiiko, KaHKaB Hapiide 178, 180), weisen nnsere Dialekte
keine YerAndernng bei den o-Stämmen aof , welche nicht anch sonst be-
kannt wilre.
o) t-Stämme.
Von den i-Stftmmen haben sieh noch die Femin. erhalten, die Maaenl.
dagegen sind verloren gegangen nnd zu den o-Stftmmen übergegangen,
doch finden sich noch die Spnren dieser Deklination bei den MascnL in
einigen Besten. Zu diesen Resten rechnen wir: pßtem {voup^t) als inatr.
sing.; die Endnng -t im Oen. PL, yA<b fä^ti^ for%nti^ m^seci, doch pidef
ist gew(^hnlich6r als lüdi; Dat. Plur. hat sich in der Form ludern^ Aecns.
in ffoatif z. B. na gosti iti erhalten; Instr. Plnr. -mt (auch -m) ist der
Deklination der i-Stftmme entnommen, z. B. rogm%y zobmv-zoinij wagnd
nsw. nach Itidml,
Von den Femin. haben sich im Singnl. alle Elaans nnyerflndert er-
halten, und Instr. zeigt nur eine Nachbildung nach den o-Stimmen, z. B.
kosf/fm^ latj^m (zu l&% Ähre] usw. Im Plur. haben wir unyerlndwte
Formen der t-Deklination nur in Nomin. Gen. und Accus., dagegen Dat
Locat und Instr. werden gewöhnlich nach den o-Stämmen deUiniert,
doch im Instr. kOnnen wir neben chni (nach der a-DeUin.) auch die En-
dung -mt der »-Deklination haben, z. B. : reijdPm^ kürä^m (nach der
a- und nach der i-DekL), kläplä9m (zu kl9p Bank), c^läy {c¥v Bohr),
kos^a^j; kgsifömi neben kgstmij r^cjamiM^cmij läHjSmi-laPzmi nsw.
Von der Deklination der konsonantischen Stämme hat sich so riel
wie gar nichts erhalten. Die o-Stftmme (oder die M-Stftmme) sind dnreb-
wegs zu den Fem. der o- oder t-Stftmme flbergegangen, kein *kn (welche
Form noch Pergosid III. str. 36 kap. >t ako sem kriv, velik bete ff ^ cre-
voboUna kry i nagla guta dapride na m««, und Vramec Post 1, 19,
41 (kerv alt kry), Dil ^dapride vsaka kry pravdena*^ aber bei ihm
kommt kry einmal als Accus. Post. 29 *svetu kry svoju prelea^ neben
kerv (1, 2, 5 usw.), kein *cirki nur cirkva usw. Die MascuL resp. Neutr.
der ;i-Stilmme sind zu den Hascul. resp. Neutr. der o-Stftmme flberge-
gangen, kein* kamt {KAWhi) oder*p/am«(ni\4ll'ki), sondern makämen^
plämen] auch von d^n (A^Hk) hat sich keine Form der konsonantisehen
Deklin. erhalten; es kann einen zweifachen Stamm haben, dnen kurzen
di'n-' (gen. sing. dS^na^ n. pl. de^ni, gen. de^nof usw.), oder einen dmdi
-fo- erweiterten: dn^v^ (g. sing, dneva^ n. pl. dheti, gen. dnevof) usw.
Von der Deklination der neutralen n- und ^-Stimme hat sieh nur die
Form für Nom. und Ace. Sing, erhalten, s. B. nrihn^ (spHiiA) oder ifh
BdMge cor serbokroatiBolieii Dialektologie. 369
(tiaa), die HbrigenKaaiui werden vom Stamme vremenr- oder ielet- nach
den o-Stftmmen dekliniert Die «-Stämme sind dnrohwegs zu den o-Stftm-
men flbergegangen; einzige Beate dieser Stämme wären in der Endung
-e«-, z. B. t^te^Qj cudesOf vuiesa usw. Dier-Stämme II4TH nnd A'^ujth
hftben im Nom. Sing, eine dreifache Form mdi%-fnäter''ma{^a^ ciSr-
ceroj und im Aocqb. nnr mater-^materg (z. B. idi matörg pr6sit\ cer^
cerp (z. B. cerdje vdä^l); in den ttbrigen Easns wird maii nach der o-
DeUination, et nach der o- nnd ^Deklination dekliniert
d) Pronominale Deklination.
Im Sing, zeigen die Pronom. pers. ja-ti nnd Pronom. reflex. dieselbe
Entwiekelnng wie in stokavischen Dialekten, es treten auch einige Ab-
weiehnngen Tom Stokavischen henror. Statt des akslay. as^k, welches
noch Pergosid (im Vorworte, Kap. I. 77, m. 36) nnd Vramec (Post. 29) als
jaz kennt, haben unsere Dialekte nur tmjä^-Jay was unter dem Einflüsse
des Tokalauslautenden t% entstanden ist; Gen. Accus.: m^n^, t^bq^ sqb^
Dat. Loc: m^t, t^bi^ s^bi; von einem GjurgjevSaner haben wir gehört:
ja t^b§ drugSga pota ne däm^ und es wurde uns gesagt, daß man solche
Formen öfters hören kann; enklitische Formen f&r Accus, und Dat. sind
mf'i^s^^ mi'ti-si. Im Instr. Sing, lauten alle drei m^m^ i^bontj s^bom
und das e ist hier nach der Analogie jener Formen, wo es berechtigt ist
(ebenso im Dat. und Loc. Sing, gegenüber ilkifk), eingedrungen. Im
Plur. sind die alten Formen in allen Ejisus, ausgenommen Accus., un-
berflhrt geblieben, also Gen. (auch im Dienste des Accus.) na% vä^s^
Dat ncPtrij va^m^ Loc. nä^s^ vaPs^ Instr. namt, vam%\ enklitische For-
men ftr Dat sind näni, väm, fOr Accus. n&, vca. Bei diesen zwei Pro-
nom. hört man auch in Zentraldialekten (Virje) im Locat. die datiyische
Form na^m, vaPm.
Die Beste des H-a-i6-Pronomens sind: Acc. Sing, neutr. ^, enkl*
je (akslay. 16), Ace. Plur. ^ (enkl./«, akslay. faa masc. und fem.), na
neben lie (enkL waje^ akslay. 0) neutr. Interessant ist es die Form Gen.
PL ikejg zu erwähnen, doch diese ist yiel wahrscheinlicher nach doSjg
(A'WBOio) als nach leio gebildet, doch yom Suffixe -4)0 (im Gen. und
Loe.Plnr.) entsprechend derpronom.-adjekt. Deklination. Erwähnenswert
ist die Form nä^ flir den Locat Plur., welche nach den o-Stämmen
gebildet ist
GenitSing. yonHbTO, für welches im Nom. hier nur -^'gebraucht
l, lautet nur c^a [n^c^sa^ nicfia^ sac^a^ kqjecq$a usw.), nie cf^a,
▲nldT Ar gUYlMlM Pküolosie. XXIX. 24
370 Franjo Fancev,
c^mu (rcuoif); eine Form, entBprechend MCCOU^Yy ikCOU^ haben
miBere Dialekte nicht.
2. Pronominal- adjektivische Deklination.
Die Kasus nach der pronom. Deklination lauten: idga^ mdj^ga (und
fnojega) so auch dobrögu^ vroc^ga ; t6mu-'mdj''^mu [fnöjefnu\ so auch
dobrömu-vrocSmu] tom-mö/em ebenso dobromy vr^dem, ie^m-moje^m
(die Endung der harten Stämme verallgemeinert), so auch dobre^m-vro-
ce*m\ im Plur. Gen. und Loc. te*-moje^ ebenso dgbre* und Drdce*\ Dat
Plur. te^mrmqje*m so auch dobre^m-vröde^m und zuletzt Instr. t^mi-mo-
j^mi ebenso dobr^mi-vröc^mi. Die Kasus, welche nach der nominalen
Deklination lauten, ausgenommen Nom. und Accus. Sing, und Plur., von
welchen wir hier nicht sprechen werden, sind te fnoje^ döbre, vröce (wie
iefie)\ im Dat. und Loc. möjij köj'i, döbri, vroSi (wie z^nt)\ te\ w2', als
Dat. '-/«, '-m als Loc. (wie gospe*\ ebenso v^m* (als Dat. und Loc. von
venaP >eine gewisse«); Instr. rngj^m-i^m^ dgbr^m-vrddöm {wie zenöm).
Die gleich lautenden Formen der zusammengesetzten Deklination mit
jenen der nominalen werden nur durch die Quantität und Betonung unter-
schieden, so z. B. döbrordobri} (zusammengesetzt): ddbra-ddbrg (nom.)
oder so wie vrli, vrlä^^ vrlö (zu vrl), in der Anwendung wird der Unter-
schied beider sehr oft verwischt und wo die unbestimmte Form am Platte
wäre, begegnen wir der bestimmten und umgekehrt.
Es ist noch zu erwähnen die Bildung des Genit. und Loc. Plur.
durch -^yb; diese Form wird keine Neubildung sein und wir bringen
sie in Zusammenhang mit der dualischen Form -oio (toio) -IIO (UOieid);
Ausgangspunkt wird von dv^g^ i'^^J9) cetir^jg^ deset^jg usw., welche
in den übrigen Kasus gleich den Pronominen und Adjektiven dekliniert
werden (z. B. dat. Sing, dve^m^ cetiie^m^ deaete^m, Instr. dv^i-deaet^mi
usw.) und schwer ist nur das zu erklären, daß wir ein -^b und nicht -efu
haben, welches dem akslav. -cic entsprechen würde.
Die Zahlworte von 2 angefangen, werden ebenso wie Pronom. und
Adjekt. und zwar nur in den Kasus obliqui dekliniert, im Nominativ wer-
den dagegen so wie im Stokavischen gebraucht, d. i. die Zahlworte 2 — 3
verlangen Dual oder Plural, von 5 weiter das Zahlwort in seiner gewöhn-
lichen Form und das Objekt im Genit. Plur., z. B. dva tricetiri : cgti'^ka
oder cgt>§ki^ iqnq (Plur.), sql^l§t§ (akslav. ciAt-AtT'fe) aber auch Plnr.
dvä^ p^ra (neben dve* p^r^) usw., pet k^n^ dqset zen, öshtn sei usw. ; in
den Kasus obliqui: od tr^'o svin, peie*m kravaPm (Dat.), pri deseüpjg
BeitrSge zur serbokroatisohen Dialektologie. 371
hiiSPj^ z devet^i cgv^ki, so auch bei den größeren Zahlworten als 10
s. B. pri trideset^jo hüäy.
3. Bildung der Eomparativa.
Die Eomparativa werden in den Dialekten der Podravina ebenso
wie im Akslay. anf zweifache Art, d. i. mit den Suffixen -jhs oder -Sjhs
gebildet, aber mit dem Unterschied, daß das s (ui) der Easns obliqoi ans-
nahmsTos auch in den Nomin. nnd Accns. Sing. Mascol. nnd Nentr. ein-
gedningen ist nnd sie kennen nur solche Formen wie: drägii (aasgespr.
dräiii) za stokay.: dräziy akslav. AP^^hA (kü) oder slajsi zn stokav.
shuUj akfllav. CiiaxCAHH ; ebenso bdlii, mSnüy ffdrsi; mit dem -^'m, z.
B. nave'ii (zn stok. ndvißj akslav. HOB'kH), bogaie^si (zn StoL bogätifi^
akslay. coraTlsH) nsw.
Neben dieser Bildung kennen unsere Dialekte noch eine andere,
welche aber ausschließlich nur bei den Adyerbial-Eomparativen vor-
kommt; diese Adverbien sind eigentlich 'Neutra und diese stehen aus-
nahmsweise ohne das i (lu) der ELasus obliqui, z. B. nove^ [S* entstanden
durch Eontraktion des ye [akslav. 'kie], akslav. lautet dies HOBlsie) i
ebenso bgga0y ran^ (ranije) usw.
Der Superlativ wird so gebildet, daß man vor den Eomparativ (sei
ee adjektivisch oder adverbiell), näy- (akslav. Haii-), setzt z. B. : näy-
dragiij fMfijslijH^ naPjbogate*H\ so auch rwPjratie^ usw.
n. Konjugatioii.
Der Zustand der urslav. Verbalformen hat in unseren Dialekten wie
Oberhaupt im Eajkavischen sehr viele Verluste erlitten. Das Imperfektum
und der Aorist sind voUkommen verloren gegangen, ebenso das Partici-
pium praet. aet I. ; die Form des Particip. praes. act. wird nur noch ad-
verbiell gebraucht; um den Eondicional auszudrücken wird die Form
BHUk des aoristischen Optativ, welche hier ftlr alle Personen nur »5t«
lautet, gebraucht. Das Futurum wird ausgedrfickt entweder durch das
Praesens eines perfektiven Verbums (so auch im Akslav.), oder durch
das Partcp. praet act. ü. in Verbindung mit i^m, b^d%m\ in den Liedern
drfiekt man es auf dieselbe Art aus wie im Stokavischen (nämlich Infinit,
mit cti-c^m}, aber als Beeinflussung seitens des Stokavischen. Eine ver-
gangene Handlung wird mit demPerfectum, welches vom Partcip. praet.
aet n. oder pass. mityi^^m-^Tym gebildet ist, ausgedrflckt Wichtig ist
24»
372 Franjo Fancev,
zu erwflhnen, daß sich den Verben der Bewegung in unbestimmter Zeit
ein Supinum erhalten liat.
Aber nicht nnr yerschiedene Verbalformen sind Terschwnnden, anoh
sonst hat das Verbnm Yerlnste erlitten. So ist durchwegs Dual (wie anoh
in Deklination) yerschwunden; auch die 3. Sing. Imperat. ist verschwun-
den und wird (wie auch die 3. Flur.) durch Umschreibung mittels nSPj
und der 3. Sing. (resp. Plur.) Praes. gebildet Neben den Verlusten kom-
men auch die Abweichungen in Bezug auf dnzelne Formen in Betracht,
doch darflber bei den einzelnen Verbalformen.
1. Praesens.
In stokay. Dialekten hört man noch als 1. Pers. Sing. ho6u (jfOUiT;^),
mogu (lior^), ve\u (sf auk), ^o\u (boauk) und tidu (kh3KA^)i unsere
Dialekte sind in der Durchführung des -m in der 1. Sing, weiter gegangm,
da man auch oHmrbbm ()^oujt^] oder morem^ -mrem aber auch ocu
doch kein *mogu (uor^) hört. Reste der alten Personalendung -^ sind
r^ko (d. i. in der Bedeutung »ich sage«); in einem von meiner Mutter mir
▼orgesungenen Liede kommt es zweimal ^idu Ix tijapomoci^^ wo »tc/uc
in der 1. Person Sing, steht, sonst ist dieses >%du€ nicht flblich, was
schon das »u< statt des regelmäßigen o fdr den Nasallaut ^ zeigt.
Von den 2., 3. Sing., 1. und 2. Plur. ist nichts zu sagen, da in
diesen Formen gegenflber den stokavischen keine Abweichung stattfindet
Erwähnenswert ist die Eontraktion der Endungen -^KijiRT'k : yo und
auKTik : ajo zu ö und dP^ welche in den III. 1. und V. 1. zum Vorschein
kommt (z. B. razm$ [razumiju], de^lä^ [zu djelajti^. Diese Eontraktion
ist an Virje gebunden, in den anderen Orten begegnet sogar die Aus-
dehnung der Erweiterung durch -ju auch über andere Elassen, s. B.
Pitom. : budeju, treseju, cujej'u, 11. E^ass. -eju, UL 2. lettju (von leCeti^
usw. Diese Erweiterung durch -ju in der 3. Plur. ist auch anderen kaj-
kavischen Dialekten bekannt (siehe Lukjanenko S. 226 ff.); bei Vramee
kommen auch Formen vor hoceju (Post. 9, 44 [2 mal]) neben ne iSe/u
(52, 77) und ne ceju (33, 81), daneben auch hole (4, 5 [3 mal], 45 usw.,
nehote (6, 11) auch ne hte\ hier können wir gleich hinzufügen, daß Per-
gosiö, Vramee, Milovec, Habdeliö usw. auch die Form ho6em neben ko6u
in der 1. Sing, kennen (Perg. II. 78 Eap., Vram. Post. 14, 23, 29, 39,
68 usw., Mil. 56, Habd. Zerc. 58). Neben der Erweiterung der 3. Pbir.
durch -ju haben wir auch die erweiterten Formen mit -du in PitomaSa
gehört, und dieses - Ju findet man angeblich auch im Dialekte von Va-
BeitriSge xnr serbokroatigohen Dialektologie. 373
(vgl. Lnlganenko 8. 230); die Beispiele, in welchen wir dieses
-c^u gehört haben, sind vucidu se (neben vuciju 8«j vuce se) govoridu
neben -t/u], sluiadu (nnd-a;iu); in Zbom. I. 180 liest man: ^naprsten
zapijadu€^ sonst aber nur btideju, rastejUj skubeju, cujeju (neben^cu;t<),
hukneju (-fiti) (11.) glediju^ leüju, zeliju (III.) nsw.
Von den Formen der athematischen Yerba hat sich mit Ansnahme
▼on l6CMk *sum€ sehr wenig erhalten. Zn den Resten können wir
rechnen: 1. Sing. [p(h)ve*m [vem^ vim, v%jem),j?*m] dcfim (zn znä^tn)
und imam gehören nicht hierher, obwohl von imam der alte Infinitiv
noch erhalten ist %m%ti (akslav. hmIlth, bei alten SchriftsteUem ifn%t%)\
1. Plnr.: [po) ve*mo^je*mo\ 2. Plur.: po-ve^ste^je^ste^ daPste (akslay.
B*kCTl, ucTf, fi^i^cTi)\ das -c^ in der 3. Plor. hat seine Begründang
ao8 alten Formen B^KA'^'^'^ • • -^ obwohl hier die Personalendnng eine
andere ist nnd nnr die Formen ppc^df, J^d^, dad^ (auch znadQ) und
nicht *pov^de nsw. vorkommen; dieses d ist nur anf die 3. Pers. Plnr.
beschränkt nnd kommt nicht anch in anderen Personen wie im ätokavi-
schen vor, also kein *dctdem, jedem nsw., sondern nnr däm-däPi, je*m'
föi nsw. Eine Abweichung von den Formen lecuk begegnen wir nur
in der 3. Pers. Sing. Der Dialekt von Yirje kennt die Form V^tri^rjest
nicht, fttr ^jeü kommen nur/i? -j^^ (=y*^ +y<^ i^*ch neje). Inter-
essante Formen fAn^j^ga-ne^ga (=jest ga^ neje ga\ welcher Bestand-
teile vergessen worden sind und sie werden als 3. Sing, von den Verben
*jegatx und *negati aufgefaßt und um Vorhandensein oder Nichtvor-
handensein von etwas auszudrücken sagt man: jqga ga, ne^ga ga\ wir
haben in Vijje auch solche Formen gehört: rä^gam (ich habe es nicht),
j^gai (du hast es).
Anmerkung. Durch den Ausfall von ganzen Silben sind solche For-
men entstanden wie: b^m-bQi usw., von b^dem-b^des usw.; hpi von
hocei\ nei von -ne hodei -ne cei\ Me von hodte-hotte zu ^ote^ vis von
wdü^ vielleicht nach der Analogie des Imperativs.'
2. Imperativ.
Im Imperativ haben unsere Dialekte nur noch die 2. Pers. Singul.,
1. nnd 2. Plural; für die 3. Person Singul. und Plur. wird die ent-
sprechende Form des Praesens in Verbindung mit näPj (zu Stokav. neka)
gebraucht. In der 2. Pers. Sing, haben wir nur wenige Abweichungen
vom Standpunkte des Akslav. (und des Skroat. überhaupt), welche darin
bestehen, daß dem akslav. -/t gegenüber nur ein •;;' stehen kann wie im
374 Fnmjo FaaeeT,
dtokayisohen; es wird auch •^V-gesproeheiiy z. B. pij nnd/^yt (akslaT.
nkH) »trinke«, »Hj-züji (von zuti »ausziehen die Schuhe«) (L 7); Ulej^
räzmy (akslav. cyMlSH) (in. 1); de^laj (AtLiiaH) (V. 1); Vaj neben lo^j%
sSj neben se*ji (V. 4); kgpüj und kgpüji^ ohe^düj und ob^düji (YI). In
der 1. und 2. Person Plnr. werden die Personalendungen an den Stamm
in allen Klassen und Gruppen mit dem f (1:) selbst nach den Palatal-
lauten verbunden: nes§te^ dign$te usw., auch pißte (n^HTi'pijte stok.),
trp$te (TpknHTc), mol^mo^fäPl^te^ s^'^te^ kgpüf^te usw.; wo das -ß
in der 2. Pers. Sing, zu •;;* wird, dort kann es auch im 1. und 2. Plur.
werden, also cüj'-cüjmo-cüjte^ deHaj : de^läjmo'ds^läjte usw.
Bei den Verben ohne thematischen Vokal haben sich die alten For-
men erhalten in: pd-v^c {c aus d im Auslaute, akslav. B*k;KA^) und
jec (akslay. IS^KAk); nach der 2. Person Sing, wurde auch die 2. Plur.
gebildet: pg-v^Sc-te {*ved^te, stimmhaftes d vor dem stinmdosen t selbst
stimmlos], ySc-^ {*jed'te)] fi^AUk *dabo* bildet den Imperativ wie auch
SHaTH : 3HaH : znaj'-daj-dajte.
3. Imperfekt und Aorist
Worin sich das Eajkavische des XVL und noch des XVIL Jahrhs.
von den heutigen kajkavischen Dialekten besonders unterscheidet, ist das
Vorhandensein der Imperfekt- und Aoristformen. Die Eaj-SchriftsteUar
wie auch die Urkunden (Eukulj.) dieser zwei Jahrhunderte kennen diese
Verbalformen noch gut (z. B. Pergosid biaie 5 Kap., byeie 62, behu 10,
20, govoriaahu 71, moreie IE. 15 usw. als Imperfekt, povedah 17, p<H
vedahmo 84 usw. als Aorist; Vramec Post.: govoriahota 98, behota 42,
iskahotaZl^ iskahulZ usw. als Imperfekt, vmorista 15, siaie iOj Eron.
povedase 22, oglasiie 22 Post, als Aorist; ebenso dasmo [1585 Hiia-
novec, Gredice, 1589 Tmava NedelisSe 1595 Nr. 322] usw. als Aorist,
behu [Tmava 1589], beie [Nede}is6e 1595 Nr. 322] als Imperfekt). Die
heutigen kaj-Dialekte kennen diese zwei Verbalformen nicht Ich habe
zwar in einem Liede von meiner Mutter solche Formen gehört wie ^junak
jo mo\c&e^ da ga ne ostavlaie€^ doch die zwei sind der einzige Rest, sie
kommen auch in den Liedern sonst nicht vor, aber daß auch bei diesen
zwei kein Verständnis für solche Formen vorhanden, zeigt am besten
i^ostavlaiet. Ffir andere kajkavische Dialekte vgl Lulganenko S. 215
bis 1 1 7).
4. Infinitiv und Supin.
Vom Infinitiv ist nur so viel zu erwähnen, daß er das auslautende
BeitrSge zur serbokroatiBchen Dialektologie. 375
-I nie abfallen Iftfit. Neben Infinitiv lebt in den Dialekten Podravinaa
wie flberhanpt im Kajkavisehen (vgl Lnkjanenko 8. 219) in seiner vollen
Oeltong auch noch das Snpinom und es erscheint immer nach den Verben,
welehe eine Bewegung ausdrücken. Die Form des Supinums unterscheidet
sich von jener des Infinitivs nicht nur darin, daß Infinitiv auf -ti und
Snpin auf ^t auslauten, sondern sehr oft haben sie auch verschiedene
Qnantitftt z4ti (Inf.), z4t (Sup.) so aueh p^ci-pSc^ späti-spä^t; Beispiele:
Kad so Uli prvo noiko spavat; odij zorjOy sesira moja^ endo gledat
sim ; ia^alajejocka iskat ; idemo ga mi dva glet (Zbor. 1. 1 76) Eopriv. ;
hajda spatj hajda spat^ ioji $te pospani (Zbor. I. 193) Hlebine usw.
5. Participien.
Von den slav. Participien kennen unsere Dialekte als echte Parti-
cipien nur noch Prtcp. praet. act. n auf -/, und Prtcp. praet. pass. auf "cn,
-n und -i\ von den anderen (Prtcp. praes. pass. ist schon in vorhistorischer
Zeit in der skroat. Sprache verloren gegangen) Prtcp. praes. act. hat sich
wenigstens seiner Form nach noch erhalten, obwohl es seine ursprüng-
liche partidpieUe Bedeutung gänzlich aufgegeben hat und jetzt nur noch
adverbiell gebraucht wird; Prtcp. praet. act. I ist dagegen gänzlich ver-
loren gegangen. Prtcp. praes. act. wird so wie im Skroat. überhaupt ge-
bildet, d. h. die Form des Nom. Plur. Masc. (akslav. n/ifTi^uiTC, \S.A'
A AUJTi, akroat. pletuöe, hvaleöe) wurde verallgemeinert, da diese Form
auch schon früher ohne Rücksicht auf Zahl und Geschlecht adverbieU ge-
braucht wurde (vgl. Zima, Nekoje veöinom sintakticne razlike . . ., S. 320ff.) ;
in unseren Dialekten lautet sie -öc (-uc) und -ec und als eine kajkavische
Neuerung sind die Formen auf -c^i, -cke (siehe darüber Va]avec Bad CI
und CII unter dem Titel »Adverbi na ski, ske, ke, ce, ice u Eajkavaca«
und Lukjanenko 1. c. S. 220 — 3); nur einige Beispiele: plä^S^c, ktenQc^
pitaj9cj vmtrj'fCj aber gewöhnlich nur na lezecj na s^dec, na klecec, na
SepeCj doch ckoniecj spec usw.; auf cki^cke: abdecke oder s^decki, so
auch leieckej zmerecke und auch na sedecki/e, na leieckt/e, na stoje^
cki/ey na zmereckt/e usw. Echte A^jektiva sind geworden: noseci nur
in noseca z^na, onäj'e noseca\ aber auch emj'e purcaf, kaktida hi bü
no^2c usw. (bedeutet »schwanger«); cft^S^r (wohlriechend), «mrc^ci (z. B.
smrdeci Martin Stinkkäfer, stinkend), kipöci (z. B. kipoca vöda sieden-
des Wasser), srbeci (z. B. srbeci beteg Krätze, Jucken), ckomeci (z. B.
ckameca sniha schweigende Schwiegertochter), tekoc (z. B. teköca v&da
fließendes Wasser) usw.
876 Frai^o Ftooer,
Von den Partieipien praet. act. n. und praet. paas. brancben wir
hier Aber ihre Bildung nichts zu sagen. Von den Yerba I. 2 können wir
nur erwähnen, daß sie in Prtcp. praet. pass. ihre Sibilanten naeh der
Analogie der Yerba lY. Klasse auch palatalisieren können, s.B. daneien
neben donesen, vgriien neben vgrizen, streien neben stresen. Es wftre
noch zn erw&hnen, daß die Bildung des Prtcp. praet. pass. mittels des
Suffixes 't viel öfters als im Akslar. der Fall ist; im Dialekte Ton Ylije
finden wir -^ als Suffix des Prtcp. praet. pass. neben den fug^etf zacet^
zety zakUt usw. I 5, zamrtj prestrt (von -CTp'kTH, stol je prettrt^
»aufdecken«), potrt 1.6; auch solche wie napit {jonpiti »trinken«) oder
spit^ z. B. vodaje 8 kopane Bcfi sptta; skrit (you -KpuTH), tmit
(- U'KITH waschen), nadet (von A*kTH tun, legen), Mtd (von OCOY*****)
usw. I. 7; dann dtgnot neben digiienjpolSgnot neben polegnen usw. II.;
zehräH (von EkpaTH), pozvä^t (von S'kBATH) usw. Y. 3.
m. Adverbien. Präpositionen. Konjunktionen.
Die gewöhnlichsten Bildungssuf&xe der Adverbien sind -ce (-ice)^
skije (vgl. darflber Y^avec, ,Rad< Gl, Maretiö XCYI ,Rad' und Oblak,
Archiv f. sl. Ph. XTTI in krit. Anzeigen S. 609): höioncey kasce^ naglafce^
pikcdy gsgfce, na lesce {*leiice)j pgckgnce ; pei'ice usw., po gospdcki
oder kaktiy kak^ käj göspon), po nenski (deutsch), po maderskij auch
svinsX^ (oder käj\ kakti sviAa\ vlaiM [oier po vlaiki) usw., die Form
Instr.Sing. adverbiell gebraucht wie in fnä9m (<^ma^Aam), redom^ kror-
dom,j silQm (wie ienQm) usw., mit der Präposition: senUrotn oder zmi-
rom (»fortwährend«), zredom(a]f na mälom, na blizorn, na brzom^ na
skörom (oder auch hlizom^ skorom (casa) usw. Gen. Sing, mit der Prä-
position: zrqda^ Btij'aj auch postija von sh tihä), akraja usw. Yen der
adverbiellen Anwendung des Adjektiv (Neutr.) ist nichts zu sagen.
Den Adverbien werden oft im Auslaute hinzugefflgt: -m (z. B.
joscem^ potlam, doklem, tijam usw.); -^^c: doniac, dovlaCf doklaS
(AOKOii*K usw.) usw. ; -k(a) tuka, ovd^k^ ondek usw., -ia -r(6) wie tukar
ovdekar usw. ; beides redupliziert ergibt -karekar[e) : iukarekar (auch
tukareka)^ tamgkarekar^ simgkarekar usw.
Einige Präpositionen sind nur noch in den Kompositionen mit Bub-
staut. Adjekt. oder Yerb. erhalten (wie pro-, pre-, raz-). IGt Genitiv
stehen: prez^ do, od^ z [s] = ^, von (de) (z. B. ^ne zihl 8 Üoga m^to«),
z («) = HSTk »aus« (ex) (z. B. vre si döila 8 ctrkve) ; zärad »wegen«, krqf
(kre)j z. B. kr§ m^nq und gkräj (okrq)^ gkräj hiSh (»um das Haus her-
Beiträge sor serbokroatifloheii Dialektologie* 377
um«), okolu (x. B. d$ca se lovle okolu köla), pdl^g (i. B. pdleg tvoje
vöp]>ikBßh deinem Willen«; polef negve hize »bei seinem Hause«),
ober (<[ *obvrh »ober«); mit Dativ: k (welches sehr oft — ja gewöhn-
lich — aasgelassen wird, z. B. idem t^ci [k ieci] oder idem starrt ma-
tt^ [s k staroj mamici] usw.), />o, welches im Aslay., wenn es »den
Baum beseiohnet, über den sich etwas erstreckt« noch Yorhanden war, ist
in unseren Dialekten auch nicht erhalten; den Accusat. verlangen: v-vu
»in nach«, za (m der Bedeutung statt m$8to^ fQr und hinter), na (wohin) :
na FSr», na Mdlve; wann: na rä^^, ob (z. B. ob de^n i ob nöc), po
(z. B. itipo koga)j nad^ pod; mit Locat.: v-vu »in«, na (wo: na Vire^
und j9o, pr%\ mit Instr. za (»hinter«, za lähn %ti\ nach xixkati za neK¥m
(iL i. tikati koga)^ med »zwischen«, nad^ pod, pred, z-s (=s s^ »mit«).
C. Einige syntektische Eigentflmlichkelten.
1. Substantiva.
Von der Kongruenz der Wörter wie slüga, jäpajapica — , welche
ihrer Form nach Feminina, der Bedeutung nach aber Masculina sind,
wollen wir nur soviel sagen, daß sie in unseren Dialekten xarä aivBCiv
und nicht der Form nach sich richten, z. B. naPi slüga^ negöfjäpa usw.,
doch im Plur. hört man auch die Kongruenz nach der Form, z. B. vetikq
pustafi/^j aber noch häufiger werden solche Substantiva im Plur. nach
den o-Stämmen dekliniert, z. B. slügi, ptistatiji usw.
Nicht selten sind in den skroat. Yolksliedem solche Beispiele, wo
zwei Substantiva nebeneinander stehen, wo ein Substantiv das Adjektiv
ersetzt; in unseren Dialekten kommen sehr oft solche zwei Substantiva
auch in der gewöhnlichen Sprache nebeneinander vor, wenn ein Substantiv
Genus und das andere Spezies (besonders bei Obstnamen) bezeichnen,
z. B. Sardai'skri^ak, aoldairguslar^ crlenika jabuka^ fiihk i slaoibbkj
traPva -d^te^ina; oier jabdkchi^tvenka^ -pisanika, -zelenikoj -ruhnor
finka ; rtUka-üpka^ aViva-bestricay ür^-kosoPk, Maria-ze^icq^ grahr
Ma^ä^r usw.
2. Adjektiva.
Die A^ektiva in attributiver Stellung kommen gewöhnlich in be-
stimmter Form, in prädikativer dagegen in unbestimmter vor, wo ein
Unterschied zwischen beiden Formen vorhanden ist; Ausnahmen sind
selten, z. B. attribut: to j^ bil dosii beda^.sti jei, aber ajei ialöstbn
378 Franjo Fancev,
prieme . . ,, köj n^jqjencPko i>^ik % sirok^ akoje cov^kjena9ko visok
i sirok usw.
Was das Adjektiv räd-^-^ anbelangt, so geht seine Anwendong
parallel mit jener in anderen kajkavischen Dialekten (vgl.ZimaNekoje..,
S. 22 ff., Lokjanenko S. 262), z. B. a) statt des Adverb, rado kommt
gewöhnlich Adjektiv rad^a-o: grii bi rddi, da jo zSm^, dl kad jo oft
n¥ma räd . • •) l>) ^<^ bi . , , mit Infinitiv oder mit Particip. praet act.
n. : na gni bi mekoli rad i pienico s^ati oder «^'a/, c) um die Stei-
gerung auszudrücken werden gebraucht: Adverbia räjÜ^ najräjiij vo-
le*ii^ najvgl^^H : räjSi bi vmrd^ti-vmrlay neg täkvg sramotg doUv^ti
usw., najvole^ii bi sada vmrVti'VtnH usw.
3. Pronomina.
Gleich üblich wie in anderen kajkavischen Dialekten (vgl. 1. c. 216,
263) kommt auch hier die Anwendung der enklitischen Pronomina mf-
ti^i als Dativus commodi, ethicus und possessivus, z. B.: a) baPr mi
td getätigte a drugd si s^ pober^te slgbono] üc$ si drugöga slügo; b)
no sedn^te si malo tukareka; pomisl^fe si käj rni se pripetVo] c) pii-
st^te jg ide si iskat covl^ka (d. i. svojega cov^^ka), de^tq ti se rasplä^
kalo usw.
Besonders hervorgehoben zu werden verdient das Pronom. vene*^
welches eine demonstrative Bedeutung hat. Von ihm haben wir auch
Weiterbildungen v^ak^v, vengdija, Verba veng'iti, vengdijati. Alle
diese werden dann gebraucht, wenn man was allen bekanntes sagen will
und man kann sich nicht gleich erinnern, z. B. venVjq bil tukareka . . .
v^rie^ mije to pripgve^dal usw.
Auch unsere Dialekte können käj za oder käj zaj'^dbn-a-o^ welche
Zima fOr Germanismen erklärt hat (vgl. 8. 63).
4. Verba.
Die Eigentümlichkeit der kajkavisch-Sakavischen Dialekte, daß die
perfektiven Verba im Praesens das Futurum ausdrücken, ist auch unseren
Dialekten eigen; darnach wird hier das Futurum bei den perfektiven
Verben mit der Praesensform, bei den übrigen mit b^dem-b^m . . . und
Prtcip. praet. act n. ausgedrückt, z. B. dgj'em [= doöiöu), ja^ ti daPm
(= dadu ti ja)j pöj'em (= pociöu) usw.
BeitrSge snr Barbokroatiachen Dialektologie. 379
D. Einiges ans dem Wortschatz.
In diesem Glossar werden wir nicht alle anderen Dialekten unbe-
kannte (meistens onomatopoetisch^) Wörter anfzählen, sondern nnr solche,
deren Erwähnung von Wichtigkeit ist; aus demselben Grande werden
anch nicht alle Fremdwörter (dent., magy., rom.) erwähnt, sondern nnr
die wichtigeren.
bäffloy ARj. (Vnk. fasdculas, sveian) griech (p&%BXov\ hier in der
Bedentong: bagla sena^ slame usw. Schober, mehr als plcfisnica.
bäPlia, kleine Hacke (magy. balta).
hantuvätij (magy. baut), auch zbantuvati (z. B. boga) yerletzen.
bamävoj bämeij magy. bama, dunkelbraun; hier Euh-Ochsname.
baratatiy ital. barattare, negotiari, conversari; » Vedso turci kupo^
vali^ klff bi z liemi barataiU,
basatij errare.
baike^iij bedeutet fescher, z. B. onj^ baikeü neg ti,
bätrifj bdfitriti bedeutet audax; animum addere (magy. bätran).
beJAnü'^ bedeutet schlechter unfruchtbarer Boden, oder mageres
schwaches Vieh.
beteg-betSzhrij betSz^ifj Krankheit, krank, kränklich.
bitängaj ARj. magy. bitang, erro.
bötUy ARj. bota, udarac, itaL botta, hier aber Stock.
bl^iciti siy bleiclictf etymol. mit blSsh-.
brckätiy zV^öM^ zbrckcfitaü se, ausklauben, wählerisch sein.
brehätif tussire.
brenkaj brenta ital. brenta, sIoy., Weinfaß.
briigatiy briid^äHj spritzen, hierher gehört vielleicht auch rizd^äti
mit dem abgefallenen b.
brkatij bereden, z. B. brci ga^ noPj döje^ refl. brce se tä^.
brözdäti (vielleicht auch bordaitj^ broiditi^ waten im Schmutze.
bf-ican^ ARj. britan^ Efeu.
zoF-brtviHf z. B. vodu^ verstopfen.
b^laf^ burla^vi kon^ ein Pferd mit verdorbenen Fllßen.
bucäü 86^ stin^ s^ bticaP ranzen (subare, von Schweinen).
cältaf^ olserb. calta, ahd. zelto, nhd. Zelte, ital. cialda; kruhnli
koläPoje caltqfd, i. nicht genug von der Gäre aufgegangen.
candra^ cündrqfy 1) Fleck, 2) zerlumpt
L
380 Frai^o Fancer,
capa^ ital. Eunpa, Tatze; anch taca^ z. B. da/ taco (oder eapo)
s%m\ hierher gehört auch capkati^ patschen, ital. zappare.
cSckn^Scbkj von dent. Zitze, ital. zizza; man hört aach ctce, cicieef
cehati^ sangen.
cimatij ital. oimbellare, qnassare.
cmizdriti se, rannzen; daneben anch cmo^ti.
cmukäti, vielleicht mit cmokati^ lutsohebiy znzeln.
cükati^ zncken.
cükaiif mingere; anch scati.
dk
cuz-jT, cuzica, Fflllen.
cvä^nKatiy Fener mit der Glocke signalisieren.
cv^kj clavns (magy. cöyek).
ivapäti^ iväpla, bedeutet tropfen, Tropfen.
dgndaca^ Regenbogen.
dotmSPr (= do-tma-^ze^^tjrxL mit TkUa, eine große Zahl; hier
bedeutet es »sehr viel«.
dr^v^j zadf^^neii se, starr werden.
dr^g, Stange.
o-drmea^ni, «nftohtlrfen, dasselbe sueh vraziii.
drdncaü se, sich rfltteln.
druzffäti, zerdrücken.
drvoce^p, ARj. (Bjel), lignile.
dum- zdutnlfiPvati, zdümiti, hier steht es näher dem russ. xyvaTB,
poln. duma<5 (denken) , als bnlg. jsjwah] 1) von jemandem etwas zu er-
fahren trachten, 2) von jemandem etwas erfahren.
dedSrng-deddrbn, kflhn, mutig.
föcuky uneheliches Kind (magy. fattyü).
fafu^bk, floccus.
fajeW,fajeWka (magy. feh€r, weiß); Ochs-, Euhname
foPjta (magy. fiyta) die Basse.
fcfijiati, feuchten.
foTinga, fcd^ti, Fehler, fehlen.
falihn, falsch.
faf^na, Fahne.
fantiü se, sich rächen.
fän, fein; bedeutet 1) fesch, 2) fest.
/drg/; Pfarrhof.
Beitrüge snr serbokrottlsoheii Dialektologie. 381
fUa^ die Art, Otttang (magy. ffl).
feränge^ Yorhftnge.
fercatij Torzeiolmeii (magy. f6ro).
fermati^ firma^ firmen^ Firmuxig.
fi«t^ fest, z. B. hak ga Je fest vMrü; es bedeutet auch »fesche,
s. B.fest dScko.
Jilip^r, Schmetterling.
fietbn^ hurtig (mhd. vlaetec sauber).
ySr/, fort; daneben auch »semirom«.
fra^jati^ deut. yerreifen, bIoy.
fraf^loj Fräulein.
fofifliiy bedeutet näseln.
frUati^ drehen, flechten.
f^ho-f^lcy Sprosse.
frdiWeb{yfrdi^ati^ Frflhstück.
ftia^l^ ABj. (Bjel. Jambr. Volt), magj. fertälj, deut. Viertel.
früntaj dasselbe bedeutet auch d^vf'nta, Enorre, Auswuchs.
fucatij ABj. (Bjel.); fiirere, farcare.
fürtkj ABj. (Jambr.); magy. furkö, cjepanica, Scheitholz.
füta^ bedeutet Haarzopf.
futeräd se^ vielleicht mit »fürchten« im Zusammenhange; bedeutet
respektieren.
za^d^jitij gcfijka^ ABj. in der Bedeutung »pflegen«; eine weitere
Bedeutung hat dieses Wort im Dialekte YonVirje: um gepflegt werden zu
können, muß etwas beschfltzt werden, z.B. zagajiti sinoK&io oder mekUtOf
d. L verbieten, daß eine Wiese oder ein Ackerfeld nicht als Weide benutzt
werden darf; Zeichen mit dem man ;2;a^(}^'(6i&e bezeichnet, heißt *ga9jka*.
gaf^lge oder gaf^lde^ galzenak^ Galgen.
go^fkati {gazkati)j bellen.
gdAhk (auch gank)j Gang.
gamilice^ EjuniUe, ital. eamomilla.
gantaTy magy. gantir, Ganter.
gengäü se^ (ABj. g^ati sc), träge gehen.
gtngafj hier bedeutet es träge.
g^cany grca^Abk^ gurgulio.
grintOy grintbij grintafj vom deut. der Grind.
gürafj giirbiy gura^Oy ABj. in der Bedeutung »gekrflmmt«, hier
bedeutet es dasselbe, was im itokav. mriavy mager, schlecht
382 Franjo Faneev,
ffvina Gewinde.
hcfibäti se, hcfibaij eaveo; da hd dmge^m na hdf^baij ab Mahnung.
haf^k^ej vom dent. Hacken.
halabä^jsati bedeutet herumbummeln.
halcfisiti^ yielleicht mit hala^s, magy. haläsz, Fischer im Zusammen-
hang; bedeutet durchsuchen, z. B. halä^titipo iepe*.
hal^ka^ bedeutet Patsch ; dieselbe Bedeutung auch ludupaPk (minnl.),
hdlupaca (weibL).
hapiü sej z. B. hapiü se dila^ angreifen.
hariti se^ derselben Bedeutung sind noch: harmazdiü \^ü s^)\
hende^ti (-^j s^\ rosiiti [-ü s^\ d. h. sich reiben.
hasbn^ hasn^tiy hasridvit^ vom magy. haszon, Nutzen.
hataPr^ in Verbindung mit magy. hatär «[ slair. hotar) ; hier bedeutet es
Territorium einer Gemeinde, z. B. virofsM^gjurgeveckiy hata9r\ vu virofs-
k$m hataf*ruj d.i. aufdem Territorium von Yirje; Bezirks immer X;ö^r.
henp^h^ henpast, ungeschickt.
hezffati, bedeutet was auch titati, ausschlagen (mit Fflßen).
higa magy, iga, Joch.
hintdf^ magy. hintö.
hitvaPhn^ schwach (magy. hitväny gering, schlecht).
Kiza^ bedeutet 1. a) Haus, b) Zinmier, 2. Boden (tavan).
K&lba^ Halbe.
hgmatiy etymol. mit K&müj'j handvoU; bedeutet hrava sije zaho~
V
fnüa p^ne z^be traf^vSj d. h. gieng das Maul voll stopfen.
höiiti^ bedeutet dasselbe wie halasitx.
hrckatij zorhrckaü se, ertrinken, ersaufen.
hrdätij nagen.
huncmut, Hundsfott.
hnlzc, hrnica, AEj. (hniOy lirAav) bedeutet Schnautze.
hurkati, fortstoßen.
hurmaf^kj scharweise.
jadrkaj Kern.
ja^l, ja^hnj Neid.
ja^rhkf jarüga, 1. Graben, 2. Schlucht.
jap^-k, japa, japica^ magy. apa; es ist interessant, daß »of»cc £ut
verdr&ngt worden ist.
Beitrige zur BerbokroatiBchen Dialektologie. 3g3
f^rba (deat Reserve), bedeutet 1. Reservegemeinde wagen, 2.
MilitftrreBerye.
kaca^ Schlange; zmija sehr angewOhnlich.
ianaf^s (magy. kanäsz) nur Schweinehirt (za kravafir^ koiiSfir^ birkSf^Ty
von birka ovca, magj. birka).
kapüsta (im Gegensatz zn palüika)^ Kohlkopf (im ganzen].
kä^rmina^ epulnm fanebre (lat.), von carmina.
karlaf^tj bedeutet Kollier beim Hunde (collaretto).
karika, magy. karika, Ring.
kelihj Kelch.
kela, vom deut. Kehle.
kepenk oder kepi'h>k^ vom magy. köpenyeg (Mantel).
kHuiy sketusitt se, bedeutet der Gefährte, der Genosse in einer
Unternehmung (magy. kettös).
kip, in der Bedeutung nur »Bild«, nie »Statue« ; slika ist nicht üb-
lich; spodöba (fflr slika) in der Bedeutung Figur, Antlitz des Menschen.
klenkati^ bedeutet Läuten mit dem cinkhky wenn jemand gestorben ist.
klepesiüra (neben kostura, krancbCj Skl$ca, klinga), bedeutet das
kleine Messer.
kglgba9r, Ring, Reif.
kolgmijaj Wagengleise.
kglompa^r, magy. kolompar, Blechschmied, Zigeuner.
komuraPt, Kamerad.
kQrsqfy vom magy. korsö, Krug.
koicfiky die Rückenflftche.
kötriffy bedeutet articulus.
közlatij bei kleinem Kinde kriechen.
kr^pij kropogaje obraza^ bedeutet klein (rund).
^ca, kuüiiy Handvoll, zusammenscharren.
kunkac (oder zaf*bl% vufbc)^ Kaiquappe.
küriü (neben loziti pec) heizen.
k&rtustj vom magy. kurta, kurz, colurus.
ktiindti, koküvati usw., kttssen.
ladtca, laPältrij Lade.
läjrbf, nhd. bair. Lftge, Faß.
läj'ty magy lajt. Faß.
lampe (oder auch cvale)^ Rachen (= rale).
la^ntrnay vom magy. lantoma, schlechtes Fleisch, dasselbe ilündra.
384 Fnnjo Fanoer,
I4b [I4p = hlib)j man imtersohddet in der Bedentong: kruh (Brod)
und l^b (Laib).
lebodtkäj (gen. lebodicesa)^ besteht ans U bodi kqf\ bedeotet
nichtswtirdig.
lepört^ Rapport.
lefc^baj anch sIot. (PL), Lichtseherbe.
lesk^ütiy besonders schnell laufen, daß es nnr blitst; identiaeh mit
l^icati.
Itbif (z. B. lil^to mSso) Bjel., pulposus.
l^'tra^ Leiter.
%>a, Laube.
lopsatiy slov. Plet. IQpsatirlopati^ schlagen, schlappen.
lopuiitie, Idpuh, nütlat. lapatica, lappa.
luihi^ der Achsennagel; ahd. lun, luna.
lüiati (z. B. za vuho) bedeutet beim Ohre ziehen.
tnäiüy vom magy. mäzsa (ss der Zentner) ; bedeutet Sack.
mü^niü se und spominaü se, colloquor.
mertSkf vom magy. m^rt^k (vom slav. fnira)^ ein Maß.
meäupcfijstor (vom magy. megypasztor) neben po^r.
mizdra, -rf^, Baumsaft.
nüza^en^ von tnizga^ saftig.
tnldhafj schwach.
rngsikati (-ü $e\ ? blitzen.
mdzgly Schwiele.
mrhuij vom lat. membrana.
fnüzffotif Würz, mozg-^ Trauben stampfen.
nahrba^ vom den! bair. Närb.
nä^rbd^ der Weberstuhl.
neristbc^ Eber.
neiepuhy einer, der schwer atmet
nicemuThnj nichtsnutzig, nichtig.
obeivica^ bedeutet Manchette.
gdoitbk, Nachkonunenschaft.
okorat, vom itaL accurate.
omT^tii ohnmflehtig werden.
gplebbky das Leibchen der Frauen.
pä^citiy spaf^cküj vom ital. impacciare, stören.
p€thu{nafiky bedeutet Baum, wo Spreu aufbewahrt wird.
Beitrüge zur serbokroatiBohen Dialektologie. 385
pofceky Schweinehen.
pajdSfii^ vom magy. pajtäs, Gefährte.
pajiä^k^ LinUer (stoL iuvak).
pafijÜati^ püjtlin^ beuteln.
palütka bedeutet halben Kohlkopf.
panduriü se^ nntertauehen.
pänty Band.
pSfinÜm^ Bändehen.
paprkaxiaii^ Nachlese halten (pabir6iti).
parluff^ Lauge (magy. pärlüg).
pa^rma (ahd. pamo, nhd. barm, bam), Heuboden.
paseratij passieren.
pasminay M. Et. sagt : bulg. pasmina (S. 233) rasse erinnert an d. faselj
pä^hlf Afterklaue.
pe^ldGj vom deut Bild, Aber magy. pelda.
pe^iti^ vom ital. pigliare.
pentafj stotternd.
petrQiü^ Petersilie, BjeL petrösil.
plä^jba bedeutet Senkblei, Richtsehnur.
pätbij von Würz, shk (auch poscäk kennt nur das Kijkayische),
Rute des Stiers.
pinihk -«c, Btlndchen.
ppdarkuoaü sey vielleicht ^leicla not potrkuvatij etwas anwerfen.
pocutica^ eine Art Haube, slov. pocelica, ital. fazzolletto.
^^oto, Stall
pöphrn^ ngriech. TtAitkiafia^ Bettdecke.
por4ükj vom ahd« phorro, porrum.
poiira^kf An£sng der Speiseröhre.
pröhüj Brachfeld.
pramalei (ein »-Stamm), zu Stok. premaledSy Frflhling.
prapärbo, Schelle.
pr^khny pr^kSija usw. flbermfltig, Übermut.
prÜg^ Loch.
prelgCf Henkel.
pmS^d'lifj y>r{h)nätij bedeutet morsch, morsch werden.
pUk^t-<ifj puk^Uj buckelig, Buckel
pulkaUy das Qetreide in einem Holztroge worfehi.
pitni^i Schopf, gewifi im Zusammenhange mit deut. binden.
AreUT fir ilftTlsck« Plulolofi«. XXOL 25
386 Franjo Fancer,
pünt€Ui se, püntOj --arija^ vom dent. Band.
pupi^j ital. pnppilla.
pürcüj pürca/j bauchig, bauchförmig.
püshl^ Büschel.
pütra ""ica, ein enghalsiger irdener Krug.
raca, magy. r^ce, nhd. Retschente.
rädo, s. B. rado j^ dohl bedeutet wie, es scheint gekommen su sein,
oder rado bö d^zd^a es schemt, daß es regnen wird.
räJvbl (rak^j locker.
zarä^jtati^ von nhd. bair. raiten, mhd. reiten.
rakoj hier nur in der Bedeutung Sarg.
rä^sdhey Heugabel.
re^iü 86 (vielleicht zu rale)^ weinen (stok. krevelüi se)\ ra^ (vom
deui Bachen] Schnauze.
rSs' in zre*sna (bedeutet wirklich); akslav. p*KckiiOTa-p*kCkH*k,
veritas, verus, certus; slov. rSsy rSsen, indekl. zrSs^ in der Tat
r^tbk-rehh (slov. Plet. rSzelj] Schnitte, rezenj\ dasselbe; Iv.Broz.
rezan. Schnitz); hier bedeutet es 1. Riß, Spalte, 2. Apfelschnitte.
rezen bedeutet auch beim Totengeläute einen von den drei (bd
Männern) oder zwei (bei Frauen) Abschnitten.
rif^ti (d. \.fläke\ prati, riffeln.
rimk-rincica, Ring.
röl, vom deut. Rohr.
rgienicafej Dachsparren; Iv. Broz. röznik^ oder rog trabs tecti ob-
liqua, Bjel. tignus.
rud (spr. rüt, -^uday^ Iv. Broz. riida^ slov. Plet. rüdo; magy. rdd
Deichsel.
ruit -räita, Gferttst(e).
rüzitiy Lärm mit Wagen erheben.
sägGj slov. Plet., vom magy. szag, bedeutet Geruch.
samonltna stidha^ d. i. ein Mädchen, welches ein uneheliches Kind
hat und welches unbedeckten Hauptes nicht mehr gehen darf; es ent-
spricht Stokav. samontk,
sapläha, Sausewind, Windbeutel.
saf^ra/e, sariccy vom magy. szara, die Sliefelröhre.
skäble, slov. Plet. skaba^skabltka^ Fettropfen auf der Suppe.
skecatij ächzen, winseln.
BeitrSge sur aerbokrotÜBohen Dialektologie. 387
sikgpgvu—aHf sklaptAÜii^ hierher anch: klapa^k, naklapatt {ikri-
fi^ia) oder sklapüi. beim Ohr ziehen.
skaniinaj skfminä mije oder skornino im^ti^ Verlangen, Begierde
nach etwas; Bchwerlich von derselben Wnrzel ckatn^ii, pockom— taceo.
skoznuvati^ wachen.
sküla (und «Afi/a), sMlaf^ bedeutet Geschwür, voll Geschwflre.
gmafyndtij mit der Peitsche jemand schlagen oder plötzlich fortlanfen*
smantrati oder smaniraziti^ Plet. slov. marlratij vom dent mar^
tem, hier bedeutet es vernichten.
shäbgkj Brautwerber; v snobdke iti eine Braut werben gehen
(ebenso slov.).
idc^ 8ati, talog.
sdifäHf bedeutet herumirren.
spröffle^ Plet. slov. sprQga^ nurWeberspreize; hier bedeutet Regen-
streife; derselben Wurzel s^pr^g (wie s^s^d) oäier pSprog^ eloy.podprög
Banehgnrt; Sech, popruh, pol. popr%g, Gurt, It. Broz. poprug (Lika. Cm.
Gora) Sattelgurt
sprpmiti (oder aperpuiiti) bedeutet vertreiben.
stq^kij slov. Plet. st^pkiy die Rflhrmilch, Buttermilch.
gietxrilOf OBtecfirUi^ von der Wurzel trii (M. Etym.), vielleicht von
trowlo (slov. Gift): *travilo (akslav. OTpasii, orpaBa, Gift) durch
Metaih. zu tvatHoy Gift^ vergiften.
svdra der Langbaum, der durch das Vorder- und Hinterteil desWirt-
sehaftswagens geht.
ialtvoj Schalmei
iä^nii/ay das Kopftuch, wodurch ein Unterschied zwischen einer ver-
heirateten Frau und einem Mädchen gemacht wird (bei jungen immer rot).
iantalä^ba^ Giebel, stok. zabat
iarafigle Sehragen (mhd. schräge), Aber magy. saraglya.
iixrcfijzlin^ Geschirreisen.
kcfirga^ id^rgic^ vom magy. särga (gelb), als Pferdename.
iatrija^ iaHräti^ Matz. Ciz. vom ital. sciateria; slov. Plet auch
iatr^ay bedeutet ars magica, Zauberei.
ioepci^ Fmgerspitzen.
ü^lä^oR se^ repudio, wie im stok. neökuti se,
üga^ der Branoh, die Sitte.
25*
388 Frai^o Fftneer,
iemper^ vom magy. sarampö, Sohlagbaum.
iil^bäti^ raikr^bany auswalzen.
ikäfj ikatäla Iv. Broz., ahd. soaf, lat gcaphiam, BohachteL
ikriiiaj priikr{ii%kf It. Bros. Plet., ahd. scrini, Schrein.
priikrndtij anschranben.
ttahekuvati^ vom lat. sjllabioare.
i\aprcbkj Bjel. släpertek, ovnm irritnm, verdorbenes Ei.
ilaptatij schlappen.
sUgnMi^ iligati (auch ipigat%\ peitschen, anch schwingen (Ober-
haupt) und vielleicht davon abgeleitet.
sdpätij fattem (schoppen).
ipoUspotati^ spotancija^ vom dent. Spott usw.
iptdlay Spule.
Sreky vom deui sehrflge.
stäntj Stand, die Bude eines Verkäufers auf dem Markte.
itenge^ Stiege.
itigltnbc (itiglecj gen. itigleca)^ nach dem deut. Stieglitz.
Hlmäü se Iv.Broz. Plet., 1. bedeutet meinen, z.B. liAj ü »^ itima^
je l d^jq. was meinst du, kommt er (slov. auch]; 2. stolz sein, z. B. hi
sq i ti itimalj da b'i sq imql sce^m; auch preitima9väii se^ preititnan,
itentatif vom itaL stentare, Mflhe haben, zaudern.
itrapäf^c, strapaceräti^ vom deut. Strapaze, strapazieren.
itrhenkaUy slov. Plet. strbunkniti^ mit einem Worte herausplatzen,
(aber auch klimpern).
itrbdnknätij slov. Plet, bedeutet hineinplumpen tu e^do.
zaStrenkndtij itrencati^ sperren, schließen.
itrkati^ prskätif hier regnen.
iirükblj vom deut. bair. struckel.
Hüb^l^ Höhlung, Baumhöhle; düplaj
iturkatij mit dem Schnabel hacken, picken.
iüpa (Iv. Broz. vojvod)^ vom deut Schoppen, Schuppe.
iuj^ti (oder ctisnoti), Ohrfeige geben.
hä^sÜ^ti bedeutet säuseln, knirsen.
t^kot (plur. iekotijf die Federlaus.
teAoj slov. Plet ein bestimmt begrenzter Schatten (z. B. eines Mannes
Hauses), das Schattenbild ; äna (von thl^k) bedeutet eine auf der Bisfliche
ausgeschnittene, dann wiederum zugefrorene Stelle mit dünnem Eis.
tqntuh bedeutet Schleier.
Beitrüge sur Berbokroatischen Dialektologie. 389
torma^n, vom magy. torma, bedeutet Erenn.
töScay bedeutet einerseits Walddicbte, anderseits {ftoSci)^ Wald-
schatten.
tröHe^ Iv. Bros., vom deut. Trage (aucb tragle),
trcfim^ bair. Tram, Tragbalken.
^cast (kleiner dicker Mensch), derselben Wurzel wie trcbk^ slov.
Plet trcelj und tfceky Banmstrunk.
trüc^ trucdtif Trotz, trotzen.
iü^äfkay em hohler Cylinder, so auch sloyenisch.
tuiSica^ 1. Ellbel für Käse, slov. Ettbel, Schmalzkflbel; der Käse
heißt nach tuMca tuMcncfiky 2. BrunnenkronC; nach deut. Tonne.
tör, türg^ Iy. Broz. tur^ der Hosenlatz.
vändric^ Tom deut. Wanderer.
värguy vom magy. varga, Schuster.
vedäü Sßj veda m9 se^ Bjel. pertaedet me
verestüvätiy slov. Plet. t?—ro«^ot>a^«, wachen, aus magy. mra^^;/.
6
tmaAt (auch hmahi)^ schlecht.
vghaiif akslav. ^j^aTH, slov. vohati^ [Bkr.nj'tUliti), riechen.
-ooi in slepov^i -ia, Blindschleiche.
vrbcfinbCy Matz. Ciz. ital. fervenza, rum. ferbinca, Rotlauf.
zä^/riff bedeutet Einbrennen, von frigati (friggere).
zä^letäfkaj der Türriegd.
zatapilcUij verbergen.
zbeznUtiy aus einem Loche etwas hinaustreiben, vgl. slov. zbezäti.
zälta/j ranzig, icfiltUy Sommersprosse.
ialuväfi se, ialuvafine, bereuen, Reue.
zarffdclifj sagt man vom Speck, wenn er ungedeihlich geworden ist.
ildffaj der Weberrechen; vom deut. die Schlagen.
Hündra^ slov. ilQdra^ vom deut. Schinder.
hniäklarj auch zmikati
iMra, Schnurr.
i2l/a, slov. iupaj Suppe.
zvä^kätij kauen; preiivatiy (wiederkäuen), zvale.
iven^tty slov. Plet., klingeln.
io^c, slov. Plet iv^ca, vom deut. Schwärze, Wagenschmiere.
iv^pb^j slov. Plet. iviploy vom deut. Schwefel, ahd. suöüal.
390
Beiträge zur Enltargeschichte des serbisehen Volkes.
L Serbische Sehnleii (1768—1778).
Die Geschichte der Schnlen bei den Serben, die Geschiehte im vollsten
Sinne des Wortes, beginnt erst in den siebziger Jahren des ÄVJLIi. Jahrh.
Es gab zwar anch Tor dieser Zeit serbische Schnlen in österreioh-üngam,
selbe waren jedoch dorchans primitiv nnd tmgen einen privaten und
lokalen Charakter. Die meisten Lehrer dieser Schnlen besaßen nnr ober
flächliche Kenntnisse, nnd die Aufsicht über sie föhrten entweder die
Kirchengemeinden oder, in manchen Orten, allein die Priester, hie nnd da
gab es auch höhere Schnlen, aber anch diese trugen keine nationalen Merk-
male. Die Volks- sowie anch die höheren Schnl6n entstanden nnter dem
Einflüsse der einzelnen patriotisch gesinnten Bischöfe nnd Metropoliteni
welche die Bedeutung von Schule und Kultur erkannten, doch die Schnlen
fanden ihr Ende nach dem Hinscheiden ihrer Gründer. Von den Schulen
als Eigentum und Errungenschaft des ganzen serbischen Volkes kann alao
bis zu dieser Zeit keine Rede sein.
Die Ursache davon ist leicht zu finden. Die politische Lage des aer-
bischen Volkes in Österreich-Ungarn war nach der Einwaaderang nnter
dem Patriarchen Öarnojevic trotz aller von den österreichischen Herrschern
von Zeit zu Zeit verliehenen Privilegien nicht präzisiert Die Privilegien
sicherten zwar die besondere Lage und Autonomie den Serben, aber beide
waren sehr unklar, denn die Privilegien ergänzten oder widersprachen
sich manchmal. Selbst jene Rechte, welche in diesen Privilegien ausdrück-
lich garantiert wurden, erlangten nie die Ej-aft eines wahren Oeaetses. Die
schlaue Politik der österreichischen Regierung wünschte einzig nnd allein
durch diese Privilegien und Versprechungen sich in gewissen Momenten
die Anhänglichkeit des serbischen Volkes zu sichern. Die ungarisehe
Hof- Kanzlei bekämpfte aus Eifersucht die Sonderstellnng der Seiben
nnd bot ihren ganzen Einfluß auf, daß die Privilegien in der Praxis
auf ein Minimum herabgedrttckt wurden, und die mächtige katholische
Strömung strebte dahin, die Serben um jeden Preis zur Union zu zwingen,
ohne sich viel um die Bestimmungen der Privilegien zu kümmern. Alle
Beiträge zur KnltorgeBcliicbte des serbiBohen Volkes. 3i91
diese Umstftnde waren von nngttnstiger Wirkung auf das politische nnd
kulturelle Leben des serbischen Volkes nnd erstickten jede Entwicklung.
unter solchen Umständen konnte das serbische Volk als solches
nichts für seine Schulen leisten. An gutem Willen und an Versuchen fehlte
es nicht. Die serbischen nationalkirchlicheu Kongresse betonten im Laufe
des XVm. Jahrh. bei jeder Gelegenheit die Notwendigkeit der Schulen
nnd erbaten sich vom Herrscher die Erlaubnis ein Gymnasium, Seminar-
schulen und eine Buchdruckerei fttr serbbche Bücher zu errichten. Aber
alle diese Bitten blieben ohne Erfolg. Der ungarischen Hof-Kanzlei und
der katholischen Strömung, welche die Union der orthodoxen Serben an-
strebten, sagte es durchaus nicht zu, daß das serbische Volk seine Schulen
erhält und seine Kulturzustände verbessert
Doch in den siebziger Jahren des XVXII. Jahrh. änderten sich un-
Terhofift diese Verhältnisse. Unrichtig ist die Meinung serbischer Histo-
riker, daß damals die Osterreichische Regierung endlich den Bitten des
serbbchen Volkes nachgekommen und ihm die Erlaubnis zur Errichtung
Ton Schulen erteilt habe. Die Gründung und Organisation der serbischen
Schalen und Buchdruckerei rührt nicht vom Volke her, sondern die öster-
reichische Regierung arbeitete damals lebhaft dahin, indem sie sich Preußen
und andere Staaten des westlichen Europas zum Muster nahm, um das
Unterrichts wesen im ganzen Staate zu heben und zu erweitem. Die Männer,
weiche damals die Staatsgeschäfte führten, begriffen ungewöhnlich stark
die Bedeutung von Schalen. Die unzähligen Sitzungen des Hofkriegsrates,
der illjrischen Hof-Deputationen, der ungarischen Hof-Kanzlei und Hof-
Kammer hatten sich damals der Schulfrage gewidmet. Zahllose Akten
liegen im Wiener Finanz- und Kriegs- Archiv vor, voll von Vorschlägen,
Beaolationen und Verordnungen, die den Zweck hatten, das Schulwesen
zu verbessern und die Schalen zu vermehren.
Ich habe jene Akten, die sich auf unsere Verhältnisse beziehen, ge-
sammelt und werde es versuchen auf Grund derselben die damalige Kultur
und Entwicklung der Schulfrage bei den Serben zu schildern. Ich wählte
die Zeit von 1768 — 1778, weil dann die Wendung im Kulturleben des
serbisehen Volkes eingetreten ist. Der russisch -kirchliche Charakter,
den bisher die serbische Kultur getragen hat, ftogt in dieser Zeit an za
verschwinden, und an seine Stelle tritt der Einfluß der deutschen Kultur.
Deronbegrenste Einfloß des serbischen Klerus inSchulangelegenheiten, den
er von Klöstern her, noch aus dem Mittelalter mitgenommen hat, wurde in
dieser Zeit stark zurückgedrängt und seine Stelle nahm die Staatskontrolle
392 Aleksa Iviö,
ein. Es wurde fftr den Druck serbischer Bflcher eine Dmekerei gegrOndet,
die Zahl der Schalen bedeutend vermehrt nnd anf diese Weise bekam die
Anfklärnng einen großen Schwang in breitesten Schichten des Volkes.
Im Laufe des ganzen XVIII. Jahrh. kämpfte das serbische Volk in
Österreich-Ungarn ununterbrochen und bemühte sich seine Religion vor
dem Drange des Katholizismus zu verteidigen und seinen Privilegien die
gesetzliche Kraft zu verschaffen. Dieser Kampf war umso schwerer, da
die Serben in mehrere Gegenden zerstreut waren und unter mehreren
Verwaltungsbehörden standen. Alle diese Verwaltungsbehörden, mögen
an ihrer Spitze Deutsche oder Ungarn gewesen sein, waren gleich feind-
selig gegen die Serben gesinnt. AUe diese Behörden haben es versucht^
dieselben zur Union zu bringen, sei es durch Bestechung, sei es durch
Gewalt oder durch Betrug. Damit ist man so weit gekommen, daß das
serbische Volk in nichts Vertrauen hatte zu dem, was von den öster-
reichischen Behörden kam. In jeder Verordnung der Regierung, in jedem
fremden Buche, in jedem österreichischen Beamten erblickten die Serben
die Unionspropaganda. In stetem und ununterbrochenem Kampfe, ihre
orthodoxe Religion in ihrer ganzen Reinheit zu bewahren, wurden sie von
Rußland unterstützt.
Den russischen Büchern und russischen Lehrern schenkten sie vollen
Glauben und in der Liebe für ihre Religion gingen sie so weit, daß sie
nach und nach die russische Sprache in ihre Literatur einführten und
krampfhaft die Verbindungen mit dem russischen Volke unterhielten.
Das serbische Volk war damals einfältig und ungebildet, selbst seine
Intelligenz, die Priester, Offiziere und Kaufleute hatten keinen hohen
Bildungsgrad. Es gab damals viele Priester, in jedem Dorfe waren ihrer
mehrere, aber die Hälfte von ihnen konnte nicht einmal ihren Namen
ordentlich unterschreiben. Unter den Mi^liedem des hohen Klerus gab
es zwar Männer mit guter Bildung und guten Kenntnissen, aber die meisten
unter ihnen hatten die durchschnittliche Bildung der Priester. Die Offi-
ziere studierten größtentheils in deutschen Orenzerschulen, die auf einem
ziemlich niedrigen Niveau standen, denn die Lehrer waren gewöhnlich
ausgediente deutsche gemeine Soldaten ^). Kauf leute, Gewerbetreibende
und reiche Bauern besuchten die Volksschulen, deren es nur wenige gab
und die meistens von reichen Kirchengemeinden erriohtet worden waren.
Sie erwarben sich aber da sehr spärliche Kenntnisse, denn die Lehrer
1) Hof-Kriegs- Archiv 1 774, 20—60.
BeiMge zur Knlturgefehichte des serbiBehen Volkes. 393
pieser Seliiileii, welche entweder MOnche, Eirehensftnger oder Priester
ohne Diözese waren, wnBten selbst nicht viel. Hie nnd da gab es auch
in verschiedenen Orten Seminare, aber ihrer Grflndnng wnrden ebenfalls
grofie Hmdeinisse in den Weg gelegt. Als Beispiel dafär können wir das
Seminar in Temeschwar anfahren. Jahrelang wnrden Verhandlungen ge-
pflogen, jahrelangBittgesnche geschrieben, bis man endlich die Bewilligong
bekam ^). Ein Gymnasium aber konnte das serbische Volk nicht bekommen.
Welche Stimmung in Begiemngskreisen gegenflber den Serben herrschte,
illustriert uns am besten ein Fall, der sich im Jahre 1759 ereignet hatte.
Die ungarische Hof-Eanzlei erfuhr, daß die Serben ein Gymnasium in
Karlovits errichteten. Der Ausschuß beeilte sich sofort eine Anfrage an
den Kriegsrat zu stellen, wie so etwas überhaupt geschehen konnte und
ob der Herrscher davon Kenntnis gehabt habe? Zugleich fügte er hinzu,
dafi die Serben es nur aus Neid gegen die Katholiken getan hfttten. Und
jetzt beginnt in Angelegenheit dieser Schule in Karlovitz, die sich über-
haupt nicht ein Gymnasium nennen konnte, denn das echte Gymnasium
begann erst vom Jahre 1791 an zu existieren, eine lange Explikation').
Das erste Bdspiel, das sich die österreichische Regierung um die serbischen
Sehnlen kümmerte und an ihre Regulierung dachte, erhalten wir im
Jahre 1763. Am 1 1 . Dezember dieses Jahres entsendete die Hof-Kammer
zwei besondere Schreiben, eins an den Bischof von Karensebesch, Jovan
Gjorgjeviö, das andere an den Bischof von Temeschwar Vinzenz Jovanovi<S-
Vidak, in denen diese um die Meinung gefragt werden, ob es gut wftre
n ihren Diözesen einige Schulen zu errichten und gebildete Lehrer an-
zustellen»)?
Schon am 13. Jänner 1764 sandte Bischof Vinzenz die Antwort und
einen umfangreichen Vorschlag, wie man die serbischen Schulen ver-
bessern könnte. In der Einleitung dieses Schreibens beklagte er sich über
böse Leidenschaften und Fehler, die sozusagen ein Bedürfriis in seinem
Volke geworden sind. Diese Fehler waren Viehdiebstahl, Schlftgerei,
Mord nnd Bigamie. Durch die Vermehrung und Verbesserung der Schulen,
meinte er, könnte man das Volk zum Dienste für den Kaiser fiüiig machen
und in ihm christliche Tugend und Liebe erwecken. Sein Vorschlag ent-
hielt neun Punkte, nach ihm sollten die Volksschulen und das Seminar
1) Finanz- Archiv Fase. 32, Nr. 19 u. Nr. 5.
S) Hof-Kriegs-Areh. 1759, o. 74—203.
S) Flu. Arch. Fase. a2, Nr. 10.
394 AlekBft Iviö,
in Temeschwar auBSchließlich vom Elerns verwaltet werden, die mate-
riellen Opfer hätte aber nicht der Staat, sondern das Volk dnrch Stener-
erhebnngen zu tragen ^].
Bischof Jovan Gjorgjevid, der sich, wie bekannt, um die Schulen nieht
viel kümmerte^), hatte auch bei dieser Oelegenheit den BegierongSTor-
schlag sehr leicht aufgefaßt. In seiner Antwort vom 6. Februar 1764
sagt er, daß Schulen in seiner Diözese unnötig seien, weil er selber daflir
sorge, daß die Jugend die notwendige Belehrung im Christlichen Glauben
erhalte '}.
Diese Antworten übersendete die Hofkammer am 4. März desselben
Jahres an die Landes- Administration in Temeschwar mit dem Auftrage,
sie möge auf der Basis dieser Antwortschreiben einen Beschluß fassen,
was in Sachen der Verbesserung der serbischen und walachischen Schulen
im Banat zu tun notwendig wäre ^). Die Landes- Administration hielt wegen
dieser Frage am 29. Mai 1764 eine Sitzung unter dem Vorsitze des Grafen
Johann Perlas und in Anwesenheit beider Bischöfe des Banats ab. Wie
alle andern Behörden damals, so war auch die Banater Landes- Administra-
tion feindselig gegen die Serben gesinnt und sie bestand mit ganzer Kraft
darauf, die Errichtung von serbischen Schulen zu verhindern. Der Vor-
schlag des Bischofs Vinzenz, neue Schulen zu errichten, die alten zu vei^
bessern, ein Seminar in Temeschwar zu gründen, die Eltern gesetzlich zu
zwingen, ihre Kinder in die Schule zu schicken, wurde mit der Motivierung
zurückgewiesen, die neuen Schulen wären unnötig und würden das Volk
viele Opfer kosten. Alle Kinder können so wie so nicht die Schule be-
suchen, denn die Serben und Rumänen, besonders die ärmeren, brauchen
ihre Kinder für Feldarbeiten und zum Viehhüten ; sie hätten daher nur
Schaden, wenn ihre Kinder gezwungen wären, die Schule zu besuchen.
Der Vorschlag über die Errichtung eines Seminars mußte ebenfalls fallen,
denn es sei nicht möglich ein Seminar zu erhalten, da die Serben keinen
Fond haben und das Ärar bereits vollständig erschöpft sei, Erhebungen
von neuen Steuern aber sei ein ausschließliches Recht des Herrschers,
über welches sie nicht verfügen dürfen. Bei dieser Beschlußfassung kam
der Landes-Administration der Bischof Gjorgjevid zu Hilfe, denn er be-
hauptete auch jetzt, daß in seiner Diözese die Schulen unnötig wären, da
i) Flu. Arch. Fase. 32, Nr. 14.
^ PaJHk, HcTopHJa KaTBZusBia, Seite 25.
3; Fin. Arch. Fase. 32, Nr. 41. *] 1. c. Fase. 32, Nr. 15.
zur Enltorgefehiohte des serbischen Volkes. 395
er selber dafür sorgt, die Jugend in Glauben nnd Oottesfiiroht zu erziehen«
Auf Grand dieser Behauptung des Bischofs Gjorgjeviö legte die Landes-
Administration dem Bischof Vinzenz ans Herz, er möge sich ein Beispiel
an dem Bischof Gjorgjevi^ nehmen und sich ebenfalls in seiner DiOzese
um die Erziehung der Jugend kammern. Das Resultat dieser Bewegung
in der Bchulfrage ist der Beschluß der Landes- Administration, daß zu-
künftig die serbischen Kinder in die deutschen Schulen im Banat auf-
genommen werden können. Nachdem der Hof-Eammer in Wien der Bericht
Aber den Verlauf der Sitzung der Landes-Administration erstattet wurde,
billigte sie gftnzlich ihren Standpunkt und damit war die Schulfrage für
eine gewisse Zeit von der Tagesordnung verschwunden i).
Russische Bflcher und Lehrer, den Einfluß der rassischen Kultur,
ein und dieselbe Religion, die Stammverwandtschaft der Russen und Serben,
alles das ftlrchteten die Osterreichischen Behörden. Diesen russisch-ser-
bischen Beziehungen schrieben sie auch die Auswanderung der Serben
nach Rußland Tom Jahre 1751 — 1754 zu, die einen großen Schaden dem
Kaiserreiche yerursachte, weil dadurch seine südliche Grenze gegen die
Türkei bedeutend geschwftcht wurde. Aber da seit der Auswanderung
nach Rußland diese Beziehungen noch enger wurden, beschloß die öster^
reichische Regierung eine Buchdrackerei zum Dracken serbischer Bücher
SU gründen und verbot die Büchereinfuhr aus Rußland; weiter beschloß
sie, serbische Schulen zu errichten, um dadurch den russischen Einfluß zu
verdrängen und das serbische Volk vom russischen gänzlich zu isolieren.
Die Banater Serben waren damals die hervorragendsten und die
Daten über ihre Lebensverhältnisse sind größtenteils erhalten. Dank den
vielen Berichten der Landes-Administration, die an die Hof-Kammer und
die illjrische Hof-Deputation gerichtet waren, können wir heute ein ganz
klares und bis in die Einzelheiten gehendes Bild der damaligen Entwick-
lung der serbischen Schulfrage im Banat herstellen. Die Hof-Kammer
interessierte sich am meisten für die Banater Serben, weil ihre Zahl groß
und sie in nächster Nähe der rassischen Grenze und des rassischen Ein-
flusses waren. Anfangs 1768 (24. Jänner) beschäftigte sich die Hof-
Kammer wieder mit der serbischen Schulfrage und verlangte von der
Landes-Administration den Bericht, wie viele Schulen im Banat von der
serbischen und rumänischen Jugend besucht werden; was für Lehrer in
Schulen seien; was bis jetzt in dieser Richtung geschehen und was
^) flu. Arch. Fase. 32, Nr. 41.
396 AlekBE Ivid,
man znkfinftig zu tim gedenkt ^) ? Die Landea-Administration antwortete
anf die gestellten Fragen nnd am 9. Oktober 1768 übersandte die Hof-
Kammer diese Antwort an die illyrische Deputation. Ans der Antwort
der Landes- Administration konnte man ersehen, daß die Grflndnng und
Verbesserang der serbischen Schulen unbedingt notwendig sei ; deshalb
fragte die Hof-Kammer die illyrische Deputation um ihre Meinung in dieser
Sache ^). Unter den Akten im Finanz-Archiv kann man nicht finden, was
die Hlyrische Hof-Deputation antwortete.
Damals lebte in Wien ein gewisser Daniel Lazarini, Jurist und
Studierender der Finanzwissenschaft. Die Hof-Kiunmer beschloß, ihm die
Reorganisation der serbischen Schulen and das Verfassen eines Schulbuches
zu überlassen. Zugleich bot sie ihm an, die Aufsicht über die Schulen in
seine Hllnde zu nehmen und zugleich verlangte sie von ihm men Entwurf,
wie die Reform der serbischen Schulen auszuführen wäre. Lazarini war
im Banat geboren, aber es ist mir nicht klar, welcher Nation er angehörte.
Er selber sagte, er sei ein serbisch-rumänischer Nationalist Die Ver-
hältnisse seiner Heimat kannte er sehr gut und in Schulsaehen war er
ebenfalls bewandert Anfangs 1769 unterbreitete er seinen Entwurf.
Dieser kann der Hauptsache nach auf folgendes reduziert werden:
1. Es sind wenigstens in größeren Dörfern geschickte Schullehrer
anzustellen, die zugleich das Dor&otariat fahren könnten. In diesen
Dorfschulen wären Katechismus, Lesen, Schreiben und die vier Arten ein-
facher Rechnung zu lehren.
2. Ein 'Schulbuch sei zu verfassen, das die Einleitung in das Gebet-
lesen undRechnen, einige Schriftformulareund die Belehrung in den Haupt-
pflichten enthielte. Das Buch sei in Rymnik, in der Groß- Walachei zu
drucken.
3. In Temeschwar wäre eine Schule zu errichten für diejenigen, die
weiter lernen wollen. Hier sollten die Religionslehre in der Muttersprache,
Rechnen, Grammatik wenigstens bis zur Syntax in. drei Sprachen, der ser-
bischen, lateinischen und deutschen, außerdem die Hauptregeln der Rhetorik,
Buchführung, Logik, Ökonomie, Weltgeschichte und Geographie vor-
getragen werden.
4. Von denjenigen, die ihre Kinder nach dem 8. und 9. Jahre die
Schule nicht besuchen lassen wollen, wäre eine Steuer zu erheben, die
man zum Besten der fleißigen Schüler verwenden sollte.
1) Fin. Aroh. Fase. 32, Nr. 31. >} 1. o. Nr. 36.
Beitri&ge znr Enltargeschiohte des serbiflchen Volkes. 397
. 5. Jene 2 000 Gulden, die die Earloyitser Metropolie von dem Ätat
bekommt nnter derBedingang, sie znm allgemeinen Besten sn verwenden,
wären ftlr die Schulen zn verwenden.
Was die Inspektion der Schulen und die Abfassung des Schulbuches
anbelangt, so nimmt es Lazarini auf sich unter der Bedingung, daß ihm
zugleich irgendwo eine Stelle in der Landes-Eanzleioderim Landesgericht
in Temeschwar gegeben und ihm ein neunmonatlicher Urlaub gewährt
wfldre, um die begonnenen Studien zu vollenden.
Über diesen Vorschlag Lazarinis verhandelte die Hof-Kammer im
Juli 1769. Der Referent war Hofrat Herteli, der den Entwurf Lazarinis
in Vielem korrigierte und ergänzte. In seinem Beferat sagte Herteli, daß
man in jedem Orte, wo wenigstens 60 Häuser sind, eine Schule eröffnen
sollte. Der Gehalt dieses Lehrers in diesen Orten wäre 30 Gulden jähr-
lich. In den Orten, wo mehr als 60 Häuser sind, hätte der Lehrer 40 und
in den Orten mit mehr als 100 Häusern, hätte er 60 Gulden jährlich.
Die gesamten Kosten trägt die Gemeinde. Das Schulbuch wäre in beiden
Sprachen, der serbischen und rumänischen, zu verfassen und dem Volke
kostenlos zu geben, um es auf diese Weise möglichst zu verbreiten. Der
Referent ist nicht damit einverstanden, daß man in Temeschwar eine
Schule errichte, denn die wenigsten Serben und Rumänen werden diese
Schule besuchen, auch scheint es ihm nicht klug, eine höhere Schule an
der Staatsgrenze zu errichten, sondern er w^de vorschlagen gute deutsche
Schulen in Temeschwar, Groß-Becskerek, Maria Teresiopel, Verschez,
Lugosch, StMiklosch, Karansebesch, Weiß-Kirchen, Öakovo und anderen
größeren Orten zu errichten. Diese Schulen sollte in erster Zeit der Staat
aushalten, damit die Leute ihre Kinder lieber in diese Schulen schickten.
Außerdem schlägt er vor, den braven Schülern von Zeit zu Zeit, besonders
aber bei der Prüfung kleine Geschenke in Elleidem oder anderen Sachen
zu machen. Er ist nicht damit einverstanden, daß man von denjenigen,
die ihre Kinder nicht die Schule besuchen lassen wollen, Steuer erhebe,
weil man in dieser Weise den Haß des Volkes gegen diese Neuenmg
hervorrufen könnte. Endlich ist er einverstanden, daß man dem Lazarini
die Stelle des Schul-Inspektors gäbe, da es scheint, daß er die nötigen
Kenntnisse dazu habe, und es wären ihm jährlich 600 Gulden zu bestimmen,
außerdem noch 12 Schober Heu für die Pferde i).
1) In seinem Bittgesuche unterschrieb sich Lazarini »Daniel Lazarini,
beeden rechten und cameraU-wissenschafift zuhörer« Fin. Arch.Fa0c.d2, Nr. 44.
398 AlekM Ivid,
In dieser Zeit wurde der serbische Eirchenkongreß abgehaltmiy der
nebst der Wahl des neuen Metropoliten nnd der vielen anderen Angelegen-
heiten anch noch die Aufgabe hatte, über die serbische Schulfrage zu yor»
handeln. Als Kommissär des Königs bei diesem Kongresse fungierte
Oraf Hadik. Am 20. Oktober referierte er der Hof-Kammer von dem
Wirken des Kongresses behufs Gründung von serbischen Schulen. In
seinem Referate schlug er dem Herrscher vor, eine Kommission im Banat
einzurichten, die den Stand der Schulen prüfen und ihm Bericht erstatten
würde. Die Illyrische Hof-Deputaüon sandte an die Hof-Kammer dieses
Referat von Hadik und unterstützte ihrerseits seinen Vorschlagt).
Inzwischen vollendete im Oktober 1769 Lazarini seine Studien nnd
begab sich nach dem Banat, um dort eine Stelle zu suchen. Unterwegs
erkrankte er und blieb so lange in Preßburg, bis er wieder gesund wurde.
In Wien hatte man keine Ahnung, was mit Lazarinigeschehen, und die Hof-
Kammer forderte in einem Dekrete Lazarini auf, das Lesebuch für die
serbischen und rumänischen Schulen zu verfassen. Diesem Dekrete legte
sie noch eine präzise Anleitung bei, an die er sich beim Verfassen dieses
Schulbuches halten müßte. Die Polizei suchte Lazarini in Wien, um ihm
das Dekret zu übergeben, aber vergebens. Am 9. Dezember meldete der
Hof- Kammer ein gewisser Krüpl, der zum zweiten Male den Auftrag
erhielt, Lazarini aufzusuchen, daß er ihn trotz aller Mühe nicht finden
konnte ^). Zuletzt erfuhr man, daß Lazarini nach Temeschwar abgereist
sei und sich bei dem dortigen Bischöfe befinde. Deshalb beauftragte die
Hof-Kammer am 23. Dezember 1769 die Landes-Administralion von
Temeschwar, Lazarini aufzusuchen und wenn er wirklich dort ist, ihm
den Auftrag zu geben, das Schulbuch zu verfassen; wollte er es nicht
tun, so möge die Landes- Administration einen anderen finden, der im
Stande wäre, diese Sache auf sich zu nehmen'). Aber wie gesagti
Lazarini lag krank in Preßburg darnieder. Die Landes-Administration
von Temeschwar suchte ihn eine geraume Zeit, aber vergebens; dann am
3. März 1770 schlug sie auf Anraten des Metropoliten und illyrischen
Volkssekretärs Nenadovid der Hof-Kammer zwei andere statt Lazarini
vor, nämlich den unierten Archimandriten Arsen Popoviö, der in Qroß-
wardein lebte und einePension von tOOO Gulden genoß, oder den Sekretär
des ehemaligen nicht unierten Bischofs von Kronstadt, DemetriusBostasiuBy
i) Flu. Arch. Fase. 32, Nr. 56. ^ 1. e. Nr. 32.
>} 1. c. Nr. 104.
BdtrSge zur Enltnrgeschichte dee serbischen Volkes. 399
der Ka dieser Zeit in Kronstadt in Siebenbtirgen lebte. Beide sprachen
YoUkonunoi deutsch, lateinisch, rum&nisch und serbisch; sie waren frtther
selbst Lehrer gewesen ^).
Um diese Zeit wnrde Lazarini in Preßbnrg gesund und führte den
ersten Teil des Schulbuches zu Ende und sandte ihn an die Kammer.
Dem Manuskripte fügte er noch ein Schreiben bei, in dem er die Schwierig-
keiten, mit denen er zu kämpfen gehabt hatte, bis er diesen ersten Teil
vollendete, schilderte. Für die andern zwei Teile habe er schon das
Material gesammelt und wolle, wenn der erste Teil angenommen würde,
die andern gleich beginnen. Zugleich bat er, ihm die versprochene Schulr
Inspektion zu gebend).
Über dieses Schulbuch und Bittgesuch Lazarinis wurde in der Sitzung
der Hof-Kammer vom 1 1. März 1770 beraten. Die Elammer gibt zu, daß
das Schulbuch im Großen und Ganzen nach den Instruktionen ausgearbeitet
sei, es haben sich jedoch gewisse Fehler eingeschlichen. In dem Dekrete,
das Lazarini zum Verfassen des Schulbuches beauftragte, wurde ins-
besondere der Wunsch geäussert, beim Schreiben des Schulbuches die
lateinischen Buchstaben zu verwenden, aber gleich auf den ersten Seiten
hatte Lazarini auch die russischen Buchstaben als eine Erleichterung beim
Lernen verwendet Daran scheiterte die hauptsächliche Absicht der
Österreichischen Regierung, welche durch die Einführung der lateinischen
Buchstaben in den serbischen Schulen jedwede Beziehung zwischen dem
russischen und serbischen unterrichte abbrechen wollte. Deshalb mußte
man diese Buchstaben auslassen, die lateinischen Buchstaben anwenden,
um den Schülern diese Buchstaben zu lehren. Das Buch fiel zu groß aus,
viel größer, als man es wollte. Zuletzt wäre dieses Schulbuch einer
strengen Zensur lu unterwerfen, da es aber der Ejunmer nicht bekannt
war, wem man diese Aufgabe mit Sicherheit anvertrauen könnte, so mußte
man deswegen die Kaiserin Maria Theresia fragen, ob man das der
illyrischen Hof-Deputation oder der Temeschwarer Landes-Administration
anvertrauenkönnte, nämlich dieZensur zu besorgen. Die Kaiserin beschloß,
vorläufig die Herausgabe des Buches zu sistieren und dem Metropoliten
au&utragen, er möge einen Katechismus für den Druck vorbereiten, aus
welchem die serbische und rumänische Jugend die nötige Belehrung im
Glauben bekommen würde. Zu gleicher Zeit erlaubte sie, daß Lazarini
für zwei Jahre provisorisch als Schul-Inspektor ernannt werde.
1) Fin. Arch. Faso. 32, Nr. 66. ^ 1. c. Nr. 59.
400 AlekMlvid, ^
Diesem Beschlüsse entsprechend gab man am 12. Mai LaEarini an
wissen, daß er die weitere Arbeit am Bache nicht fortsetEcn mOge, daß
er aber snm Schal-Inspektor ernannt wnrde^].
Inzwischen hielt aach die illyrische Hof-Depatation eine Sitanng am
22. April 1770 wegen der serbischen Schalfrage ab. In dieser Sitsung
worde beschlossen, das Mannskript Lazarinis zn verwerfen, denn es ent-
spreche nicht den Bedllrfnissen eines Volkes, wie es das serbische nnd
das ramänische sei Graf Hadik hatte es noch am vorigen Kongreß dnreh-
gefohrt, daß statt der bisherigen Seminare, in jeder DiOzese die klerikalen
Schalen für Priesterkandidaten gegründet werden. Deshalb beschloß die
Depatalion, den Metropoliten and die Bischöfe am Rat zn fragen, welche
Personen als Lehrer in diesen klerikalen Schalen zn ernennen wären.
Aaßerdem möge jeder Bischof erklären, wie viele Waisen er in die Schale
seiner Diözese anfnehmen nnd ihnen die Nahrang, Kleider and Bfloher
geben könnte. Nach der Meinang der Deputation wäre diese Frage sehr
wichtig, weil dann die Kirchengemeinden nicht gezwangen wären, nnr
solche Kinder, die die Mittel zum Lernen besitzen, in die Priesterschale
anfzanehmen, sondern es würde aach arme Priester geben, welche, da sie
kein Eigentam besitzen, nicht an die Stelle gebanden sind, weshalb aie
der Diözesan nach Bedarf leicht versetzen könnte. Der Metropolit mttßte
Soi^e tragen, daß jeder Bischof einen Bericht über den Znstand der Schüler
seiner Diözese, von ihren Fähigkeiten and dem Fortschritte in der Schule
nsw. erstattete. Daraof ging man aaf die Volksschalen über. In diesen
herrschte bisher viel Unordnung, der man ein Ende machen maßte. Be-
sondere Aafmerksamkeit müßte man darauf verwenden, daß die Lehrer
moralische nnd gebildete Männer sind, widrigenfalls man sie enüassen
sollte. Sobald das Kind das fünfte Jahr vollendet, müsse man es in die
Schale schicken. Der Lehrer müßte pünktlich in der Schale erscheinen
and dürfe nicht vor der bestimmten Zeit die Schalstanden anterbrechen
Jede Schale müßte drei Klassen haben, die erste, zweite nnd dritte. So-
lange ein Kind die eine Klasse nicht vollständig erlernt hat, sollte es nicht
in die höhere kommen. Der Lehrer müßte jedes Halbjahr einen Beridit
aasarbeiten über den Fortschritt der Kinder im Lernen nnd diesen Bericht
durch den Metropoliten an die Hof-Kammer senden. Die serbischen
Schalen befinden sich in einem sehr schlechten Znstande und es gibt
hrer auch. nur wenige. Ebenfalls sehr schwer könnte man einen Lehrer
») Pin. Arch. Fase. 32, Nr. 59
Beiträge snr Knltorgeflohiehte des serbisohen Volkes. 401
ans jener Gegend auftreiben, der den Ansprüchen nachkommen könnte.
Im Interesse des Staates ist die Beform notwendig nnd die Hof-Depntation
bittet die EaLserin diesen Plan zn genehmigen nnd in Sachen der Beform
der serbischen Schnlen eine Konferenz einzubemfen, an welcher anßer
den Yertretem der illyrischen Hof- Deputation anch noch die Vertreter
des Hof-Kriegsrates nnd der ungarischen Hof-Ejmzlei teilnehmen würden.
Gegen diese Beform der serbischen Schnlen hatte sich nur der ungarische
Hofrat GjOry geäußert aus Furcht, daß durch diese Beform neue Aus-
gaben notwendig sein würden, die dem Staatsärar zur Last fielen.
Die Kaiserin genehmigte den Vorschlag der illyrischen Hof-Depu-
tation, daß die höchsten politischen Behörden zusammentreten und ge-
meinsam einen Plan für dieBeoi^anisation der serbischen und rumänischen
Schulen ausarbeiten. Sie äußerte bei dieser Gelegenheit auch den Wunsch,
der Metropolit möge möglichst bald einen kurzgefaßten Katechismus zur
Belehrung der orthodoxen Kindern ftlr den Druck 7orbereiten ^). Auf
Grund dieses Beschlusses sandte am 13. Hai die iDyrische Deputation
ei&e Zuschrift an die Hof-Kammer, in welcher diese aufgefordert wurde,
die Deleperten für die gemeinsame Zusammenkunft zu wählen^). Zu
gleicher Zeit ist wahrscheinlich auch eine Einladung an den Kriegsrat und
die ungarische Hof-Kanzlei ergangen. Im Finanz-Archiy ist der Beschluß
der Hof-Kammer in dieser Sache aufbewahrt, wodurch dieselbe den Baron
Stopan als Delegierten bei dieser Zusammenkunft bezeichnet hat*).
Die Delegiertenkonferenz der höchsten politischen Behörden hatte
die Aufgabe, sich im allgemeinen über die Begulierung der serbischen
nnd rumänischen Schulen zu yerständigen. Diese Arbeit war, ohne den
Znstand der damaligen serbischen und rumänischen Schulen zu kennen,
undurchführbar. Die Berichte, die bisher über die genannte Frage aus-
gegeben wurden, waren unvollständig und flüchtig. Sehr oft widersprachen
sie sich. Wir haben keine sicheren Daten, waxm diese Konferenz ab-
gehalten wurde und wie sie yerlief , aber aus indirekten Daten ersieht
man, daß sie zu keinem positiven Besultate gelangten, sondern die
Delegierten verständigten sich nur darin, emen präzisen Bericht von dem
Znstande der serbisohen Schulen zu verlangen. Baron Franz Keller,
Präsident des Hof-Kriegsrates, sandte, beauftragt von dieser Konferenz,
am 30. August 1770 ein Schreiben an die Hof-Kammer, de möge ihm
den obengenannten Bericht verschaffen. Am 8. September dieses Jahres
1) Fin. Arch. Fisc. 32, Nr. 121. . >) Ibid. ^ Ibid.
AreUT ftr lUiiteli« P]iUologie. ZXIX. 26
402 Aleksa Iviö,
sandte die illyrische Hof-Deputation, aufgefordert von der Hof-Kammer,
len Auftrag an die Landes-Administration von Temescbwar, die Daten
über die serbiaehen und rumänisehen Scbulen zu sammehi ^).
Inzwiscben weilte Daniel Lazarini ununterbrocben in Temesebwar,
wo er Stadtsyndikus geworden war, was damals als eine angesebene Stellung
betraebtet wurde. Die Landes-Administration übermittelte ibm den Be-
scbluß der Kaiserin, wodurcb sein Scbulbucb verworfen und er provi-
soriscb für zwei Jabre zum Scbul-Inspektor ernannt wurde. Lazarini war
es scbwer, seine sicbere Stellung aufzugeben und er sandte durch Ver-
mittlung der Landes-Administration die Bedingungen, unter welchen er
die Scbul-Inspektion annehmen würde. Er verlangte j&hrlicb 900 Gulden,
das Futter ftlr seine zwei Pferde, außerdem für das Verfassen der Schul-
bücher und Anleitung der Lehrer einen besonderen Bezug und noch dne
höhere Stelle beim Staate oder wenigstens das Versprechen, daß er die-
selbe bekommen werde, sobald er aufhörte Scbul-Inspektor zu sdn^.
Schon die Landes-Administration in ihrem beigelegten Briefe vom
25. August 17 70 bemerkte, daß diese Bedingungen übertrieben seien und
als solche erkannte sie auch die Hof-Kammer. Der Mitregent und Sohn
der Kaiserin, Josef, der als ein Freund der Volks-Aufkl&rung bekannt
war und der sich auch für serbische Schul- Angelegenheiten interessierte,
faßte den Beschluß, die Frage über den Schul-Inspektor vorläufig auf-
zugeben ^j. Und nach diesem verschwindet aus den Akten von der Reform
der serbischen Schulen der Name Daniel Lazarini.
Einen umfangreichen Bericht betrefib der Zahl der Schulen, der
Fähigkeiten der Lehrer, der Zahl und Erfolge der Schüler in unseren
Gegenden auszuarbeiten, war eine schwere Arbeit und die Landes-Ad-
ministration vom Banat war lange Zeit nicht in der Lage aUe Schwierig-
keiten zu überwinden. Dagegen verlangte Kaiser Josef, daß die Frage
betreffs der serbischen und rumänischen Schulen so bald als möglich er-
ledigt werde *). Deshalb forderte die Hof-Kammer öfters diesen Bericht,
weil sie ohne ihn nicht an die Schulreform herantreten konnte. Aus die-
sem Grunde sandte sie am 22. Dezember 1770 zwei Schreiben, das eine
an die Illyrische Hof-Deputation, das andere an die Landes-Administrar
tion von Temesebwar^). Nächsten Jahres am 23. März verlangte die
Hof-Kammer aufs neue und zwar sehr energisch den obengenannten Be-
1) Fin. Arch. Fase. 32, Nr. 48. «) 1. c. Nr. 104. ») Ibid.
*) I.e. Nr. 11. 5) I.e. Nr. 104.
BeitrSge ziir Eultnrgeschichte des serbiBchen YolkeB. 403
rieht Ober die serbiBchen und rnmänischen Schulen und forderte eine Er-
klftning, aus welcher Ursache diese Angelegenheit so lange verzögert
wurde 1). Am 18. Juni 1771 endlich kam der verlangte Bericht und die
Hof-Kammer sandte ihn schon am 26. Juni zur Prüfung an die Dlyrische
Hof-Deputation 2).
In dieser Zeit nahm die Zahl der Bittgesuche um die Lehrerstellen
immer mehr zu. Der Erzpriester von Cakovo Eamensky, geboren in einer
polnischen Gegend, unweit von Kiew, hatte schon am 30. August 1770 um
die Stelle des Schul-Inspektors gebeten, aber die Hof-Kammer legte diese
Bitte bei Seite, da damals schon Lazarini zumSchul-Inspektor ernannt wor-
den war '). Im Jahre 1771 wiederholte Kamensky seine Bitte mehrmals, her-
vorhebend, daß er der Sohn adeliger Eltern sei und daß er in seiner Gegend
auch bisher die Schul-Inspektion gehabt habe. Am 23. März wurde ihm
geantwortet, daß solange die Schulfrage nicht geregelt ist, sein Gesuch
in suspenso bleiben müsse ^]. Als aber Kamensky sein Gesuch wieder im
April d. J. einsandte und als gewisse Dinge an den Tag kamen, die für ihn
nicht gar lobenswert waren, antwortete ihm die Hof-Kammer am 22. Mai,
daß sie seiner Bitte keine Folge leisten könne ^). Außer vielen anderen
bewarb sich zu dieser Zeit um eine Lehrerstelle auch ein gewisser Johann
Cupka, ein ausgedienter gemeiner Soldat. Ihm antwortete die Hof-Kammer,
er möge sich an die Landes -Administration wenden und sich dort einer
Prüfung unterziehen^). Das Jahr 1772 brachte keine wesentliche Ver-
änderung in der serbischen Schulfrage. In den Wiener Archiven sind
keine Daten aufbewahrt, die sich im allgemeinen auf diese Frage beziehen
würden.
Anfangs 1773 wurde die Frage des Schul-Inspektors für deuBanat
erledigt. Am 6. Februar d. J. verständigte die Hof-Kammer die Landes-
Administration von Temeschwar, daß zum Schul-Inspektor der serbischen
und rumänischen Schulen im Banat Theodor Jankovi<^, der bisherige
Sekretär des serbischen Bischofs von Temeschwar, ernannt wurde. Von
dieser Zeit an spielt dieser Jankoviö eine sehr wichtige Rolle in der
Geschichte der serbischen Schulen. Er ist in Syrmien geboren und
studierte in Wien, wo er die Vorlesungen des Professors Sonnenfels be-
suchte, bei welchen er die vorgeschriebenen Prüfungen an der philoso-
phischen Fakultät der Wiener Universität ablegte. Auf die Empfehlung
«) Pfai. Arch. FaBC. 32, Nr. 94. ^ l c. Nr. 112.
«) 1. c. Nr. 52. *) 1. c. Nr. 94. ») 1. c. Nr. 104.
«) I.e. Nr. 109.
26*
404 AlekBalviö,
der Orafen Glary, dee Präsidenten der Landes -Administration, dem
Jankoyi6 wegen seiner Reinheit im Privatleben, seiner Bescheidenheit und
Fähigkeiten halber gefiel, worde er von der Hof- Kammer znm Schnl-
Inspektor ernannt. Als jtiirlicher Gehalt wnrde ihm von der Eammo-
600 Gnlden nnd ein Deputat fttr seine Pferde bestimmt i).
Die Beschlflsse des serbischen Kongresses von 1769 wurden der
illyrischen Hof-Depntation übergeben, die sie am 27. September 1770
unter dem Titel das »Illyrische Regulamentc veröffentlichte. In diesem
Regulament wird an zwei Stellen von den serbischen Schulen gesprochen
und man gab das Versprechen, in einem besonderen Regulament die Frage,
wiedieserbischen Volks- undanderen Schulen zu reformieren sind, zu lOsen.
Die Abfassung dieser Schulstatuten wurde der illyrischen Hof-Deputation
anvertraut, die sich im Laufe 1773 sehr oft mit ihnen befaüte. Es wurden
viele Sitzungen zur Beratung über die Regulierung der serbischen Schulen
abgehalten. Anfangs debattierte man nur über die Hauptpunkte, die man
regulae directivae nannte. Aus den Akten dieser Sitzungen ersehen wir,
daß die bisherige deutsche Ausschließlichkeit und die katholische Unduld-
samkeit bedeutend nachgelassen hatten und statt dessen gewahrte man
vernünftigere und gesündere Ansichten der österreichischen Gesetzgeber
dieser Zeit. Die regulae directivae hatten zur Basis die Statuten der
deutschen Schulen und die Berichte der Landes- Administration über den
damaligen Zustand der serbischen Schulen. Wie ein roter Faden durch-
zieht die Diskussion dieser Sitzungen das Bestreben der Deputation, die
'serbischen Schulen von der Vormundschaft der Kirche zu befreien und sie
selbständig zu machen.
Anfangs 1774 waren die regulae directivae fertig und die illyrisehe
Deputation schickte sie an die Hof-Kammer. In ihrer Sitzung vom 9. März
d. J. prüfte die Hof-Kammer diese regulae und bewilligte sie. Zugleidi
beschloß sie, daß sich in Temeschwar eine Kommission bilde, deren Vor-
stand der Landespräsident sein sollte und in welcher als Mi^lieder einige
Administrationsräte, der Schul-Inspektor und ein oder zwei Priester beider
Konfessionen ihren Platz haben würden. Diese Kommission würde in den
Schulfragen entscheiden. Den Bischöfen und Priestern müsste man es
nahe legen, daß sie kein anderes Recht, ausgenommen dasjenige des
Religionsunterrichtes, in der Schule haben. Ebenfalls wäre es sehr not-
wendig, daß man einige Männer, die serbisch und deutsch können, nach
1) Fin. Arch. Fase. 32, Nr. 12.
BdtrSge cur Enltargeaehiohte des Berbischen Volkes. 405
"^en beriefe und sie daselbst die neae Schnllehnnethode stadieren ließe.
Diese könnten naohher die anderen serbiscben und rnmftnischen Lehrer
in dieser Methode belehren i).
Die'Haaptponkte des Scholregnlaments, bekannt unter dem Namen
regnlae directivae, sind folgende:
1. Um den Mangel an Bildung zu beseitigen muß man der Jagend
überall die Gelegenheit versehaffen, sich auszubilden.
2. In allen Orten, in deren Nfthe weder eine griechisch orthodoxe
noch eine katholische Schule ist, wo aber die Aussicht vorhanden ist,
daß man eine solche Schule erhalten kann, muß man eine neue Schule
bauen.
3. In den Orten, wo viele Katholiken wohnen, soll man katholische
Schulen errichten und katholische Lehrer einsetzen, in jenen Orten dagegen,
wo nur die Griechisch-orthodoxen wohnen, oder die ELatholiken in großer
Minderheit sind und diese keinen Priester haben, muß man nicht unierte
Lehrer anstellen. In jenen deutschen Schulen, welche von den serbischen
ELindem besucht werden, muß man diesen freundlich entgegen kommen
und darf man ihrer Beligion kein Hindernis in den Weg legen.
4. Die alten Schulgebäude muß man renovieren.
5. Es wird als Regel angenommen, überall dort, wo sich eine
serbische Pfarre befindet, eine Volksschule zu eröffiien^).
Erst jetzt, wo die regulae directivae fertig waren, konnte man ernst-
hafter an die Lösung der serbischen Schulfrage herantreten. Am 11. Jnn
sandte die Hof-Kammer die »Regulae directivae« an die Landes-Ad-
ministration von Temeschwar mit dem Auftrage, sie möge den Bestim-
mungen dieser Regulae directivae folgend, mit dem Bau und der Reno-
vierung der Schulgebäude beginnen. Kach dem Plane sollten 373 neue
Schulgebäude erbaut und 2 1 renoviert werden. Da dies aber mit großen
Ausgaben verbunden war, faßte die Hof-Kammer in der Sitzung von
24. Oktobtr 1774 folgenden Beschluß: 1. Man muß für den Schulbau
das Holzmaterial kostenlos liefern, 2. Ebenfalls umsonst mußte man
die notwendige Schuleinrichtung geben, 3. Es sollten auf Staatskosten
10 000 Stück Schulbücher (Alphabetbücher) gedruckt und den Schulen
gesehenkt werden, 4. Man sollte alljährlich eine Summe von 1 500 Gulden,
die man dem Staatsärar entnehmen sollte, darauf verwenden, Geschenke fOr
t) Fin. Arch. Fase. 32, Nr. 83.
S) Ibid. und Nr. 15.
406 AlekBarltid,
fleißige Schiller zu kaufen i). Zugleich beauftragte die Kaiserin den Baron
Andreas Matesen, Feldmarschallentenant und Eommissftr am serbischen
Eirchenkongreß, im Einremehmen mit dem Bischöfe Ton Temeschwar
und der Landes-Administration^ an der Verbesserung der Schulen im
Banate zu arbeiten. Diesem Befehle, der in Wien am 24. Mai 1774
gegeben wurde, wflrden die »Regulaedirectivae« und genaue Instruktionen,
nach welchen sich Matesen in seine Arbeit zu richten hatte, bei-
gegeben^).
Die verwickelte Schulfrage kl&rte sich in dieser Zeit immer mehr und
mehr auf. Die Kaiserin Maria Theresia, noch mehr aber ihr Sohn Joseph,
waren vom aufrichtigen Wunsche durchdrungen, im ganzen Lande und in
allen Schichten des Volkes Aufklärung zu yerbreiten. Deswegen wurde
am 1. Mai 1774 der Abt Johann Fellbieger, der schon zu dieser Zeit die
Schulreform in Preußen durchgefflhrt hatte und in ganz Europa berflhmt
war, nach Wien berufen. Fellbieger begann sofort zu arbeiten, machte
den Plan für die Regulierung der Schulen und ftihrte die neue moderne
Lehrmethode ein. In Wien hielt er Vorlesungen, in denen er die Lehrer
und Lehrer-Kandidaten in der neuen Methode unterrichtete.
Schon im Oktober 1774 trat man an die Einführung der Methode
Fellbiegers heran. Von Wien aus wurden nach allen Richtungen diejenigen
Lehrer geschickt, die die Vorlesungen Fellbiegers besucht und bei ihm
die Prüfung gemacht hatten. In dieser Zeit konnte man schon genauer
die Einteilung der Schulverwaltungsbehörden bestimmen. Die Militftr-
schulen in serbischen Gegenden hatten in jedem Regiment eine besondere
Verwaltungsbehörde und in jeder Militfirgrenze eine Schulkommission.
Darnach waren auch die Schulen in das Banater Regiment deutscher
Ansiedler, in die Banater illyrische Militärgrenze, in die Banater rumä-
nische, in die Banal Militärgrenze, in die Karlstädter und slayonische
eingeteilt. Nach jeder von diesen Militärgrenzen wurde ein Schiller Fell-
biegers als Schuldirektor und einige von ihnen als Triviallehrer entsendet').
Zu gleicher Zeit veröffentlichte man die Statuten ftlr die deutschen Schulen
und das Schulbuch (Abcbuch) in deutscher Sprache gedruckt. Nach
der Schukeform von Fellbieger teilte man die Schulen in die Normal-,
Mittel- und Volks-Schulen ein. In jeder Provinz war je eine Normalschule.
Die Mittelschulen wurden in größeren Orten und die Volksschulen in jeder
Pfarre eröffnet.
1) Fin. Arch. Fase. 32, Nr. 1 7. «j Ibid.
8) Hof-Kriegs-Archiv 1774, 24—274.
Beiträge snr EultnrgeBobichte des serbischen Volkes. 407
Durch die Emennnng des Theodor Jankovid zum Schulinspektor ist
eioe glflckliche Wahl gemacht worden, weU Jankovid seiner Anfgabe
gewachsen war.
In den Akten des Finanz- Archivs finden wir wiederholt seinen Namen
und die Berichte über seine Arbeit. Für die dem Staate geleisteten Dienste
verlangte er in einem Bittgesnche von 9. Jnli 1774 von der Hof-Kammer,
ihm den Adel zn verleihen ^). Die Hof-Kammer wies vorläufig sein An-
suchen ab, als er es aber am 20. August wiederholte, wurde ihm der
Adel mit dem Prädikat »liGrjevo« verliehen ']. Als Schulinspektor bezog
er einen ziemlich kleinen Gehalt und die Reisekosten waren groß; des-
wegen wandte sich Jankoviö zu Ende des 1775 an die Hof-Kammer mit
dem Ansuchen, ihm noch 150 Gulden jährlich als Reisekosten gelegent-
lich der Schulbesichtigungen zu geben. In der Sitzung vom 21. Jänner
und 4. März 1775 wurde dem Ansuchen Jankovid' Folge geleistet']. An-
fangs dieses Jahres wurde er zum Konsistoriumsmitgliede der Diözese
von Verschetz gewählt; zu gleicher Zeit wurde auch der uns gut bekannte
Stadtsyndikus von Temeschwar Daniel Lazarini zum Konsistoriumsmit-
gliede der Diözese von Temeschwar gewählt. Diese beiden Wahlen
wurden am 22. April 1775 von der illyrischen Deputation bestätigt^).
Im folgenden Jahre veröffentlichte man noch einige wichtige Ver-
ordnungen für serbische Schulen ; es wurde endgültig der Text des Schul-
regulaments bestimmt und dieses Regulament sowie das Schulbuch (Abc-
buch) gedruckt. Am 11. April wurde die Sitzung der illyrischen Hof-
Deputation abgehalten, bei welcher der Abt Fellbieger seine Meinung
über die Regulierung der serbischen Schulen äußerte. Er brachte einen
Vorschlag, wodurch man Jankovid nach Wien berufen und ihm da die
Abfassung des Schulbuches für die serbischen Schulen anvertrauen sollte.
Jankovid soUte in Wien einen Kurs bei Fellbieger nehmen, um sich wo-
möglich besser in der neuen Methode zu vervollkommen. Nach Fellbiegers
Meinung genügte für Jankovi6 ein zweimonatiicher Kurs, weil er auch
sonst ein kenntnisreicher und begabter Mann sei. Um so früher sollte
Jankoviö kommen, da schon am 18. November 1774 den Bischöfen von
Temeschwar und Verschetz befohlen wurde, die geeigneten Personen aus
i) Fin. Arch. Fase. 65, Nr. 18.
^ Ibid. Er unterschrieb sich von jetzt angefangen: »Theodor Jankovich
von Myrievo«.
^ 1. c. Fase. 24, Nr. 44 und Nr. 16.
^ 1. c. Fase. 33, Nr. 64 und Nr. 29.
408 Alekia iTid,
dem BerbiBchen Volke in die Wiener Normalschnle za adueken, was aber
big jetst nicht geschah. Außerdem schlug Fellbieger Tor, daß die Kinder
unter 8 Jahren die Schule über Sommer und die ttber 8 Jahre Aber Winter
besuchen sollen, da sie im Sommer den Eltern in der Arbeit helfen
mflssen ^). Er brachte noch einige weniger wichtige YorschUlge und viele
wurden von der illyrischen Hof-Deputation angenommen. So beschloß
sie am 15. Juni Jankovid nach Wien zu berufen und bestimmte ihm, so
lange er sich in Wien aufhielte, 3 Gulden täglich 2).
Am 21. August 1776 wurde in Wien eine außerordentliche Sitsaag
abgehalten, bei welcher Baron Beischach, Graf Koller, Abt Fellbieger,
die Hofräte Greiner und Weingarten und Franz Kees, Beferent der Hof-
Kommision, anwesend waren. Es wurden viele Beschltlsse, die sieh auf
die serbischen Schulen bezogen, gefaßt Zu dieser Zeit hatte schon die
Schulreform bedeutende Erfolge. Im Banat selbst waren 1 83 Schulen mit
ziemlich guten Lehrern ; auch in andern serbischen Gegenden vermehrte
sich die Zahl der Schulen so sehr, daß fflr diese Avram Mrazovi6 und
Stephan YiganovskizuSchulinspektoren ernannt wurden*). Es wurde auch
das illjrische Begulament abgeändert und das Gesetz Aber serbische
Schulen, das sich in dem Begulament befand, bedeutend umgearbeitet
Die obengenannte Kommission beschloß, das Begulament an die Bischof-
Synode, die am 21. September d. J. zusammenkam, zur Begutachtung zu
senden. Zugleich wurde die Aufgabe der Schulkommission und der
Wirkungskreis des Schulinspektors genau festgesetzt
Inzwischen war Jankovid mit seinem Schulbuohe, welches er nach
dem deutschen Schulbuche ausgearbeitet hatte, fertig. Das Manuskript
Jankoviö' wurde einem gewissen Atanasius Sekeresch zur Prüfung gegeben,
der in ihm Fehler fand und einige Abänderungen vorschlug. Die Hof-
Ejunmer aber wies die Vorschläge ab und ließ im Oktober 1774 das Schul-
buch von Jankovid unverändert drucken^). Am 9. Oktober referierte
Jankovid der Hof-Kammer auch über den zweiten Teil seines Buches,
Aber die Lehrmethode. In diesem Beferat beklagte er sich über viele
Schwierigkeiten, die er beim Verfassen dieses Buches überwinden mußte ^.
Die bedeutendste Arbeit jedoch in diesem Jahre waren die Statuten
fllr die serbischen Schulen, die unter dem Titel »Das Begulament der
i) Fin. Arch. Fase. 32, Nr. 83. >) 1. c. Nr. 7 und Nr. 1.
«)Lc. Nr. 41. *) I.e. Nr. 41. ») L e. Nr. 40.
8} Ibid.
BeiMge svr Knliiiigescliidita doB Berbkehen Volkefl. 409
ülyrifloheii Deputation« von 2. November 1776 fOr die illyrisehen Volks-
Bchnlen gedruckt wurden. In diesem Begnlament ist es genau bestimmt^
wo man das Schulgebftude bauen soll und wie es sein muß ; was man alles
von dem Lehrer verlangt, welohe Rechte der Schulinspektor und welche
die Schulkommission habe, was alles in der Schule gelernt werde, wie lang
der Schulunterricht dauern soll, welche Kinder verpflichtet seien, die
Schule zu besuchen, welche Bücher Schulbttcher sind, usw. Durch dieses
Schul-Begulament wurde die schwere Arbeit der Lösung der serbischen
Schulfrage zu Ende gefOhrt.
Durch die Schulreform wurde das Ansehen des Lehrerstandes be-
deutend gehoben. Bisher waren die gemeinen Soldaten und Kirchendiener
Schullehrer, jetzt aber muBte jeder Lehrer vorerst einen Kurs besuchen
und sich dann einer Prüfung unterziehen. Ihr Oehalt wurde ebenfalls
stark erhöht. Aus den Referaten über die Einnahmen und Ausgaben,
die aus den einzelnen Orten an den Hof-Kriegsrat geschickt wurden, sieht
man, daß die Lehrer ziemlich gut bezahlt waren und angesehene Stellen
inne hatten ^).
Die Referate der Schul-Kommissionen im Laufe 1777 und 1778
weisen schon auf eine regelmässige und fortschreitende Arbeit hin. Die
Zahl der Kinder war für damalige Verhältnisse bedeutend. Dagegen wurden
die deutschen Schulen immer seltener und seltener von den serbischen
Sandern besucht. So z.B. in Weiß-Kirchen von 122 Schulkindern, die die
Schule im Schuljahre 1776/1777 besuchten, waren nur fünf serbische
Schüler. Die Grenzerlehrer erhielten ihren Oehalt aus der Militärkasse,
waren im Range des Feldwebels und durchwegs deutsch und katholischen
Glaubens.
Was die Gründung der Klerikalschule in Neusatz betrifft, so gab
Graf Franz Koller im Auftrage des Herrschers schon am 2. November
1774 eine Note heraus, wodurch ihre Erbauung gestattet wird^). Vor-
läufig aber wurde für diese Klerikalschule gerade so wie für das Gym-
nasium in Karlovltz nichts weiter getan.
In dieser Weise wurde die serbische Schulfrage ihrem Ende zugeführt.
Sie verschwindet zu gleicher Zeit mit der illyrisehen Hof-Deputation, die
sieh mit ihr durch so viele Jahre unermüdlich befaßt hat. Die Lösung
der serbischen Schulfrage wurde ohne Mitwirken des serbischen Volkes
t) Hof-Eriegs-Archiv 1776, 38-^1.
>) Fin. Arch. Fase. 32, Nr. 30.
41 0 Aleksa Iviö, BeiMge sor KnltoigeBehiclite des serbiBehen Volkes.
begonnen nnd ohne dasselbe aach gelöst. Erst im Jahre 1778 beklagte
sieh der Metropolit Vinzenz Jovanovid-Vidak im Namen des serbischen
Volkes, Ober unzählige Ungerechtigkeiten, die dem serbischen Volke dnrch
das illyrische Regnlament gemacht wurden. In seiner Beschwerde berflhrt
der Metropolit anch die serbischen Schulen und legt den Standpunkt des
serbischen Volkes in dieser Frage auseinander^). Diese Beschwerden
des ehrlichen Metropoliten wurden aber bei Seite gelegt, und niemand be-
achtete sie.
1) Hof-Kriegs-ArchiY für das J. 1778, Depart lit B.
Aleksa Iviö.
Kritischer Anzeiger.
Dr. Wenzel Vondräk. Yergleichende slayische Grammatik. I. Band.
Lautlehre und Stammbildangslehre. Oöttingen 1906. X + 531.
Eine ^) recht schwere Aufgabe hat sich Yondrik gestellt, denn man wird
wohl zugeben, daß bei dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft »das Be-
düri^s nach einer Grammatik, die das Shivische mit den anderen und zwar
insbesondere mit den zunächst verwandten indoeuropäischen Sprachen er-
klärend zu vergleichen hätte«, wenn auch lebhaft empfunden wird, so doch
nicht allzu leicht befriedigt werden kann. Erstens fehlt es noch sehr an Vor-
arbeiten auf dem weiten Gebiete der slavischen Philologie (z. B. vermißt man
bisjetzt erschöpfende Darstellungen der Sonderentwicklung der meisten sla-
vischen Idiome), und zweitens sind die Ansprtlche und Forderungen, die an
eine »Vergleichende Grammatik« gestellt werden , keineswegs zu gering.
Dazu ermächtigt uns der gewaltige Aufschwung der Sprachwissenschaft seit .
etwa 30 Jahren. Was nun das uns vorliegende Buch betrifft, so bin ich leider
gezwungen, schon im voraus zu sagen, daß es die Lücke, von der oben die
Rede war, nicht ausfüllt. Die Schuld daran tragen zum Teil die äußeren Ver-
bältnisse, zum Teil trägt sie der Verfasser selbst, da sein Werk der ganzen
Anlage nach ftlr verfehlt zu betrachten ist. Eine ausführliche Begründung
dieses Urteils sollen die nächstfolgenden Zeilen bringen, wobei alles, was un-
wesentlich ist, unberührt bleiben muß.
Zu einer längeren Auseinandersetzung gibt Anlaß schon die erste Seite
des Vorworts. Es handelt sich nämlich um folgende Äußerung des Verfassers :
»Das Slavische, das hier (d. h. in ,einer Grammatik, die das Slavische mit den
^} Obgleich unsere Zeitschrift bereits eine Besprechung der »vergleichen-
den slavischen Grammatik« Prof. Vondriks von Prof. Brückner gebracht hat,
so trägt die Redaktion doch kein Bedenken, einer zweiten, eventuell auch
einer dritten usw. Besprechung des Werkes Raum zu gönnen. Auf diese
Weise kommen verschiedene Gesichtspunkte zur Geltung und die wissen-
schaftliche Einsicht kann dabei nur gewinnen. Die vorliegende Besprechung
betont hauptsächlich prinzipielle Fragen der »urslavischen« Grammatik, d. h.
berührt das Verhältnis der slavischen Grammatik, als Einheit gedacht, zu den
verwandten indoeurop. Sprachen, resp. Grammatiken. Es gibt aber auch an-
dere (jesichtspunkte, die zur Sprache kommen könnten. F. •/'.
412 ELritiBoher Anzeiger.
anderen and zwar insbesondere mit den zunächst verwandten indoenropMi-
schen Sprachen erklärend zn vergleichen hättet zunächst in Betracht kbne,
wäre freilich das Urslavische ... Das Urslav. kann aber nnr ans den lebenden oder
wenigstens schriftlich ... erhaltenen slav. Sprachen erschlossen werden. Wenn
auch hierbei dasAltkirchenslavische als die älteste ans schriftlich überlieferte
slav. Sprache in erster Beihe steht, so darf man es doch nicht durchwegs in
der Rolle des Urslav. auftreten lassen, in mehrfacher Hinsicht kann es sie
allerdings übernehmen. Man muß also in einer vgl. slav. Gramm, in erster
Beihe die vorhandenen oder überlieferten slav. Sprachen berücksichtigen,
wenn man nicht den Boden unter den Füßen verlieren will.« Den Boden
unter den Füßen darf man gewiß nicht verlieren, aber man tut es doch sicher-
lich, wenn man das Altkirchsnslavische die Bolle des Urslavischen »in mehr-
facher Beziehung« spielen läßt, denn ein mixtum eompontufn aus erschlossenem
Urslavisch und dessen Tochtersprache ist ja geradezu unzulässig i). Da an-
dererseits eine »vergleichende slavische Grammatik« ohne Urslavisch über-
haupt undenkbar ist, so erweist sich als erste Aufgabe die Bestimmung des
Laut- und Formenbestandes desselben. Erst dadurch wird die Grundlage ge-
wonnen, auf der wir unser Gebäude weiter ausführen dürfen, denn das direkte
Zusammenstellen der einzelnen Slavinen mit den verwandten Idiomen wider-
spricht den methodischen Grundsätzen der vergleichenden Sprachwissen-
schaft.
Was das Urslavische selbst betrifft, so kann es, der Meinung des Ver-
fassers nach, »nur aus den lebenden oder wenigstens schriftlich erhaltenen
slav. Sprachen« erschlossen werden. Dagegen ist einzuwenden, daß wir kein
Becht haben, nur diejenige Stufe in der Entwicklung des slavischen Zweiges
Urslavisch zu nennen, die der Zersplitterung der slavischen Spracheinheit in
einzelne Sprachen unmittelbar vorausgegangen ist, denn Urslavisch nennen
wir doch die Sprache des slavischen Stammes von dem Moment an, als auf
dem älteren vorslavischen Grande speziell slavische Züge hervortraten, bis
zur Zeit der Auflösung dieser Sprache. Zwar wissen wir nicht, wie lange die
urslavische Periode gedauert hat, aber eine relative Chronologie der sprach»
liehen Erscheinungen läßt sich doch mehrfach gewinnen. Nun ist es ohne
weiteres klar, daß weder die Geschichte des Urslavischen innerhalb der ange-
gebenen Grenzen, noch der Ausgangspunkt der speziell slavischen Sprach-
1) S. lY lesen wir: »Wird bei einem Worte die Provenienz sonst nicht
näher bezeichnet, so ist es in der Begel altkirchenslav. (bez. kirchenslav., wo-
rüber in der Einleitung) und in solchen Fällen meist auch urslav.« Diese Be-
merkung kann einen wenig erfahrenen Leser öfters auf Abwege verleiten.
Erstens muß man doch in einer Vgl. Sl. Gr. altslavisch und kirchenslavisoh
auseinanderhalten, was der Verfasser gelegentlich auch tut; öfters aber ver-
zeichnet er kirchenslavische Wörter als altslavische (altkirchenslavische); vgl.
S. 104 vydra, S. 283 vkna, S. 83 erscheint sogar ein koH, kothk%. Zweitens
kann man doch nicht behaupten, daß ein Wort ohne nähere Bestimmung der
Provenienz in der Begel altkirchenslav. und in solchen Fällen meist auch
urslav. ist, wenn man Wörter wie noiib (S. 81), inajqüa (S. 125) u.dgl. m. ohne
solche Bestimmung aufiummt
Vondräk, Vergleichende bI&v. Grammatik, angez. yon Porzeziiski. 413
entwieUtmg ohne Vergleichnng der letzteren mit den anderen verwandten
Sprachen erschloBsen werden kennen. Der Verfasser tut es ja selber in dem
uns vorliegenden Bnche, und ich hätte die Worte über den Weg, der allein
znm Urslavischen führen soll, ohne Widerlegung lassen sollen, wenn die ganze
Darstellung der Schicksale der etzteren nicht deutlich davon spräche, daß
wir a. a. 0. keine gelegentliche Undeutlichkeit im Ausdruck, sondern eine
Nachwirkung des Grundfehlers sehen müssen, von dem weiter unten die Rede
sein wird. Es wird sich herausstellen, daß Vondr^ verschiedene Stufen der
Spraehentwicklung öfters zusammenwirft und überhaupt manchmal keine
Grendinien zieht, wo dieselben gezogen werden müssen. Daher stammt auch
das uns befremdende StiUschweigen über die Beziehungen der slavischen
Sprachen zu den baltischen, deren gar nicht erwähnt wird : weder im Vor-
wort, noch in der Einleitung äußert sich der Verfasser, und doch hätte er uns
sagen sollen, was er darüber denkt, denn im Buche selbst taucht hier und da
was »baltisch-slavisches« oder »litauisch- slavisches« auf. Wenn man die
baltisch-slavische Spracheinheit nicht anerkennt, muß man doch auseinander-
setzen, welche Gründe dagegen sprechen, wenn man sie anerkennt, muß man
diese Periode im Leben der slavischen Sprachen folgerichtig berücksichtigen ;
gelegentKche Erwähnung der baltisch-slavischen Ursprache hat keinen Sinn.
I. Schon das Wenige, das ich bisjetzt berührt habe, gibt uns eine Vor-
stellung von den schwachen Seiten des uns vorliegenden Buches. Der wich-
tigste Fehler ist das eben besprochene Zusammenwerfen der Tatsachen, die
auseinandergehalten werden müssen. Es will mir sogar scheinen, als ob der
Verfasser Überhaupt nicht der Meinung ist, daß nur folgerichtiges Unterschei-
den der einzelnen Stufen der bez. Sprachentwicklung zur richtigen Beurteilung
derselben führen kann, denn anders ist sein Verfahren kaum zu erklären.
Man müßte sonst annehmen, dies Abweichen von den Grundbedingungen der
linguistischen Forschung sei zufälligen Ursprungs und beruhe auf ungenügen-
der sprachwissenschaftlicher Schulung. Wie dem auch sei, den Weg zum
richtigen Verständnis der Geschichte der slavischen Sprachen hat Vondräk
sich selbst abgesperrt. Wenn man nun die Frage aufwirft, was für einen Wert
unsere Rekonstruktionen sprachlicher Zustände haben können, insofern die-
selben nicht direkt belegt sind, so ist es ohne weiteres klar, daß der ultra-
skeptische Standpunkt, den z. B. MeiUet in seiner »Introduction k T^tude
comparative des langues indo-europ6ennes< vertritt, nicht berechtigt ist Die
erschlossenen Tatsachen sind mehr als bloße Symbole, obgleich so manches
nur annähernd bestimmt werden kann. Man darf nur nicht vergessen, daß
unsere Rekonstruktionen ganzer Sprachperioden notgedrungen mehr ideell,
als man wünschen möchte, ausfallen werden, weil alle Stufen, die eine Sprache
durchlaufen hat, in ihrer Reihenfolge genau zu unterscheiden wir [nicht im-
stande sind und öfters auf einer Fläche dasjenige zusammenbringen, was in
Wirklichkeit nie zusammengehört hat. Es heißt nicht, unsere Aufstellungen
sind durchschnittlich falsch, sondern es heißt nur, wir entwerfen ein mehr
oder weniger ideelles Bild, indem wir mit vollem Bewußtsein einer besimmten
Periode sprachlicher Entwicklung alles zurechnen, was eine Veriinderung im
Vergleich mit dem älteren Zustand aufweist und dabei eine spätere Stufe noch
414 EritiBcher Anzeiger.
nicht erreicht hat, ohne GewShr dafür leisten zn können, daß der Prozeß in
allen Ponkten gleichmäßig verlaufen ist, nnd unsere Bekonstmktion eine in
einem bestimmten Zeitpunkt gesprochene Sprache wirklich darstellt Die
Fortschritte der Wissenschaft auf dem Gebiete der vergleichenden Grammatik
der indoeuropäischen Sprachen, insbesondere manche glänzende Entdeckung
der letzten Dezennien seit Anfang der 70-er Jahre, bieten den besten Beweis
dafür, daß wir wirklich vorwärts rücken; das zuerst aus großer Entfernung
aufgenommene Bild der Gesamtentwicklung unseres Sprachstammes ge-
winnt immer mehr an Sch&rfe und Klarheit, wobei die anfangs unvermeid-
lichen Perspektivfehler allmählich berichtigt werden. Dagegen versetzt uns
das Buch von Yondräk in die Zeiten der ersten Anläufe und Anstrengongen,
indem es ein verschwommenes nnd ganz schiefes Bild der Sondergeschiehte
des slavischen Sprachzweiges gibt, das den Anforderungen der Gegenwart
nicht mehr entsprechen kann. Man wolle z. B. folgende Passus vergleichen,
die ich herausgreife, um dieses Urteil zu rechtfertigen.
1) S. 13 liest man im Abschnitt Über > Ursprung nnd Bestand der nrslav.
Vokale«, daß ein >ursprachliches a zu o wurde, was eben auch die geschlos-
sene Aussprache verrät, o blieb zwar, aber unter bestimmten Bedingungen
wurde es so verengt, daß es zu u, aus dem ein i geworden ist, führte (-m, -on
im Auslaute)«. Vom ursprachlichen a zum urslavischen o führt also ein direk-
ter Weg; ein ursprachliches o blieb im Urslavischen, wurde aber unter be-
stimmten Bedingungen zu ti, augenscheinlich zu der Zeit, als ein a noch nicht
zu o geworden war. Über das Verhältnis zum Baltischen wird a. a. 0. kein
Wort gesagt. S. 80 ff. findet man aber gleich im Anfang der eingehenden
Untersuchung der Schicksale des slav. o-Lautes die Lehre von der Entstehung
eines o aus e auf urbaltisch-slavischem Boden in heterosyll. e^ mit der Be-
merkung: >in einzelnen slav. Sprachen kann es sonst noch unter bestimmten
Bedingungen aufkommen, z. B. r. ozero ,SeeS akaLJezero, lit Heros ,Teich,
kleiner See'«. Etwas weiter (S. 82) wird gesagt; »Urspr. kurzes a führte eben-
falls zu 0. Da auch im Lit. a und o dasselbe Besultat ergeben, nämlich ein a,
so scheint urspr. a schon in der Zeit der baltisch-slavischen Urgemeinschaft
mit 0 zusammengefallen zu sein«. Dies alles widerspricht doch dem oben mit-
geteilten Passus von S. 13, wo ein direkter Übergang des urspr. a ins slav. o
angenommen wird. Es stellt sich weiter heraus, daß der Satz : >a wurde zu
0 ..., 0 blieb zwar, aber unter bestimmten Bedingungen wurde es ..... verengt«
den Tatsachen, die S. 82 besprochen werden, geradezu widerspricht: wenn
nämlich urspr. a und o schon im Urbaltisch-Siavischen zusammengefallen sind,
so ist es ohne weiteres klar, daß slav. o zu der Zeit verengt wurde, als es nur
einen o-Laut gab, in dem urspr. a und o aufgegangen waren. Was die Er-
wähnung der urbaltisch-slavischen Periode betrifft, so verfährt der Verfasser
a. a. 0., wie auch anderwärts, folgendermaßen: im Abschnitt, wo die Cre-
schichte der Laute in großen Zügen skizziert wird, findet man in der Begel
darüber kein Wort, dagegen erscheint gelegentlich, aber keineswegs folge-
richtig, das Urbaltisch-slavische in den speziellen Paragraphen, wobei ge-
wöhnlich eigentlich nur die litauischen Entsprechungen erwähnt werden; man
vergleiche z.B. S. 24 ff., die der Geschichte des • gewidmet sind, oder S. 32 ff.
Yondr&k, Vergleichende slav. Grammatik, angez. von Porzezi^akL 415
wo ttber die Aussprache des lit e einiges mitgeteilt wird, obgleich der Leser
nichts davon erfährt, was für ein Zosammenhang zwischen slav. e und lit. e
angenommen werden muß. Demnächst hebe ich hervor, daß der Schloß: »Da
anch im Lit. a und o dasselbe Resultat ergeben, nämlich ein a, so scheint
nrspr. a schon in der Zeit der baltisch-slavischen Urgemeinschaft mit o zu-
sammengefallen za sein« keineswegs zwingend ist. Der Zosammenfall vom
orspr. a und o im Litanischen hat an und fUr sich doch nichts zu sagen: es
könnte ja eine speziell litauische Erscheinung sein. Daß dem nicht so ist,
beweisen die anderen baltischen Sprachen, die uns zu der Annahme eines
urbaltischen a zwingen. Endlich bemerke ich noch, daß die Behauptung, ein
o ktfnne in einzelnen slavischen Sprachen unter bestimmten Bedingungen auf-
kommen, entschieden irre führen kann, da sie nicht in den Znsammenhang
paßt und ungenau nur auf S. 48 verweist, wo über das russ. o in ozero u. dgl.
gehandelt wird.
2) S. 32 ff. enthalten die Untersuchung über »Ursprung und lautliche
Geltung« des e. Vondr&k beginnt mit der Lehre, daß der ursprachliche kurze
e-Laut im Slav. »entschieden zu einer geschlossenen Aussprache hinneigte«.
Daher wurde es, seiner Meinung nach, oft zu b, »im Lit. wurde hingegen das e
meist sehr offen ausgesprochen, weshalb es auch zu a werden konnte, vgl. lit
väkaras ,AbendS üksh vererb; naaarä ,SommerS aksl. re^na ,FrtthlingS gr./ia^«.
Was die Ausdrücke »oft«, »meist«, »auch« in den angeführten Sätzen betrifft,
so stehen dieselben in solch einem Zusammenhang, der unwillkürlich gute
alte Zeiten in Erinnerung bringt, als man die Spracherscheinungen nur be-
schrieb, anstatt sie zu erklären, aber für jetzt wollen wir das beiseite lassen
und unsere' Aufmerksamkeit daraufrichten, daß der Verfasser absolut falsch
das lit a aus e beurteilt, indem er solche Erscheinungen zusammenwirft, die
auseinandergehalten werden müssen. Das dialektische a aus e im Litauischen
darf doch nicht mit vorlitauischem o auf eine gleiche Linie gestellt werden,
denn in väkaras sowie auch in vasarä haben wir nach dem Zeugnis des Letti-
schen (vgl. lett vakarsy vasara) jedenfalls mit einem vorlitauischen a zu tun,
was wir über seinen Ursprung auch denken mögen. Die gewöhnliche, auf
J. Schmidt zurückgehende Erklärung (Pluralb, p. 196 ff.) sieht in dem a dieser
Wörter ein Assimilationsprodukt
Die Geschichte des e auf slavischem Boden weiter verfolgend, lesen wir
bei Vondrik von der Veränderung des e zu b (S. 35 ff.). Hier sucht der Ver-
&flser bestimmte Bedingungen zu entdecken, die diesen Übergang beeinflußt
haben, also 1) wird, seiner Meinung nach, 6 zu b vor % (j), z. B. aksl. goattje;
2) vor anderen palatalisierten Konsonanten (ist dennj ein palatalisierter und
nicht vielmehr ein palataler Konsonant?), z. B. aksl. ;>bct ; 3) nach (f, i, i dia-
lektisch, p. csUery, geg. aksl. ietyre; 4) sonst äußerst selten, ptzditi. Dies alles
ist auch ein schönes Beispiel vom Zusammenwerfen ganz verschiedener Tat-
sachen. Der Übergang « : b, » vor J ist doch grundsätzlich was anderes, als
die von Vondr&k im Anschluß an einige Sprachforscher angenommene Wand-
lung eines e zu einem b vor palatalisierten Konsonanten, nach ^, i, i und »sonst
äußerst selten«. Es ist doch vollkommen klar, daß einerseits in v^V, trhje eine
speziell slavische Erscheinung vorliegt, deren Grenzen und Ursache schon
416 KritiBeher Anzeiger.
längst erkannt worden sind; die baltischen Sprachen behalten dageges vor j
das alte 0, vgl. lit. vejü (lett viju ist eine Analogiebildung). Anderers^ts
haben wir ein solches slav. b, dem ein baltisches t znr Seite steht Zwar ent-
sprechen genau einander in Beziehung auf den Wurzelyokal nur urslav. tin
(aus *w + vb) und lit ws, sowie urslay. bhzdiU und lit hizdius, aber es kann
doch nicht daran gezweifelt werden, daß man in all den Beispielen, die Yon-
dr^ den Kategorien 2—4 zurechnet, kein speziell slavisches h vorfindet Der
Versuch, dies h als eine slavische Veränderung des e zu erklären, der ver-
schiedentlich gemacht worden ist (vgl. Archiv XXVI, S. 571 ff. und XXYII,
S. 142), führt nicht zum Ziele und konnte es auch nicht tun, da man 1) die
litauischen analogen t (z. B. in kibü) nicht in Betracht zog, und 2) zwei Grup-
pen (altslay. pbci und hdij von der dritten Gruppe (r. bzdk^ zu trennen ver-
suchte. Dazu kommt auch der Umstand, daß im Siav. ein %, dem ein baltisches
u zur Seite steht, in einigen Stammsilben mit ursprOnglichem e : o-Vokalismos,
in solcher Umgebung erscheint, die den Gedanken von speziell nrslavisohem
Wandel des 0 zu einem ^ vollkommen ausschließt Als Beispiele seien ange-
führt altslav. eh%tit% {neben chotkt); altslav. nikhda; lit ugnU. Vondrik ver-
sucht S. 89 dieses « anders zu deuten, aber der Weg, den er einschlägt, ist
z. T. sehr unsicher. Altslav. ehztiti wird dabei auf ein ^chniiti zurttckgeftthrt;
dazu kommt noch die S. 146 gegebene Erklärung des 0 in ehoUti, das schon
urslav. ans betontem ^ entstanden sein soll. Der Verfasser sucht seine Ver-
mutung über das ^ in ch^titi durch die ganz und gar unwahrscheinliche An-
nahme eines urslavis chen 0 aus betontem « zu retten. Bezeichnend ist der
Umstand, daß eben ch^tit^ die Haupstütze dieses Lautgesetzes ist, das allen
Tatsachen widerspricht Altslav. nik%€Ui mOchte Vondrik mit ai kuha ver-
binden, also k^' aus ku- herleiten, was an und für sich möglich ist (vgl. Bmg-
mann. Kurze v^. Gr. § 497). Wenn man dies letzte Beispiel, als doppeldeutig,
auch beiseite läßt, so ist es doch ziemlich klar, daß altslav. ehhtüti, lit ti^nU,
lit upe (preuß. ape)y ein solches ^ und ein solches u haben, die aus den slavi*
sehen, resp. baltischen Lautverhältnissen nicht abzuleiten sind. Der Gedanke,
daß lit i in kibü usw. und slav. h in phci usw. auf den Schwaehstnfenvokal
zurückzuführen sind, lag ziemlich nahe und wurde verschiedentlich ansge-
sprochen (vgl. Wiedemann, Das lit. Prät S. 8, Hirt, IF. Vn, 154, nota); ja
Vondr&k selbst hat S. 15 den Gedanken geäußert, ein reduziertes 0 werde im
Slav. zu 6, im Lit zu t; es folgen aber keine slav. Beispiele; S. 161 erseheiBt
wieder derselbe Gedanke, wobei hjati nndphzditi angeführt werden. Fortn-
natov untersuchte die ganze Frage im Zusammenhang mit den analogen Er-
scheinungen der verwandten Sprache und seit Mitte der 90-er Jahre lehrte et
in seinen Vorlesungen über das balt-slav. i und u aus dem Schwachstofen-
vokal der e-o-Beihe, den er den irrationalen Vokal nennt; vgl seinen Anfiuiti
über die indoeurop. Liquiden im Altindischen in Xagtcv^gia. Sbomik State)
V 6est' Koria, Moskva 1898, der im XVI. Bande KZ. (NF.) in deutscher Über-
setzung erschienen ist Umjedem Mißverständnis vorzubeugen, bemerkeich
noch ausdrücklich, daß ich in dem vorliegenden Buche eigentlich nur das Za-
sammenwerfen aussetzen möchte, denn urslav. h aus 0 vor j und ufslay. » in
den eben besprochenen Beispielen sollten doch verschiedene Großen anch für
Vondrik, Vergleichende slay. Grammatik, angez. yon PonezinBki. 417
desjenigen bleiben, der an nrslav. Ursprung des h ans e in phei nsw. zn denken
vorzöge, trotzdem alles dagegen spricht.
Was die >Verdnmpfiing des e zu oc betrifft, worüber der Verfasser S. 39 ff.
handelt, so mnß ich hervorheben, daß auf Grund solcher Erscheinungen wie
altslav. tyh niUliofm Gloz. 844 und b. didto, p. dioto, r. doioto altslavischer
Wandel e : o angenommen wird. Dies ist entschieden falsch. Erstens kOnnen
b. dl&to, p. dioio, sowie auch kirchenslav. und bulg. dlato, deren der Verfasser
hier nicht erwiümt, nur die Existenz eines urslav. *dolto beweisen, also hat
man es augenscheinlich mit einer nrslav. Variante zu *delto zu tun, die mit
einzelsprachliohem Lautwandel gar nicht zusammenhängt. Zweitens darf auch
vübUomb samt den anderen Beispielen S. 86 keineswegs als Beweis des auf-
geeteUten Lautgesetzes betrachtet werden. Es handelt sich doch um Lehngut,
das den im Altslavischen geltenden Verhältnissen angepaßt wurde.
»Die Verdumpfung des e zu o* tritt nach VondrÄk »in den meisten slav.
Sprachen, allerdings unter modifizierten Bedingungen auf« (S. 39). Sie soll
»vereinzelt schon im Aksl.« erscheinen (die Beispiele haben wir eben be-
sprochen) und »wurde also durch einen nachfolgenden harten Kons, veranlaßt
aber so recht ausgeprägt hat sich dieser Prozeß im Russ., P. (Kas.) und
Sorb. Aber hier sehen wir, daß noch ein anderer Faktor dazu kommen mußte
und zwar ist es insbesondere im B. klar, dem e mußte nämlich ursprünglich
ein Palatallaut vorhergehen«. AUes nebensächliche beiseite lassend (z. B. »in
den meisten slav. Sprachen«), mache ich darauf aufmerksam, daß Vondr&ks
Auafllhrungen auf Sand gebaut sind. Der Hauptfehler ist immer derselbe.
Wie darf man einen Prozeß, der in verschiedenen Einzelsprachen »unter mo-
difizierten Bedingungen« auftritt, summarisch behandeln, ohne vorher be-
stimmt zu haben, was der Sonderentwicklung der betreffenden Sprachen
zufällt und was wirklich urspraohlich ist, wenn man selbstverständlich triftige
Gründe hat, ihn in die Ursprache zu verlegen? Es kommt dazu der Umstand,
daß aus den besprochenen vitbUomb und dlato und nur daraus der Schluß ge-
zogen wird: »also durch einen nachfolgenden harten Eons.« usw. Man darf
doch nicht jedem Leser zumuten, daß er ebensoviel, wenn nicht mehr, als der
Ver&sser selbst, weiß, und den Teil des betreffenden Abschnitts, wo von
einaeisprachlichen Erscheinungen die Bede ist, früher, als die einleitenden
Bemerkungen lesen wird. Wie dem auch sei, zerstört Vondrak selbst durch
nähere Ausführung die Vorstellung von der »Verdumpfung des 0 zu o«, die
man auf Grund seiner Worte von S. 39—40 sich bilden wollte. Wenn man
auch zugeben möchte, daß der e- Vokal urslav. geschlossen war und eine Er-
weichung des vorhergehenden Konsonanten herbeiführte, die in dem Prozeß
»der Verdumpfung« mitspielte, so ersieht man aus S. 42 folgendes: »Das
Kleinr. sticht in dieser Hinsicht ab (d. h. vom Großrussischen). Nach den
Palatallauten finden wir hier zwar auch o .., Nach anderen Kons, ist dagegen
das e frühzeitig zu einem mittleren ohne Erweichung — also wie im Sttdslav.
— geworden«. Daraus kann man nur den Schluß ziehen, daß die »Ver-
dumpfung« nach Vondräk im Kleinrussischen einzelsprachlich ist Der Be-
hauptung, dieser Lautwandel sei urslavisch mit rechter Ausprägung in einigen
Sondersprachen .ist jede Stütze entzogen. Zwar spricht nicht der Verfasser
InhlT Ar siaTbok« PhUologia. IUI. 27
4 1 8 Kritischer Anzeiger.
direkt von urBlayisch, aber zu dieser Annahme wird man dnrch seine Beweis-
führung verlockt
Wenn man also an ein urslay. o ans e nicht denken darf, so ist es trotz-
dem klar, daß unter gewissen Bedingungen schon im Urslawischen das e zu
einem Ubialisierten Vokal werden mußte, der zu den ff-Lanten gehörte. Das
anzunehmen werden wir gezwungen, da z. B. p. zi6b^ sorb. Hob, b. Hab und
andererseits s. Ü^ifeb, slov. Heb, b. Heb auf urslavische Varianten zurBckzu-
führen sind; vgl. noch p. cziony ezianekf o.s. SiSnk, n.s. eionky b. Slaneky s. iiSn,
altkirchenslav. ihm, neben bulg. ilenj b. ^/«n, slov. Sien i). Selbstverständlich
müssen die Doppelformen ursl. *d4Ho und *dotto femgehalten werden, da
*dolto aus *deUo isoliert dastünde (all die übrigen Beispiele haben vor e einen
urslav. weichen Konsonanten) ; der alte o-Vokalismus wird für *doHo durch
das preuß. dalptan bezeugt. Wir sehen also, daß schon im Urslav. ein e nach
urslav. weichen Konsonanten zu einem gewissen Vokal der vorderen labiali-
sierten Reihe geworden war. Wenn man diese Erscheinung näher untersucht,
so findet man leicht auch die Bedingung, darunter dieser Vokal schon urslav.
sich einem o-Laute näherte; das geschah nur in den <f«//-Gruppen, wo deinen
urslavischen erweichten Konsonanten darstellt, und auch da nur dann, wenn
der folgende Konsonant vollkommen hart ward ; es mußten also ursprünglich
Seit und iif^U je nach der Beschaflfenheit der folgenden Silbe wechseln, es
wurden aber im Laufe der Zeit die Differenzen ausgeglichen, wobei das Re-
sultat in verschiedenen Dialekten verschieden ausfiel. Das ist Fortonatovs
Meinung, äachmatov ging früher weiter und dachte an urslav. ö vor Jedem
harten Konsonanten (obgleich im Urslavischen die Palatalvokale die >harten«
Konsonanten nicht vollkommen erweichten, so wurde doch dieZungenstellnng
derselben z. T. vorausgenommen, es blieben also die Konsonanten vollkom-
men hart, wenn kein Palatalvokal folgte); darauf beruft sich Torbiümsson,
indem er selbst auf »phonetische Einzelheiten« nicht eingeht und auf dach
matovs >Izsl6dovaiga v oblasti russkoj fonetiki« einfiftch verweist (Die Li-
quidametathese S. 36 f.). Das war früher auch meine Meinung, es haben mich
aber äachmatovs Ausführungen in »Izvistija Otd6lenja russk.jaz.i slov.« VIT,
S. 295 f. endgültig überzeugt, daß wir zu der ursprünglichen Auf&ssnng
zurückkehren müssen, die wir Fortunatov verdanken (vgl. seine Votlesungen
über die Lautlehre der altslovenischen Sprache, die Torbiömsson zitiert und
die weiteren Kreisen leider unzugänglich sind, da bisjetzt nur Bogen 1 — 11
gedruckt vorliegen).
Schließlich muß ich noch bemerken, daß Vondr&k S. 305 aksl. Üatn aus
ilim^ p. ezion aus *Slm erklären müchte. Das ist rein unmöglich, denn im
Polnischen hätten wir doch *esthny *zlob zu erwarten (vgl wlokfj phn) und im
Altslav. müßte doch ein Slim bleiben. Das glagoffate, worauf sich Vondrik
beruft, hat doch ein weiches / gehabt, nach dem ein i, das aus beriie ver-
schleppt wurde, ein a werden konnte. Gegen Sachmatov, der an urslavischen
Ursprung solcher Bildungen wie glago}jaU denken müchte (vgl. Izvistija VI,
1) Andere Beispiele s. bei TorbiOmsson »Die gemeinslavische Liquida-
metathese«.
Yondrak, Vergleichende bUv. Grammatik, angea. von Poneu^ski. 4t 9
4y 200 f.), möchte ich einwenden, daß derartige Imperative speziell altala-
visch sind.
3) S. 250 ff. wird die Geschichte der slavischen Konsonanten im allge-
meinen besprochen. Hier erwähnt der Verfasser des gegenseitigen Verhält-
nisses von Lit. nnd Slav. in Betreff der Schicksale der k- und ^-Beihen und
tut es in folgenden Worten : >Die beiden ersten Reihen (d. h. die rein volaren
und die labiovelaren k nnd g) sind im Lii nnd Slav. zusammengefallen
Bei der dritten Reihe stimmt aber das Lit. mit dem Slav. nicht mehr überein,
trotaMlem beide Sprachen, wie die balt.-slav. Gruppe überhaupt, zu den «a^9ni-
Sprachen gehören, k wurde im Slav. zu «, desgleichen im Lett und Preui3.,
dagegen im Lit zu m (/)€ usw. Die Worte: »trotzdem beide Sprachen« usw.
sind geradezu verwirrend. Aus dem Umstand, daß zwei Sprachen zu der
«afom-Gruppe gehören, darf man doch keineswegs den Schluß ziehen, sie
müssen auch im Endresultat der Entwicklung der A- und ^-Laute zusammen-
fallen. Und was für ein Slavisch wird hier gemeint, das, wie die baltisch-
slayisehe Gruppe überhaupt, zu den «afom-Sprachen gehört? Der Satz wäre
wenigstens formell richtig nur dann, wenn anstatt Slavisch Altkirchenslavisch
stünde. Weiter muß hervorgehoben werden, daß Slavisch (im Sinne von Ur-
slavisch) direkt mit Litauisch verglichen wird, obgleich an dessen Stelle das
Urbaltische treten müßte. Zwar spricht der Ver&sser S. 251 nota vom Balt-
Slay., aber weiter heißt es wieder einfach Litauisch.
4) S. 325 f. bietet der Abschnitt »Andere Veränderungen der Nasale«
schöne Beispiele des Zusammenwerfens verschiedener Stufen der Sprachent-
wieklung. Erstens wird hier in kurzer Fassung das Schicksal der Lautver-
bindnng Vokal -i-m, n im Urslavischen angedeutet Gleich darauf folgt
ein mixtum eomponhtm aus sehr verschiedenen Größen: man findet einzel-
spraohliche Assimilationen und Dissimilationen (dial. b. hamba aus hanba,
r. makutyrb aus manastyrb), Lautsubstitionen in Fremdwörtern {Mikuläi aus
Nikolaus) und schließlich wieder was urslavisches (Ersatzdehnung beim Aus-
fall der Nasale), das ich nicht auf meine Verantwortlichkeit nehmen möchte
vgl auch das ablehnende Urteil von Brugmann, Gr. I^, S. 388 Anm.).
n. An den vorgeführten Beispielen habe ich zu zeigen versucht, daß
unkritisches Zusammenwerfen verschiedener Stufen der Sprachgeschichte
die Ausführungen des Verfassers stark beeinträchtigt hat; wie wir gesehen
haben, wandelt er Öfters auf falschen Bahnen und bringt manchmal eine solche
Darstellung der Lautprozesse, die den Leser geradezu verwirrt, es sei denn,
daß derselbe im Slavischen gut bewandert ist Dies ist aber leider nicht der
einzige Mangel von prinzipieller Bedeutung; wie wir uns gleich Überzeugen
werden, ist in dem vorliegenden Buche so manches fehlerhaft aus dem Grunde,
weU öfters Tatsachen herangezogen werden ohne vorherige genaue Prüfung
jedes einzelnen Beispiels. Solches Verfahren wird insbesondere da gefahrlich,
wo man verwandte Sprachen vergleicht, weil es sich leicht herausstellen kann,
daß dies oder jenes Glied der Gleichung, das man aus dem Zusammenhang
ohne weiteres herausgreift, ins falsche Licht gerückt wird. Diesen zweiten
Einwand mögen folgende Beispiele begründen:
1} Der Abschnitt über Akzent und Quantität könnte in mancher Hinsicht
27*
420 EritiBcher Anzeiger.
entschieden besser gelingen, wenn der Verfasser mit mehr Kritik nnd ümsicfat
in dem oben genannten Sinne ans Werk gegangen wäre. Die Erkenntnis, daß
dieser oder jener Gelehrte anf dem Gebiete der vergleichenden Betonnngs-
lehre vieles falsch beurteilt hat, ist kein großer Trost, denn bei systematischer
Darstellung der Frage in den Grenzen eines engeren Sprachgebietes ist die
Gelegenheit geboten, die Tatsachen einer eingehenden PrOfong von nenem zu
unterziehen. Z. B. wird S. 207 angenommen, daß lit. rcmkq, r. rüku, s. rOku
den unverschobenen Akzent haben, der seine alte Stelle im Lit und Slav.
unter dem Einflüsse des Akk. der t- und u-Stämme behauptet hat, obgleich
die Endsilbe »gestoßen« betont war i). Der Verfasser meint, seine Erklärung
sei derjenigen vorzuziehen, die den Akk. der <>-StSmme dafür verantwortlieh
macht (Hirt). Es fragt sich nun, auf welchem Wege gelangten Hirt nnd Von-
dräk zu der Erkenntnis, daß im Akk. der ä-Stämme im Lit und Slav. der
Akzent verschoben werden mußte. Der Ausgangspunkt beider Gelehrten ist
richtig, denn das Gesetz der Akzentverschiebung, das von Saussure filrs
Litauische und von Fortunatov fürs Baltisch-slavische unabhängig von einan-
der gefunden und begründet worden ist, kann nicht bezweifelt werden (vgl.
weiter unten, wo über Vondr&ks Auffassung dieses Gesetzes die Rede ist),
was aber die weiteren Ausführungen von Hirt und Vondrük betrifft, so sind
dieselben nicht einwandsfrei. Muß denn jede »gestoßene« Silbe im Balt-Slav.
auch »gestoßen« bleiben? Lehrt uns nicht vielmehr die vorurteilsfreie Unter-
suchung, daß auf dem Gebiete der Betonungsverhältnisse der oben genannten
Sprachen so manche Umwälzungen stattgefunden haben? Ehe ich diese Frage
zu beantworten suche, mache ich auf folgenden Umstand aufmerksam: dem
Beispiele Fortunatovs folgend, ziehe ich vor, von unterbrochener {preryvisfafa
doigota) und fortdauernder Länge [dlitelnaja dotgota) zu sprechen, denn anf
Grund dieses alten, aus der Ursprache ererbten, Unterschiedes entwickelten
später die einzelnen baltischen und slavischen Sprachen sehr verschiedene
Betonungsverhältnisse, es wäre also ungenau, von »gestoßenem« und »ge-
schliffenem« Akzent im Balt-Slav. oder gar im Urindoeurop. zu sprechen.
Nicht einmal fürs Litauische sind diese Ausdrücke richtig, da sie ihrer Be-
deutung nach den Verhältnissen nicht entsprechen: die gestoßene Betonung
ist, was die Tonbewegung betrifft, fallend, während die geschliffene Betonung
steigend ist, obgleich in verschiedenen Dialekten das Steigen des Tones nicht
auf die gleiche Weise geschieht und der Ton dialektisch sogar fallend-steigend
ist (vgl. Eurschats Beschreibung der »geschliffenen« Betonung im Vorwort
zum Deutsch-Litauischen Wörterbuch, die wesentlich von seinen Worten
über denselben Gegenstand in der Grammatik abweicht).
Es ist eine anerkannte Tatsache, daß der Stammauslaut der a-Stämme
im Urindogermanischen fortdauernde Länge (»gestoßenen Akzent«) besaß;
daraus folgt, daß ursprünglich kein Unterschied zwischen den Ansangen
1) Ich halte mich an den Wortlaut der betreffenden Stelle, wo von dem
Intonationswechsel unter dem Einfluß des Akk. der t- und u-Stämme keine
Rede ist; früher (BB., XXX, 149 f.) hat Vondrak anders gedacht, vgL wdter
unten.
Yondrik, Vei^leieliende slav. Orammatik, angez. von Ponesinaki 421
des Akk. und Instr. sg. vorhanden war, was den ä-Lant selbst betrifft. Das
Lit. aber beweist nnrjallzngnt, daß z. Z. des Aufkommens der Auslantsgesetze
im Akk. die Länge unterbrochen war, denn alte fortdauernde Länge wurde
gekürzt (ein Nasalvokal wurde dabei nur in einsilbigen hochbetonten Wörtern
erhalten), vgl. instr. rankäy iä (alte Enklitika), andererseits dial. tdaxuitq; ge-
rdja, dial. gerqja ist wie ger&fi zu beurteilen). Nun fragt man nach der Ur-
sache solchen Qualitätswechsels der Länge. Darauf gibt Fortnnatov eine Ant-
wort, die den Tatsachen gerecht wird. Was diejenigen Leser betrifft, die des
Bussischen nicht mächtig sind, so kann ich auf seinen Aufisatz in BB., XX,
S. 153 ff. verweisen (S. 1 85 ff.), dessen er in der Anmerkung S. 40 des XXXVI. B.
von KZ. erwähnt. Nach Fortnnatov hatte also der Instr. sg. im Indoeuropäi-
schen einen nicht kurzen Nasal, dagegen gab es im Akk. sg. ein -öm mit
kurzem m.
Bei der Oelegenheit, da wir gerade auf die Frage vom Qualitätswechsel
der Länge im Balt-SIav. gekommen sind, mache ich auf S.60 aufmerksam, wo
die Lehre vorgetragen wird, daß lit gerf-Ji, was die >gestoßene Intonation«
betrifft, mit gr. olxoi, ayad^ol übereinstimmt, indessen lit takal, darhal den
alav. rahi, roei entsprechen sollen; im Lit also gibt es, nach Yondrak, einen
alten Unterschied zwischen substantivischen und pronominalen auch adjek-
tivischen o-Stämmen, das Slav. hat dagegen auch im Adjekt ein -», das alte
»geschleifte« Intonation voraussetzt Die Ansicht, daß lit. geri-ji und gr. «ya-
9^i die indoeurop. »gestoßene Intonation« ererbt haben, ist ziemlich ver-
breitet, aber es fällt nicht schwer, dieselbe zu widerlegen. Wenn man nämlich
damit einverstanden ist, daß der Nom. pl. der pronominalen o-Stämme in der
Ursprache »gestoßen« betont war (fortdauernde Länge des -ot hatte), so muß
man entweder das Gesetz verwerfen, nach dem ein -o« mit unterbrochener
Länge im Urslav. schließlich ein -t wurde, oder, wenn man es anerkennt, das
slav. -t im Nom.pl. dem lit -ai gleichsetzen und zu gleicher Zeit diese Endung
vom lit 't trennen. Den ersten Weg hat Hirt gewählt (IF. I, S. 31, Indog.
Akz. S. 89, 114) und das lit -ai als Umgestaltung des ursprünglichen *di nach
dem Muster der verdrängten Endung *-o«, die dieser Form von Haus aus zu-
kam, zu deuten versucht Dieser Erklärungsversuch ist unhaltbar, denn
erstens darf man an dem oben genannten Gesetz nicht zweifeln, wie auch
Vondräk S. 59 meint ^), und zweitens schwebt vollkommen in der Luft die
Annahme, daß -al den ~ dem Einfluß des verdrängten *-08 verdanke. Wenn
man aber fürs Slavische uralte »geschliffene Intonation« (unterbrochene Länge)
der Endung N. pl. anerkennt, so bleibt man die Antwort schuldig, warum das
litauische -ai auf dieselbe Intonation (Länge) zurückweist, während das lit
gBi\ davon abweicht. Im ersten, wie auch im zweiten Falle besteht noch die
Schwierigkeit, daß gr. 'lad-fioX, otxot genau dem urslav. rabi entsprechen %
1) Was das Gesetz von Streitberg-Meillet betrifft, so muß ich hervor-
heben, daß Fortnnatov lange vor 1892 in seinen CoUegien dasselbe begründet
hat, und zwar im vollen Umfang (i7 wurde zu t im Anlaut bei unterbrochener
Länge, mag er dem alten e, oder ot-ot entstammen).
^ S. 61 wird angenommen, daß im gr. -ol im Lok. alte »geschliffene In-
422 Kritischer Anzeiger.
während nrslav. rabi eine genaue Parallele in gr. ityaS-oly olxot hat: otxai^
'Iff&fdoX hatten von Hans ans -o« mit nichtknrzem nnBflbiachem t, was «ach im
Slav. der Fall gewesen, denn anderenMs hätten wir dasselbe Beanltat wie
im N. pl. zu erwarten. Es fällt demnach auch die letzte Stütze der Annahme
uralter >gestoßener Intonation« im N. pl. der o-Stämme. und was folgt da-
raus? Das Lit. hat in dem -ai altererbtes Gnt nnd es bleibt noch die Frage,
warum diesem -ai in einsilbigen Wörtern ein -i, in mehrsilbigen WOrtem ein
-t (in den Pronomina und Adjektiva) zur Seite steht. Fortunatov ist in seinem
EoUeg über das Litauische der Meinung, daß ein -ai in einsilbigen Wertem
zu einem e mit fortdauernder Länge wurde, daher das -t in geri, das seine En-
dung von den Pronomina bezogen hat; tS bekam schließlich regelrecht sein i
anstatt *i, denn es war ein einsilbiges Wort (ygl. t^u und gertyu). Lit mi usw.
(Belege bei Bezzenberger, Gesch. S. 163) aus *nU ist als Enklitika zu deuten;
slav. mi und gr. f*oi sind regelrechte Entsprechungen.
S. 206 äußert sich der Verfasser gegen die Versetzung des Gesetzes der
baltischen und slavischen Akzentverschiebung in die baltiBch-slavische Ur-
sprache, indem er die von Fortunatov aufgestellte Regel zu widerlegen sucht
Sein Gedankengang ist folgender: wenn man im Slav. irgend eine Formen-
kategorie auffindet, die den verschobenen Akzent bietet, wo nachweislich der
neu betonten Silbe ursprünglich »geschliffene Intonation« zukam, und wo
also erst auf slavischem Boden ein Intonationswechsel stattgefunden hat, so
bleibt nichts übrig, als die Wirkung des in Bede stehenden Gesetzes der slav.
Ursprache zuzuschreiben. Es erweist sich, daß eine solche Bildung der slav.
Imperativ sei (vgl. r. nesi, nesite). Ehe wir zur Prüfung dieser Annahme Über-
gehen, muß noch der Ausführungen von S. 207 gedacht werden. Hier wird
der Gedanke hingeworfen, daß lit. rankqy sowie auch entsprechende slavische
Formen (r. i-uku, s. rüku), für >eine schon urbalt-slav. Akzenterweichung«
sprechen konnten. »Es ist aber einfach so zu erklären, daß sich unter dem
Einflüsse des Akk. der t- (und u-Stämme), der auch stammbetont war, sowohl
im Lit als im Slav. der Akz. hier behauptete und nicht verschoben werden
konnte.« Diese etwas unklare Stelle wird verständlich, wenn wir die beiden
Aufsätze des Verfassers in BB. XXX, 100—153 und KZ. XLI, S. 133—153 zu
Rate ziehen, deren erster der V.Gr. zeitlich vorausgeht Es erweist sich näm-
lich, daß Vondräk früher für möglich hielt, den Intonationswechsel in -am
dem Sonderleben des Litauischen und der slavischen Sprachen zuzuschreiben,
wobei seiner Annahme nach gegen die Verlegung des Prozesses in die halt-
slav. Ursprache das slav. -o sprechen würde, denn andemfaUs hätten wir ein
-^ zu erwarten (BB. XXX, S. 150 f.). Diese Auffassung soll also den Beweis
liefern, daß die Akzentverschiebung nicht baltisch-slavisch ist In dem spä-
teren Aufsatz (KZ. XLI, S. 1 37) siebt Vondräk die schwache Seite seiner Be-
weisführung selbst ein und ist der Meinung, die erwähnte Form allein genfige
nicht, um das zu beweisen, zumal sie auch andere Deutungen zulassen könnte.
Die Erklärung, die weiter der betreffenden Form gegeben wird (S. 138], fällt
tonation« vorliege, weshalb slav. -i, als Analogiebildung nach tyhi aufge-
faßt wird.
Vondriik, Vergleichende slav. Gnmmatik, anges. von PoneBiÄaki 423
mit den oben angeführten Worten ans der Vgl. Gr. znBammen. Demnach muß
lit rtmkq, r. niku bei der Frage über das Alter der Akzentverschiebung ans dem
Spiele gelassen werden. Als einzige Stütze der Theorie von Vondr&k bleibt also
die Akzentstelle des slav. Imperativs, worüber S. 201 f. gehandelt wird. Ist aber
diese Sttttae auch inverlassig? Ich meine: nicht im geringsten.
Den Hauptpunkt der ganzen BeweisfÜhmng bildet, erstens, die An-
nahme, daß bei der in.Eoiy. 2. Gruppe im Imper. sg. dem i-Yokal »gestoßene
Intonation« zukam, während >im Plnr. das i wahrscheinlich geschleift betont
war« {^trptje^ aber tgpt-lUf woraus nach dem Verhältnis *vedi (später Hedt) :
vedite, dann Hjrpi : *t^tte entstand, wobei im Flur, das i wahrscheinlich ge-
schleift betont war (Kontraktion zweier langer Vokale). Weiter lesen wir:
»Da sich beim Imper. der PI. meist nach dem Sg. richtet, drang die gest Int
auch in den PI. ein. Analog wohl auch bei der IV. Koi\j., daher auch r. nosi-
noHte .... Nun hatte aber die Mehrzahl der übrigen Imper. im Anlaute eine
geschleifte Int., so insbesodere : aksl. vedi'VedSte, dvignüdvignite, k&Ü-kaiitey
wie uns das Lit zeigt: ie-sakS (Endbetonung hier speziell lit.), also aus -oU,
unter dem Einflüsse der früher erwähnten Imper. der III. Kl. 2. Gruppe und
der IV. Kl. drang auch hier die gest Int. durch und so wurden auch edise
Formen bei den angegebenen Bedingungen endbetont« Ich muß nun hervor-
heben, daß der Verfasser eines schwerwiegenden Umstandes sich selbst be-
wußt ist und ihn abzuweisen versucht; ich meine seine Annahme, das lit
fo-mAr#habe spez. lit Endbetonung. Wenn wir die Betonungsverhältnisse im
Idt durchgehen, so überzeugen wir uns von der Unhaltbarkeit der Erklärung
Vondr&ks, die er auch nicht begründet hat Wo sind die Beispiele einer sol-
chen Akzentverschiebung? Und an so was mußte doch der Verfasser denken,
denn augenscheinlich sucht er die sich aufdrängende Zusammenstellung der
betreffenden lit und slav. Bildungen abzuweisen, indem die Akzentstelle in
te-tukS für spez. lit erklärt wird. Das ist also der erste schwache Punkt Der
Verfasser merkt aber auch nicht den Widerspruch, in dem er zu seinen Aus-
führungen S. 199 und S. 508 steht Da er hier fürs Slavische eine Verallge-
meinerung des aoristischen Typus annimmt, so muß doch ein r. neH den regel-
rechten (für slavische Verhältnisse) Akzent bieten. Was wird also ans der
sehr komplizierten Geschichte, die das ursl. ^nesi auf *nes% zurückführt und
zum »Intonationswechsel« Zuflucht nehmen muß? Wie wir gesehen haben,
konstruiert Vondrak fürs Urslavische das Paradigma *trp%'je, *frpi-tif, woraus
unter dem Einfluß von *vede : *üedite ein irpi : trptte geworden ist Kann das
plausibel gemacht werden ? Der Verfasser setzt ein ursl. *dadje an, nach des-
sen Muster er sein *trpt'je entstanden sein läßt {*dadje : *dadUe a= irpt-Je :
i^pt'tie). Das urslav. *dadje ist aber rein unmöglich. Zwar erklärt der Ver-
üüser in seiner Altkirchensiav. Grammatik, S. 202, aufweiche Weise ein dadß
zu einem aksl. daidh werden konnte (» . . . trat eine Verkürzung des e ein,
wahrscheinlich infolge der Verschiebung des Akzentes von der Endung auf
den Stamm«), aber man braucht nicht allzuviel Mühe, um diesen Versuch
zurückzuweisen, da er im grellsten Widerspruch zu all dem steht, was wir von
Urslav. wissen. Zweitens wird man wohl die Frage aufwerfen müssen, ob der
Gedanke an ein *i^pi-ite dem Angriff der Kritik standhalten kann. Die Ant-
424 Kritisoher Anzeiger.
wort kann nur ablehnend aus&llen. Wir wKren sonst za der Annahme ge-
zwungen, daß die altererbte Optativform nach dem Muster einer spSrlich ver-
tretenen Bildungsweise umgeformt wurde, denn an ein altererbtes *irpp^ie
darf man keinen Augenblick lang denken i}.
Es ergibt sich also, daß Yondräk seine Annahme, im Slav. gäbe es noch
Spuren der Akzentverschiebung auf eine Silbe, die erst auf slav. Boden >ge-
stoßene Intonation« bekommen hat, nicht bewiesen hat und es auch nicht ton
konnte, da seine Aufstellungen in unkritischem Heranziehen des Materials
ihre Hauptstütze haben.
2) S. 29 und S. 110 f. werden zwei sehr verschiedene Erscheinungen sn-
sammengeworfen ; der Verfasser macht nSmlich keinen Unterschied zwischen
der Dehnung eines h und z in iterativen Verbalstämmen und der Dehnung der-
selben Laute vor j : tretij, dohryj. Das darf man doch nicht tun, denn im
ersten Falle erstreckt sich »die Dehnung« auch auf andere Vokale und ist
zweifellos kein phonetischer Prozeß : man hat hier eine deutlich ausgeprSgte,
weit um sich greifende Analogiebildung vor sich, deren Ausgangspunkt alte
lange Vokale in abgeleiteten Verbalstämmen bilden. Dies ist die gewöhnliche
Erklärung, die den Tatsachen gerecht wird (vgl. z. B. Brugmanns Gr. n,
S. 1137).
3) S. 296 versucht der Verfasser der vollkommen richtigen Beobachtung,
daß im Slav. gewisse geschlossene Silben nicht geduldet wurden, eine zu
weit gehende Bedeutung beizulegen, indem er ohne weiteres ein *oUdaii zn
*oto'dati und weiter zu *otzdati werden läßt: »Unter dem Einflüsse der an*
deren Präp. wie v«, n usw. nahm dann wohl auch das o in *oio die Färbung
des % an«. Analog soll es sich bei slav. v^z^, iz^ usw. verhalten. Kann denn
eine solche Lehre auf irgend eine Weise plausibel gemacht werden? Was
*oi^ und *ot betrifft^ so kann in *ot wirklich ein altes *ot vorliegen, das mit
dem lit. ai zusammenhängt, aber ein *ot kann auch aus *ot% entstanden sein,
ebenso wie ein *iz aus einem *irb geworden ist. Das *oH ist mit altind. ataa
zu vergleichen (der Pronominalstamm, der dieser Bildung zugrunde liegt, hatte
e : 0- Vokalismus). Das urslav. kamy erklärt Vondräk aus *okmön, indem er
zunächst daraus ein *okamön entstanden sein läßt, »was dann, vielleicht um
den vok. Anlaut zu meiden, zu Aömön, aksl. Aamy führte«. Hier hilft sich also
der Verfasser mit einer neuen Annahme durch und beruft sich auf das Streben,
den vokalischen Anlaut zu vermeiden. Dieser Weg ist recht bedenklich, denn
es ist doch ziemlich klar, daß der Grund der besonderen Entwicklung der
anlautenden or- und o/-Gruppen, wenn ihnen ein Konsonant folgte, in der Be-
schaffenheit derselben zu suchen ist ^. Dagegen kann man keine Beweise auf-
bringen, um eine Metathese bei ursprünglichem o H- Geräuschlaut + Kons.
1) Zu den obigen Ausführungen bemerke ich noch, daß ich Vondrak in
seiner Auffassung verschiedener Eigentümlichkeiten der slav. Konjugation
nicht folgen kann. Eine ausführliche Auseinandersetzung wird aber erst dann
am Platze sein, nachdem der 2. Band der Vergl.Sl.Gr. erschienen sein wird.
^ Ich drücke mich absichtlich so aus, wie es oben steht, denn die
Schwierigkeit bleibt dieselbe, wie auch die »Liquida-metathese« aufgefaßt
werden mag.
VondrAk, Vergleiehende bUit. Gnummatik, angez. von PorzeEi£Bki. 425
wahneheinfich zn machen. Wir können swar für altsl. kamy keine Erklärang
anfweisen, welche all den Schwierigkeiten gerecht würde, aber der Weg, den
Yondr&k eingeschlagen, ist entschieden der falsche. Übrigens mnß ich her-
vorheben, daß anch sonst in den indoenrop. Sprachen so manche Beispiele
vorliegen, die das Verhältnis von kamy zn lit. akmS wiederholen nnd die Hirt
als «xe^'-Basen zn denten versucht (Ablant, § 684 ff.). Seine scharftinnigen
Aofstellnngen sind aber Überhaupt leider derart, daß sie bei dem jetzigen
Stand der Wissenschaft z. T. für nichts weiter als Hypothesen zn betrach-
ten sind.
4) S^262 erwühnt Vondr&k meiner Annahme, daß im Polab. f nnd d' mit
dem Beibnngsgerftnsch ans k nnd g vorliegen, in solch einem Znsammenhang,
der höchst verhängnisvoü für meine Worte werden kann. Wie ich ausdrücklich
bemerkt habe (Izvist 7, Heft 2, S. 196 f.), handelt es sich dabei nur um solche
k nnd ^, die vor einen weichen Vokal gerieten, nachdem die alten Erweichungs-
prozesse schon abgeschlossen worden waren. In diesem Zusammenhang be-
rühre ich noch S. 272 ff., wo der Verfasser die »spätere Erweichung der Gut-
turale« bespricht Hier finden wir kein Wort darüber, in welchem Zusammen-
hang die besprochenen Tatsachen zu einander stehen, wobei der umstand,
daß nur die altslav. Beispiele genauer bezeichnet werden (nnd das sind Lehn-
wörter) den unerfahrenen Leser irreführen kann, denn er wird wohl leicht auf
den Gedanken verfallen, es handele sich überhaupt z. B. auch im Russ. nur
um Lehnwörter, und wird weiter daraus solche Folgerungen fUr dieBeurteUung
der angeführten Wörter ziehen, die ihn gänzlich auf Abwege leiten können.
IIL Nun ist aber Zeit, meinen dritten Einwand zu formulieren. Derselbe
lautet: der Verfasser hätte auf seine phonetischen Ausführungen mehr Acht
geben sollen. In einem modernen sprachwissenschaftlichen Werk darf man
doch nicht fehlerhafte, längst abgetane Ansichten an den Tag legen. So was
wäre an und fttr sich unzulässig, es wird aber noch unzulässiger, wenn ver-
altete Anschauungen, die nachweislich falsch sind, weitgehenden sprach-
geschichtlichen Aufstellungen zugrunde gelegt werden. Man woUe all die
Stellen nachlesen, wo Vondr&k die Erweichung der Konsonanten beschreibt
(z. B. S. 11, 21, 35, 255 ff.), und man überzeugt sich, daß er von der falschen
Vorstellung ausgeht, ein erweichter Konsonant sei eine Verschmelzung des
entsprechenden harten Konsonanten mit y, die zwar etwas modernisiert wird
(»Die Palatalisiemng des Kons, besteht in der Anpassung der Zungenstellung
an jene des >«, S. 35). Wenn ich richtig urteile, hat diese Auffassung ihren
Ursprung dem Umstände zu danken, daß VondrÄk die neuere phonetische
Literatur nicht in dem Maße gewürdigt hat, wie es sich gehörte. Dieser Um-
stand ist für ihn verhängnisvoll geworden, da der Weg zum richtigen Ver-
ständnis der slavischen Palatalisation versperrt wurde. Es wird eine förmliche
Jagd nach einem j eröffnet, das doch der theoretischen Vorstellung gemäß
jedesmal erscheinen muß, um die Erweichung des Konsonanten zu ermöglichen,
und schließlich wird noch die Behauptung ausgesprochen, die gegen Sievers
gerichtet ist: »Vom slavischen Standpunkte aus müssen wir hervorheben, daß
eigentlich nur ein i {j) die Palatalisiemng hervorrufen kann (vgl. das bei den
palatalisierten Verschlußlauten nachfolgende Geräusch) c. Erstens ist i was
426 Kritischer Anxeiger.
anderes tAsj (früher ist nur vonj die Rede ^wesen); zweitens ist »das nach-
folgende Geräusch« nur Folge and keineswegs Ursache der Erweichnng^;
drittens wäre es doch richtiger gewesen, den Satz umzukehren : da nach mei-
ner (d. h. des Verfassers) Auffassung die Mouillierung nur durch / hervoige-
rnfen sein kann, so ist auch die slavische Palatalisierung historisch auf dieae
Weise zu erklären. Und man muß gestehen, der Ver&sser gibt sich recht viel
Mühe, um desj, das ihm so ndtig ist, habhaft zu werden (S. 21 f.). Man vg^
auch S. ] 5, wo die Frage behandelt wird, was aus einem e^ auf slavischem
und litauischem Boden werden mußte. Aus e^ soll ein o^ entstanden sein,
»aber nicht auf einmal, vielmehr war die Assimilation so, daß das e zuent
etwa in der zweiten Hälfte sich dem u näherte, so daß wir ein ^ou {^^) erhiel-
ten«. Aus dem reduzierten e wurde im Slav. b, im Lit t^ also das ursprfing'-
liche war ein t. Das weitere wird nicht genau beschrieben, aber man kaiiii
kaum daran zweifeln, daß aus dem t hier schließlich ein i ij) werden mußte;
zu diesem Schluß zwingt uns der Gredankengang des Verfassers. Merkwürdig
ist auch die fehlerhafte Auffassung der litauischen Schreibung %au, wo das t
nach polnischer Art doch nur die Erweichung des vorangehenden Konsonan-
ten bezeichnet, also als bloßes Schreibzeichen gilt.
Ein Gegenstflck zur Lehre von der Palatalisation bietet der Abschnitt
über »Labialisierte Vokale« (S. 23 f.). Hier wird die irreführende Behauptung
ausgesprochen, daß die Gruppe »labialis. Kons. + o« soviel als »Kons.
-hffo« sei.
S. 128 f., aufweiche auch MeiUelf in seiner Anzeige der Vgl.SL Gr. ver-
weist (RcTue gritigjie, 1907, Nr. 13, p. 249), enthält eine ungenaue Beschrei-
bung der Artikulationsbewegungen des Gaumensegels und eine sehr mangel-
hafte Vorstellung von dem Prozeß der Nasalierung. Ich hebe hervor, daß der
Gaumensegel den Mundraum teilweise nicht absperrt, indem er sich von der
hinteren Rachenwand abhebt; daß verschiedene Stärkegrade der Nasaliemnir
von der Weite der Offhung zwischen dem Gaumensegel und der Baehenwand
abhängen; daß schließlich folgende Bemerkung mir unverständlich bleibt:
»Durch die erwähnte Öffnung des Gaumensegels an der Rachenwand kann
man Vokale mit der intensivsten Nasalität hervorbringen, wie sie z. B. das
Französische hat und wie sie wohl auch im Urslav. vorhanden waren. Nicht
so intensiv ist sie bei den p. Nasalen«. Der Verfasser hätte doch auseinan-
dersetzen sollen, wie er sich »die Offliung des Gaumensegels an der Rachen-
wand« vorstellt und wovon die intensivste Nasalierung abhängt, derer hier
erwähnt wird. Was die französischen Nasalvokale betirfft, so verweise ich
auf Sievers (Phonetik^, § 278), der mit gutem Recht vor dem Streben warnt,
die Nasalvokale der französischen Sprache als Repräsentanten xttr* l^ox^y
der Gattung der intensivsten Nasalvokale auftreten zu lassen.
IV. An vierter Stelle muß ich hervorheben, daß manche Seite der Laut-
lehre uns in die gute alte Zeit versetzt, da man noch so harmlos mit Laut-
entsprechungen und Lauttibergängen umging und wo es den Störenfried noch
nicht gab, der in der Gestalt der Lehre von der Ausnahmio sigkeit der Laut-
gesetze seit 1876 auftritt. Einige Beispiele haben die vorausgehenden Seiten
dieser Besprechung in anderem Zusammenhange gebracht (vgl. z. B. die Auf-
Vondrik, Vei^leiehende alav. Grammatik, angez. von Ponezi^ski. 427
faBBimg des Wandels eibi »Sonst geht das e änßerst selten in h über«, S. 37],
und ich möchte jetzt in aller Kürze noch darauf anfinerksam machen, daß die
Behandlang der Lantentwicklnng der modernen Slavinen besonders deutliche
Spuren eines zu freien Umganges mit Lautgesetzen bietet Man vgl. z. B. die
Darstellung der Schicksale des «-Lautes, die unter der Rubrik »Yerdumpfung
das « zu o€ besprochen werden (S. 39 ff.). Hier wird in erster Linie eine allge-
meine Fassung des betreffenden Gesetzes vorgebracht, die an und für sich
unrichtig ist, da eine jede slavische Sprache ihren eigenen Weg gewählt hat
(Vgl. oben). Der Verfasser merkt es selbst, aber beruhigt sich gelegentlich
bei einer Erki&rung, die zu seiner eigenen Annahme in Widerspruch steht
Z. B. kann man noch an der Bichtigkeit der allgemein gültigen Auffassung
von r. oUe usw. zweifeln, da man selbst das Gesetz »der Yerdumpfung« in den
Worten formuliert hat: »Es (d. h. das o aus e) wurde also durch einen nach-
folgenden harten Kons, veranlaßt?« Kann man nur wenige Zeilen weiter be-
haupten: »Daß die Palatallaute <f, i, iS, £und c nicht wie harte Konsonanten
auf das vorhergehende e wirkten . . . muß so verstanden werden, daß sich hier
ihre verdumpfende Wirkung nicht auf die vorhergehenden Vok., sondern nur
auf die nachfolgenden ursprünglich erstreckte?« Das Kleinmssische bietet
für Vondr&k erhebliche Schwierigkeiten, und auf folgende Weise sucht er aus
der Verlegenheit zu kommen: es wird die Vermutung ausgesprochen, das
Kleinr. habe nach anderen Kons, als cT, i, / das alte e zu einem »mittleren ohne
Erweichung« umgestaltet; die Schreibungen alter Denkmäler, die dagegen
dny« aufweisen, »wodurch eine Weichheit ausgedrückt werden sollte«, sind
auf den Einfluß der großruss. Graphik zurückzuführen oder finden eine ge-
hörige Erklärung in der ehemaligen Existenz eines Grenzgebietes, wo e das-
selbe Los, wie im Großrussischen, traf, das aber später von dem anderen,
größeren €(ebiet des harten «-Lautes beeinflußt wurde; nur das gedehnte e in
Verschlußsilben wurde vor einem harten Kons, zu einem ö, nachdem es den
vorhergehenden Kons, erweicht hatte. Es werden also mehrere Hypothesen
aufgestellt, und die ganze Beihe wird durch ein Lautgesetz geschlossen : ein
e wurde zu 5 vor einem harten Konsonanten. Wie erklärt man aber den Um-
stand, daß ein i, das im Kleinrussischen doch mit « zusammengefallen ist und
von Vondrik S. 69 ausdrücklich auch als langes verengtes e definiert wird (im
ürslav. ist es seiner Annahme nach ein ie mit offenem e gewesen, vgl. S. 55),
gerade wie das e (. . . zu e gedehnt, dieses war geschlossen, S. 42), das Schick-
sal des a nicht geteflt hat? Die Antwort bleibt aus. Es wird weiter vom Ver-
fasser vergessen, daß im Kleinruss. ein o aus e nicht nur nach uralten Pala-
talen vorkommt (vgl. z. B. Sobolevskij, Lekcii ^, S. 6H, und mit gutem Grund,
denn wie sind diese Beispiele im Hahmen seiner Theorie zu deuten? Als
»Schreibfehler« wohl nicht, es bleibt also nur die zweite Möglichkeit— Dialekt-
mischung. Und erst diese Annahme — hat dieselbe irgend einen Anhalts-
punkt? Ich glaube nicht Zum Schluß sei bemerkt, daß die ganze Frage eine
gehörige Beleuchtung durch äachmatov bekommen hat, vgl. seinen Aufsatz
»Busskij jazyk« im russischen Brockhaus.
V. Nun muß ich zu meinem letzten Einwand übergehen, der all dem oben
Gesagten zur Seite steht, da er auch von allgemeiner Bedeutung ist. Der
428 Eritisoher Anzeiger.
YerfasBer hat nämlich die schon vorhandene Literatur nicht gehörig aosge-
nntzt. Deshalb kommt es vor, daß so manche Frage nicht genügend beleuchtet
ist, obgleich an der Hand der Vorarbeiten dies nicht nnmOglich gewesen
wäre. Wenn man z.B. die Stellen durchgeht, die der Geschichte der russischen
Sprache gewidmet sind, so merkt man gleich, daßVondrak sich fast aus-
schließlich damit begnügt, was in dem sehr verdienstlichen Werke von So-
bolevskij steht Leider ist es aber keine historische Grammatik der russischen
Sprache, und darin ist die Erklärung des Umstandes zu suchen, daß auch in
dem vorliegenden Werke die Geschichte der russischen Sprache streng ge-
nommen so kümmerlich aussieht, als ob die zahlreichen Arbeiten von Sach-
matov gar nicht da wären. Ich will nicht sagen, daß der Verfasser dieselben
einfach abschreiben sollte, ich behaupte nur, ein näheres Studium derselben
hätte ihm die Möglichkeit gegeben, viele wichtige Punkte wirklich sprach-
geschichtlich zu behandeln. Auch in der übrigens zu kurzen Übersicht der
wichtigsten Hilfsmittel (S. 7) vermißt man ungern unter vielem Anderen die
Erwähnung des Artikels »Russkij jazyk«, den Sachmatov fUr den russischen
Brockhaus verfaßt hat.
Mit dem oben hervorgehobenen Mangel hängt auch der soeben berührte
Umstand zusammen, daß die Literaturnachweise, wie Meillet richtig bemerkt
hat, sehr ungleichmäßig ausfallen und öfters fast gänzlich fehlen (vgl. z.B. die
sehr wichtigen Abschnitte, welche ^ und b, die iort- usw. Gruppen behandeln).
Schließlich sei noch darauf verwiesen, daß manche slavische Sprache
öfters zu kurz kommt; z. B. enthält S. 100 f. unter der Überschrift »Verände-
rungen des u auf slav. Boden« eigentlich nichts weiter, als die Darstellung der
Schicksale dieses Lautes in der böhmischen Sprache.
Nun sind wir zu Ende gekommen. Zwar könnte man noch recht viele
Einzelheiten berühren, aber das liegt schon außerhalb der Grenzen dieser Be-
sprechung, denn für jetzt beschäftigen uns nur solche Mängel, die allgemeiner
Natur sind und die ganze Anlage des vorliegenden Buches beeinflußt haben.
Ehe wir aber von der »Vergleichenden slavischen Grammatik« scheiden, muß
ich doch der Fehler im fremdsprachlichen Gut gedenken, deren einige Meillet
in seiner Anzeige (S. 249) verzeichnet hat. Seine Liste läßt sich vermehren
(vgl. z. B. lii mötey mote — »Mutter« anstatt »Weib, Frauenzimmer«, S. 59, ob-
gleich S. 75 die Bedeutung richtig gegeben ist; lit. üdrüU — »trächtig sein«
anstatt üdrUti, S. 104), und ich kann nicht umhin, mein Bedauern auszu-
sprechen, daß der Verfasser selbst das Litauische ohne gehörige Vorsicht
zitiert hat.
Zum Schluß noch ein paar Worte. Meine obige Besprechung berührt
nicht die Stammbildungslehre (S. 389 — 521). Dies hat seinen guten Grund
darin, daß der soeben genannte Teil im allgemeinen zu denselben Einwänden
Anlaß gibt, wie die ausführlich behandelte Lautlehre. Dazu ist die Darstellung
sehr knapp gehalten und bietet nicht viel mehr, als ein Verzeichnis der Stämme
nach den Formanten geordnet. Es erschien mir also für zweckmäßig, über
die Stammbildungslehre im Zusammenhang mit der Formenlehre zu referieren,
nachdem der 11. Band erschienen sein wird.
Moskau, im Mai 1907. TT. Fanezintki.
Schrsder, Sprachvergl. and Urgeschichte, angez. von Brückner. 429
Sprachvergleichung und Urgeschichte. Linguistisch -historische
Beiträge zur Erforschnng des indogermanischen Altertums, von
0. Schrader. Dritte, neubearbeitete Auflage. Jena 1907. Zwei
Teile. 8«. S. X. 235 und 559.
Quantnm mutatus ab illo — von jenem 0. Schrader, dessen »Real-
lexikon« im Archiv XXIII, S. 622 ff. angezeigt ward. Bei aller schuldigen An-
erkennung der Vorztlge des trefflichen Werkes ward dort die allzu geringe
Berücksichtigung des slavischen Materials scharf bemängelt, was der Verf.
selbst erkannt und beklagt hatte. Jetzt hat er, was auch ohne jenen Angriff
geschehen wSre, die Wandlung vom Saulas zum Panlus durchgemacht, ist
selbst Efinder des Slavischen und seiner Wichtigkeit, speziell des Bussischen
geworden; russische Parallellen auf Schritt und Tritt, weitläufige Berücksichti-
gung der sfldslavischen und russischen Stammesorganisation, der zadmga und
des Mir, der* Raub- und Eaufehe, der Totenbräuche u. dgl. haben sich zu förm-
lichen slavistischen Exkursen ausgewachsen. Die russische Literatur, speziell
die Werke eines Melnikov-Pe6erskij , §ein, Ch vojko, sind am häufigsten
sitiert, nicht zum Nachteil der Darstellung, deren Farbengebung förmlich leb-
hafter geworden ist; die neuen slavischen Zflge heben sich wirkungsvoll von
dem arischen Hintergrunde ab.
Bei einer dritten Auflage die große Bedeutung und wohl verdiente Be-
liebtheit des Werkes hervorzuheben oder die Grundanschauungen des Verf.
ausführlich beetreiten zu wollen, wäre müßiges Unterfangen. Nur kurz sei
hervorgehoben, worin des Verf. Ansätze angefochten werden können. Er ver-
schiebt, lokal, die Heimat der Arier zu sehr gegen Süden, der Steppe und dem
Schwarzen Meere zu — dies soll nach ihm das arische mure-morje sein; zeitlich
setzt er das Auseinandergehen der Arier, d. h. die damals von ihnen erreichte
Kultur, zu sehr in das neolithische Zeitalter zurück oder hinauf, bestreitet z. B.
eine Metallkenntnis (außer Kupfer), während doch die Sprachen beweisen, daß
den Ariern Gold und Silber, zum mindesten, außer Kupfer und Bronze, bereits
wohl bekannt waren. Sprachliche Tatsachen, die mit der Grundanschanung
Seh raders streiten, werden von ihm weginterpretiert, auch auf Kosten der
Konsequenz.
Neben allgemeinen, d. h. in allen oder fast allen arischen Sprachen sich
wiederholenden Gleichungen, gibt es gar viele partielle, die sich z. B. nur
in je zwei Arinen wiederholen. Was beweisen oder besagen solche Gleichungen?
Für die Ziege z. B. gibt es ihrer drei, die Schrader vollkommen genügen, um
die Vertrautheit der Urarier mit der Ziege zu erweisen; aber für Gold gibt es
ihrer ebenfalls drei, die noch dazu gewichtiger sind als die Ziegengleichungen
(man denke nur an den Anlaut von idato und GoldV), und doch haben sie für
Schrader keine ähnliche Beweiskraft mehr — eine um so größere für mich.
Ähnlich verhält es sich mit dem Namen für Silber. Die bedeutsamen Überein-
stimmungen von aurum = urlitauisch ausas (das speziell litauische ks hat nichts
in besagen!), von argenfum usw., erklärt Schrader ein&ch als Entlehnungen
weg! iJso die Kelten hätten von den Italikem den Namen des Groldes schon
430 Kritischer Anzeiger.
mit dem r entlehnt, dagegen hätten ihn die Uriitauer ohne den Wandel
des »zur bekommen! Wir wissen doch, wann znm ersten Male ein B0mer das
Bemsteinland betreten hat; wir wissen, daß Deutsche die Vermittler zwischen
Italien und Preußen abgegeben haben, daher die deutschen Namen Ar alles
Litauische bei Tacitus, und nun sollen wir auf einmal glauben, daß ausas ans
italischem atMom entlehnt ist!! Und auf diese grundfalsche Entlehnung von
auioa aus aurum beruft sich Schrader(n,97) ausdrücklich, um auch olavo ans
album (sc. plumbum) entlehnt sein zu lassen: so entfliUt diese Stütze. Noch
schlimmer ergeht es den Silbernamen; ich sehe von den lateinischen usw. ab,
aber shrebro mit seinem ursprünglichen r (got silubr ist doch offenkundig an
*s%nibr dissimiliert), aus dem Namen der alten pontischen »Silberstadt« AXv^,
herzuleiten — diesen Ein&U V. Hehns, der die Sprachwissenschaft nnr
diskreditiert, hätte Schrader nicht wiederholen sollen. Und noch schlimmeres,
wenn hier eine Steigerung möglich ist, passiert dem Messing: die Chronologie
wird auf den Kopf gestellt; das deutsche Wort soll aus dem Slayischen ent-
lehnt sein, Messing aus mospdxb^ statt umgekehrt ; statt der einzig richtigen Ab-
leitung aus maasa^ wogegen die Polemik von Kluge gar nichts triftagee ein-
zuwenden hat, soll der Name des Metalls ans dem Völkemamen der Mossy-
nOken herstammen!! Wir erwarten bestimmt, daß in der kommenden vierten
Auflage beide Einfälle, von AXvfii^ wie von den Moaüvyoixoi^ nur noch der
Kuriosität halber erwähnt werden. So ist das Kapitel von den Metallen, zum
Teil infolge jener Grundanschauung des Verf., am unbefriedigensdten ausge-
fallen: freilich werde ich ihn allein nicht dafttr verantwortlich machen, daß wir
noch immer betreffs der Etymologie der Metallnamen im Finstem tappen.
Während der Verf. bei den Metallnamen die vorhandenen Gleiehungen
allzu gering einschätzt, legt er andererseits allzu großes Gewicht auf das Fehlen
von Gleichungen, obwohl er selbst zugeben muß, wie wenig das Nichtvor-
handensein sprachlicher Gleichungen eigentlich sagt. Es sei mit seinen eigenen
Worten auf einen eklatanten Fall der Art hingewiesen: »blickt man auf die
doch fast nur dialektisch verschiedenen indisch-iranischen Sprachen, so findet
sich aus der gesamten Pflanzenwelt fast nur die Somapflanze mit einem einheit-
lichen Namen bei beiden Stämmen benannt« (II, 161). Wenn dem so ist, wie
dürfen wir uns wundem, daß z. B. gemeinsame Fischnamen den Ariern fehlen
und wie dUrien wir aus diesem Fehlen irgendwelche Schlüsse auf Vernach-
lässigung von Fischfang oder Fischnabrang bei den Ariern ziehen, die gewiß
früher Fischer, als Hirten waren? Es wäre verfehlt, für die Namen von Fischen,
Angeln usw., dieselben konstanten Gleichungen zu erwarten, die wir fUr Zahlen,
für verwandtschaftliche Begriffe, für persönliche Pronomina und für den —
Bauschtrank besitzen. Bei letzterem fällt nun wieder auf, daß gerade für den
Urheber dieses köstlichsten Produktes der Urzeit, d.i. für die Biene, ursprach-
liche Gleichungen fehlen, während solche für jeden Dreck, Fliege, Floh, Ameise,
saus, Wespe usw., vorhanden sind! Daraus folg^ nun weiter ein prinzipieller
Gegensatz unserer beiderseitigen Auffassung; während z. B. Schrader (II, 18
L. 0.) folgert: »Wenn somit aus der Sprache die Bekanntschaft der ältesten
Arier mit dem Schmiedehandwerk in keiner Weise hervorgeht usw.«, folgere
ich aus denselben sprachlichen Tatsachen nur folgendes: »Wenn somit in der
Schrader, Spraehyergl. und üi^schichte, angez. von Brückner. 431
Sprache die Bekanntschaft der Sltesten Arier mit dem Schmiedehandwerk
keine deutliche Spnr hinterlassen hatc ; für ihn bieten die sprachlichen Ver-
hiütnisse keinen Anlaß , die Ansbildnng des Schmiedehandwerks in die arische
Urzeit zu verlegen (S. 28), mich hindern sie daran keineswegs, nnd ich wUrde
gar nicht zögern, auch einem Götterschmied den Platz im arischen Olymp an-
inweisen.
Yerinst alten Sprachgntes ist nämlich etwas alltSgliches ; der Verf. widmet
dieser Erscheinung sogar ein besonderes Kapitel (1, 160—165), ohne aber des
näheren daranf einzugehen — nnd doch sind die Gründe dafür äußerst inter-
essant, zumal wenn man die Verhältnisse bei wilden Völkern mit ihren Wort-
verboten zur Erläuterung heranzieht Auch die Arier werden oft alte Worte
absichtlich fallen gelassen haben. Wenn z. B. die Slaven den BUxenmedvidb
nennen, so haben sie absichtlich den ursprünglichen Bärennamen {ttrausy
ttQXToc usw.) angegeben und ihn durch eine Umschreibung ersetzt, etwa wie
sie das Fieber ieika nannten, um den Bösen nicht an die Wand zu malen, ihn
nicht zu reizen {nie woiaj wilka z lasa oder o ujxlku mowa a toilk iu sind ja ge-
läufige Sprichwörter- Analogien dazu); sie und die Litauer in ihrer Bärenheimat
hatten allen Grund, in der Wahl der Bärennamen vorsichtig zu verfahren —
wie häufig entscheidet das Streben nach Euphemismus über den Verlust alter
Worte; kein Wunder daher, daß die arischen Göttemamen z. B. gar nicht
Übereinstimmen.
Die schwersten Verluste alten Sprachgutes (neben Verboten, Euphemis-
mus, Vergessen) bringt Jedoch oft das Eindringen von Fremd- und Lehnworten
in die Sprache. In Bezug auf Einschätzung der Lehnworte trennen sich
nun wieder unsere Auffassungen. Ich hatte aus Anlaß einer andern Schrift
Schraders die Heranziehung von russischen Lehnwörtern wie no^Tamn,
naRrays'B u. dgl. als zwecklos bemängelt; der Verf. verteidigt sie, obwohl sie
uns nichts anderes besagen, als die stillose Barbarei ihrer Herübemahme —
da waren die Alten mit ihrem hogoslov und yubomudrije doch verständiger und
anständiger. Wenn er weiter annimmt, daß Lehnworte im allgemeinen her-
flbergenommen werden, wenn sie etwas neues besagen, eine neue Nuance u. dgl.
hervorheben sollen, so wflrde ihn gerade das Beispiel der slavischen Sprachen
eines anderen belehren, wo Westslaven und Slovenen aus dem Deutschen, Sfld-
slaven aus dem Türkischen, Litauer aus dem Slavischen und Deutschen, ohne
ieden Grund, ganz ziel- und zwecklos, borgen und kostbares einheimisches
Spracbgut willkürlich preisgeben. Darüber geht der Verf zu leicht hinweg,
wenn er auch (I, 196) etwas von der Mode sogar, die dabei mitsprechen kann,
einfließen läßt. Die Litauer haben z. B. ein uraltes Wort ftlr Storch, gandras,
sie ersetzen es heute allgemein, auch in Rußland, durch das deutsche! Den-
selben Storch nannten die polnischen Weichselflößer im XVI. Jahrh. schon
Ksiqdz WojUh (Priester Adalbert) und wehe dem Neuling, der ihn anders
nannte: woher diese sonderbare Bezeichnung? man hat richtig erkannt, daß
sie den niederdeutschen Namen des Storches, Adebar, zu Adalbert umdeuteten
und übersetzten ; gerade diese alte Flößersprache ist an solchen geradezu künst-
lichen oder erkünstelten Entlehnungen reich (vgl. Poradnik J^zykowy 1907).
Man wende ja nicht ein, dies wären junge Erscheinungen, etwa Willkür-
432 EjritiBcher Anzeiger.
lichkeiten, wie in den Gaunersprachen n. dgl.» nnd bewiesen nichts fUr uralte
Zeiten. Im Gegenteil, mir scheint es klar, daß wenigstens flir das Slavische
(ähnlich scheint es im Urfinnischen zu liegen), das 6niebisie schon in die Ur-
zeit hinaufreicht Denn wenn die Urslaven mliko, cklibi, i^do, k%nfdzh u. a. von
den Deutschen entlehnten, taten sie es einfach nur der Mode halber, ja nicht
aus irgendwelchem Bedürfnis, nicht etwa, weil mit den neu aufgenommenen
Wertem eine besondere Milchspeise oder Brotart u. dgl., die den Slaven vor-
her unbekannt gewesen wären, bezeichnet werden sollten; es ist nur dasselbe,
wie etwa die Polen für iskaö — aztikaö, für irz^ — los u. dgl. sagen. Hier
könnten auch die »versteckten« LehnwOrter besonders erwähnt werden, d. h.
einheimische Wörter, deren Bedeutung nach dem fremden Korrelat geregelt
wird, z. B. jutrzyna « Morgen (für mansus), samek s= Schloß (für an) usw.,
worin schon die taktvollen Griechen Meister gewesen zu sein scheinen.
Außerdem könnte der Umstand hervorgehoben werden, daß die Literatur-
sprachen oft gar nicht den Grad der Verderbnis erkennen lassen, die bereits
die Umgangssprache ergriffen hat. Und noch eine Bemerkung betreffs Lehn-
wörter : meinen im Archiv geführten Nachweis, daß der preußische Wortschatz
vom Polnischen vollständig durchsetzt ist, ignoriert der Verf. und fährt fort^
preußische Worte anzuführen, als ob sie irgend etwas zu besagen hätten —
er mag sie ja nennen, aber sie wenigstens in Klammem setzen, um ihre Un-
selbständigkeit anzuzeigen. Er hätte dabei die nicht ^^linteressante Beob-
achtung machen können, daß mitunter eine vollständige Prutenisirung des
polnischen Wortes , eine Umsetzung seiner Laute in echt preußische erfolgt,
die sogar gewiegte Spraohkenner täuschen könnte, z. B. kektdU aus poln.
czechei, hekers aus poln. ciecierz (nicht aus deutsch Kichererbse), waldwieo aus
wiodyka usw.; ähnliches können wir an slavischen Lehnwörtern aus dem Deut-
schen, z. B. bei 6fdo u. a. wahrnehmen. Dieselbe Bemerkung gilt für das Li-
tauische, dessen Entlehnungen aus dem Bussischen oder Polnischen (z. B. dyha
u. a.; vgl. auch u.) der Verfasser höchst überflttssigerweise paradieren läßt, was
bei dem mit dem eigentlichen Verhältnis unvertrauten Leser nur Verwirrung
erregen muß, da dieser unwillkürlich annehmen wird, es handle sich um selbst-
ständige Positionen, um altes Sprachgnt, während es nur junge, nichtssagende
Entlehnungen sind.
Da ich schon einmal beim Preußischen bin, sei erwähnt, daß der neueste
Aufsatz des trefflichen Germanisten F. Kluge, Zum altpreußischen Wortschatz
(Indogermanische Forschungen XXI, S. 358—361) darum wenig neues bringt,
weil Nesselmann, bereits in seinem Thesaurus linguae prussicae 1873, die
mundartlichen deutschen Ausdriicke des Elbinger Vokabulars erklärt hatte,
wasBerneker daher in seiner Preußischen Sprache 1896, nicht zu wieder-
holen brauchte. Aus diesem Aufsatz Kluges ersah ich, daß vor mir L e s ki en
bereits den preußischen Namen für deutsch, mikskai, aus Mikas s= Jfic^e/ her-
geleitet hat, an einem mir unzugänglichen Ort (1897), dessen Priorität ich so-
mit gerne anerkenne: die Polemik Kluges gegen diese Erklärung hält nicht
stand, weil diese Erklärung von dem Alter und Ort der Redensart »der deutsche
Michel« unabhängig ist; ebenso benennen z. B. Mordvinen die Bussin einfiicb
Katja: Kluge wollte nUkskai mit niemieeki vereinigen.
Schiftder, SprachvergL und UrgeBchiohte, angez. von Brückner. 433
Nach prmzipieUeren AiiBemanderBetznngen seien noch einige Einzel-
heiten hervorgehoben. Es ist schon betont, mit welcher Energie nnd mit
welchem sehOnen Erfolge der Verf. sich ins Bnssische hineingearbeitet hat —
jetst wird es ihm leichter fallen, anch polnische Quellen und Bearbeitungen zu
verwerten. Hätte er z. B. die vortrefflichen Materyaly ^rodlowe benützen
kOnnen, die der Krakauer Botaniker, Prof. Joz. Bostafinski zur Säkular-
feier der Jagellonenuniversität 1900 herausgegeben hatte, so hätte er sich
manchen Irrtum und Zweifel erspart Über das Werk, das Ergebnis eingehen-
der Geschiehtskunde der Pflanzen, ihrer Verbreitung, Anbaues usw., ist seiner-
zeit im Archiv XXIV (1902) S. 187 f. berichtet worden. Daß es Schrader
nicht beachtet hat, hat sich nur an ihm selbst gerächt. So spielt in seinen Aus-
fflirongen über die Urheimat der Arier der Waid, Isatis tinctoria, als uraltes
Färbemittel (zum Tätowieren), noch immer eine gewisse Rolle (vgl. II, S. 270
und ^9); auch ohne Krause, hätte er ausRostafinski (S. 176) lernen können,
daß Isatis eine planta culta, d. h. nicht wildwachsend ist und daß »in den ost-
europäischen Sprachen einheimische und altertümliche Namen für den Waid«
— nicht vorkommen, wenigstens was die slavischen betrifft Denn poln. z<'gfen
Waid ist einfach == Kohle (und nur für Kohle primär); uret und urzef (die so-
gar Miklosich besonders nennt; schon der Wechsel von r und rz müßte ja
jedem auffallen), ist nach Rostafinskis scharfsinniger Deutung nur aus toety
d. i. aas dem deutschen Namen, von einem Schreiber entstellt; sinilo ist ganz
jung; bOhm. ryt ist = Röte; so bleibt kein alter Name fttr Waid übrig und die
Pflanze ist für immer aus den Heimatsbestimmungen auszuscheiden. Ebenso
verhält es sich mit den Cucurbitaceen, die nach Schrader (II, 199 f.) »auf
das südliche Rußland als Heimat der Arier vielleicht mit nicht unerheblicher
Ansdehnung in die benachbarte asiatische Steppenregion« schließen lassen ;
von den einschlägigen Gleichungen scheint ihm »namentlich die dritte, griech.
asxova (!), cUvs^ Qurke » slav. ti/ky (tykwa) Kürbis, wohlbegründet« ; daß es
damit nichts ist, daß das griech. und das slavische Wort nichts miteinander
gemein haben, hätte er ebenfalls aus RostafiDski (S. 317) ersehen. So
sehwindet die letzte auf die pontischen Gestade hinweisende Spur und das
mare kann, wie andere hervorgehoben haben, mit mehr Recht auf die Sümpfe
der Pripet oder Berezina gedeutet werden; zu Einbäamen brachten es die
Arier auf ihren Flflßen, nicht auf den gefährlichen Fluten des ungastlichsten
Meeres.
Überflüssige Skrupel bereitet dem Verf. der Umstand, daß die Baumnamen
der Arier gar schwankend sind, aber wie schwankt z. B. der deutsche Gebrauch
von Tanne, Kiefer, Fichte, Föhre! VonRostafinski hätte er den Grund
dieses Schwankens erfahren können, d. h. worauf es beruht, daß ein und der-
selbe Name hier die Eibe, dort die Weide bezeichnet [iva) ; warum die Ulme =
hnost (zur Bildung, von Mza, vgl. miost zu mlass^) nach der Birke bezeichnet
ist nnd daher nicht mit armen, barii (gegen S. 175) verglichen werden darf
Hätte er die Ausführungen von Rostafinski S. 142 f. gelesen, wäre er nicht
darauf verfallen, russ. ilem und viaz Ulme für arische Gleichungen zu ver-
wenden; wie poln. ilem beweist, ist nämlich ersteres nur ein deutsches Lehn-
wort und viaz ist poln. tciqz, lit. winkszne (daher nicht von toiqzaS abzuleiten,
ArohiT für slftruehe PhUologi«. XXDL 28
434 KritiBcher Anzeiger.
wie es poln. Botaniker schon im XVL Jahrh. taten: »zowi^ wifxem stfd, ii s
niego fyka mocne bywaj^ kn tüiftamu* ?). Oberhaupt rSch( rieh mehrfach die
NichtberttckBichtigiing des Polnischen, z. B. für die Sippe mssiBch hii- ist poln.
i^ Gerte (davon der slavische Name für Pnppe, iqika luika)^ charakteristiBch;
bei yitez Weide hätte poln. viüina (hente toiklina, wie wqkliea Topf fllr altes
wqUka) dass., genannt werden sollen; S. 203 wird zu skrt eari spinnen lit
krätai Gitter genannt, aber das ist doch spätes Lehnwort ans. dem poln. kraty,
das seinerseits ans dem romanischen stammt! Dem Verf., der so erfolgreicfa
die Schwierigkeiten des Bnssisohen Überwunden hat, wird es jetzt nicht meiir
schwer fallen, auch die übrigen Slavinen zu berücksichtigen und das lataniseh-
preußische richtiger einzuschätzen. Für manches ist er Ja ttbeiiianpt nicht
verantwortlich, sondern seine Quellen oder Vorgänger, z.B. für die ÜEÜBche
Deutung von iupa als Weidebezirk, für den unslavischen Ursprung von konh n. a.
Das Werk zerfällt in vier getrennte Abhandlungen: die Geschichte der
»linguistischen Paläontologie«; ihre Methode und Kritik; das Auftreten der
Metalle; die Urzeit, wo in 16 Kapiteln Haustiere, Waldbäume, Wohnung,
Kleidung, Recht, Beligion u. dgl. behandelt werden. Das Werk kann und soll
das ungleich reichere »Reallezikon« nicht ersetzen, da es oft gerade bezOglieh
der Einzelheiten auf dieses einfach verweist; man möchte fast sagen, daß es
die populäre Zusammenfassung jenes Hauptwerkes darstellt Daher kann hier
von weiterer Prüfung aller Einzelheiten abgesehen werden: für folgende Auf-
lagen sei jedoch noch manches hervorgehoben. Es verdiente ausführlicher
z. B. die arische Bienenzucht (d. i. Waldbienenzucht] besprochen zu werden,
denn von der einstigen Bedeutung derselben (trotzdem arische Gleichungen
für den Namen der Biene selbst fehlen!), zeugt entschieden der Name des
Methes, der unauslöschlich an den arischen Sprachen haftet, noch inniger als
z. B. der Name von Vater oder Gott! Der »Honigesser«, der Bär, wird den
Ariern den Weg auf die alten Föhren und Eichen (daher Schwanken auch
dieser Baumnamen?) mit den Beuten gewiesen haben: wie viele Arier mögen
bei diesen Kletterttbungen Hals oder Beine gebrochen haben! sie werden auch
schon zur Anlegung eigener Beuten, darct, für die Waldbiene vorgesehritteii
sein und da sei denn auch der Verf. an das altehrwürdige, merkwürdige poln.
Zeidlerrecht erinnert, das wir aus den Jahren 1559 und 1616 besitzen, das in
den Wäldern entstanden ist, die nur eines Ariers Fuß betreten hat — biaher
haben ja die Neuroi gesessen; das so eigenartig, altertümlich ist, dem Ruß-
land und Litauen, trotz ihrer Honigwaldungen, nichts zur Seite zu stellen
hat, wenigstens nichts geschriebenes! Auch hier sind die Slaven unmittel-
bare Fortsetzer der Arier geblieben, anders als Germanen, denen man bekannt-
lieh gerade in der Bienenzucht slavische Einflüsse und Entiehnungen vielfach
zuspricht.
Hier sei mir eine Zusammenstellung gestattet, die vielloicht auch grund-
falsch ist. Litauisch heißt die Beute dravis — daher stammt der Name des
litauischen Gaues Nadrovien ; ich möchte das Wort in poln. dn^*ki süß, süßlich,
fade, sich ziehend wie Honig, wiederfinden. Zweifelhaft werde ich an dieser
Znsammenstellung nur durch die völlige Vereinzelung des poln. Wortes, das
sonst in keiner Slavine wiederzukehren scheint — steht es nicht für druwki
Schnder, Sprachvergl. und ürgeachlchte, angez. yon Brttekner. 435
eiwm, die die HolzXpfel bezeiohnen und die man, allerdings sehr problematisch,
avB dem Deutschen herleiten möchte? Über den Gannamen NadroYien s.n.
eine Yermntnng.
Litauisch und Russisch zusammen haben einmal, fürchte ich, den Verf.
arg verftihrt Während ihm die russischen priiski gute Dienste bei der £r-
UXmng von fiixaXXoy leisten, haben ihn Ut pats (selbst und Herr), russ. sam
(ebenso) zu der Aufstellung verleitet, daß auch arisches potü Herr nur aus
einem Siteren, pronominalen potis selbst (vgl. lat. suopU u. S.) entstanden ist
Ich glaube entschieden, daß hier die Chronologie auf den Kopf gestellt ist:
das litauische ist wie das russische (der polnische Gebrauch, namentlich in
litauen einheimisch, mag auf bloßer Nachahmung beruhen), sp&t und selbst-
BtSndig — schon das preußische kennt ja kein paU selbst (dafür subas), und
paus scheint überall den Eheherm zu bezeichnen, vgl. noch preuß. paüniskun
Ehe; Kr6eks Ausführungen über das Fortleben von *po^ Herr im Poln. sind
übrigens irrig. Es mag somit der alte B o p p mit Recht die Zusammengehörig-
keit beider Worte bestritten haben; jedenfalls kann der junge litauische und
russische Sprachbrauch für die Urzeit, die vom concretum zum abstractum,
nicht umgekehrt, vorschritt, nicht maßgebend sein. Es ist dies die ausHihr-
lichst begründete Etymologie im ganzen Buche, doch keine glückliche, wie
gerade die Verwandtschaftsnamen den Verf. mehrfach im Stiche lassen: seine
Herleitung des deutschen Schwager aus dem slavischen wak (ans svojak)^ hat
W. Seh ulze durch den Hinweis auf die älteste Nennung des deutschen Wortes
(in der verbrannten Jordaneshandschrift) entkräftet Nebenbei sei bemerkt,
daß gerade zur Deutung der Verwandtschaftsnamen die Parallelen von den
Sprachen der >Wi]den< her, die sie oft noch in alter Durchsichtigkeit erhalten
haben, von Nutzen sein konnten: Sehr ad er meidet ethnologische Parallelen
fäst prinzipiell.
Die Belesenheit des Verf , sein Berücksichtigen auch der allemeuesten
Literatur (noch in den Nachträgen), kann nicht rühmend genug hervorgehoben
werden. Doch vermisse ich einen wichtigen Nachweis: in ü, 18 ff. handelt der
Yert über den in der deutschen Heldensage hochberühmten Schmied Wieland
a YOlundr der nordischen Sagen, in einem besonderen Kapitel, >der Schmied
in Sage und Sprache«, dessen Ausführungen in der meiner Ansicht nach irrigen
Folgerung gipfeln, daß die Ausbildung des Schmiedehandwerkes nicht in die
arisehe Urzeit zu verlegen ist Mit Hecht dagegen verhält sich Sehr ade r
skeptisch gegen die auf Kuhn zurückgehende Identifizierung von Wieland
und Sephaiitoa-Daidalos; ich hätte nur gewünscht, daß er auch die Kuhn-
sche Identifizierung der Eiben- Alf en mit den indischen Ribhus als ein
Mlrehen (würdig der bekannten Max MüUerschen von Sdramiya- Hermes usw.),
zurückgewiesen hätte; ebenso hätte er andeuten können, daß die als Schmiede
berühmten Zwerge bei Griechen (die Idäischen Daktyler) und Germanen auf
eine vorarische europäische Zwergrasse, deren Spuren man jetzt überall auf-
stöbert, zu beziehen wären. Endlich hätte er ~ denselben Fehler begeht
Veselovskij — den russischen Arzt-Schmied, den h. Kuzma, nicht auf eine
Stufe mit den ^oiTrar-Schmieden der Griechen, den Daktylen, steUen sollen,
denn Ktäma ist nur durch eine Volkse^mologie {Kuznee) zum Schmiedepatron
28*
436 KritiBcher Anzeiger.
geworden, ebenso wie der h. Kirik znm Htihnerpatron ward, nni weil sein
Name an die kury Hühner erinnert nnd nicht etwa, weil in seinem Wesen jl dgL
etwas darauf sich bezog. Aber nun zu Wieland selbst — ttber den die neueste,
eingehendste Untersuchung, aus der Feder von A. Veselovskij, Sehr ad er
entgangen ist.
Sie ziert, leider ein opus posthumum, die Petersburger Izvistija Ki06,
IV, 3, S. 1—190 (darin von S. 130 ab als Beilage die Übersetzung von Stücken
aus der Thiedrekssaga, gefertigt von seinen Schülern), u. d. T. >die Russen und
Wiltinen in der Thiedrekssaga« ; von Wieland speziell handeln Abschnitte V
und VI, S. 80— 113. Die erstaunliche Belesenheit (doch fehlen einige inter-
essante Angaben, die S ehr a der bietet), die scharfsinnige Kombination, die
das entlegenste zu verwerten weiß, die kritische Methode, die sofort das
Schwache in jeglicher Beweisführung oder Annahme herauskennt, feiern aneh
hier, wie in allem, was aus dieser Feder hervorgegangen ist, ihre Triumphe.
Es handelt sich um die Wiltinen (nicht Wilkinen) und ihren König-Eponymas
selbst, dann um deren Gegner, die Bussen und deren Herrscher, zumal um
Ilias von Beußen, dessen von Chal ans kij vorgeschlagene Identifizierung mit
Ohg mit Becht zurückgewiesen wird. Wenn Ilias, statt von Griechen (jarl
einn af Greka), jarl einn af Gersekeborg in einer Handschrift genannt wird,
d. i. nach dem aus den livlfindisch- russischen Stampfen wohl bezeagten
Gercike (1205 u.ö.), so erkennt Veselovskij darin mit Becht nur eine lokale
Anpassung, nicht erstaunlich bei den niederdeutschen Livlandfahrem ; auf
niederdeutsche Überlieferung geht ja die nordische Thiedrekssaga zurück.
Ebenso richtig weist er M ü 1 1 enhof f s Deutungen, die sich eines unbestrittenen
Kredits erfreuen, z. B. über die Identität von Hertnit und Ortnit, die nur die
Namen treffen kann, oder über die Taciteischen Dioskuren bei den Nahanar-
walen als gleich den Hertnits (Ortnit) der Sage u. a. zurück. Dagegen scheint
Veselovskij in den eigenen Ausführungen diesmal weniger glücklich ge
wesen zu sein.
In den Welten, die er in den Wiltinen der Sage wieder erkennt, möchte
er nicht eine slavische, sondern eine litauische Völkerschaft erkennen, deren
Namen, man weiß nicht wie und warum, auf Slaven übertragen wurde. Desto
dankbarer nehmen wir die reichhaltigen Zusammenstellungen über die vniitty
und voiotovki (Biesengräber) in Bußland auf. Besonders wichtig ist der Hin-
weis (S. 26], wo die Deutsehcn auf Ilias gestoßen sein mögen, obwohl sich da-
mit der Kampf zwischen Wiltinen und Bussen noch inmier nicht zeitiich oder
örtiich fixieren läßt. Verfehlt scheinen die Kombinationen von Suders der
Ortnitsage (mit ihrem Ilias von Beußen), nicht als = Tyrus, sondern als Sndak,
Suroi und im Zusammenhange damit die Wiederholung der Erklärung vom
Fürsten Bravlin der Stephanslegende, als verderbt aus MraoUny und dies als
Übersetzung von MvQfAid<jjt^ ijiVQiuTj^), wie die Griechen die Steppenstiimme
(am schwarzen Meer) zu nennen pflegten (vgl. noch die ähnliche Erklärung des
Terminus Mauringa, Manrnngania S. 45 Anm.). Diese Erklärung ist ebenso
phantastisch wie die von Chalanskij, dem Bravlin &= MravUn s= Morotlm
schließlich zu einem Normannen fuhrt! Wenn man schon die Phantasie so toll
spielen läßt, könnte man z. B. Märchen auf Märchen häufend bei Bravlin oder
Schrader, Sprachvergl. und Urgescliichte, angez. von Brückner. 437
Bravalin sogar an die sagenberühmte Bravaüaschlacht denken, ihn etwa all
einen Bravallakämpfer bezeichnet anffasBen: sprachlich läge dies näher nnd
sachlich könnte diese Dentang nicht schlimmer sein, als jene beiden, nnr wäre
sie gleich nnntitz. Desto schärfer nnd treffender ist die Kritik, S. 51 ff., gegen
Chalanskijs Annahme (Ohg% = Volga = Eligas =z Uja); sie zeigt, wie
tänschend alle die Argumente sind, die Chalanskij znmal ans späten, fabel-
haften, völlig wertlosen Ausschmückungen russischer Chroniken ins Feld
führt; sonst pflegten die Ausführungen Yeselovskijs etwas schwankend
und zweifelnd zu sein, wie es ja die Natur seines Gegenstandes mit sich
brachte — selten fand ich sie so entschieden und so präzise, wie gerade hier,
namentlich auch, was den Mißbrauch symbolischer Auslegungen betrifft, ob-
wohl y eseloYskij selbst (z. B. bei dem Gegensatz Volga — Mikula, Uja —
STJatogor, bei der Wielandsage) solchen symbolischen, sozialkulturellen Um-
deutnngen der Sagenmotive gar nicht aus dem Wege geht, obwohl man auch
diese gar sehr bezweifeln kann.
Die Wielandsage selbst soll nach ihm finnischen Ursprunges sein, ent-
standen auf finnisch-aistisohem (litauischem) Gebiete und übertragen in den
finnischen Norden; wird doch in der Yölundarkvida Wieland der Sohn eines
finnischen KOnigs genannt, in der Tidreksage ist er ein Wiltine. Und nun
werden andere Namen oder richtiger Varianten der Sagen in derselben Rich-
tung ausgedeutet: also der Berg Kaliava (andere Lesart Baüofa usw.), auf dem
die schmiedenden Zwerge hausen, ist finnisches Kaleva; Nidudr, der jütische
König, der Wieland gefangen hält, herrscht über die Niarar = Nerar — das
soll nun nicht mehr schwedisches Noerike u.a., wie man annimmt, sein, sondern
die litauische Nehrung^ nerga, neria, ja vielleicht die Landschaft Neronia^ Xo-
roma der ältesten Chronik (Varianten Norova, Narova usw.) ; im Gegensatze zu
allen bisherigen Erklärem möchte ich darin den Namen Nadrovia wieder er-
kennen, 8. o.; die Nennung innerhalb lauter litauisch -lettischer Gaue in der
Chronik paßt durchaus zu einer solchen Lokalisierung, wird doch dieser Nam
sogar mit Samogitien identifiziert, während Kuniks Deutung aus dem Fin-
nischen oder gar Sjögrens Hereinziehung der Woten(!!) jeden Zusammen-
hang verletzen. Den Fluß Vitara^ auf deiA Wieland von den Zwergen (Kallavas)
nach Thiodi in Jütland gelangt, lokalisiert nun der Verf. auch nahe dem litau-
ischen Boden, als einen der kurischen Zuflüsse, eventuell als den Libauischen
See, Esestua der Urkunde von 1230: sowohl Visara als dieses Esesfua, d. i.
Esertaa leitet er von lit eieras^ ezars See ab; das erstere ist rundweg abzu-
wmsen, und ist denn Usestua überhaupt litauisch? liegt nicht »finnische« Her-
leitnng näher? Neben diesen äußerst problematischen, vielleicht nur ganz
irreführenden Deutungen bewegt sich Veselovskij auf etwas sichererem
Boden, wenn er sorgfältigst aUe Übereinstimmungen in der Wielandsage und
der Kalevidensage aufweist, die ja schon von anderen, zum Teil noch von
Hannhardt, namentlich von Krohn, hervorgehoben waren; Krohn sah
deatsohe Einflüsse in diesen finnischen Reminiszenzen, Veselovskij schlägt
nun den entgegengesetzten Weg ein.
Was ist davon zu halten? Wäre die Wielandsage nur nordisch — aber
sie ist germanisch, haftet gerade in Niederdeutschiand am zähesten und ist
438 KritiBcher Anzeiger.
Ton dort erst nach dem Norden gebracht, also woher kibne ihr Ostiicher Ur-
sprung? Wären dann nicht die Ähnlichkeiten mit dem Daidalos- Hephaisto»-
m3rthn8 da (man hat ja sogar die Wielandsage daraus entlehnt sein lassen!) —
oder sind anch diese griechischen Mythen finnischen Ursprunges? Ich sdie
davon ab, daß die Parallelen oft nur äußerliche, zufSUlige sind; daß im Kern
die Sagen auseinandergehen; daß, wie Sehr a der hervorhebt, die finnische
metallurgische Terminologie gerade von der deutschen abhängig ist. Ja, hätte
sich Veselovskij darauf beschränkt, den bekannten litauischen Sonnen-
mythus aus dem Finnischen herzuleiten — das läßt sich wohl hOren, denn die
Conception von der geschmiedeten, an den Himmel gehangen Sonne scheiiit
durchaus unarisch zu sein, echt finnisch. Dazu kommen die urgermaniBohen
Personennamen, Wieland usw., gegen die die ganz problematischen Ortsbe-
zeichnungen, sogar wenn sie von Veselovskij richtig gedeutet wären (was
ich entschieden bestreite), gar nicht aufkommen können.
Hier eine prinzipielle Bemerkung gegen diese Namendeutungen, die sich
nichtnurgegenVeselovskijjMiljukov, Ghalanskij richtet. Man vergißt
nur zu leicht, daß in russischen Bylinen wie in deutschen Heldensagen viele
Orts- und Personennamen genau soviel zu besagen haben, wie etwa die Namen
Ada, Nelly oder Mitzi, die die Modisten ihren Schöpfungen, den Binsen oder
Kostümen, beilegen : sie sind rein willkürlich gewählt, beweisen gar nichts fHkr
die Provenienz des Liedes, der Sage; die Varianten z. B. von dem Wirianischea
Meere im Liede vom Solovej Budimirovi6 besagen ebensowenig, wie daa
Gercekeborg beim Uias ; aus derlei Namen (z. B. Iren soll Markgraf Gero sein!)
geschichtliche Anknüpfungen zu folgern, heißt ihnen nur Grewalt anton. Bei
Veselovskij stößt dann besonders der Umstand auf, daß er alle mOfi^chen
Erklärungen der Namen, die einander doch völlig ausschließen, nebeneinander
aufzählt, ohne sich irgendwie zu entscheiden, dadurch verliert die ganze Dar-
stellung alles sichere. Kaleva z. B. ist bald litauisches kalva Hügel oder kahü
Schmied (aber kahva ist Riese, nicht Hügel noch Schmied!} und wird, gans
willkürlich, in altlitauischen Ortsnamen wiedergefanden, oder wiederum ist es
kolbjag = hylßngr = seylfing: ich verstehe nichts vom Finnischen, aber dabei
kann ich nur an Voltaires Definition der Etymologie denken; dem unerfahrenen
Leser wird ganz schwindelig zu Mute, der erfahrene weist einfach alles ab.
Ebenso verhält es sich mit Lindanüa: daß dies wenigstens nicht = Ledenee
ist, wie Miljnkov meinte, ist doch unbedingt sicher. Und noch in einem
Punkte könnte Veselovskij s Verfahren bemängelt werden: nur zu oft läßt
er den Namen eines Helden als Eponymen eines Volkes gelten; bei Vfltiniis
ist dies ganz sicher, aber schon den Visinus vermag ich wenigstens nicht ab
den Eponymus der VesB gelten zu lassen und noch viel weniger den deutschen
Becken Wadi als den der Vof oder gar den Heima als den der lam' (HSme,
Hämelaiset) und seinen Genossen Vitege, Wielands Sohn, als einen Vidigoja,
d. i. Bewohner des samländischen Vidlandes (der Vidivarier).
Nicht ohne Wehmut legt man diese Blätter aus der Hand. Ich habe nnr
hervorgehoben, worüber man anders denken kann, verschwiegen dagegen die
Fülle von Belehrung und Anregung, die man aus ihnen schöpft, die weiten
Ausblicke, die so manche Bemerkung eröfinet Besonders interessant wirkt
Sehnder, Sprachvergl. und Urgeschichte, angez. von Brückner. 439
die neae Orientienuig Y eselo vBkij b gegenüber so manchem Bylinenproblem,
nach dem Westen und seinen Einflüssen ; ich verweise nur deshalb auf die
Analyse der Byline von Yolga nnd dem Indischen Beiehe (S. 61 ff.) im Zu-
sammenhang mit der Ortnitsage. Doch kehren wir nach dieser Abschweifnng,
die wir ja den Manen des nnvergeßlichen Forschers schuldig waren, noch ein-
mal ZQ S ch raders Buch zurück.
Die dritte Auflage unterscheidet sich, wie hervorgehoben, durch die aus-
führliche, kundige Einschätzung des slavischen Elements von den vorigen.
Dieses interessiert uns am meisten, wir verweilten bei ihm gerade am
längsten, mit dem Verf. in der Regel völlig übereinstimmend. Nur hier und
da wichen wir von ihm ab, z. B. in der Beurteilung von dem Verhältnis tnosfdzb
aus Messing, das er unrichtigerweise umkehrte; dasselbe wiederholt sich bei
vMbqd^. Er deutet es als »Riesentier« {velij und hqdqV.) und läßt daraus das
got ulbandM entlehnt sein, beides unmöglich; v0lhhqd^ mit dem Vorschlag des
V t^ohlbqdh] ist ja sicher aus dem gotischen entlehnt, nicht umgekehrt! die
Slmven behielten, anders als die Griechen, nur zu gern die fremden Namen
bei. Oleich darauf läßt er völlig überflttssigerweise gqsh aus Gans entlehnt
sein und beruft sich beide Male auf Peiskers Ausführungen über die Stellung
der Slaven unter Turkotataren und Germanen, die hier nur irreführen. Und
wiederum bei columba übergeht er mit Stillschweigen den golqbb (zur Un-
stimmigkeit im Anlaut vgl. slavisch k%lpb Schwan = lit etc. gulb is dass.).
£t«/t^t verzinnen (S. 532) ist Lehnwort. Ein wichtiges, der arischen Mythologie
gewidmetes Kapitel (S. 415—458) haben wir absichtlich gar nicht berührt,
weil Verf. selbst auf einen demnächst erscheinenden, ausführlicher zusammen-
fassenden Artikel verweist, den wir mit Ungeduld erwarten.
Bei der Fülle des Stoffes wäre noch mancherlei zu erörtern, doch brechen
wir nunmehr ab. Wir betonen nochmals mit besonderer Anerkennung die
eingehende Berücksichtigung des Slavischen, und wenn unsere Ausführungen
in polemischer Richtung sich bewegten, so hindert dies uns nicht im mindesten,
die Trefflichkeit des Werkes nach Gebühr anzuerkennen. Kein anderes dürfte
geeigneter sein. Freunde der Sprachwissenschaft zu werben, Verständnis für
ihre Aufgaben nnd Leistungen zu verbreiten ; das reiche Wissen, die vorsichtig
abwägende Methode und E^ritik, Reiz und Anmut der Darstellung vereinigen
sich zu einem harmonischen Ganzen. Moderne Schlagwörter und Theorien
verführen nicht den Verf.; eine gesunde Skepsis hat ihn vor jeglicher Über-
stürzung oder Einseitigkeit gehütet; er wahrt seinen Standpunkt, aber er kennt
und berücksichtigt die Einwände anderer; ihm sind die Arier weder Tugend-
bolde noch Troglodyten, er sucht stets die goldene Mitte zu wahren und tut
es mit Erfolg. Man kann mit ihm über das eine und das andere streiten, aber
man muß seinem Buche die größte Verbreitung wünschen: zur Auf klärung
über die Vorzeit trägt es bei, wie kein anderes. Wohlweislich beschränkt der
Verf. seine Aufgabe und sein Arbeitsfeld: nicht die Urzeit als solche, nicht die
Entstehung von.Famüie, die Entdeckung der ersten Werkzeuge, die Zähmung
der ersten Haustiere u. dgl., beschäftigen ihn, sondern die Arier auf der Kultur-
stufe, die sie vor der endgültigen Lösung uralten Zusammenhanges erlangten:
darüber hinaus läßt er seine Blicke, und mit Recht, nicht weiter schweifen; er
4 40 EritiuEicher Anzeiger.
fragt auch nicht, wie denn z. B. Europa in der Uraeit gestaltet war, er lecknefc
nur mit dessen historischen, ich möchte sagen, heutigen Bodenverhältniaaeii.
Wir scheiden von dem Werke nur mit Ausdrücken lebhaften Dankes fOr die
reiche Belehrung und Anregung, die wir von ihm erhielten.
^. BHickntr.
Alexander Brückner: Dzieje jqzyka pohMego^ z 121 ilostra-
cjami. Lw6w-Warszawa 1906, str. 186.
Es ist ein populäres Buch, nicht für die Fachmänner, sondern fBr das
intelligente Publikum bestimmt. Daraus erklärt sich vieles. Als Zusammen-
stellung von wichtigeren charakteristischen Erscheinungen der polniBchen
Sprache, die den Forschem bekannt sind, bietet es dem Laien eine anmutige
und sehr interessante Lektüre ; da es weiter in der entsprechenden Literatur
an solchen Werken fehlt, könnte das Buch dem PubUkum schöne Dienste
leisten, leider ist es aber nicht frei von verschiedenen Inkonsequenzen,
mannigfaltigen Ungenauigkeiten, Undeutlichkeiten, ja sogar von Fehlem. Ln
folgenden führe ich einige von diesen und jenen an, die — obwohl hier nnr in
kleiner Zahl gegeben — doch den wissenschaftlichen und populären Charakter
dieses Buches genügend kennzeichnen werden. Der Verfasser saprt z. B., daß
die polnische Sprache dieselben Konsonanten wie das Ursbivische besitze nnd
daß »sie (d. h. die poln. Konsonanten) sich nach denselben (d. h. urslavischen)
Grundsätzen richten; also k, g, ch gehe vor den palatalen («, i,j) in es, s, «
über« (S. 11). Das ist doch undeutlich, da die besagte Erscheinung einen ur-
slavischen Wandel vorstellt. — Oder: »Von miVoitf — sagt Prof. Brückner —
leiten wir miiostny ... ab, yon po8t — postny, sproBtny< (S. 38). Wieso : 9proHny
von post'^ — »Schaf« — belehrt er S. 67 den Leser — heißt »lateinisch nnd
litauisch om««, fürs Litauische sollte avis dabei stehen. — Die Ortsnamen
Pszczyna und Plskow leitet Brückner gleichzeitig von pUso und pio (S. 53) ab,
ohne irgendwelche Erklärungen über das wechselseitige Verhältnis von diesen
beiden Grundwörtern zu geben. Auch andere Zusammenstellungen sind für
einen Nicht-Fachmann unklar dargestellt, z. B. neben der Zusammenstellnng
Atorf — lat./ero usw. (S. 14) finden wir rudy — lat. rufw, daraus folgt also,
daß den polnischen h nnd c/das lat. /entspricht; natüriich wäre das fidneh:
ruf US ist eigentlich nicht »lateinisch«, vgl. lat. ruber.
Die von Brückner rekonstruierten Formen (ich bemerke dabei, daß sie
nicht, wie es Üblich ist, mit dem Sternchen versehen sind) sind öfters ganz
wunderlich, z. B. finden wir auf S. 11 : damea, dorne, dorn, also schon e auB %,
aber doch im Auslaute noch s; vgl. weiter S. 36 : dtfä aber merin, also hier noch
t, aber im Auslaut schon verschwunden; oder noch verwunderlicher S. 74:
sepn = sen, schon e (aus ^, ü) und es fehlt der Wandel im Auslaut, aber wir
finden noch p im Inlaut; usw., usw. — Auch die chronologische Darstellung
der verschiedenen sprachlichen Tatsachen ist in manchen Fällen ganz rtUsel-
haft und sonderbar; so spricht z. B. der Verfasser Über die polnischen Ver-
tretungen der urslav. tj, <(;', d. h. über die poln. c, dz erst nach der Bespreehunip
Brückner, Gesch. cL poln. Sprache, angez. yon Ultanju. 441
der Yertretongen der urslav. «, h und e^ i (S. 35--36) ! Oder er nimmt z. B. erst
nach der Besprechung solcher Erscheinungen wie der Wandel im Polnischen
fid,fiik^,d£,rz nnd solcher, wie die Vereinfachung der Gruppe -stn- in -«n-
(Z.B. miiomy) usw., — die Vertretung der urspr. /, r (a. B^mlk, targ usw.) und
die Verbindungen o, # 4- r, i (z. B. jwo«>, sioma usw.) vor (S. 39—40)! . .
Nachdem der Verf. die Formen rog — roga besprochen, sagt er: >8o auch
soU man die Verschiedenheit ehUh (chUh)^ehUha\ pan [p<m)'--pana\ r^ka—
rqk; mifso — nu'qif hoi^o^iwiqi verstehen« (S. 29). — Meiner Ansicht nach
eben nicht »auch so«. Hier gibt es keine Parallelen: d, d in chUh^p&n [pon)
sind wegen der Geschlossenheit der Silbe mit einem stimmhaften Konso-
nanten eingetreten [sog. »polnische Dehnung«]; in rqk^ miqsy ätoiqt . . .
aber haben wir die Vertretung der urspr. Längen ganz unabhängig von
der Form der Silbe. Also nicht alle aufgezählten Beispiele darf man eben
so verstehen, wie sie Brückner erklärt — Unrichtig ist auch die allgemeine
Behauptung, daß »die pohuschen Längen (,dhigie-pochylone*) sich nicht
mit den ursprünglichen Längen zusammenstellen lassen. Sie haben mit die-
sen — fUhrt er weiter aus — nichts gemeinsames. Das sind alles Längen, die
im Polnischen entstanden sind . . .« (S. 29). Es ist aber doch bekannt, daß
solche Formen wie z. B. mqkaf kqt . , . unmittelbar die urslavischen langen
Nasale vertreten (lang geblieben vor dem Akzent ; vgl. die Arbeiten Lorentzs,
Kulbakins . . .) ; die Dehnung im Polnischen ist wieder ein anderer Vorgang.
Die Erklärung dieser Dehnung (S. 29—30) ist im allgemeinen von Brückner
sehr unklar dargestellt, und so weit es solche Genitive pl. betrifft, wie rqk,
miqs usw., sogar falsch, da es hier eigentlich keine Dehnung gibt: die ur-
sprünglichen Längen sind als solche geblieben.
Ich kann auch nicht dem Verf. beistimmen, wenn er sagt (S. 39 — 40), daß
in der polnischen Sprache einst Worte in folgender Gestalt existierten : witlk
wiereh, wUnn, tSrg . ., deigi, teisty^ aelnce ... In diesen Worten, in den Ver-
bindungen der silbenbildenden Liquiden (^, /) mit den ihnen vorausgehenden
nicht-sUbenbildenden «, b, reflektieren die letzteren im Polnischen nicht wie
die silbenbildenden «, b, und daher ist auch die Transkription der genannten
Wörter — wie es Brückner tut •— irreführend, besonders für den uneinge-
weihten Leser, ftir welchen er sein Buch bestimmt hat Meiner Ansicht nach
muß man mindestens für die westslavischen Sprachen die Baudouin de Conr-
tenaysche sonantische Theorie annehmen, da nur die Annahme der Grund-
formen mit r, / uns zur Zeit am besten die Mannigfaltigkeit der polnischen
Verbindungen ir {er), ar, m, tV, ei, oi, iu . . . samt den ^echischen, sorbischen
usw. Entsprechungen erklärt Nur bei dieser Hypothese sind auch die For-
men mit tr, fV . . . oder rci, ^ . . . ohne Annahme einer Metathese verständlich:
die Liquidae verloren mit der Zeit im Polnischen ihre sübenbildende Selbst-
ständigkeit, sie entwickelten neben sich (»aus sich«) das vokalische Element,
das mit der Zeit die silbenbildende Rolle übernahm; in der Abhängigkeit aber
von den versehledenen Umständen nahm dieser Vokallaut diese oder jene
Nuance an, und entwickelte sich zu dieser oder jener Seite des Konsonanten
[vgl. auch analoge Bemerkungen in E. Herzogs »Streitfragen der romanischen
442 Kritischer Anieiger.
*
PhiIologie< (Halle 1904), I, 36—37]; also nicht toilk und nicht dhtgi entstanden
mittelst der Formen *t0t^/%-, *dSig» . . ., wie uM aus *wU8ii (nach der Brttek-
nerschen Transkription) ans älterem vuiy — sondern mittelst der Formen
*o^^A>, *d^g' . . . ans ursprünglicheren *f (ft-, *dfg' . . . Und wie so — wenn man
die Brücknerschen Urformen annimmt — erscheint ^toUreh im Altpolnischen
als iriVzcA? Das neupolnische wUrzeh entwickelte sich Ja ans dem letzteren.
Die Darstellung der Konsonantenassimilation im Polnischen ist Ifieken-
haft; der Verf. anerkennt nur die Assimilation des vorhergehenden Konso-
nanten an den folgenden; die umgekehrte ist von ihm übersehen, vgl. s. B.
kfiai (kuna€)^ äßat [dwiat], otf6r {otwdr), ifardy [twardy) .. ., kszj/k {krajfk}, knak
(krzak) . . ., chfaia (chwala)^ woher dialekt und altpoki. fala (S. 62), weiter diaL
und altpoln. wielgi (wielki) und. endlich schrifüich fixierte phonetische Lau-
tungen: »fora (aus *vhvora\ obßty (aus *opJUgy *opwüyy vgl. altpoln. ophoity],
ufa6 (aus upfa6^ upwad, *upvxxt%)j kszyk (eine Yogelart; aus krzyk\ upi^kna6
(altpoln. upi^rtadj vgl. altpoln. pifkry) usw., usw.
Poln. ezekaS neben ezaka^ erklärt Brückner (S. 33) in der Weise, daß sich
die Sprache mit der Zeit an die Nebeneinanderexistenz von *a\'e: la9\w Issie
gewohnte, daher sekundär czekad aus czakaö; aber er übersieht dabei, daß wir
für das poln. ezekaS phonetische Entsprechungen auch in den anderen slavi-
schen Sprachen, die ja nicht den oben genannten Lautwandel (»EntpaUtali-
sierung«) kennen, besitzen, z. B. aksl. HaKam | SfKaTH, serb.-kr. il^kati,
6ech. Sakati \ iskati usw. — Was die Form ielezny (neben ielazny) betrifft, so
sagt Brückner (S. 37), daß sie einst so lautete; doch nicht nur »einst«, da eine
solche Form (ieUtny) dialektisch noch heute existiert, sogar auch in der noch
»reguläreren« Form: ieleiny; zu den Formen ^rzofny | przainy (S.37) bemerke
ich, daß auch przesny \przeäny im Altpolnischen existierten. [Näheres zu
diesen beiden Einzelheiten vgl. in meiner Arbeit »Ober die Entpalatalisierung
der urslav. e-Laute im Polnischen«, S. 52.]
Ob nep'B, nepen'L das Bnssische — wie Brückner S. 38 meint — entlehnt
hat, ist möglich, aber nicht bewiesen, und es wird schwer zu beweisen sein,
vgl. aksL flknpk auch nkilkpk, griech. mne^; — dagegen hat das russische
npflHuu unzweifelhaft nichts mit dem Polnischen zu tun, es gründet sich
doch auf *phprim^ weiter aus dem ^pprSm^ prim; zum b-Schwund und -jamh
statt 'im [koiam] vgl. russ. öarpnH'L aus *6a^r/n%, jibhahou aus hnlnhjh usw.
Endlich ist paprika wohl nicht — wie Brückner meint — eine »madjarisohe
Aussprache« des polnischen pieprz; das ma^jarische Wort ist unzweifelhaft
eine Entlehnung aus dem Serbo-kroaüschen: päpar^ paprika.
Weiterhin ist in den Worten wioaio und nuuio nicht das entsprechende
Suffix angegeben (S. 20) : Brückner leitet diese Worte von dem Suffl -^o ab
(S. 20). Zuerst widerspricht dem die Phonetik, da sonst *wiozio, *n%azio zu er-
warten wäre. (Ich weiß überhaupt nicht, wie der Verf. zu dem Suff, -die ge-
kommen ist; man sah hier doch früher -Uo an, vgl. z. B. Miklosich: Yergl.
Gramm, d. slav. Sprachen, II, S. 101). Weiter ist ]a schon längst bewiesen
und bekannt, daß wir in den oben genannten Bildungen das Suff. "§io haben«
vgl. z. B. Osthofi': Forschungen im Gebiete d. indog. nomin. Stammbildung, I
BrOckner, Gesch. d. poln. Sprache, angez. von IDaazyn. 443
(1875), S.190ff.; auch G.Mekler in FEPAS, Abhandl. zur indog. Sprachgesch.
Ang. Fick . . . gewidmet Göttingen 1903, S. 256—257.
Unrichtig ist die Behauptung (S. 11) des Verfassers, daß der polnische
Wortakzent identisch mit dem italienischen sei: unbeweglich an die vorletzte
Sübe gebunden; im Italienischen ist doch der Akzent beweglich, vgl. veritä^
pmrehk . . ., dneora, ämbito . . . Auch weiterhin ist die Behauptung ungenau, daß
im Öechischen der Akzent auf der drittletzten Silbe liegt; wie bekannt, ist im
Öechischen immer die erste Silbe betont, z. B. dbcoditi usw.
An solchen Undeutlichkeiten in den Erklärungen, Inkonsequenzen, Un-
genauigkeiten usw., die — wie wir gesehen haben — auch nicht selten in die
Kategorie von wissenschaftlichen Fehlem gehören — ist das besprochene
Buch sehr reich. Oben habe ich nur einen kleinen Teil davon angeführt:
»Stichproben« von verschiedenen Kategorien; doch — meine ich — es genügt
das Angeführte, um eine allgemeine Vorstellung über den wissenschaftlichen
und allgemein bildenden Wert des Buches zu gewinnen. Doch muß ich noch
hinzufügen, daß auch eine beträchtliche Zahl von Druckfehlern und eine in-
konsequente, nicht einwandfreie Transkription nicht nur der rekonstruierten,
sondern auch der nicht-polnischen Beispiele das richtige Verständnis der
Auseinandersetzungen des Verf. erschwert. —
Und zum Schluß noch ein paar Worte zum Teil pro domo mea. Es freut
mich, daß Prof Brückner in »Dziejej^zykapolskiego« die von Elarlowicz
übernommene, verwirrende und erklärungslose Theorie über den »sporadi-
schen Lautwandel« der urslav. «, S in '0, 'a im Polnischen aufgegeben hat
»Wir wollen uns — schrieb Brückner im Jahre 1901 — mit der Annahme spo-
radischen Lautwandels begnügen« (Arch. f. slav. Phill., XXIII, S. 238). Ja,
sogar in seinem populären, im Jahre 1903 in Lemberg unter dem Titel »Z
dziejöw j^yka polskiego« herausgegebenen Büchlein vermied er die Angabe
der »Begel« dieses Lautwandels (S. 135); er betonte dagegen die »Zwei&ch-
heit« (»dwoistoftö«) der polnischen Sprache, d. h. nur »sporadisch« wandelten
die nrspr. «-Laute in '0, 'a um [so auch — seiner Meinung nach — in anderen
phonetischen Prozessen, ohne irgendwelche »Regelmäßigkeit«] — im Gegen-
sätze zu den anderen slavischen Sprachen, in welchen urspr. e einfach nur als
• erscheint Ja, noch mehr: über die Form der Präposition bez »sine« be-
hauptete Brückner, daß sie »allen Normen des Polnischen nach unbedingt
huz lauten muß«, obwohl eben die Form *bioz zu erwarten ist; weiter toter f
ist nach Brückner aus demselben Grunde »uralte Form« (S. 135] usw. Hier, in
»Dsieje j^yka polskiego« gibt er schon die »Begel« an (S.32); bez erwähnt er
gar nicht, und was wier^ betrifft, da drückt er sich sogar aus, daß diese Form
»von der Begel abweicht (wir würden mar§ erwarten)« !! (S. 33). Das ist doch
bemerkenswert! Zwischen diesen beiden oben erwähnten und so verschiede-
nen Äußerungen Brückners einerseits aus dem Jahre 1901 und 1903 und an-
dererseits aus dem Jahre 1906 in »Dzieje j^yka polskiego« erschien ja meine
eben der Frage des Wandels der urslav. «-Laute im Polnischen geweihte
Arbeit [»Über die Entpalatalisierong der urslav. e-Laute im Polnischen«. Leip-
zig 1905]; so wage ich zu behaupten, daß eben diese meine Arbeit auf die
Änderung in den Erklärungen mancher Formen und der Formulierung des
444 KritiBcher Anzeiger.
erwähnten polniachen LantwAndels einen Einfloß ausgeübt hat Darttber kuui
ich mich nur freneu, obwohl die genannte, meine Arbeit in »Dzieje j^. polsk.«
nicht erwähnt ist, doch muß ich hinzufügen, daß Brückner trotz »liedem im
Arch. f. slav. Phil. XXVUI, S. 567—568 eben über diese meine Arbeit folgen-
dermaßen sich geäußert hat: daß »das Material wohl zusammengestellt ist
(nur? Bez,), dagegen die Einzelausftthrungen verfehlt sind«, »die historische
Betrachtung . . . wird nie Erklärungen, die Ulaszyn vorträgt, zugeben«, wäh-
rend die anderen Forscher wie z. B. Nehring, Eulbakin, van Yijk, Bemeker,
Vondräk ... in ihren Rezensionen übereinstimmend im Gegenteil gänzlich
anders meine Arbeit beurteilten. Aber, das kann ja nur Brückners indivi-
duelles Urteil sein . . . Doch Brückner ist nur Gregner meiner Erklärungen »in
Worten« ; in »der Tat« sieht das alles anders aus. Ich gebe ein paar Beispiele:
früher schrieb er vermeidend die »Regel« der Entpalatalisienmg, daß die
Formen mit e (statt mit dem erwarteten 'o ' '</) »genau so alt und so gut sind«
wie jene mit 'o oder 'a (vgl. »Z dziejöw JQZ. polsk«, S. 135) und nämlich daher,
daß wir »in alter Zeit diese Wirkung (d. fa. Analogie) sonst nicht beobachten«
(Arch. f. slav. Phil, XXTTI, S. 238) ; aber nach meiner Kritik (in »Entpalatali-
sierung. . .« §§ 13 — 15) dieser Brücknerschen Ansichten finden wir (in »Dzieje
JQZ. polsk.«) nicht nur keinen »sporadischen Lautwandel«; ja wir finden hier
nicht nur die »Regel«, sondern auch eine ganze Reihe von Erklärungen der
abweichenden Formen mittelst der morphologischen Assimilation d. h. Analo-
gie, die ja vor kurzem nach Brückner nicht in der alten Zeit gewirkt haben
sollte!! Vgl. z. B. die Erklärungen der aionka (statt ^sianka) usw., oder cusa^
(statt des älteren czosad) usw., die Brückner jetzt vorträgt in »Dzieje j^zyka
polskiego« S. 34, 37 ff., mit den von mir gegebenen (»Über Entpalat« §§ 55,
48 u. and.). Also jetzt erkennt er auch den assimilatorischen Einfluß der
Nebenfoimen mit dem regelmäßigen a an; ja, jetzt nennt er die Form czosad
(im Gegensatz zu czesatS) sogar »regulär« (»poprawna«), obwohl früher alle
solche Parallelen für ihn »genau gut«, »uralt« . . . waren; usw., usw.; daß er
jetzt über die Form tpier§ sagt, daß sie »von der Regel abweicht« — das habe
ich schon oben erwähnt.
Und noch eins. In seiner Besprechung meiner Arbeit erklärt sich Brück-
ner (Arch. f. slav. Phil, XXYIII, S. 567—568) über meine Korrektur, die ich
zu seiner Formel beigefügt habe, daß im Polnischen nämlich nicht biez, son-
dern *bioz zu erwarten sei; Prof. Brückner erklärt jetzt, daß er deshalb biez
angegeben hat, weil wir ]}rzez haben. Muß denn also przeSy aber nicht biez »allen
Normen des Polnischen nach unbedingt przez lauten« ? Ich ftige noch hinzu, daß
wir nicht nur noch przez haben, sondern auch przed^ aber daraus folgt noch
nicht, daß es biez, aber nicht *bioz sein soll, da bisher niemand — auch selbst
Brückner nicht — noch erklärt hat, warum mi przez nadprzedf aber nicht */irzo:
und *przod haben . . . Henryk Uiaszyn.
445
Zum slaylschen Folklor.
1. Lad biaiormki na Rusi litewskiej. Materyaly do etnografii slo-
wianskiej, zgromadzone w latach 1877 — 1893 przez Michata
Federowskiego. Tom II. Basnie, przypowiesci i podania luda
z okolic Woikowyska, Slonima, Lidy i Sokölki. Gz^c I. Basnie
fantastyczno-mityczne. W Krakowie. NaUadem Akademii Umie-
j^tnosci 1902. S. XXII + 359 (Michal: Federowski: Das weiß-
rassische Volk in Rassisch-Litanen. II. Märchen, Erzählungen und
Sagen. I. Teil. Fantastisch-mythische Märchen).
Von dem groß angelegten Werke über die Yolksknnde der WeißraBsen,
Aber dessen I. Band im Archiv XXI, 2.^9 berichtet wnrde, erschien später nach
5 Jahren ein zweiter gleich umfangreicher und inhaltsreicher Band. In dem-
selben ist der Herausgeber in der Yerwirklichnng seines Programmes weiter
vorgeschritten zni' Mitteilung der in den von ihm durchforschten westlichen
Sitzen der Weißrussen gesammelten Märchen, und zwar der sog. »fantastisch-
mythischenc. Der Titel ist nicht unzutreflfend zum Unterschiede von bloßen
novellisÜBchen Erzählungen aus dem gewöhnlichen Alltagsleben geschöpfter
Stoffe. Doch paßt er nicht auf alle in diesen Band eingereihten Erzählungen,
besonders nicht auf die die Sammlung einleitenden Tiermärchen und Fabeln.
Der Herausgeber versuchte das Märchenmaterial systematisch zu ord-
nen, doch wie wir gleich bemerken wollen, ohne besonderen Erfolg. Voraus-
geschickt sind als I.Teil Fabeln aus dem Tierleben (S. 3—36) und diese in
3 Unterabteilungen eingeteilt : a) Tiere unter sich, b) Tiere und Menschen,
c) Tiere und Geister (bloß eine Nummer »Der Teufel und der Kater«). Wir
finden auch Erzählungen, die durchaus nicht da hinein passen, Nr. 35 »Ab
Bfdziuszkü«, d. i. Däumling pflügt, dem Herrn verkauft usw., Nr. 36 »Jäk
dzi^d z b&baju bnob si^jali« von der bis in den Himmel hinaufgewachsenen
Fisole, vgl. Archiv XIX, 252, Nr. 41, 42. — Der 2. Teil (S. 37—125) enthält
Märchen aus dem »fantastischen Leben« von mythischen Wesen und Tieren
mit übematilrlichen Eigenschaften in 4 Unterabteilungen: 1. Sprechende
Tiere, 2. »Sprechende Tiere und mythische Untiere« (Der Schlangenkönig,
Der goldene Vogel, Der Greif, Der eiserne Wolf, Der sprechende Bär, Der
Drache), 3. Tiere, mythische Untiere und Helden, 1. Miscellanea (Sprechende
Bäume, Die den Mord entdeckende Flöte, Aschenbrödel, Blutschande, Heilen-
des und belebendes Wasser, Der Schrauben- Vogel). Diese Einteilung ist ganz
äußerlich, begründet auf ganz unwesentlichen Einzelheiten: so finden wir
z. B. in der Abteilung »Sprechende Tiere« neben dem Märchen Nr. 38 : Alle
Wünsche, die vom faulen Burschen im Namen des (dankbaren) Hechtes aus-
gesprochen werden, werden erfüllt, Nr. 39 : vom Mann, der von der von ihm
erretteten Schlange die Gabe erhielt, die Tiersprache zu verstehen, auch
Nr. 40 vom Räuber, der drei Schwestern nach und nach entführte und schließ-
lich von der jüngsten überlistet wurde — wegen eines ganz zufälligen Mo-
tives : das Mädchen hob ein aus dem Nest gefallenes Vügelchen auf und trug
446 Kritischer Anzeiger.
es in das Nest zurück, wofttr der dankbare Babe das belebende Wasser
brachte, womit die beiden Schwestern belebt wnrden, n. a.
Der 3. Teil nmfaßt die »Geisteswelt« (S. 125—316) und zerflUlt gleichfalls
in etliche Unterabteilungen: 1. »Der Mensch« (S. 125—129) — hier finden wir
Traditionen, wie Nr. 84, 85: »wie beteten einst die Menschen«, Nr. 86: »wann
hörte man auf die Greise zn töten«. 2. »Wesen in menschlicher Gestalt«
(S. 129 — 134), d.i. Personifikationen der Pest, der Cholera, des Todes. 3. »Men-
schen-Geister« (S. 134—197), Zauberer, Zauberinnen, Verwünschungen und Me-
tamorphosen; da finden wir unter Nr. 1 11 die alte orientalische Anekdote, wie
ein Herr durch den Spruch geheilt wird, den er einst einen BetÜer lehrte, um
damit Krankheiten zu beschwören; Nr. 121 : »Goldlamm, Tischlein deck dich,
Knüppel aus dem Sack« wahrscheinlich nur deshalb, weil hier diese Wunder-
dinge bei einem Zauberer als Lohn gegeben wurden. Nr. 150: von drei
Schwestern und was sie yersprachen, wenn sie der Prinz heiraten würde, wie
der Prinz die jüngste von ihnen heiratete und diese von ihren Schwestern
verfolgt wurde; ein ganz ähnliches und verwandtes Märchen von der Prinsen-
braut und ihren neidischen Schwestern wurde unter Nr. 49 in dem 2. Teile ab-
gedruckt Außerdem lesen wir da verschiedene Versionen des Stoffes von
Amor und Psyche, Machandelboom u. a. m. — Die 4. Unterabteilung enthalt
»Geister, Gespenster, Gottheiten« (S. 197 — 269), d. L Sagen von Vampyren,
Gehängten, Ertrunkenen, Gespenstern, meistens vom Teufel, zum Schlüsse
auch von der Teufelin, von der Lojma, die wir schon aus dem I. Bd., S. 36 f.
kennen, von der »Niedzielka«, von welcher gleichfalls der I. Bd., S. 138 f. einige
Traditionen brachte. In diesen Teil wurde u. a. eingereiht unter Nr. 274 eine
Version des Meisterdiebes, wahrscheinlich nur deswegen, weil der Dieb die
Frau dem Teufel verkaufte und sie dann aus der Hölle holen mußte, oder unter
Nr. 292 eine Version des verbreiteten orientalischen Stoffes »daß das (Md
immer nur Übel bringt«.
Die 5. Unterabteilung ist überschrieben »Gott, Heilige und Geistliche«
(S. 269 — 316). — Da finden wir auch Versionen der Legende vom Incest (Gregor
auf dem Steine) Nr. 341, 342, 343. Den Schluß bildet die 6. Unterabteüung
»Ortssagen« (S. 317 — 324) von versunkenen Ortschaften, von Schätzen, wunder-
tätigen Quellen u. a. — Endlich finden wir noch Ergänzungen und Nachträge
zu den einzelnen Teilen und ihren Unterabteilungen (S. 325 — 347).
Aus dieser Inhaltsangabe und den beigefügten Bemerkungen ist et-
sichtlich, daß die vom Herausgeber gewählte Einteilung seines Märchen-
materials, oder wenigstens die Art und Weise, wie er sich dieses Schema
zurechtiegte, durchaus nicht genügt. Es ist gewiß sehr schwierig, die Volka-
märchen nach einem bestimmten Schema zu gruppieren. Wer nicht eng ver-
traut ist mit der gesamten Märchenliteratur, wird hier leicht fehlen, mißver-
kennen den eigentlichen Stoff und das Verhältnis der einzehien Motive, se-
kundären Motiven, vielfach zufälligen Beigaben eine Bedeutung für das Mär-
chen zuschreiben, die ihnen gar nicht zukommt, und so die Märchen falsch
einreihen, wohin sie gar nicht gehören, wie z. B. das oben erwähnte Märchen
vom Meisterdieb u. a.
Unter den in diesem II. Band gedruckten Märchen finden wir nicht we-
Ptderoweki, FolklorittiiehM ans Weifinißland, anges. toh Poliyka. 447
nige, die dem Plane des HerauBgeben gemäß eigentlich in den I. Bd. aufge-
nommen werden sollten, so z. B. Nr. 277 ff. von Schätzen gehörten in die Ab-
teilung des I. Bd. S. 42 f., die über verwünschte Schätze handelte ; die Tra-
ditionen Ton derNiedzielkaNr.299,300 gehörten in den I.Bd.S.138f.; Nr.d05
stimmt fast wörtlich überein mit der Nr. 366 des I. Bd. S. 140, ist auch dem-
selben Erzähler nachgeschrieben.
Der Herausgeber bemerkte selbst in der Vorrede, daß manche Nr. dieses
II. Bd. eigentlich im I. Bd. hätte abgedruckt werden sollen, entschuldigt dies
aber dadurch, daß das Materialien sind, die nach dem Abdrucke des I. Bd. ge-
sammelt wurden. Hätte der Herausgeber diese Sagen und Märchen in einem
eigenen Nachtrage zum I. Bd. abgedruckt, so wäre er eher solchen Vorwürfen
ausgewichen.
Übrigens haben wir schon bei der Besprechung des I. Bd. bemerkt, daß
in demselben recht viele Märchen abgedruckt wurden, die wir keineswegs als
Material zur Kenntnis der mythischen Anschauungen des Volkes anerkennen
können, sondern eben bloß als Märchen, als ein Zweig der Volksliteratur, die
als Erzeugnisse der Erzählnngskunst des Volkes einen Wert besitzen.
In der Einleitung lesen wir recht interessante, leider zu knappe Nach-
richten Über das Erzählen von Märchen und die Erzähler selbst Wichtig ist
die Bemerkung, daß sich die Erzähler in der Begel aus den intelligentesten
Kreisen der lAudbevölkerung rekrutieren. In der Häuslichkeit erzählen ge-
wöhnlich die jungen Frauen, da der Bauer der Arbeit und dem Verdienste
nachgehend vielfach außer Hause ist, aber im Ganzen gebührt dieses Privile-
gium dem ältesten Mitgliede der Familie. Außer den heimischen Erzählern
gibt es noch verschiedene, vagierende, Bettler und Blinde, die sich durch
Märchenerzählen für das gebotene Nachtlager entgelten. Schade, daß der
Verfasser keine näheren Daten über seine Erzähler uns mitteilte. Es ist zwar
überall genau angemerkt sowohl der Ort als auch der Name des Erzählers,
aber der Name ist doch bloß ein leerer Schall ohne näheren Bericht über
dessen Träger. Wir erfahren nichts über dessen Alter, ob er der Schrift kun-
dig ist, ob und wo er außer seiner engeren Heimat war, was seine Beschäfti-
gung ist, Berichte die recht wichtig sind und die z. B. Bomanov gewissenhaft
anmerkte. Aus den von Federowski mitgeteilten Namen ersehen wir nur so-
viel, daß er gleicherweise von männlichen wie von weiblichen Erzählern
schöpfte, ja daß fast mehr Frauen ihm zu seiner Sammlung beisteuerten.
Seinen Bemerkungen entnehmen wir weiter, daß durch den Einfluß der mo-
dernen Zivilisation die »abstrakten« Traditionen zu schwinden anfangen, wo-
gegen die aus dem Alltagsleben geschöpften, moralisierenden, besonders
satirisch zugespitzten Erzählungen sehr zunehmen. Historische Traditionen
gibt es recht wenig, Erinnerungen an nicht besonders lange, kaum vor einem
Jahrhundert vorgegangene Ereignisse verfallen auffallend rasch in Vergessen-
heit, die zweite Generation bereits vergißt sie.
Die Märchen unterliegen neuen Einflüssen, sie ändern sich nicht bloß
unter dem Einfluß anderer Märchenstoffe, sondern vielfach bereits unterliegen
sie dem Einfluß der gedruckten Literatur. Hier machen sich stark geltend die
modernen Kulturmittel, Schule, insbesondere aber die allgemeine Wehrpflicht
448 KriüBcher Anzeiger.
Eine für die Oharakterietik der Knltor deB weißrassischen Volkes nicht
unwichtige' Eigentümlichkeit der weißrossisohen Märchen, eigentlich ihrer
Sprache berührte nicht der Herausgeber in seiner Einleitang. Polnischer Ein-
fluß begegnet uns auch in den von Romanov, Sejn aus weiter Östlichen Ge-
bieten der Weißrussen aufgezeichneten Märchen, doch bei weitem nicht in
dem Maße, wie bei Federowski. Höher gestellte Personen, und auch übei^
natürliche Wesen sprechen in der Regel mehr oder weniger polnisch: »kruol
zawsze z polskiego zanosiö« lesen wir S.87 in Nr. 64, und so spricht der König
polnisch in Nr. 60, 64, 66, 83. In Nr. 340 spricht der heil. Johann polnisch, in
Nr. 366 eine verwünschte Jungfrau, in Nr. 96 die personifizierte Cholera, in
Nr. 179 die Frau, der nach seinem Tode als Gespenst erscheinende Herr nnd
der Lakai, in Nr. 69 sogar der Greif, dem der Held die Jungen vom Tode er-
rettet hatte. Polnisch sind auch einige Sprüche, so spricht in Nr. 72 die Stief-
tochter die Eiche an *demhie^ dembüy zioiy klembie . .«, in Nr. 322 wird der
Tod mit einem polnischen Spruch in den Sack gelockt.
In der Vorrede kritisiert der Herausgeber die älteren Sammlungen des
weißrussischen Folklore, besonders die Sammlungen von J. Karlowicz, Wl.
Weryho, M. Dmitriev, P. V. I^ejn und die älteste Bearbeitung weißrussischer
Märchen von A. J.Glinski. Über das große Werk E.Romanovs spricht er sich
nicht aus, bloß in der beigefügten Bibliographie spendet er ihr die ver-
diente Anerkennung. In dieser Bibliographie sind die Arbeiten aus den
Jahren 1844 bis 1894 verzeichnet, im Ganzen 18 Nrn., doch ist damit gewiß
nicht die ganze betreffende Literatur erschöpft.
Beigefügt sind noch kurze Anmerkungen über die westweißrussischen
Dialekte, die in dem von Federowski untersuchten Gebiete gesprochen wer-
den. Sie betreffen die Diphthonge i'e, ^o in akzentuierten Silben, die Verbrei-
tung des sog. akanie, doppelte Akzentuation^ d. i. den Rücktritt des Akzentes
um eine Silbe, wobei natürlich verschiedene Faktoren, größtenteils wohl die
Macht der Analogie wirkten, und einige andere phonetische Erscheinungen.
Hinzugefügt sind einige Bemerkungen von J.Rfozwadowski), unter des-
sen Leitung das Werk gedruckt wurde, über die Wiedergabe der lautlichen
Eigentümlichkeiten dieser Dialekte, unter anderem auch über die erwähnten
Diphthonge. Damach wird man das sonst der sprachlichen Seite dieses
Werkes gespendete Lob doch etwas einschränken müssen, und beim Studium
der weißrussischen Phonetik es nur mit gewisser Einschränkung benfitzen
dürfen. Hiermit soll durchaus nicht geleugnet werden, daß in diesem Werke,
trotz den unzulänglichen und schwerfälligen Mitteln der polnischen Graphik,
welche der Herausgeber anwand, die lautlichen Eigentümlichkeiten der weiß-
rassischen Dialekte viel treuer bewahrt sind, als in den Ausgaben von Sejn
und Romanov, wie es auch unlängst der beste Kenner des Weißrussischen,
Prof.Karskij, anerkannte. Sonst bietet dieses Werk ungemein viel wertvolles
Material für die grammatische Erforschung des Weißrussischen. Ohne hierauf
näher einzugehen, wollen wir nur noch auf die zahlreichen Polonismen hin-
weisen, die wir da antreffen. Sie betreffen besonders Kirchliches und allge-
mein Kulturelles: ksy^ondz 126, keiotidza 126, ksiefidz^oyt 256 U.Ö., auch hsiqnih
lb5, 199, 220, usie kröli l[>yli tam i ksiovdinta 125, Indzi ^t^t^/icsanii/tt wadoja
FederowBki, Folkloristischen «hb Weißnißliuid, angez. von Polivka. 44d
BtüOB pahoüneili 161, duBzk pakuti^'i^nca 129, 200, kii^nczka 109, tMitmika 220,
ifi4<fftetM 67, 108, 288 .n. 0. Auch sonst: jenezyö 71, na mhiki 162, menczyia
7], pastiuzki wiii4 mM<sa<f 75, zmenczyia sie 85, t^ ni tnenezsi» 157, daw&j jej^
mffi«2|y(f 159, wozn mit Recht ein (sie) bemerkt ist; buölszaj trysta ss^ö dzi^
tioni 151, papatüdni, a hadzini piontef 259, miniU:o ni^ z tyaionc liet 289. juon
niö Biedziö smintny 245, czort niö ni mi^n da jehö prysümpu 249. ukUnezyia
108, 8zei6pt€ntrowa wieia 123, trybiich datül ra^ciö, ainim p^nAmt« 162, osiö
dwanaceaiS pofMtM 199; nsi^ kralöostwo päd ich rond addan 195, cihiiar
255. ptuflzka ^ad0;onc0, drewo braja&6o, wadä zioinaSZO; Hftan ddngle 100,
154, auch eiqgU finden wir S. 73, aber mit Recht mit einem {sie) versehen.
Außerdem noch : maj^ wy saknöliki, a ilitujcie sie nada mnöju 175, na l:6bi
Mneo^ na pat^liey miösiac, a po bakn6ch gwiäzdaczki 174. dajiä mnie ciirku
sw6ja.l84. to jeni znnoa Bt4nie kahi^taju 180. agr^bdnik 329, Uitstyje 295.
Der Name dunqj bedeutet bloß einen Flnß, Strom : das treulose Weib
schickt den Mann in weite Femen, um ihn los zu werden, schickt ihn um Mehl
ans der Mühle, szto staiö za dwanaccaöma c^ttn4;'am{ i za dwanaccaöma dfwie-
r4mi — (S. 72), seine Tiere kamen da adnah6 uiö dunaja Taki ui^ toj diinaj
sayr6ki! szto i ökam niza^cihnüö (S. 72} .... sie durchschwammen dann glück-
lich dwanicad dunajöy^ (S. 73), bis zu jener Mühle. Ein Mädchen soll ertränkt
werden ^ cichi dunaj (S. 109); die von den neidischen Schwestern verfolgte
Königin wird mit ihrem jüngsten Sohne in einem Fasse na bystry dunaj
(S. 175) ausgesetzt Nach einer Bemerkung Romanovs (Bi^opyc. C6. IV, 138)
heißt bei der Bevölkerung des Bz. Gomel Gouv. Mogilev der Dndpr ~ Dunaj,
Seiner Sammlung hat der Herausgeber ein recht ausführliches Register
hinzogefligt (S. 349 — 358) und dadurch die Benützung derselben einigermaßen
wenigstens erleichtert. Wir sagen nur einigermaßen, denn was wir Motiv
heißen, ist vielfach ungenügend verzeichnet. Unter den Stichwörtern wie z. B
czarownik, glupi, kogut, ksii^dz, macocha, pies, w^, wilk u. a. sind die ver-'
Bchiedensten Stoffe und Motive zusammengefaßt. So finden wir unter dem
Stiehworte Esi^z angemerkt die Nr. 85 >wie einst die Menschen zu Gott
beteten« — die gleiche Nr. 84 ist dabei nicht erwähnt, weil darin nicht das
Wort ksi^ vorkommt. Beide diese Nrn. sind zusammengefaßt unter dem
Stichworte Modlitwa und auch noch unter >Wiara pierwotna«. Weiter finden
wir unter Esi^dz Nr. 160 von der Froschprinzessin — (Nr. 160, 101 außerdem
noch unter Erölewna zakl^ta w iab^), Nr. 165 — eine Version von Grimm
KEQC. Nr. 11, Nr. 275 vom Teufel und dem bösen Weibe) — (dasselbe noch
unter den Stichworten Dyabel: na sluibie u cz^owieka und Dyabei straszy, wo
man diesen Stoff kaum suchen dürfte. Oder unter dem Stichworte Pies sind
verzeichnet die Märchen Nr. 30, 31 »vom alten Hunde und dem Wolfe«, Nr. 39
vom Manne, der für die Befreiung einer Schlange die Kenntnis der Tier-
sprache erlangt — , Nr. 50 — der jüngste Prinz riß dem Goldvogel, der die gol-
denen Äpfel stahl, drei Federn aus. — Das hier wichtige Stichwort iar ptak
finden wir nicht, sondern dafür die nichtssagenden >pi6rko cudowne«, »ptaki
slote«, wo man dieses Märchen kaum suchen würde; weiter finden wir unter
Pin Nr. 51 vom schwerverwundeten und vom Bauer mit vielen Opfern aufer-
logenen Vogel Greif, Nr. 52 von der untreuen Schwester, Nr. öS, 59 von dem
ArchiT flkr ■Iftviich« Pliüologi«. XXIX. 29
450 Kritischer Anseiger.
Tom Tode loBgekaoften E&ter, Hund und Schlange and der treoloeen Prin-
xes8in, Nr. 196 — der Hnnd ist der treueete Frennc!, nicht das Wdb — ein
besser passendes Stichwort für diesen Stoff würde man umsonst suchen.
Diese Beispiele konnten sehr leicht yermehrt werden. Übrigens entspricht in
dieser Hinsicht so aiemlich keine einzige slavische Märchensammlnng, bis nnf
eine Ausnahme, die neue, dritte Ausgabe der Sammlung Afanasjevs.
Es wäre höchst erwünscht, wenn sich die Folkloristen und speuell die
Stoffwissenschaft betreibenden Grelehrten auf einen solchen systematisch an-
gelegten Index einigen würden. Von den Herausgebern folkloristischon Ma-
terials möchten wir verlangen, daß sie sich mit den folkloristischen Forschun-
gen einigermaßen bekannt machen oder wenigstens einen darin bewanderten
Iftann zur Hilfe heranziehen. Den betreffenden Publikationen der Ejakaner
Akademie wird nicht mit Unrecht vorgeworfen, daß sie den heute schon not-
wendigen bibliographischen Apparat meiden. O, JMioka.
2. Lud biaiomski na Rusi litewskiej . . . przez Michata Federow-
akiego. Tom III. Gz^sc II. Tradycye historyczno-miejscowe, oraz
powiesci obyczajowo-moralne. W Krakowie 1903. S. V + 314.
Dieser kurz nach dem IL Bd. erschienene III. Bd., besser wohl 2. Ab-
teilung des II. Bandes, enthält 1) »ernsthafte« Erzählungen, d. h. historische
und lokale Sagen (S.3 — 18), ziemlich gering an Zahl und Bedeutung; darunter
sind einige Anekdoten von Fürst Karl Badziwi}! (Nr. 13 — 18}, in anderen finden
wir Einfluß internationaler Traditionen, wie z. B. in der Sage (Nr. 19) von der
Auflösung des Ordens der Bernhardiner von der Landerwerbung durch eine
zerschnittene Ochsenhaut ähnlich wie in einer galizisch-ruthenischen Version
Archiv XXn, S. 307, Nr. 383. — Nr. 28, S. 13 »Der russische König« (polnisch
erzählt) ist eine Version des weitverbreiteten Märchens von Abt und Kaiser.
Wenig charakteristisch sind die Traditionen von der Frohne und Ihrer Auf-
hebung — das Nr. 31, S. 14—18 abgedruckte »Gedicht« ist kaum echt volks*
tümlich. Ein weiter unten S. 32 abgedrucktes Gedicht »Vom Leben und Tod
des Trunkenboldes« wird in der Anm. selbst einem Literaten und Edelmann
des Landes zugeschrieben. Folgen ganz kurze Ortssagen (S. 19 — 23, Nr. 35—
59), und hieran schließen sich zwei Sagen von der Tracht
Dieser Teil tritt vollständig zurück vor den »Enählungen aus dem all-
täglichen Leben«, welche dann das ganze Buch fast ausfüllen. Der Herans-
geber hat sie gleich&Us dem Inhalt nach in einzelnen Gruppen zusammen-
zustellen versucht: (I. Teil), I.Abteilung: Das Familienleben, häusliche An-
gelegenheiten; 2. Abteilung: > gelegenheitiiche Erzählungen«, d. i. von
Räubern, Dieben, Schwindlern, aus dem Jägerieben, von Wölfen nnd
Miscellanea. n. Teil : Humoristische Erzählungen, Schwanke: »Familienleben
nnd häusliche Angelegenheiten« ; 2. Physische und psychische Fehler, beson-
ders vom Dummen; 3. Beschäftigung, Handwerk, d. i. vom Astrologen, Doktor
bis zum Diebe; 4. Stände (Bauer, Edelmann, Herr, Greistlicher); 5. Volks-
FederowBki, FolkloristiBches ai» Weißnißland, angez. von Polivka. 451
Btämme (Weißrusse, Zigeuner, Pole, Deutscher, Busse, Jude u.a.]; 6. Mis-
cellanea.
£b ist dies eine ganz äußerliche Einteilung, ohne Bücksicht auf die Ter-
^leiehende Märchenkunde. So finden wir in der 1. Abt. unter dem Stichworte
»Unbeständigkeit, Treulosigkeit« eine Version der Witwe von Ephesus in
Nr. 63, S. 25, unter dem Stichworte »Starrsinn, Hartnäckigkeit« die altbe-
kannte Geschichte: Geschnitten, geschoren Nr. G6, S. 27 (vgl. Montanus
Schwankbttcher 352, 525, 621, Bittershaus Neuisländ. YM. 450), unter »Miß-
achtung der Eltern« Nr. 67, 68, S. 28 zwei Versionen zu Grimm EHM. 78 (Groß-
vater, Vater, Enkel), Nr. 68 ^ S.^28 f. hängt mit der Sage »seit wann werden
die Greise nicht mehr getötet« zusammen. Die in der 2. Abt (S. 31 ff.) abge-
druckten Bäubergeschichten sind ziemlich originell und erzählen wohl manche
wirkliche Begebenheit ans dem Leben, doch auch da finden wir allbekanntes
Gut, wie von der mutigen MttUerstochter und den Bäubern u. ähnliche Nr. 92,
94 — 97; weiter »Doktor Allwissend« Nr. 98, 99, von den Bäubern in der Kirche
und den zwei Nachbarn Nr. 101, aber mit einer abweichenden Einleitung. Die
in der Abt »Miscelianea« Nr. 118, S. 60 mitgeteilte Erzählung, wie der Bauer
seine 20 Groschen verteilt: fünf gibt er zurück, fünf borgt er, mit fünf erhält
er das Weib, fünf wirft er ins Wasser, d. h. auf die Steuer, ist sehr verbreitet
(2lo6poBa«>CKiH Gmo.i. C6, I, 380, G6opH. Marep. KaBKai». XIX, Abt. 2, S. 73, Dob-
JkiuBkf Slov. pov. U, 92, Gzambel Slov. re6 425, Zingerle KHM. II, 121, Ps. Ilg
Haltes. M. S. 82, Nr. 24 u. a.) und wäre gewiß in die Abt 1 einzureihen. In
Nr. 120, S. 61 sehen wir eine kurze Version der verbreiteten Erzählung »Whit-
tington and his cat« (Glouston Pop. Tales a. Fictions H, 65 ff.).
Im II. Teile finden wir in Abt. 1 u. a. eine Beihe Einderreime. Daneben
lesen wir die bekannte Anekdote, wie statt die Fliege zu erschlagen, der Kopf
des Mannes oder Weibes eingeschlagen wird Nr. 138, S. 69, vgl. Clouston The
Book of Noodles 164; ähnlich ist die früher S. Ol, Nr. 121 abgedruckte Er-
zählung, die wohl näher mit Pantschatantra (Benfey I, 283, vgl. Max Müller
Essays II, 206) verwandt ist
« In der Unterabteilung vom Jüngling lesen wir auch eine Version der
alten Schulanekdote von dem Lateinschüler S. 72, Nr. 149; eine andere ver-
wandte in Nr. 391, S. 202 ist in die 5. Abt »Volksstämme« eingereiht, als ob
gerade am wichtigsten wäre, daß so ein Masure das Latein seines Sohnes prüft
(vgl. meinen Aufsatz in der Zs. f. Osterr. Vk. XI, 162).
Sehr zahlreich sind die in die 2. Abt zusammengefaßten Geschichten vom
Dummen, und da finden wir natürlich recht viele gut bekannte: Nr. 18o, S. 89
eine Version des Märchens von dem Dienstvertrag, wer sich, Knecht oder Herr,
früher ärgert, dem werden die Biemen aus dem Bücken geschnitten (Köhler
Klein. Schrift. 1, 149). Nr. 18J, S. 91 hängt mit dem sog. Urteil des Schemjaka
zusammen (Köhler I, 578, II, 578). Zwei andere Versionen desselben hat der
Heransgeber in die Abt 5 unter »Jude« als Nr. 471, 472 gesteckt, da hier ein
Jude am meisten von dem Bauern litt Darunter finden wir auch Versionen
von »Unibos« Nr. 192, 193, während andere Nr. 279, 280 in die 4. Abt »Stände,
a) Der Bauer, c) Witz, Pfiffigkeit, Bänke« eingereiht sind, und noch eine an-
dere Nr. 464, S. 233 in die 5. Abt »Volksstämme, H. Der Jude, «e. Gier«, weil
29*
452 Kritiieher Anzeiger.
da ein Herr M aciejowski Jaden auf diese Weise anfOhrt Unter diesen Er-
zShlongen vom Dnmmen lesen wir noch eine Version des Miichens, wo die
Prinzessin (hier eine Zauberin) denjenigen heiratet, der ihr ein nnlOsbares
Bätsel auferlegt Nr. 194, S. 106 (vgl. Grane ItaL pop. tal. 68, Nr. 14). Abge-
sondert ist eine Abteilung von der dummen Frau (S. 107 ff.], so vom Manne,
der einen Schatz fand, und einer dummen Frau Nr. 200 (wie Clouaton The
Book of Noodles 155); dagegen finden wir eine Version des Schwankes Tom
Fttrpaß, dem Mann von der anderen Welt unter Nr. 237, S. 131 f. in der 3. Abt
»Beschäftigungen, Professionen, Handwerke, X. Der Betüer«, und dne Va-
riante hiervon in Nr. 483, S. 243 in der 5. Abt >Volksstamme, H, Der Jude,
kk. Leichtsinn«, weil das einfältige Weib da eine Jüdin war. Diese Beispiele
genügen wohl, um zu zeigen, wie ganz äußerlich und willktlrlich in dieser
Sammlung das Material gruppiert ist, und jedenfaUs noch, daß die vom Heraus-
geber erwählte Einteilungsmethode der Volks-Traditionen wissensohaftliohen
Anforderungen nicht genügt
Ohne in eine vollständige Übersicht aller in diesem Buche abgedruckten
Traditionen einzugehen, wollen wir nur einige hervorheben. Nr. 213, S. HS.
Der Herr wettet, daß sein Diener, Hirt, wirklich treu ist und nie lügt Chauvin
BibUogr. arab. VUI, 166^ Nr. 180. — Nr. 215, 21 5», S. 120 f. Lügenmärchen.
Wenn der Herr dem Bauern sagt >du lügst«, so muß er ihm seine OeldbCrsc
geben. — Nr. 219, S. 125 »Warum sich die Hunde anschnüffeln«, eingereiht in
die 2. Abteilung »Der Jäger« (Lügner) Montanus Schwankbücher 35, 486, 568,
S6billot Folk-Lore de France m, 74. — Nr. 255, 256, 257, 258, 259 Meister-
dieb. — Nr. 261, S. 149 Wie der Bauer dem Herrn und seiner Familie die Gans
verteilte. Archiv XXII, 305, Nr. 121, Holte Die Reise der Söhne Giaffers 20:.
— Nr. 270, S. 152. Ein Herr verzehrte im Gasthaus 10 gekochte Eier, und blieb
sie schuldig; nach Jahren wird ihm eine horrende Rechnung zugeschickt Vgl.
Archiv XXI, 296; XXII, 307. — Nr. 271, 272, S. 153. Die der Kirche geopferte
Kuh wird hundertfach vergolten, wie schon bei Pauli Schimpf und Ernst 324.
— Nr. 340, S. 179 f., d. i. »Les trois bossus m6nestrels« Bedier Les Fabliaux^,
236 ff. Die als Varianten (»odmiana«) angeführten Nrn. 341—344 gehören
eigentlich nicht hierher. Nr. 342 wie auch noch Nr. 561 in den Nachträgen
ist näher verwandt mit Cosquin II, 320, Nr. 79 »Der Rabe«. — Nr. 344 Der bei
der Bäuerin überraschte Pfarrer als Teufel verkauft. — Nr. 350, S. 187 »Wie
die Knaben polnisch sprechen lernten?«, d. i. eine Version von Grimm EHM.
Nr. 120 ähnlich wie bei den Kleinrussen überarbeitet, vgl. meinen Aufsatz
»My trzej bracia« in der Zs. Lud n. — Nr. 389, S. 200 ff. Der dumme Maiur
sitzt auf dem Zweig, den er absägt, glaubt, er sei schon gestorben u. s-f. Vgl.
Glouston The Book ofNoodle8t56.—Nr.l90 Der Mazure brütet ein »Pferdeei«
aus, ähnlieh noch weiter Nr. 405 vom Deutschen erzählt. Clonston op.e. 37.—-
Nr. 392, S. 203, Der Floh aus Polen, die Fliege aus Preußen wie sonst ge-
wöhnlich aus dem Dorf in die Stadt und aus der Stadt ins Dorf, vgl. Archiv
XVn, 583; XXI, 274; XXH, 302. Wisla XIX, 220. — Nr. 422, S. 213 Der
Krebs für einen Schneider gehalten (Slovensk6 PohPady XX, 43, Bartsch
S.Mär. Meklenb. I, 344. Bunker Schwanke, S.Mär. heanz. S. 28, Nr. 11). —
Nr. 427, S. 215 eine Variante eines schon von StraparoUa und Des P^riers er-
FederowBki, FolkloristiscbeB «üb Weißraßland, angez. von Polivka. 453
sShlten SkhwankeS} vgl. St Prato im Archiyio per lo Btadio delle tradix. pop.
VI, 43 ff. und meinen Aufsatz im K)6ej. CtfopHEKi . . vh qecn B. 8. Mvjuepa,
S. 163 ff. — Nr. 436, 437, S. 218 ff. Ein Ochs zu einem Beamten, Offizier er-
zogen, vgl. aonston The Book of Noodles 1U3, Archiv XIX, 267 ; XXn, 305.
— Nr. 461, S. 231 Die Belohnung (Schläge) teilt der Bauer mit dem Juden.
Vgl. Archiv XXn, 307. Chauvin Bibliogr. arab. V, 282, Nr. 166. — Nr. 481,
S. 242 Sin Jude suchte Knechte. Derselbe Mann meldete sich viermal ver-
kleidet unter vier verschiedenen Namen »Jakty«, »Jakja«, >Gharcho(5<, >Ni-
manikoho«. Vgl. Zs. d. V. f. Vkunde 1 905, S. 70. — Nr. 484, 485 Dem Juden
wird sein Pferd gestohlen, der Dieb bindet sich selbst an, spannt sich hier
selbst ein, und macht dem Juden weis, er sei seiner Sünden wegen in ein
Pferd verwandelt gewesen, vgl. KOhler I, 507 f., hier hinterfuhren so den Ju-
den Bernhardiner, Geistliche! —
Außer MSrchen, Schwänken, Anekdoten u. a. werden noch andere Er-
zeugnisse des Volkes mitgeteilt, zum Schluß auch Auszüge aus Briefen
S. 259 ff., diese sind durchweg in polnischer Sprache abge&ßt.
Es folgen dann noch Nachträge zu allen drei Bänden S. 269—296.
Einige sollen hervorgehoben werden: Nr. 539, S. 274 Die Mutter soll nicht
nach ihrem toten Kinde so viel weinen (Grimm KHM. Nr. 109). — Nr. 540 zu
»StPeter und seine Mutterc. — Nr. 550, S. 280 Der Teufel schläft mit einem
Wdbe (wie bei Afanasjev^ n, 331, Nr. 212) in der Gestalt des Gemahls. —
Nr. 553, S. 282 Vom Engel, der nicht nach dem Willen Gottes die Seele der
Mutter und ihres TOchterchens nehmen wollte, abweichend von den gewühn-
lichen Legenden.— Nr. 554 St. Georg, der Hirte der Wulfe. Vgl. Arohiv XXI,
276. PoMaHOB'B Eliopyc. 06. VI, 108. G. MaKciMOB'^ He^HcraA, HeslAOMaA a
RpecTHafl cftia 441. rpHH^eHKO Hb'l ycn naposa 8, 11.
Von dem (S. 299—305) beigefügten Sachregister ist dasselbe zu bemer-
ken, was bei dem II. Bd. gesagt wurde. Hierauf folgt ein Verzeichnis der
Ortschaften, wo die Volksüberlieferungen aufgezeichnet wurden (S. 306— 307),
ein Verzeichnis der Erzähler, die dem Herausgeber den Stoff lieferten, samt
Angabe des sozialen Standes derselben (S. 308—310] und Nachträge zu den
Registern des L-II. Bd.
Außer welßmssischen Texten kommen hier und da auch polnische vor.
Sie wurden nicht bloß von Edelleuten erzählt, wie z. B. Nr. 17, 18, 544 von
Alex. Laszkiewicz — der aber mehr weißrussische Erzählungen lieferte, wie
Nr. 68% 215% 294, 318, 436, 465, 470), und bürgerlichen Stadtleuten, z. B.
Nr. 28, 275, von Fr. Kulesza (neben Nr. 265, 407 weißmssisch), Nr. 301, 553
von Fr. Werstak neben weißrussischen Nr. 174, 279; Nr. 316, 325, 326,
382 von Grzegorz Tymkiewicz neben weißruss. Nr. 219, 438, sondern auch
von Bauern, so Nr. 73, 151, 450 von Felix Dzieiko neben weißrussischen
Nr. 360; Nr. 463 von Antoni Dzieiko neben weißrussischen Nr. 118, 134, 213
(der Hirt spricht aber mit seinem Herrn polnisch), 232, 253, 283, 367, und noch
in einer halb-polnischen, halb-weißrussischen Mischsprache Nr. 385 (m^drego,
poszli na h^ä trawä rwad, 3.pl. widzo, dadzo, gi^boki w^do}, wiadomo, zjadla
besiy^a, gtowie, trza neben koniiö ka6cöm, wyskaczyö, gen. aocsg. hywklaho,
acc. sg. höiau adrezali, salömy], dagegen ist in der versifiiierttn »^«ydduika
454 KritiBcher Anzeiger.
wAjna« Nr. 449 das polnische Sprachelement viel schwScher vertreten. »Ma-
karonitiert« nennt der Herausgeber mit Recht die Sprache einer Banerin ans
dem Bezirk Wolkowysk (Gouv. Grodno) Kr. 560: mqni, zam^nine neben sa-
mtdbenie, jödzie da muia, prfdzej, cztowiek, astr6inie6ko, kcia^a, dsiatki
neben dzietki, niedo&rze, sonst durchweg r, löpssoAo pryjaciela, 3. pl. nama-
yr]^fuö^ kilkaicie Ict» udöwa miela try doesek n. a. Sonst sind in diesem Orte
(Kosin) durchweg weißmssische Texte aufgezeichnet worden Nr. 138, 143, 144,
362, bis auf zwei, Nr. 314, 563, die von einer adeligen Dame herrühren. Diese
Zweisprachigkeit ist gewiß ungemein wichtig für die Erklärung der sprach-
lichen Verhältnisse und dialektischen Eigentümlichkeiten des Weißmsaischen
in diesen Gegenden.
Die hohe Bedeutung dieses Werkes für die Sprachforschung wurde schon
bei dessen vorhergehenden Bänden hervorgehoben, und sie wird durch diesen
III. Bd. nur erhöht O. PoUeJea,
3. E.F.FoMaHOB'B E%j[opyccKiHC6opHHir£. BunycKB mecTOÜ. CKa3KH.
Mornj[[eB%. Tnnorpa*!« ryÖepHCKaro IXpaBJeHia 1901. S. IV + 528
(E. A. Romanov Weißrnssische Märchen).
Nach zehn Jahren, aber jetzt schon vor sechs Jahren, erschien endlich
der VI. Bd. der großen Sammlung weißrussischer Traditionen, deren erste
Bände I— V im Verlaufe der Jahre 1886—1891 bereits herausgegeben wurden
und nach der Vorrede des Verfassers zu urteilen auch bereits vergriffen sind.
Diese Unterbrechung wurde allerdings nicht vom Herausgeber verursacht,
sondern durch den Zusammenfall verschiedener Umstände, mit dem Druck
dieses 6. Bd. war bereits im J. 1893 begonnen worden!
Die Märchen wurden fast durchwegs in verschiedenen Gegenden des
Gouv. Mogilev aufgezeichnet, bloß 7 Nrn. stammen aus 2 Bezirken des Gouv.
Vitebsk. Sie wurden größtenteils vom Herausgeber selbst aufgezeichnet —
bloß 12 Nrn. und 3 Varianten wurden von einigen Volksschullehrem nieder-
geschrieben.
Die sprachlichen Eigentümlichkeiten sind in diesen Aufeeichnungen
wenig sorgfältig bewahrt — bloß bei einer Nr. 17, S. 50 f. ist ausdrücklich be-
merkt, daß sie »versuchsweise« phonetisch niedergeschrieben wurde. Der
Akzent wurde nur insoweit bezeichnet, als er von der »allgemein« russischen
Akzentuation abweicht. Für die weißrussische Lautlehre bietet dieses Buch
also wenig zuverlässiges Material, höchstens wird man für die Satzphonetik
manches finden können : z. B. npocHJta tk» 469, 6paTBA 'rB paxucTH cnsman
AOMoii 251, xa ^AHaMy ^TAajia 115, sama ^»napaTopcKoe BjuHqecTBO 299, oxexy
Ha Vhh nonajvjiH 99, Hna Aa^a «mj na ^tb^itb 422, xaAu 6xyMa.iacL ixapEAa 448,
cBaAi>6y ^TryjiÄBmH 412 u. a. m. Polonismen sind sehr selten: jfULesvaxK 129,
oÖHiiaJia 129, THRaBO 132, TEicaBOCTi 218, BaHTpo6a 262, r'b MicAHsÖByicy RoiBiiy
315, mit Mio* wohl durch Einfluß von MicimB.
Sonst wird aber der Forscher für das tiefere Studium der weißrussischen
Grammatik, besonders der Morphologie und Syntax, in dieser Sammlung viel
RonnAnoT, WeißnuM. EniUiliiii^en, uiges. von Folivka. 455
nteresBiBtes Material finden, z. B. mo^l gilt als femin. i-Stamm : akk. sg. bok-
crpyK) Mevs 50, inatr. Bg. luxByy Bei» Bocrpaii ifev«Ky-caifaci«iiy 155. Dagegen
ist JO]iiax& vielfach masknl. nyc&ium e Toro zomaxBJi 85, na MenufaMi jornax»
476. — SehN verbreitet ist im gen. pl. die Endung -op: ckojibui na h66h sBis-
xova 139, vh 9nxTh uaciovh 275, btuxx iy/iac6B'& rJESA^TL 339, noxymaB'i 6a
TU pasHun cxaxoc&Tfin 97, a£thv& y uro ee 6jäö 412 n. a. m. — Inf. Bei» ny-
B&rtvB paccHVftxB rojioB^ 442, inf. nacTHTi 242. — Part praet. akt. I: y Ilerpa
6ijjia BaHXBmu zsaiepa 16, d. h. Peter hatte ein Quartier gemietet; Be% sa-
cayBiDH 6uarh 307. — Eine eigentümliche Attraktion: 8xpaeH'&-3Kajii6M'& 44,47,
491. Sehr hftnfig ist der pleonastische Ctebranch der Präposition . (vgl. Archiv
Xll, 103 ff,): ysrjiJiHyy iiapi . . sa eiuz'B aa cbohzi Ha p<v(HUX'& cbiboj^ 162, sa
zaM yxe na CBOßk sa GrexxflHHoi ropi 110, noixaBi nama ki eTOMy xi caiiOMy
Vh xymiy, x^ Bikpsapy 22, npixxxaa ero toii uapi vh BoxxcxBa, vh BMuexh ci xuxib,
Vh xesarx 87, Jiywu 6'b e xcxju ci Tbuci ci cozfifioowh Ch «ucxeBxaM'B, ^xm es 8B
eoTU]r& Vh rpjOHUM'B 90, xpa^xx^ rjÄKMWh öararupcxKici raxacöm, <r& CBa-
XXI crh ycxjn xsuxo^ ca BocxMBaHAaxx, x CBimxT& 6ajnmim MaJiaAeKKBM'&
ndCBBCTaMi, Ol ycxxi CBOXXi ca BycTÖB'i 152 n. a. nu
Ohne uns weiter in die Charakteristik der Spracheigentümlichkeiten
dieser Sammlung einzulassen, wollen wir uns nliher mit ihrem Inhalte be-
•chäftigen. Für die nähere Erkenntnis der reichen traditionellen Literatur der
Weißrussen und für die vergleichende Märchenkunde mag wohl dieser Band
höheren Wert haben als für den Sprachforscher.
Die ganze Sammlung enthält 57 Nummern. Bei einigen wenigen sind
teilweise noch Varianten verzeichnet Die einzelnen Märchen sind ziemlich
lang, sie nehmen durchschnittlich 6 — 10 Druckseiten ein, eines, Nr. 5, ist sogar
aof 26 Seiten ausgebreitet Bei jedem Märchen ist sorgfältig verzeichnet der
Name des Erzählers und der Ort, außerdem noch nähere Daten über den Er-
zähler, sein Alter, ob und wie weit er der Schrift kundig ist, war er irgendwo
außer seiner Heimat, wo und warum. —
Wir begegnen in diesen Märchen natürlich durchwegs Stoffen, die all-
gemein bekannt sind wie aus der russischen und osteuropäischen, so aus der
weatenropäischen Literatur. Unser Interesse erweckt nur die Wiedergabe, die
Bearbeitung allgemein verbreiteter Stoffe, der Gebrauch einzelner Motive, und
deren Variationen. Außer Märchen im engeren Sinne dieses Wortes finden
wir hier noch eine Wiedergabe der westeuropäischen Sage von der Magel one
(S. 3), und zwar in einer dem Volksbuche näheren Bearbeitung, als dem
niflaischen Volksbuohe. Peters Braut heißt Magdalena, ihr Beich heißt hier
Orapi-naiBcxoe napcxBO, Peter stammt >n sa 6yproxicxxx'& rop%<«
Außerdem lesen wir noch die bekannte Legende von Salomon (Nr. 51)
in einer recht interessanten Bearbeitung, die nur ihrem Anfange nach mit der
bei Ao6poBancxix Gmoi. C6. I. 246 f. abgedruckten Version näher verwandt
ist Im Mutterleibe bereits entscheidet der Knabe den Streit zwischen zwei
Weibern um ein Fohlen, gehört es der Stute oder dem Wagen, unter dem es
gefunden wurde. Ausgewechselt mit dem Sohne eines Schmiedes bekommt
er den Namen Solomon, weil ihn die Mutter im Stroh (y cojomb) geboren hat
Salomon als Hirte, Oberster der Hirten, da ihm die Frösche gehorchten, lehrt
456 KritiBeher Anseiger.
die Hirten die Schrift, die er selbst erdacht hatte, machte Schießgewehre ud
Pulver. Der Kaiser (David) sucht seinen Sohn, prüft den ihm anterschobeaen
Sohn des Schmiedes, erkennt ans dessen Antworten, dai3 er nicht •kalBerlichen
Geblütes ist, sondern Salomon. Aber dessen Mntter legt ihm noch eine Auf-
gabe auf: der Schmied soll kommen weder zu Fuß noch zu Pferd, weder an-
gezogen noch nackt usw. Salomon entweicht, der Vater sucht ihn umsonst,
und erst nachdem er die ganze Welt gelehrt hat — noch Glas und Spiegel
machen, nicht bloß Pulver und die Kriegskunst — , kehrt er zum Vater zurück
— als Kaufmann, erprobt die Keuschheit seiner Mutter und flberftihrt sie, wie
wahr er gesprochen hatte, als er sie eine Sünderin nannte, gleich wie in der
alten Sage der Hss. XVII. — XVin. Jahrh. (JliTonHCH pyccKOu .iiTepaTypu IV,
115, 139). Nun blieb Salomon zu Hause, heiratete die Prinzessin aus einenk
anderen Reiche, die zwar einen Liebhaber hatte, aber dann Salomon den Vor-
zug gab, weil er der weiseste Mann der Welt war. Salomon bewahrte die
Keuschheit in der Brautnacht, und den anderen Tag zeigte er auf eine recht
brutale Art, daß der Hund treuer ist als das Weib : das ist weder die alte
Anekdote (vgl. Köhler Klein. Sehr, n, 461), noch die russische Sage (vgL
Archiv XXI, 275, Nr. 65), j!lparoM&uoB'B Majiopyc npoA. S. 59, Nr. 34), sondern
eine eigene: als Salomon seine Frau durchpeitschte, lief sie ihm davon, wih-
rend der Hund durchgepeitscht dann doch wieder gehorchte. Nach einem
Jahre zog Salomon seiner Frau mit einem ganzen Heere nach bis zu ihrem
Liebhaber. Nun folgt die gewöhnliche Geschichte mit geringen Variationen.
Auf dem Rückwege begegnete Salomon Christus, sie gingen zusammen bis in
die Höhle, Christus verjagte die Teufel, führte alle Seelen hinaus, aber Salo-
mon ließ er zurück. Salomon mißt nun die Hölle,, wiU zur rechten Seite eine
orthodoxe, links eine katholische Elirche erbauen, und zwischen beiden soll
die Mutter Gottes thronen. Durch List fesselte er dann noch den zwölf kOpfigea
»ancypar«. Endlich fingen die Teufel Salomon und »warfen ihn aus derHöUe
hinunterc. Bei dem Fall auf die Erde erschlug sich Salomon und starb. — Es
werden noch zwei Varianten dieser Legende mitgeteilt, in der ersten wird
Salomos Weib auf gewöhnliche Weise entführt, in der zweiten bewarb eich
Salomon um die Tochter der Baba-Jaga, die ein früherer Teufel war.
Der Erzähler beginnt gewöhnlich ohne eine besondere Einleitung: »In
einem gewissen Reiche, nicht in dem, in welchem wir leben« . . . oder ... »es
ist bekannt, in welchem« . . . u. ä., oder >£s war ein König und der hatte drei
Töchter« . . . u. ä. Hie und da ist dies etwas weiter ausgeführt, mit einigen
subjektiven Bemerkungen ausgestattet: z.B. Nr. 5, S.36: »0 . . das war schon
lange. Es lebten zwei alte Eheleute in einer Residenzstadt, ich möchte sagen
— in Kijew oder in Moskau. Sie waren schon über 70 Jahre alt und hatten
keine Kinder . .«, oder Nr. 54, S. 486 >Es war eine Witwe, so wie bei uns in
Soino. Und die hatte einen Sohn«. Ausnahmsweise treffen wir Einleitungen
wie in Nr. 8, S. Si. »In einem gewissen Reiche, in einem gewissen Staate, in
Numero fünf, in einer reichen Stadt wollte eine Herrentochter, daß sie Jemand
zum Lachen bringe: aber niemand konnte das treffen. Al>er warte, ieh habe
einen Fehler gemacht. Ich sollte früher vom Soldaten erzählen. Es diente der
Soldat Ivanka 25 Jahre . . . .« In Nr. 13, S. 117 wendet sich der Erzähler
Bomaaov, Weißnas. Enithliiiigeii, aiigez. von Pohvka. 457
gtoJehemaßen an den MSichensammler: »Sehen Sie, Herr, ee war einmal ein
Kaiaer. Q^tt weiß, ob er ein Kaiserchen oder ein Kaiser war. So hatte er nun
einen Sohn, bloß einen einzigen Sohn«. Ganz vereinzelt ist die Einleitung der
Nr. 20, S. 178, wo dem, der das Mllrchen hOren wird, eine große Belohnung
▼ersprochen wird. — Bei Federowski II hat eine einzige Nr. 321, S. 283 einige
einleitende Worte: »Ich werde euch vom barmherzigen Soldaten erzählen.
Nnn, es war einmal ein armer Soldat . . . .«
Auch die Schlnßformeln dieser Märchen ragen nicht besonders hervor,
am häoügsten fehlen diese überhaupt Und sonst lesen wir gewöhnlich die
Sehlnßlbrmel: »Aueh ich bin dort gewesen, habe Metl^und Wein getrunken,
doch in den Mund ist nichts gekommen, den Bart hinunter nichts geflossen . .«
in Tersohiedenen, ziemlich unbedeutenden Vatiationen. Ebenso bei Federow-
aki H: Nr. 61, 66, 77, 78, 123, 156, 319. Dazu ist selten noch etwas hinzuge-
fügt, so bei Bomanov Nr. 19, S. 178 trocken: »Und so hat meine Erzählung
ein Snde€, oder bei Federowski II, Nr. 64 witziger: »sie baten mich noch mehr,
aber später vergaßen sie, und so trank ich in diesem Unglücke Wasser«.
Manchmal ist diese Schlußformel etwas mehr ausgeführt, z. B. bei Bomanow
Nr. 31, 36, 40, 45, noch mehr nur in Nr. 4, S. 36 und Nr. 32, S. 297, wie wir es
in anderen russischen Märchen finden, z. B. AeanacieB'Ld 1, 192; U, 206, 308
n. a. Manchmal bestätigt der Erzähler die Wahrheit des Erzählten, daß er
Augenzeoge dessen war, ganz kurz, wie Nr. 8, S. 88, Nr. 11, S. 1U5, Nr. 22,
S. 201: »ich war dort bei ihnen«, etwas ausführlicher Nr. 47, S. 419: »ich war
dort und habe idles gesehen«, und noch mehr Nr. 24, S. 213: »Ich war dort
bei ihnen, habe Meth und Wein getrunken, war ihr Gast. Und erst gestern
habe ich mich von dort hierher begeben«. Zu Ende der Nr. 12, S. 117 wird
endUüt, wie der Held endlich den Eoi6ej überwand und seine Frau wieder
entführte, und hierzu bemerkt: »es ist nur unbekannt, wohin er fuhr, ob auf
die gläsernen Berge, oder zu Vater und Mutter« und dazu fügte er noch
hinan: »Ich war auf Flüßen bis hinter Eijew, frug darüber nach, konnte aber
niehta erfahren. Wollte zn ihm kommen« . . . Der Erzähler von Nr. 48, S. 420
fügte im Gegenteil hinzu: »Ich war dort zwei, drei Jahre, aber nichts habe
ich gesehen«, und schied dann von seiner Zuhörerschaft mit den Wünschen:
»Gute Nacht, angenehmen Schlaf, freudigen Morgen! Bleibt gesund!« Das
sind aber ganz vereinzelte Fälle, wo sich der Erzähler an sein Publikum
wendet
Die von Federowski im II. Bd. herausgegebenen Märchen weichen hier
ziemlich ab. Nicht selten spricht da der Erzähler zum Schluß einen Wunsch
um Belohnung aus, um ein Gläschen Schnaps. Auch diese Schlußformel ist
typisch und stellt sich bei den verschiedensten Erzählern wie ein Befrain ein
Nr. 11, 44, 46, 55, in anderer Wendung Nr. 16, 124.
Aui^rdem finden wir da auch nicht selten, wie sich die Erzählung mo-
ralistisch zuspitzt und mit einer Sentenz schließt : z. B. Nr. 102: »der Tod als
Gevatter« : »Also kann man sieh auch vom Tode nicht losbitten, zu welcher
Z^ er will, zu der soll er auch nehmen«, Nr. 102: »Dem Geizigen ewiges Ver-
derben« : »Es ist hiicht recht geizig zu sein, denn dem Geizigen hilft Gott
nicht«. •— Nr. 261 von Banenlenten, die einen großen Schatz fanden, denen
458 KritiBcher Anseiger.
der SchatE als goldenei Lamm erBohien, und dem Knechte Teufel: »So sind
alBo die Tenfelegelder nicht von Vorteil«. Kr. 329: »Also geechah et vor
vielen Jahren! Hentsatage kommt bo etwae nicht mehr yor, die Menschen
Bind es nicht wert — Bie Bitzen biB zu den Ohren in Sttnden«. — In anderen
ganz kurz: »So geechieht cb dem €kizigen< Nr. 213, »Anch für die Tranken-
bolde iBt Strafe« Nr. 2 1 5 n. a. o.
Bomanov fHgte den einzelnen MXrchen keine bibliographiflchen Hin-
weiee auf verwandte Varianten hinzn, nicht einmal anf Beine eigenen frttheren
Bünde, obzwar er ee frtther teilweiae wenigetena tat, bo im IV. Bd. Beines
Werkes. Dessen Benutzung erleichterte er freilich teilweise durch das bei-
gefügte Register S. 513—528.
Dieses Register hat dieselben MXngel, die wir dem Werke Federowskia
aussetzten. Es sind in dem Register bei weitem nicht alle wichtigsten Motive
angeführt, und soweit sie angeführt sind, sind sie nicht glücklich eingereiht,
das eigene Schlagwort nicht glflcklich getroffen, und so finden wir a. B. an
verschiedenen Stellen dasselbe Motiv, z. B. reHepsjrB BUAaen ce6a sa nöan-
lejiE uapcKOH AovepH S. 515, und marasx BUAaen ce6ii m mB^aMnexn. napcKoi
Ao^epa S. 527, als ob es das Wichtige wSre, was fttr eine soziale Stellung der
vermeintliche Erretter und der Verriiter des DrachentOters einnimmt Oder
ganz unnütz BOpoÖLH nouortMTb koöujuuh nacra S. 514, mepmaa noiioraion
KodbUHm nacTH S. 527, wo doch wichtiger ist das Weiden der Stuten der Zau-
berin. Die Motive FpoMi-san 516, Jtoagrfc-sfliB 516, MopoB%-8jn& 522, Goaime-
3flTB 525, OpejTB-BflTB 523, GoKOJTh'ZETL 525 gehören zusammen »TierschwSger«
und, dessen Varianten. Der Herausgeber ist augenscheinlich sehr wenig be-
bekannt mit der Marchenforschung und weiß nicht den Kern des Märchens
herauszufinden, Stoff und Motive und bloßes Beiwerk von einander zu trennen.
In seiner Vorrede bemerkt Romanov, daß er mit diesem Buche bei weitem
noch nicht sein Material erschöpft hat, aber daß er nicht mehr bloßes Roh-
material drucken möchte. Er denkt an eine neue Ausgabe der früheren Bände
und dazu möchte er sein noch ungedrucktes Material hinzufügen, etwa in
Form von »Schemen« der Märchen, wahrscheinlich also in der Art, wie es
Jurkschat mit den litauischen Märchen machte. Aber zu einer solchen Arbeit
ist eine gründliche Kenntnis der Märchenliteratur erforderlich. Es wäre im
Interesse der Märchenkunde sehr erwünscht, wenn H. Romanov bald all sein
Material veröffentlichen könnte, aber zu der Arbeit, an welche er nun denkt
benötigt er einen tüchtigen Ratgeber und Mitarbeiter. O, PoUvka,
4. Detya. Monografia. Spisal Earol A. Medveck^, rim. kat. küiai.
Detva 1905. Tlaj^ou knfhtlaj^iame Earla Salvu v Rniomberku.
gr.-8o. S.330-HXV.
Bei den Slovaken Nordungams ist es so still im literarischen Leben ge-
worden, daß jede größere Erscheinung das größte Interesse hervorrufen
muß. Aber auch in größeren Literaturen würde eine solche Monographie wie
die vorliegende freundlich begrüßt werden. Es wird in derselben das Gebiet
Medvecb^, Monographie über Gyet^A, «ngez. von Poliyka. 459
des StiSdtchenB Gyetva an der sfldOstlichen Grenze dee Komit. Zölyom (Zvo-
leJk, Sohl) und in den angrenzenden Gebieten des Komit. Nögrad (Novohrad)
nnd G0ml5r beschrieben. Nach einer allgemeinen geographischen und geolo-
gischen Beschreibung des Landstriches folgt ein Verzeichnis der Flurnamen
(S. 15—20) »dieses soiusagen prähistorischen Grundbuches des Volkes«, wie
der Verfasser meint Nun in ein solch hohes Alter reichen diese Namen
kanm, wenigstens bezeugt das gar nichts, im Gegenteil finden wir Namen,
deren jflngerer, vielleicht recht junger Ursprung zweifellos ist, wie z. B. Baj-
iiak (S. 18), von welchem der Verfasser selbst sagt, daß er aus dem deutschen
HeiUteg entstanden ist Es folgen darauf eine Übersicht der Altertümer der
Gegend (22 — 27) und eine geschichtliche Obersicht derselben und ihrer Be-
wohner. Hier werden die etymologischen Erklärungen des Namens Bfica
erwähnt, auch Volksetymologien; am meisten spricht noch an die Zusammen-
stellung desselben mit poln. dziaiwa^ klruss. düva. Der Verfasser polemisiert
gegen die von einigen ungarischen Gelehrten ausgesprochene Vermutung, daß
die Detvaner Nachfolger südslavischer, aus der Herzegovina oder aus Bosnien
Yon EOnig Mathias eingeführter Kolonisten seien, beruft sich auf die bereits
von J. äkult^ty angeführten Gegenbeweise, daß besonders in dem Dialekte
der Detvaner keine sttdslavischen Reste vorhanden sind. Auf die von Otto
Hermann angeführten Gründe, daß nämlich die Ornamentik, wie sie sich auf
den Werkzeugen der Detvaner vorfindet, mit der südslavischen übereinstimmt,
daß die Henkel ihrer Schöpfgeschirre, deren zahlreiche Abbildungen wir dann
in dem Buche finden, romanischen Stiles sind, ist der Verfasser nicht einge-
gangen, und hat sich überhaupt in eine endgültige Entscheidung der Frage
nicht eingelassen. Hierbei werden wohl in erster Beihe die Ornamentik und
die Grefäße der anderen, die Karpaten bewohnenden Völker heranzuziehen
sein. In diesem historischen Kapitel lesen wir noch über die Untertanverhält-
nisse der Bauern (S. 39 ff.).
Es folgen weiter Kapitel über die Gemeindeverwaltung (S. 67 f.), die Ge-
schichte der Kirche (S. 72 f.), Schulwesen <90 f ], humanitäre Institutionen der
Gemeinde (S. 96 f.), demographische Übersicht mit sehr genauen statistischen
Tabellen. Hieran schließt sich ein Verzeichnis der Familiennamen (S. 112 —
1 22) ohne irgendwelche Auslassungen, nur bei einigen ist in den Anmerkungen
angegeben, woher ihre Trilger eingewandert sind. Nun folgt ein uns beson-
ders interessierendes, leider weniger befriedigendes Kapitel über den Dialekt
(S. 123 f.), zuerst eine Sammlung von Wörtern, die diesem Dialekte eigen sind
(S. 125—137), zum Schluß Phraseologie (S. 142—149) und eine Sammlung von
Sprichwörtern u. ä., auch Prognostica (S. 149 f ). Dazwischen eingeschoben
ist der grammatische Teil, d. i. einige Bemerkungen zur Morphologie •— hier
ist am interessantesten der Infin. huci. Phonetische Angaben sind leider gar
keine, nur gelegentlich ist bemerkt, daß das aus konsonant ^ entstandene v
fast wie / lautet, auch in dem Diphthonge f^o<oe> nach einer Tennis: v
spvolkn; wie das aus /-u im Partie, praet act entstandene v, wie v im Instr.
8g. der ä-Stämme, bei dem Pronomen lautet (i^enov, mnov), erfahren wir nicht
und sind darüber um so ungewisser, als der Herausgeber hier verschieden
schreibt, wie z. B. htAnj 142, duojde 142 neben sprolnica 131, sirv^tka 256 se-
460 Kritischer Anzeiger.
dem rvo^kov 254, hrvob&ek 255, xA sein muoh\% dAvno mladoo ienoo byti 278,
odskod^tt? 248, nevedtff? 251, hrudb otrara» und daneben krk}al 253, donieso/und
doniesov 254 in demselben Liede n.8.w. Selbst ist der Verfasser dnrchans nicht
fest in der Grammatik, besonders kann er nicht etymolog. y von t nnterschei-
den, so wirft er zusammen bydio s= imanie nnd hidieke bidlo (S. 12'^), sehreibt
vir (s= n&at& sova S. 1 33), zdhidCaty = zäbndliv^ nnd versucht das i in dem
Worte symbolisch zu erklären (S. 141); selbst dann im Texte starobtl^. In-
teressant ist ao statt d in zaoduch (z4ducha, asthma), zooprah, zoopa^ neben
zm4pa6 (S. 1 1 1 f.) strana v höre, ktor& najskorej siiahom zapad&, flbrigens anch
in Mähren gebräuchlich). Ist dieses ao ein Diphthong? In zaupaS ist jeden-
falls a mit einem labialen Nachklang, wie wir in polnischen Dialekten finden,
z. B. in Oppeln zd^Use u. a. Aber wie steht dazu oo? An diese Übersicht de«
sprachlichen Materials schließt der Verfasser eine Schilderung der Wirtsohafta-
und Besitzverhältnisse (S. 151—162), weiter der Handwerke und der Haan-
Industrie (S. 163 — 166), und dann erst geht er zu dem eigentlichen ethno-
graphischen Teil über: beschreibt die Tracht (S. 167—174), die Stickereien
(S. 175 — 177), die Gebräuche (S. 178—201) und zwar zuerst an den einzelnen
Festtagen und Festzeiten des Jahres Tom Weihnachtsfeste an, dann im Fa-
milienleben von der Taufe bis zum Begräbnis. Hierauf folgen Aberglauben,
Zauber und Volksmedizin (S. 202 — 206), z.B. zu einem mit epileptischen
Krämpfen Befallenen wird ein erstgeborener Mensch gerufen, der den Be-
treffenden noch nicht in solchen Krämpfen gesehen hat; der muß von dem
Kranken die Kleider abreißen und sie in der Stube in die Erde yergraben —
wenn der Kranke nicht mehr die Kleider erblickt, stellen sich keine Kritmpfe
mehr ein. £s wird jedenfalls dies auf der Vorstellung beruhen, daß der
Krankheitsdämon in den Kleidern seinen Sitz hat, und begraben werden muß,
daß er niemand anderen befällt. Ähnlich wird z. B. einem kranken Kinde das
Hemd ausgezogen, hinausgeworfen und wohin es fällt, yergraben; dann ge-
sundet das Kind (vgl. Dob6insk^ Prostonir. obyii^e, povery a hry 8. 112).
Ein Steinchen, um welches die Schlangen in einen Haufen zusammenkrieohen,
ist ein Glücksstein (gleich bei Dobsinsk^ op. c. 114), wie der goldene Kamm
oder das Kreuz, welches eine Schlange am Kopfe hat (Dobiinsk^ op. e. 105),
oder die zwei goldenen HOmchen am Kopfe des Schlangenkönigs (Nowosieliki
Lud ukn^. I, 251, Federowski Lud bii^orus. II, Nr. 48). Hexen erblickt der,
welcher vor Sonnenaufgang zum Bache geht und dort, wo er sitzt, mit der
DreikOnigskreide ein Kreuz macht, anders wieder Öasopis mus. spol. sIot.
m, 139.
' Weiter werden einige Sagen, Legenden, Märchen mitgeteilt (S. 207 — 212):
seit welcher Zeit die Ähren so klein sind; als die Türken das hl. Kreuz ans
Jerusalem wegnahmen und in ein mit sieben eisernen Toren befestigtes Schloß
brachten, berieten sich der Engländer, Franzose, Russe, Slovak, Deutsche nnd
Italiener, wie das Kreuz wiederzubekommen; da kam ein Detvaner, bot sieh
an, das Kreuz in der Nacht zu stehlen, und brachte es wirklich den anderen
Tag morgens, nachdem er mit einer Zaubergerte die Wache stair gemacht
hatte; vgl. Schott Walach. Märch. S. 289, Nr. 41 ; der Hirte bei KOnig Mathias
zu Gast ; der Schatz des Janoük ist zu heben von dem, welcher zwölf Brfider
Speranik^, Ana Altfigypten, angez. Ton Polivka. 461
von einem Vater nnd einer Matter bringt (zwölf HShne), Shnlich Öas. moB. spoL
■loY. Vn, 54; der Krieg zwischen Bär nnd Schwein anf der einen, Haeen,
Fachs, Reh, Kater n. a. aaf der anderen Seite.
Es folgen weiter Kapitel Aber das Hans and dessen innere Einrichtung
(S. 213—223), fiber die Omamentierang (S. 224—230) , besonders der Grab-
kreuze, der Schöpfgeschirre, Spinnrocken, Hirtenpfeife (»fojarac, bei den Hü-
snlen »fTojara«) a. a.
Non kehrt der Verfasser wieder znm geistigen Leben znrttck, gibt Auf-
sehltlsse über Lied, Masik and Tanz (S. 231—237), erzählt den Inhalt einiger
Volksballaden, nnd fügt einige Worte über die Melodien nnd Mnsikinstra-
mente bei, leider sind dieser Beschreibnng in dem sonst reichlich illnstrierten
Bnehe keine Abbildungen der Instramente beigelegt, so daß man sich kaum
eine so gnte Vorstellnng von denselben machen kann, wie z. B. nach dem be-
kannten Werke über die Huzulen von Sachevy6. Nun folgt eine allgemeine
Charakteristik dieses Volksstammes und seines Lebens (S. 238—244), — etwas
genauere Moralstatistik wäre erwünscht gewesen — , und zum Schlüsse dieses
Kapitels lesen wir noch einige Worte über die Nahruogsweise des Volkes.
Eine ziemlieh stattliche Sammlung von Liedern und Melodien (S. 247—330),
die mit Zuhilfenahme des Phonographen aufgezeichnet wurden, dann Urkun^
den zur Geschichte der Gegend und deren Besiedelung (S. I— XE) und ein
bibliographisches Verzeichnis der spezialen Literatur beschließen das Buch.
Es ist recht hübsch ausgestattet und macht, trotzdem wir eine systematischere
Einteilung und Bearbeitung des Stoffes gewünscht hätten, einen um so ange-
nehmeren Eindruck, je bescheidener und anspruchsloser dessen verdienst-
voller und der Sache seiner Heimat opferungswilliger Verfasser mit dieser
seiner Lebensarbeit auftritt. In der slavischen ethnographischen Literatur
wird es gewiß allerseits auf das freundlichste begrüßt werden. O. PoUeka.
5. J.A.CnepaHCKiH. Hai JHTepaxypH äPöbhäfo Eranra. BunyoK-Ll.
FaacKasB o AByx'B (SpaTHxi. IlepBCHCTO^HHirL cKasamH o Kon^ei,
pasHO KaiCB H MHornxi Apyrax'B cioKeTOFB HapoAHaro aiOBecHaro
TBop^ecTsa. TeKCTB ApenHflro, ernneTcicaro pascRasa b'b pyccKOH'B
nepeBOAi h ero HCTopHKo-JHTepaTypHoe SFia^eme. C. IleTepÖyprB
1906. p.Vin + 264 (D.A.Speranskij. Aus der Literatur des alten
Ägyptens. I. Heft. Die Erzählung von den zwei Brüdern. Die Ur-
qnelle der Sagen von Eoilöej, wie auch vieler anderer Stoffe der
Volksdichtung. Der Text der alten ägyptischen Erzählung in russi-
scher Dbersetzung und deren historisch-literarische Bedeutung).
In der märchenwissenschaftlichen Literatur ist die altägyptisehe £r-
t^MiiBC Ton den zwei Brüdern längst wohl bekannt und war auch der Aub-
gangspunkt mancher Hypothesen über den Ursprung , die Heimat und das
462 Eritiseher Anzeiger.
Alter nnserer Märchen^). Diese Erzählung machte nun auch ein jttngere-
ruBBischer Gelehrter zur Grundlage sehr weitgehender, kühner, ja phantastiachei
Expektorationen. Vorausgeschickt ist eine russische Obersetzung nachMaspiros
Ausgabe, wie wir sie ans Masp^ros Buch »Les contes populaires de Tl^gypte
anciennec (Les litt^rat popul. de toutes les nations T. lY 1889) kennen. Herr
D. A. Speranskij führt dieses Buch in seinem »bibliographischen Verzeichnis«
nicht an (S. 25 — 27), welches Verzeichnis gänzlich ttbereinatimmt mit Masp6ro8
Verzeichnis S. 3—4.
Der Verfasser stellt als sicher und fest, daß alle erzählenden Produkte
der russischen Volksliteratur, die epischen Lieder (Bylinen) und Märchen, wie
gleicherweise bei den anderen indoeuropäischen Völkern ihrer ursprünglichen
Grundlage nach fremden Ursprunges sind; daß die schöpferische Tätigkeit
der russischen Rezitatoren oder Sänger von undenkbaren Zeiten an bloß in
der Übernahme fremdländischer Stoffe und in deren Anpassung an die heimat-
lichen Vorstellungen und Verhältnisse bestand. Die Urquellen aller dieser
übernommenen Stoffe waren vorzüglicherweise, ja fast ausnahmslos die Lite-
raturerzeugnisse des alten Ägyptens, wie auch die religiösen Sagen (die Mytho-
logie) und die historischen Ereignisse aus dem Leben dieses Volkes. In der
russischen Volksliteratur findet er zahlreiche und klare Spuren von unmittel-
bar diesen Urquellen übernommenen Stoffen, nebenbei nicht weniger inter-
essante Reflexe derselben Urquellen, die durch Vermittelung anderer Völker,
d. i. hauptsächlich der alten Griechen, eingedrungen sind. Im alten Griechen-
land erblickt der Verfasser den wichtigsten Vermittler für alle europäischen
Völker bei der Übernahme der ägyptischen UrqueUen. Kein anderes Land
oder Volk (weder Indien noch Iran) konnten mit ihrer Literatur als Urquelle
in dem Entwicklungsprozesse der literarischen Schöpfung dienen; im Gegen-
teil sie selbst entnahmen hier und da aus den ägyptischen Urquellen. In der
russischen Literatur waren die hauptsächlichsten Ursachen der Abschwäcbnng
oder des stufenweisen Absterbens der alten Stoffe, d. 1. der Elemente der Ur-
quelle, die Annahme des Christentums, das tatarische Joch und die Verbreitang
der Schule und Bildung. So stilisiert der Verfasser selbst die Schlußresultate
seines Studiums am Ende seines Buches.
Er ist von der felsenfesten Sicherheit seiner Ausführungen so sehr über-
zeugt, daß er meint, seine Gegner könnten nur solche sein, welche vom Geiste
des Widerspruchs getragen, geneigt sind das Weiße schwarz, und das Schwarze
weiß zu nennen (vgl. S. 182). Trotz dieser Gefahr unter derlei Kritiker ge^hlt
zu werden, wagt es dennoch der Referent, wenigstens einige Punkte aus dem
Buche hervorzuheben, und an ihnen darzulegen, wie schwach begründet die
weitgehenden, bis an die Grenze des Denkbaren reichenden Ausführungen des
Verfassers sind. Alle von ihm vorgebrachten Meinungen und Einfälle zu
untersuchen, würde uns zu weit führen.
Als die wichtigste Episode der altägyptischen Erzählung »von den zwei
Brüdern« dem Einflüsse nach, den sie auf die Entwicklung der Märchenwelt
der neueren europäischen Völker gehabt haben soll, ist nach der Ansicht des
i) Vgl. A. Lang, Mythos, cultus et religions 1896, S. 597 ff.
y, Aü AitXgypten, angM. Ton Polivka. 46^
Veffusen ohne Zweifel die Enäiilimg tob den ttbernattirliclien Eigenscluiften
des Heizens des Bitin zn betracliten (S. 93). Vollständig von den Menschen ab-
geschieden wußte Bitin sein Herz so zn verzanbern, daß er es der größeren
Sieherheit wegen an einem zuverlässigen Orte in der Blüte am Gipfel einer
hohen Akazie o. a. verbergen konnte. Dieses Herz abgelöst vom Organismus
enthielt auf geheimnisvolle Weise in sich die ganze Lebenskraft dieses Orga-
nismus und eine unsichtbare und zugleich untrennbare Verbindung mit dem
KOrper. Sein Geheimnis vertraute Bitiu seinem älteren Bruder an, damit er
ihm in der Stunde der Gefahr zu Hilfe eilen könnte, und dann teilte er es noch
seinem Weibe mit, doch zu seinem Unheil. Auf Angabe seines verräterischen
Weibes wurde der Baum gefällt, das Herz fiel auf die Erde und Bitiu starb
denselben Augenblick. Weiter wird erzählt, wie der ältere Bruder Anupu nach
dem wunderbaren Zeichen erkannte, daß Bitiu ein Unglück geschah, nach
langem Sueben das Herz fand und den Bruder wieder belebte.
Bereits Baiston in seiner englischen Obersetzung der russischen Volks-
märchen, und nach ihm andere, W. A. Glouston Populär Tales and Fictions II,
347 ff., Cosquj|l Contes pop. de Lorraine 1, 173 ff., A. Lang Mythes, cultes et
religions S.602 haben daraufhingewiesen, daß sich dieses Motiv in zahlreichen
Märchen aller europäischen Völker wie auch in Indien vorfindet; ja bereits in
der russischen Literatur wurde die alte ägyptische Version herbeigezogen im
Jahre 1887 von Kuzmi6evskij-Dragomanov (KieBCKafl Orap. 1S87, Bd. 19, S. 208,
PoBBiXRH Mxz. AparoMaHOBA II, 160, vgl. Cjunovh CoBpeneHHaE Maiopyc. btho-
rpa«iji n, 32). Herr D. A. Speranskij konstatiert nun, augenscheinlich ohne
eine Kenntnis der bisherigen Arbeiten über diese Frage, mit einer so zu sagen
dogmatischen Sicherheit, daß es »klar und zweifellos« sei, daß »alle Märchen
vom unsterblichen Koi6ej aus der altägjrptischen Episode von den wunder-
baren Eigenschaften des Herzes von Bitiu entstanden sind« (S. 95) und hieran
knüpft er gleich weiter eine andere Deduktion an »der alte ägyptische Held
des Romanos Bitiu war das Prototyp des phantastischen Helden der russischen
Volksmärchen, des unsterblichen Eo&6ej« (S. 95). Er untersucht nicht die
großen Unterschiede aller europäischen und asiatischen Versionen zusammen
von dem altägyptischen Motive. Eotöej und die ihm nahe verwandten über-
menschlichen Wesen sind doch stark von Bitiu verschieden, auch deren Ver-
hältnis zu dem »verräterischen« Weibe ist grundverschieden, der Tod des
Kotöej wird auch in allen den näher verwandten Versionen, abgesehen von
geringfügigeren Unterschieden so ziemlich gleich, verschieden von der alt-
ägyptischen Erzählung herbeigeführt, in allen diesen Versionen ist das Leben,
die Seele des Biesen, Drachen, Ko&j^ej doch anders verborgen, als es Bitiu tat,
und mit Unrecht sagt der Verfasser »diese Verschiedenheit stört nicht im ge-
ringsten die genetische Verbindung der neueren Varianten mit der altägyp-
tischen Urquelle« (S. 97). Wir hätten erwartet, daß der Verfasser zuerst die
verschiedenen neueren Versionen untereinander vergleicht, ihr gegenseitiges
Verhältnis zu bestimmen sucht, vielleicht die ursprüngliche allen diesen
neueren Versionen zugrunde liegende Form zu konstruieren sich bestrebt und
dann erat diese Grundform mit der altägyptischen Version vergleicht Aber
er nimmt nur das russische Märchen aus Afanasjevs Sammlung, zieht außer-
464 £ritiaolier Anzeiger.
dem nur noch (Uta von AfuiuJeT bereite zitierte norwegieeiie Mltoclieii herua,
and ist mit seinem Urteil fertig. Trotzdem er Goeqnins bertthmteB Bneh kemit^
reagiert er durchanz nicht auf dessen Toliends begründete E^ltik »Ob remar-
qnera qae, dans les contes aotaels, ce thöme a plus de nettet6 que daaa le
conte ögyptien . . . n nons semble que dans le eonte 6gyptien, ma|gr6 zob
antiqnlt^, nons avons affaire a nne forme alt6r6e de ee thöme et non 4 la forma
primitivec (S. LXIV).
Alle unsere Märchen Ton dem die Frinzeszin gefangen haltendeB Un*
geheuer und deren Befreiung durch den Helden schUeßen natürlich mit den
Tode des Ungeheuers. In der altSgyptischen ErzShlung wird aber weiter fort-
gesetzt, wie Bitlu von seinem Bruder wieder belebt wird. Nun der Verfzsser
erträgt es schwer, daß dieses »ungemein orginale Detail der alteragraueB üi^
quelle« von den europäischen und russischen Nachahmern und NaeherziUem
vergessen wurde oder ihnen unbekannt blieb. Trotzdem es offenbar isti dafi
unsere Erzählungen mit dem Tode des Ungeheuers, des unsterblichen KoMe)
und der Befreiung der Schönen ganz natürlich enden, ist der für die altigjrp*
tische Erzählung einseitig eingenommene Yer&sser dner anderen Anidcfat,
und versteigt sich bis zur Voraussetzung, daß in den alten, zu uns nicht ge-
kommenen Varianten dieses bemerkenswerte Siget (? vielleicht eher Motiv)
vorkommen mußte, daß es nicht ganz klar war dem Verständnis dee Volkea
und daher atrophiert wurde . . . (S. 108). Wir sehen nur darin den Beweis, dafi
eben zwischen unseren europäischen und asiatischen (arabischen, ostindiaehenj
Varianten des erwähnten Märchens und der altägyptischen Erzählung über^
haupt kein näherer Zusammenhang ist, und daß sie eigentlich nur das Motiv
von dem verborgenen Herzen, Lebenstalisman, gemein haben.
Der Verfasser geht in seinem Bestreben, die russischen Erzählungen von
Koil6ej dem Unsterblichen aus der altägyptischen »Urquelle« abzuleitoB so
weit, daß er in diesem Sinne, zu diesem Zwecke eine etymologische ErkläruBg
dieses Namens versucht. Er sucht nämlich den Namen Eoii^\ KoUef in nähere
Verbindung zu bringen mit dem Namen Kauiu, Kuider Provinz, deren Ver-
walter endlich Bitiu wurde und danach selbst benannt wurde. In einem
neuestens von On6ukov im Pecora-Gebiete angezeichneten Liede Nr. 2 will
er eine dem altägyptischen Namen noch nähere Form Kooi^' aufgefundeB
haben (S. 120 ff.).
Aus dieser altägyptischen »Urquelle« erklärt der Verfasser noch einige
epische Sagen, so von der Zauberin Marinka, welche Dobryika in einen Anw-
ochsen umwandelte. In dieser sind nach der Ansicht des Verfusers (S. 1 25) bb-
verkennbar einige Elemente, die mit dem russischen Volksleben und Chankter
durchaus nicht übereinstimmen, aus fremden und entfernten TraditioBCB UBd
Glauben in die epischen Lieder hinttbergenommen worden, und zwar aus den
Traditionen und Erzählungen des alten Ägypten, welche nach Bußland ent-
weder indirekt durch die Ägypter selbst, etwa z. B. zur Zeit des bekaBBtea
Eriegszuges des ägyptischen KOnigs Sesostris gegen die Skythen, oder dnreh
den vermittelnden Einfluß der griechischen Mythologie und Literatur gebracht
worden. Der Verfasser erkennt zwar an (S. 126), daß das Schema von der €le-
schichte Bitius und seiner untreuen Frau, wie auch von der Verwandlung
Speranskij, Aob AltSgypten, angez. vob Polivka. 465
Bitiiis in den Apis in der rnsBiBohen »Bearbeitangc »fast unerkennbar« wurde
— Bitin wurde ja nicht von seiner treulosen Frau in einen Stier verwandelt,
sondern er verwandelte sich selbst, die ganze weitere Geschichte verläuft ganz
eigens, so daß von einer Verwandtschaft der altSgyptischen Eraählung mit
dem russischen epischen Liede, noch mit anderen zahlreichen Erzählungen
von der Verwandlung des Hannes in ein Tier von selten des bösen Weibes
(vgl. Archiv XIX S. 250 Nr. 22; XXI S. 300 Nr. 19), welche gewiß hätten her-
angezogen werden sollen, eigentlich keine Rede sein kann. Doch der Verfasser
postuliert im vorhinein eine Verwandtschaft, und so muß er raisonieren, wie so
das alte Sujet von den russischen Sängern, Bezitatoren verdorben werden
konnte. Er läßt sich in eine üefere Analyse der russischen epischen Sage und
einen Vergleich mit den näher verwandten Härchen gar nicht ein. Daftlr ist
er überzeugt einen unwiderlegbaren Beweis seiner Ansicht in dem Beinamen
der Harina gefunden zu haben. Sie heißt Kajdalovna, Eajdals Tochter. Diesen
sonderbaren Namen nun glaubt er zwar nicht direkt in den altägyptischen
»Urquellen«, aber in der altgriechischen Sagenwelt gefunden zu haben. Und
zwar zieht er Herodots Erzählung von dem letzten Herakliden Kandauloa und
dessen Ermordung durch Gyges, den Geliebten seiner Frau, heran. Diese in
der altgriechischen Welt einst sehr verbreitete Sage wurde in undenkbaren
Zeiten von professionalen Sängern nach Rußland >oder bestimmter gesagt in
das alte Skythien« gebracht, und da »floß sie nach und nach mit dem russischen
Volksepos wie auch mit anderen Orientalen oder sogar altägyptischen Sujets«
zusammen. Der Verfasser bekennt, daß die Episoden der russischen und der
griechischen Sagen nur in aUgemeinen Konturen Übereinstimmen, dennoch ist
für ihn deren genetische Verbindung unzweifelhaft (S. 130). Und so vergleicht
er weiter noch die Sage von Harina mit der altägyptischen Urquelle. In dem
Verhältnisse der Harina einerseits zu ihrem »lieben Freunde«, der Zmej Gory-
ny6, Tugarin Zmijevi6 u. a. heißt, andererseits zu Dobryna will er das Ver-
hältnis derTochter der Götter einerseits zu ihrem jungen Gemahl Bitiu, anderer-
seits zu dem nicht jungen, aber starken und schrecklichen Pharaon erblicken.
Zm^j Goryny6, der nichts anderes ist als eine Abart des Eofi6ej des Unsterb-
lichen, ist derselbe »Zauberer« Bitiu; jedoch hätte sich aus dieser altägyp-
tischen Gestalt auch Dobryna entwickelt, und andererseits erinnert Zmej Gory-
ny6 wieder stark an Pharaon (S. 135, 138). In eine nähere Verbindung mit der
altSgyptischen »Urquelle« versucht er noch eine andere Gestalt des russischen
Epos zu bringen, das IdoUSSe poganoje. Er will darlegen, daß die Sagen von
ihm in uralter Zeit gänzlich unabhängig von dem tatarischen Einfall entstanden
sind und sich gebildet haben. Der Name selbst kann nach des Verfassers An-
sicht durchaus nicht in Beziehung zu den zahlreichen feindlichen Völkern ge-
bracht werden, welche das alte Rußland des hl. Vladimir oder Svjatoslavs
kannte (S. 145). In späterer Zeit seien Sagen von den Tatarenzügen in diese
Sage hineingetragen worden und IdoliS^e selbst zu einem tatarischen Fürsten
umgewandelt worden. Um die Genesis dieser Sagen klar zu stellen, seien die
späteren Einschiebsel und Zusätze loszulösen.
Der Verfasser stellt die grundlegenden Elemente dieser Sage fest (S. 148 ff.)
und kommt zu dem Ergebnis, daß dieser Stoff mit der alten ägyptischen Ge-
AreUv fttr slaTiBche Philolope. XXIX. 30
466 BLritiBcher Anaeiger.
sehiohte soBunmenhängt, in welche auch die Entstehung der EnüUilnng von
den zwei Brüdern fällt, d. i. mit der Epoche der XIX. Dynastie, mit der
Epoche Bamses IL— SeBostris. Diese ktthnen Hypothesen will nnn der Ver-
fasser wieder mit Hilfe der Etymologie sicherstellen. Idolid^e tritt anch nnter
den Namen Batyg Batyg0Yi6, Badan, Badanovli, Kalin-car o. a. anf Die Er-
zählungen historischen Inhaltes von den EriegszUgen des Königs Kania
(Koiej) Sesostris flössen mit der phantastischen Sage von EGnig Kanin —
Bata (Bitin) nnd seinen Metamorphosen, in einem Worte yon Kon&ej dem Un-
sterblichen zusammen. Einige Rhapsoden behielten lange im Gedächtnis, daß
dieser Bata Ko&it war, d.h. Bewohner der Provinz Kni, welche noch einen
anderen Namen hatte, An, gleichwie das Volk selbst nnd jeder einzelne Be-
wohner dieses Landes An hieß. So wnrde zu dem Eigennamen des Konsej
Bata das Epitheton An angefQgt: Bata-an^ nnd darans wurde mit der Zeit
Batan oder Badan, In eine spätere Zeit fällt die HinznfÜgung des Patrony-
mikons Badanoyi6: »Die logische oder faktische Grundlage dieses Patrony-
mikons liegt wieder in der ägyptischen Sage von den Metamorphosen dea
Bitiu-Kou&ej, d. i. desselben Batac (S. 154). Batyg ist ein AugmentatiTum von
Bata (S. 155). Die Sagen von diesen Heereszttgen wurden ursprünglich »von
unseren Vorfahren den Skythen in jener weiten Epoche gebildet, als sie noch
in Asien lebten und mit vielen anderen Nachbarvölkern nicht einmal die
schrecklichen Kriegszüge der Herrscher zu ertragen hatten, deren Namen sie
nicht im Gedächtnis behielten, aber doch deren allgemeinen Titel Koui^ (Koui&a,
Ku&). Dieses tapfere Skythenvolk konnte sich aber auch selbst mit einem
Siegeszug gegen Ägypten ausweisen. Herr Speranskij erinnert an den von
Strabo erzählten Zug des Herrschers der Skythen Idanthyrsos durch ganz
Asien bis zum Nil, »d. i. in das Gebiet des Kou&ej (des ägyptischen Pharao)
selbst«. Er erklärt zwar selbst, es wäre riskiert zu behaupten, daß gerade
dieser Siegeszug die ursprüngliche Grundlage der Sage von dem Siege des
I^a Muromec über Idolü6e-Kouiej war (S. 157). Dennoch ließen sich hieraus
manche nnd wichtige Details der russischen epischen Lieder von diesem Stoffe
erklären. Die Grundlage der Vorstellungen von Kodiej-Idoli&6e hätten jene
Denkmäler geboten, die Ramses n. in allen unterworfenen Ländern anfiichten
ließ. Die Benennung IdoliS6e poganoje konnte natürlich erst in der Zelt des
vollständigen Sieges des Christentums entstehen (S. 163). Zum Beweis seiner
Hypothesen führt der Verfasser noch andere etymologische Erklärungen anf.
Badan Badanovii hat in einigen epischen Liedern noch einen Sohn Torokaikai
unter diesem Namen sei der Name eines späteren Nachfolgers Ramses des
Großen erhalten und zwar des Pharao der XXV. Dynastie Ta-cha-ra-ka,
griechisch Taqxog, Taoaxos. Sogar wenn Badan «oio^-a-car geschimpft wird,
will der Verfasser ein Überbleibsel aus der ägyptischen Geschichte erblicken;
es wären in der ältesten Redaktion dieses Stoffes die Niederlagen erzählt
worden, welche die letzten Herrscher der glänzenden Periode der ägyptischen
Geschichte oder wenigstens der ägyptischen Selbständigkeit erlitten hätten.
Sahakon (Saßaxtay) und Tacharak.
Ein anderes episches Lied erzählt von JSTa/sVi-car, welcher nach Rußland
zahllose Scharen von Tataren brachte. H. Speranskij bemerkt, daß wir ans
Spennskij, Ans Altiigypten, anges. von Polivka. 467
der Qeschichte der TatareneinflUle keinen solchen Namen kennen. Er kann
freilich auch ans der Sgyptischen Geschichte keinen Herrscher dieses Namens
anführen, aber doch den Namen eines Negervolkes im alten Ägypten ijta Nnbien)
Kali (nach einer anderen Lesart Eari oder Kar). Daselbst war noch ein anderes
Negervolk Namens Tar-tar. »Auf diese Weise konnte der schreckliche KOnig
Kouiej (d. i. Hamses IL oder sein späterer Vertreter Sabakon) in den Volks-
traditionen den Namen ear Kaiin oder Tartarin nach dem Namen der nnter-
worfenen Völker bekommen« (S. 16S). In demselben Lied tritt noch der
Schwiegersohn des car Kaiin namens Sartak nnd der Sohn Lonisk anf.
Wenigstens den ersten Namen glanbt der Ver£user ans der ägyptischen Ge-
schichte erklären zu können. Sar war bei den Ägyptern der Titel des erblichen
Satrapen, nnd so konnte Sar-tak z. B. der Fürst yon Theben (Tapit) sein. Einer
Yon diesen Sars hatte znr Zeit der Pharone Sabakon nnd Tarakos eine nnge-
meine Bedentnng in Ägypten. Anch der Name Potyk soll ägyptischen Ur*
aprongs sein, es ist »nichts anderes, als eine anf mssische Weise nmgemodelte
(▼erdorbene) Form des ägyptischen Namens Bata (d. i. Bitin) (S. 197). Außer-
dem noch den Beinamen KoS6ej TripeioviS (Kofi6ej syn Tripetovii, KoS^j
Tripetoy) erklärt er so, nm ihn in Einklang mit seiner Hypothese zn bringen:
Bitin-Koniej war dreimal einem gewaltsamen Tode nnterworfen; mit der Be-
festignng des Christentums kam der Brauch, das Totenamt über Verstorbene
zu halten {atpSca^y nnd so wurde der dreimal Gestorbene vom Volke danach
benannt »der dreimal abgesungene« tripUyij,
Der Verfiuiser ist so sehr von der Richtigkeit seiner Deduktionen, richtiger
Phantastereien, überzeugt, daß er sich höchlichst wundert, wie so dieser Zu-
sammenhang der russischen epischen Lieder mit der alten ägyptischen Sage
noeh Yon niemand erkannt wurde. Er glaubt dies damit erklären zu dürfen,
daß einerseits in Rußland die alte ägyptische Sage sehr wenig bekannt war,
andererseits daß den westeuropäischen Gelehrten wieder die russische Epik
nnd Märchenwelt »fast vollständig unbekannt« war (S. 204), womit er natürlich
nor seine Unkenntnis der einschlägigen russischen wie auch der westeuro-
päischen Literatur kund gibt. Herr D. A. Speranskij scheint nicht einmal
Masp^ros Einleitung zu der im Eingang unserer Rezension erwähnten franzö-
sischen Ausgabe der altägyptischen Erzählungen beherzigt zu haben, denn er
hätte da gewiß seine all zu üppige Phantasie in die notwendigen Grenzen ein-
gezwängt:
Noch eine Reihe von Motiven der altägyptischen Erzählung »von den
zwei Brüdern« gab dem Verfasser Anlaß ähnliche Motive neuerer, besonders
rassischer Märchen mit derselben in ein genetisches Verhältnis zu bringen.
So besonders das Motiv von der EmpHingnis des verräterischen Weibes des
Bitiu durch den in ihren Mund geflogenen Hobelspahnj, der sich von den
aof ihr Geheiß gefällten Bäumen losgelöst hatte, die aus den Blutstropfen des
Stieres » Bitiu emporgewachsen waren. Er zieht hier eine ganze Reihe von
Erzählungen von der übernatürlichen Empfängnis heran, so durch eine Erbse,
einen Apfel, einen Fisch (S.20Sff.), vergleicht besonders Cosquins Märchen
»Le fils du pdcheur« und verwandte, unter denen Hahn Griech. alb. M. Nr. 22,
welches »einige fische Züge der ägyptischen Urquelle« erhalten haben soll
30*
468 Kritiacher Anaeiger.
(S.222ft), endlich die von Akftdem. Alex. Weueloftky onteranchta nlt&asi.
Sage von der Empfängnis der Tochter Abrahams durch die Blüte des Banmea
Yom Elreaze Christi (PaducKaHlA VI*— X, S. 417 £). Weiter werden die Sagen
von der Metamorphose Bitios (Stier — ans dessen Blntstropfen zwei Bänme)
ontersQcht (S. 240 ff.) nnd hierbei der Nachweis versucht, daß die Sage einen
ungeheuren Einfluß auf die Entwicklung der Y olkssagen ansgeilbt habe. Eine
ungemeine Bedeutung für die Aufhellung des genetischenVerhSltnisses einiger
typischer indoeuropSischer Volkssagen, besonders der russischen, mit den
alten ägyptischen »Urquellenc hat noch nach dem Verfasser die Sage von
Kadmos (S. 248). Wir brauchen in diesen Sagen bloß alle Eigennamen aus-
zulassen und den Haupthelden Ivsn Carevi6 zu nennen, und wir eriialten das
Schema für sehr viele russische Yolksmlrchen (S. 250). Gewöhnlich wird dieaee
Schema mit anderen Motiven ausgestattet, doch auch diese gehören der grie-
chischen Mythologie an. Doch daneben wurden gerade sehr wichtige Motive
in das russische Epos nicht angenommen, trotzdem sie bei den alten Griechen
sehr verbreitet waren. Der Verfasser erwähnt hier insbesondere das wichtigste
Motiv von der Entstehung der bewaffneten ELrieger aus den ausgesäeten
Drachenzähnen. Er hält es natürlich für möglich, daß diese Episode eben »von
der griechischen Mythologie aus irgendeiner uns unbekannten ägyptischen
Urquelle c entnommen wurde (S. 252). Er untersucht weiter das bekannte
Grimmsche Märchen Nr. 47 »Von dem Machandelboomc und- findet, daß einige
Einzelheiten desselben kaum verständlich sind, wenn man nicht die ägyp-
tischen Stoffe zum Vergleich heranzieht Die weite Verbreitni^ der Meta-
morphose des von der Hexe entflohenen Mädchens (es wird Grimm Nr.&6 »Der
liebste Roland« als Beispiel erwähnt) »kann nur aus der Gemeinsamkeit der
gemeiuBamen Urquelle (Ägypten) erklärt werden und durch die ungehenre
historisch-kulturelle Bedeutung der vermittelnden Instanz, d.i. des klassischen
Griechenlands und teUweise Soms« (S. 256). Er zieht noch Grimm Nr. 130
»Einäuglein, Zweiäuglein und Dreiäuglein« heran, wie auch die verwandten
Märchen anderer Völker. Die russischen Versionen seien noch interessanter,
meint Herr D. A. Speranskij, denn sie haben mehr Ähnlichkeit mit dem alt-
ägyptischen Original. Das zaubertätige Tier, welches sich da verwandelt, ist
nämlich in den russischen Märehen die Kuh, »wie es auch in der ägyptischen
Urquelle war«. Es fällt dem Verfasser gar nicht ein, nachzusuchen, ob dieses
Märchen ganz gleich auch bei anderen Völkern vorkommt oder nicht Ein
Glück noch, daß er z. B. nicht Haltrich Deutsche VM. Siebenbttig.s, Nr. 36
noch Sebillot Cont. pop. de la Haute Bret. Nr. 3, Asbjömsen Moe Norweg. VM.
I S. 128 Nr. 19 kannte, wo die Bolle der Kuh, der Beschützerin der verfolgten
Stieftochter, der Stier übernahm. Ein Wunder noch, daß er nicht den Stier
aus Afanasjev Nr. 117, 118 herangezogen hat, der die Geschwister von dem
Bären rettete und aus dessen Gebeinen, resp. Asche ihnen die helfenden
Tiere Pferd und Hund oder der starke fausthohe Zwerg mit dem ellenlangen
Bart entstand. Endlich wurden noch die Metamorphosen eines anderen
Märchens Afanasjevs Nr. 137 »Das Zauberpfeifchen« herangesogen, von dem
erschlagenen Bruder, auf dessen Grabe ein Strauch aufwuchs, ans welchem
ein Pfeifchen gemacht wurde, welches die Mörderinnen verriet Das Märchen
Gavriloyiö, 20 serb« Volkienahliingeii, angez. von Polivka. 469
nMbat m nnterBnehen fSllt ihm gu nicht ein, er begütigt sieh nnr mit der
knnsen Bemerkung^ daß es davon eine nngehenre Anzahl von Versionen giebt
und mit dem Hinweis anf Afanasjevs Anmerkungen; Köhlers Abhandlung
(AnMtae 79 ff.) kennt er natttrlieh nicht, wie er Überhaupt mit der einschlägigen
Ldteratnr herzlich wenig bekannt ist Dagegen ist er in wenigen Worten fertig
mit dessen Zosammenhang mit dem altSgyptischen. >Fttr denjenigen Leser,
welcher nicht die altSgyptischen Urquellen kennen lernte noch deren Einfluß
auf die Entwicklung der dichterischen Schöpfung der indoeuropttisehen
Völker« wird diese Übereinstimmung freilich wenig bemerkbar sein, meint
Herr D. A. Speransky herablassend.
Doch wir fürchten, schon viel zu viel über dieses Buch gesprochen zu
haben, und wollen abbrechen, obwohl noch manches zu erwähnen wäre, was
der Verfiuser vorbrachte, besonders von dem Einfluß der Griechen auf die
Bildung der Sagen und Märchenwelt der slavischen und anderer Völker. Das
Buch wird hofßButlich bald mit seinen sonderlichen Auslassungen und Ein-
ftllen in die verdiente Vergessenheit verfallen, doch wünschten wir, daß es
auf den Verfasser selbst, der doch die russische traditionale Literatur so
riemUch kennt, ernüchternd wirkt und ihn auf Bahnen leitet, die eher zu einem
Erfolge führen. O. Polivka.
6. A^aAecoT cpncKnx HapoxHHx npHnoBe^aKa. G npeArosopoM
H c 6ej:eiiiKaMa 3a H3Bop h napaiejie TOKCTa HS^ao npo». An^pa
raBpHJOBnh (Hd^aBe icH»HxeBHe sa^sÖHHe HjHJe M. Eojiapi^a
T. 112). £eorpaAl906. S. 104 (Zwanzig serbische Volksmärchen.
Hrsg. von Andra Gavriloyic).
Es ist das die erste Ausgabe serbischer Volksmärchen, welche mit ver-
gleichenden Anmerkungen, Hinweisen auf ähnliche Versionen und allenfiülige
Quelle, wie auch mit einleitenden Bemerkungen über den Ursprung der ein-
zelnen Märchen ausgestattet ist Dadurch hat dieses Buch Anrecht auf eine
lüüiere Berücksichtigung in wissenschaftlichen Kreisen. Freilich hätten wir
erwartet, daß der Herausgeber in seinem kritisch-bibliographischen Kommentar
hauptsächlich die serbischen, wo möglich südslavischen Versionen heran-
gezogen, und dann auf vergleichende Arbeiten hervorragender Gelehrter
hingewiesen hätte. Leider befriedigt in dieser Hinsicht dieses Buch nicht. Herr
A. Gktvriloviö begnügte sich mit einigen wenigen Arbeiten von Prof. Maretiö
und desBef. Seine Parallelen sind fast durchweg aus zweiter Hand entnommen.
Bei erkennt völlig alle die Schwierigkeiten an, mit denen ein auf diesem Ge-
biete arbeitender Gelehrter in Belgrad oder in einem anderen südslavischen
Kulturzentrum zu kämpfen hat, um so mehr der z. Z. in Nisch wirkende Her-
ausgeber dieser Sammlung, aber die größeren wissenschaftlichen Publikationen
der Sttdslaven, den Agramer Zbornik za narodni iivot juinih Slavena, den
bulgar. GöopHHK'B 9a nap. yMOTBopeHMfl hätte er doch in größerem Maße heran-
ziehen können und sollen, und da glauben wir doch, daß diese ihm nicht so
schwer zugänglich waren.
470 Kritischer Anzeiger.
Die in dieser SAmmlong mitgeteilten ICSrchen sind nicht so echt Yolka-
ttimlich wiedergegeben, wie wir es von der Publikation Tolksknndliohen Ma-
terials zu fordern das Recht haben. Die kleinere Hälfte, nenn Nrn., bat der
Heransgeber selbst angezeichnet and zwar drei Nrn. von einem Landmann
ans einem Dorf in der Nähe von Nisch, vier Nrn. von einem Handwerker in
Nisch nnd zwei Nrn. von einem ans Syrmien stammenden Dienstmädchen in
Belgrad. Leider hat H. A. Gayriloyiö den yolkstiimlichen Charakter von diesen
Ersählangen gänzlich verwischt, er hat nicht einmal die dialektischen Eigen-
tttmlichkeiten seiner Erzähler bewahrt, — seine Bemerkung S. 6 sengt von
einer nicht richtigen Schätzung des Dialektes — obzwar es gewiß von hohem
Interesse für den Dialektologen wie für den Folkloristen gewesen wäre, wenn
wir endlich wirklich Volkserzähiungen in dem eigentümlichen Nischer Dialekte
bekommen hätten, und hierin nicht ausschließlich auf die Erzählungen eines
St. Sremac, einer Jel. Jov. Dimitrijeviö u. a. angewiesen sein müßten. Ein aus
der Herzegovina nach Belgrad auf kurze Zeit zugereister junger Mann, namens
Bisto Mitroyiö, schrieb seine sieben Erzählungen für den Herausgeber selbst
nieder, und diese Erzählungen (Nr. 1—7) machen keineswegs den Eindruck
echter Volkserzählungen. Auch die einer Hirtin vom Eopaonik von einem
Lehramtskandidaten nacherzählten zwei Märchen (Nr. 9 u. 11) sind literariach
bearbeitet. Von zwei Nrn. (8 u. 17) berichtet der Herausgeber selbst, daß sie
ihm Yon einem Literaten zugleich mit eigenen Gedichten geschickt wurden
und gibt die Möglichkeit zu, daß sie von ihm selbst »nach seiner eigenen
Kenntnis der Volksmärchen« geschrieben worden sind. —
Der Herausgeber gibt in der Einleitung Aufschluß über seine Gewährs-
männer, wie auch über die Herkunft der einzelnen Erzählungen, was wir mit
geziemendem Dank quittieren. Hieran schließt er einige Bemerkungen über
die gedruckten Nummern und einige bibliographische Berichte, die jedoch ziem-
lich stückhaft sind und auf einigen wenigen ihm eben bei der Hand gewesenen
Arbeiten sich gründen. Es ist gewiß des Referenten größte Befriedigung,
wenn seine Beiträge zur Märchenkunde ausgiebig benutzt werden und wenn
seine Beiträge besonders an Stellen, wo nur sehr geringe Literaturbehelfe zu
Diensten sind, in die Fachliteratur einführen. Mit dem bloßen Nachschreiben
der Zitate sollte man sich aber nicht begnügen, sondern man sollte die zitierten
Parallelen durchstudieren. Die bibliographischen Beiträge sollten doch nnr als
Hilfsmittel zu märchen- und sagenwissenschaftlichen Studien benutzt werden.
Das ist ihr hauptsächlichster Zweck.
Wir gehen nun zur Besprechung der einzelnen Nummern über.
Nr. 1, S. 13 f. eine Variante zu dem Märchen bei Eojanoviö-Stefanoyid
Nr. 5, deutsch Archiv V, 20 ff., außer den von mir im Zbomik za nar. üv. jni.
Slayena YULl, 171 und von Gavrilovid wiederholten Versionen ist noch eine in
der Zs. »Bosanska Vila« 1892, VII, 252 ff. abgedruckte zu erwähnen. Der
Held, ein durch die Bänke seiner Stiefmutter vertriebener Prinz, bekommt
die Zauberflöte von einem altersschwachen Einsiedler, dessen Durst er ge-
stillt hatte. Die Vilenkönigin nahm später dem Herrn des Prinzen-Hirten-
bursohen die Augen, als er bereits in dessen Dienste längere Zeit war. Er
verläßt später den Dienst, beschenkt von seinem Herrn mit Pferd und Waffen.
Gavriloviö, 20 serb. Volkserzählangen, angez. von Poliyka. 47 1
Ganz kurz wird dann erzählt, wie der ^rinz eine Prinzessin yon einem Draehen
befreite, nnd dieselbe — seine Stiefschwester — zur Fran bekam. Die Über-
windung und TOtnng des Drachen wird ganz eigens erzählt. Der Drache
maßte nach der ZauberflOte so lange tanzen, bis er zn einer kleinen Blase zu-
sammenschmmpfte, die dann der Held leicht mit seinem linken Fuße zertrat.
Nr. 2, S. 21 £ Der Herausgeber zieht die in der serbischen Salomonsage
bei Vuk St Earadiid Nr. 42 erzählte Episode vom Glttcksrade heran und die
▼on Haretjö damit verglichene von Habdeliö 1674 erzählte Sage von Sesostris.
VgL die Bemerkungen vonBen6 Basset zu dieser Sage in der Bevue des trad.
pop. VI, 681 ff. Sohönbach Zur Geschichte der altdeutschen Predigt S. 101,
B6cejiOBCKi& CaioiioHi m KuTOBpacii S. 244.
Nr. 3, S. 27 f. ist eine Version des stark verbreiteten Märchens von der
bOsen Mutter, die ihren Sohn ihrem Liebhaber (einem Drachen, Riesen, Räu-
ber u. a.) ausliefert und verrät Der Herausgeber erblickt in dieser Version
eine prosaische Wiedergabe des bekannten Liedes » Jovan i divski starjelina«
(n,Nr.8). In beiden Erzählungen wird die Geschichte wirklich ziemlich gleich
wiedergegeben, doch sind einige nicht unbedeutende Unterschiede. Ursprüng-
licher wird es z. B. wohl sein, wenn im Märchen der Sohn selbst sagt, daß er
die Fesseln aus den Haaren der Mutter nicht zerreißen könnte, und dann
wirklich damit gefesselt wird. Außer den von MÄchal 0 epose slovansk6m
64 ff. zusammengetragenen Varianten sind von südslavischen noch zu nennen
JeronRC h&t. cpncKe Bd. 146, S. 115, Nr. 3, Ejres V, 1885, S. 246, Nr. 46, Elan-
KapoB-b GöopH. ("Kirap. sap. yMOTBop. IX, 406 f., 464. Plohl Herdvigov Hrvat
pjesme i pripov. I, 135 f., Nr. 26. EocaH. BsJia IX, 1894, S. 188. Gnpoci-paHov&
npntasKH S. 101, Nr. 19 (G6opH. (('bjrap. nap. yMOTBop. XIX). C6opu. öi^ir. uap.
yMOTBop. XI, Abt. 3, S. 141 f.
Nr. 4, S. 35 ff. Ein Mann erfährt im Traume alles, was ihm notwendig
ist, wenn er den ersten Bissen vom Mahle unter die linke Fußsohle, und den
letzten Bissen unter die rechte steckt.
Nr. 5, S. 41 f. »Zwei Ringe«, sicher nicht echt volkstümlich. Ein Mann
kommt in eine einsame Herberge, wo seine Schwester an den Wirt verheiratet
ist Wie der Wirt seinen Gast morden will, erkennt dessen Frau in dem Gast
ihren Bruder. Der Mann tOtet den Wirt und hierauf grünt und treibt frische
Triebe der Wald. Der Schluß erinnert an den Schluß einiger Märchen vom
reuigen Räuber, wie bei Afanasjev JlereeffLT S. 94 u. a.
Nr. 6, S. 47. Eine Variante der bekannten Sagen von der Geburt Kon-
stantins, des hl. Andreas, deren neue serbische Versionen unlängst Fr. S.Erauss
in seinen Anthropophyteia I, Nrn. 48, 49 abdruckte. Eine andere Version
lesen wir noch im (Mophhk'b Maxep. KasKas. XXXV, Abt 2, S. 72 f. Herr Ga-
vriloviö hätte in seiner Anm. auf die bekannten Abhandlungen von Wesselof-
sky, Dragomanov und R. Köhler (II, 241, 355) hinweisen sollen.
Nr. 7, S. 51 f. »Die Krone und der Hirte«. Der Hirte wird Bräutigam der
einzigen Tochter des KOnigs, nachdem sich dreimal auf sein Haupt die in die
Hohle geworfene Krone niedersetzte. Sonst wird auf diese Weise gewöhnlich
der neue KOuig selbst gewählt Vgl. meinen Aufsatz in dem N&rodopisn^
472 KiitiBcher Anzeiger.
Sbomik VI, 140 f. — Hiermit ist weiter yerbanden eine Sage von 'dem Auf-
finden einer verennkenen Kirche.
Nr. 8, S. 57 f. Die Yila führt den König ans dem Walde hinana, wenn er
ihr verspricht, auf der Stelle eine Bnrg zn bauen. Gewöhnlich muß der Mensch
in diesem Falle dem übernatürlichen Wesen sein Eänd (von dem er noch nicht
weiß, daß er es zu Hause zurückgelassen hat} versprechen. Als dann der
König in der neuerbauten Burg vor seinen Grüsten verleugnet, daß er sie für
die Yila erbaute, wird er von ihr samt den Gästen versteinert Hiermit ist
dann eine etymologische Sage von der Entstehung Ofens (Budim) verbunden ;
eine recht plumpe Deutung dieses Ortsnamens.
Nr. 9, S. 61 f. Zum Lenorenstoff.
Nr. 10, S. 65 f. Von dem Teufel, seinem ReisegefiUirten, befreite sieh der
Arme dadurch, daß er sich bekreuzigte.
S.ll, S. 69 f. Die Zeit, die der brave König bei der Besichtigong des
Hammels verbringt, verschwindet wie ein paar Augenblicke. Vgl Chauvin
Bibliogr. des ouvrages arabes Vn, 102. Die vom Herausgeber in der Anm.
aus den »Besjede« des Divkoviö zitierte Legende ist die vom verzückten
Mönch, den ein Vogel ins Paradies geleitet. Köhler Klein. Sehr, n, 239 ff.
Diese hatte bereits Iv. Mil6etid im Zbomik za nar. iivot juinih Slavena I, 2
mit anderen Varianten abgedruckt, und hierzu noch einige Parallelen in dem-
selben Zbomik X, S. 1 ff. mitgeteilt, worauf der Herausgeber hStte hinweisen
sollen.
Nr. 12, S. 73 f. Das Weib setzte sich auf den Teufel, ließ sich von ihm
über den Fluß hinübertragen, und ließ ihn nicht eher los, als bis er ihm alle
seine >Teufelei< übergeben hatte. Das weitere, was wir in weißrussisehen
Versionen, in einer kaukasischen G6opH. Maxep. KasRas. XIH, Abt 2, S. 269, in
einer slovakischen Slov. Pohl'ady 1895, S. 385 f., in einem böhmischen Waldau
Böhm. MB. 656 u. a. lesen, wird da nicht erzählt
Nr. 13, S. 77 f. Zwei Diener, ein braver und böser, wetten, wessen Lohn
recht verdient ist, aber nicht, wie oft erzählt, durch die Wasserprobe, sondern
das soll beweisen, wenn der Rauch aus dem gekauften Thymian gerade zum
Himmel steigt. Diese Spendung des Weihrauches hat in den Sagen gew. nur
den Zweck, die Gunst Gottes zu erlangen. Vgl. Bosan. nar. pripov. redovn.
omlad. bos. S. 140. lUanKapeBi G6ophhr'b VIII, S. 18, Nr. 12, G6opH. sa aap.
YMOTBop. XVI— XVn, n. Maxep. S. 330. Simrock Deutsche March. S.363 (nen-
griech.). AeaHacBeBi» ^^ 11, 48, 53. Xyaakob'l BeJiERopyc. cr. IH. S. 77, Nr. 95.
PoMaHOB'B E^opyc. G6. VI, 486, Nr. 54. ETHorpa*. 361pHHR XIH, S. 173, Nr. 353;
XrV, S. 243, Nr. 41.
Nr. 14, S. 81 f. Ein Schmied bekommt dafUr, daß er gegen das Kind Jesn
gastfreundlich war, einen Ranzen, der ihm immer so viel Geld, wie er wünscht,
gibt. Alle anderen, die gegen Jesu unfreundlich waren, wurden hart bestraft.
Nr. 1 5, S. 85 f. Das Getreide hat eine so kurze Ähre, da die Leute gegen
die Mutter Gottes und den Sohn geizig waren. Das Pferd unersättlich, da es
sie nicht über das Wasser tragen wollte, vgl. üraorpa«. 36ipBHK XQ, S. 75,
Nr. 84, aus anderen Gründen verflucht (es zog Stroh aus der Krippe Jesus).
Kraus Sag. Mär. Südslav. H, Nr. 68. Kapapuh n, 216. draorpa«-. 06oBp. LI, S. 7.
Bandonin de Conrtenay, SlaviBohes am NorditaUen, angez. von Polivka. 473
. Nr. 16, S. 87 f« Eine Legende von einem frommen MSdolien, welches
jeden Tag BchQner, und einem anfrommen Mädchen, welches jeden Tag häß-
licher wird.
Nr. 18, S. 95 f. Varianten zur Geschichte vom zerbrochenen Topf Milch.
Vgl. Arohiv XVI, 319; XIX, 259, Nr. 148; XXI, 270, Nr. 180; Eraorpa*. 36ipH.
VI, S. 182, Nr. 408. Montanas Schwankbücher ed. Bolte S. 303, 603, Nr. 53.
Nr. 19, S. 99. Ein Mensch, der beim Nestaasnehmen sich in großer Ge-
fahr befindet, verspricht Grott and den Heiligen alles mögliche, doch nimmt
dann sein GelUbde zarUck. Vgl. meine Anm. im Zbomik za nar. £ivot joinih
Slavena Vm, S. 174, Nr. 15. Archiv f. siebenbttrg. Landesknnde xy^Tn,
412, 428.
Nr. 20, S. 101 f. >Das Kaninchen nnd der Hase«. Eine interessante Pa-
raUele zor bekannten äsopischen Fabel von der Stadtmaas nnd der Feldmans,
welche vielfach ins Volk gedrangen ist, z. B. Cartze Volksüberlie£ Waldeck
180. Kolberg Chefanskie n, 122 a. 23. Q, PoUvka.
7. Materialien zur südslavischen Dialektologie und Ethnographie.
n. Sprachproben in den Mundarten der Slaven von Torre in Nord-
ost-Italien. Oesammelt und herausgegeben von J. Baudouin de
Conrtenay. St-Petersburg. Kais. Akademie der Wissenschaften
1904 (CÖopHHK OTÄiJ[. pyccK. hb. h cjob. t. LXXVni. 1905. Nr. 2).
S. XXXn + 240 *).
Diese Materialien enthalten verschiedene Erzählangen flber Bosnien,
über Mißernte und Hangersnot, endlich Märchen, daneben verschiedene Ge-
spräche und einzelne Mitteilnngen, mannigfaltige Sprachproben, aach zwei
Vateranser (S. 23, 99), Lieder (S. 84 f.) nnd znm Schiasse von Fr. Ella von
Schonltz-AdaYewski aufgezeichnete Volksweisen mit Text, anßerdem eine
Beachreibang der Hochzeit ans dem Dorfe Monteaperto (S. 46), der Tracht
ans demselben (S. 49) and einem anderen Orte (S. 87), Küche aus Monteaperto
(S. 50). Znm Schiasse sind noch von Andern angezeichnete Sprachproben, ein
HilfsbUchlein für den Beichtvater (S. 179) n. a. abgedrackt Alle Texte sind
ausschließlich als Sprachproben, als Material za lingnistischen Zwecken ver-
öffentlicht Gewiß beanspruchen sie jedoch aach das Interesse der Folklo-
risten. Um diesen den Gkbranch seiner Materialien zn erleichtem, hat Prof.
Baadooin de Conrtenay allen Texten eine rassische Übersetzang beigefügt
Denselben Zweck haben unsere folgenden Anmerkangen zu den einzelnen
MIrchen.
S. 3—5, Nr. 1. Der Abt nnd der Kaiser. Vgl. Archiv XXII, 306, Nr. 287,
288. Zs. f. öst Volksk. VIQ, 151, Nr. 64. EocaH. Bsiu» XIH, 284. ByR BpneBHh
Gpn. Hftp. npHnoB. xpaiKe S. 103, Nr. 225. Der Pfarrer heißt ähnlich wie bei
Crane Ital. pop. tales Nr. 92 »don Piero senza pensiero«, nar hat er sich das
>) Ober den I. Bd., der 1895 erschien, vgl. Archiv XVm, 620 ff.
474 KriÜBoher Anzeiger.
Bogar auf die Firmtafel an seiner Tür anbringen lassen. Gans gleich wird in
beiden Versionen die Frage nach der Zahl der Sterne beantwortet Doch
sonst hat die slavische Version besser den Stoff erhalten, als diese italienische
ans Sizilien.
S. 29—31, Nr. 1. Die Hanstiere im Waldhanse, eigentlich in der Höhle
der Wölfe; sind absichtlich hingezogen, nm die WOlfe zn vertreiben.
S. 33, Nr. 3. Der Erzähler wird fortfahren, bis die 3000 Schafe über die
enge Brücke hinübergekommen sein werden; wie bei Crane S. 150, Nr. 40, und
bereits in »den hundert alten Erzählungen«, hsg. von Jacob Ulrich Nr. 31 , S.d5.
S. 40—42, Nr. 1. Ein Mann hOrt in der Kirchenpredigt, »wenn jemand
einen Krenzer gibt, wird er für einen hundert haben«. Der Pfarrer schickt ihn
zum Bischof, der Bischof zu Gott Die alte Anekdote, vgl. Montanns Schwank-
bücher, hsg. von Bolte S. 412, 629, Nr. 108, ist da so yermehrt, doch die Reise
zu Gott ist weiter abgebrochen.
S. 68—71, Nr. 1. Die Einleitung erinnert an das Märchen yon dem die
Tiersprache verstehenden Mann und dessen wißbegieriger Frau Kranss I,
Nr. 97, Tgl. Archiv Vn, 318; XXI, 3ü0, Nr. 17, 18. Strohal Hrvat nar.pripov.
n, S. 13, 189, Olaf Broch Die Dialekte des südlichen Serbiens 213. Gnpocrpa^
HOBi npuKaaKH OT'B ccjio K'BpcRo (GöopH. MBU. XIX) S. 128, Nr. 24. Chanyin
Bibliogr. arabe V, 170, Nr. 104. — Weiter wird erzählt, wie der Esel dem
Ochsen rät, auf welche Weise er sich von der schweren Arbeit losmachen
könnte. Göophhk-b muh. II, Abt 3, S. 211, Nr. 1, CnpocxpaHon npHusui on
c. KipcKo 129 (06opHURx XIX). Asmus & Enoop Sag., Erzähl. Kolberg-Körlin
S. 07 f.
S. 90—92, Nr. 2. Die bekannte Sage von der Hexe und dem sie beobach-
tenden und ihr folgenden Knecht ist hier mit der Sage vom Buckeligen ver-
bunden; das eigentümliche, vom ersten Buckeligen glücklich beendigte Lied-
chen (vgl. Clouston Populär Tales and Fictions I, 352) ist freilich ausgefallen.
S. J08— 1 11. »Wir drei« zu Grimm Nr. 120; vgl. meinen Aufsatz in der
Zs. Lud II, S. 9 f. Archiv XIX, 268, Nr. 4; Y^T, 267, Nr. 121.
S. 145, Nr. 2. >Vom lahmen Pfarrer«, wie er auf^^eschreckt von Dieben
in der Kirche davonlief und nicht mehr lahm war. Ahnlich Eocau. BuKa Y,
1S90, S. 29, IlaMflTBHRH ApcBuoä nucLMeH. 1878—1879, S. 120.
S. 147, Nr. 5. Vom geizigen Pfarrer, dem das Dienstmädchen das Essen
ablernte, ihn verhungern ließ und endlich beerbte. Ähnlich EocancKa Bbju
vn, 1892, S. 60. Vgl. Archiv XXI, S. 284, Nr. 235.
S. 148, Nr. 7. Das faule Weib wird von ihrem Manne von ihrer Faulheit
geheilt, wie z. B. im kleinrussischen Märchen aus Nordungam. Archiv XXI,
296, Nr. 27.
unter den von Frl. Schoultz-AdaYewski gesammelten Texten lesen wir
u. a. ein Lied vom hlg. Isidor, das sich von den in Prof Strekelj's Sammlung
abgedruckten Liedern Nr. 586—602 ziemlich stark unterscheidet Der Vier-
zeiler S. 206, Nr. 7 gehört zu den von ätrekelj II, Nr. 3764—3768 angeführten
Varianten. q, PoUvka.
äaieU, Aqb dem YolkBleben in AdleU&i, anges. yon Gnfenaner. 475
Bisernice iz belokranjekega zaklada. I. V Adlefii6ih nabral Ivan
äaie^, iapnik. Zaioiilo »EatoIiSko tisk. dru&tvo y Ljubljani« (1906).
Efai lahr leliOnaa Bflchlem folkloristLiehen InludtB. Der VerfiwBer, lang-
jlliiiger Pfiuier in Adlefti6i in ünterkmin, hat die zwanzig Jahre, die er nnter
den Weißkidnem wirkt, gewiBsenhaft benutzt, um das sowohl sprachlich als
aneh yolkakandlich so merkwürdige VOlklein zu stadieren. Schon im alten
>Sk>yan«, in den »Drobtinice« nnd im »Dom in Syet« hat er ans dem Volks-
lieder- nnd Wortschatie der Weißkrainer Einzelnes yerGffentlioht, hier gibt
er das erste Bindohen seiner folkloristischen Sammlung als Ganzes heraus.
Die flamminng ist sehr reichhaltig; sie enthält 1) Sprichwörter und
Bedensarten, 2) Yolkslieder (87 Nnmmem): erzählende, lyrische Lieder, Ge-
legenheitslieder, fromme, Soldaten- nnd yerschiedene Lieder; 3) aberglänbi-
sehe Briinohe nnd Yolkssitten; 4) »mythologische« Stoffe; 5) Märchen nnd
Sagen; 6) ein Wörterbuch der Mundart Das Bemerkenswerteste in diesem
Büelüein sind die Volkslieder und das Wörterbüchlein. Auch der erste Ab-
schnitt hat manches recht Schöne für die yolkstttmliche Phraseologie. —
Manche yon den Volksliedem^) sind schon bei ätreke^' gedruckt, die Mehr-
zahl aber noch nicht Die meisten dieser Lieder, namentlich die älteren, leh-
nen sich in der Sprache an das Kroatische an und sind sowohl sprachlich als
auch inhaltlich bedeutsam. Wir finden hier teUweise den serbokroatischen
»deseterac«, den Aorist, die nominale Deklination der Adjektiya, den Instr.
der a-Stämme auf -um und auch phonetisch manches, was mehr dem Serbo-
kroatisohen sich nähert; kurz, der Weißkrainerdialekt, wie er sieh hier zeigt,
ist eine sehr interessante Übergangsmundart yom Sloyenischen zum Serbo-
kroatischen. Wie aber die Dialekte im allgemeihen desto mehr abgeschliffen
werden, je mehr der Buchdruck und die Schule sich Einfluß auf das Volk er-
werben, so geht es auch hier: der Dialekt nähert sich, wie hnkelj selbst er-
iHUhnt (S.IV)y immer mehr der sloyenischen Schriftsprache, das Charakteristi-
sche wird allmählich abgestreift, das Allgemeinere dringt durch. So zeigen
auch andere Lieder einen größeren Zusammenhang mit den benachbarten
sloyenischen Dialekten, wohl auch, weil manche dayon yon dort hierher ge-
kommen sind.
Inhaltlich ist das Lied äaieU Nr. 1 eine Veryollständigung der fragmen-
tariachen Varianten bei ätrekelj L Nr. 58 — 59, anderes ist eine willkommene
Ergänzung yon schon bekannten Varianten (6a&elj Nr. 7 — ätreke^j Nr. 215—
218; äaielj U - Ötrekelj 281—286; äaüeU 21 — Strekelj 586-602, u. andere).
Eine ganz beträchtliche Anzahl hat aber keine bisher bekannte sloyenische
ParaOele, wohl aber yielleicht anderswo. In dieser Beziehung ist besonders
daa lied Nr. 17 a interessant St Peter will auf die Erlaubnis Christi hin seine
Mutter an einem Leinenfaden aus der Hölle ziehen. Als sich aber dabei an-
dere Seelen an sie anhängen, will sie diese abschütteln, da sie ihnen die Selig-
keit nicht gönnt; der Faden reißt und sie fällt nur noch tiefer in die Hölle.
<) Außer dn paar Liedern hat alles äa&elj selbst in Adleii6i aufgezeichnet
nnd zwar möglichst so, wie er es ans dem Munde des Volkes gehört hat, S.IV).
476 Krititoher Anzeiger.
Bemerkenswert ist die große Verbreitung dieses Stoffes, denn selbst die
Schwedin LagerlOf hat ihn in ihren Legenden bentttst —
Anch in der Rubrik m, wo von YolksgUnben nnd Yolkssitten die Bede
ist, sind einzehie Lieder eingestellt, die bei venchiedenen Gelegenh^ten ge-
sungen werden. Nicht bu yergessen ist auch die Bemerkung des Verfssaeis
(auf S. VI) in Bezug auf den Abergiauben und die Yo&sbriiuche, daß sie im
Schwinden begriffen sind, wie die alten Yolkslieder, die er nur bei alten
Frauen noch gefunden hat, die aber bei der Jungen Generation nicht mehr
bekannt sind. Auch das übrige Material ist schön, namentlich aber wertroll
ist das WOrterbflchlein: es bringt auf 44 Seiten neben anderen über 1200 in
Pleterüiniks WOrterbuche nicht verseichnete WOrter, also einen gani anselm-
liehen Wortschats.
Das Büchlein ist nach alledem besonders als eine Erginzuag zu ätrdceys
Yolksliederausgabe sehr zu empfehlen.
Erainburg, Aprfl 1906. Ivan Qrafmmut.
Zusatz. Das angezeigte Büchlein verdient in der Tat die größte Be-
achtung seitens der slavischen Philologie. Es eröffnet einen Einblick in den
sehr merkwürdigen Prozeß des Übergangs aus dem serbokroatischen Yolks-
tnm, das einst den Grundcharakter der Bevölkerung bildete, unter dem Einfluß
des politisch-administrativen Lebens und des dadurch bedingten Yexkehrs,
dann der Kirche und Schule, in das slovenische Yolkstnm. Ln gegebenen
Fall würde ich von den zwei Benennungen Obergangsdialekt und Mischdialekt
entschieden den letzteren Ausdruck als den bezeichnenderen vorziehen. Denn
im gegebenen Falle wurde das Serbokroatische, das die untere, ältere Schicht
bildet, dank sei es den oben genannten Faktoren, von dem Slovenlschen ab
einer jüngeren Schicht Überdeckt Dieses dringt durch alle Poren in die frühere
Sprache ein. Das härtere, widerstandsßüiigere Material, also das Lexikon, dann
ältere Yolkslieder und Yolkssprüche, leistet noch immer Widerstand, erhält
sich im betiächtlichen Umfange, dagegen die beweglichen Sprachformen und
Lanterscheinongen haben schon stark nachgegeben. Dürfen wir hoffen (das
Büchlein führt ja L auf dem Titel), daß uns ein zweites Heft mehr Züge ans
dem Yolksleben mitteilen wird. Ich würde namentlich auf die genaue Yer-
Zeichnung der üblichen Familiennamen aufmerksam machen. V. J,
Kleine Mitteilungen.
Einige serbokroatische Lelmworter.
1. F&mp s. m. »Wamme«.
Dm Wort wird nur in pejorativer Bedeatang in ^amberach gebraucht,
anch in den Ableitungen fdmpan^ fanifnna^ fampük »Dickwanst, Dickbauch« ;
im SloY. bei Pieterinik 11 S. 747, vamp^ vampdS, vampa6a etc (Auch bei
Belosteaec: yampe intestina.) Es geht «if d. Wampe ^ eine Nebenform fttr
Wanme, snrüok. Dieses Lehnwort aeigt auch, wie sich das Geschlecht slavi-
scher Lehnwörter nach dem slav. Auslaute richtet und wie es gewöhnlich un-
abbSügig von dem Qeschlechte im Deutschen ist. Ähnlich ist auch iUrnja in
Sidielbiirg »Stern« (als militärisches Abaeichen), vielleicht durch Angleichung
an MoijezdOf hier in der Form zoizda^ entstanden. Dieselbe Unabhängigkeit
sieht man auch in den älteren Lehnwörtern aus dem Deutschen: ahd. seado
s. m. > serbokroat ihoda s. £ In serbokroat itibra s. f. < ahd. stwra s. f. nhd.
^eum' ist nur dank dem gleichen Auslaute dasselbe Geschlecht geblieben.
Ebenso ist es in kramp s. m., hrampUa s. f. < d. krampe (Kramme), auch bei
Pleteiinik n S. 456 (kr&mp).
2. P'^^kvoy pika s. f.
Bei Vuk Rj. 509 wird dieses Wort als »eine Schale von Eisen, die er-
hitzt über den Laib Eukuruzbrots gelegt wird, um ihn schneller zu verbacken,
vas pistorium« (Ivekoviö-Broz ^. U 23) erklärt Diese Bedeutung ist nicht
die einzige. P'ikva habe ich auch in Sichelburg gehOrt. Es bedeutet hier ein
Tongesehirr zum Backen der Gänse und Truthähne. Es hat mehr eine elypsen-
förmige Gestalt, der Boden desselben ist rund und klein, um so breiter und
großer sind die Seiten, so daß eine ganze Gans oder anderes Geflügel leicht
hineinpassen kann. Der Band ist ein wenig aufgestülpt. Filipoviö im deutsch-
kroat WOrterbuche übersetzt es mit »eine Art Reindl«. S. noch bei PleterSnik
n S. 20 pikeo, kve vaidpikva die Bratpfanne. Das Wort ist deutsch: < mhd.
heeke (auch nhd., s. Grimm, D.W. I S. 1215), eine Nebenform für Becken. Es
wurde ein ähnliches v eingeschoben wie in murva < ital. niora; s. darüber
bei ätrekey, Zur slav. LehnwOrterkunde S. 6 sub he^^ca. Bei dieser Gelegen-
heit erwähne ich anchi daß das Wort pek »Bäcker«, welches man bei den
ivci hört, auf oberdeutsch Beck (mhd. beeke) zurückgeht
478 Kleine MitteilimgeiL
3. lUUalj B. m. »Beitel«.
Dieses Wort kommt in ^omberach (Sichelbarg) yor. Auch ein Zeitwort
ist davon abgeleitet: taratyäti (B.bei j^trekel), Zur Blay.LehnwOrterkonde S.49
bIoy. poretljati). Die Wiedergabe des dentschen Diphthonges «t doroh m ist
nicht selten, vgl. e8$rar< Zeiger (anf der Uhr), s. Tndi elementi n karlova^kom
dialekta von B.Strohal, in Nastavni vjesnik XVI, S. 1S3. Vgl auch ti^t^ he.
S. 185, in Sichelbnrg aber in der Form sStffik > d. Seidel. Daneben gibt es
aber noch eine andere Wiedergabe desselben Diphthonges oj: /^'<fv < Leiter.
4. Strükalf s. m. »ein Stflck Topfenstradel«,
itrUyi »Topfenstradel«.
Dieses Wort wird anf dem kigkavisohen Gebiete gesprochen, so in
Sichelbarg and, wie ich hOre, in der Gegend von Agram, Wsrudin and im
Podravina (itrulnff). Es ist das deatsche Wort Strudel. Die Laatgrappe di>
kl ist öfters anzntreffen, so bei ätreke^j o. c. S. 3 sab bagUdi. Ahnlich wie diese
Grappe geht d. tl in kl über: kikga < Kittel; piikyar, pekyiUi^) < Betder, bet-
teln (s. dieses Wort anch bei D. Zgrablid, Cakavski dijalekt im Jahresberidit
des Gymnasiams in Pazin 1906, S. 3); vgl. anch ^/ für <2; in r^'nglik < Bdndel
in Sichelbarg, rajngla im Kajkavischen, anderwUrts in Kroatien, Slavonien und
Bosnien laatet das Wort rdnjUka. S. aach bei Pleterinik n, S. 648 HHAelj.
5. ügUny g. tigdna »der Tiegel, Backpfanne, oasserole«.
Neben dieser Form findet man bei Yak (s.Ivekovid-Broz Bj. n 569) noch
ügBnjy ifgdnja and das Diminntiv tigänjiea, tigänjid. In Sichelbarg habe ich
noch tigäpja gehört, wo man für dasselbe Ger&t noch pömna (and popnm)
spricht Das Wort ist in Znsammenhang za bringen mit d. Tiegel^ welches
seinerseits za lat. Ugula gehört Unsere Form ist darch eine Art Saffixtaneeh
entstanden; das scheinbare Saffiz in *tigal wnrde darch -an; nn^'; •amja er-
Bj9tzt, welche Saffixe bei Benennang von Hansgerftten eine nicht nnansdinliche
Rolle za spielen scheinen; vgl. einige Aasdrttcke bei Maretiö, Gramm. 1 333
obruiSn (»lonac, koji je opasan obra6em«), m) and o). Hierher zähle ich noch
ruSk&nj »ein großer Topf«, eine Ableitang von rü6ka »Henkel«, riSeiajt;, -hffa
für schriftsprachlich ribei; beides aas Sichelbarg.
6. Vardiite.
Dieser Ort liegt im südöstlichen Bosnien nächst der serbischen Grenze
anf dem Flusse Itzav, g. Hzdva (nicht Biava^ wie es anf den Karten steht, s.
Kaselja srpskih zema^a ü 614). Im Bezirke Yi&egrad gibt es VardUte gonife
und donje. Aach im Bezirke Visoko gibt es ein Vardiite (s. die Haaptresoltate
der Volkszählung in Bosnien and der Herzegovina 1 896). In Nase\ja n, S. 1 1 50
finden wir ein VardUte (»odaüe je üao (sc. pat) a Vardiite«). Dieser Name
1) In der Umgebnng von Karlstadt lauten diese Wörter: p^lffar, P^Hf^
pHlja (&= in Sichelbarg pek\jdnje\ s. den erwähnten Artikel von Strohal, L e.
S. 184. Vgl. auch Meklftka für M^tUka (ein Marktflecken in ünterkrain) in
Sichelbarg.
Kleine Mitteilimgeii. 479
wird nieht m trennen sein von vielen Varda. Naeh den erwShnten Haapt-
reenltoten finden wir Ortschaften niunens Farda in den Bezirken Visoko,
Yiüegnd, Zenica nnd Mostar. In Naselja II, S. 521 wird noch Varda, Vardina
gora im oberen Limgebiete in Montenegro erwähnt; im Bezirke Yisoko noch
Varda planitM, Ans Serbien ist mir nnr Vardenik im Kreise Yranje (ans Na-
selja n 142) bekannt Der Name dürfte sich beziehen anf das Zeitwort vardati
< germ. teardSn »acht haben, spähen, aosschanen« oder venez. vardar. Die
Bildung wäre ähnlich dem StraiUte im Bezirke Vi&egrad. Da diese Ortsnamen
nnd das Zeitwort, so viel ich sehe, hauptsächlich auf Bosnien beschränkt sind,
so ist nicht unmöglich, daß vardati durch die Sachsen, die bekanntlich in
Bosnien Bergarbeiter waren, aus dem mitteldeutschen toarden zu uns gekom-
men ist Dadurch sei das im Archiv XXYIII S. 4 68 über vBrdati Gesagte vervoll-
ständigt Auch in romanischen U&ndern wird germ. warddn zur Ortsnamen-
bildung häufig benutzt, vgl. sehr viele La Oarde und Beüegarde in Frankreich.
YgL noch Vardidi Bez. Sarajevo und Konjica.
7. Ad Basante, Bassantis < ^o«u<.
An der Savestraße, welche von Sirmium nach Siscia führte, lag zur
ROmerzeit eine Station Ad BaaanU. Nach Tomasohek, Die vorslavische To-
pographie der Bosna etc. Mittheilungen der k.k. geographischen Gesellschaft,
Bd. 23, S. 499 f. lag diese Station »der Distanz nachc dort, wo heute
Gradütje (d. h. Gradiftte in Slav.), Ausfluß des Boiut (was schon bei Klaiö,
Poviest Bosne S. 32 in Bosut berichtigt ist) aus der Save, gegenüber dem
Einflüsse der bosnischen Tolisa. Die Benennung dieser Station ist ähnlich
einer anderen: Ad Dnnum (s. Tomaschek 1. c. S. 560); darnach wäre in Ba-
sante ein Flnßname zu suchen. Klaiö zitiert diesen Autor in seiner Poviest
Bosne S. 32, hält aber die bei Tomaschek 1. c. erwähnte andere, gewöhnliche
Identifizierung des Ortes für richtig, wonach Ad Basante gegenüber der Ein-
mündung der Bosna in die Save läge, was aber der auf der Tabula Peutinge-
riana angegebenen Distanz (20 rOm. Meilen von Saldis, 56 von Sirmium)
widerspricht Dasselbe tut Klaiö auch anf seiner historischen Wandkarte ^).
Doch glaube ich, daß hier auch die Linguistik dreinzureden hat Auf S. 500 1. c.
meint nämlich Tomaschek, daß sich der alte Name von dem Flusse Bosna aus
ad Basante erschließen läßt Diese Ansicht läßt sich auf keine Weise begrün-
den. Es kann ein bloßer Zuflül sein, daß der Anfang eines ülyrischen Orts-
namens Bassania mit diesem Übereinstimmt Dies wird um so wahrschein-
licher, als man keine Beweise dafür hat, daß dieser Ort gerade an der Mün-
dung der Bosna (wie Klaiö o. c. S. 32 will), oder gegenüber deren Einmündung
lag. Nach den slavischen Lautgesetzen aber entspricht Bo9ut genau dem Ad
1) Kukuljeviö, Panonija rimska in Rad XXIII, 91 identifiziert Bacuntius,
Basantius mit dem Flusse Bosna; o. c. S. 93, 127, 154 wird Bassante, Ad Ba-
sante in »Yirovi na Bosutu« gesetzt; o. c. S. 123 »Yirovi medju ^npanjem i
Boiiyaeima«, dagegen S. 153 in »Imena panonskih miesta protumaöena da-
nainjimi« : Ad Basante danas Drlnski utok. Es ist klar, daß hier bei Kuku^je-
▼iö eine große Yerwirmng herrscht
480 Kl6ine Hitteflim^^.
Basanie and nicht Borna ^). Lat a >> o und an> u sind allgemein bekannte
Dinge. Diese Tatsache stimmt mit den oben erwShnten topographischen Er-
wägungen überein. Was sollen wir aber mit Bactmiius anfimgen, das bd Pli-
nins Hist nat. in edd. Janas S. 1 53 (alter amnis Bacnntias in Sanm Sirmio
opido infinit nbi civitas Sirmiensium et Amantinomm) vorkommt and mit
Bosnt^ identifiziert werden maß? (Gf. Tomaschek o. c. and Thesannis lin-
gaae latinae 1672). Anf der Tab. Peating. wird unser Ortsname mit einem s
geschrieben, bei Geogr. Raven. mit Ewei s {Bassaniis). Eine Yerschreibang
von c and s, von u and a ist schwer anznnehmeni da es keine abweichende
Lesarten in den Handschriften von Hist. nat. (edd. Janas 'XU) gibt ^cher
ist, daß Bosut mit Bacuntius laatlioh nicht vereinbar ist.
8. freuUy g.freulsia s. n. Taschentach.
Nach den Mitteilnngen, die mir zukamen, kommt dieses Wort in Bosnien
vor (so in den Elreisen von Sarajevo, Travnik). Es ist italieniseh/osso/^tto;
vgl. facdlf facuUt auf der Insel Arbe bei Ku&ar, Rapski dijalekat, Bad CXYII.
S. 17 u. 19. Das italienische Sufiix -etio bewirkte den Übergang des Worte«
zu den ^-Stämmen. Auch dieses Wort zeigt Jenen sonderbaren Übergang von
0 > r, welchen Strekelj in der obenerwähnten Arbeit S. 34 sab krUtka be-
sprochen hat
9. basöktaii » deutsch sprechen.
prJUlati B= in fremder Sprache reden.
Das erate Wort kommt in Sichelbarg (Zumberak) vor und sicher anden-
wo in Kroatien. Es geht offenbar auf d. toas sagt (er) ? zurück. Das zweite
Wort soll nach meinen Mitteilungen in Bosnien vorkommen. Einen Beleg
finde ich im Sar^evoer Tagblatt >Srpska rije6c vom 25/X. (7/XL) 1907,
Nr. 232, S. 3: »Psi .... stado&e dahtati, a kuferaöi prkelati€, BrkeljaU soll
gewöhnlicher sein. Die Grundlage ist italieniBch perM »warum«.
1) Wenn Dr. L. von ThalliSczy in Glasnik zemalj. muzeja I, S. 10 (in der
Note) erklärt, es sei vollkommen für die Ableitung von Bosna von alb. bos, b<m9
>Salz« irrelevant, ob Bosna mit Basante, Basinas, ad Basante zusammenhSngt,
so ist das ein Irrtum, da man bekanntlich bei der Aufstellung einer Etymolo-
gie immer von der ältesten nachweisbaren Form ausgehen muß. Wenn man
diesen Zusammenhang erkannt hat, so wird man nicht sagen wollen, daß -na
in Bosna ein slavicfches Suffix sei, wie es der Verfasser S. 6 tut
^) So auch bei Sigismund von Birken a. 1694 (vgl. Hraniloviö-Hire, Pri*
rodni zemljopis Hrvatske Heft 3, S. 92) ^Bozotha, so des Plinii Bacuntius«.
Ist die Endung -a bei Birken ein bloßer Schreibfehler, oder lautete die serbo-
kroat Form zu dieser Zeit wirklich so? Y^l. andere Bdsuta in Ak.Bj.1, S.561.
P. Skok.
Bitte zu verlangen, da nur auf Bestellung versandt wird.
Xq Vorbereitung:
MTIQUARIATS-KATALOe „ROSSICA"
(MEISTENS WEEKE IN BÜSSISCHEE SPBACHE.)
Ganze slavisohe Bibliotheken, sowie einzebie Werke, ReoenslonBexemplare etc.
werden jederzeit zu angemessenen Preisen angekauft und Offerten erbeten.
Gießen. J. Bieker'sclie Unir.-Buchh. (Ernst Legier.)
VERLAG DER WEIDMANNSCHEN BUCHHANDLUNG IN BERLIN.
CODEX SLOVENICUS
BEKUM GR A MM A TICARTJM
EDIDIT
V. JAGid
40. (XXni u. 782 S.) 1896. Geh. 15 Mark.
VETEBIS TESTAMENTI PßOPHETARUM
INTERPRETATIO ISTßO-CROATICA SAECULI XVI.
Adjuvante Academiae litterarum caesareae Yindobonensis liberalitate
edidit
Gr. 80. (VII u. 316 S.) 1897. Geh. 10 Mark.
Diese um das Jahr 1563 gemachte Uebersetzung der Lutherischen Uebersetzung
der Propheten im istrokroatischen Dialect, deren erste Ausgabe vernichtet zu sein
schien, wurde in einem einzigen erhaltenen Exemplar in einem Stift OberOster-
reichs entdeckt und wegen der Yortrefflichkeit der Sprache derselben von dem Akade-
miker V. Jagiö mit Unterstützung der kais. Akademie der Wissenschaften heraus-
gegeben.
ALTPOLNISCHE SPRACHDENKMÄLER.
SYSTEMATISCHE ÜBERSICHT, WOßDIßüNß UND TEITE.
EIN BEITRAG ZUR SLAVISCHEN PHILOLOGIE
VON
W. NEHRING.
Gr. 8«. (VIII u. 324 S.) 1887. Geh. 8 Mark.
PSALTERIUM
BONONIENSE
INTERPRETATIONEM VETEREM SLAVICAM
CUM
ALIIS CODICIBÜS COLLATAM.
AÜNOTATIONIBUS ORNAT AM,
APPENDICIBÜS AXJCTAM
ADIUTUS ACADEMIAE SCIENTIARUM VINDOBONEN-
SIS LIBERALITATE
EDIDIT
V. JAGIC
ACCEDÜNT XIX SPECIMINA OODICÜM
Lex. 80. (Vni u. 968 S.) 1907. Geh. 25 Mark.
Der altkirchenslawische Bologner Psalter liegt endlich in
dieser prächtigen Ausgabe vollständig vor. Ihm ist ein Kom-
mentar beigegeben, dessen griechische Vorlage nächstens er-
scheinen wird. Die Ausgabe ist mit der Unterstützung der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien mit ganz
neuen cyrillischen Typen gedruckt und enthält außer dem Psalter,
teils in parallelen Texten teils in kritischen Anmerkungen, noch
mehrere andere gleichartige Denkmäler.
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I
ARCHIV
FÜR
SLAVISCHE PHILOLOGIE.
UNTER BUTWIRKUNG
VON
A. BRÜCKNER, A. LESKIEN, W. NEHRIN6, F. FORTÜNATOV,
BERLIN. LEIFZia, BRESLAU, ST. PETER8BUB0.
CJIRECEK, ST. NOVAKOVIC, A. SOBQLEVSKU,
WIEN. BELGRAD, St. PBTEB8BX7RO.
HERAUSGEGEBEN
VON
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NEUNUNDZWANZIGSTER BAND
VIERTES HEFT.
BERLIN 1908.
WEIDMANN8CHE BUCHHANDLUNG.
S. W. ZIMMEBSTRASSE 94.
ST. PETERSfiURQ, K. L. RICKBR.
INHALT.
Abhandlungen. 2$eit«
Der Reflex des indogermanischen Diphthongs ^u im Urslavischen, von G. 1 1 j i n s k i j 481
Der Dialekt tou Mostar, ron Vladimir Coroviö 497
Beitrage zur Kulturgeschichte des serbischen Volkes, II von Aleksalviö. . 511
Eliska XräsnuhorskÄ, von Jaromir X. Dole^al 517
Ein Bruchstück von Moliäres George Dandin in der Übersetzung F. K. Frankopans,
von T. Matiö ö29
Die Nomenklatur in den kroatisch -glagolitischen liturgischen Büchern, von
Jos. Vajs 550
Kritischer Anzeiger.
Karasek, Slav. Literaturgeschichte, angez. von J. Sutnar 581
Ostojiö, Dositheus Obradoviö im Kloster Opovo, angez. von D. Prohaska . . 610
Dr. C^nov, Urheimat u. Ursprache der Bulgaren, angez. von S. Mladenov . . 613
Croiset van der Kop, De morte prologus, angez. von W. N eh ring 615
Kleine Mitteilungen.
Jugendprozessionen zu Ostern in Lubom im Kreise Ratibor und eine Urkunde
darüber aus dem J. 1672, von W. Nehring 618
Die visio mortis des Polykarp in einer Prager Handschrift, von W. Nehring. 621
CyjyHÄäp — atoXTjyoQioy, par St. Novakoviö 622
Eine glagolitische Inschrift, von Jos. Suman 623
Ein Beitrag zur Biographie Arsenius^ IV. Jovanovid, von Vladimir Öorovid. 624
Zur Etymologie von asl. aite, von A. Musiö 625
Eine kroat. Privaturkunde (Pfandbrief) vom J. 1663, von V. Jagid 625
Posa, von Kappus 626
Nekrologe:
+ Jan Oebauer, von V. Jagid 629
+ Alexander Koeubinskij, von Fr. Kidric 633
Zur Entgegnung, von A. Brückner 637
Sach-, Namen- und Wortregister, von A. Brückner 639
Alle Einsendungen für das »Archiv für slavische Philologie« sind
an mich nach Wien VIII, Kochgasse 15, zu richten.
y. Jasic.
Das Archiv für slavische Philologie erscheint in Heften zu
10 Bogen oder Doppelheften zu 20 Bogen, je vier Hefte bilden einen
Jahrgang. Preis für den Band 20 .^, für einzelne Hefte 6 Jf,
Der Ladenpreis für die bis jetzt erschienenen Bände I — XXTX
beträgt 581 JK. Dazu gehört: Supplementband zum Archiv für
slavische Philologie, enthaltend: Bibliographische Übersicht
über die slavische Philologie 1876 — 1891, zugleich General-
register zu Bandl— Xni von Fr. Pastrnek. gr. 8. (VEI u. 415 S.)
15 ujr.
Berlin. Weidmannsche Buchhandlung.
Der Beflex des indogermanischen Diphthongs h.
im ürslayischen.
In der langen Reihe von Verdiensten, die der verstorbene dentsche
Sprachforscher Johann Schmidt nm die slavische Sprachwissenschaft hat,
nimmt die Entdeckung des Reflexes des idg. Diphthongs eu im Urslavi-
sdien nicht die letzte Stelle ein. In seinem Aufsatz »Was beweist das e
der europäischen Sprachen ftlr die Annahme einer einheitlichen euro-
päischen Grundsprache?« (KZ. XXTTT 333 ff.] hat dieser Gelehrte zuerst
darauf hingewiesen, daß der »europäische« Diphthong eu in den litu-
Blavischen Sprachen nicht mit dem Reflex des Diphthongs ou zusammen-
fällt (wie bis dahin fast alle Forscher behauptet hatten), sondern in den
baltischen Sprachen in den Diphthong tau und in den slaviachen in ju
flbergegangen ist. Um dieses Gesetz nachzuweisen, f&hrt Schmidt a. a. 0.
8. 348 — 349 folgende Beispiele an:
slav. lfuh^J got. Hubs
» Ifudije^ as. liudi
» bljudq, got. btudoj gr. Tceif&ofiai
» ihf>q iujqj ahd. chiütou
» rjutt, ags. ryf
» hlJudOf got. hiups.
Außerdem hat Schmidt a. a. 0. S. 350 diesen Beispielen noch slav.
siverb s= lit. iiaurySj got. aküra tcindü^ lat caurus und auf S. 352
slav. pljuiia »Lunge« = Ut. plätUSei hinzugefiOgt Die geringe Zahl
dieser Beispiele (von denen Schmidt heute ohne Zweifel einige streichen
würde, weil sie ohne genflgende Beweiskraft sind, und zwar b^judo als
aus dem Gothischen entlehnt und ifjioq als auf idg. *gieu- zurtlokgehend)
machte ihn nicht irre, sondern veranlaßte ihn nur, b\b,y.ju s= idg. hi als
»erstarrte Steigerung« zu charakterisieren. Was den Übergangsprozeß
▼on idg. eu in slav.yu betrifft, so ist nach Schmidts Ansicht »der Diph-
thong eu im Slavischen wie im Nordischen auf seinem zweiten Element
betont gewesen. Dadurch sank das erste zu ^ und weiter, da Hiatus
nicht geduldet wird, au/«.
▲rehiT für slaTiaehe Philoloffie. XXIX. 31
482 G. njinskij,
Trotz der geringen Zahl der von Schmidt znr niustrienmg der von
ihm entdeckten Regel angefahrten Beispiele sprach diese so sehr fär sich
seihst, daß es nicht weiter auffällig ist, daß sie sehr hald Anhänger fand
(vgl. z. B. Th. Korsch ASPh. lU 667). Dann aber stieß sie anf eiaen
flberzengten Gegner in A. Bezzenberger, der in einem besonderen Artikel
»Gibt es ein enropftisches eu?€ (BB. n 141 — 151) die Beweiskraft der
von Schmidt angeführten Reflexe dieses Lantes im Litaslavischen an-
zweifelte. Um gerecht zn sein, muß man jedoch bemerken, daß Bezzen-
berger gegen das slavische Material Schmidts eigentlich flberhanpt gar
keine Einwendungen erhebt, wenn man von seinen Bemerkungen ttber
bljtulo absieht, das er mit Recht als dem Gothischen entlehnt betrachtet,
und über sSverbj dessen VerhSltnis zum lit. iiaurys er mit Unrecht dem
Verhältnis von slav. cSko zu lit. voka gleichstellt. Fast das ganze Arsenal
der Einwendungen Bezzenbergers richtet sich gegen die Beispiele Schmidts
aus den baltischen Sprachen. Er analysiert jedes einzelne dieser Bei-
spiele und gelangt zum Schluß, daß es im Lettischen und Preußischen
nur je ein Wort gebe, dessen Wurzelvocale aus idg. eu erklärt werden
könnten. Im Littauischen gebe es dagegen kein einziges solches Wort!
Hieraus folgert Bezzenberger, daß die Hypothese Schmidts »etwas ttber-
eilt« sei. »Nach allem dem«, sagt er weiter, »ist es für die Frage, ob
die europ. Grundsprache ein eu besessen habe, unwesentlich, ob das ju
der ksl. Wörter lJub^J Ijudije, bijudq, itij^j rjuti aus eu entstanden
sei, oder nicht. Triftige Grflnde lassen sich gegen jene Annahme nicht
geltend machen, sie ist in der Tat sehr wahrscheinlich und wir mflssen
J. Schmidt dankbar sein, daß er wieder eine sprachliche Erscheinung in
neuem Lichte gezeigt hat. Aber durch sie wird doch erst ein Teil der
Gründe, welche gegen die Ansetzung eines europ. eu sprachen, beseitigt^
und dieselbe kann erst dann auf Sicherheit Anspruch machen, wenn der
Diphthong eu in den baltischen Sprachen zuverlässig nachgewiesen ist
Bis das geschehen sein wird, muß die in einzelnen Wörtern erscheinende
Übereinstimmung des ksL/u mit dem germ., griech., ital., kelt eu ebenso
beurteilt werden, wie einstweilen die Übereinstimmung, die öfters hin-
sichtlich des o zwischen den slavischen und den sfldeuropäischen Sprachen,
zuweilen auch dem Germanischen erscheint, oder die andere Überein-
stimmung, die bezttglich der Behandlung eines auslautenden « zwischen
ihm und den , westgermanischen' Mundarten vielfach zutage tritt usw.«
Ich werde auf die Einwendungen Bezzenbergers gegen die litauischen
Beispiele Schmidts nicht eingehen, und zwar nicht nur deshalb, weil dies
Der Reflex des indogermanischen Diphthongs eu im Urslavischen. 4g3
das Thema meines Artikels wenig berühren wtlrde, sondern auch weil
£. Bemeker in seiner bekannten Studie »Von der Vertretung des idg. eu
im baltisch-slavischen Sprachzweig« (IF. X 145 — 167) es schon in sehr
ausftlhrlicher Weise getan hat. Wenn Bemeker sich in seiner Abhand-
lung nur auf eine Kritik der Ansichten Bezzenbergers beschränkt hätte,
so wftre sein Verdienst auch in diesem Falle nicht gering. Aber sein
Artikel bietet weit mehr, nämlich eine ganze systematische Obersicht der
baltisch-slayischen, slavischen und baltischen Wurzeln, die nach Bemekers
Ansicht den Reflex eines idg. eu aufweisen. Allerdings kann nicht alles
im slavischen Teil dieser Liste als beweiskräftig gelten, und einige Bei-
spiele, wie wei£russ. cipoAseHHiiiH (neben groBruss. CTy^eHHuS) ¥dder-
sprechen den Gesetzen der slavischen Phonetik, andere, wie asl. ho^A^
und uiTOYAO werden an unrichtiger Stelle aufgeführt (vgl. Nr. 8), wie-
der andere, wie asl. baioao (= got. biups) und slav. iür (s= ahd. für,
sauer/) sind, weil entlehnt, nicht zu berflcksichtigen, Beispiele, wie
njukati^ jutro^ ju wären besser weggeblieben, da sie pronominalen Ur-
sprungs sein können; Beispiele, wie lUOynAk sind durch einen zweifel-
losen Mißgriff in die Liste geraten. Trotz aller dieser Mängel hat der
Aufsatz Bemekers viele neue Tatsachen in den wissenschaftlichen Ver-
kehr gebracht, die fttr unsere Frage von großer Bedeutung sind und sie
daher der endgflltigen Lösung um vieles nähergerflckt haben. Dies ist
zum Teil schon daraus ersichtlich, daß nach Erscheinen der Bemeker-
schen Studie die Schmidtsche Ansicht über den Übergang von idg. %u in
slav. JU in vielen Werken die landläufige geworden ist.
Indessen verstummten gleichzeitig auch die Proteste gegen die
Theorie Schmidts in der wissenschaftlichen Literatur nicht Es genttgt,
zu erwähnen, daß sich unter den Skeptikern auch jetzt noch solche
Sprachforscher befinden, wie Brugmann EVO. § 145 und Leskien Hand-
buch der altbulgar. Sprache^ § 10. Aber einigermaßen begründete Ein-
wendungen hat wohl nur Osthoff Etym. Par. 260 ff. zu erheben versucht.
Indem Osthoff slav. *suka aus *pkeu-kä erklärt, mußte er, um nicht das
postremum refugium des Ablauts zu benutzen, natürlich an der Erschüt-
terung der seiner Etymologie widersprechenden Schmidt-Bemekerschen
Ansicht interessiert sein. Abgesehen von dem einzigen wirklich richtigen
Hinweis, daß es näher liege, asl. lUOynAk debilis mit asl. lUT^ynAk
und poln. szczupiy id. zu vergleichen als mit dem seiner Bedeutung nach
abliegenden lit suiüp^y sind alle übrigen Einwendungen Osthofib ent-
weder unbegründete Behauptungen, wie z. B. das über aruss. myjura
31*
484 G- Djinskij,
Oesagte, oder sie betreffen angebliche Abweichungen von der Schmidi-
schen Regel, wie b. B. der ESnweis auf die etymologische Gleiohh^ v<hi
Iit.-leti tauta »Land, Volk«, pr. fauto ss= got piuda, wo die rer-
schiedenen Ablantstafen trotz Osthoff^ gegenteiliger Ansicht nichts Auf-
fallendes bieten, oder sie bemhen endlich anf offensichtlichen IGßTer-
stftndnissen. Ein solches liegt e. B. vor, wenn Osthoff fragt, wamm nicht
auch heterosjllabisches eu in den slayischen Sprachen den vorhergehenden
Konsonanten erweicht habe »da es sich ja sonst ganz parallel dem tauto-
syllabischen im slavo-baltischen entwickelte«. Diese Frage wird nftmlksh
einfach gelOst, wenn man annimmt, daß e vor folgendem v zn av (vor den
Vokalen der hinteren Reihe) nnd zn ev (vor den Vokalen der vorderen
Reihe) wnrde. Vgl. Meillet Recherches 86. Was die Frage betriiR,
»weshalb nicht anstatt der abulg. AC^ik nnd lit. lädas ,eis' *ljedb^
*lieda8 entspringen, da hier doch nicht minder von alter Zeit her der bei
den iu angeblich die MonilUenmg bedingende Faktor, das e hinter den
l" vorhanden war?«, so ist der Omnd fObr die bekannte afifizierende Wir-
kung des e im Diphthong Su auf den vorhergehenden Konsonanten wakr-
scheinlich in der kombinatorischen gegenseitigen Einwirkung beider
Elemente dieses Diphthongs enthalten.
Ohne sich auf eine eingehende Kritik der Hypothese Schmidts ein-
zulassen hat sich auch Mikkola IF. XVI 95 — 101 ablehnend Über m
geäußert und statt ihrer eine neue Erklärung der uns interessierenden
Reflexe im Litauischen und Slavischen geboten. Er nimmt nämHch an,
daß slav.yu und lit. /au die Funktion der Tiefstufe jener Wurzeln ans-
liben, denen im Indogermanischen die Wurzeln mit 9^ oder ^u und im
Lateinischen mit au entsprechen. Aber auch gegen diese Hypothese kann
man verschiedene Einwendungen erheben.
1) Von einer sehr bedeutenden Anzahl slavischer und Etauischer
Wurzeln mit eu und tau besitzen nur äußerst wenige in den anderen
idg. Sprachen Parallelen mit zweifellosem 9^,
2) Muß erst bewiesen werden, daß die wenigen lateinischen Wurzeln
auf -auj auf die sich Mikkola stfltzt, wirklich auf idg. 9u nnd nicht äu
zurückgehen.
3) Mikkola vermutet, daß slav. bljusti sich zu huditi verhält, wie
*mbrq zu ^merti (asl. uptUTH) oder *cvhtq zu cvisti usw., erklärt aber
mcht, warum bbdSti nicht in eben solch einem Verhältnis zu buditi stehen
kann, und weshalb hljusti durchaus die Tiefstufe darstellen maß und
nicht die sekundäre Mittelstufe.
Der Beflez des indogermaniBcheii Diphthongs Sa im UrBlavischen. 485
4) Endlich bietet die Entstehung von slav. ju ans idg. 9u oder ^u
imOberwindliche phonetische Schwierigkeiten, die dadurch nicht im ge-
ringsten vermindert werden, daß Mikkola als Zwischenglied zwischen 9u
imd/tM den Übergangslant *ätt stellt. Idg. 9U hätte ja in den slavischen
Sprachen zu (m werden müssen und idg. ^u zu hu^ aber in keinem Falle
SU ^Wu\
Es ist daher verständlich, daß Vondräk in seinem neuesten Werk
»Vergleichende slavische Grammatik« I, 16 (Qdttingen 1906) sich der
Hypothese IMQkkolas nicht hat anschließen können. Aber nicht gerade
vi^ besser ist, was er selbst an ihre Stelle setzt. Seiner Mdnnng nach
assimilierte sich im idg. Diphthong eu e dem folgenden u\ es entstand
der Laut ^ou nnd darauf der Laut ^^u. Das reduzierte e wurde im Ur-
ilsvischen entweder zu h oder es schwand. »So erklärt sich der Wider-
spruch, daß idg. eu bald u bald/ti entspricht.«
Aber indem Vondräk diese Hypothese aufstellt, erklärt er erstens
nicht, in welchen Fällen e zu t wurde und in welchen es schwand; zwei-
tens zeigt das Schicksal des heterosyllabischen e^y daß wenn sich e dem
folgenden u im Diphthong eu wirklich assimiliert hätte, diese Assimi-
lienmg schwerlich auf halbem Wege haltgemacht hätte, sondern zu voll-
ständigem Übergang des eum ou^u geführt haben würde.
Die dargelegte Geschichte der Frage vom Reflex des idg. iu im ür-
slavischen zeigt, daß die Theorie Johannes Schmidts, wenn sie auch
gegenwärtig in der wissenschaftlichen Literatur in dem größten Ansehen
steht, doch von endgültiger Anerkennung noch weit entfernt ist. Eine
neue Prüfung der Frage erscheint daher nicht überflüssig. Aber eine
solche Prüfung wird nur dann festen Boden unter sich haben, wenn das
gesamte auf die Frage bezügliche Material systematisch und kritisch er-
forscht sein wird. Als einen bescheidenen Beitrag zu einer solchen Prü-
fung gibt der Verfasser im Folgenden eine Übersicht über alle Beispiele,
alte und neue, die seiner Ansicht nach mit größerer oder geringerer Wahr-
scheinlichkeit die Beobachtung des großen deutschen Sprachforschers
bestätigen.
1) ürsl. *b\ftAst% »beobachten« (asl. eaiocth, russ. Öxeocth). Vgl
got. anabiudan »entbieten«, gr. Tteif&Ofxai, Die Hochstufe derselben
Wurzel ist in ursl. *buditi (asl. coifAHTH, bulg. 6yA]&, serb. CfyAHTH,
slov. buditty iech. budüi^ osorb. budzicy russ. 6jj!ßTh) erhalten neben
pniaß. baudint »wecken«, lit. baüsti »bestrafen«, ai. bödhdyati »er
weekt«, die Tiefstufe in ursl. *b^diti (asl. s^KA*^**"", bulg. 6ab^, slov.
486 G. njinskij,
bd^ti, £ech. bditi, rnss. 6a%tl) neben lit. budetij got. anabudun. Vgl.
PickI* 89, Br. Gr. I^ § 213, KVG. § 145, ühlenbeck Ai. Et. Wb. 192,
PreUwitz^ 365, Hirt Ablant § 459, Bemeker IF. X 151.
2) Ural. *bljuztjh »Ephen« (asl. BAioiUTk, serb. tiA>yinT, alov.
bljuiSj poln. bluszcz^ rasa, tfjnon;^). Die Vergleichung mit got biugan^
gr. q>BifY(a zeigt, daß die Urbedentong des Wortes »eine sich windende
Pflanze« war. Bemeker IF. ib. Dieser stellt die nrsl. Form des Wortes
als *bljuktjh wieder her, aber ohne jeden Omnd, da im ursl. *bljuz-tftf
z vor t za s werden mußte. Was klmss. Öjnom »Solanum dulcamara«
betrifft, das Bemeker ib. aus *bheu^v erklärt, so kann man es ganz
eben so gut aus (Jjnos <^ öiaom erklären, d. h. aus *bljuzjhy wenn es
nicht vielleicht aus ÖJiomT entstanden ist infolge Abfalls des auslauten-
den t — Die Hochstufe unserer Wurzel haben wir in slov. btiziky
»Weidenknospen«, die Tiefstufe in ursl. *h>zb »Hollunder, Flieder« (bulg.
6'B3'B, slov. bez, Sech, bez^ osorb. b6z^ poln. bez^ mss. 6o3i} neben lat.
fugere^ gr. qyuyetv, ai. bhujäti »er biegt«, bhüja »Hand, Rflssel«. Vgl.
Pick I* 89, ühlenbeck Ai. Et. Wb. 202, PreUwitz^ 486, Walde 250,
Persson 190, Hirt Ablant § 677, Pogodin, Gä^ku 266, 270.
3) ürsl. *brjuzga (slov. brjüzga »der schmelzende Schnee auf den
Straßen €, mss. Öpiosra »Bmmmbär, Griesgram«, vgl. auch mss. tfpiosraTB
»murmelnd seine Lektion lernen«, »brummend memorieren«, tfprasasaTB
»brummen«). In der Hochstufe haben wir dieselbe Wurzel in slov. hrüzga
»mit Schmutz vermischter schmelzender Schnee« und mss. Öpyara s=s
6pi03ra. Zweifellos haben wir es hier mit einer Erweiterung der schall-
nachahmenden Wurzel *bhr'OUr zu tun (vgl. gr. ßQvxiofiat^ lit bruzgSü
Matz. LF.Vn 16), einer Parallele der bekannten Wurzel ^bkr^em- »sich
unstät wirbelnd bewegen, schwirren, surren, brummen« und ihrem Reflex
im deutschen brummen^ lat. fremere^ ai. bhrämati »schweift umher«
Persson 68. Die Bedeutung »spritzen«, die den slov. Wörtern brjüzga
und brüzga zugrunde liegt, hat sich aus der schallnaohahmenden Wurzel
ebenso entwickelt, wie die ähnliche Bedeutung in ursl. *prbska(i (bulg.
np'BCKaM'B, serb. np cKaTH, slov. pr'skati^ Sech, prskati) und *prysiaH
(bulg. npncKaM'B, iech. pr^skatij osorb. pryskaö^ poln. pryskaöj mss.
npucKaTb) aus der onomatopoetischen Wurzel *pru- (vgl. bulg. np^EzairB
»schnaube«, slov. j^r^a^t id. neben bulg. npHzasrB). Mit dem anderen
Determinativum -k- (das bei schallnachahmenden Wörtern so gewöhnlich
ist) haben wir die Wurzel *bhret^ in mss. ÖpiOKHyTB »brummen, mur-
meln«. Seine Hochstnfe ist in serb. Öp^KaTH ce »lachen«, iech. braukaH
Der Reflex des mdogermanischen Diphthongs 8a im Unlayischen. 487
»sammeii«, poln. brutaö »girren, gurren« erhalten, seine Tiefstofe in
sloY. brkati »schaben, scharren«, iech. hrkati »zwitschern«.
4) UrsL *brjuch^ (iech. hfich^ osorb. bfyuchf poln. hrzuch) and
*brjucho (Sech, hücho^ osorb. hrjucho^ poln. brzuchOy and rass. tfpioxo).
Die Warsei dieser Wörter geht aaf idg. ^bhreit' »schwellen« znrflck,
auf das Fick I^ 493 a. a. mhd. briezen »schwellen, knospen« and lat.
Fruiis »Beiname der Venas«, %oimfrutex »Straach« zarückflOhrt (vgl.
auch Walde 248 — 249). In den slavischen Sprachen hat sich auch die
Hochstafe dieser Worzel erhalten in slov. brück »Baach« and osorb.
brttch id. and die Tiefstafe in balg. tfp'BCT »Zweige, Schößlinge, Jahres-
triebe«, serb.ÖpcT »jonge Triebe«, ^\oY,brst »Knospe«, slovak. iro«^ id.,
klross. 6pocTB, die Petr BB. XXI 210 fUschlich mit \Ki,frons yergleicht.
Mit anderen DeterminatiYen haben wir die Warzel *bhreU'- in rass. tipiOK-
HyTB »weichen, anschwellen, qaellen im Wasser« (neben öpioxHyTB in
derselben Bedeatong) and ÖpfosrnyTB »anschwellen« and die Warzel
*bhrou- in rass. ÖpyuiTb »dick werden, anschwellen«, »reifen, reif wer-
den«. Das letztgenannte Wort and (JpiosrHyTB lassen den Gedanken
Brandts Aon. sav. 47, daß rass. pasÖpioxHyTi» aas pasÖyxnyTb ent-
standen ist, anwahrscheinlich erscheinen. Es ist von hohem Interesse,
daß die *bhreu synonyme idg. Warzel *phoU' (vgl. über sie Uhlenbeck
Ai. Et Wb. 169—170, PreUwitz^ 498, Walde 503, Persson 199, 200,
Potebnja P$B. IV 186 — 190) in den slavischen Sprachen znweilen in
der Bedeatang »Baach« and »Knospen« gebraacht wird. So ist man yer-
sacht mit slov. brjucho rass. ny-30 za vergleichen and mit slov. ^birbs-tb^
rass. noqKa aas *jn>^6h-ka.
5) Ursl. *6ubb »Bflschel, Zopf« (Sech. 6ub^ poln. czub^ rass. -vj^'h)
and *6upb (6ech. (5t</7, klrass. ^tfp), *6upa (balg.^yna »Mädchen mitan-
gekftmmten Haaren«, serb. ^na] leitet Bemeker IF. X 152 mit Recht
ans der idg. Warzel *keuh(py »sich wölben« her, deren Hochstafe
sich a. a. in asl. Koyn'k, balg. Kyn'L, serb. K^n, slov. küp erhalten hat,
femer in balg. Kynä »Heahaafen«, serb. icyna »Hänfen«, »Becher«, slov.
kupa »Becher«, Sech, kupa »Heaschober«, »Becher«, osorb. kupa
»Hflgel«, poln. kupa »Hänfen« and rass. irfna id. Vgl. lit kaüptxs
»Haafen, Hflgel«, ahd. houf »Hänfen«, apers. kaufa »Berg«. Fick I^
27, 380, Br. Gr. I2§ 421., Matz. LF. VII, 39, 41, PreUwitz« 251—252,
Walde 160, Znpitza Qerm. Ontt. 110, 115. Es ist sehr wohl möglich,
daß in den angeführten Worten bjp nnr Determinative der Warze! *kotir
darstellen. Wenn dem so ist, so könnte man hierher noch serb. T^^aTH
488 (3r. njinBkij,
»<ii6 Qarben zu eiBem Haufen zusammenlegen c neben poln. kueze6
»hacken« imäBior.küSa »BüBchel, Schopf«, >Garbe<, iecL kuSe »Masse«,
russ. Ky^a »Haufen«, »Heuhaufen« (vgl. lit. kaugS »Heuhaufen«) ziehen.
Die Tiefstnfe dieser Wurzel wflrde in diesem Falle in asl. Kl^iCk »Haupt-
haar« und sloY. k^ka »dichte Haare« enthalten sein und die Redukfions*
stufe in asl. K'kiK'k und KUKa »Haar«, bulg. KHKa »Flechte«, serb. idbca
id., sloT. kika, russ. KHKa »weiblicher Eop^utz«. Die Yergleichung ron
slav. *kuSa mit *khkb und *kyka macht die Hypothese Strekeljs »Zur
slavischen Lehn Wörterkunde« 29, daß ersteres ausrom. Cochlea enüehnt
sei, unwahrscheinlich.
6] ürsl. *iuiati »hocken« (serb. T^^aTH, sIoy. iniati^ Sech. SuSeti
»Edch bergen«). Dasselbe Verbum mit der Wurzel in der Hochstufe ist
im sloY. küdati »hocken« und im apoln. kuczed id. erhalten, die Denomi-
nativa des ursl. *kuka »Haken« (bulg. KyKa, serb. K^Ka] darstellen. Alle '
diese Formen werden von den Forschem auf die idg. Wurzel *kouk
zurflckgeftihrt, zu der in anderen Sprachen z. B. aisl. hokra »kriechen«,
und. kodas »das Einschrumpfen« u. a. gehören. Vgl. Matzenauer LF.
Vn 39, Fick I« 380, ühlenbeck Ai. Et. Wb. 56, 66, Zupitza Germ.
Outt. 121, 145.
7) Ursl. *Surh »Maß, Grenze« (russ. ^yp*, qepes'L-^yp'L). Bemeker
IF. X, 152 vergleicht dieses Wort mit mhd. geMure »sanft, anmutig«,
ags. h^e »freundlich«, an. hyrr »mild«, ahd. ungihiuri »unheimlich,
schrecklich; das Ungeheuer«.
8) Ursl. 6uii »ftthlen, durchs Gefühl wahrnehmen« (asl. mo^th,
bulg. Tyib, serb. ^th, slov. iüti^ Sech, diti^ obersorb. 6u6^ poln. czu6^
russ. ^lyri»). Bezzenberger BB XAVJi 145 und Bemeker ib. stellen mit
diesem Verbum got. hausjan »hören« und gr. &Y,oi(s} zusammen, was
um so überzeugender ist, als in den slavischen Sprachen sich auch Bil-
dungen auf -f- finden; vgl. Sech, dich »Gefühl«, poln. czitch »Witterung«,
osoib. öuchac »schnüffeln«, mss. qyxaTb »schmecken«. In bezug auf
den Vokalismus der slavischen Wörter kann man als auf eine noch ge-
nauere Parallele auf das gr. &Y.Bi(a (Gortyn) hinweisen; dagegen bieten
Shioifü) und got. hausjan in ihren Wurzeln die Hochstufe, die von den
Forschem auch in den slavischen Sprachen gefcnden worden ist im Sech
shoumati »vermerken, wahrnehmen, verstehen« (Zupitza Germ. Gutt
152—153, Walde 21). — Von *6ut% Ulßt sich natürlich ursl. *6udo
nicht trennen (asl. ho^AO, bulg. ^Ao, serb. ^ao, slov. iüdo^ mss. ^xoj
J
Der Reflex des indogeniuiniBcheii Diphthongs Sa im Uralayifichen. 4g9
väd *iSudo (ad. i|i^A^) ^bs. nr^Ao) ^} ; aber Bernekers Zasammenstdlmig
(a. a. 0. 152) des Wortes mit der Wnrzel *{8)teu- «rkl&rt das i im asl.
MOifA^ nicht. Znr Literatur vgl. noch Ublenbeok Ai. Et. Wb. 49,
PtBilwita^ 21, MeiUet ^des 357.
9) ürsL ^dfubb »Höhlung im Baumstämme« (poln. dziub) und
*dfupb (poln. dziupio^ dziupel). Die Wnrzel dieses Wortes entspricht
ganz genau dem got. diups »tief«. Beine Hochstnfe ist im nrsl. *dübh
(poln. dub), *duph (poln. dup)^ *dupa (slov. düpa, iech. doupa, ober-
sorb. dupüy poln. dupa) und lit. daubä »Schlncht« erhalten, seine Tief-
stofe in nrsl. *d^no (asL A'^^^y ^^^E- Aho, serb. ah)^, slov. dnd, Sech.
dnOj obersorb. dno^ poln. dnOy ross. aho) nnd lit. dügnas ans *dübnas
»Boden«. Alle diese Wörter gehen auf ein idg. *dheub[py znrflck,
worfiber vgl. Pick I* 467, Br. Gr. I^ § 103, Bemeker IP. X 152,
Walde 253, Meillet MSL. Xn 430 nnd Stades 443.
10) ürsl. *djura »Loch« (poln. dziura). In der Hochstnfe haben
wir die Wnrzel dieses Wortes im apoln. dura id. nnd seine Dehnstnfe
oder Schwundstufe in mss. Aupa. Baudouin de Courtenay IP. X 150
und nach ihm Bemeker ib. und ÜJrasyn Über die Entpalatalisierung 3 er^
klfiren dziura als Contamination von *dora (vgl. poln. d6ra^ dorka) und
dzieraöj aber dann ist das Verhältnis von dziura zum apoln. dura wie
auch zum mss. Aupa unrerständlich, das trotz Mikl. Et. Wb. 41 phone^
tisch aus *dira nicht entstehen konnte. Es fUlt mir schwer, Parallelen
zu diesem Wechs^ in anderen idg. Sprachen anzugeben, aber daß die
genannten Wörter mit der bekannten Wurzel ^dh^er-- »Tflr« verwandt
sein können, besonders wenn man ftir diese Wurzel die zweisilbige Porm
*dke^er- annimmt, das wird auch der strengste Kritiker a priori kaum
bestreiten wollen.
11) tJrsL *ffnju8h »Päulnis« (slov. ffnjtis und iech. hnis) und
*gnjushnb »schmutzig« (iech. hnisnj) neben nrsl. *^;if<^ »Schmutz« (asl.
rHoyck, sloY. gnusj iech. hnus^ poln. gnus] und *gnu8Wtih »schmutzig«
(asl. PHCY^i^Hlk, bulg. rsyceiTB, serb. ra^caH, poln. gnuiny, mss.
raycnuH). Obwohl die Etymologie dieser Wörter unklar ist, bin ich
Tcrsucht, ihr Verhältnis zueinander als das Verhältnis der Wurzeln *gneus^
vnd *gnau8'- zu erklären. Die Präge wird allerdings dadurch noch yer^
wickelter, daß in einigen asl. Denkmälem (z. B. im Euch. Sin.) sidi die
1) Matzenauer LlP. VH 39 trennt von diesen Wörtern nicht das arass.
ryxecB, Kjnfichnmch »magus« und sogar myxh, ^yxh »Riese«.
490 O. njinskij,
Form mcck s= mkCb findet; dieses h kann aber weder aas u noch
ans 'u abgeleitet werden.
12) ürsL *kljuti »picken« (slov. kf/üHj Sech, kliti^ obersorb. kluöf
pobi. kli^öy russ. KJnoH)} neben nrsl. *kluti id. (mfthr. klouti). In offener
Silbe haben wir denselben Ablant in nrsl. *kl€v (aSech, klev »was zu-
bereitet worden ist, damit die YOgel es aufpicken« und mss. kjob^ »das
Picken«), — vgL nlelcj ans yclif^io) — und ^klotr- (a&eoh. kloveUi
»picken«). Von *kljut% kann man natflrlich weder mss. khobii trennen
noch nrsl. *kljunb »Schnabel« (bnlg. kjooh^, serb. ka>^, sIoy. klfürtj
klmss. khoh'b) noch nrsl. *kl/uka »Haken« (bnlg. KjnoKa »Verleumdung,
Intrigue«, serb. KJ>^Ka »Haken«, slov. klj'üka id., 5ech. klika id., obei^
sorb. kluka id., poln. kluka id., mss. kjodk^ id.), noch auch nrsl. *kl^udh
»Schlüssel« (asL KAiOHk, bulg. Kjnoq'L, serb. Kib^, slov. kljud^ iech.
kliS, obersorb. kluSj poln. klucz, russ. KJH)q*B). Da die den slavischen
verwandten indogermanischen Wörter entweder auf die Wurzel *klä^
(vgl lat. clävus »Nagel«, clävis »Schlüssel«) oder auf die Wurzel *kleit
(gr. xAij/^co) oder auf die Wurzel *kl9^ (lat claudo) zurückgehen, so
folgt daraus, daß wir in den slavischen klu- und klju-^ klov- und klev-
nicht einen Ablaut von *kla^- und *Ale^-j sondern von *kläuf nnd
*kl9^'^ haben. Vgl. Fick I* 395, PreUwitz» 226, Hirt BB. XXIV 269,
Bemeker IF. X 152, Walde 126. Walde trennt im Gegensatz zu fHck
und Bemeker lat. claudus »lahm, hinkend« (vgl. lit kliaudä »körper-
liches Gebrechen«) nicht von unsem Wörtern. Als vortreffliche semasio-
logische Parallele zu diesem Wort können slov. kljükati »hakenförmig
biegen«, »gebeugt, nickend, wankend einhergehen«, klj'üditi se »sich
krümmen, zusammenschrumpfen« und russ. KziOK&Tb »hinken, lahmen,
auf Krücken gehen«, kj^^hti> id. dienen. Dagegen ist das asL kaio-
AHTH deridere seiner Bedeutung nach vom lat. claudus zu weit entfernt,
als daß man diese beiden Wörter ohne weiteres fOr identisch halten
könnte, wie Bemeker (a. a. 0. 181) dies tut.
13) ürsl. *klJud^, *kljudt »Buhe, Ordnung« (Sech. kUdy russ.
KJH>Ai>) und ursL *kljtidtm »ruhig« (6ech. klidn^j niedersorb. hukludny
»niedlich«). Die Wurzel dieser Wörter ist in der Hochstnfe in iecL
kloudn^ »sauber« und klotuiiti »sauber machen« enthalten. Znpitia
Genn. Gutt. 119 und Bemeker vergleichen diese Wörter mit got hUUrs
»rein«, ags. hlüttor »rein, klar«, ahd. hlüttar »rein, hell, klar« aas
*klüdro8j indem sie somit ftlr die idg. Epoche dne Wurzel *kletid- an-
nehmen. Aber es dürfte richtiger sein, im d dieser Wurzel ein Determi-
Der Befiex deB indogermanisohen Diphthongs Sa im Uralayischen. 491
nativiun zu sehen. Vgl. rnss. dialekt. kjdobuh »gat, passend« nnd kj&-
BhOL id. neben rnss. jsxAxm »gut, passend«, jnünoTBm »gewandt«,
HeyKJQoadH »plump«. Auf das d als auf ein Determinativurn weisen
aueh die Formen mit einer »Anlautdoublette« bin: lit. iJuti »fegen,
wischen«, ilüta »Besen«, lat. cluo »purgo«, gr. yM^w »spflle«, ai. iru-
»zerfließen«. Vgl. Fick I« 48, 427, Prellwitz^ 228, Walde 128.
14] ürsl. *kl/t^ati »lärmen, klopfen« (bulg. KJiOKaM'B, slov. klju-
iati, obersorb. klukaö) neben ursl. *klukat% (Sech, klukati »kollern«,
rnss. KjyKaTB »schlucken«). Neben KjnoKaM^ »ich klopfe« findet sich
im Bulgarischen auch KJooi^aBrL »ich schlage«. In der Tiefstnfe haben
wir die Wurzel dieses Verbums im bulg. KJii^aM'B »ich schlage«, serb.
K^aTH »stoßen«. Auch hier sehen wir somit einen Ablaut von oy^: e^
in der Wurzel, wenn er auch onomatopoetischen Ursprungs ist.
15) ürsl. *kljui^ »Pferd« (asl. kaicca, serb. Kibfce, slov. kljüs^j
Sech, klise, poln. klust^), *kljusa id. (cech. klisaj poln. kbisa) und
*kljusati »traben« (bulg. KjDDcaM'B, slov. kljüsattj obersorb. klu8a6).
Wie Zupitza Germ. Gutt. 118 scharfsinnig gezeigt hat, geht die Wurzel
dieser Wörter auf idg. *kloup'8^ zurflck und befindet sich folglich in
naher Verwandtschaft mit got hlaupan »laufen« und neuhochdeutschem
laufen* In den slavischen Sprachen gibt es noch genauere Parallelen.
Es sind: Sech, klus »Trab«, poln. kltis id., cech. klusak »Traber«, poln.*
kiusak id. und poln. klusad »traben«.
16) Wie es neben dem schallnachahmenden *klukati im Urslavi-
flehen ein ebensolches *kljtikati gab (S. No. 14), so wurde neben ursL
*krukati »krächzen« (bulg. Kp^aH%, poln. krukaöj kbruss. KpyKaTH),
*krjukati (klruss. KpiOKaTb »quaken«) gebraucht. Die Hochstufe dieser
Wurzel ist auch in poln. kruk »Rabe«, klruss. KpyiCL id. vertreten, die
Tiefstufe haben wir dagegen zweifellos in bulg. icp'iKaiTB, slov. krkatiy
Sech, krkati. Idg. Parallelen dieser Wurzel sind wohlbekannt. Vgl.
Fick 1*30, Uhlenbeck Ai. Et. Wb. 68— 69, PreUwitz» 242, Walde 143,
Persson Zur Lehre 194, Zupitza Germ. Gutt. 124, Hirt Ablaut § 519.
17) Ursl. *lfuh »lieb« (asl. AiOElk, bulg. joütfi, serb. iby($a, slov.
l/ubj iech. Ub^^ obersorb. lubj/j poln. lubt/j russ. jnotf'B) und *ljuhit%
»lieben« (asl. aiobhth, bulg. jnoÖiiL, serb. ib^ÖHTH, slov. Ijubiti^ iech.
libiti^ obersorb. /uiuf, poln. lubicj russ. jnoÖHTb). Die Wurzel dieser
Wörter hat eine genaue Parallele in lit. liaupsS »Lobpreisung«, lidup-
sinti »loben«, got. Hufs »lieb«. Die Hochstufe unserer Wurzel weisen
z. B. Kot fs^i, galaufs »begehrenswert, schätzbar, wertvoll und ai. lobha-^
492 G. üjinBkij,
»YerlaageB, Gier«, die Tie&tafe Ist. lubet und «i. lübhyaU »empfindet
h^üges Yerkngen«. Y^ Fick I« 122, 304, 535, Br. Gr. I^ § 220,
467, 567, Uhlenbeek Ai. Et Wb. 263, Walde 336, Znpitza Germ.
G«it. 145, Hirt AbUnt § 467, Bemeker IF. X 151.
18] Ural *ljud% »Yolk« (asl. aica'^ i^b. Ud^ obersorb. ludi
pobi. Itidj mfis. joop^h) entspriobt abd. Hut »Yolk«, ags. leode »Leute«.
Die Hoebfttafe ^loudh-- ist erhalten in gr. eiXiiXov&a nnd ai. rödhati
»ersteigt, wächst«, die Tiefstafe in gr. ijkv^ov nnd ai. ruhatij falls es
nicht zn gewagt ist, die Bedentang »Yolk« ans der Bedentang »ersteigen,
waehsen« herznleiten. YgL Fick I^ 122, 534, uhlenbeek Ai. Et. Wb.
254—255, PreUwitz» 137, Walde 334—335.
19) Ursl. *yufyati »wiegen« (bnlg. .h^jihvb, serb. i>yibaTH, iedi.
lilatij obersorb. luliiö, poln. lulaö). Die Hochstofe dieser Wnrzel weist
ai. lolati »bewegt sich hin und her« auf, die Tie&tnfe ai. lulitas »be-
wegt, flatternd, wogend«. Ygl. Uhlenbeek Ai. Et. Wb. 265, Bemeker
IF X 152. Nach Bemekers Meinung gehört hierher anch serb. Jbf3»
lolinm, Sech, lüek »ArtBUsenkrant, hyoscyamns«, ^ola.luleJk id., klein-
mss. xsoÄewh id. Er geht dabei von der bekannten Beobachtung ana,
daß die Yergiftnng mit Lolch oder hjposcjamns sich in Schwindel nnd
Taumeln äußert. Hirt Abhtut § 679 und Walde 377 stimmen ihm bei.
20) Ursl. *ljuph »Schale« hat sich mit Sekundftrsnffix in serb.
ib^üHHe (pl. t.) id. erhalten. Yerbreiteter sind in den slavischen Sprachen
HochstufenbUdungen derselben Wurzel. Ygl. 8lo7. lüp »Schale an
Frachten«, Sech, lup »Schale«, russ. lyrrh id. und sloy. lupina »Schale
an Frflchten«, Sech, lupina »Schale«, poln. iupina »Schale an Frach-
ten«. Die idg. Wurzel ist *loup-y vgl. lit lüpti »schälen, abziehen«,
ahd. htd> »Laub«, ai. lümpati »er bricht«. Ygl. Fick I^ 122, Uhlen-
beek Ai. Et. Wb. 262—263, PreUwitz ^ 275, Walde 335, Persson a. a. O.
187 — 188, Hirt Ablaut 567 — 568. Wenn man es als sicher ansehen
könnte, daß in der Wurzel ^loup- p ein Determinativurn darstellt, so
würde auch hierher gehören
21) TmL*ljti8ka »Schale«, »Schuppe« (serb. ^^CRa) und *ljui6i(i
»schälen« (serb. ^yinTHTH). Und ebenso wie der Wurzel ^Z/Wi- im Ser-
bischen in den llbrigen slavischen Sprachen die Wurzel *lup^ entspricht,
so entspricht dem serbischen ^Ijusk- in den anderen slayischen Sprachen
*ltukj d. h. die Hochstnfe der Wurzel. Ygl. slor. lüska und hiiiitij
£eeh. It^ia und louiUti^ poln. iuska und iuszcydj russ. jycKa nnd
xyn^rrb. Durch Kontamination von ursl. *lusk' und *lup^ sind wahr*
Der Reflex des indogermaniBchen Diphthongs 8a im UrsUvisehen. 493
Bcheinlieh asl. ao^cra und poln. htspina und dnroh Kontamination toh
*l/usk^ nnd *^p^ bnlg. jnoona entstanden.
22) ÜTsl. *ljushnja »Lüsstoek, Range« (ieeh. Uini »Wagenleiste«,
poln. kUnia), Die Warzel laatet *leus^j Tgl. bair.HBchw. lettchse, nhd.
liuhse; die Hochstnfe *loui~ ist in kleinruss. jrymHii, rass. JTfOHfl er-
halten. Vgl. Zupitza Oerm. Oatt. 145, Berneker IF. X 153.
23] ürsL *ljutb »graasam, grimmig« (asl. AiOTlk, serb. JbfT^ sIot.
Ijut, Sech, lit^^ pol. lutyj rass. jiotuh). Von anderen Ablaatstofen
l&ßt sich wohl nor die Tiefstofe in lit. lutis »Btarm«, luiingas »stOr-
misch« and gr. Xiaaa aas ^Xircia »wUder Eriegsmat, Raserei, Leiden-
schaft« nachweisen. Vgl. Berneker ib. Einige andere Zasammenstdlangen
bei ühlenbeck PBB. XXYI 302 and Walde 334.
24) ürsl. *n/uchati »riechen, schnapfen« (poln. niuchaö, rass.
HSyxATb) neben *nuchat% id. (obersorb. nuchaö, niedersorb. nuchaö). Aas
anderen Sprachen führt Berneker ib. an ndd« nuster »Nflstem«, bair.-«
j98t.-schles. nuseln »dorch die Nase sprechen«, nufitem and nüstern
»sehnflffeln«.
25) ürsl. *plju8kh »Schall« (asl. n^iocK^, balg. moociTB, serb.
n&^caK »Piatsregen«, slo7. pljüsi, Sech, plisk, obersorb. plusk, pohi.
plusk »Regenwetter«) and *pljuskati »platschen«, »spritzen« (bo^.
lu^cKaiTB, serb. iL&f^cRaTH, sIoy. pl/äskati, (ech. pliskati^ obersorb.
pluskaö, poln. pluskaö). Offenbar ist die Warzel dieser Wörter *pf;ush'
eine Brweitenmg der schallnachahmenden Warzel *pijU'j die in den
slavischen Sprachen besonders gat bekannt ist, and zwar in ihrer Hoch-
stnfe, die wir z. B. in serb. n^ »Krachen«, Sech, ptik id., obersorb. ^A
id., poln. puk id., rass. nyicB id. finden, and in dem davon abgeleiteten
Yerbam balg. nyKaia'B ce »krache, platze, berste«, iech. pukatiiä., ober^
Mib. ptikaö id., ^In, pukaö »klopfen, pochen«, rass. nyicaTb »krachen,
klopfen«. In redaplizierter Form haben wir die Warzel *pu- aach in
serb. nynaTH »wie ein Wiedehopf schreien«. Schon Berneker IF. X 157
hat daraaf hingewiesen, daß die Warzel ^ptiskn mit ]ii.päuikiu »knalle«
verwandt sein kann. Er wagt es allerdings nicht, dies mit Bestimmtheit
za behaupten des lit. pliduikinu »mit den Händen klatschen« wegen,
aber es liegt gar kein Grand vor, dieses Wort fbr alt za halten: es konnte
ja leicht entstehen darch Kontamination von *piauiMnu and pkukoti
»Tor Freade in die Hftnde klatschen« (vgl. poln. plaskcid »plandem«).
Die Behaaptang Meillets £tades 220, daß derartige Wörter den o-Vokali»-
moB hätten, wird dorch die in diesem Artikel anter No. 3, 14, 16
494 O. Djinskij,
geführten Beispiele widerlegt. — Da die Wurzel *pljusk- nieht nur einen
»Schall überhaupt«, sondern insbesondere den »Schall des fallenden
Wassers«, »Bogen«, »B^enwetter« bezeichnet, so sind ohne Zweifel poln.
pluta »stfirmisches Begenwetter«, kleinmss. hoothtb »es herrscht Un-
wetter« neben Sech, pluta » Bogen wetter«, poln. piuta »nasses Wetter«
mit ihr verwandt. Alle diese Wörter bringt Bemeker deshalb mit un-
recht mit der Wurzel *pleu- »fließen« zusammen. Dagegen l&ßt sich
kaum etwas einwenden, wenn Bemeker zu der Wurzel ^pleu- »schwim-
men« stellt —
26) nrsl. *plju^'a »Lunge« (asl. nAioiiJT4, slov. pljüöa id., Sech.
plice id., obersorb. pluco id.). Der Wurzel dieses Wortes entspricht die
erste Silbe von gr. Ttkeificav id. vollkommen. Dagegen hat ursL *plutja
(asl. nAcyiUTa, obersorb. piuco, poln. piuco) eine genaue Parallele in
m. pläudiai. Vgl. auch Leskien Ablaut 42, PreUwitz^ 374, Walde 500,
Persson 231.
27) Ursl. *rjuti »brfillen« (vom Bindvieh) (asl. piOTH, slov. rjutij
Sech, ritij poln. rzuö). Dies ist die Mittelstufe von der idg. schaUnacb-
ahmenden Wurzel ^reu- aus *revä~, die in den slavischen Sprachen sich
z. B. in obersorb. ruö und mit dem Determinativ -£- auch in bulg. py-
KaBTB »rufe, schreie«, serb. pyKaTH »brüllen«, slov. rükati id. findet.
Die Tie&tufe dieser Wurzel ist erhalten in serb. pKa »Schnarchen« und
pKaTH »schnarchen« und ihre Beduktionsstufe in asl. p'UKATH, bulg.pH-
KaiTB, serb. pKKäTH, russ. puKaTi». Die Aufisählnng anderer Erweite-
rungen unserer Wurzel würde uns zu weit führen. Vgl. Fick I^ 115,
118, 525, 529, Br. Gr. I § 148, 473, 492, 594, 644, KVO. § 182,
ühlenbeck Ai. EtWb. 254, 256, PreUwitz^ 524, Walde 532, Persson
13, 197, Zupitza Germ. Gutt. 137, 164, Hirt Ablaut § 419, Bemeker
a. a. 0.
28) Ursl. *rjutiti »werfen« (asl. piOTHTH, iec3i.Htüiy poln.rzuctd,
russ. piOTHTL) neben ursL *rutiti (asl. po^'THTH, bulg. pyru, SecL
routitiy russ. pyrnTi»). Vgl. Zupitza Germ. Gutt. 145. Einen parallelen
Ablaut in anderen indogermanischen Sprachen anzugeben fUlt schwer;
einige Forscher (Potebnja P$B. IV 191—192 und Bemeker a. a. 0.)
halten die angeführten Wörter für verwandt mit der Wurzel *reu- »reißen,
graben«. In diesem Falle könnte man als hierher gehörig auch nennen
29) Buss. (und ursl.?) pioxa »Wolfsgmbe, Hinterhalt, Versteck«
neben ursl.*ru^f »reißen, graben« (slov. rüti^ Sech, rouii, obersorb. ru^^
aruss. pyTH »bewegen«) und ihm genau entsprechenden lit. rdtUi »aus-
Der Reflex des indogermaniflchen Diphthongs Sa im Urslavischen. 495
reLBen«. Die Rednktionsstafe dieser Wnrzel hat sich u. a. in nrsl. *ryti
»graben« erhalten (aal. puTH, bnlg. pLii&, serb. päTH, alov. rüiy Sech.
r^tiy obersorb. ryö, poln. ryd, russ. puTb). Vgl. Fick I* 119, 528, Br.
Gr. 12 § 381, ühlenbeck Ai. EtWb. 245, Walde 534, Osthoff MU. IV
28, Persaon 161, Hirt Ablant § 418. Wenn die Ansicht einiger Gelehr-
ten (Miklosich Et.Wb. 285, Potebnja F^B. a. a. 0. n. a.) richtig ist, daß
die Wnrzel reu- »graben« mit der Wurzel *reus- »bewegen« identisch
18t, 80 wurde die Zahl der Beispiele fttr die Mittelstufe *reu noch ver-
mehrt werden können um
30) Russ. (und ursl. piomaTi») »stören, zerstören« neben ursl. *ruiiti
»berühren, zerstören« (asL po^iUHTH, bulg. pym^, serb. p^mBrn, slov.
ruüiiy Sech, ruiitiy poln. ruszyö, russ. pymHTi») und *ruchati id. (slov.
rühatij Sech, ruchatij russ. pyxaTb). Die Reduktionsstufe haben wir in
Seeb. rychlp »schnell«, obersorb. rychl^ id., poln. rychiy id.
31) Ursl. *8ljuzh »Aufwasser« (bulg. cjios'b, slov. sljuz) neben
ursl. *8luzb (asl. CA^aik, serb. cj^s, russ. CJys'B); von letzterem Wort
darf man auch ursl. *8lt^ »Molluske« (slov. slüffy slüga) und *lu£ja
»Pfütze« (asl. iioifxca, slov. lüioj sech. lotde^ obersorb. iuiuj russ.
jysa) nicht trennen. Die idg. Wurzel *{8)le^' bedeutet »naß sein«.
Vgl. Fick I* 577, Walde 349.
35) Ursl. *i6uti »hetzen« (slov. iöüii^ pohi. 8zczu6) neben ursl.
idjhvati id. (slov. iSsväUj Sech, itvdti, obersorb. idtoaö, poln. 8zcztoa6).
Bemeker a.a.O. 155 vergleicht diese Wörter mit mhd. 8chiuhen »scheu-
chen, verjagen«, ahd. 8cioh »furchtsam«.
36) Ursl. *iujh »link«, *iujhca »linke Hand« (vgl. serb. m^ax
»der Linkler«, slov. iüj, iüjca id., russ. myä, myjibra id.). In anderen
idg. Sprachen ist nur die Hochstufe erhalten in ai. 8avyä8 »link«, av.
havyo id. Vgl. Fick I^ 565, ühlenbeck Ai. EtWb. 331, Zupitza Oerm.
Gutt 145, Bemeker a. a. 0.
37) Ursl. *i%djata »die Hoden« (aruss. myjuTa id.). Bemeker
a. a. 0. vergleicht dieses Wort mit lat. edlem »Hodensack« »wenn
dieses Wort auf *keul'' weist«. Diese Etymologie hält auch Walde 132
für wahrscheinlich.
34) Urslav. *prai6urb (asL npaiiioyp'k »Urenkel», ^\si.pr<i8zczur
id., kleinruBS. npan^yp^ id., mss. npaa^yp'B »Vater des Urgroßvaters«).
Bemeker a. a. 0. führt diese Wörter auf die Wurzel *[8)keur'' zurück
und sieht in ihr mit richtigem Scharfblick die Mittelstufe zur Wurzel
^qur-j die die zweite Hälfte von lit. iSiuras^ ahd. 8U>'ehurj gr. invfög,
\
496 ^' müiBkij,
«L ivdiuras enthalten; mit ihnen ist sweifeUos nrsL *sf>0khrh (balg.
QBemphj serb. csSKap, sloy. sviker, iech. avekr^ poin. hoiekiery mM.
oneKopi und asL CBf Kp'k, wenn es ans CBf K*kp'k entstanden ist) iden-
tisch. Vgl Fiek I« 152, 342, 578, Br. Gr. I^ § 117, 279, EVG. § 159,
ühlenbeck Ai. Et. Wb. 322, Meillet Stades 410. Weniger wahrsehein-
lieh ist die Ansicht Bemekers, daß diesen Wörtern nrsl. *iurjh »Schwa-
ger« (asl. iiJOifpk, bnlg. inypen, poln. szurzy) und *iurinh id. (asL lucy*-
pHNik, serb.m^EH, m8S.mypiiu'&) verwandt seien, da die letstgenanntea
eine nähere Parallele in ai. syälds »Bruder der Fran« besitien. TgL
Br. Or. 12 § 223, 466, ühlenbeck a. a. 0. 352, PreUwitz> 135, Walde
578—579, 660, Hirt Ablaut § 119.
33) UrsL *idurb (asl. ipoYP'k »cicada«, iech. idr »Qrilie«, klein-
mss. Tt^Yph »Uferschwalbe«). Offenbar geht dieses Wort auf die idg.
schallnachahmende Wursel *(s)keu zurück, deren Hochstufe ohne das
»mobile «« in ursl. *kurb (asl. KOYP'W, slav. kür^ poln. kur, mss. KypBJ
bekannter ist. Vgl. lat. caurtre »schreien«. Vgl. Fick I^ 21, 380,
Walde 108.
32) ürsl. *i6ukb »Lftrm« (asl. iiio^K'k, kleinmss. nq^iCB) neben
ursl. *siukh id. (asl. ctoyk'K, pohL stuky russ. CTyir&]. Ablaut *{$)teu:
*(s)tou. Nasaliert tritt die Wurzel in poln. szozqk »Gebell«, szczqhai
»bellen« auf. Vgl. Zupitza Germ. Outt. 145.
38) Ursl. *iukb »Käfer« (bulg. xyin, obersorb. iuk^ poln. iui,
russ. TBLjVh) und *iukaii »summen« (6ech. iitkati^ russ. syicaTB) neben
ursl. *gukb »Lärm« (serb. r^, russ. ryiTB) und *gtikati »girren« (bnlg.
ryicaMx, serb. lyKaTH, slav. gukati^ iech. houkati, russ. lyKaTb). Auch
hier haben wir es mit einem Ablaut zweier Varianten einer schallnadi-
ahmenden Wurzel *goukr und *geuk zu tun (vgl Fick I* 36, 406,
Ühlenbeck Ai. Et. Wb. 80, 103, Prellwitz ^ 79, Walde 69, Persson 197—
198, Zupitza Germ. Gutt. 146, Bemeker a.a.O.,* Lid^n ABPh. XXVm).
Allerdings bringt Pogodin Gj^au 236 slav. iukb mit der idg. Wonei
*govr »Kuh« zusammen, indem er meint, der Käfer sei vielleicht schen-
weise »öchschen« genannt worden oder habe seine Bezeichnung Yom
Mist bekommen können, in den einige Arten dieses Insekts ihre ESer
legten. Dieser Hypothese widerspricht indessen die offenbare Verwandlr
schaft Ton ursL ^iukb und *iukati mit ursl. iuteh »scarabaeus« (asL
SKOV^Ki Ak, slov. iüiel^ russ. aKyse.n») und ursl. *iuiati (russ. xyxxan
mit sekundärem langem i), entschieden deren Wurzel nichts anderes ab
die »gebrochene Reduplikation« der onomatopoetischen Wurzel *geih
Der Seflex des mdogenna&isohen Dtplithon^ in im ünlavischen. 497
darstellt Mit anderen Determinativen hat sich diese Wursel in eerb.
x^Öop »Mfistem«, Rauchen, Rieseln c, slov. zubor id., mss. xyniTB
erhalten. In einer nasalierten Variante haben wir unsere Wurzel endlich
in poln. g^ga »Gans« und asl. r^rHHR*k fAoyiXdlogj sIoy. gognjäv^
ieeh. kuhhav^^ mss. ryrHHBUH, ryrHHBUH.
39) ürsL ^iuliii »abrinden« (serb. zf joith id., asl. o^ko^ahth
»stechen«) neben ursl. *guliti id. (serb. rf^jraTH, sIot. guliti). Über die
Etymologie dieser Wörter haben wir in dieser Zeitschrift (B. XXIX 166)
bereits gesprochen.
40) Ursl. hipa »Oau, Kreis« (serb. xyna, slov. iüpa^ Sech, iupa^
poln. iupa). Die Wurzel dieses Wortes wechselt mit der Wurzel von
ai. gopa^ »Hirt, Fflrst, Herrscher« in der Hochstnfe und mit der Wurzel
Ton ursl. *gbpan »Herr« in der Tiefstufe ab (a£ech. hpany obersorb.
/Hin, poln. pan). Vgl. Brugmann IF. XI Itl, Uhlenbeck Ai. Et. Wb. 83,
Hiyer LF. XXXI 104^107. Das| Verdienst dieses ist es, auf aiech.
Apan hingewiesen zu haben, was entschieden der Hypothese Brückners
widerspricht (Rozpr. Ser. U, X 331), da£ das westslavische pan ebenso
aus iupan entstanden sei, wie russ. cy^apt aus rocy^apL.
41) Ursl. *iuriti »stoßen« (serb. KypnTH »eilen«, slov, iüriit »nö-
tigen«, Ueinruss. acypHTH »Trauer verursachen«, russ. acypHTi» »tadeln«)
neben ursl. *guratt id. (serb. rypaTH, slov. gürati), Rozwadowski
Qnaestiones 8er. H 11 vergleicht diese Wörter mit got. gdurs »betrftbt«,
ohne diese schon frtlher von Zupitza Germ. Outt. 172 vorgenommene
Zusammenstellung zu kennen.
8t. Petersburg. O Iljinskij.
Der Dialekt von Mostar.
Ein berichtigender Nachtrag zu der Abhandlung H.Mllas' »DanaSnji mostarsk
. dijalekat« (Rad Jugoslavenske Akademie, Bd. 153).
AuJBer Vuk, der im Jahre 1836 einige Bemerkungen Aber die Eigen-
tümlichkeiten der südlichen Je-Dialekte gegeben hat, hat man bis auf die
neueste Zeit sehr wenig über die sprachlichen Eigentfimlichkeiten der
Hereegovina geschrieben. Ein Mönch aus Mostar, Joanikije PamuSina,
▲rehW fftr fUTifoht Philolofi«. XXIX. 32
498 Vladimir CoroTiö,
hat 2war in G,2(Hara3flH 1849 (Omic EnapxHJe Xepi^erosa^Ke) etwas
Aber die Aussprache einiger Konsonanten mitgeteilt, aber das war sehr
flfichtig und ongenfigend. Erst in neuerer Zeit, mit dem Anfsehwnnge
der dialektologischen Stadien, hat man sich auch mit den hercegoraii-
sehen Dialekten etwas mehr beschäftigt 1 895 schrieb H. Oj. änrmin in
Nastavni Yjesnik III »Njekoliko bi](jel^aka o govom hereegovaSkomc,
wo er nur die Eigentümlichkeiten der Sprache in der Osthercegovina be-
handelte. M. Milas gab sein Material über den Dialekt Ton Mostar, der
Hauptstadt der Hercegovina, in Rad Bd. 153 im Jahre 1903. Znletst
findet man wOTtvoUe Beiträge zn der Dialektologie der Hercegovina im
Werke H. Prof. JEtesetars »Der stokavische Dialekte, das in diesem Jahre
in den Schriften der Balkankommission der kaiserlichen Akademie d^
Wissenschaften in Wien erschienen ist. Das ist auch die einzige wissen-»
schaftliche Bearbeitung und Erklärung des Stoffes.
Die Angaben Milas' sind nicht immer ganz genau. (Er hat auch,
ohne daß das notwendig wäre, die Aussprache der Stadt Mostar dnen
Dialekt, mostarski d^alekat, genannt.) Auch die Herren, die Milas am
Anfange als seine Mitarbdter erwähnt und die ich gut persönlich kenne,
sind ftlr einen Forscher sehr wenig rertrauenswürdig. Beide (es smd zwei)
haben nämlich etwas mehr gelernt als die Normalschule, aber eine echte
Bildung haben sie nicht; durch Lektflre haben sie sich manches an-
geeignet, sind etwas mehr gereist als die anderen und haben endlieh mit
dieser den Halbgebildeten eigenen Hartnäckigkeit das Echte, Volkstflni-
liehe, das Unsrige mit Fremdem, manchmal auch ünvolkstflmlichem Yer^
mischt. Wegen der großen wissenschaftlichen Bedeutung dieser dialekto-
logischen Untersuchungen und noch mehr wegen der richtigen Teilung
und Au&tellung der dialektologischen Probleme in unserer Sprache, habe
ich — als gebflrtiger Mostarer — diese Arbeit unternommen, um auf das
Unrichtige und Unvollständige hinzuweisen. Damit aber die Übersicht
und Vergleichung leichter wird, werde ich die Reihenfolge Milas' bei-
behalten 1).
Ich finde es notwendig einige Bemerkungen Aber die Grenzen der
zwei hercegovinischen Aussprachen, der jekavischen und ikavischen
1) Es war nicht praktisch und gerechtfertigt von Milas, daß er nur das
ikavisohe Element in Mostar behandelte ; denn das Ikavische und Jekavisehe
(gesprochen, wie gewöhnlich, nach verschiedenen Religionsbekenntnissen)
fließt so zusammen, lebt so nebeneinander, daß es wirklich unmöglich ist,
beide auseinander zu halten.
Der Dialekt von Mostar. 499
yoraiiBSlUcIlioken, besonders jetzt, nach dem Erscheinen des Werkes von
H. Prof. Resetar. Damit werde ich, soviel es möglich ist, etwas mehr
detaillierte, genauere Begrenzung aufstellen.
Die Grenze der beiden Aussprachen, die Resetar in seiner dialekto-
logischen Karte bezeichnete, also die Grenze mit dem Narentaflufi, stimmt
im großen und ganzen : auf dem rechten Ufer spricht man ikavisch, auf
dem linken jekavisch. Die Bevölkerung von der Mündung des Narenta-
fluBses, von Imotski, dann von Slroki brijeg, Ljubuski (in der sogenann-
ten Bekija), fast hinauf bis Lijevno, kann ein einheitliches sprachliches
Element vorstellen. Hier kann man auch eine starke Beeinflussung zwi-
schen Sfidwest-Bosnien und West-Hercegovina einerseits und Dalmatien
andererseits konstatieren, wo öfters vorkommende Aus- und Einwande-
rungen dem sprachlichen Bilde viele neue Farben und Schattierungen
gebracht haben. Von Mostar hinauf bis Eonjic, dazu gerechnet am linken
Ufer noch die ganze Gegend, die durch Prenj planina, Borke, bis hinunter
anf Raska Gera begrenzt ist, ist ikavisch. Die Gegend von der Narenta-
qnelle bis hinauf gegen die türkische und montenegrinische Grenze, dann
die ganze sogenannte »obere« Herc^ovina: Gacko, Nevesinje; weiter
Bileda, Trebinje, Hum, Popovo polje bis Gabela sind ganz jekavisch, aus-
genommen den westiichen kathoUschen TeU des Popovo polje und die
Gegend zwischen Stolac — Capljina — Mostar, Dubrave, wo die Katholiken
und Mohammedaner eine überwiegende Majorität haben. Doch auch da
ist die ikavische oder jekavische Aussprache nicht die ausschließliche:
es sind doch immer einzige Sprachinseln, im ikavischen jekavische, im
jekavischen ikavische, in denen die Orthodoxen ihre und die Moham-
medaner und Katholiken wieder ihre Aussprache behalten: so in Ljubuski,
Öapljina, Tasoviiöi sprechen die Orthodoxen jekavisch, auf der anderen
Seite wieder spricht man in Gnojnice (katholisch], PodveleSje (mohamme-
danisch) ikavisch.
Die Geschichte der Sprache zeigt eben dasselbe auch im Mittelalter.
Die Urkunden aus Bosnien und der Hercegovina sind teils ikavisch, teils
jekavisch, teils gemischt geschrieben, einige sogar mit solchem bunten
Durcheinander, daß man da wirklich nicht Bescheid weiß. Die Urkunden
der bosnischen Herren und Könige sind größtentdls ikavisch, aber nicht
ausschließlich: die Briefe des König Ostoja sind fast alle ganz ikavisch,
die des Tvrtko dagegen weisen sehr oft rein jekavische Formen auf. Aus
Srebmica schreibt man 1424 ikavisch; 1437, 1447 ekavisch (nepoBaHB,
eB€j|OY(te, HecMO, CTenany — JireSek: GnoMeHHXtH GpnoKH, Cno-
32*
500 Vladimir Öoroviö,
MeHHK Xly S. 86 — 87). In der Hercegovina findet man sehr oft, sogar
öfters jekavisch, ab ikavisoh, oder gemiseht. Pribisav Pohvali6, der
Gesandte Sandaljs InRagusa, sehreibt ikaviseh; aus Drijevo, dem jetsigeD,
rein ikavisehen Gabela, hat man reine Jekavismen. Ans Trebinje zwei
Briefe, beide verschieden : der eine ikarisch, der andere jekavisoh. Es
ist zwar sehr schwer, ja unmöglich, dardber etwas Positives zu sagen
anch deswegen, weil manches von den Schreibern, deren Heunat and
Geburtsort uns unbekannt ist, abh&ngt und auf ihre Aussprache znrflek-
zufllhren ist. Deswegen habe ich andere bessere Belege in Grabinschrif-
ten gesucht, die aber auch nicht ganz einwandfrei sein können. So finden
wir ikavische Formen ausr dem XIV. — ^XVU. Jahrh. in Po\jiea (Popovo
poilje) nopHKiaoML, in VeliSani (Popovo po^e) CTHUKa, Vrhpolje no^KDi,
Arapi (Mostar) : qoBmcs, scnqe, OpIiSi6i(Stolac): npEMe, 8ch^€, Batimnja:
CTHnana, ÖHjran», Boljuni: CBne (auch cneqe). Ekavisch und jekavisch:
Zavala: Acjoy, jceTo, Dui^i: j[6to, neiCH, cMspHO, Fojnica (bei Gaeko):
Hec(ci](a), j^itomislid: MeceiiHHKa, Meceua, Ö^jniie: bo^hh, bgk, Neknk:
CHs^e, Vlahoviöi: £He.i]dki>, hh6ch, Milavad (Dabar polje): Öiucfb,
CH€qe, Simiova (Bileda): I(BHeTKa, N^anoviö: rpexe, Svitava: GTienar
HOBa, BpneAH, Miljanovid: Bcne^e, Gradac: scne^e. (Alle Zitate aus
dem Werke Lj. Stojanoviö'ä: GrapH cpncKH aanncH h HaTnncH, I — ^UL
Eeorpa^ 1902 — 1905.) Die Formen mit e sind entstanden entweder
deswegen, weil die Schreiber nicht das^e oder ye auszudrücken wußten,
oder aus Verwechslung mit dem $; jedenfalls haben sie da nicht % aus-
gesprochen.
Milas hat gut bemerkt, daß bei dem Reflexe eines langen i nicht ije
sondern \e ausgesprochen wird, hat also die Ansicht Besetars in dieser
Frage gut dokumentiert (s. Arch. fttr slav. Philologie XTIT). Ich kann
auch in bezug auf die Aussprache des langen ^ unter faUendem Akzente
seine Richtigkeit konstatieren : ye bei den Orthodoxen ; die Mohammedaner
und die Katholiken haben t . Interessant ist, daß unsere Bauern ans der
Umgebung von Mostar, in der Aussprache eines solchen i mit den Be-
wohnern Montenegros und der Bocche von Cattaro fibereinstimmen: sie
haben da auch ein zweisilbiges ye, wo das e lang ist (ye): sltjepj fi/eüi.
Eine richtige Behauptung hat Resetar in seiner neuesten Studie
(»Der äto-Dyalekt«) stark betont: »in der Tat gibt es weder auf serbo-
kroatischem, noch überhaupt auf slavischem Gebiete einen noch so un-
bedeutenden Dialekt, in welchem dem urslavischen i in allen Filkn ein
Der Dialekt von M ostar. 501
mid derselbe Reflex entsprechen wttrdec (S. 67). Ans nnserem Dialekte
fthre ich einige Beispiele dafür an: nisam^ nisi^ kukurikaiiy garitij sir
gjetiypripotigjeti^ der sehr verbreitete Familienname £f7tV, die regelmäßig
anch von Orthodoxen gebrancht werden. Nnr neben sig/eti hört man oft
aneh sjeg/eti, welche Form anch in der iüteren Sprache belegt ist. Die
ikavischen Katholiken und Mohammedaner haben dagegen nemam (in
älterer Sprache H^MaH), sehr selten nimam\ ohe^ ohedvi (neben ohi^
oüdvi^ nnd sogar aneh obadvij'e, die jetzt die verbreitetste Form ist),
neki. Bei den Orthodoxen kommt trotz grehota^ grjeinik vor, anßerdem
noch prjeönik (der Diameter, ans der Schnle) nnd rjeönik ; anch gorje^
oben. Die Formen sind interessant; denn wenn die Begel lantet, daß in
kurzen Silben nach einem r für % ein « steht, wamm sollte es dann nicht
anch greinik heißen? Oder ist grehota als volkstflmliches nnd grjeinik
als kirchenslavisches Wort zn erklären? Fllr älteres Tp%6t «ctb haben
wir kein trijeheje (welche Form in einigen Dialekten vorkommt), son-
dern nnr treba^ potreba. Die Ikavci haben triba^ potriba.
Vor o nndy, dann im Part. act. n sollte %, nach der festen Regel,
za i werden. Aber es kommen doch sehr oft die Formen vor, wie viitßo
(ans bha^ji'b), smjeo^ manchmal anch razumjeOj hijeo nnd y'eo\ außer
diesen noch poleöeo, sleöeo. Ich habe in Mostar nie gehört poletat statt
poli/etatt (bei nns spricht man nur polijeöati und poliöati)^ was Milas in
seiner Abhandlung anftthrt.
Resetar sagt an einer Stelle (S. 73 — 74), daß oft ein etymologisches
i beziehungsweise e als S aufgefaßt und jekavisch wiedergegeben wird ;
besonders geschieht das häufig bei vor einem r stehendem t : pästifer
(schon im XYU, Jahrh. belegt), kösi/er. Ich fahre die folgenden Beispiele
ans Mostar an: poitijer, arabadiijery talij'er, karocijer^ manchmal auch
krumpijerj iestijer^ putijer. Ich fasse das auf als eine Beeinflussung
dnroh die italienische Sprache, die uns ttber Dalmatien herkam, ans den For-
men wie: cameriere^ ostiere, carrozziere; wo also nach der italienischen
Endung iere unser ijer entstand. Interessant ist von einer Grabinschrift
aus DoAe Hrasno (unweit von Dalmatien) die Form wBAnep (SannoH
No. 4880), welche sicher analogerweise entstanden ist.
durmin in seinem Aufsatze fahrt an, daß in der Osthereegovina
zwischen i, p, v, m, wenn ihnen ein/ folgt, kein / eingeschoben wird.
FOr die Oogenden von FoSa und Novi Pazar kann ich nichts bemerken,
weil mir die dortige Aussprache unbekannt ist, fOr Oacko dagegen kann
ieh bestimmt behaupten, daß dort iit^eti, trpleti gesprochen wird. Bei
502 Vladimir ÖoroTiö,
HÜB aber sind die Formen grmiti^ trpiH^ svrbiH viel häufig. Milas be-
merkt, d&B in MoBtar jeder spricht: letttj vidity vrtit\ man hört aber sehr
oft auch : leöeti^ vüteti und etwas seltener vröeti.
Daß man von den Katholiken and Mohammedanern durch falsche
Analogie jetzt t/eca ffiipticaj tica^ vijeno fOr vinOj mjei fttr mU spreche,
hörte ich von Milas znm erstenmal. Wenn er das anch gehört hatte,
so war das nur eine schlechte individuelle Aussprache.
Ich bemerke noch, da£ in Mostar auch fiija (statt j^ry'i^) va^^praska
statt hreikva zu hören ist, was H. Zgrabli<5 als einen Reflex des \ im
Öakavischen bezeichnet hat (Öakavski dijalekat, Pula 1905, S. 12)*).
Milas sagt, daß für irinem se öfters brenem se gesprochen wird; —
ich habe das nie gehört, ebenso nicht die Form tddahat ftlr uzjahati.
Es wird gesprochen fttr u ein t: dili fttr duli^ was dem Wechsel bei
cupoBi — surov — siröv entsprechen könnte. Dazu noch budnem und
bidnem.
Daß bei den unbetonten Silben die Eontraktion des oo zu ö ein»
treten kann, ist schon lange bekannt auf dem ganzen Gebiete unserer
Sprache und würe auch in Mostar nichts neues. Daß aber in Mostar bei
den betonten Silben, meistens zweisilbigen, dasselbe geschieht, wie Milas
es sagt, steht nicht fest Do neben dao, ato fttr stao hört man in Mostar
nur von Leuten aus der Provinz, besonders aus der oberen Hercegovina.
Die Form iüpo^ die Milas anfahrt (von iupa^f habe ich in Mostar nicht
gehört, wohl aber pedo von peda^j was mir dann die erste Form ganz
wahrscheinlich macht. Bei den unbetonten Silben kann bei uns aach die
Kontraktion des eo zao eintreten: vHsOj fizo, pdid^ dtd; bei den beton-
ten aber nie: i6Soj srnßo, srSo, »urmin bemerkte fttr den Dialekt von
Sarajevo, daß die Kontraktion des eo zu o nicht dntritt, wenn das eo auf
io zurflckzuftihren ist: idSo, poleöeoy vüeo. Bei ideo glaube ich, daß
die Kontraktion deswegen nicht emgetreten ist, weil das e betont war;
und statt vüeo spricht man bei uns immer nur vüo. Wie ich konsta-
tieren konnte, kann diese Kontraktion nur dann nicht eintreten, wenn
dieses eo von solchen Verben kommt, wo ein d (aus t-^-i) im Infinitive
steht: doleöeti: doleöeo. Auch oo (aus ol) ergibt ein o. Nur das Bei-
spiel l^as' moba in der Bedeutung: »eine Bitte«, also fSr daa flbliche
*) Präskva ist gegenüber /»er«tea» wie bulg. npacxa, durch Übergang des
metathetischen pi in pm, pa zu erklären, wie dräA, Slter opuxK, neben opin—
orih [arjeh?) — oreh. Die andere Wortform hrJhkva (ikavisoh hrUka) beruht auf
dem deutschen Medium phSrsich (ph^f^ h). V. J,
\
Der Dialekt von Moetar. 503
molbn^ ist nicht richtig nnd moboj die Arbeit, ist bei uns flberhanpt nicht
bekannt
Bb ist aber interessant eine andere Form: vom älteren Verbnm
nariHATn, cbi^hath. Im Akad. Wörterbnche nnd sonst ist bekannt
nnr die Form nagnutiy darans nagao, welche der filteren wohl entspricht.
Bei nns aber ist üblich nnr die Form nageti^ sageti^ darans nageo nnd
ntigoj sago. Das ist die Beeinflnssnng der Formen I./5. Klasse, der Verba
wie HanATH, b^sath, napeti, uzeti.
Über die Aussprache des Lantes h fllhre ich hier meine Bemer-
kungen an, die sich von Milas' ziemlich unterscheiden. Milas sagt näm-
lich, daß bei uns h ausgesprochen werde wie Spiritus asper oder das deutsche
h. Er bemerkt noch, daß aus dem Arabischen zu unseren Hohammeda-
nem ein A-Laut gekommen sei, ein Laut, bei welchem »dah iz plu^e
odTod dere kroz grlo«. Am Schlüsse des Wortes, sagt er, wird es aus-
gesprochen oder nicht, nimlich man braucht »fino uho«, um es hören zu
können ^). Ich habe konstatiert, daß im Anlaute h sehr schwach, nur
wie eine schwache Aspiration zu hören ist: 'o/o/, ^aj'de, *\ßba. Im In-
laute hört man das h deutlich: öoha^ muha, suhq/a (ein langer magerer
Mann), aber noch immer nicht mit einer so starken gutturalen Herror-
bringung wie man da%zum Beispiel von den Ragusanem hört. Im Aus-
laute ist der Laut, wenn er nicht zu k wird, kaum wahrnehmbar : su(h)j
milodt^. Im Inlaute spricht man sehr oft v statt A, besonders in den
Dörfern der Umgebung: Sota neben dohüj ausschließlich duoa^ kuvati
neben kuhatü Aufier v vertritt das h sehr oft auch der stärkere Laut k,
besonders im Auslaute:, dük. Im Inlaute: drktati^ daktati^ daköem,
also hier yor einem t, denn sonst bleibt das h. Aus hv entsteht immer
ein f: pofaljen^ fal^i facaü. Es ist noch zu bemerken, daß in der
1. Pers. Sing. Aorist das h fast gar nicht zu hören ist: reho^^ ispekcf^^
sieko^.
Über einen interessanten Laut des hercegovinischen Dialektes, wel-
cher weder i noch s ist, sondern die Mitte zwischen beiden annimmt, hat
Stojan NovakoYid in der Vorrede zu den Yolkserzählungen Vuk VrSeviö's
(GpncKe napoxHe npHnosigeTKe. EnorpsA 1868) etwas ausflihrlicher ge-
sprochen (8. X — XI). Der Laut entspricht dem polnischen i, kommt bei
1) Milas spricht in bezug auf den Laut A, daß er oft auch dort gebraucht
wird, wo er nicht vorkommen soll, und führt unter anderem auch die Worte
an: Zakmn^ hoda, hifadOf hrana. Glaubte er wirklich, daß da das h nicht vor-
kommen sollte? XiAc« für liiee wird in Mostar nicht gesprochen.
504 Vladimir Öorovid,
der VerbiBdang 8 +je vor, wo nach 8 ein Je als der Reflex eines t steht
Interessant ist anch, daß die Lautgmppe s + v§ zn demselben Resultate
gelang da das v ansfiUlt: cB^^TonaTH — injeTosaTH, cb%xoüth — mje^o-
^HTH. In den älteren Denkmälern unserer Sprache wird manchmal
dieser Laut als ui geschrieben, den man sonst mit c wiedergibt.
Bei dem Übergange der Lantgruppe 61 in il^ i^ nnd dieser in ij:
clanak — ijanak^ Sjuk — Huk hätte Milaa beim ersteren Beispiele ans-
drflcklich sagen sollen, daß das nur am rechten Narentaufer von den
Katholiken, besonders aber von den Mohammedanern gesprochen wird,
das zweite Beispiel aber war hier ttberflflssig, wenn man schon einmal
gesagt hat, daß l bei den zwei erwähnten Bevölkerungsschichten (bei den
Katholiken nicht so oft) als/ vorkommt. Und außerdem sollte an zwei
ältere Formen dieser Worte erinnert werden: an ikljan^ die als dne
Übergangsstufe zu betrachten ist, und an die sluka (für {Ijtdca)^ die
Form, die bei Belostenec belegt ist.
Neben plata^ was Milas anführt, hört man noch häufiger placoy und
neben kuöni auch kuönji. An einer Stelle hat er wieder nicht die wahre
Bedeutung zweier Wörter auseinandergehalten, bei oddepiti und oSepiii,
Odö^piti oder besser o^öepiti^ mit dem kaum yemehmbaren d^ heißt
»entsiegeln«, »den Stöpsel herausnehmen«; o6ipiti^<ASti »jemandem auf
den Fuß treten«. Beim ersten Wort, wie auch bei odietati (Milas schrttbt
oietati) hört man immer nur ein wenig tou dem d.
Neben ffrackiy lucki mit r, was Milas anfflhrt, sagt man noch: bracki
und packt. Neben glavna hört man viel öfter glamna. Das Wort Sovjeky
sagt Milas, hört man als dojk^ iofk ; in der Tat kommt viel öfter vor
iojekj öojekay im Vokativ aber dode neben öojeie^ bei den Mohammeda-
nern öovik.
In § 55 sagt Milas, daß das k ausfällt in: neakav^ neako. loh füge
hinzu noch preo, pro fOr preko. Preo wird gebraucht mehr in den be-
nachbarten Dörfern, preo hrda^ preo po^ja^ pro dagegen mehr in der
Gegend von Nevesinje: pro phmine.
Die Formen koita^ ködern^ die als Kontraktion von kojeüa^ koje-^
iem bei Müas angeführt sind, sind mir ganz unbekannt, ebenso wie die
Formen neite^ Koite für nedete^ hoöete. Nei und Koi 2. Pem. sing.
Präs., dann die Form net^ die auch als die 2. Fers. sing, neben nei
gebraucht wird, bestehen bei uns. HM fttr Koi^ hodei wird seltener
gebraucht.
Das n am Schlüsse der Formen Mman^ vornan^ naman habe ieh
Der Dialekt von Moitar. 505
nicht gehört (dieses n da wftre ein parasitiBches). Wenn man aber bei
den Katholiken beim Verbnm -t» für -m hört, so ist das sicher als eine
Beetnflossnng von Seite der dalmatinischen Dialekte zu betrachten : redefiy
zapovidin vam. Aber wie schon Resetar konstatierte, hält sich im Aus-
laat das m bei den Formen, denen um eine Silbe längere, vokalisch aus-
lautende Formen zur Seite stehen (S. 125): dim^ sam^ wegen des m von
difna^ sama. Außer bei den Verben habe ich dieses ntfBa^m nirgends mehr
hören können.
Oft werden den Adverbien in Mostar die Suffixe na, kana, auch r,
hinzugefOgt: ovdena^ ondena, tamokana, ondar, tadar. Man hört auch
iakodena und durch Metatesis: voiena neben ovdena. Die Silben kana
werden auch den verschiedenen Pronomina in Dai, Instr. und Lok. plur.
hinzugefflgt : namakana, vamakana, nimakana] im Sing, bekommen die-
sen Zusatz Gen., Dat., Lokativ: negakana, Aemukana, onogakana.
Dieses kana wird oft zu kara : onogakara, i^emukara, itimakara.
Die Formen des Gen. Plur. kötla (neben kotdlä)^ klüfkäy kop^ä
und kopajaj die Milas anfOhrt, sind sehr selten, viel häufiger: kotala,
Idufaka oder klupaka^ kopala. Säb^a fiOr sabala, was MUas zitiert,
habe ich niemals gehört. Ebenso habe ich niemals in Mostar von jeman-
dem gehört den Gen. sii^. päsa von päs, sondern immer nur p8&. Yok.
pase ist auch ganz fremd unserer Aussprache, man kennt nur ps'i oder
psü (psüjedan!). Auch die Vokative, von denen Milas sagt, daß sie nur
u haben, wie glaoäru, närodu^ r&du^ lavuy haben viel öfter e: glatare^
narodßy lave\ rod hat nur räde.
Im Nom. Plur. können auch folgende Worte die erweiterte Form
haben, die Milas als Beispiel fOr das Gegenteil genommen hat: sni und
nuHimovi; od — o6evt\ miii — mtievi] bubiii — bubnevi; ieil% — dei-
^t; lakti — lakt(wi\ jarci^-jarcevi. Die Beispiele wieder, fttr die er
sagt, daß sie nur die erweiterte Form haben (»samo s umeikom«), können
auch anders lauten: brkovi auch brci; duhovi — duHi cirovi — ciri;
diveravt — diveri
Männliche Namen, die schnell ausgesprochen werden, in Zorn und
nit einer Verachtung (oder wenn man sie von der Kindheit an behält),
kaben kurzen fallenden Akzent und bekommen einen Suffix ka oder da.
Bei den Namen Märka von Marko und Jlha von Jovo ist das nicht so
auffallend, desto deutlicher bemerkt man das aber bei diesen: Rtnda von
JRüto, SvStko von Svitozar (hypocorist Sveto)\ Stöjka von Stdjan\
Viatita oder VUda (hyp. Vlädo). Das Paradigma MUas' Hrcoje hat
506 Vladimir Öorovi^,
nicht den richtigen Gen. Sing. Man spricht nicht Hrvoje — Hrvoje^
sondern wie Spasoje — Spasoja so anch Hrvoje — Hrvoja. Auch der
Gen. Sing, von nie TmAjaje ist nicht ausschliefilich uia und J(i/a^ son-
dern anch uieta xm^jq/eta. Daß die Orthodoxen im Gen. Plnr. sprechen:
dtjela, mijestaj kälijenä ist nicht wahr nnd noch weniger, daß neben
dijela meistens d^dlo, iilä rorkommt.
Der Dat telacim von teoci ist mir nicht bekannt, ebenso wenig wie
pazuhim von pazuho, (Ich weiß nicht, ob dieses Wort überhaupt im
Plnral vorkommt) Wie bei den Substantiven neutr. gen. so auch bei
diesen fem. gen., welche Milas als bei Orthodoxen vorkommend bezeich-
net, muß ich betonen, daß ich sie in Mostar niemals gehört habe : myera^
vijera, pijega^ sondern immer nur, wie dort djela^ mj'estaj kofena^ so
auch hier mjera^ vjera^ pjega.
Der Yok. von kukavica kann, wie bei straüvica^ kukavico lauten.
Alle anderen Worte auf ica haben nur e im Vokativ.
Die Form sa iderom^ iöerom, ein Dalmatinismus, habe ich in
Mostar nicht gehört ; möglich, daß Milas sie nicht als seinen Dalmatinis-
mus gefohlt hat. Als Nom. sing, hört man iöer nur bei den Katholiken;
bei den anderen iöi. Ein Dalmatinismus (Ragusanismus) ist auch der
Gen. plur. pHi von prsi statt unserer Form prsiju.
Der Nom. Plur. von nit lautet am häufigsten fäti {moje nüi)\, die
beiden anderen Formen, nite und nita^ kommen seltener vor. Man sagt
nicht, wie Milas anfahrt: ja smo % onjedmh doba, sondern jednoga
doba und gewöhnlicher y^cfmA godina. Statt u $vako doba kommt ge-
wöhnlicher der Plural u svaka doba vor.
Neben katkad (itokad, das Milas citiert, ist mir völlig unbekannt)
kommt noch öfters eine interessante Form : dähkad. Wie diese Form au
erklftren ist, dieses däh^ ist mir gar nicht klar. Ob da vielleicht nicht
etwas vom Türkischen oder Arabischen steckt? Das Wort hat eben die-
selbe Bedeutung wie katkad oder gd/ekad*).
Bei uns kommen auch sehr oft vor die alten Formen für den Dat
Plur. nty vi; die Akkusativformen fie^ ve haben wir nicht mehr. Den
Akk. plur. nje von 8n habe ich in Mostar noch nie gehört. Auch nicht
die Verbindung, wie diese, welche Milas anfahrt: onjeje vidio. Fremd
ist mir auch das Wort niite ftlr niita.
*) Der Verfasser hätte auf das im akad. Wörterbuch zitierte da- da, auf
däda, däiäi verweisen können, welches jedoch nicht richtig mit dem
sehen gäh verglichen wird. V. J,
Der Dialekt Ton Moetar. 507
Das Adjectivurn von Bog ist boijij nioht boiiji (boija H 9jera)\
bei vraüji hört man ebenfalls das erste i kanm. Der KomparaÜT von
$vet lautet nur svetifi] svedi, was Milas anftlhrt, besteht bei uns gar
nioht Ebenso besteht nioht der Komp. gustiji neben dem übliohen guiöi
von ffust.
Im § 106 sagt Milas, daß nur die Poss. A^eotiva auf ^t, ski die
bestimmte Form haben; die anf ov {ev)j in^j nur unbestimmte. Und fttgt
hinzu: >ali katkad so ipak cuje na pr. Matinoga, Matinome, babinome i
dr. « Ffir die ersten stimmt das, man sagt nur : boiyega^ mostarskog^
aber fittr die letzten ist die Behauptung zu unsicher. Nicht manchmal
[katkad)y sondern sehr oft, ja viel mehr, werden bei uns die bestimmten
Formen gebraucht: babinoga, Perinome^ Matinoga^ ievojdinoga^ de^
dinom. Nur einige von diesen Adverbien haben immer nur unbestimmte
Formen und zwar, wie es mir scheint, wegen des Wohlklanges: ixgina
fftit aginogOy daidiin-daidiina (nicht daidiinoga), amidiina^ Hijina.
Die Formen werden so gemischt gesprochen und bestehen so nebeneinan-
der, dafi man da nicht eine Regel ausfindig machen kann: »Preskoiio iz
begova vinograda preko dizdarevoga mrgi&ac.
Beim Z&hlen, sagt Milas, hört man in Mostar jedan i dvädes^ dva
i dvddes. Ich habe das noch nie gehört, außer in den Fftllen, wo man
sagt dva % dvadeset^ um auszudrücken : zwei Gnlden und zwanzig Kreu-
zer. Wieso er zu dieser Behauptung kommen konnte, ist mir ganz un-
klar, denn auch in der Umgebung hört man das nicht.
Von Adverbien, die Milas anfahrt, werden in Mostar selten oder gar
nicht gebraucht: iiokad^ prekojuder (sondern prekjuSe)^ prekolani
(sondern preklani)^ drugoik. Aber sehr oft kommen diese, von ihm
unbemerkte. Formen vor: zäksjutra ,überttbermorgen' und zälyuöe
,vorvorgestem'. Von Präpositionen sind uns fremd: prez (sondern bez
und brez^ daher auch weiter gedrungen breaposUn)^ sowie suproö.
Das Imperf. von peöi lautet pecyah^ die Form peSa^ die Milas da-
bei erwähnt, ist mir unbekannt. Ebenso die erste Pers. von Meti: kun^a^
— kuAaie ist unbekannt. Von iuti kommt das Impf, sehr selten vor,
mehr von sluiati, Nositt hat in der 3. Pers. Plur. neben nosahu noch
Öfters noidhu. Der Imper. von jesti : jeÜ ist uns ganz fremd. Ebenso
die Form sptmi^ für welche wir gewöhnlich spasti haben. Die Form
stSä kommt nicht vor, ebensowenig sikä (fllr diesem so geschriebene,
Form weiß ich flberhaupt nicht, was sie bedeuten soll); sida sollte wohl
das Impf, oder Aorist sein, aber letzterer lautet: sikoh^ süe^ siie, und
508 Vlftdimir Öoroviö,
von sßdi haben wir kein Impf, (dieses wird gemacht vom Verb. 9ye6i
und lautet: sikah^ aikaie), Sida oder sj"i6a ist wieder was anderes.
Aüoh die Form Uca existiert nicht; fllr tecaie, das Milas anfthrt, ist
besser nnd gewöhnlicher: tecijaie oder teöaie. Alle die Formen wie
vüka^ tü6ä^ ieiä sind sehr selten. Odert kommt nicht vor, wohl ^oderie.
Sätranty die Form fOr 1. Pers. Sing., fOr sairem, höre und lese ich znm
ersten Male bei Milas, ebenso wie die Form zövla ftr zovnuta. Von
trdati ist die 3. Pers. Plnr. Praes. gewöhnlicher tr6e als trSu, Stajmo
kommt selbständig nicht vor, sondern nnr zusammengesetzt: ostajmo\
sonst stojmo. Das Impf, von imati lautet entweder imadija oder imadä^
nie aber imada, Zjati hat als Praes. neben dem selteneren zjajem viel
öfters zjam. Als Impf, von htjeti kommt neben hotijah auch idah^
iöaie usw. vor; die Formen Milas' iöeda, idedaie sind bei uns nicht im
Gebrauche. Als Gerund, praes. hat man neben hüjuöi auch stijfuöi. Die
Form des n.Fut biöu hvalio oder/a 6u bit hvalio ist mehr eine Form
der Schriftsprache, im Alltagsleben hört man sie bei uns nicht
Die Präposition proti ist selten, viel häufiger kommt protiv mit dem
Genitiv. Mit dem Dativ, wie Milas sagt, kommt protiv in Mostar gar
nicht vor.
St. Novakovid hat im Arch. fftr slav. Phil. (Bd. IV, S. 515) zwei
Formen : muie und iio no rijek als Archaismen betrachtet. Die Bei-
spiele fllr mude^ die er anfllhrt, sind eben einem Mostarer Schriftsteller,
Joanikije PamuSina, entnommen. Die Form besteht auch heute noch.
Fflr die Form ito no rijekj wo Novakovid rijek als altes part. praet. aet.
betrachtet (Jagi6 hat in einer Bemerkung sein Bedenken darflber ausge-
sprochen), möchte ich lieber glauben, daß das fllr ryei^ ito no ryeS
steht. Das von ihm angefllhrte Beispiel spricht gar nicht dagegen : »Kaji
HM je OBaKO ÖJiHsy, mTono pnjeK npeT KyhoM Enorpa^t . . .< Denn in
Mostar wird auch so gesprochen, mit derselben Bedeutung.
Für die Anwendung des Instrumentalis im gekflrzten Vergleichungs-
satze, was Resetar in Pr6aA konstatierte, habe ich aus Mostar mehrere
Beispiele: diamadafiy ito ga je on momkom nosio\ i dwojkom je
iöela da nikom duzna ne ostane ; ako mlada budejunetom ko ieletom^
valaöe^ sagt man fOr eine Braut, der man aus ihrer Kindheit nur gutes
nachsagen kann.
Besetar hat in Brod in Slavonien eine neue Art des Verbotes ge-
hört: neka^ nekate : nika dirat^ nikate peovat in der Bedeutoag
nemdf\ nemojte und glaubt, daß »diese Art, ein Verbot auszudrflcken,
Der Dialekt von Mostar. 509
nur im Dialekte von Brod in Slavonien vonukommen seheintc (8. 2 1 8).
In Mostar wird aneh ndkoj ndkaie fOr netnoj] nemojte gebraucht, nur
niemala mit einem Yerbnm : neka ioie^ nekaie ludi, nekate brctöo^ nie
aber nika diratj nekate peovati. Nur in einer Phraae ist die Form
flblieh: nekate^ braöOy duie grijeiiti.
Wie ea im Dentachen vorkommt, daß manche Worte abBichtlich,
ans Furcht oder Frömmigkeit, nicht mit ihren wahren Lauten ausge-
sprochen werden, wie o Jerum statt o Jesus, Sapperlot oder Sackerlot
fiBr Sacrament, Pfui Teuxel statt Teufel (0. Behaghel: Die deutsche
Sprache, Leipzig 1904. 8. 105), so ist auch bei unseren katholischen
Bäuerinnen sehr oft zu hören : Bora mi ftlr Boga mt\ iavo statt dävo.
Der Wortschatz in Mostar ist außerordentlich reich; ich selbst habe
fOr das Wörterbuch der Serb. Akademie über 700 Worte zusammen-
gestellt, die bei Yuk nicht zu finden sind. Milas hat am Schlüsse seiner
Abhandlung eine ziemlich große Zahl unserer Worte aufgezeichnet und,
wenn es notwendig war, erklärt. Auch Besetar hat seiner Studie ein
Lexikon zugeftlgt. Ich werde mich hier darauf beschränken, nur die Be-
deutung einiger Worte, welche von Milas aufgezeichnet sind (M.), zu be-
richtigen und einige, die Resetar (R.) als nur in Ragusa oder irgendwo
anders vorkommend bezeichnete, auch als in Mostar vorkommend nach-
zuweisen.
Anika (R. sagt in Ragusa nur von Edelfrauen gebraucht, bei uns
allgemein); bytakmiä barjakj bajraktar jm^ barjaktar\ bäsma (M.)
ist schlecht erklärt als »sareno od^jelo« ; das ist eine Art von gekauftem
Tuch; bddra f. (R. hat das Wort als f. nur in Rag. und Ozriniöi aufge-
zeichnet); ddlma (M. »strop oblijep)enc), auch eine Art Speise; vom
itaL giacchetta haben wir ein diaket ; M6e f. pl. für latein. domus (M.)
ist sehr selten, sondern ku6a, oder in anderen Casus dom\ mäntati se
(R. in Spalato) ; nämjestiti groide : die Trauben bei der Weinlese ver-
kaufen; nasamdriti: jemanden aufisitzen lassen; naposmk (R. in Rag.
und Pr5a£); p^tica die Note 5 in der Schule, auch die Banknote von
10 Kronen; desetica ist von 20 Kronen. Das Mehl Nr. 2, 3 usw. heißt
auch in Mostar (R. in BrSka) : dvica, irica, petica, sedmica, osmicoj
devetica; pdstava (R »Art Oefäß): das Futter; poiprdivati se (K in
Rag.); pr^tlati und auch: opret^ati und napret^aii mit derselben Be-
deutung: dick werden; püki :püki siromah ein Mann, der gar nichts
hat (R.: »ipsissimusc); samäta (M. schlecht erklärt: »sareno od^jelo«),
das ist: der Sammet; salämet (M.), öfters selamety (M. »sre6ac) heißt
510 Vladimir Öoroviö, Der Dialekt von Moetar.
»Olflok bei einer üntemehmimg« ; sndffa : mala sndga (R. in Rag. PrS.
»die Ohnmaobtc), bei uns heißt es mäUca snaga; stätiona (M.), daneben
öfters statt; erna »die Wage« ; itäpati se (R. in Rag.) bei nns nnr po-
itäpati se; üzrignuti se (Res. in Rag. Pri.); zmicak (R. in PrS.}, bei
nns nnr cmtSak] zatrüdit (M.), noeh Öfters zatrudniti »scbwängernc;
zuhi kudni (M.) ist woU nicht richtig: man sagt zubi kutAi oder kutAaci.
Nosi hnigu u procipi [procijepi) ist bei Milas nicht gut erklärt:
^prodjep^ ono, n Sem nose uSenici k&ige n skoln«. Die Schfller tragen
die Bfloher in einer canta oder amaßija\ procijep ist dagegen ein ge-
spaltener Stock, in dessen Einschnitte die Boten Briefe tragen. Ci£i ko
zmija u procijepu! Das ist ein allgemein bekanntes Qleiohnis, in wel-
chem die wahre Bedentang des Wortes steckt.
Zwei sehr interessante Phrasen sind in Mostar üblich : predrijeti mu
macku, predire mi madkuy dere mi maiku: »einem imponieren«, oder
»er imponiert mir« nnd udari kj^uö iz nega^ wenn einer plötzlich anszn-
speien anfibigt. Woher die erste Phrase kommt, ist mir unbekannt, mög-
lich doch, daß da, wie in vielen Fällen bei nnseren Sprichwörtern nnd
Gleichnissen, eine kleine Volkserzählung den Ausgangspunkt gab.
Ungenan hat Milas in seiner Abhandlung folgende Worte betont:
VMei (es soll sein : Vilei), dgniite (es soll sein : dgntite), bezbili (es
soll sein : bezbeli)^ Sifteli {iifteli), f^povalo, käpovala (kupdealOj kor
pdf>ala)j dr'veda (d^rveda)^ Uta (Uta) ; das Praes. driite ist fremd mit
dieser Betonung. God hat im Qen. g'dda (nicht, wie bei Milas, gdda).
ÖMe hat Nom. Akk. V. plur. 6eb^ta (nicht, wie bei Milas, SibetOj denn
das ist der Gen. Sing.). Posüla hört man bei uns nicht. Der Name
Düian ist bei den Leuten aus der oberen Hercegovina immer Däiän
betont
Im großen und ganzen weist die Aussprache von Mostar sehr wenig
überraschendes sowohl in der Laut- als auch in der Formenlehre nnd
Syntax auf. Und was ihren jekavischen Teil anbelangt, so maß man
ihn wirklich als ein musterhaftes Vorbild unserer Schriftsprache auch
weiterhin betrachten.
Vladimir Öorovid.
511
Beiträge znr Enltnrgescliichte des serbischen Volkes.
n. Joseph Knrzboek und die Erriehtnng der serbischen
Buehdraekerei (1768—1778.)
In der Knltorgesohiohte des serbischen Volkes im Laufe des XYIU.
Jahrb. bildet ein Kapitel auch dieGrflndnng einer serbischen Bnchdrockerei.
Die Wichtigkeit und die anbedingte Notwendigkeit einer serbischen Bnch-
dmckerei hatten die Serben gleich nach ihrer Einwanderung erkannt und
an allen ihren Eirchenkongressen nebst Erlaubnis zur Errichtung serbi-
scher Volksschulen auch die Eonzession zur Orflndung einer serbischen
Bnchdruckerei verlangt. Aber diese, sowie alle anderen Forderungen des
serbischen Volkes blieben lange Zeit unerflUlt.
Die Bflcher, welche das serbische Volk damals brauchte, wurden
gewöhnlich außerhalb des österreichischen Staates, in Rußland, dann in
Venedig, Walachei und Polen gedruckt. Es versteht sich von selbst, daß
unter solchen Umständen ein jedes Buch eine Eostbarkeit für das Volk
bildete, da die Anschaffung eines Buches aus diesen Staaten mit großen
Ausgaben und Anstrengungen verbunden war.
Gewöhnlich gmgen die serbischen Mönche nach Rußland und anderen
Lindem, und von da brachten sie dicBtlcher mit, die mit CjrriUischen Buch-
staben gedruckt waren. Aber diese häu6ge Berflhmng der serbischen
Mönche mit dem russischen Volke und das viele Geld, das die Serben fttr
die Anschaffung der Bflcher verausgabten, veranlaßten in den siebziger
Jahren des XVIII. Jahrh. die österreichische Regierung, mehr Aufmerk-
samkeit der Gründung einer serbischen Buchdruckerei in ihrem Staate zu
widmen. Noch am 2. Juni 1766 wurde das Bittgesuch eines Buchdruckers
beztiglich der Grflndung einer serbischen Buchdruckerei von der Hof-
Eammer entschieden zurflckgewiesen ^], aber bald darauf nahm die Sache
eine andere Wendung. Im Jahre 1768 faßte dieselbe Eammer den Be-
schluß, von einem Buchdrucker einen umfangreichen Entwurf zu verlangen,
nach welchem man eine serbische Buchdruckerei gründen könnte. Da-
durch wollte die österreiche Besserung die Geldsumme, die das serbische
1) Hof-Kammer-Arohiv (Fmanz-Arehiv), Banatioa, Fase. 79, Nr. 4.
512 Aleksalviö,
Volk den Fremden fttr die Bfloher ausgab, im Lande erhalten, jedwede
Beziehung des serbischen Volkes mit dem russischen hintertreiben nnd
durch den Druck der fOr die Nichtunierten bestimmten Eirchenbfioher un-
bemerkt auch der Union Vorschub leisten.
Dem Beschlüsse der Hof-Kammer zufolge wendete sich Graf Schön-
bom an den Universitäts-Buchhändler in Wien Joseph Eurzböck mit der
Anweisung, in Angelegenheit der Gründung einer serbischen Buchdruckerei
sich mit dem unierten Bischof von Munkatsch, Bradische, zu verständigen.
Joseph EurzbOck folgte gleich dem Wunsche des Grafen Schönbom,
knttpfte mit Bischof Bradische Verhandlungen an und sie wurden bald
einig; doch für diesmal stellte die Eammer jede weitere Arbeit ein. Allein
schon das nächste Jahr kam dieselbe Frage betreffii der serbischen Bneh-
druckerei von neuem auf die Tagesordnung. Am 9. März 1769 unter-
breitete Eurzbdck dem Grafen Schdnbom einen umfangreichen Plan zur
Gründung einer Buchdruckerei mit cyrillischen Buchstaben^).
Um den Vorschlag Kurzböcks besser prüfen zu können, besehloß die
Hof-Eammer noch einen Buchdrucker um die Meinung zu fragen']. In
ihrem Auftrage wurde am 17. März 1769 vom Grafen Eugen Würben
an den Hof-Buchdrucker Thomas Edler von Trattner ein Dekret aus-
gefolgt, worin er ersucht wird, die Bedingungen anzugeben, unter welchen
er bereit wäre, eine serbische Buchdruckerei zu gründen'). In seiner
Antwort vom 17. Mai 1769 sagt Trattner, er habe schon vor ein paar
Jahren den Vorschlag gemacht, eine solche Buchdruckerei in Budapest zu
gründen, sein Vorschlag aber sei damals nicht angenommen worden. Jetzt
sei er bereit, diese Sache zu übernehmen, unter der Bedingung, daß der
nichtunierte Elerus selber die Eorrektur der Bücher besorge und sich ver-
pflichte, einen Fond fttr den Absatz dieser Bücher zu gründen^).
In diesem Jahre trat der serbische Eirchenkongreß zusammen. Am
11. Juli bekam Graf Hadik, königl. Eommissär an diesem Eongresse, von
der Hof-Eammer den Auftrag, die Frage von der Gründung einer serbi-
schen Buchdruckerei auf die Tagesordnung zu setzen, die Verhandlungen
mit den serbischen Bischöfen anzuknüpfen und das Resultat mitzuteilen*).
Nach der Berechnung des Bischofs von Munkatsch, Bradische, waroi
damals im österreichischen Staate ungefilhr 2000 nichtunierte Eirchen und
1) Finanz-Archiv, Bau. Fase. 79, Nr. 52.
«) Ibid. ») Ibid.
*) Fin. Archiv, Bau. Fase. 79, Nr. 115.
5) Hof-Eriegs- Archiv, das Jahr 1 769.
BeitriSge rar Knltargeschichte des serbischen Volkes. 513
noch eine viel größere Anzahl von Priestern; es wurden dnreh je sechs
Jalire wenigstens 200000 Golden für die Earchenbücher verausgabt,
unter dem Volke war eine sehr kleine Zahl solcher, die lesen konnten
und Btlober brauchten. Da aber gerade damals an der Verbesserung des
Knltnrznstandes und Errichtung der serbischen Schulen gearbeitet wurde,
so ward auch die Orflndung einer Buchdruckerei immer notwendiger.
Die Hof-Eammer betraute ihr Mitglied HerteUi mit der Aufgabe,
Aber die Bedingungen Kurzböcks und Trattners zu referieren. In seinem
Referat schlug Hertelli vor, die Forderung Trattners, nach welcher sich
der nicht unierte Klerus verpflichten mtLßte, von einem jeden Buche 2000
Exemplare zu kaufen und gleich zu bezahlen, abzuweisen. Statt dessen
soll man einen mittelmäßigen Vorschuß und die Gründung der Buch-
druckerei jenem Buchdrucker anvertrauen, der die Bttcher am billigsten
verkaufen würde. Demselben Buchdrucker sollte man das Privilegium
zur Gründung der Buchdruckerei erteilen und zugleich die Bflchereinfohr
aus fremden Staaten verbieten. Die Kalender sollten gestempelt, aber
die Taxe dafür nicht zu groß werden. Zuletzt behielt Hertelli auch den
politischen Nutzen von der Gründung einer serbischen Buchdruckerei
im Auge; deshalb schlug er vor, ein Exemplar des Meßbuches und der
Bibel, so lange sie noch im Drucke sind, zu verlangen, um gewisse Stellen
korrigieren zu können^).
Zu dieser Zeit tauchte die Idee auf, die serbische Buchdruckerei dort
zu gründen, wo die Serben leben. Diese Idee stanmit von dem Faktor
der Preßburger Buchdruckerei, Franz Patzko; er richtete an die Hof-
Kammer das Ansuchen, ihm die Erlaubnis zur Gründung einer Buch-
druckerei in Temeschwar zu geben, in welcher deutsche, serbische und
mmfinische Bücher gedruckt werden würden. Die Hof-Klammer wollte
nicht ohne weiteres diesen Vorschlag ablehnen, sondern gab dem Patzko
einen Vorschuß von 50 Dukaten, damit er nach Temeschwar reise, dort
den Boden sondiere und nachher nach Wien konmie. Aber bald nachher
stockten die Verhandlungen. Am 20. November 1769 beschloß die Hof-^
Kammer mit dem Patzko nur hinsichtlich einer deutschen Buchdruckerei
zu verhandeln, denn seine Forderungen bezüglich der Gründung einer
serbischen Buchdruckerei seien zu hoch und überhaupt sei das eine Frage,
die in den Wirkungsbereich der illyrisohen Deputation gehöre. Einen
Honat später, am 20. Dezember desselben Jahres wurde die Administra-
i) Ibid.
AzchiT f&r daTifloh« Plülologie. XXDL 33
514 üekBE Iviö,
tion von Temeschwar yerstftndigt, die Verhandinngen mit Patzko absn-
breehen und mit einem Buchdrucker von Ofen oder irgendwo mit ^em
anderen neue Verhandinngen anznknttpfen^).
Zu dieser Zeit wnrde eifrig über die serbischen Schulen diskutiert.
£äae der hanptsftdüichen Bedingungen fttr die Lösung dieser Frage bildete
die Brrichtung der serbischen Buchdmckerei. Die österreichische Re-
gierung hatte es eingesehen, daß sie die Frage Aer serbischen Buch-
dmckerei nicht weiter aufischieben dflrfe ; deshalb nahm sie, anfangs 1 7 7 0,
den Vorschlag Kurzböcks an und erlaubte ihm die OrOndnng der Bnoh-
druekerei. Am 14. Februar gab die ELaiserin Maria Theresia dem Kurs-
. böok das Privilegium privativum für zwanzig Jahre 2).
Nachdem Eurzböck das Privilegium bekommen hattCi fing er gleich
an, an der Errichtung der Buchdruckerei zu arbeiten. Um es zn ver-
hindern, daß das Volk auch von jetzt an die Bttcher dort kaufe, wo es
sie frfiber gekauft hat, sendete die Hof*Kammer am 26. Mai 1770 eine
Note an den Hof-Eriegsrat und die illyrische Hof-Dq[>utation, worin sie
oarsucht werden, die ihnen untergeordneten Behörden von der Grttndung
der Eurzböckschen Buchdruckerei zu verständigen ^). Darauf sendete der
Ho^Eriegsrat am 22. Juni dieses Jahres den Auftrag an die OeneraH-
kommandos von Karlstadt, Warasdin, Slavonien, Banien, SiebenbOrgen
und Temeschwar, die durch das kaiserliche Privilegium verbttrgten Beohte
Kurzböcks in Schutz zu nehmen^).
Durch die ersterschitfienen Bücher aus der Eurzböckschen Buch-
druckerei wollte dieösterreichischeRegieningdienotwendigstenBedflr&isae
befriedige, nftmliohjene Bttcher drucken lassen, dieam häufigsten gebraucht
worden. Planm&fiig sollten zuerst das Gebetbuch und dann der Psalter
gedruckt werden. Aber das serbische Volk war gewöhnt, die Bflcher vom
Aaslande zu beziehen ; deshalb machte die Hof-Eammer am 1 . Septeasber
1 770 die ungarischen Behörden darauf aufrnerksam, daß bald das Gebet-
budi und der Psalter beim Eurzböck erscheinen werden; infolgedeBaen
werde die £infuhr der Bttcher, besonders aber jener zwei, aus Petersburg,
MoAau, Warschau, Eiew, Venedig, Leipzig, Halle in Sachsen and aua
der Wallaehei verboten^). Bald darauf wurde auch die Verardnnng der
1) Fin. Arch. Fase. 79, Nr. 78.
2) Ejriegs- Archiv, das Jahr 1770.
«) Kriegs-Archiv, das Jahr 1770, 38—78.
«) Ibid.
S} Hof-Ejiegs-Archiv, das Jahr 1770, 38—116.
iBoitrü^ zur Kaltaigeschiclite dts Berbiflchen Volkes. 515
Kaueriii veröffiontlicht, naeh welcher die Emfahr jener Bücher, imter der
Aiidrohnng der Strafe der Konfiskation, verboten wnrde^).
Dieses Yeibot der fremden Bflcher wiederholte sich von nnn an sehr
oft. Am 4. Oktober meldete die illyrische Deputation dem Hof^Eriegsrat,
daß die Behörde nnliagst in Eeresmezö in Ungarn einen mssischen Bnchr
hiüdler angehalten nnd alle Bücher, die bei ihm vorgefonden wnrden,
konfisziert habe, deshalb wird der Eriegsrat gebeten, allen seinen nnter*
geordneten Behörden den Auftrag zn geben, kein einziges Bnch über die
Grenze kommen zn lassen 2). Und anch sonst ging man der Knrzböck-
sehen Bnchdmckerei an die Hand. So waren ihre Bücher nnd Papier, das
an KnrzbOck gelangte, fttr drei Jahre von jeder Postgebühr befreit*).
Im Jnni 1771 sendete Knrzböck an die Hof-Bnchhaltong die Bech-
nong znr Anszahlnng für ein Bnch, das im Auftrage der Hof-Eammer
gedruckt wurde. Es war das illyrische Regnlament, das schon erschienen
war und nach Banat fortgeschickt wurde. Dieses Regnlament war in
deutscher und serbischer Sprache gedruckt^). Bald darauf waren auch
fie Alphabetbücher fertig und im September wurde in der Hof-Eammer
ffie Auszahlung von 540 Oulden 40 Er. für diese Alphabetbücher und für
das Begnlament besprochen ; die Auszahlung selbst geschah viel spftter ^)»
In der »GpncRa EH6jDiorpa»HJa« von St.NoyakoYi6 geschieht keine Er-
wähnung von irgend welchen Abcbüchem aus dieser Zeit, es ist wohl
unter 1770 von einem EyKnap'b die Bede, aber dieses Büchlein erschien
zu Venedig, desgleichen erzählen uns die Dokumente zur Geschichte der
serbischen Schulen gar nichts von diesen Büchern.
Allen Verboten zu trotz kamen wiederholt FftUe vor, daß die Bücher
aus Bußland und Venedig in die Osterreichischen Provinzen eingeschmug-
gelt wurden. Deshalb ließ im Jahre 1775 die Hof-Eammer allen Grenz»
behürden den Auftrag zukommen, auf die Bücher strengstens zu aehten
und daß nur jener ein Buch, das mit cyrillischen Buchstaben gedruckt ist,
mit sich ins Beich bringen dürfe, der dazu eine besondere Bewillignng hat *).
Anfangs 1777 schickte EurzbOck an die illyrische Hof-Depntation
1) Ibid.
^ Flu. Arch. Fase. 18, Nr. 25.
^ 1. c. Fase. 30, Nr. 1.
«) 1. c. Fase. 79, Nr. 86, 29 und 102.
6) 1. c. Fase. 79, Nr. 58 und 22.
0) Fin. Arch. Fase 1, Nr. 11 nnd Eriegs-Arch. 1775, 24—163.
33*
516 AlekBa Ivi(S, Beilage ssor EnltargeBehiohte des flerbiBohen Volkes.
dieBechnungfitlrdie »Schnlordnimg«, welche Ende 1776 ersoMeBenwar^).
Bald darauf, am 24. Jnli 1777, bittet Euizböck ihm die Snmme Ton
143 Gulden fllr zwei nengedrackte Bflcher, von welchen das eine »Fvro-
^OACTBO K ^eoTHOCTH H npaBOCTH« (Mcthodenbuch) and daa andere
»IIpaBExa MOHamecRas« war, zu bewilligen^). Dadurch wird die Ver-
mntiing äafariks, daß diese >IIpaBHJ[a« im Jahre 1777 gedruckt sind,
bestätigt»).
Die andere Absicht der österreichischen Begierung, durch die Grün-
dung der Eurzb5oksohen Buchdruckerei das serbische Volk zur Union zu
verleiten, verfehlte ihren Zweck gänzlich. Der Katechismus der linier-
ten, den sie in serbische Schulen und Kirchen einführen wollte, mußte von
der Begierung zurückgezogen werden^). Und als spät^ die Begierung
ganz unbedeutende Änderungen an dem Katechismus von Jovan Baji6 vor-
nahm, geriet das ganze Volk in solche Aufrc^gung, daß die Begierung ge-
zwungen war, eine Verordnung zu erlassen, nach welcher zukünftig die
Beligionslehre nicht mehr nach diesem Katechismus von Bajiö gelehrt wird.
Kurzböck, bei dem der Katechismus im Auftrage der Begierung gedruckt
war, wendete sich jetzt an die Begierung, sie mOge ihm den Schaden wegen
der unverkauften ELatechismen ersetzen. Dadurch entstand eine sehr in-
teressante Diskussion zwischen den Osterreichischen Behörden, wer eigent-
lich verpflichtet sei, dem Kurzböck den erlittenen Schaden zu ersetzen.
Hiermit wird ein zehnjähriges Kapitel aus der serbischen Schul-
geschichte und Kurzböckschen Buchdruckerei, das ich auf dem Grunde
des Archivmaterials zusammengestellt habe, abgeschlossen. £& war nicht
meine Absicht, hier die damalige Schul- und Buchdruckereigeschichte zu
schreiben. Ich wollte nur das bis jetzt noch unbekannte Material über
diesen Gegenstand ans Licht bringen, um damit demjenigen die Aufgabe
zu erleichtem, der es einmal unternehmen wird, die Geschieht^ selbst zu
schreiben.
1) Fin. Arch., Hung., Fase. 41, Kr. 120.
^ 1. 0. Nr. 99.
8) Gl. HoBaKOBHh, CpncKa EHluiorpa«EJa, pag. 17.
<] ^HM.PyBapait, ApzEMaExpEi JosaHPaJHh und JleTOiiKC »HaTHiteGpiiCRe«
Band 96.
Wien, den 24. Mai 1907. Meksa Iviö.
617
Eligka Er&snohoT8k&.
Unter den slavisehenLiteratnren kann nnr die iechische und polniBohe
80 bedeutende weibliche Dichter anfweisen, wie SvStlä, Orzessskowa, oder
Eonopnicka, Eräsnohorskä, deren Erscheinungen sich würdig den
männlichen Beprftsentanten dieser Literaturen anreihen. Die zwei letzt-
genannten sind sich in mancher Hinsicht so ähnlich, daß man unwillkllr-
Mch zu einer Parallele verleitet wird ^). Beide sind so vielseitig tätig, beide
stehen im Vordergründe der Frauenbewegung und so wie Eonopnicka im
vorigen Jahre ihr sechzigjähriges Jubiläum gefeiert hat, ebenso feiert
Eräsnohorskä heuer am 18. November ihren 60. Geburtstag; aus diesem
Anlasse sei hier kurz etwas Aber ihre Bedeutung in der Sechischen Lite-
ratur gesagt.
Er. ist eine der ersten iechischen Dichterinnen (aber nicht der Dichter)
und ihre umfangreiche Tätigkeit auch auf anderen Gebieten sichert ihr
einen ehrenvollen Platz in der Sech. Literaturgeschichte. Ihre Vielseitig-
keit hat beinahe etwas ähnliches mit der Vrchlickf s : denn sie schrieb
Gedichte in allen möglichen Formen, sie schrieb Novellen, Dramen, sie
flbersetzte so wie Vrchlicky aus dem Englischen, Deutschen, Polnischen
und auch Bussischen; sie schrieb literarische Essays und Abhandlungen,
sie beteiligte sich so heftig und eifrig an allen literarischen Polemiken wie
Vrchlicky — nur mit dem Unterschiede, daß sie im Jahre 1878 — 80
gegen ihn, im Jahre 18 95-— 6 mit ihm kämpfte.
Außerdem stand sie mit der Karolina Svitlä im Vordergrunde der
Frauenbewegung seit den 70er Jahren und in den 90er Jahren flbemahm
sie die Fflhrung selbst — in welcher Hinsicht sie viel geleistet hat. Sie re-
digiert seit dem Jahre 1875 die (damals einzige) Frauenzeitschrift ȣensk6
listy« und hier war und ist ihr zweites Forum zur Verbreitung des natio-
nalen Selbstbewußtseins in den Reihen der damals so vernachlässigten,
fremdsprachig erzogenen Sechischen Mädchen und Frauen, dort kftmpfte
sie später für die Befreiung des Weibes aus den Fesseln, welche ihr nicht
erlaubten, sich in sozialen, geistigen und materiellen Verhältnissen gehörig
1) Siehe J. Kar&sek, Slavische Literaturgeschichte, n.Teil, S. 178.
518 Jaromir E. Doleial,
geltend zu machen. Dies tat Kr. in ihren Schriften und half nicht weniger
mit der Hand, mit der Tat, als Seele des großartigen »Zensky vyrobnf
gpolek y Praze« ; sie hat den größten Anteil an der Errichtung des ersten
Mädchengymnasiums >Miner7a< in Prag (im Jahre 1890, des ersten viel-
leicht in ganz Mittel-Europa, wo Griechisch und Latein vorgetragen wurde),
aus welchem dann die ersten Universitätshörerinnen und weiblichen Dok-
toren hervorgingen.
Kr. hat es selbst bitter erlebt, wie schwer sich damals ein Mädohen
die nötigen wissenschaftlichen Kenntnisse verschaffen konnte; und dem
abzuhelfen, machte sie sich zum Ziele, was ihr auch vollständig gelang.
Dagegen stieß sie mit ihrer literarischen Tätigkeit manchmal auf Schwierig-
keiten und hatte nicht gleiches Glllck. Sie versuchte sich, wie schon er-
wähnt, in allen Richtungen, aber etwas großes, wie »Fan Tadenszc,
»Boris Godunovc, >Ghllde Harolds Pilgrimage«, »König von Sion«, die
sie vortrefflich übersetzte, schuf sie leider nicht.
Einen sehr schönen und viel versprechenden Anlauf hat sie hingegea
genonmien in ihrer ersten größeren Idylle »Vlastovickyc (1883), die s«
ihren besten Arbeiten gehört. Hier zeigt sich, daß unsere hochbegabte
Dichterin auf diesem Gebiete viel mehr leisten könnte, wenn sie nicht eben
eine wahre, ftlr ihr Vaterland so begeisterte uechin der Gegenwart wäre.
E. Kr. wflrde der Sechische Frangois Copp^ sein 2), wie Karolina Svifli
die 5echische G. Sand geworden ist.
Aber die erste Periode KrisnohorskiU literarischerTätigkeit (seit 1871
mit »Z mäje &itf <) fiel in die 70er Jahre, in die Zeit, wo die jungSedusehe
Partei im Entstehen war; und das gab ihrer ganzen literarischen Arbeit
den Stempel des Patriotismus, welchem sie bis zur letzten Stunde treu
blieb. Die liberaleren Jungen waren mit der .passiven Politik der Attea
unzufrieden, weil das Volk weniger Nutzen davon hatte und in einer
dumpfen Lethargie lebte, ganz unbekümmert um das Schi^sal irgend
einer Literatur, welche dann darunter natflrlich auch nicht gedeihen
konnte; da sprach man feurige Worte zum Volke. Das bewog damals
auch Sv^tli zur Änderung ihrer Ansichten; sie gab zu, daß sie aidi wie
ihre Zeitgenossen geirrt habe, wenn sie glaubte, daß nationale Fn^n eine
schon längst abgetane Sache seien und wandte sich von nun an auch
mehr der patriotischen Volksauf klärung zu'), aber doch nicht in dem
s) Siehe Ter^za Nov&kov4 in »Osvötac 1897, S. 1134.
9j Siehe Leander Öeoh: KaroUna Svötli 1907, S. 51.
EHÄka Krä8noliorBk&. 519
ICaße wie Er., die ihre Muse ganz dem Vaterlande weihte nnd in ihrem
Eifer alles andere vergaß. Sie kämpfte leidensehaftlioh gegen jede nene
moderne Biehtong, gegen die Kosmopoliten, gegen die Symbolisten nnd
Realisten, bis sie ihr alle über den Kopf wnehsen. Jede von ihren Ge-
dicht-Sammlnagen enthält eine ansehnliche Anzahl von solchen patrioti-
«chtti Gedichten, die alle Treuen ständig in den Kampf gegen fremde oder
einheimische Feinde mfen, die in flammenden Worten znm Widerstände
anfinuntem und die Gleichgültigen streng tadeln. Ihr Stil nnd ihre Fan-
tasie ist da fast unerschöpflich im Aussinnen von neuen Bildern, Arten,
Formen und Wendungen; bei jeder Gelegenheit ergreift sie das Wort, sei
es bei der Erö&ung eines Theaters, einer Schule oder bei festlichen Jubi-
läeiiy so daß sie manchmal in ein rednerisches Pathos, in trockenes Morar
lisieren verfällt. Nichts ans dem öffentlichen, literarischen nnd politischen
Leben entging ihrem scharfen Auge, und bis zu ihrem fOnfzigjährigen
Jubüäum sprach sie zu allem ein wichtiges Wort Sie ist die »typischste
Bepräsentantin des patriotischen Idealismus jungcechischer Marke mit
allen seinen guten und schlechten Eigenschaften«. Ihrer Überzeugung
blieb sie unerschütteiiich treu: alles Verspotten, Mißachten konnte ihre
heiße Liebe zxmi Volke nicht eindämmen, auf jedes scharfe Wort in der
Polemik hatte sie zwei andere als die Kampfeslustigste von allen, eine
wahre Joanne d'Are.
Zweimid geriet sie mit den »Jungen« in Streit und immer hat Patrio-
tismus den Zankapfel gebildet. Im ersten Kampfe, der nach der Herans-
gabe des Almanaohs der Jungen »Mäj« im Jahre 1878 ausbrach, kam es
nach fast dreyährigem Polemisieren zum Kompromiß. Die Alten, genannt
Patrioten, wie Schulz, Vlcek, R. Pokomy und Kräsnohorskä, die um
»OsvjSta« gruf^iert waren, konnten den »Jungen«, »Kosmopoliten« und
Unpatrioten, wie Slädek, Vrchlicky, Quis, GoU und der ganzen »Lumlr«-
Omppe einen Verrat an der nationalen Sache doch nicht nachweisen, also
reichten sie sich die Hände zum Frieden. J. S. Machar charakterisiert
diesen Streit in semen »Knihy feuilletonfl« I. Teil, Seite 84 mit einer zwar
etwas drastischen aber passenden Fabel^).
*) £s waren in einer literatnr einmal zwei Generationen. Die schlugen
sich, kämpften, wie das gewöhnlich zu sein pflegt. Der Häuptiing einer Partei,
ein alter Hahn (F. Schulz), ist aber Redakteur, sagen wir der »Zlata Praha« ge-
worden. Und weil er von den Jungen Beiträge brauchte, gab er still »das Ge-
wehr zu Fuß«. Als der Hahn das getan hatte, was blieb der aimen verlassenen
Henne übrig? Sie ist klüger geworden.
520 Jaromir K. Doleial,
In der »HandBchriftenfrage« meldete sieh Kr. auch mit einem Uuigo-
ren Zyklus von seehs Gedichten (»Öesk^mu däynovSkn« in »Zlatä Prahac
1887)) wo sie sich zn besonders heftigen Worten gegen »falsche Wissen-
schaft«, die solche kostbare Reliquien vernichten will, verleiten ließ nnd
noch manche andere Unrichtigkeit schrieb. Durch das Abdrucken derselben
Gedichte in ihrer vorletzten Sammlung (»Na Mv6 Strunk« 1895), also in
der Zeit, wo diese Frage stillschweigend schon als abgetan betrachtet
wurde, zeigte sie, daß sie noch nicht überzeugt ist. In einem längeren
epischen Gedicht Eräsnohorskäs »Lumfrova smrt« (Vlny v proudu 1885)
ist auch der Einfluß der Egh.-Hdschr. unverkennbar.
Ihr letzter Kampf entstand um Hälek, verursacht durch den Ar-
tikel Machars ^), wo er sachlich bewiesen hat, daß Hälek ein Talent
zweiten Grades war. Hier fanden sich zur Wehr ihres alten Freundes und
Zeitgenossen schon alle die »Jungen« und »Alten« aus dem Ende äer
70er Jahre in einem Lager zusammen, um gegen die jflngsten, gottlosen
Symbolisten, Realisten und Impressionisten gemeinsam loszuziehen. Dieser
Streit, in welchem sich Machar fast allein gegen die ganze öffentUdbe
(literarische sowie politische) Meinung so tapfer verteidigt hat, ist selbst
einer besonderen Würdigung wert. Kräsnohorskä ergriff gemeinsam mit
Vrchlickf , Schulz, GoU u. a. zweimal das Wort zur Verteidigung ihres
besten Freundes und Förderers, aber sie wurde von Machar mit ihren
eigenen Worten, die sie schon im Jahre 1879 in Osvita Aber Hälek
schrieb, geschlagen. Trotzdem versäumte sie es nicht bis in die jüngste
Zeit in ihre Kritiken und literarischen Studien spitzige Bemerkungen gegen
die Modemisten (mit welchen sie nicht ganz richtig auch Machar identifi-
ziert) einzuflechten.
So verteidigte E. Er. ihre Prinzipien und ihre Überzeugung bis zur
letzten Stunde und diese Standhaftigkeit im Propagieren des allgemein
Schönen, Guten und der Liebe zum Yaterlande (wenn es auch heute keine
Heldentat mehr ist, ein Öeche zu sein) — muß ein jeder, selbst auch ein
Gegner bei ihr ehren. Unnütz waren ihre aufmunternden und predigen-
den Worte nicht. Schade ist nur, daß sie ihr großes dichterisches Talent
auf diese Weise in solchen kleinen Münzen vergeudet hat. Denn auf dem
dramatischen Felde oder in der epischen Dichtung hätte sie gewiß ein Werk
schaffen können, welches ihr für ewig den Buhm gesichert hätte, wenn sie
eben nicht so vielseitig von dem öffentiichen Leben in Anspruch genom-
19 In Naie Doba v. 20. Okt 1894.
Elifta KrisnohorBkÄ. 521
xnen wire. So kann ihre dichterisohe Tätigkeit seht Samminngen nnr
kleinerer Gedichte anfweisen nnd zwei größere, selbstfindige, die schon
erwähnte Idylle »Vlastoyiiky« 1883 nnd ein episches Gedicht »Snmaysky
Bobinson« 1887.
Bloß in ihrer ersten Gedicht-Sammlnng »Z mäje Hti« 1 87 1 (11. Ansg.
1874, m. Ansg. 1885) nnd in der letzten: »Bozpomfnkyc (1896) steht
sie nicht ganz anf dem Standpunkte des engen Patriotismus; denn hier
besingt sie mit warm empfundenen, blfltenreichen Versen, in kunstvoller
Form auch andere Ideen, Anschauungen über Ck>tt, Welt, Humanität, so-
ziale Fragen und Hofoungen, die sie im >Mai ihrer Jugend« über solche
Probleme nnd Bätsei des Lebens zum Nachdenken zwangen. In »Bend-
niszenzen« ließ sie dieselben wie in einer geistigen Bevue an ihrer Seite
vorüberziehen, betrachtend, welche davon in ErfiUlung gegangen sind.
Während dieser 25 Jahre erreichte E^räsnohorskä eine besondere, nur rein
formelle Vollkommenheit, in welcher sie als eine anerkannte Meisterin
galt, aber der Inhalt der in diesem Zeiträume ausgegebenen Sammelbände,
die manchmal Gedichte aus einem Dezennium enthalten, klingt immer
stark tendenziös und alle gleichzeitigen Ereignisse, die im politischen und
g^stigen Leben das iechische Volk interessierten, spiegeln sich in ihnen
tren ab. Darüber hinaus kam Er. nicht.
Es sind dies folgende Sammlungen: >Ze Sumavy« 1873 (11. Ausg.
1875), >K slovansk^mn jihu« 1880, »Vlny v proudu« 1885 (U. Ausg.
1897), »Letorosty« 1887, »Bäjky velkych« 1889 und >Na £iv6 Strunk«
1895 — die letzte wie absichtlich nach dem großen Hälekkampfe » vlaste-
neckö bäsn^c von ihr genannt. Verhältnismäßig am höchsten steht die
zweite Sammlung »Aus dem Böhmerwald« ; denn hier schildert sie köstlich
die Schönheiten der prachtvollen Urwälder, wo früher frohe Bufe der ta^pfe-
ren chodischen Freiheitskämpfer erklangen; jetzt hört sie dort nur fremde
Sprachenklänge und das muntert sie zu männlichen, mutigen Worten auf,
welche die schlummernden iechischen Seelen aufirecken sollten. Das
gelungenste Gedicht Er.s, das sogen. »Chodenlied«, welches eine wahre
Nationalhymne von Ost-Böhmen geworden, ist hier enthalten*).
^) In Prof. Albert's »Neueste Poesie aus Böhmen« II. Teil ist der Anfang
von Mar. Ewaysser nebst anderen Gedichten mit diesen Worten übersetzt:
>Hätt' euch Gott, ihr Berge und ihr Felsenmassen,
Bier an dieser Stelle nicht erstehen lassen.
Wären wir alsdann gewiß um euch gekommen,
Bätten trotz der Last euch auf den Arm genommen,
522 JaromiT E. Doleial,
Den Böhmerwald hat Er. am hänfigsten anfgesnoht, 80 wie 8väli
ihren Jeschken, und nahm ans seiner Mitte mandbie ihier Motive und See-
nerien. Über die Grenze Böhmens ist sie wegen ihrer kränklichen Kon-
stitation nie gekommen. Darin liegt vielleicht auch die Ursache ihres
engen und unüberwindlichen Patriotismus, den sie immer und immer wie-
der verktlnden zu müssen glaubte. — Für die südslavischen Brüder zeigte
sie auch warmes Verständnis in der Sammlang >Zum slavischen Süden«,
worin sie nur der Begeisternng der ganzen Öffentlichkeit ftr die Tapfei^
keit der Südalaven am Ende der 70er Jahre Ausdruck verlieh.
Außer den lyrischen und epischen Gedichten versuchte sich Kr. auch
im Dramatischen. Sie schrieb »P^ec volnosti«, dramatisches, ideal
romantisches Gedicht 1874, dann »Harantova iena« eine Tragödie 1881,
gemeinsam mit dem Historiker Fr. Dvorsky, und »D^c ducha« 1884,
ein soziales Drama, wo es sich zeigt, daß Kr. doch den westeuropäiachen
(französischen) Einflüssen, die sie so bekämpft hat, nicht fremd gegen-
über steht. Einen größeren Erfolg hat sie mit ihren Dramen wegen ihrer
technischen Fehler nicht gehabt; desto beliebter war sie aber mit ihrea
Librettis, deren sie acht geschrieben hat. Dir erstes Werk war übrigens
ein Libretto für Bendla »Lejla« 1866; außerdem hat sie für ihn noch
»Bltetislav«, >Karel §kr^ta« und »Dft^Täbora« verfaßt. Besonders ge-
lungene Operntexte hat sie fOr Smetana geschrieben (>Kuss<, »Geheim-
nis«, »Teufelswand«), für Z. Fibich nur »Blanik«. Smetana hat selbst
gesagt 7), daß ihre Librettis schon so gut wie komponiert sind; denn Kr.
versteht es, ihre Worte der Musik eng anzupassen, zeichnet sieh durch
fließende Sprache, klingenden Reim und dem Akzente streng angemesM-
nen Vers aus.
Ihre Prosa muß der Tendenz gemäß, mit welcher sie schrieb, ge-
teilt werden. Aus der ersten Zeit ihrer literarischen Tätigkeit, wekhe
überwiegend der Poesie gewidmet ist, haben wir ein hübsches Bild »Bianfk
a bäsnik (1882) und ein Buch Novellen (»Gompagnon«, »Loupeic, >0d
domu k domu« im Jahre 1885 in »Libuse«), deren erste wahrsdieinliek
ein Stück Selbstportrait enthält; doch kennzeichnen sie sich alle ab
Erstlingsarbeiten, durch manche unbeholfene Motivierung. Schließlich
besitzen wir von Kr. noch eine Komödie in erzählender Form: Näs druhy
Durch die Welt getragen, hier euch aufzubauen
Und gesagt: Hier Berge ragt in Böhmens Gauen . . .«
T) Divadelni listy 1882.
Eliika Er4s]iohor8k&. 523
flbor 1 888. — In der zweiten Hftlfte, wo sie mehr «n der Frauenbewegung
teilnahm, schrieb sie eine große Anzahl von hübschen Bflchem erziehe-
Tischen nnd didaktischen Inhalts, mit welchen sie der falschen Erziehung
«Biegen treten und wieder auf eine nationale hinweisen wollte.
Auch in der Literatargeschichte hat sie das Ihrige geleistet. Unter
ihren sehr yielen ernsten und belehrenden Essays finden wir literarische,
knitnrhistorische nnd soziologische Artikel, welche in verschiedenen BeTues
nnd Zeitschriften zn finden sind. Früher waren das: »Jarf vik, Lnmfr,
Zlatd Praha, Sv^tozor, Ö. ö. Mnsea, Ev^ty, später ist sie nnr Ylieks
»OsF^« treu geblieben. Ihre Abhandinngen Ober literarische Gr()£en
sind nicht immer objektiv nnd einwandfrei, aber sie zeichnen sich doch
durch warmes Verständnis für den Gegenstand ihrer Betrachtungen
aus; oft haben intime Seelenverbindungen, innige Freundschaft, gemein-
same Arbeit ihr das leichter gemacht (über Sv6tU, Podlipskä, Bendl,
Hilek, Smetana, Heyduk). Nennenswert sind ihre Artikel über Tyl,
N^mcovä, Nemda, Gech, Vrchlicky, Slädek, Lu&ickä, Yl6ek, Jahn, Zola,
Bieger, Erben und Schulz. Darunter sind ihre scharfsinnigen Kritiken
der literarischen, zumeist poetischen Produkte der Neuzeit,« in welchen
sie den modernen Erscheinungen entweder auswich oder abweisend ent-
gegentrat, konsequent und treu ihren Grundsätzen, obzwar sie in die
neue Zeit nicht mehr hineinpassen.
Weit größere Verdienste um die Sechische Literatur hat sich Er.
durch ihre Übersetzungen erworben, man möchte beinahe sagen, daß sie
als Übersetzerin höher dasteht als eigentliche Dichterin. Denn Werke
wie >Pan Tadeusz« und »Ghilde Harolds Pilgrimage« kann ein mittel-
mäßiger Dichter nicht gut übersetzen und Er.s Übersetzungen sind größten-
teils so schwungvoll und schön wie die Originale selbst. Er., genannt
Meisterin des Verses, hat hier nicht nur ihre Eunst, sondern auch einen
wirklichen Mut und eine seltene Ausdauer gezeigt, indem sie sich immer
Meisterwerke auswählte, jahrelang daran fleißig arbeitete, um alle frem-
den Schönheiten möglichst getreu wiederzugeben. Bis zum Jahre 1882
war sie mit Mickiewicz's >Pan Tadeusz« fertig (11. Ausg. 1 892), bis zum
Jahre 1890 mit Byrons »Ohilde Harolds Pilgrimage«, bis zum Jahre 1895
mit kleineren Gedichten Puskins und Hamerlings »Eönig von Sion« (erst
1901 erschienen) und schließlich mit Puskins »£opHC% roAyHOB% (1905
erschienen). Eine Autodidaktin, die keinen Schritt ins Ausland machte,
Hbersetat aus vier Sprachen, überwindet alle Schwierigkeiten der fremden
Laute, Reime, Verse nnd meistens sehr glücklich. Man findet begreif-
524 Juomir E. Doleial,
licherweiae auch Fehler, dies oder jenes könnte besser übersetst sein, aber
als Oanzes stehen alle diese grandiosen Werke im Cechischen eben so
hoch wie die Originale. AnffaUend ist, daß Kr. fast lauter Byroniaten
gewählt hat; da sie sich mit ihnen während ihrer ganzen literarischen
Tätigkeit befaßte, ist es ein Wnnder, daß sich in ihrer eigenen Produk-
tion dieser Einfloß nicht dentlicher bemerkbar macht, als im Stil, der
immer erhaben, hochschwingend, majestätisch nnd prophetisch sein wiU,
bis er oft in ein allzu rednerisches, hohles Pathos übergeht Hohe Ideale
der Humanität wurden anfangs auch von Er. besungen, klangvolle Titel
»Der Sänger der Freiheit«, >Erbe des Geistes«, die sie gewählt hat, zei-
gen das schon an — aber schließlich blieb sie doch nur in den Grenzen
des engen Patriotismus.
Vom slavischen, philologischen Standpunkte wäre es interessant,
hier wenigstens die Übersetzungen aus Mickiewicz und Puskin näher zn
besprechen.
Mickiewicz war schon seit seinen frflhesten Anfiftngen in der iechi-
sehen literarischen Welt bekannt. Der erste Romantiker E. H. Mächa
hat mit der größten Begeisterung polnische Dichter gelesen, V. Bolemfr
Nebesky hat in seinen >ProtichAdci« in der Schildenmg der Pestfrau die
gespenstische Erscheinung der Pestjungfrau im Yajdelotsliede aus Eonrad
Wallenrod direkt nachgeahmt. Auch J. E. Ghmelensky , frflher ein Gegner
Byrons, ist in die Reihen der Verehrer des polnischen Byron übergegan-
gen, ja er war sogar der erste Übersetzer Mickiewicz's, indem er im Ö.Ö.M.
1828 acht Sonette von ihm veröffentlichte. Mehr als siebzig Jahre hat
die Übersetzung des ganzen M. gedauert und daran haben sich mehr als
3 1 iechische Literaten beteiligt, mit mehr, weniger oder gar keinem Glück,
so daß manches auf diese Weise zweimal und dreimal übersetzt werden
mußte; bedeutendere von diesen sind: Y. S. ätulc, Eoubek, Havliiek,
GoU, J. JireSek, Mokry, Jong, Evapil, Mu2lk, Slädek, Yrchlickf und
Eräsnohorskä.
Das Yerhältnis M.s zu Böhmen war schon von Evapil in Osv^
(1898) folgendermaßen erörtert: M.hat »nichtschlechtiechisch gekonnt«,
wie er selbst im Jahre 1840 dem Fürsten Ozartoryjskij schrieb, als er zum
Professor für slav. Literaturen auf dem College de France vom Minister
Cousin designiert wurde. Im Jahre 1 829 ist er absichtlich deswegen naeh
Prag gefahren, um die dortigen Philologen und Literaten kennen zu
lernen; aber dieser Besuch hatte keine besonderen Spuren bei M. hinter-
Eliftka Kr&snohoraki. 525
lassen, vielleicht deswegen, weil er snerst mit Hanka bekannt wurde ^).
Zinkereien Hankas mit anderen damaligen Sehriftstellem verhinderten
gewiß die Zosammenknnft M.b mit Palacky, Jnngmann, Gelakovsk^,
Chmelenakf'. Ans dieser Zeit rflhrt vielleicht aneh die Absieht M.s eine
historiflche Epopöe ans der böhmisohen Geschichte zn schreiben, deren
Haaptheld Jan j^i£ka sein sollte, wie man ans dem Briefe M.s an Hanka
vom 5. y. 1832 entnehmen kann; >Eüryer Polski« vom 4. XI. 1830 be-
richtet zwar, daß M. im Auslände ein Gedicht »^i^Uui« beendet hätte,
aber weiter ist darflber nichts bekannt.
Von allen Werken M.8 ist die Übersetzung seines Meisterwerkes »Fan
Tadensz« von allen Bevnes nnd Blftttem anf das lebhafteste begrttßt nnd
als eine glänzende literarische Tat, als ein Ereignis bezeichnet worden*),
nnd nicht mit Unrecht. Denn es war notwendig, die 5echische poetische
Form in der Bchnle der neuen Weltpoesie zuerst zu vervollkommnen, dann
konnte man den nationalen polnischen Geist und das nationale Leben in
sttner kflnsüerisch vollkommensten Erscheinung in eine dichterische
Sprache von eben solcher Pracht und Kraft einhflllen. Dieser Aufgabe
widmete Er. ihre ganze, glänzende ktlnstlerische Schaffenskraft und malte
das großartige Bild des Lebens auf der »Litwa« mit Sechischen Farben
ebenso schön, wie das Original, bis in die kleinsten und feinsten Nuancen
der Gedanken und Worte durchgearbeitet Dieses Lob kennen einige
Mängel, die auch vorkommen, nicht schwächen — wenn man bedenkt,
daß das Epos beinahe 10 000 jambische, sechsflOßige Verse mit doppel-
tem Beim verbunden enthält. — Wahrscheinlich wegen des Rhythmus
hat Er. die Titulaturen einigemal geändert (im V. Ges. 271 ist pan Ta-
deäs statt pan Soplica, X. Ges. 306 Gervasi statt pane kllSnfk, X. 307
almuinikem statt Robäkem, wodurch auch die Etymologie und das Worin
spiel robak = ierv verloren gehen mußte; VIDL 391 panf Telimena ist
noch »panna Telimena« angesprochen. Aus dem Vers 515 im Schlacht-
gesang IX ist Widbik verschwunden). Das Verbum »kocha6< benutzt Er.
auch im Öechischen unrichtig im Sinne »lieben« ; ebenso sind Polonismen:
9podkomoranky bavit« L 322, konö ve stäj däno L 144, listnat^ jf berly
m, Seite 97, ungewöhnlich: zäraz, snady, brozdil, tropit' (aus dem russ.
8) . Welchem er auch den zweiten Band seiner Poezye widmete und im
J. 1834 seinen Tadeusz aus Paris schickte mit folgender Dedikation: Szanow-
nemn Panu Hance po^wi^ca jego przyjaciel i wielbiciel A.M.
9) Siehe Ö.Ö.M. 82, S. 297, Obzor 82 v. 5/11, Eomensk^ 82, S. 595, Osv&ta
82, S. 930, Lumir 82, S. 448, Pokrok v. 30/9. 82 usw.
1
526 jATomir K. Doleial,
ToponHTL?). Veraltet ist die Sehreibweise: predce, dyadoet, jisiba.
Kr. nicht ablegen will. — Sonst liest sieh die Obersetiung dnrehaaa
fließend und ist von einem Geist wahrer Poesie durchdrangen. — Kr.
wolUe das beste geben nnd gab es auch wirklich. Man muß nur bedenkcB:
Ein Mädchen, eine Dichterin gl^ch am Anfang ihrer literarischen Lauf-
bahn, 23 Jahre alt, hat den Mut eine solche Arbeit zu beginnen. Sie zwei:-
feit xwar, gibt aber dennoch nicht nach, bis diese jnnge Bchwftrmerin für
alles Slavische, welche in ihrer Zeit der politischen nngfinstigen Verhllt-
nisse in Böhmen mit flammenden Worten Heldeng^edichte über große
Pflichten und Ziele des Volkes sang — den ganzen Tadeosz zur Anfinan-
tenmg der beklommenen Gemflter dem Volke schenkt.
Ebenso wie ans Middewicz wurde anch ans Pnskin in der frflhestea
Zeit in das Öechische übersetzt. Der erste war Jan Slavomir TomiSek,
der im Jahre 1830 in Cechoslay >]](uraHU« und in >Ky&^« 1835 Bmch-
Stücke aus >£opHCi& Toathob^« yerOffentlichte; die letzte ist gerade mit
Boris Godunov im Jahre 1905 wieder E. Kr. Inzwischen kann man niebt
weniger als 62 Puskin-Übersetzer au&ählen, unter denen F. L. Öelakovaky'^
Sabina, Petr Dnrdlk, Pavel Durdfk, A. Durdfk, V. MrstOc, J. Jireiek,
H. Jireiek, Jung u. a., die vieles sogar mehrmals übersetzten^*); aber
eine vollständige Puskin- Ausgabe im 6echischen kann leider noch nickt
zusammengestellt werden.
Kr. hat zu Puskin gewiß deswegen gegriffen, weil sie sich Sttt laasem
schon mit Byron besohftftigte und sehen wollte, wie sich der mssiaohe
Byron zu dem englischen verh<. Von Vrchlicky aufgefordert, etwas ftr
>Sbomlk sv&tov6 poesie« aus der Weltliteratur zu übersetzen, samnwite
sie ihre schon im Jahre 1888—89 in »Zlati Prahac verOffentiicfaten Ge-
dichte Puskins, übersetzte neue dazu und gab dann zwd Sammlungen
heraus: »Vfbor mensich bäsni« 1894 und >Nikter6 bäsn& rozpraviiöc
1895 (Bachiisarigsky fontän, Kavkazsky zigatec, Gikäni, MM&if jezdee).
Aus der großen Anzahl von Puskins kleineren Gedichten hat sie nur 57
gew&hlt, aber das dadurch gezeichnete Portrait des Dichters ist im Grade
genommen richtig. Bald wild tobend, begeistert fiOr die höchsten Ideale
der Freiheit, der Hnmanitftt, bald wieder sanft fohlend, melaacholifldli
oder leichtsinnig, in seinem Innern immer so rein und ganz national, tritt
er hier in scharfen und prftzisen Linien seiner Charaktereigensehalten vor
dem Leser auf. Kr. hat bei ihrer schweren Wahl doch eine glückliche
10) Siehe V. A. Francev: HyrnKm vh «emcRoft Mteparypü, GH^ 1898.
in -■ kü -1 dBi^ld
£liÄka Erasnohonkiu 527
BmaA gehabt^ nm inhalilieh aus jeder Rtehtong das beste wiedenngeben,
aber die FqhDi in welcher sie das getan hat, läßt manches zn wünschen
flbrig. Sie wnrde gleich nach dem Erscheinen dieser Bücher samt
Yrchlickf getadelt, daß sie zn viel ihr eigenes selbst in die Über-
Betsnngen legendi) j^^ q^^ Fantasie zn weit spielen lassen.
Es ist richtig, daß man der Kr. in diesen Übersetzungen üngenanig-
keiten in der Anwendung von Adjektiven, Sabstantiven nnd Interpunktion
nachweisen kann, aber dazu war sie ebenso wie alle übrigen durch den
Sdm und Bhytiimus gezwungen. Auszustellen wftre nur, daß sie trotz
dieser poetischen Lizenzen die Stellung und Gruppierung der Reime oft
yerweehselte und die Anzahl der Verse einigemal yermehrte. Sonst sind
aach diese Übersetzungen fließend, schön und poetisch. Im Vergleich zu
den alten Puskin-Übersetzungen touF. L. Gelakovsky undBendl ist ein be*
deutender Fortschritt zu yerzeichnen; Ungenauigkeiten finden wir auch
bei OelakoTsky ^^j. Man kann die Wahrnehmung machen, daß Kr. bei den
epiaehen Gedichten mehr wortgetreu ist; dagegen schwellen in lyrischen
Partien einfache Verse Puskins unter ihrer Hand an ; diePrftgnanz undEnge
der Diktion Pnäkins yerliert sich, wo Kr. entweder durch die Form oder
ihre Fantasie zu wortreich und exzentrisch wird. Es wfire vielleicht doch
besser, fto die Übersetzungen von Gedichten nach französischer Art die
Prosaform zu w&hlen. Weil man eben immer zuerst auf die Form Bück«
siehi nimmt, so werden alle Übersetzungen nur zu mehr oder weniger ge-
tiemen Naehdiehtnngen, ohne daß der Inhalt gänzlich wiedergegeben wftre.
Der beste Ausweg wftre wohl: Gedichte möglichst unter Beibehaltung des
Original-Bhythmus in Prosa zu flbersetzen. Über diese Frage wurde
aoeh zur Zeit der Erscheinung dieser Übersetzung^ eifrig debattiert.
JiH Karäsek hat in Listy Literiml 1895 alle Gründe hierfür ausführlich
gesammelt und kommt zum selben Besultate.
Das letzte von Ex. übersetzte Werk ist >Boris Godunov«, welches
^ Nr. 87 in »Sbomik sv6tov6 poesie« 1905 erschienen ist. Eine Über-
setzung Godunovs hat schon 25 Jahre nach dessen erstem Erscheinen im
ii) Siehe »Naie doba 11, S. 177.
^ Z.B. um nur die 2 letzten Verse ans der 1. Strophe des »yToiueHHXKi«
siunflüiien:
jü vÄm zase vy pitomci,
0X1 jMTh ara mb% pe6aTa!
ttyae» sam yxe icepr-
Bei^'Bl
SynRHHi.
du,domo>faiiiitteiel!
Öehikovsk^.
nese 6ert vidy k naii
strani,
koho ^bel utopil.
Krisnohorski.
528
Jaromir K. Doleial,
RuBsiBolieii (1831) Bendl, seinerzeit der beste Übersetzer PnskiiiSy yoU-
endet. Im 0. ö. M. 1857 ersehien das ganze Drama zuerst, weiehes dann
im J. 1859 zusammen mit »BaohSisari^sky fontänc, »Brath loupeSnfoi«,
»Cikäni«, »ELaykazskf plennik«, >Hrab6 Nulfn«, »Poltaya« Bendl in
einem Bueh herausgab, als 1. Band ausgewählter, diohterisoher Werke
Puskins^'), die er in drei Bänden herauszugeben beabsichtigte; aber nur
der 2. Band mit Eugen On^in erschien im darauffolgenden Jahre, zum
dritten kam es nicht mehr.
Bendls Übersetzung war fttr seine Zeit eme sehr gute. Er hat sieh
fast ängstlich an das Original gehalten, viel mehr als &., obzwar ihre
Arbeit eine yollständigere ist, Bendl hat nämlich zwei schöne Szenen
ausgelassen, die am ^flfißms^e nojce« und jene im »3aH0Kn& Boesoxn
MHHnnca b'B Gaii6op%« nebst zwei kleineren Einsätzen, die selbst in eini-
gen Ausgaben Puskins fehlen, die aber bei Er. (8. 64 — 65 und 67) doeh
enthalten sind. Diese letzte Arbeit Er.s ist auf diesem Gebiete eine der
besten. Wenn auch hier Fehler nachweisbar sind, hat sie sich doeh dem
Original am meisten genähert. Denn da War sie nicht durch den Beim
gebunden und so klingen ihre fünffüßigen Jamben ebenso schön wie die
Puskins ^^).
Bendl hat manchmal Wort fOr Wort Übersetzt, wenn es auch nicht
immer rein Sechisch klang; er hat sogar die russische RechtschreibuBg in
den Eigennamen, trotzdem er später davon wieder abgewichen ist (wei-
ches t nach k); bei Kr. finden wir dafOr gewähltere Worte, denn sie sucht
besser klingende, gebräuchlichere Ausdrücke aus. Beide benutzen pro-
1859.
1») A.S.Pu&kina: B&snö v^ravnö, pM. Bendl, Verlag Yetterle in Pisek
1^) Man vergleiche nur den Anfang, um den Unterschied zu sehen:
BopoTUHCKiu:
HapRxeHBi i^Li BMtcrt ro-
poAi BiAaxB,
HO, KasKeTCH, HaMi He sa
MocKsa nycxa; boox^A'B sa
naTpiapzciCL
Kl» MOHaciLipH) nomeji'L h
BecB HapoA'L.
KaR'B AyMaemL , "vkwb
KOH^HTCH TpeBora?
nymKHH'L.
Vorotynski:
Zde mime spolu mösto
hHdati,
le6 jak se vidi, za k^m
hledit nemäme ;
anl Moskva pr&zdna ;
hned za patriarohou
i vSechen lid t^i ku kla-
iteru Sei.
Co myslül? Jak seskon6i
as ten strach?
Bendl.
Vorotynsky:
N&m rozkizÄno spolu
Btrici mösta
vSak zda se, neni koho
hlidat n&m ;
jef Moskva prizdna; za
sv^m patriarchem
lid vdechen k monas^ru
ode6el.
Co myslii, 6im se skon&i
cel^ poplach?
Krisnohorski.
Elßka ELräsBohorBkä. 529
miBcne: caffeTiS-Dimitry, Boris^bratr, igumen-opat, was aber nielit von
aoldier Wichtigkeit ist, wie die zweifache Übersetzung des Namen Ioboh'l
ala Joan nnd lyan. Kr. hat nebst szenischen Bemerkungen des Antors
(S. 33, 34, 44, 119) anch zwei Verse, die bei Bendl vorkommen, ans-
gebuwen (S. 117, 120)^^), Unrichtig übersetzt sie: AB^HawaT% =
d¥aoet S. 27, beho = koralka (B. 32, 37, 38, aber S. 33 wieder yfno]
nocT^ == pije 8.34, JsjJBJsrh = podpatek 8. 105, a ^to tu ne hoathth-
naenn» aa b ne noTHTEBaemi» = co to £e netähnes s nämi 8. 33 (gat bei
Bendl: A co ty nezpfväs a nepijes?). Dies alles, nnr genanigkeitshalber
angefahrt, ändert nichts an dem hohen poetischen Werte des Ganzen,
daa sich wflrdig Y. A. Jnngs Oberseizong des fingen On^gin, die trotz
ahnlicher Fehler so viel gepriesen wurde, an die Seite stellt.
Krtaiohorskä ist dme ehrenwerte Brscheinang, mit ihrer
kolossalen Arbeitsamkeit nnd Ansdaner imponierend. Sie liebt, wie ihre
große polnische Zeitgenossin Marja Eonopnieka, leidensohafliieh ihr Volk
nnd widmete ihm ebenso wie Konopnicka alle ihre Kräfte, alles was sie
hatte, selbst die Gesnndheit
Wien, November 1907. Jaromtr K. Doleial,
^ Es ist nirgends angegeben, welche Ansgabe Kr. bei ihren Obersetzon-
gen benutzt hat, wodurch die Vergleichnngen sehr erschwert werden.
Ein BrnehBtack von Moliöres Gearge Dandin in der
Übersetzung F. E. Frankopans.
Von T. Matiö.
In der Vorrede zu Frankopans Gedichten ^) erwähnt H. Kostren5i6
ein im handschriftlichen Nachlasse Frankopans befindliches Bmchstflck
eines ohne Titel erhaltenen slovenischen Lustspieles. Ans der Inhalts-
i) Vrtid. Pjesme Fra£e Krsta markeza Frankopans, kneza Tria6koga.
Izdao Ivan Kostreniid. Zagreb 1871.
Archiv für slaviscbe PUlologi«. XXDC. 34
^30 T. Matiö,
angäbe bei Eostrencid war es mir klar, daß wir es da mit einer Übersetzung
aus Moli^res George Dandin zn tnn haben. Diese nnn in mancher Be-
ziehung interessante literarische Erscheinung will ich durch die vor-
liegende Ausgabe zugänglich machen. Obwohl mein Augenmerk also
hauptsächlich auf das Fragment George Dandins gerichtet war, werde
ich doch auch über die übrigen in den Papieren Frankopans erhaltenen
Gedichte und Aufsätze einige Bemerkungen vorausschicken.
I.
Der literarische Nachlaß Frankopans ist im k. und k. Haus-, Hof-
und Staatsarchive in Wien in einem aus zwei Eonvoluten bestehenden
Faszikel erhalten [Ungarn Fasz. 318 (alt 122). An&eichnungen usw. des
Qrafen Fr. Chr. Frangepani, f 1671, in zwei Eonvolnten (a und b)].
Das Eonvolutum a besteht aus 189 Blättern. Die Blätter 1 — 2,
7 — 16 und 43 — 103 (alle in Folio) enthalten in italienischer Prosa ver-
faßte Disputationen über die Liebe mit stellenweise eingeflochtenen italieni-
schen Liebesgedichten. Es werden widersprechende Thesen über das
Wesen der Liebe eingehend behandelt, so z. B. Che la gelosia e tormento
in amore (mit einem Sonett Amante geloso alla sua donna) und Che
la gelosia non e tormento ma condimento in amore oder Che sia piü
lodeuol cosa ü ben parlare cK il ben tacere oder Dücorso accademico
sopra la bellezza del corpo e delV anima e quäle dt quelle pre^
uaglia usw. Das sind also Vorträge, die fftr eine Accademia bestimmt
waren; darauf weist auch der Titel des auf dem Blatt 46 in Prosa nieder-
geschriebenen Aufsatzes hin: A Cupido ßgliol di Venere. II minimo
degV Accademici Italiani^ per adesso chiamato FAbbaituto,
Die Blätter 3 — 6 sind ebenfalls italienisch geschrieben und enthalten
eine Lode delle scienze et delV arii liberali e mechaniche^ in commune.
Zwischen den Blättern 16 und 40 befinden sich drei Hefte kleinen For-
mats, deren Inhalt lateinische und italienische Gebete und aszetische
Aufsätze bilden. Es scheint, daß da manches aus gedruckten Bflchem
abgeschrieben wurde, denn auf den Blättern 36 und 39 finden wir zwei
darauf hinweisende Notizen: Antuerpiae, Ex officina Plantimana
Balthasaris Moreti, MDCLXII und Passauy. Apud (f)fogium^)
Höller, Anno MDCXLVI, Aszetisch ist auch der Inhalt des Blattes
1] Der erste Buchstabe ist unleserlich.
Ein Brachst yon Moli^reB George Dandin in der Über8.F.E.Frankopans. 531
40 (in Folio): das sind lateinische Proposita in posterum faciendi
(zonilchst Confessiones, dann Orationes, Fasten, Almosen nsw.). Die
Bl&tter 41 nnd 42 (in Folio) behandeln in italienischer Sprache V ansia-
nita d^ cauallieri et regole sotto quali milittano. Auf den Blättern
r
104 nnd 105 sind zwei italienische Gedichte: Deh senti mio bene nnd
Dialogho fra moglie e marito nnd daranf folgt eine Sammlnng von
lateinischen Aphorismen (Blatt 106 — 108 in 4<>): Index aphorismorum
politicorum, deren Quelle vielfach angegeben wird (Thnkydides, Xe-
nophon).
Interessant sind die Blätter 109 — 181, die ein Heft in 4^ bilden
unter dem Titel : Diporti del Crescente. Diuisi in ritne moralij de-
uot€y heroiche, amorose. In Bruesela. Appresao Giou. Mommartio
MDCL VI, Das sind die in der kroatischen Literaturgeschichte bereits
bekannten italienischen Gedichte des Erzherzogs Leopold Wilhelm, eines
Sohnes Kaiser Ferdinands U. (cf. EostrenSid, Vrti<5, pag. X). Ein Exem-
plar der gedrnckten Ausgabe dieses Werkes befindet sich in der Wiener
Hofbibliothek: die Widmung an Kaiser Ferdinand HL, und alle zu Ehren
des Dichters Crescente von verschiedenen accademici verfaßten Gedichte
sind in unserer Abschrift weggelassen, so daß diese alsogleich mit den
Gedichten des Crescente selbst anhebt. In der Handschrift ist keines von
den Gedichten der gedruckten Ausgabe ausgelassen, — es gibt da im
G^enteil über zwei Seiten italienischer Verse, die im gedruckten Texte
nicht vorkonunen (nach den Rime heroiche und am Schlüsse der Hand-
schrift). Die zwei ins Heft eingeschalteten losen Blätter gehören nicht
dazu (ein Verzeichnis von Aufsätzen, die — soviel man aus den Titeln
ersehen kann — verschiedene Regeln der Lebensweisheit behandeln soll-
ten, und eine Sammlung von angeblich geistreichen, gewöhnlich aber
recht trivialen Sprüchen).
Auf den Blättern 182 — 186 (in 4<^) folgen italienische geographische
Notizen: Estratto deüe cose piü notabili in diuerse parti del mondo.
Das Blatt 187 ist eine zu »Neustadt 17 Xbre 1670« in italienischer
Sprache ausgestellte, an Domenico Zannini und Sebastiano Bomighoni
lautende Geldanweisung auf 300 Gulden, die dem Grafen Mansfeld, der
mit der Aufsicht Frankopans im Gefängnisse zu Wiener Neustadt betraut
war, eingehändigt werden sollten. Auf dem Blatte 188 ist auf einer Seite
ein Fragment des kroatischen bei Eostrencid (pag. 109) gedruckten Ge-
dichtes Parides mudro cini spoznane und auf der anderen ein Entwurf
einer Widerlegung einzelner Punkte der gegen Frankopan erhobenen An-
34*
532 T. Matld,
klftge. Das letzte Bktt 189 enÜiAlt etne Smminlimg ton SlKttohttgW
Pro Ppe (Principe), die den klasflischen Schriftstellern, ^opheten, Psul-
men nnd Kirchenvätern entnommen sind, mit einigen Anmerkongen,
welche offenbar mit der Lage Frankopans nach der Entdeckung der Ter-
schwönmg im Znsammenhange sind.
Bei weitem interessanter ist das Konvolntnm b, in welchem folgend«
Handschriften^) enthalten sind:
1) Das erwähnte Bmchstflck von Moli^res George Dandin (drei
Blatter in Folio, ausgeschrieben sind aber Bwr Tier Seiten und ein paar
Zeilen der fOnften Seite).
2) Sententie vszakoiaske (kroatisch ; Bwei Blätter in Folio).
3) Drei Blätter in Folio mit den kroaitisohea beiKostrenSi6 (pag. 145
bis 147) abgedruckten Gedichten.
4) Eine in Prosa geschriebene, unroUendele kroatiBehe DafsteUitt^t
des jüngsten Gerichtes: Po vszem szuiiu retzglasaena, precyudna y
straszna trumbita sztsdnyegha dneua (fnnf Blätter in Folio).
5) Eonsepte und Abschriften kroatische Gedichte mit eiftett für
GartUe bestimmten InhalitsTeraeichnisse (42 Butter in 4^).
6) Drei italienische Gedichte : Deh senti mio bene^ Haggio dornte
uno presente und Mbrate, donne chate (vier Blätter in A%
7) Zganke za trime skratitty (kroatisch; 18 Blätter in 4*).
8) Abschriften von kroatischen Gedichten (24 Blätter in 8^).
9) Ein aus 42 Blättern in 8^ bestehendes Heft, dessen Inhalt eben-
falls kroatische Gedichte bilden.
10) Eine Sammlung ins Beine abgeschriebener kroatischer Gedichte
unter dem Titel: Gartlicz za ciasz kratitty^ bestehend aus 20 Heften
von je 8 Blättern; es fehlt nur das erste Blatt des 2. Heftes; vom 2. Hefte
an beginnt eine neue Pagination, die bis zum 19. Hefte inklusive läuft
(3 — 288); das 20. Heft (ein Verzeichnis der im Gartlic enthaltenen
Gedichte) hat keine Pagination, denn die alte (derjenigen der Hefte
2 — 1 9 nicht entsprechende) Pagination wurde teils ausradiert teils durch-
gestrichen.
1) Das handschriftliche Material des Konvolutums b, welches gar nicht
geordnet war, habe ich (auch im Eonvolutum] in die sab 1 — 12 angeiührtm
Gruppen eingeteilt Soweit es möglich war, habe ich diese Einteilung nach
dem Inhalte vorgenommen.
Brnobst Ton Moliöres George DMdhi m der ÜberB.F.E.Fraiikopani. 533
1 1} JSJmxßptid und AlMiobrifteii tob krMtiaehftii 0#diehtMi (««ht l(«e
BIMtor IQ Folio); aätten unter diesen Qediohten befindet flieh auf «um»
Btütle ein Konzept Fnmkopans, in welehem er aicb gegen die Behend*
Inni^ im OeOngniase beechwert, und enf einem imdoren Blatte ebeafaUa
W Konsept einv Beeehwerde Tom 24. Jannar 1671. Die entepmohen-
den Beaehwerden sind in Baikis Acta coniuratianem Bani Feiri a
Zrinio et Fr. Frangepani iUuatrontia (Agram 1873} enb n. 604 nnd
903 b^ransi^e^eben,
12) Seehs halbe Bluter in Folio (der Länge nach dvrchgeBohnitten),
TiMi denen Tier Blfttter kroaikohe Oediehte nnd die llbrigen swei Blitter
italieniaehe Gediehte Haggio donne uno presente nnd Mirate^ dontm
chare enthalten ^}.
Bereits KostrenSi6 hat herrorgehoben, daß am Znstandekommen
dieser Handschriften mehrere Sehreiber tätig waren. AnfGmnd der eigen-
bändigen, in denVerschwOrnngsakten erhaltenen Briefe Frankopans kann
man bestimmen, was Tom Dichter selbst geschrieben wnrde. Entschie-
den ist es sicher, daß Frankopan beim Zustandekommen sowohl der kroa-
tischen als der italienischen Teile seines literarischen Nachlasses selbst
als Schreiber sehr eifrig tätig war, nnd insbesondere bezflglich des Bmch-
stflckes Ton Moli^res Oeorge Dandin kann man mit Bestimmtheit sagen,
daß es Ton der Hand Frankopans herrflhrt.
Was die Gedichte Frankopans anbelangt, so sieht man in denselben
dentlich zwei StrOmnngen: neben den secentistischen Deklamationen ge-
langt eine frische Lebenslust, manchmal auch ein ausgelassener Übermut
zum Ausdrucke. Der so oft wiederkehrende Gedanke der Vergänglich-
keit des Irdischen bringt den Dichter — je nach der Gattung der Gedichte
— auch bei den geringsten Anlässen (z. B. bei einem Zahnweh) aufrecht
ernste, das Irdische Tcrachtende und gegen den Himmel emporstrebende
Gedanken (Kme dcTote, Rime morali), während in den Rime amorose der-
selbe Gtodanke mit der Aufforderung an die Geliebte schließt, sie soll
solange sie jung ist, Leben und Liebe genießen. KostrenSi6 hat auf die
Quelle, aus welcher Frankopan seine dieser Bichtung angehörenden Ge-
dichte zum Teil schöpfte, nämlich auf die Diportidel Crescente (Brttssei
1) Die kroatischen in den Papieren Frankopans erhaltenen, in die Aus-
gabe Kostren&iös aber nicht aufgenommenen GMichte und Auüsätze sind in
Yrtiö (p.XI) angegeben. Vom italienisehen handschriftlichen Material wurde
bisher nichts Teröffentliebt
534 T. Matiö,
1656] hingewiesen nnd die Oedichte angegeben, welche Frankopan nach
diesem Mnster zustande brachte. Ohne die beiden Samminngen von diesem
Standpunkte einer genaueren Prüfung unterzogen zu haben, kann ich zu
der von EostrenSic entworfenen Liste der bei Frankopan vorkommenden
Nachahmungen Crescentes hinzufügen, daß z. B. auch die im Vrtiö auf
den Seiten 145—157 herausgegebenen Gedichte auf Crescentes Rime mth-
ralij sowie das ziemlich flotte Gedicht Spogahane proSastnoga vrimena
(im handschriftlichen Gartltc p. 105 — 1 1 0] auf die Canzonetta in forma
di dialogo [Diporti del Crescente p. 143) zurfickzufUhren sind. Es
ist aber noch interessanter, daß es in Frankopans Gartltc auch Gedichte
gibt, die mit den italienischen in die Disputationen über die Liebe im
Eonvolutum a eingeflochtenen Madrigalen und Sonetten in einem offen*
baren Zusammenhange stehen: vgl. z. B. die Gedichte Lila spogana
TeseUf da ni znal mucati und Teseus sehe prica nazlohnika krived
(Vrtiö p. 70, 71] mit dem Madrigal und dem Sonette im Vortrage Che
sia piü lodeuole il hen tacere che il ben pariere (Konvolutnm a,
Blatt 64]. Wer ist aber Autor dieser italienischen Gedichte? Die
Autorschaft Frankopans ist meines Erachtens fraglich. Auf jeden Fall
wird man bei der Beantwortung dieser Frage um so vorsichtiger vor-
gehen müssen, da es feststeht, daß gerade im Eonvolutum a fremde,
sogar gedruckte Sachen abgeschrieben vorkommen. Überhaupt sind mir
die kroatischen Gedichte Frankopans^ welche die Liebe zu Lila, Elori und
ähnliche secentistische Themen behandeln, was ihre Originalität anbelangt,
alle insgesamt sehr verdächtig.
In einem ausgesprochenen Gegensatze zu diesen faden Liebesdekla-
mationen stehen bei Frankopan die Gedichte, in denen eine frische Lebens-
freude ohne Phrasenballast zum Ausdrucke gelangt, vielfach aber in
Ausgelassenheit übergeht. Einige von diesen Gedichten erinnern an die
Schlichtheit der Volkslieder, anderseits aber zeigen sich auch in solchen
Dichtungen Momente, die nach Italien hinweisen. Die Gedichte Züire
ko svit zdriuje und Ptica prez perja (handschriftlicher GarÜic pag.
60 — 65 und 70 — 73] erinnern durch ihre frivolen, in Zweideutigkeit ein-
gehüllten Anspielungen und Beschreibungen des Geschlechtslebens, be-
sonders aber durch die gleich in den ersten Versen an Frauen gerichteten
^ ^ ^ne drage, poätentajte
ter me malo poslu&ajte ....
oder
Poglejte, iene drage, kako je }ubav iaka
Ein Brachst, von Moliöres George Dandin in der ÜberB.F.K.Frankopans. 535
80 sehr an die italienischen canti camascialeschi. Zu Zvire ho svit
zdrzuje finden wir ein Vorbild in dem bereits erw&hnten, in den Papieren
Frankopans erhaltenen italienischen Gedichte Donne haggio uno pre-
sente (im Eonyolntnm b sab 12 von Frankopan selbst nnd sab 6 von einer
anderen Hand geschrieben). Dieses Gedicht erinnert aber anderseits
stellenweise an Canto del zibetto, ein canto carnascialesco von einem
unbekannten Dichter (herausgegeben von OHndo Guerrini in Canti car-
nascialehchi^ trionfi^ carri e mascherate. Müano 1883). Auch zn
Frankopans Hazgovar med muzem i zenom (handschriftlicher Gartlic
p. 94 — 104), wo eine untreue Gattin die Yerdachtsgrflnde ihres Mannes
durch eine manchmal recht sonderbar klingende Rechtfertigung zu ent-
kräften sucht, findet sich im Eonvolutum a ein italienisches Vorbild Dia-
logo fra moglie e maritOy welches ebenfalls von der Hand Frankopans
herrührt.
Aus diesen bei einer bloßen Durchsicht der Papiere Frankopans
wahrgenommenen Tatsachen sieht man, daß in seinem literarischen Nach-
lasse noch manche mit Vorsicht zu behandelnden Fragen einer Beantwor-
tung harren. Vor allem wird man den Umfang des wirklichen literari-
schen Eigentums Frankopans feststellen müssen : wenn wir einmal genau
wissen, wo er fremden Fußstapfen folgt und wo seine eigene dichterische
Persönlichkeit zum Ausdrucke kommt, dann wird man erst ein Bild
Frankopans als Dichter entwerfen können. Seine Obersetzungen und
Naohhildungen fremder Produkte können uns zwar einen Einblick in seinen
literarischen Geschmack und in die geistige Sphäre, in welcher er lebte,
gewähren, aber für die Beurteilung seiner literarischen IndiTidualität
haben ähnliche Produkte eine sehr geringe oder gar keine Bedeutung.
IL
Das in den Papieren Frankopans erhaltene Bruchstück Geo^-ge
Dandins gehört zu den ältesten Übersetzungen aus Moliöres Werken.
Da die erste Ausgabe dieser Komödie 1669 erschien (die erste Aufführung
fand zu Versailles im Juli 1668 statt), Frankopan aber bereits am 30. April
1 67 1 zu Wiener Neustadt hingerichtet wurde, so muß die Entstehung un-
seres Bruchstückes in die Zwischenzeit ( 1669 — 167 1 ) fallen, — jedenfalls
also kam die Übersetzung noch zu Lebzeiten Moli^res (f 1673) zustande.
Soviel ich aus den Angaben in Lacroix' Bibliographie molieresque
(Paris 1875) und in Les grands ecrivains de la France, Oeuvres de
536 T.
Moliire (ed. £. Despois und P. Hesnard) ersehen kann, iriren Slter als
mwer Brnchstflck nnter den Übersetzungen ans den Werken MoU^res^)
zwei italienische Übersetzungen: Trufaldino medico volonte^ commedia
novella ridicolosa {di FVancesco Leoni) (Bologna 1668)^) und 77 vil-
lano nobile^ commedia di Cesare Ventimonte (Bologna 1669), w&hrond
zwei holländische Übersetzungen: Amphitrion von Abr. Peys (Amster-
dam 1670) und De Oedwongen Doctor (M^ecin malgr6 tui) Yon Jakob
Soolmans (Amsterdam 1671] und eine deutsche im Jahre 1670 erschienene
Übersetzung') Ton ftlnf Komödien Moli^res [Les Preeieuses ridicules^
Sganarelle^ VAmour mSdecin, UAvare und George Dandin) ungefiüir
in dieselbe Zeit fallen. Unser Bruchstück wftre in den slavischen Lite-
raturen der älteste Versuch einer Übersetzung aus Moli^.
Sehr nahe liegt nun der Qedanke, daß der Übersetzung Frankopana
Tielleicht nicht der französische Originaltext, sondern die deutsche Über-
setzung, die eben in dem Jahre erschien, in welchem Frankopan vor seiner
Deportation nach Wiener Neustadt längere Zeit in Wien zugebracht hatte,
zugrunde liegt. Wenn man das Fragment Frankopans einerseits mit dem
französischen Original und anderseits mit der alten deutschen Übersetznng
vergldcht, so findet man sehr charakteristische Stellen, die Aber die Vor-
lage Frankopans keinen Zweifel zulassen. Auf die wichtigsten will ich
aufinerksam machen:
1) Im Catalogue of the Moliire eoUeetion in Harvard eoBege Ubrary von
Gurrier und Gay (Cambridge 1906) werden unter >£nglish imitatioiis and
translations of Moli^es plays« mehrte englische Komödien angegeben, die
aus der Zeit vor dem Jahre 1670 stammen. Nach den Angaben dieses Kata-
loges läßt sich aber nicht bestimmen, ob das wirklich Übersetzungen oder
nur solche Werke sind, die zu Moliöres Komödien in irgendwelchen Beziehun-
gen stehen. In der Bibliographie Lacroix' finde ich diese Werke nicht, wäh-
rend in Les grands Serivains de la Franee zwei von diesen Komödien Uoß als
Imitationen von Moli^res Werken angegeben werden.
S) Auch diese Komödie scheint keine eigentliche Übersetzung zn sein,
denn in einer Anmerkung fügt Lacroiz hinzu : »Cest sans donte une imitalion
plulöt qu'une tiadnction de la faree de Moli^rec (Bibliographie moli^esque,
p. 148).
^ Schau-Bühnen Englischer und Frantzösischer Comödianten. Fraack-
fort am Mayn MDCLXX. — Der dritte Band dieser Sammlung, in welchem
unter anderem auch die Übersetzung George Dandins enthalten ist, befindet
sieh in der Wiener Hof bibliothek.
Sm Brachst yon MoliöroB George Daadin in der 0ber8.F.E.Fninkopa]iB. 537
. . . Toyant sortir Lnbin de chez lux.
Sihet Lnbin gegen ihm iieranBkommen.
. . . vidi iz svqj'e hiie izliodit Budimodra.
H6, dites-moi nn peu, 9*il vom platt: vous Tonez de Ui dedans?
Ey hört doch, komt ihr von drinnen her?
Hoj )nbi, akur vam dragUj pravte mi^ ste s le-t^ hiie zdajc priSü?
Motusf II ne fant pas dire qne Tona m'ayez yu sortir de Ik.
Ihr mflst nicht sagen, daß ihr mich gesehen habt heraoßgehen.
Tihu, ne pravte obenom, dar st' me vidli le-tn von ziti.
Dosflement. /'ot peur qa'on ne noos ^nte.
Gemach. Man hört uns sonst.
Le tihn, le tihn: jieet $e baamy kar me ki «liaa.
C^est q»e je viens de parier k la mattrease du Itgia de la pmi
d'nn certain monsienr ....
Ich wolle gern mit der Frau reden wegen eines Edellmanns ....
Ja, viste, sam hü od strane enega gospnda pri le-toj guspodi&i
Le man, k oe qnUs disent, est nn jalonx qni ne vent pas qn'en
fasse ramour k sa femme; et iiy^<H^ le dtable ä quaire^
si cela venoit ä ses oreilles.
Man sagt, ihr Mann sey sehr eyffersüchtig nnnd will nicht leyden,
daß man seine Fran ansehe] er würde tott, wann er dieses
hl>rte.
de eno sli&te, pr' moj' dosi, amisno. Mui le-te gospodi&e, ^taknr
pravjn, %jfira ka en hndiS ino neSe dar ja obeni lubi; jest
menim, akor mn k vuhupride |abeznost moga gospada, dar
ga zladi zame odj'eznosti.
Est-ce ce jeone komme qoi demeure . . . .?
Ist es der jange Coortisan, der za . . . .?
To je tar goapod, kteri je priial sim statt ?
538 T. Matte,
. . . la gentilhommerie vous tieni les bras lies.
. . . der Adel sitzt dir zu nah auff der Haub.
. . . £e SlalitnoBt roke ti veze.
Mon Dieuf notre gendre^ qne voub avez peu de civilis . . .
Ej wie nnhöfflich seyd ihr ... .
MoJ Buffj kakur je grdo, ^ubi sifi ....
Mafoi! ma belle-mere^ c'est quey'at d^autres choses en Ute;
et ....
Ich hab Jetzt anders zu gedencken und ....
GvUno^ ma draga mati, e, mam druziga v glavi kar pre£e£e.
Gegen Ende der zweiten Szene sind in der dentschen übersetznng
die Worte »Cela est vrai«, die George Dandin sagen sollte, ausgelassen
und dadurch die vorangehende und die darauf folgende Rede Lubins in
eine yerschmolzen, Frankopan aber blieb auch da dem französischen
Original treu. Man kann also wohl mit Bestimmtheit sagen, daß der
Arbeit Frankopans das französische Original und nicht die
Frankfurter deutsche Übersetzung aus dem Jahre 1670 zu-
grunde liegt.
Das Auffallendste an der Übersetzung Frankopans ist jedenfalls die
Sprache, deren sich der Übersetzer bediente: es ist nicht die kroatische
Sprache seiner übrigen Gedichte, sondern er wählte dazu Slovenisch und
sicherte sich dadurch in der Geschichte des slovenischen Dramas, wenige
stens chronologisch, die erste Stelle. Gerade deswegen aber könnte viel-
leicht die Frage aufgeworfen werden, ob diese Übersetzung liberhaupt
von Frankopan stammt. Bei einer näheren Prüfung aller Umsti&nde kam
ich zur Überzeugung, daß keine Gründe vorliegen, an der Autorschaft
Frankopans zu zweifeln, da vielmehr alles dafür spricht, daß tatsächlich
er der Übersetzer ist. Das Manuskript selbst ist vor allem von der Hand
Frankopans geschrieben und ist keineswegs eine Reinschrift (also etwa
Abschrift aus einer Vorlage), sondern die vielen Korrekturen, auf Gnmd
deren wir der Arbeit des Übersetzers und der Entstehung der definitiven
Form der Übersetzung Schritt für Schritt folgen können, weisen darauf
hin, daß wir es da mit einem Konzepte des Übersetzers selbst zu tun haben.
Daß Frankopan slovenisch konnte, ist gar nicht so auffallend: zur Zeit
der Kämpfe mit den Türken war überhaupt die kroatische Aristokratie
_j
Ein Brachst, von Moliöres George Dandin in der Üben. F. K.FrankopanB. 539
mit den österreicliisehen Alpenländern, also vor allem anch mit den zu-
nflchflt liegenden slovenischen Gebieten in engsten Beziehnngen, nnd spe-
ziell onser Dichter war in diesen Gegenden begütert, hatte somit von seiner
Kindheit an Gelegenheit genug, die slovenische Sprache zu hören. In
einem Briefe vom 1 0 . Dezember 1634 erwähnt sein Vater Yak Frankopan,
er sei mit Edlingar in Verhandinngen betreffend den Ankauf des Gutes
Bann (BreSice) in Steiermark: ». . . u traktati s gospodinom Edlingarom
u Briskom imaAu«. Dieses Gut ging tatsächlich in den Besitz der Familie
Frankopan Aber: ein Bericht Vuk Frankopans an den Kriegsrat vom
28. Oktober 1640 ist bereits auf seinem Besitze zu Kann datiert. Unser
Dichter Fra^o Krsto und seine Schwägerin Sophie, die Witwe seines
älteren Bruders Juriy (f 1661), berichten in emem »ex arce Runa^ S.octo-
bris 1661« an den bekannten Agramer Bischof Petar Petretic gerichteten
Schreiben über eine Teilung der Güter der Familie Frankopan: ». . . ad
subterfugiendos dubios litis euentus amicabiliter et placide ratione prae-
tensionum inter nos hoc tenore composuimus: ut primo media arz in
Styria siia, Huna^ cum prouentibns unicuique nostrnm vigore testamenti
eonditi attribuenda« ^].
Ja sogar die Sprache in der Übersetzung George Dandins weist
gerade auf einen Übersetzer hin, der trotz seiner Bemühungen, slovenisch
zu schreiben, doch vielfach durch Kroatismen seine Abstammung verrät.
Dem altslovenischen Nasallaut ^ entspricht in der Regel ein u und be-
sonders konsequent ist dies im Akkus. Sing, der a-Stämjne und in der
3. Pers. Plur. Präs. bei den Verben durchgeftlhrt: zastupite (2. Szene),
poruSila (2), zastupila (2), zastupis (3) neben: roke (3), zaroSiti (3);
mol2 (2) einige Male neben mui^ (2); guspodi(;}2« objubit an pä enu tvoje
glihe dobrti ino pohlivnt« (1), guspodi£u (1, 3), anu groznu oslar^u (1),
ju (2, eam), vsu stvar (2), jednn cedulicu koju . . . (2), tu frajntsoft (2),
gospodlAu (2), enu kantn (2), £enn (3), anu gospodiSnu (3), hudu reS (3),
pravicu (3), boten (1), denari k budiSu gredu (1), prihaju pa spet od-
haju (1), bu (2, 3), bum (2), pravju (2), pristupeju (4), snprisli (3). Cha-
rakteristisch ist der Personenname Bt^dimoder, daneben aber: Horvat
le-taj je mt^der (3). — Stellenweise kommt auch die ikavische Aus-
sprache zur Geltung, die in den kroatischen Dichtungen Frankopans
neben der ekavischein auftritt: 5lovik (2), viti, vim, vis, viste (1, 2), dve
1} Of. Lopaiiö, Spomenici triaökih Frankopana (in Starine XXV, pp. 250,
244 nnd 296).
540 T.lbti^,
nü (2), tve bisede (m wiie aUerdinge beMe n enrnrlen), popivv«& (2),
miino (2), poUi^nn (1), lipo (2), lipü (2), biana (2), vedU (2}^). — Ab
Sefltt dM B. g. Halbyokik kommt («neh in kmaon Buben) a n^ben « tot:
kaknr Mm j6st «tnril (1), Uapac (1) neben Unpee (2), jeat aam In doUe
dei«|e (2), Bon bfl (2), llahtui (2), prikl (2), sam aal (2), poaal (2) -^
neben: Bogateo (2), Mihil^ea (3), mndar (3), kosel (3). — In der Ifovpho^
logie begegnen nne ebenfalk (aneb abgesehen von den bereitB erwihnten
Bnflnngen im Akk. Bing, der (^Stftmme nnd in der 3. Pera. Plnr.Piria. bei
im Verben) vielfaeh Eroatiamen: Instr. Bing, anom goBpodi&noin (1),
«Bom knnfaatom aiapieom (3), mo5nom Uafiniieom (3); oder Dat. Bing.
oben<Hn (2), toj gospodiiü (2); oder Lok. Bing, mojoj hiü (2), toj gnapo^
diAi (2), pri datoj kmni (2). Hierher g^ören aneh kontrahierte Formen
der Pronomina posseBBiYa: na momn Btroskn (1), moga goapnda (2))
Y momn teln (2), tre biaede (2), tromn gospndn (2), tvega . . . go^mda (2),
ma draga mati (4) — nnd nominale Formen in der Deklination der Ad-
jektive: tu ga mam napisana (2), enega gospnda taknr iUahtna ino ear-
tana (2), trega cartana goBpnda (2). KroatiBeh ist ebenfaUs der Dal
Sing, des Pronomens personale joj : joj nii ne smis stnriti (3), aknr joj
das hndn re6 (3). Mit dem prädikativen InstmmentaÜB konmit eine kroa-
tisehe, im SloveniBohen nioht ttbliohe syntaktisehe Wendm^ inr Geltung:
kaknr ia enega praseta jelenom poetane (2). BeeonderB beeeiehnend aber
sind die Eroatiamen im Wortsohatie: gorkoat (in der Bedeutung: Bitter-
keit, Kammer), rei (in der Bedeutung: Wort) — dann einige im fflove-
niaohen nioht gebriueUiohe Wörter: pelda, premda, vsestae, ntvrditi
n. dgL Eine falsehe Analogiebildung naeh dem In&dtiv bati se lat daa
Prftaens baam se (statt bojim Be) — eine Form, die ein Blovene gewiB
nieht angewendet hätte.
Eine interessante Parallele zur Bpraehe unsereB Fragmentes bildet
das Gedicht Fratri putniciy welches sich im GarÜic befindet, Aber deaaen
Antorschaft folglich nicht gesweifelt werden kann, da Frankopan BMne
Gedichte von einem Bchreiber aus Konzepten in dieees Heft abschreiben
ließ. In Fratri putnici aber tritt das kroatische Element noch stirker
hervor.
Was mag nun Frankopan bewogen haben^ in der Übersetzung dar
Komödie Gearge Dandin sich der slovenischen und nicht wie boubI in
1) imie von i fUr % kommen allerdings andi bei den BlovenBchen
Sohriftstollem des XYI. und XYII. Jahrh. vor.
Ein. BroehBt von Moliöres George DattAn in der Obers. F.SLFrattkopani. 541
mAmm CMKchten der kroatiaehea Sprache la bedienea ? Heioea Staiobtau
wollte Ftanlcepaft die wuig aohmeidielliafte Rotte elaea betrogieiieii Bbe^
fluuuiea nioht seiBem Laadamaime saweiaen, aoadeni waUto daa« dan
mehBtoB Naehbatii, einen Slovenen, wftlirend die jedenfalia ▼oitailluilliM
Belle daa Liebhubera mid Yerfthrera einem kMwIiaolien Bdelman,
»ilnhtaB goapnd a hervaekega nraaga«, zngedacfat war. Soloke lokalen
Boaheiten sind ^^en eine allMglieke Braeheinang, nad waa apeaiell ikre
BoUe in der ftltenn kroatlBohen Literatur anbelangt, haben wir eine
acMne Parallele zu Frankopans Verfahren in den Kom(kUlen dea Baguaa-
nera Ifiarin DtH6 (f 1567), der dem Kotorania (Einwohner der beaaeh-
barfeen Stadt Cattaro) gegeattber den Bagnaanem eine nkit geradeen
elffeaToUe Stelle eingaranmt hat. Insbeaondere in der fOnltea KomOdie
(aaeh der Aasgabe der Agramer Akademie in Staripisci)^ deren Svjet
anch sonst so sehr an Moli^res George Dandin erinnert^), spielt Tripie
ans Gattaro die Bolle des betrogenen Ehemannes, also die Bolle des Slo-
venen Jame bei Frankopan. In der an Bagnsa in der ersten H&lffce des
Xym. Jahrh. zustande gekommenen Bearbeitang yon Moli^res George
Dandin finden wir dagegen keine Spnren ron diesen lokalen Sticheleien,
sondern die Gegensätze bemhen einzig nnd allein auf dem Unterschiede
der Qesellschaftsklassen der kleinen Bepnblik, was auch dem franzö-
aischen Original besser entspricht.
Von Moli^res George Dandin hat Frankopan nur die drei ersten
Szenen nnd einige Zeilen der vierten Szene des ersten Aktes übersetzt
Der Übersetzer hatte eben sewe Arbeit kanm begonnen, als ihm durch
die traurigen Schicksale seines Lebens die Fortsetzung verwehrt wurde.
Frankopan ist sozusagen mitten in einem Satze stehen geblieben: er hatte
bereite dea Namen der an die Beihe kommenden Person medeigeachriebea,
1) £ine direkte gegenseitige Beeinflussimg kann nicht angenommen wer-
den, da einerseits Driiö im XVI. Jahrh. lebte und Mollöre anderseits kroatisch
nicht verstand. Gerade deshalb ist es interessant, daß einige Punkte dieses —
um von anderen Sammlungen abzusehen — bereits in den Novellen Boccaccios
vorkommenden Motivs nur Driid und Moliöre gemeinsam sind und in den
übrigen bekannten Varianten bisher wenigstens nicht konstatiert werden
konnten. Es ist ohne Zweifel eine Vermittlung Italiens, wahrscheinlich der
Commedia deU^ arte anzunehmen. Diese Frage wurde von Prof. Popoviö (Hb
KftsxeBHocTH, Eeoppaff 1906) behandelt und später auch in meiner Studie
aber die Bearbeitungen von Moliöres Komödien in Bagnsa im XVIII. Jahrh.
Bad der Agramer Akademie, Bd. 166) berührt
542 T. Matiö,
den Doppelpunkt gesetzt — und da bricht seine Arbeit ab. Aus seinem
literarisolien Nachlasse geht es unzweideutig hervor, daß er die uns er-
haltenen literarischen Arbeiten in seinem Ge&ngnisse mit sich hatte, da
wir auf einem und demselben Blatte Konzepte von kroatischen Gedichten
und von Beschwerden Aber die grausame Behandlung im Qefiingnisse ra
Wiener Neustadt finden. KostrenSid hat schon hervorgehoben, daß neben
einem Gedichte (nach unserer Bezeichnung im Konvolutum b in der Hand-
schrift sub 9) das Datum »Die 8 May 1670 in Yiennam Apud D: Comi-
tem de Dann« und neben einem anderen »Na dan 8: Catharine ü nouo
mesztot steht W&hrend das erstere von diesen zwei Gedichten (Kostrencic,
Vrtid p. 3) mehr im allgemeinen von der Unbeständigkeit des irdischen
Glückes spricht, aber sich offenbar auf die damalige traurige Lage des
Dichters bezieht, ist das letztere (EostrenSi6, Vrti6 p. 48) ein direkter
Beflex seines Schmerzes, seines Leidens:
U koUpki mi^ku zgubih,
u ditinstvu otca stuiih,
imam krila prekinuta,
do dva bratca poginuta.
Milu sestm, koju ]ubih,
u nevoji sad zaöutih,
]abn dragu, s kom se di6ih,
jur od davna da ne vidih.
Prijate)i prez pomoöi,
a rodbina suze to6i,
veme sluge raztreiene,
prez obrambe zapusöene.
Die Familienverhältnisse des Dichters stimmen damit völlig fiberein:
sein Vater Yuk Erste Frankopan starb bereits 1652 und die zwei ilterea
Brflder des FraAo Erste, Gaspar (f 1653) und Juraj (f 1661), waren
ebenfalls zu der Zeit schon längst tot, so daß von seinen Geschwistern
nur noch Eatarina, die Gattin des Banus Petar Zrinski, noch am Leben,
aber als lifitverschwörerin gefangen war i). Es ist gewiß kein bloßer Zu-
fall, daß neben diesem Gedichte der Namenstag der Schwester als Datum
eingetragen ist. — Eostren6i6 hat somit mit Recht die Entstehung dieser
Gedichte in die Zeit der Gefangenschaft des Dichters verlegt. Ffir eine
nähere Bestimmung der Entstehungszeit unseres Fragmentes der Ober-
1) Cf. JRodoalov^e hrSkih knezova Frankopano im Anhange zum ersten
Bande von Elaiös Kr Ski kne&ovi Frankopani^ Zagreh 1901
Ein Brachst, von Holiöres George Dandin in derÜber8.F.K.Frankopaii0. 543
Setzung des Moli^reschen George Dandin haben wir allerdings keine
bestimmteren Anhaltspunkte als die bereits erwähnten, nach denen die
Übersetzung ganz sicher in die Jahre 1 669 — 167 1 fällt. Aber ich glanbe
nicht irrezugehen, wenn ich für wahrscheinlich halte, daß Frankopan auf
die Idee einer Übersetzung der Komödie Moli^res in Wien kam, wo er
vom 17. April bis 7. September 1670 weilte, an welchem Tage seine
Deportation ins Oeföngnis nach Wiener Neustadt erfolgte ^). In Wien
konnte Frankopan am ehesten in die Gelegenheit kommen, die neue, vor
etwa zwanzig Monaten in Versailles aufgeftlhrte und darauf 1669 im
Druck erschienene Komödie Moli^res kennen zu lernen. Vor seiner An-
kunft nach Wien wird er sich in seiner Heimat, mitten unter den Vor-
bereitungen fflr die geplante Revolution, kaum mit Moli^re abgegeben
haben. In Wien wurden Frankopan und Zrinski wenigstens in den ersten
Tagen nicht strenge behandelt. Am 26. April 1670 berichtet Marino
Zorzi an die Regierung von Venedig, daß die zwei gefangenen Magnaten
zwar miteinander nicht yerkehren dürfen, aber sonst: »Nelle loro case li
alloggiano con nobilissimo trattamento, non h proibita T introduttione de
cavallieri allavisita e allamensa, n^ si pro6ede con immaginabile rigore« %
Es ist viel wahrscheinlicher, daß Frankopan hier seine Übersetzung in
Angriff nahm als später im Gefängnisse zu Wiener Neustadt, wo sich auf
dem Horizonte des Dichters bereits schwere Gewitterwolken gesammelt
hatten.
Wenn Frankopan seine Übersetzung George Daiidvis hätte zu
Ende führen können, so würde er dieselbe ohne Zweifel teilweise auch
kroatisch geschrieben haben, denn der Geliebte der Gemahlin des Slove-
nen Jame wird in unserem Fragmente — wie es bereits erwähnt wurde —
ausdrücklich als ein »zlahtan gospud z horvackega ursaga« bezeichnet,
und hätte sich daher wohl seiner Muttersprache bedient ganz so, wie es
die Slovenen Jame und Budimoder ihrerseits taten. Ein Gemisch von
verschiedenen Sprachen und Dialekten war übrigens in der Komödie gang
und gäbe: diese Erscheinung begegnet uns so häufig in Italien im Cin-
quecento und auch in der kroatischen Literatur derselben Zeit (M. Driid).
Was die Übersetzung selbst anbelangt, so ist sie in der in den älte-
ren Literaturperioden üblichen Art und Weise ausgefOhrt. Der Text des
>) Ba6ki, Acta coniurationem bani Petri a Zrinio et com. Fr. Frangepani
iUnstrantia, Agram 1873 (die Urkunden sub Nr. 332 und 522).
S) Ra^kio.c, p.216.
^44 T. Matid,
Origioab wird frei wiedergegeben und die Namen der auftretenden Per-
sonen entweder dorch die gebr&nehlichen efnheimiachen Peraanannamen
oder dnroli solohe Namen ersetet, in denen eine Anspielung an die Bollft
der betreffenden Person enthalten ist: Moliöres George Dandin f&hrt den
bei den Slorenen üblichen Namen Jarne, Lnbin ist Bndimoder (= sü ge-
sobeit) geworden, und es ist vieUeieht kein bloÜer Zofall, daß der anf-
geblasene komische Edelmann Sotenville nnd seine Gattin in nnaerem
Fragmente unter dem deutschen Namen Hozenbosser auftreten. Im Gegen-
satze zum Verfahren Frankopans sind die Personennamen in der Frank-
furter deutschen Obersetzung unverändert geblieben. Unser Dichter iat
aber noch weiter gegangen, indem er die gar nicht näher bestimmten An-
gaben Moli^es Über die Heimat der auftretenden Personen durch be-
stimmtere ersetzt und somit auch die ganze Komödie genauer lokalisierl
hat. Auf die Frage George Dandins : » Vous n'6tes pas d'ici, que je crois?«
(in der erwiümten deutschen Übersetzung: »Ihr seyt nicht hier zu Hanß,
wie ich davor halte?«) antwortet Lubin: »Non; je n'y suis venu que
pour voir la fdte de demain« (»Nein, ich bin nur hieher kommen das
morgende Fest zu sehen«) — während Budimoder auf die entspreohende
Frage James eme viel genauere Auskunft gibt: »Naä, jest sam tz dolne
deie^e od Viihe Gare.€ Ebenso lautet die Antwort Lubins Ober seinen
Herrn: »C'est le seigneur de notre pays, monsieur le vicomte de . . .«
(»Es ist der Herr Graff von Diegs . . .«) in unserem Fragmente viel be-
stimmter: »Le-tar je an i^lahtan gospnd z horvackega ursaga . . .« Ja
sogar dort, wo das Original nicht die geringste Veranlassung dam bot,
werden von Frankopan lokale Anspielungen eingeflochten. Lubins Worte :
»On le veut tromper tout doucement« (»Man will ihn fein allgemach Ober
den Tölpel werffen«) werden von Budimoder ganz merkwürdig wieder-
gegeben: »N^ le ajfra, saj mu dobro zdi: kad pe/de v Rogatec^ niy pa
pezdi«. Den Worten Budimoders liegt ein Wortspiel zugrunde: die Ob-
liehe Redensart von einem gehörnten Ehemanne wird hier, da im Slovo-
nischen »rogatec« zugleich die Bedeutung »ein Gehörnter« hat, in dem
Sinne angewendet, daß der zu betrügende Ehemann als einer, der nach
Bogatec (Rohitsch) reisen soll, bezeichnet wird.
Was die orthographische Seite unseres Manuskriptes anbelangt, so
herrscht in der Beziehung eine ziemlich große Verwirrung. In der Wieder-
gabe der speziell slovenischen Laute wird einerseits eine und dieselbe
Konsonantengruppe zur Bezeichnung verschieden gesprochener Laute
verwendet und anderseits wieder findet man für denselben Laut verschie-
Ein Bruehst. Ton Moli^res George Dandin in der Über8.F.E.Frankopan6. 545
dene Konsonantengrnppen. Dies geschieht nicht nnir bei den Lauten c und ö
(ohne Unterschied ciy czy ch^ außerdem fdr c auch czi und c) — was nur
vom Standpunkte des Kroatischen auffallend wäre, insbesondere weil
Frankopan aus dem Kflstenlande stammte, im Slovenischen aber der tat-
sftchMclien Aussprache entspricht — sondern auch bei den Lauten c
(gegenflber 6 und c], 8^ S^ ir, i usw., die im Slovenischen genau unter-
schieden werden, herrscht ebenfalls ein Durcheinander: ziennytba(%enitba)
neben zenna (£ena] und zaplethena (zapletena] ; nycz (niS) neben zdaycz
(zdajc) ; stroszku (strosku) neben szturil (sturil} und guszpodycznu (guspo-
dicnu) — ja sogar innerhalb eines und desselben Wortes: posztanesz
(postanes), stranszkegha (stranskega). Für l und n schreibt Frankopan
lij ly beziehungsweise m, ny^ nur im Worte bo] tritt il fflr / auf. Meine
Änderungen beschränken sich bloß auf die Ersetzung der zur Wiedergabe
eines Lautes dienenden Eonsonantengruppen durch die im Wörterbuche
der Agramer Akademie üblichen diakritischen Zeichen und auf die
richtige Anwendung der Zeichen i und/, u und v (im Manuskript »und y,
u und V ohne Unterschied]. In verdächtigen und sonst hervorzuhebenden
Fällen habe ich die betreffenden Stellen unter der Zeile ganz genau nach
dem Manuskripte angegeben.
HL
r
Aetns pryi.
Scena prva.
Jame bogatl: Ah! kar ena iena i^lahtnega roda je ena kai^a stropovita!
Le-takur mk Senitba more biti resna pelda vsem deielnikom,
koteri sc boten ^) nadici zgora svoje i^lahte ino oienit, kakur sam
jest sturil, z änom guspodicnom. Ne !&lahtnost je dobrä: le-to je
vis 2), ino je stvar mo6ne hvale, pa je tudi zapletena z vnogimi
görkostmi ino hudobe ; ja, blagur Aemu ki se ne vplendra. Jest
siromak zdajc se vuiim na momu strosku ino poznajem, kakvar
je ilahtnost moje guspodide. NiS druziga nemam kar ialost ino
skrbi. Oh Jame, Jarne, kakur bi ti bo| bil sturil, premda mas
blagu ino denarje, nikuli nikar guspodicnu ob}ubit, an pä enu
tvoje glihe dobrü ino pohlivnu, ka bi ti hiiila ino mamo poslo-
vala ! Zdajc ti vse ni6 ne prudi. £ena, le-ta se s tobu sramuje;
*) hotten. 2) vygz.
AreMy ftr sUTiBche Philologi«. XXH. 35
546 T. Hatiö,
kad joj gift pride, vsekuli ino glatku strahuje; sluibaviiiki, le-ti
te ne postojn, an pa gaspodiAu; denari k hndiSa gredn; ja, pai^
sam ne vis, aknr si gospnd an pa hlapac na domu. Jame, siro-
mak Jarne! ti si storil ann groznn oslarijn. Nikoli domnr ne
pridem, kar ne najdem stranskega, Tsesknz postari ino priefliü^)
prihajn pa spet odhajn.
Seena drnga. ,
Jame vidi iz svoje hi2e izhodit Bndimodra.
Jame: Kar hndi&a le-tä je stnril^) y mojoj hiü?
Budimoder: Da te plentaj, kar ta (lovik me vidi.
Jame : Le-tä zares me ne poznaje.
Budimoder: Pr' moj' dnsi'), hndö me varja.
Jame: Hej slisisl kar ti je tesku pozdravit?
Budimoder: Da te hndiS! Kaknr sam se baal, da mi prayi, kar me je
vidil Yun 8 hiie pejti.
Jame: Pomagaj Bnh«
Budimoder: Buh vam lonaj.
Jame : Jest menim, vi niste z le-tega varesa.
BudJmoder: Naä, jest sam iz dol&e deie]e od Vis&e Gore.
Jame : Moj ]nbi, aknr vam dragn, praTte mi, ste z le-t^ hiie sdaje prisli?
Budimoder: St, st, tikn.
Jame: Kaknr!
Budimoder: NiS, niS, st, st.
Jame: Earpa?
Budimoder: Tihn, ne pravte obenom, dar st' me^) yidli le-tu vnn ntl
Jame: Zakar?
Budimoder: Moj Bng, zakaj ....
Jame: Kar zakaj ?
Budimoder: Le tihn, le tihn: jest se baam, kar me ki slisa.
Jame: Ojbo, obeni, obeni.
Budimoder: Ja, viste, sam bil od strane enega gospnda pri le-toj gospo-
di^ (da te plentaj, kakur je firisnal) ino mi se zdi, dar sn se
ob]nbili; zdaj me zastupite?
1) priefliczy. ^ Unter den Worten: »le-ta je stnril« findet sich in der
Handschrift eine Variante: »je le-t& pnsloyal«. ^ Per moj dnTsy.
*) darstme.
Ein Brachst von Moliöres George Dandin in der LberB.F.K.Fraiikopftii0. 547
Jame: Ja, pai.
Budimoder : Zatnr mam pefelii^ i), da varjam, kar me obeni do vidi ; moj
]iibi cartani, lipo yas prosim, ne pravte obenom, dar ste me vidli.
Jame: Na, na, nikoli z mojih vust ne zide.
Budimoder: Ja menim, jest tadi vim tvrdno moliat ino flisno pefeiii^)
gtnrit.
Jame : Prav je l&-takn.
Badimoder : §e eno sliste, pr' moj' dnsi^}, smisno. Md& le-te gospodi^e,
taknr pravju, ajfira ka en hudiS ino nece dar jn obeni }ubi; jest
menim, akur ma k ynhu pride }abezno8t moga gospuda, dar ga
zlndi zame od jeznosti. Saj me prav razmite ?
Jame : Ja, se preprav.
Budimoder: AI pä on grdi tat nima niS viti od vsega le-tega.
Jarne: Ja, gvisno.
Budimoder: Naj le ajfra, saj mn dobro zdi: kad pejde v Rogatec, naj
pa pezdi. Ni li res, saj me zastapite?
Jame: Kakor pä, vse glatkn.
Budimoder: Sliste, zasknzi obenom ne pravte, kar ste me vidli od
le-tn vnn priti, ar bi vsn stvar pogrdili. Saj me prav razmite?
Jame: Ja, res je. Moj }Qbi, kaknr se prasa, Sigar si slnSavnik?
Budimoder: Le-tar je an lUahtan gospnd z horvackega nrsaga ino se
pravi gospnd Prdi . . . uAk . . . Poprdi . . . na^ . . . , Zaprezi*)
. . . naJi, nikar . . . Zareni, Zaieni^) . . . tndi nö; da te hndii
zami, niknli mn ne znam ime prav vpetiti. Le-tu ga mam na-
pisana.
(Izname iz mosi&e od vrata jedna cednlicn, kojn Jame z okn-
lari presto, ter v jednom rignmn ime najde.)
Jame : To je tar gospnd, kteri je prisal sim stati?
Budimoder: Ja, pri zlatoj kmni; ja, ja, le-ta je.
Jame na strani : Prav sam djal, da ni prez zroka taj Horvat le-sim na
stan prisal; zator tndi moja gospodida vsesknz pri oblokn
poslnje.
Budimoder: Sliste, pr' moj' dnsi, niknli niste vidli enega gospnda taknr
l^laktna ino cartana. Le kar sam sal pravit le-toj gospodi£i, da
moj gospnd 2eli de slniavnik biti ino prosi tn frajntsoft, kadar
le-tega grdega tata 6e moUia ne bn doma, kar joj more na sluibn
1) peffelich. ^ par moy dafsy. ') Zaprezy. ^ Zazenai
35*
548 T. Xaiiö,
priti, prece mi je senkal pet ino stirdjeset^} ripaijey^).
se Kdi od le-tega tringelta? Saj an hlapee od dan koplk, ae n«
dobi kar desjet') CK^dov.
Jarne: Oh siromak Jarnel (s: s:) Saj tte posal opraTÜ?
Budimoder: Kaknr pä: se nis prav ynntar Btapil, prooe mi je naprofi
prisla ena gvisna Eatrica ino akoz dve riii je moga gospada
pefeli&^j zastapila, pa me prece na gospodiin aapefala.
Jarne: Ah knrba sentana (s: b:)!
Budimoder: Le-ta Eatrica, da me sentaj, bisna ka ena smica, je t
momu teln zadobila srce ino jetrice. Oh Katrica, krota kacaata!
Jarne : Moj ]abi, gospodida je rada slisala tve bisede^} ? Je 1' kaj pom-
Mla tTomu gospudu?
Budimoder: Hüm, menim, da je rada slisala, pa le-takur pravila (da to
bnh Amen, ie sam pozabil!) .... takn, takn .... ja, allate: >Jeit
sam slniavnica tvega cartana gospada ino lipü hyalim na firajnt-
softi, kar me )abi; jest tndi rajsa noei^ ka zgnda bi z £im pra-
vila, an par moj mol!^ da ga hndii zame, vsestac ka ena kokns
domk varja; naj le bü, hSem ie najti glegenhajt s trojim gospn-
dom }abeznost utvrditi.« Takur je djala pa enn kanta Sraikala
na&egnala.
Jarne: Ah! i^ena ferdamena (s: s:)!
Budimoder: Da te ma srajca: ha, ha, le-to bn lipü, da mol2 ne bu nie
vedil, kakor iz enega praseta jelenom postane ! Naj le ajfra ta
stari kozel, naj le ajfra, moga gospada von neisraafa. Ni li res?
Jarne: Ja, gvisno, da je res.
Budimoder,: Eng vas varjaj, jest moram pejti; obenom ne pravte, kar
ste me yidli; niS ne npajte druzimo, kar sam vam djal, da le
moli^ü na yaha ne pride.
Jarne: Ja, ja, dobra je, dobru.
Budimoder: Jest, pr' moj' dnsi, kar mi se poapa, ne b' drazimo pov-
pal za cel rajnis, ja. Sliste,' vi mol6te, jest tadi bam molSaL
(S tim projde popivaja£.)
1) stirdierset. ^ rSpar, bayer. RUblerbatzen mit dem Gepräge einer
Rübe, des Wappens des Salzbarger Erzbischofs Leonhard von Kentschaeh
(1495^1518). Cf.Pleteränik, Sloyensko-nem&kislovar, s.y. repar. ^ defsiet
«) peffelich. ^ tue byfsede.
£» BraehBt Ton Moliöres George Dandin in der ÜberB.F.E.Fraiikopaii8. 549
Scena treta.
Jarne sam S^alostno seSe.
Jarne: Nu Jarne siromak, kaj praviB? Si slisal, kaknr te gnspodi£a
postnva? Yerjes zdaj, da ni tebe, an pa tvoje denaije ob}abila?
Zastapis, kar je za ienn jemati anu gnspodiinu? iiv joj mi ne
amifi atariti, £e äiahtnost roke ti ve!^; aknr joj das hadn reS,
nisi £iher, kar te vnn z hüe kar enega psa ne stirje^). Ja, moj
Jame, takur gr^ taknr, kir Be med i^lahtne gospnde zareva. Oh
kaknr bi bo) bil Btnril hier zaroiiti botra Jurja an par botra
Miheleca: ne bi zdaj trpil le-te truce ino gramote, sam bi si
tadar pravion stnril z anom knnfastom scapioom an par z moo-
nom mafrnicom, kar bi joj prece z vnst ino z nosä krv soedilal
Da ja plentaj: zdaj kaknr 2es storit? Horrat le-ta je mnder;
£ena le-ta je hndobna; jan dmzima sn objnbili glegenhajt najti
sknpar se zastati. Aknr molcis, gvisno kozel postanes; aknr
kaj pravis, hadi2 te vzame. Haj ja, haj ja, jest siromak! Mol6,
Jarne 1 stori le takar: pejdi prece k ocetn i materi ino pravi im
vser glatkn, kar se je zgndilo, te ie^) znati gnspodiAn akrotiti.
Ja, pr' moj' dasi, dobro bn, dobrü, prece grem. Ho 1^ 1^, Bami
sn pridli, niknli bo|.
Scena ietrta.
Gospnd i gospa Hozenbosser, Jarne takaj.
G^» Hosenbosser: Kaknr ste, cartani sin? Kaj vam se zgndilo, dar
ste le-takn tnrobni?
Jarne: £, mam paS niieh, ino . . .
CP. HoaenboB. : Moj Bng, kaknr je grdo, }abi sin, kar ne pozdrayete
}ndje, kadaj k vam pristapeja^j.
Jame: Ovisno, ma draga mati, e, mam dmziga t glavi kar pre£e£e^).
G*. Hosenbos.:
*) Die Handschrift ist etwas beschädigt: statt stirfe k(tamte vielleicht
anch itirfa gelesen werden. *) the zie. ^ priztnpeyn. ^} prezenie.
550
Die Nomenklatnr in den kroatisch-glagolitisehen
liturgischen Büchern.
In neaeBter Zeit ziehen die liturgischen Bücher der Olagoliten in
Istrien, Kroatien, Dalmatien und auf den naheliegenden QnameriBehen
Inseln mehr als jemals nnsere Anfionerksamkeit an sich. Wahr ist es,
daß die Lage dieses stillen Winkels ftlr die Glagoliten immer günstiger
war, als die der anderen Länder, in welchen einst die h. Slavenapostel
ihre Missionstätigkeit entfaltet hatten; denn ungeachtet der Verbote der
Synoden von Spalato (924, um 1069) galten doch ftlr die Bischöfe von
Zeng nnd Yeglia die beiden wohlbekannten päpstlichen Dekrete Innocenz
des IV. (1248, 1252), welche sowohl die Welt- als auch die Ordenspriester
zam Gebranch der kirchenslavischen Sprache bei dem Gottesdienste be-
vollmächtigten. Den Eorchen nnd ihren Schreibern der beiden genannten
Diözesen verdanken gerade die ältesten nnd somit auch die besten Denk-
mäler der kirchlichen glagolitischen Literatur des römischen Ritus ihr
Dasein^).
Bei alledem muß man gestehen, daß der sonst ;gesunde Antagonis-
1) Das bochinteressante Missale vom Anfang des XIV. Jahrh. in der
Vatikan. Bibliothek sign. 111. 4 (Vatik. 4) stammt aus Omisalj (Gastromuaculnm)
auf der Insel Veglia. Das zweiteilige Brevier ebenda sign. 5, 6 (Vatik. 5, 6} ist
von Okruglo und Tribihoviöi, Diözese Zengg. Das glag. Brevier der Wiener
Hof bibliothek sign. 3 (Wien 3) hat Vitus von Omisalj geschrieben ; demselben
kann man mit großer Wahrscheinlichkeit das U. und IV. Brevier von Vrbnik
(Insel Veglia) zuschreiben, während das I. dem Vatik. 4 sich nähert (Vrb. Br. I,
II, III, IV). Der Paiiser glag. Codex sign. 1 1 (Paris) stammt von einem Fan-
laner, dessen Orden mehrere Klöster in dem kroatischen Efistenlande besaß.
Um Veglia und Zengg gruppieren sich, wie um einen Herd, die schönen Denk-
mäler des Fürsten Novak in der Wiener Hof bibl. sign. 8 (Wien 8) nnd Hervojas
von der einen, die Breviere und Missale der Beramschen (Vermo in Istrien;
EoUegiatkirche in der Laibacher licealbibl. sign. G. 16], 162, 163 und 164 von
der anderen Seite. — Außer den genannten Denkmälern habe ich bei dieser
Arbeit benutzt die Breviere von Novi (Nov. I, II) und Missale von Vrbnik
(Vrb. Mis. I, II); weiter die Missale vom Jahre 1483, 1528 (Pauls von Modms),
1531 (KoHcids), 1631 (Levakoviös), 1741 (Earamans). Die Breviere: Brozidsvon
OmiSaU 1562, Levak. 1648, Earam. 1791. Das Ritual von Klementoviö 1512. —
Ghrvatsko-hlahol. Bukopis Siensk;^ v. Prof Pastmek. Prag 1900 und einige
Notizen des i Kan. Parcid im Wörterbuche und Kalender.
Die Nomenklatur in den kroatisoh-glagolitischen litnrgiBchen Büchern. 551
mns in dem lateinisch -slavischen Knltorkampfe, der Ungleichheit der
ringenden Parteien wegen, für die Slaven keinen günstigen Erfolg haben
konnte. Während die kroatisch -glagolitische Literatur des Xm. nnd
XIV. Jahrh. dnrch die Korrektheit, jene des XV. und XVI. Jahrh. durch
die Menge der Denkmäler herrorragte, haben die glagolitischen Denk-
mäler des XVn. nnd XVIII. Jahrh. eine fremdartige sprachliche Gestalt
angenommen, sie gehören nämlich nicht mehr der reinen kroatischen Re-
zension der kirchenslavischen Sprache an, sondern haben vieles mit den
liturgischen Büchern der ruthenischen üniaten gemeinsam, von sprach-
Uclien Fehlem ganz abgesehen. Selbstverständlich konnten die so be-
Bcbaffenen Bücher keinen Beifall bei den kroatischen Liturgen finden, sie
blieben ihnen fremd, und die Folge davon war das weitere Sinken des
Olagolismus, welchem seit der Mitte des verflossenen Jahrhunderts wohl-
verdiente Männer wie BerSid, ÖmSic und ParSic abzuhelfen trachteten,
indem sie zu den alten Vorlagen des XIII. und XIV. Jahrhunderts zurück-
kehrten. Auf den Vorarbeiten seiner Kollegen weiterbauend hat zwar
ParSiö eine neue Ausgabe des Rom. Missais besorgt, dessen Urheber er
nicht nur im geistlichen Sinne war, da er für dasselbe sogar neue Typen
eigenhändig hergestellt hatte; doch mit dem Meßbuche ist nicht allen
Bedürfriissen der Glagoliten abgeholfen , die wenigstens eine neue Aus-
gabe des Diumals (Breviers) erwarten (inzwischen in latem. Transkription
erschienen).
Ein Beitrag zur genaueren Erkenntnis der erwähnten liturgischen
Bücher mOge die vorliegende Abhandlung liefern, in welcher die für ver-
schiedene Epochen der glagolitischen Literatur charakteristische Nomen-
klatur behandelt wird. Um in einer gewissen Ordnung vorzuschreiten,
wollen wir das Material in Gruppen vorführen, d. h. der Reihe nach die
glagolitischen Kaiendarien, Missale, Breviere und Rituale durch-
nehmen.
I. Das Kalendarinm.
Gleich den lateinischen haben die slavischen Breviere und Missale
ein Kalendarinm, wenn auch nicht immer am Anfange, wie es in den ge-
nannten liturgischen Büchern heute der Fall ist. Der Name Kaji6H;i;apB
bedeutet in unseren Büchern außer dem Kalendarinm (hu^ bb Kaj[6H;i[apH
Mis. Vrb. II, Fol. 284b) auch das Martyrologium; vgl. Vrb. Br. II,
Fol. 116c. Cne rpH ahh hg pjieT ce HHrroxe o KajiiH;i[apa. Nun fällt
die Nomenklatur in den KaJendarien der ältesten Denkmäler mit der
552 Jof. Vigs,
laleiBnohen oft wörtlich zasammen. Wir lesen nämlich die Nimen der
Monate f€H£api>, üepsapL, Mapi>?i>, AnpHJOi, Man, Hiohh oder HsoBb,
HiojiHH, ÄBFoycTi, G€nTe6pi> anch Cemretipb, ORT66pi> oder OirroÖpi»,
Ho6<$pi> und Ho6«6pi>, ^cKeäpi» oder AeKTetfpb] ohne Übersetzong; ebenso
die alte römische Berechnnng nach Galendae, Nonae und Idns:
KaieHAH (öfters sing. KajieiiAa Br. I, Yrbmc. B' cÖToy tfjoiXHio KaJHAH
cKTÖpa), HOHacb, HAoycb, sogar die Namen der Rangstafe der Feiertage
sind aus dem Lateinischen entlehnt Das sogenannte Festnm duplex
wird mit einem Aoyai6KCB (Aoy.x, AoynjiKCL) oder mit ^oynji» wieder-
gegeben, nnd zwar a- seo^H (duplex majns] oder a- hbhh (d. minus);
seltener begegnet ccBfn^oyiuB (semiduplex). So z. B. im Vatik. 4,
Fol. 160b am 29. Juni: IleTpa h ILbja anji Aoy; am 30. Juni ebenda:
BcnoMsnaHi JIbjl cemiAoynjf. In dem ;Ealend. Yatifc. 5, Fol. 243b ist
das Fest der Heiligen Petrus und Paulus als ein Aoy sen^, und der fol-
gende Tag als ein Aoy Mann bezeichnet. Das Festum fori (Feiertag)
heißt gewöhnlich IIpa3;^HHKi> sanoB^A^HH (z. B. in dem Ealendar. Vatik. 8,
Fol. 207 : FoHCTBO HuHa KpcTHTja Aoyx snBAb), sonst auch ^i»CTkHi> oder
^cTHBb; z. B. im Brev. Nov. JI, Fol. 261 in der Rubrik: Ha Apoymx'
Xe B^qpHaXl» öirAHOBB AOynJHXb . . . IUH ÖJFAHOBb ^tbhxb bi> hhkhxi»
rpaAHXb ÖHBa TbKHo BcnoMeHoyT'e.
Für das lateinische Festum simplex kommt mehrmals in der eben
genannten Rubrik Majin ÖJiarAHi» vor. Daß diese Benennung dem F. Sim-
plex entspricht, bestätigt die Rubrik selbst, indem sie weiter erklfirt:
Main ÖdKFAHb pasoyM H ce bckh kh hh Aoynxtocb . hjh kh hh ctfo KpsKa
HH anlkjn» hh anxB hh ehicTB hh ^cthbl onn^Hoy b hhkhxb rpaAHXK
HJH 3Haxi> hjh MicTHXL 011^6 aK6 H BCKa oKTBa Ka HH AoyiLi6Rci> (Ebenda,
Fol. 261b — c). Dominica wird durchgehends mit ueA^ja übersetzt
(lOrpua B HAJiH), Vatik. 6, Fol. l); der Name Feria dagegen wird bei-
behalten, namentlich wenn von den Wochentagen im allgemeinen die
Bede ist (Vrb. Br. I: ann pvHH jt» c€ BspeRoyT' b ÖJinaLHio npnxoAsnioy
»epHH), Fol. 18 a), ebenso wie das Adjektivurn *€pH%jeKi>. Miss. Vrb. I,
Fol. 220c: an^e . . . s'roAHT* ce ^hhb «spH^jfcRH rji€T' c« op h ^hhb
vTHce npie MHHoyBmee habj[6. Doch hie und da finden wir auch statt
fit ••—
Feria npocTH ai>hi>; Nov. I, Fol. 71: Bnme pe^enn pt h6 tat c« b
npocTe ahh; Vrb. Br. I, Fol. 9 b u. a. Die einzelnen Ferien heißen:
Die NomenkUtnr in den kroatiBch-glagolitiBchen litnrgiBchen Büchern. 553
noHeA^Ln>HHKi>, BBTopLHHKb, cpiflfi^ ^«TBpBTbKi», neTBKb, coytfoTa; in
den Alteren Denkmftlem z. B. Br. I, Yrb.: nonB^^JOL, Bi»TopH (oyropH),
^«TBpbTH, neTH nnd cotfoTa. Yigilia nnd Octava werden mit BHbuE^,
oKTasa (oKTatfa) bezeichnet (Vatik. 4, Fol. 15a: Ha vsäauano e««iHH6;
... . V T
NoY. II, Fol. 38a: Ha BHhjsH) o<$pi3aHHi xBa; hmhh o poHCTBa h o
cno» noeMO . . . ßßste ao oktbu posA^cTsa, ebenda, Fol. 24 d), obwohl
wir f&r den ersteren Ausdruck schon in den Ältesten Missalen nnd Bre-
vieren auch ein HaBcraepHs finden (Vrb. Br. I, Fol. 26c: HaB^pi pox-
Ai>cTBa XBa; B' HaBH^eps cro jiOBp^Hi^a, Yrb. Mis. I, Fol. 230 b]. Die
umgestalteten Formen 0KTa6a statt OKraBa sind die hftnfigeren; Ähnliche
begegnen auch unten bei den Worten 6epami>, tfHraTopHi usw. Die oft
wiederkehrende Formel infra Octavam wird konsequent Hex;(oy ok-
Ta6oy(!) Ilbersetzt (Nov. I, Fol. 41a: 'E^fi^e m€K) OKT6oy e^^me BCb ^ntf
6jaL o 6««HH6 ; MeK) oKrÖoy aiiAoy h mhc^ ;qpxHMO o onu^H anj , Mis.
Vrb. n, Fol. 199 c), nur ausnahmsweise wird die Praepositio npicb an-
T — -
gewendet (Vrb. Br. I, Fol. 58c: o cthx' hxx6 Treimt noror ce ^4c'
OKTaÖoy . ..). Die sogenannten Quatuor tempora (Qnatember = vier-
mal im Jahre wiederkehrende Fastentage) heißen in unseren Ealendarien
KBaTpH; davon auch das Adjektiv KBarpLUB. Vrb. Br. I, Fol. 20c:
piiiHH . . . Bc TAa rjnoT ce b KBarpu cBOHXb ahh; B nexH KsaTpHE,
Vrb. Ifis. I, Fol. 5b; auch T6Mnopi>Hi> im Vrb. Br. I, Fol. 7c: B npocTs
AHH AO cpAH T^M'nopne. Die Quadragesima wird durch Caresima in
KopnsMa umgestaltet, davon auch das Adjektiv KopiiSMiHii (Nov. U,
Fol. 262b:
Ha ÖJTAaHH KH B K0pH3MH &I0yX6T C6
6HBa BcrAa BcnoMHoyT^ o «spHs ;
Vrb. Mis. I, Fol. 100a: nnb otfjiqeHi» b' KopHSMeHu napaM6HTi> . '. .).
Die Bettage in der Kreuzwoche werden npoc6i>HH a^hhs (npomi>6i»HH),
die Litaneien jisTeHue genannt, Vatik. 8, Fol. 206b: höht« ji6T€HH€
bhcokhm rjiacoiiB. Die Sonntage Septnagesima, Sexag. und Quin-
quages. heißen gewöhnlich hsa* eeAMM^esTBHa, mecTMscsTBBa, neTb^
A^ccTbHa (Nov. n, FoL 61a: H^-ie '^' hs r lOTpiii; Haji« m€CTA<c6THc
K iOTpHH, ebenda, Fol. 63b); in den Missalen und Brevieren von Vrbnik
kommt H^iua b' niose ai (= axiejoyt) noyn^asT es (oder einfach
noyu^6HH6 aJi, Nov. I, FoL 234b), H^Hja np<A MeeonoycTOMB, und
1
554 Job. Yftjs,
HAHJia Ha M6conoycTb statt der erwähnten Benennungen vor {vgL Mb.
Vrb. I, FoL 23d, 25a, 26c). — Adventus nnd NatiTitas Dni worden
übersetzt: IIpHm&cTBHe, IIpHinLCTBo,npHiin>cTH€; Poxactbo,Po}KA€RH6,
w— t T
PoHCTBO, PoeHH6, Brev. I. Vrb., Fol. la: B c6Toy o npmn'cTHt; o
npHin CTBa ...ho H^Jie ceAMOA^ceT ne ^axe ao hckh no6MO ^ pt b
AH6x' hajihhx', ebenda, Fol. 5c. — Nov. U, Fol. 32 a: <$oyAH B'cnoMe-
T ■
HoyTH6 0 pohncTBa %K BHine; Epifania, Pascha nnd Pentecostes
sind den Vorlagen entlehnt, vgl. die Rubrik in Yrb. Mis. II, Fol. 254:
ot' nacKH Ao neTHKCTB nt; ebenda^ Fol. 19c: aKO 6^6 KpaTKa MecohnKa
(Fasching) o iipn« ha^g no okt6% 6<»4>hh6 ao KopH3Me . . .
Da die genannte Nomenklatur in ziemlich vielen Denkmälern des
XIV. — ^XVI. Jahrh. vorkommt, können wir sagen, daß sie eine allgemeine
Praxis jener Epoche vorstellt. Erst von LevakoTic an wird fQr AoyiueKCb
ein ABOCTpoyKB (nojioyABOCTpoyKb), für oicraoa ocMHHa gesetzt Kara-
man hat an erwähnten Stellen coyroytfb (nojioycoyroyöi») und ocaiHi^
In dem neuen Missale hat sich ParSic in diesem Falle an die Karamansehe
Ausgabe angeschlossen, so daß er das F. duplex (semiduplex) mit
coyroyßb (nojEoycoyroytfb), Octava mit ocMHi;a, das F. Simplex
mit npocTH übersetzt. Auch in den anderen Benennungen wurden etwaige
Änderungen vorgenommen. So z. B. statt KopHSMa q6THpA6C6THi(a oder
M6THp6A6C6TbHHIta; Statt KBaTpbUb : ^eTB€p0Bp6M6HI>H (vgl. Mis. ROUL
Slavon. Idiomate 1631. Fol. 74b: bl neraK qeTBspoBpHMeHHH ?6THp-
AGceTHi^e; in der Ausgabe von 1741, Fol. 64a: Bb niroKb q«TB6po>
Bp6M6HHHH ?6THpeA6e^THHi;i. Demgemäß auch C6AM0A6C6TbHHI^a,
mecTOA. usw.
Es bleibt uns übrig, einige einzelne Tage oder Feste des Kirchen-
jahres zu erwähnen, deren Benennung in dem slavischen Kalendarium
von dem lateinischen verschieden ist; z. B. die Dom. Palmarum heißt
HßÄ. i;BiTbHa (Mis. Vrb., Fol. 72b: B hahjk) i;BHT'Hoy p^K'ine T€pi|oy
. . . noHTs cT06n^6 B KopH CH aHb) ; die drei letzten Ferien der Charwoehe
tragen das Attribut neJHKH (Bejni) z. B. Vrb. Br. I, Fol. 150d: B TrpTK'
B6JHKH Be^epe rne; Nov. II, Fol. 115b: B neraicb BfijnncH k h)tphh anb;
Mis. Vrb. I, Fol. 98b: B' cotfoToy Bejioy cToyio. — Das Fest Christi
Erscheinung heißt auch Kpbn^enne rocnoAbne, Paris, Fol. la: Kj^n^cHne
rne Aoy x; Christi Himmelfahrt Bb3H6C6HH6 rocnoAbHS, Vrb. Br. I,
i ■ T
Fol. 187c: M6H) OKTÖOy B3H6C6HHt M,BX.9 ßJO HTKCTb OOyAH 9HHb 0
Die Nomenklatar in den kroatisch-glagolitischen liturgischen Büchern. 555
B3H6ceHH$. Mit dem Namen Bi>3H6C€HHe wird anch die Assnmptio
B.^Mariae bezeichnet (Yatik. 4, Fol. 160d: BsHcuHe 6ufi Aoy 3), die sonst
auch npicTasjeHHe genannt wird, z. B. Paris, Fol. 4b: üpicTaBJieHHe
<$aL&H6 Mpne abh Aoy x. Die Annnnciatio B. Mariae heißt immer
<5jiaroB%n^eHH8 (Vrb. Mis. I, Fol. 211d: Map^a -9'%- ^aHL G^roBen^eife
1 > I ^ I I .^ ■ Blll^ • I 1^
6pi^e ; ÖJiroB^Q^eHHe 6pA6 xoy x, Paris, Fol. 2). Maria Schnee wird ctg
MpHs OT cn^ra übersetzt (Vatik.4,Fol. t60d}; dieDecollatio JohannisB. :
oyciTi€Hne rjKBHHsHa KpcTja, Paris, Fol. 4b; S. Petri ad Yincola: Oyxe
cTro HfiTpa aiua Aoy x, ebenda. Das Fest Dedicationis ecdesiae
hei£t einmal CB6n^6HH6, Paris, Fol. 5a: CBeu^eHHe iq>KB6 MExanjeia apxhja
fifij ; andermal Kpn^eHHe, Vrb. Mis. I, Fol. 249 c: Kpii^eHHe ÜTpä h itija
A X (vgl. Paris, Fol. 6a: Kpn^eHne i^pxne ÜTpa h üsja b Phm^ Aoy x) ;
jenes der Unschuldigen Eonder (Ss. Innooentinm) c. m^sachbi^b, Br. I,
Vrb., Fol. 40a: Ha äh' ctx' MjiaÄ^HV. Cfr. bOhm. sv. Mläjätek.
Als Anhang zu diesem Abschnitte dürften hier einige charakte-
ristische Umgestaltungen der Eigennamen bemerkt werden; ich zitiere aus
dem Ealendarium des Pariser Cod.: IlsxBnjm (Felicitatis), ÜEJOina
(Philippi), üopToyiiara (Fortunati), lÜHKCTa (Sixti), IlIa6HHa (Sabini),
UlaÖHHE (Sabinae); PoyinTHKa (Rustici), KaiHmra (Callisti); TnÖopi^
(Tiburcii), Tnäopi^e (Tiburciae) ; jü^oyuaTa (Donati), EoysMH (Cosmae),
^oyHMa (Doimi); ÜsTpoyHHjra (Petronilae). Den Namen Chrysogonus
schreiben einige Kai. KpBmeBaHL (Paris, Yatik. 5) ; jenen des hl. Cyprianus
einige Koynpu^HB (Yatik. 4, 5), öfters aber ?oy6pii%HL (Yatik. 5) oder
sogar ^aÖpni&HL (Yatik. 8; Yrb. Mis. I, Mis. 1483).
n. Das Hissale.
Der Dualismus, welchen wir in den liturgischen Büchern der Slaven
seit der Zeit der hL Brüder merken, nämlich die zwei verschiedenen
Ritus bei der Feier der hl. Messe und bei dem Spenden der Sakramente,
brachte verschiedene Benennung mit sich^ wenn auch oft einer und der-
selben Sache. Im römischen Ritus wurden mehrere Namen aus dem
Lateinischen, gerade so wie im östiichen aus dem Grieehischen enüehnt.
Ich erwähne die wohlbekannte Doublette uhum — jHToypmif , von welcher
der erste Ausdruck außer den Eyjever und Wiener Blättern in mehreren
Denkmälern des XIY. und XY. Jahrh. vorkommt; z. B. Paris, Fol. 147:
xoT€ epta oypexA&TH ce kb M^mn rjTb; Mina npocHTH noMonui cthxb,
556 Jos. Vajf,
Vatik. 8, Fol. 166. Neben dieser Form begegnet schon in den ilteren
Denkm&lem nnca (unica b ^ctb cro irpaia, Paris, Fol. 155; m^ mhcc
no 3KHoy pHMCKe i^pKBe, Vatik. 4, Fol. t62c), welche allmfthlich llber-
handnimmt, so daß in den späteren Handschriften und Drucken fast nor
diese Form zu finden ist; z. B. Mis. 1483, Fol. 118b: Gr^a c« eptn
o(^j[avn K Manra; aber ebenda, Fol. 280: üo^eTHe HaBjian^HHXii vhci> o
cTai^; Mis. 1526, Fol. 127 : MHca b ^cTb anExoMi»; Ifis. 1631 : Bjiaiinae
MHHc(!) OA CBeTai^; Mis. 1741: Bjam^ee mhcci> o cb^tuocb. Auch
ParSic hat in der neuen Ausgabe des Missais das spätere MHca angenom-
men, obwohl der frühere Ausdruck Mbma (Mama) den glagolitischen Li-
turgen viel näher ist (Mis. 1893, Fol. 339: Mhch Bjan^e« o CBeTi>uHxi>).
Bei dieser Gelegenheit sei hier bemerkt, daß das Meßbuch (Missale) den
Titel MHcaii> trägt Gfr. Vatik. 4, Fol. la: üoqeTne MHcaja no aaicoii
pHMCKaro ABopa; IIoqaTH« MHcaja no saKOHoy pimcKora ;^Bopa, Vatik. 8,
Fol. 5 a.
Da die Einteilung des Missais mit jener des Breviers flbereinstimmt,
von welcher unten die Rede sein wird, wollen wir hier nur dnige Meß-
formulare berOhren, die in den älteren Denkmälern besondere Aufschrift
haben; es sind nämlich die sogenannten Missae votiyae und zwar
unter anderen: Mca sa söopmi^e, Vrb. Mis. I, Fol. 258a — d (jeM Pro
congregatione et familia) ; Mca sa cpeeHne (clpasm^hsr) tipaTne, ebenda,
Fol. 258d — 259 (Pro concordia in congregatione servanda). Fol. 294d:
oa cTanoBHTCTBO ii^cTa (Pro habitantibus in loco); Mca ckosm Özxh-
HH« niTH, Fol. 259a; dieselbe in Vrb. Mis. II, FoL 190b: Gkosh caÖJiax-
Henne nirn (jetzt Ad postulandam continentiam) ; 3a jl^t'ho CKoyiuenHe
6HCKoyiiB, Vrb. Mis. I, Fol. 197a (bei der Gelegenheit eines Provinzial-
konzils) ; Mca o MaTpHomii (Pro sponso et sponsa] Vrb. Mis. II, FoL 2 6 S a ;
Mca sa onixi» kh HMb aikoys'Ha TBope Fol. 265 d, ebenda (Pro
facientibus eleemosynam). Mnea cni B^car^a sa MpTsi, Vrb. Mia. I,
Fol. 182a; m Paris, FoL 171b: nnca sa MpxBHx'; Vatik.«, FoL i87b:
Mma HaBJamna sa Bce oyvpBme, ebenda: Mma na ro^nn^e (In anni-
versario Defunctorum). unter mehreren diesen Titeln befinden sich nur
die in andere Meßformulare einzuschattenden Gebete, wie es noch heute
in dem Miss. Romanum der Gebrauch ist.
Von den einzelnen Teilen der Messe selbst ist mehreres herrorzn-
heben. Die ursprünglichen erstarrten Ausdrücke Opaipn (Oratio) und
!
f
Die Nomenklatnr in den kroatiBch-glagolitiBchen liturgischen Bttchem. 557
Ilpi^aipni (Prefatio) üponaipr^, denen wir in Kijeyer nnd Wiener
BUttem begegnen, finden sich nicht nnr in den Handschriften (Misaalen
und Brevieren) des XIY. und XY. Jahrh. (Paris, Fol. 190b: nni> rjürh
CH€ opi^s; Yrb. Br. I, Fol. 40a: p'i^n opio o posA^cTsa; in Mis. Yrb. I,
Fol. 18 b: üponi^Hio o poHCTsa xsa rjisBiu» Aase ao 6<&H«aHH6; IIpmuiH)
H npHqen^eHHe Hii^ b TaHHi, Yatik. 4, Fol. 126d), sondern dieselben
haben sich noch in den Drucken des XYI. Jahrh. erhalten (vgl. das Missal
des Panl y. Modrus nnd das Brevier Nicol. Broziös).' In den Missalen des
XYn. and XYIU. Jahrh. wurden diese Namen durch Mo.KETBa und npi-
ABCJOBHe ersetzt (Mis. 1631, Fol. 35a: Ha OcHHHoy cb. CrnnaHa Bac
^HH Mhcc6 roBopHT c€ ^Ko Ha A^H, pasBH MojHTBH HacJ6Aoyu^e6 (•)•••
H IIp6ACJ0BH€ oT PoKcTBa}. Dagegen die alten Benennungen iiaA'B
oiLiarBMi» (Super oblata) und no b'lcaa^ (Post communionem; cfir. Jagic,
Glagolitica, Denkschriften XXXYIH, S. 4 5 ff.), verschwinden schon in den
mtesten Denkmälern. Das ältere Missale der Yatik. Bibliothek (Sign. 4),
welches Profi Jagic in den Anfang des XIY. Jahrh. setzt, hat schon fttr
^e erste Benennung ein ha npHUi (etwa HaAB npnHomeHHeMB = super
oblata) und für die zweite no 6pamH (no ÖpamLUBip =: post edulium)
Yrb. Mis. I, Fol. 3 d: no tfpamani^H opq, welche Ausdrücke wieder bleiben
bis zu den Ausgaben Levakovics und Earamans, denen die Tannai (oTa-
nna) und nonpnqen^eHHe dem lateinischen Secreta und Postcomunio
mehr zu entsprechen schien. Die Ausdrücke enncTOjnit und eBanhejH«
sind vielleicht die einzigen, die in allen Phasen der glagoHtliturg. Bücher
unverändert geblieben sind; die Passi'o heißt nacHOHL oder MoyKa, Mis.
Yrb. I, Fol. 76a: MoyKa ma 6^3^ 6äuiii^ h 063^ rb c naMH . . . a nacHOHb
no aaKOHoy cbo«mi>.
Den Kanon finden wir in den älteren Denkmälern mit dem Namen
TaHua genannt; die anderen in jeder Messe wiederkehrenden Teile vom
Stnfengebete an, also der Ordo Missae, als mhhi> mhcs bezeichnet Yrb.
Mis. I, Fol. 146c: ysinh mhc6 no saKOHoy pHMCKe iqpHKBe; die Rubrik
im Yatik. 4, Fol. 164b schreibt vor: B qrpTK* b6jhkb npHJOXH ch6 k
TaHH%, es handelt sich um einige Änderungen im Kanon; ebenda,
Fol. 1 26 d: npoiu^H) h npH^eu^enHe hh^ b TanH^ (mit npH^eu^eHH« wurde
bei den Alten die zweite Oratio des Kanons, die mit »Communicantes« —
npHqen(aion^6 c« beginnt, bezeichnet). Erst von Levakovld an kommt
ftatt Tanna, npasHJio vor; vgl. Mis. 1631, Fol. 284: üpaBHJio mhcc6.
1
558 Jos. VaJB,
In den heutigen Meßformularen findet sich außer den oben genannten
Teilen der Messe der alten Sakramentarien noch anderes eingeschoben,
was früher von dem Chor gesungen wurde. Es sind die Antifonen, Psal-
men und Versikel, fflr welche das Missale Romanum verschiedene Namen
hat. So am Anfange der Messe wird die zu wiederholende Antifon mit
einem Verse des respektiven Psalmes mit dem Namen Introitus, die
Verse mit wiederholtem Alleluja nach der Epistel mit der Benennung
Gradnale bezeichnet. Das letzte heißt in der Fastenzeit Tractus und
wird für einige Feste mit einer Sequenz verbunden. Desgleichen nehnt
man den das Darbringen der Opfergeschenke und das Ausspenden der
hl. Kommunion begleitenden Vers Offertorium und Communio. Alle
diese Teile (Introitus, Gradnale, Offertorium und Communio) bezeichnen
die älteren glagolitischen Missalen mit nt =- n^cuB (Vrb. Mis. I, Fol. 2b:
^ ^
nt K TeÖH FH BasABHFi» Aoymoy moio; nnHb Ben xaAoyiAGH Te rn,
c
ebenda, Fol. 2c; Vrb. Mis. II, Fol. il4b: Xlini» "Bkosg sKcxaeT ueni»
Ha HCTo^HHKH B0AHH6. Ob dicsc Bcueunung in einer lateinischen Vorlage
ihren Orund hat, ist schwer zu sagen; wahrscheinlich hat dazu die
Schreiber der glagolitischen Missale der Umstand gebracht, daß, wie ge-
sagt, diese Teile der Messe von den Sängern vorgetragen wurden. In
der neuen Ausgabe des Missale Slavonicum hat sich ParSic der lateini-
schen Nomenklatur angeschlossen, indem er Introitus mit npHcroynb
(ähnlich wie Levakovic — Karaman hat dafür blxoab), Gradnale mit
cTeneHBHai (Lev. CToynHHKb, Kar. cTeneuoe), Offertorium mit npn-
Hocb (die Anderen ebenso), Communio mit nonpH^sn^eHH« flbersetzt
Mis. 1893, Fol. [10]: Bb 06bn^6Mb HenoB^ABH. h A^Bb n Ha nn^xb
Mncaxb Bb Bpine nacxoBbHoe Bce ÖHBaexb iKO HHSoy, npHAasbmoy c£
na IIpHCToynt np^x^e Tic. ABanpaTb Aju« joyi, h na K0HbI^I IIpiiHoca
H IIpHqen^eHHt eAHHOio Xääbäoj^, Fflr die zwei flbrigra Ausdrücke
Sequentia und Tractus lesen wir in allen älteren Denkmälern die von
dem Lateinischen entlehnten Benennungen meKB6Hi;H% auch meKTempi^
und TpaxTb. Vrb. Mis. I, Fol. 182d: meKBi^Hmit saMpTBHXb; Mis. 1483,
Fol. 402a: Ha poHCTBO 6pi^6 msKBHipii; TpaxbTb (B)e 6os6 moh BaHbMH
MH, ebenda, Fol. 111b.
Levakovic hat fbr sie BjieiiHHKb (Earam. BJieKOMoe) und cjeAHHiia
(Kar. nocJi^AOBHai) eingefthrt; ParJic hat dieselben mit BJi6R0Mai und
HOC j^A^HHi^a flbersetzt. In allen diesen Fällen hat, wie wir gesehen haben,
auch Parciö die ältere Nomenklatur verlassen , indem er sich mehr dem
Die Nomenklatur in den kroatisch-glagolitischen litorgisohen Büchern. 559
LeyakoTic oder Earaman näherte; doch sieht man in der von ihm ein-
geführten Benennung mehr Einheit. Die Nomenklatur der älteren Denk-
mäler scheint ihm wenigstens in einigen Fällen vorgeschwebt zu haben,
so 2. B. cTensHLHat und BJieKOMai in der femininen Endung sollen viel-
leicht Attribute sein zu dem alten Ausdrucke ntcHB.
ni. Das Brevier.
Schon der Name des Buches wechselt in verschiedenen Epochen und
Ausgaben des glagolitischen offiziellen priesterlichen Gebetbuches. Wäh-
rend die älteren Denkmäler des XIV. bis XYI. Jahrh. (cfr. Vatik. 5, Fol. t :
IIo^eTKB ^HHa Öp'BH^jia no 3KHoy phmckoml; üo^eTHe 6pB'ijia no sKHoy
pHxcKora ABopa, Brozi<5, P- 71) den Titel ÖpsH^Jori» beständig gebrauchen,
ftiliren die späteren glagolitischen Drucke unter dem Einflüsse der Bflcher
der Uniaten dem griechischen OQoloyiov entsprechend den Namen ^^aco-
cjiOBL. (^acocJOBB Femckhu cjiaBHHCKHML ^SHKOMb, Romac 1648; ?aco-
cjiOBb FHMCKHh cjaBeHCKHHi» ^sbHKOML, Romac MDCCXCI.)
Wie bekannt, zerfällt das Brevier in vier Hauptteile: Psalterium,
Proprium de Tempore, Proprium Sanctorum und Commune
Sanctorum gewöhnlich mit einem Anhange verschiedenen Inhaltes
(Benedictio mensae, Itinerarium usw.).
Den Namen ncajiTHpb ausgenommen (Br. I, Vrb., Fol. 69c: IIc Pix'
czpaHH) — wnBL B ncJTHpt ; Vatik. 5, FoL 1 : IIoqeTHe caJiTHpa no 3a-
KOHoy pHMCKora Äspa — auch ncajniHCTb, vgl. Vrb. Br. 11, Fol. 185b:
BhCh ^HHB TBOpHT 06 ^KOSS Bmn« B nadK'MHeTi(!) n0CTaBJ6H0 ecTb),
wurden die Aufschriften der anderen Teile ungleichförmig übersetzt.
Wiewohl für das lat. Commune Sanctorum hier und da ein KOMoyHB vor-
kommt (Vatik. 5, Fol. 40 c: üo^eTHS KomoyHa cb6ti^6ml o (Jp^B^^a no
saKouoy phmckoml), lesen wir öfters die Namen oÖLnpraa oder 36opi» ; so
z. B. Vatik. 6, Fol. 27: Umhh, aHB iotph'hh ca cbohmh hcmh hii^i o
onnpHe 4* anjia. Auch die Benennung des Commune der Missale stimmt
in diesem Punkte überein ; z. B. : IIoq$HH)Ti> onn^HHe cthxb o MHcajta,
Mis. 1483; Wien 4, Fol. 184: IIoqsTiie mhci> oxuuhhh cthxl, obwohl
auch JloHvne mhc' onn^Hx', Vatik. 4, oder IIoqeHK) ce mhc6 on'u^e, Mis.
Hervojas, Fol. 190 b, noq(H)HiOTi> online hhc6, Laibach 162, FoL 193 c,
vorkommt. Die Rubrik im Paris, Fol. 190 b, schreibt vor, man soll bei
den Exequien das Totenoffizium aus dem Commune rezitieren: b n^iay^
560 Jo»- Vaje,
p^i^T« lOTpHoy 6h: I^poy enfoysse . nn^H b 3^6opt; ähnlieh heißt das
Commime 36opi> aach in dem Missale, Vatik. 4, Fol. 217a: eh . Orsi-
n^as' ECB peqe . Ecns . eii^ b 36op^ o mkb (Evangelinm: Confiteor tibi
Pater). In dem Inventar der Pfarrkirche von Yrbnik (Insel Yeglia) rom
J. 1550 finden sich neben anderen litnrgisohen Bflchem anch iwei
(Ana) söopaa, d. h. Commnnale, registriert.
Das Wort Proprinm wnrde früher niemals wörtlich Übersetzt. Die
alten schrieben entweder ohne Bezeichnung: üo^eTEe cjoyaKÖb o erm»
no BC6 JTTo, Vatik. 6, Fol. 77a; IIoqeTEe cjicysatfi» ot crub okojo no
Bce lero, Brey. Brozics, Fol. 291; oder mit dem adjektivischen Znsaiz
in den Missiden: IIo^eTEe naBJian^'HEX biecl ot cti^>, Mis. Herr.,
FoL 148; IIoqeHio naBjan^He srace CTai^b o MEcajia, Laibach 162,
Fol. 148b; ebenso das Mis. 1483, Fol. 280: IIo^eTne naBJan^HEXB HECb
o cTa£p> 0 HECja. Sogar noch bei Eo£i5i6 steht Fol. 144b: Ho^erne
Bjaii^aro ^rana cneTai^b nnd FoL 200a: IIoq6H6Ti> onn^Ena ejie KOMoyHi»
cB€Tai;B. In den Ausgaben des XVn. und XYIII. Jahrh. begegnen die
Benennungen oöu^e und Bjan^e — also eine wörtliche Übersetzung des
lat. Commune und Proprium — welche auch ParSic in der neuen
Ausgabe behalten hat. Mis. Levak., Fol. [l]: Onn^e coeTEx; Earam.,
Fol. 143 : Bj[amn^66 Meccb o CB^TbEXb; Partie, Fol. [2]: Bb npas^^LBEKH
AnocTOJ E BeaHLhejiflCTb sbce ^ko na cbocmb m%ct% Bb Bjian^€Bn> o Cse-
Tbi^EXB und Fol. [4] : 6nECTOJiE6 e SnanbhejiEt . . . pen^ c€ Moroyrb
na EHi^xB MEcaxB o TOMbs^e Oöbu^eaib.
Beachtenswertes bieten die Namen der einzelnen kanonischen Stonden-
gebete. Alle sieben Stundengebete zusammen machen das tägliche Offir
cium (o«ei;ee, ^iehb, cjioyxöa) aus. Vatik. 4, Fol. 206b: h€io oKT6oy
CTFO JoBpeHi^a ^EHE 06 o«fli^EE OT B6ro; Vrb. Br. I, Fol. 47a: na xh*
CTro CejiBicTpa. an^e ähb häjihe iipbäöt' . ^ehb ce ^eh' o ci^a; Vatik. 6,
Fol. 77 a: IIoqeTEe cjioyÄÖb o cTin> no Bce jto. Die zwei Hanptgebete,
Matutinum und Vesperae, finden wir immer in den glagolitischen Denk-
mälern, ähnlich den liturgischen Bflchem des Ostens, mit einem H)TpHa
fi
und BeqepHa genannt (Paris 7: B neji^io lOTpHa; l Basn^to ;ia 6pE bihc
piHE äp'äbmo e Ha H)TpHE ... E Ha B^pHE no BC6 jieTO , Vrb. Br. I,
Fol. 8 c). Die Umwandlung der kirchlichen Praxis im Bezitieren des
Offiziums hat aus dem früheren Offizium Nocturnum ein Matutinum
(eingeteilt in drei Nocturne) gemacht, und die frttheren Landes Matn-
Die Nomenklfttnr in den krofttiBch-glaf^olitischen litorgiBchen Büchern. 561
tinae mit bloßem Namen Landes bezeichnet, welche gewöhnlich mit
dem Matatinnm verbunden und nachmittags des vorhergehenden Tages
antisdpiert werden. Die Glagoliten haben wohl das Matntinnm mit
lOTpHa flbersetzt, den Ansdmck MaTOTHHa aber für die Bezeichnung der
Landes (Matntinae) beibehalten. Yrb. Br. I, Fol. 23b: Ma im^ b ncai-
THpH; Ha Ma ($oyAH cnoMSHoyTHe ot poacA'cTsa, ebenda, Fol. 43b.
Ähnlich dem ursprünglich lateinischen MaTOTHHa bezeichnen die Denk-
mäler die einzelnen sogenannten Kleinen Stundengebete (Hören: Prim,
Terz, Sext und Non) mit den Namen npnMa (npima), Tepi^a^ csKCTa
(meKCTa, ceKmTa), nona (Br. Ul. Yrb., FoL 174c: k np^ni, k TepiQi,
K meKCTH, K HOH$ noH: Es b noHonp» moh)] ; horae im allgemeinen roxHHH
(ebenda, Fol. 173 d: chko nosT C€ no Bce roAHHn; hier und da, aber sehr
selten, kommt auch oypa vor (Brev. Yrb. ü, FoL 185a) oder np^MSHa
(Yrb. Br. I, Fol. 68: b npocTe j(hh no Bca BpinsHa, In Feriis per onmes
Horas); vgl. auch die oft wiederkehrende Formel: Ma h tabm an = Kb
MaTOTHHa n roAHHaML aHTHnoHH (Ad Landes et Horas Ant.) Die späteren
Ausgaben, die den Ausdruck ro^Hna, welcher doch in allen glagoli-
tischen Codices so konsequent in der oben genannten Formel gebraucht
wird, verworfen und durch qacb ersetzt haben, gebrauchen für das latei-
nische Landes ein cjaBOCJiOBHe, und übersetzen die Titel der Kleinen
Hören (ad Frimam, Tertiam usw.) Ha npBH, Tp€TH, mecTH, a^bsth qacb.
Sogar Levakovic selbst bedient sich ausnahmsweise der oben erwähnten
Ausdrücke, z. B. FoL 47a: Gji%;^Q^a% rjiaBHi^a h hhh$ na npoqHZB
TojpmoiKj TJtfiTh et; sonst aber gewöhnlich na cjcaBOCJOBue h qpesb ^acH
aHB (Ad Landes et per Horas Ant.). Ebenso bei Pastriö, Fol. 28 b.
Besonders zu erwähnen ist das letzte Stundengebet(Completorium),
das die älteren glagolitischen Breviere KoyMn.i6Ta oder KoyMiueTb
nennen, Yrb. Br. HI, Fol. 108b: KoyunjeToy fjiioti» ^KosKe oÖHqan ecT';
KoyMHJitT' CT8 MapHS A^MO, Yrb. Br. U, 101c. Levakovic hat dafür die
aus der Fannonischen Legende bekannte naBe^epHHi^a, Karaman ein
noneqepHe eingeführt
Wenden wir uns zur genaueren Betrachtung der einzebien Teile der
kanonischen Stundengebete, so geraten wir hier und da in Yerlegenheit,
wie diese oder jene Abbreviatur zu lesen sei. So z. B. schwer zu lösen
war mir die Überschrift EU dort, wo das lateinische Brevier den Aus-
druck Invitatorium hat; erst die Rubrik im L Brevier von Yrbnik,
ArehiT Ar tlaTiBdie Philologie. XXDL 36
562 Job. Vajß,
Fol. 7b: B npocT« ahh fl,o cpAH T^Mnopne chh) 6hphh) xpjRM hat mich
belehrt, die oben erwähnten Bachstaben seien eine Abbreviatur des In-
yitatorinm nnd zwar mit femininer Endnng ÖnraTopHi (statt SHTa-
Topni) ygl. auch die Rubrik im II. Br. Vrb. Fol. 101c: ann täjot^ C6
KaKO B tf jpab' Aoyiui» . ÖHpne hh hmhh h6 noioT^ ce). Levako^ic nnd
die späteren Ausgaben haben dafür ein sasosb, z. B. Sasni» nocji^^oyion^
rJ[6T C% 0 OCMHHH 6lIH«aHili^ ^0 HfiAJt^ C€AM0A6CiTHHt. Bo HHHa Bp6-
M6Ha KpoMi Binne pe^eHnnxb SasoBb h Hmhl rjieTa c^ . . . Levak.,
Fol. 2 a, 3 b.
Ähnlich dem Invitatorinm finden wir auch die anderen im Offizium
geläufigen Ausdrücke slavisiert; z. B. Besponsorium: pi = pi^mnoHi»
(Br. Novl. U, Fol. 40 c: no^neMb o npnaro ptna; noqneT ce o Apoyxaro
pinona, Fol. 40 d, ebenda; Br. Yrb. ÜI, Fol. 181c: c npo^HMH p^nmoHH
H2K6 CKasaHH coyt'); Versus, Yersiculus: BepBcb, Bpnii» Bepbmi» b«-
pamB, ÖepamL (6p), 66pami>ip> (Vrb. Br. I, Fol. 53 b: no ab^k) Bepmoy
ncajMa B's^a oneT* Bpan^a ce an . paasi er^a npH^eT' na Bep'c' : IIpH-
A^T6; Vrb. Br. III, Fol. 160c: o Kora jiiooo ncMa ne roBopn ce ne Ben^e
eAaa BepaniB ; 6pH rosope ce . . . on^e hmhh, 6phuh(!), ebenda (Fol. 183 c).
Außer den erwähnten Benennungen begegnet fttr das latein. Versns
auch der aus dem Oriechischen entlehnte Ausdruck cthxb, Vrb. Mis. L
Fol. 106c: B' cbh) coöoToy npoMHHioeT' ce 11% no eiuHH h doh ce ai
ca CBOHVB CTHXOMB. Neben pimnoHb findet sich schon in den älteren
Denkmälern otb^tl (Paris, Fol. 180a: nn' BipoysmH b 6a oi^k BCMroy-
H^aro TBop'i^a H6oy h smh . obtb . Bipoyio).
Das Oapitnlum heißt in unseren älteren Denkmälern Kn <= Ran»»
Toyju»; die jüngeren haben dafür rjanHi^a eingeführt (Vrb. Br. I, FoL 7a:
Bme p?HO ^xeHHe B'3;(a rjeT ce na opiuteHHe KUTja; na Bce 6juv(hh <b
jiKi^m ^Te ce na opimeni Kn oh' kh kh e na hh%, ebenda. Brev. Levak.,
Fol. 23b: FjasHi^a nocj[§Aoyn^a rjLeTi» c% bb HeA%Jri&). Ebenso wird
aHTHnoHa (auch aHTHnoHB, aHTH^OHB) nnd neaun aus dem Lateiniflchen
entlehnt; z. B. Vrb. Br. I, Fol. 18d: cne naBJian^He asrnHE o hb cjf-
Ae^eH noiOT ce n'dAa b cBoe ahh; Vrb. Br. m, Fol. 173d: chko noer ce
no Bce roAHHH k 6j[hi> aHTH^oni» ; naBn^MO a^ hcmh Bme peqnn rziOT ce
Ha npM% no Bce jieTo, Vrb. Br. I, Fol. 6 a ; no ab^H) Bep^moy ncjiMa B'a^a
Die Nomenklatur in den kroatisch-glagolitischen liturgischen Büchern. 563
onet' Bpan^a ce an, ebenda, Fol. 53b. Für Hymnus lesen wir HMHa
oder HMHb (hhhl), vgl. Vrb. Br. I, Fol. 6a: iMna; ebenso Fol. 33 a und
öfters Br. II, Vrb., Fol. 11 7 d: hmhh hh Knjia He p'i^ (non dicitnr Hymnus
nee Capitulum); in Br. Nov. H: Hmhb, Hmh, Fol. la, 3d; dag^en werden
die Gantica gewöhnlich ntCHb genannt, z. B. Br. Nov. II, Fol. 321a:
n% TpHXB oTpoKb; 321 d: n% SaxapHHHa; TU CeMHona cTapi^a, ebenda.
Wie wir in der oben erwähnten Rubrik des I. Breviers von Vrbnik,FoL7a,
gesehen haben, bezeiehnete man in unseren Denkmälern die Lektionen
des Breviers mit qn = qT6HH6 oder jeiopii (vgl. Paris, Fol. 190b: pi^Tc
•eb* JI6KHH H BC6 ncMH); in den späteren Ausgaben kommt nur Trenne vor,
z. B. bei Levakoviö wird die übliche Formel Lectiones de Scriptura
occurente mit ^TeHHi o IlHcaHH^ TeKoyn^aro übersetzt. Was man in
den lateinischen Büchern Ordo oder Directorium Ofßcii nennt, kommt
in den glagolitischen Denkmälern unter dem Namen ci>Ka3L vor (Nov. U,
Fol. 261a: cKasB o ^HHa); die einzelnen Rubriken heißen zwar in den
späteren Ausgaben auch cKasB, CKasb ^epMHL (Levak., FoL 1284 : iKose
p«^eH0 e Bi> CKasi^ ^epMHOMi») oder ^epsenni^a (^epseiun^ cnp^qi» cKasn,
ebenda in der Vorrede), aber die alten nannten sie poytfpnRa (vgl. Br. II
Vrb., Fol. 249 d: Pöpmca o khhtl i^ckhxl).
Ehe wir zum letzten Abschnitte unserer Abhandlung übergehen,
möchte ich etwas bemerken über die Nomenklatur der Attribute, die in
den drei genannten liturgischen Büchern (Kalender, Missal und Brevier)
den Heiligen beigegeben werden. Einige werden aus dem Lateinischen
einfach adoptiert, andere übersetzt, und zwar in allen Denkmälern gleich.
Apostolus wird mit anocTOJiB, Evangelist mit esaHheJiHCTb, Fropheta mit
npopoKB, Martyr (-in) mit Moy^eHHKb (-m^a), Confessor mit Hcnos^AHnKB,
Papa mit nana, Bischof mit ÖHCKoym» (enncKonL), Pontifez mit apxHep^n,
Abbas mit onaTB (auch asaTi»), Vlrgo mit A^Ba, ^dua mit B^osa (Paris,
Fol. 6: jnoAHHxe a^a := aba, ohne Zweifel für vav = bbaobb)
bezeichnet. Vgl. die Aufschriften der einzelnen Offizien der betreffenden
Hdligen, z. B. Mis. Vrb. I, Fol. 154 ff.: na BEhnzEH) eA^nora anjia; na
poHCTBo ••!<• MKa ÖHCKoyna ; na poHCTBO ••!•• onaTa, na poncTBO ••!<•
HcnBAHSKa nnn; hahb ••!•• abh h MHm^e; ähnlich in den Brevieren, z. B.
Br. Nov. II: hb poncTBO ehjieTi» bcb ^hhl tat ce o on'npiHH aiUL,
FoL 329 b; Ha poenne iraca ne 6cKna cjioyxtfH sce Hnp Bme o 6cKna,
36*
564 Jo». Vajs,
ebenda, Fol. 333b. Die Doctores ecdesiae tragen den Titel HaoyqirrejB
oder ÄOKToypt (Br. Nov. n, FoL 343 d: an^e 6oyÄ«T' Haoy^HTA nr ce
sffl . . . ; CEi oMHi rjLT c€ HB Aßh -%' AOKToypoBb, ebenda).
IT. Dm Ritaale.
Unter diesem Namen ^) wird hier das Bnch der Bitnaltexte im
engeren Sinne genommen, d. h. die Zeremonien bei dem Ansspenden der
Sakramente, SaJkramentalien (Segnungen und Weihnngen) und der kirch-
lichen Prozessionen. Weiter sei hier bemerkt, daß das sogenannte
Bitnale Bomannm ein ziemlich junges Bnch ist, nämlich ans dem
XYU. Jahrh. ; die Olagoliten vereinigten ihre rituellen Texte — den
Lateinern gemäß — gewöhnlich mit dem Meßbnche, hier und da auch
mit dem Breviere (vgl. Vatik. 6, Fol. 71 — 76; Brev. Brozics). Aus den
kleinen Bruchstflcken der selbständigen glagolitischen Ritualen läßt sich
fbr unseren Zweck wenig erforschen ; doch in den Missalen und Brevieren
findet sich der eine oder der andere Ausdruck, der in den Rahmen unserer
Frage hinein gehört. Wie gesagt, enthält das Rituale die Zeremonien der
Sakramente, Sakramentalien und Prozessionen; diese sind auch die Haupt-
teile, nach welchen das Rituale Rom. eingeteilt wird.
Wiewohl das Wort Tansa dem mysterium, sacramentum ent-
spricht und daftlr auch benutzt wird, lesen wir schon in den älteren
Denkmälern den Ausdruck cBSTÖa, der eigentlich aytaapLog sanctificatio
bedeutet, in dem oben erwähnten Sinne. So z. B. in der Postcommunio
von Ostern fflr das latein. quos sacramentis Paschalibus sati-
asti, findet sich exe nacKOBHHMH TamiaMH HacHrnjib ecn (Mis. Vrb. n,
Fol. ItSa); neben dem nacKOBHHe cb6t6h npHi^THe Paschalis per-
ceptio sacramenti, ebenda, Fol. 120b (vgl. Br. I, Vrb., Fol. 162,
165b, 167 usw.). In dem zweiten Gebete des Ordo ad faciendam aquam
benedictam begegnet fUr denselben Begriff der Name CB€n^€HHe ; Paris,
Fol. 181b: msL% B encHH« HCKoy poAoy b6 JHKa oy6o CBeu^cHEt b boa'-
HOMb coyn^acTBi nocTaBnjn> ecH, qui ad salutem humani generis
maxima quaeque sacramenta in aquarum substantia con-
didisti usw. Derselbe Ausdruck wiederholt sich in den IMQssalen von
1) Wie die Olagoliten das Ritual oder Manuale ritnum nannten, ist
mir nicht bekannt; bei Thomas von Zengg kommt zwar der Name Hapoy?&-
HHKi vor, aber sein Hapoy^bHHKi iLie6aHoyiii«Bb ist. vielmehr ein dogmatisch-
moralischer Traktat, als ein Ritual.
Die Nomenklatur in den kroaüBch-glaf^olitiBchen litnrgiBchen Büchern. 565
Vrbnik und in jenem y. J. 1483. Bei Elementoviö, p. IIb: kommt no-
CBeTHJiHii^e vor: Obo e «ds* nocTHJiHn^» iq)kbhhx' . .; Bca Ta »as* no-
CB^THJUin^ a'p^kh ^hc'to h 6oy Bi^p^HO, ebenda.
Die Segnungen werden gewöhnlich durch das dem latein. Bene-
dictio entsprechendes ÖJiarocjiOBeHHe, später ÖjarocjOBb verdolmetscht
(z. B. Paris, Fol. 183: 6jhh6 npcTena — Benediciio annli; ÖJarocJOB*
hHHHXb M6ci>, Elementoyic^, p. 205b, Öjiobi» ciipa h hahi», ebenda, p. 206) ;
öfters in der Infinitivform ÖjarocjioBHTn, z. B. Ha ahi> ctfo Gi^naHa
Altena 6j[th cojn> h 3o6\ Laibach 162; 6jbth bhho, 6j[bhth OBon^i,
ebenda, Fol. 235 ff. Häufig wird dieser Infinitiv mit einem Substantivum
^HHB, MOJEHTBa Verbunden, so z. B. mtb 6j[bhth xpaML, Paris, p. 184b;
^HHL ÖJiBHTH BO^oy Ha Kpii^6HHe THS, Wien 8, Fol. 255 a ff. Es gibt noch
einen anderen Ausdruck fdr das lateinische Benedictio und zwar:
3naM€HaHE6, 3HaM6HaTH ; z. B. snaMenaTH BOflfij na 6<i>H«aHHK>, Laibach
1 62, Fol. 235 ; Ha aui> cro ÜBHa anja h ehjicTa no mhch 3HaMHaTH bhho,
Laibach 164, Fol. 186 ff. Tritt zu der Weihung noch die Salbung mit
dem Chrisam (npHSMa, Paris, Fol. 180: naicH Kja^H KpHs'Moy bb ba)
hinzu, so heißt sie Co nse oratio, obwohl die liturgischen Bflcher diesen
Namen auch manchen Segnungen beilegen, bei denen eine Salbung nicht
vorkommt. Die glagolitischen Denkmäler gebrauchen für das Wort Gon-
secratio nocBen^cHHe oder Kpbn^sHH« (auch np^Kpbii^eHHs); das letzte
wahrscheinlich deshalb, weil die Salbung mit dem Chrisam in der Form
' — ^
des Kreuzes geschieht. Vgl. Mis. Vrb. I, Fol. 177c: Bmns pqeHH op
rJH)T' C6 Ha Kpn^eHH« ojiTapn; Nov. U, Fol. 351 c: Hb ahb nocB€ii^6HHt
iq>KB6 H HL onxoAHH AHB; Paris, Fol. 6 und mehrere andere Ealendarien
am 29. September, 8. und 17. November. Auf einer neulich entdeckten
Tafel in der Kirche von Dobrinj (Insel Yeglia) liest man : Ka i^pnKH . . .
(Sh np6Kpu;6Ha no fhh ÖHCKoyÖHneTpHEeMÖH (Petrus Bembo, Venetus
1564—1589).
Eine dem Sinne nach ganz besondere Klasse der Sakramentaüen
sind die Exorzismen, bei welchen das Rituale die Worte exorcizo
oder ad iure benutzt, möge sich um Personen oder um Sachen handeln.
Unsere Denkmäler außer dem saKjHnaH) (Vatik. 8, Fol. 193 fr.: saKjtH-
HaK) T6 flflis HeqncTH . . ., saKJiHHaH) Te — boao Cbo» a^HBRMB) bedienen
sich auch des Ausdruckes snaMenaio, SHaMenaBaH), wahrscheinlich wegen
566 Job. VajB,
des oft vorkommenden Zeichens des Krenzes, mit welchem der Liturg die
ZQ exorzizierende Person oder Bache bezeichnet. So lesen wir in allen
Tanfritusformnlaren: SHaHenaK) T6 Tsapn cojaai, 3HaM6HaBaH) T6 Tnapn
BO^'na^ (Exorcizo te creatnra salis; creatora acqnae) Paris, Fol. 175by
181. Neben den Exorzismen ist in dem Ritaale Rom. ein besonderer
Abschnitt den Exeqnien gewidmet, unter welche der Inbegriff aller
liturgischen Handlungen für einen Verstorbenen fällt; also Totenoffiziumy
Totenamt, Begräbnis usw. In den älteren Denkmälern findet sich daf&r
kein entsprechender Ausdruck. Ein vom J. 1693 mit kursiver Glagoliza
in Yrbnik geschriebenes Testament enthält folgenden Passus: a^ Hoy
onpase ^oymoy n nera saAoymHHH, d. h. die Exeqnien.
In der neuen Ausgabe des glagolitischen Missais hat ParSic fOr das
lateinische Processio o6i>xoAb eingefilhrt ; ob er diesen Ausdruck in
älteren Denkmälern gefunden hat, weiß ich nicht; die Alten schrieben
noHÄoyTL CB KpHxeML, Mis. 1483, Fol. 109b (Mis. Rom.: fit Pro-
cessio); BTfifi o6HAoy BjHseTa -e:* b i^pKOB, ebenda 109 d (Mis. Rom.:
n reversione Processionis). In den späteren Ausgaben findet
sich an jener Stelle npoi^ecH^ (npoi^emu^) Lev. Mis., Fol. 144. Ho tom
6HBa6T npoi^emn^; Karam., Fol. 122: 0 B03Bpan^6HHH npoi^eccHH.
Neben dieser allgemeinen Übersicht gestatten uns einige, wenn auch
jüngere Denkmäler die Nomenklatur einiger Einzelheiten zur Eennüiis zu
bringen. So z. 6. in dem Codex von Siena, p. 4 a, heißen die Namen der
sieben Sakramente so: Kpi>n^6HH6 (auch Kpu^Ten^e Baptisma), Kpns-
Manne (KpHSMas'e Confirmatio), t^jo Öoxne Euchariatia; noKO-
peHH6 Poenitentia, nocJE^A^ne Masanne Extrema unctio (Paris,
Fol. 185 : mmh AaTH neHoii^^HKoy Masi» ojrkBua» cthml; bei Eiementovi6,
p. 117b: qHHb MasaTH neMon^'HHKa oyjraeM' ctbml; ^iHHb oyjoiiHHi,
ebenda, p. 118a), ssHHTBa Matrimonium. In demselben Codex wird
das Sakrament der Priesterweihe mit dem Namen Psab genannt, die
Ordination selbst mit pgahth, na peAi> CTasHTn bezeichnet; p. 4b: ano
hI^kz nonb HanAS ce a^ hh Kpu^eHB 6nj[b HMa ce KpcTHTH h HSHOna na
peAb cTaBHTH — debet baptizari et denuo ordinari. Bei Element., p. 1 1 b:
P^Ai» aKOJiHT' . nHCToyjcKH (Subdiaconatus), BauhjECKn (Diaconatus),
nonB, ÖHCKoynB. Diakonus ist xaKaHL, Archidiakonns apxHSKaKanB.
Vgl. in Yrb. Mis. I, Fol. 199 d: c^BpmnxB Ta Mnca^B ha noin» ToxacB
ap'zHxaK'HL c6h'ckh h BHKapb TAHa AHApni AOKToypa CTra nncxa
6HKna cencKora na jtl rAHHXb 9-»-^3, Map'va b.
Die Nomenklatnr in den kroatiech-glagolitiBchen liturgischen Büchern. 567
Die dem peripathetisclien Systeme entnommenen Benennungen ma-
teria {vIyj) und forma [fio^tprj) der Sakramente werden mit Tsapb und
TBopb übersetzt; ParMc hat diese Namen im Wörterbache angemerkt ohne
Angabe der Quelle. Bei Elementovic kommt statt TBopb «opaia («oypMa]
vor(p. 226b: A obo e «oypMa h noyHO OA'pHmeHHS no toh Öoyjra); statt
Tsapb bei Levakovic uaTepiii^ (vgl. die Eubricae gener. Miss.).
Einer Schwierigkeit unterliegen die Ausdrücke für die aus dem
Kirchenrechte bei dem Sakramente der BuBe yorkommenden ELirchen-
strafen: Exoommunicatio, Suspensio und Interdictum. Für
den Earchenbann hat Elementovic iipoKji6TCTBO (npoKJiaTCTBo) ; p. 2 1 8b:
Obo 8 OApHmeitHe OA'pHmnTH oa' BSJiHKora npoKJiaT'cTBa (Ezcom. maior);
On^e 6 GBO HHO Hap^enne OApnmeHH^ OA'pHmHTn ojC Majiora npoKJiaT*-
cTBa, ebenda, p. 224b. In dem Codex von Siena wiederholt sich öfters
KJ[6TBa und npoKJGTb ohne Zweifel für das latein. Excommunicatio, ex-
communicatus; i](pKB6no Hapes^A^nHe (Hapien'e] scheint hier dem Inter-
dictum, das Verb um oycTasHTH dem lat. suspendere (Suspensio) zu
entsprechen: der betreffende Passus (Fol. 2d) aber ist zu dunkel, als daß
man aus ihm etwas sicheres schließen könnte. Bei Elementoyic, p. 224a
findet sich eine Absolutionsformel für die päpstlichen reservierten Fälle,
in welcher Suspensio mit ckAp^xüaHHe (coyA^pKaHHe), Interdictum mit
npHnoBi^AB (npHnoBH^b) bezeichnet ist. Der genannte Text heißt: Tub
HmB HCB XB OßfEUm t66 H i T6 0A(p)ui0yi0 OÖJiaCTHIO HerOBOAIL. H
62CHH10 aiuioy ÜTpa H ÜBja . h seJHKora apxnepü . MaHH noAaHo(I) t6h
Ba ob' qaci>(!) AapoBaHo(!). OApHmoyio xe oai> BcaKs oyse npoKJiaT'cTBa
BejHKora h Maira . iura ocoyenn^ coy^p'^amii h npHnoBHAH. H oa^-
noyn^aHB t6h BcaKo npecToynJim« nap^A^^e &ko cn b' ko b' naii» . h spa-
maifl' Te b' cähiictbo Bepi h npHApoyÄeHHio k b^p'hhm h ome k cthmi»
nocTHJHii^GMb iQ)KBiinMi>. Auf dcu Papierblättern, die später bei dem
Einbinden diesem Buche von vom beigegeben wurden, wiederholt sich
dreimal ähnliche Formel der Absolution (zweimal mit der kursiven 61a-
golica und einmal mit lateinischen Buchstaben geschrieben), in welcher
alle drei oben erwähnten Ausdrücke enthalten sind. Die Formel lautet:
rocnoAHH Harn ELcoyKpcT nac oApnmH, h i oÖjacTHEO HeroBoio h dia-
xeHHX anomTOJiOB Ilexpa h IlaBjra, n CB6Tora stfopa anocTOJioKora msiih
o OBOE cTpaHH uapeheHa a Bana Aoneymena OApnmoy«M Bac oa osaxe
3a(Be)36 npoKJiecTBa, o6oycTaBj[6HHa h onoBHAH aii^« oy Koy
568 Joi. Vajs,
oynaiH ct6. (Kit. Rom. : DnuB noster Jeans Christas . . . vos absolFmt
... et ego auotoritate ipsius et beator. Apost. Petri et Pauli et Sammomm
Pontificam . . . vobis concessa et mihi in hac parte commissay absolro
voB ab omni yincnlo excommnnicationis . . . snspensionis et
interdicti si qnod forte incnrristis etc.).
Ftlr das lateinische In dn lg eniiae (Ablaß) habe ich sowohl im
ü. Brevier von Vrbnik als anch in dem II. von Novi oTnoycTBKb ge-
fanden. Die Rnbrik im IL Vrb., Fol. 185a, lautet: ^aHL 6 ch a&p' h
mct' ch* bb BHTep'Öi rpa^i Jstb fhhxb •»• jBi(!) ort -m^v- ÖHCKoyn'-
cTBa Hmero •+• jrexo . HcnjraeHHe cero onoycT'Ka •+▼• jb[6To(!) h -9-
AHH Hse 6CTI» npncToyn'Hb kl bclkoh oypi k ^HHoy o* npsaro ah6 ao
okt6h C6JHK0 npHMe. Vgl. NoY. U, Fol. 167b. Die sogenannten Casas
reservati heißen bei Elementovic Kasn; so z. B. p. 201: kh 6h
oy^HHE.»» i^pHKBeHoy npaBAoy heks iracaHoy tfpes' Aonoyn^eHR^ sna^a
b' naiiHHb Ka3i>; A to coy ÖHCKoynjra Kasn khxl H6 Mope non' o^'pH-
mnTH, ebenda, p. 200a; Obo e Hap%6HH6 oApHrnenni sa ohhxb rh mraio
Aonoyii^6HH6 n3a6paTH ce6n . . . cnoBAHEKa . kh hhxb o^pHnm oa' BcaKoro
Kasa aKO h naim npncTOHTB, p. 224a.
Es bleibt noch übrig, einige Namen knrz za berühren^ die in keine
der oben genannten Kategorien hineingehören; es sind meistens die Aas-
drücke für die liturgischen Personen , Stätten , für die Paramente and
Kirchengerate insbesondere; endlich die Aasdrücke fOr die Art and Weise
der litargischen Handlangen.
1. Die üblichen Namen für den Litarg im allgemeinen sind ep^H
(Hep^H = legeifg) and nonb, welche Benennangen gemeinsdiaftlich ge-
braucht werden, ohne Rücksicht darauf, ob in der Vorlage etwa saoerdos
oder presbyter steht; z. B. Mis. Yrb. I, Fol. 146b: xot6 epte oypstTH
C6 k' mhch HaHiipBO TÄSTh anb (Paris, Fol. 147, ebenso: xoTe eptn oype-
x^^aTH C6 KB m'uih tjetb) ; noHB oÖJ^qeid» b^ pnan i^pkb6HH6, ebenda,
Fol. 145b. Br. II, Yrb., Fol. 117: cBp'niHBme MHCoy ep^H aöne cToen^e
B KopH no^iHoyT' auB. Die älteren Vorlagen und die von denselben ent-
standenen Abschriften unserer Redaktion übersetzen IsQevg mit neptn,
mit noHB dagegen das TtQBoßixeqog, Im Psalter kommt danach Hepiv
konsequent vor; z. B. Ps. LXXVU. 64: ep^H hxb opoyacHCHB na^oy;
XCVm. 6 : MoHciH n 'BpoyH' b' «p*Hx' «ro; ähnlich Ps. CIX. 4 ; CXXXI.
9 and 16. Vgl. Psalt. Pasman. in Ulomci sv. Pisma (J. Beriic). Da-
Die Nomenklatur in den kroatisch-glai^olitiBehen litorgisehen Büchern. 569
gegen im 11. Brev. Nov., Fol. 143o: an^e kto 6ojraT' b BCb aa npnaoBeTL
nomi iq>KBHH6 (rtQogxaXeaAad'a) toißg TtQsaßvriQovg rfjg iuxlrjalag,
Jac. V. 14); ähnlich Act. XIV. 22; I. Tim. V. 17 nnd 19; Tit. I. 1. In
den späteren Texten aber begegnet fast immer der Anadmck nonL ; so
z. B. in dem Tanfritns: nah ^hhh KpHXL na ^sä% Paris, FoL 174b;
niTb npiofeTi» oj^h cth, Fol. 1S5; ebenda: nni» rj6TB cne opipie, 190b.
(Vgl. die Ritaaltexte bei Elementoviö nnd Brosid.)
Der Name npocBnrepi» (TtqeaßiTBQog) wird in unseren Bflohem nnr
als Attribut der zwei Kirchenlehrer Hieronymns nnd Beda Venerabilis
gebraneht; so im Kalender, Paris, Fol. 5 a: ßpoHHMa nposBHTpa; ebenso
in den Anfschriften seiner Homilien: om ctfo 6poHHMa nposBHTepa, Brev.
Vrb. n, Fol. 226b; ebenda, Fol. 213b: omh ^LCT'Haro E^ah npsBirpa.
Der Priester als Beichtvater heißt cnoB^^BHHKB, ELlementovic, p. 224 a
u. a.; im Codex von Siena: noin> otl hchob^ah (p. 2d).
Die anderen an der Liturgie beteiligten Personen sind vor allem der
Diakon, und Subdiakon. In Mis. Vrb., Fol. 98 d, liest man in der Rubrik
jC^Kb o6j[i^6H b' AAJMaTHKoy BjH KOToy; weiter: no^'neTb nni> aua.
KaKaBB ehjicKH rjs; in beiden Fällen ist vom Diakon die Rede. Auf
den Subdiakon bezieht sich die Vorschrift : no^'A^^KOH no^'neTL a^th
qT^HHs npBO 663' THToyza ebendaselbst, Fol. 100a. Die untergeordneten
beim Gottesdienste sind die Kleriker, die bald als Lectores oder Can-
tores auftreten und zwar einzeln oder im Chor. Der gewöhnliche Name
fDr die Kleriker ist saKaHB; Paris, Fol. 1 85 : HanpannT' es nni> c xaK^HH.
Lector heißt in älteren Denkmälern ^a>Ti>i;L (qraip»), Br. I, Vrb. 6d:
Toy ^LTBi];' p'uh; na hhhxb b'c^xb ^'tghhxl b' koh'i^ tjetb qrai^B . th ace
ra . . . Nov. II, Fol. 2a; der Oantor IIiBI>I^>, Mis. Vrb. I, 1 14b: na
KOH^AH x^TeHHH ii^BAH no^*HHT6 A^TH . . . ; CTaBma ABa no cp^A^ xopa
noHTa Ao arHOC, ebenda, Fol. 98 d. Die als Diener am Gottesdienste be-
teiligten Laien heißen cjioyra, cjoysBÖeHHKB, Mis. Vrb. I, Fol. 96 c:
H BCn CJOyS^Ö^HHipi TK06 I^BJOyiOTb.
Mehrere Namen der geistlichen Würdenträger sind enthalten in der
Aufschrift der Bulle Urban des IV. (1261—1264): Oyp6aHi> Öcicnii pa($b
paÖOBb ÖSKBX' qBCTHHML B^ X^ 6pHH naTpH^pXOMB apXH6HCK0MIi(!)
H npo^HMB cTapimuHHaMi» iq>kbh]imi» noKzoH€HHe n aiucKO Öjhh«,
Not. n, FoL 167a. Den Ausdruck nJOBani» lesen wir in einer
570 Job. Yajs,
interessanten Bnbrik, die an einen alten Gebrauch der Eirohe erinnert,
nämlich an das gemeinschaftliche Begrllßen derOl&nbigen
T
am Ostertage: H no tom' er^a onoio lOTpino njonan' n noim h bch
jnoxn MoyxH h aceHH JcotfHKoyr' cth KpHXB fahl h no tovi» Apoyrb
Apoyra jioönsae rj6TL . BcKpce xi> . obstb Bhcthhoy, Vrb. Br. m,
Fol. 174a. In einem neuerlich entdeckten Fragmente eines glagolitisohen
Missais (in Bokitna, Erain) findet sich der Name Kaneaani» in folgender
Note: TG nHoa nnb MapKO AoäpoMoy Moyxoy r^Hoy HBaHoy Kane-
janoy es. Hnana na ropn na jtb fhexb •«•»-^•v- Die Kirebenorden
kommen unter dem Namen p«Ai> vor (Paris, Fol. 5b: aHTOHHi hchbx p^AE
Maj[HXi> 6paTi>; Mis. Vrb., Fol.2i3b: na ahi> cTroIl6Tpap6AanpoAHKi>(I)
(Ordinis Praedicatorum), die Ordensregel: peroyja (ÜOTieHST peroyxa
öpaTH« H cecTapb ot Kainna xpeTora pe^a ÖJaseHora ^an^^BCKa,
Element., p. 12a: Peroyja noKop'HHXB, ebendaselbst) und die Ordens-
gewänder aÖHTii: H p6i](H »iHHHCTapB cnpxoy aÖHTa h cbhtl oBoy
MHTBoy, p. 29 a. Mit dem Namen Pbaobehki» wurden auch die Glieder
der Ruralkapitel bezeichnet; Mis. Vrb. I, Fol. 100a: Ausfi e aobojs pe-
AOBHHKOBb q'THT6 qpHA6iii[e 06 ; für die Ordensgeistlichkeit gebrauchte
man gewöhnlich den Ausdruck ^paTapb oder KojioyAapi» (*Hi;a} z. B.
Paris, Fol. 198 : Maja Öpax'^ h KOJioyA'pH npoAUKaB'un . peMerauH xap-
M6JHTH KaB'qenaipi. Ben nonoB« KOjLojj^fwjfi h bch a'^i^i • bch ce na
s^AB oÖpaTHme kko pai9i. Die Zeugen der Taufgelflbde heißen Koyxb
(Koyna commater), Paris, Fol. 180a: H npncToyne KoyMH kh xot6 Kp'cx;
auch coyTJb (ital. Santolo, vgl. Archiv f. slavische Philologie, T. XXII,
8. 527/28).
2. Die liturgische Stätte vtaT l^ox^iv ecclesia, templum h^t
in den glagolitischen Denkmälern iq)i>KH (i^pHKn), z. B.: Paris, Fol. 177:
bhuah b iqpKBB 6shio, ingredere in templum Dei (Bit. Rom. in dem
Taufritus) ; H no tohl noHAoyT c' KpnseMB oKOJioy (I) upincB^ noH>n^€
CH6 auH, Mis. Vrb. I, Fol. 74 c; das Wort xpaMb bedeutet einfach eine
Menschenwohnung (vgl. die drei Orationen in Paris, Fol. 184b — 185
unter dem Titel mtb öjbhth xpaMb). In den slavischen Eirchen des
griechischen ßitus, wo der Ausdruck ojcTapL den ganzen Raum Ton dem
Iconostasium bis zu der Absis bedeutet, war es nötig, noch anderer Worte
sich zu bedienen, um die Opferstätte in engerem Sinne zu bezeichnen
(xp^TBBHHiTB u. a.); iu unseren Denkmälern aber begegnet filr das Utei-
Die Nomenklatur in den kroatiBch-glagolitiBchen litorgiBchen Büchern. 57 1
niache Altare konsequent nnr die Benennung ojtTapi», Mia. Yrb. U,
Fol. 94 d: H noTOML noin> c xLaKHH CBjn^H ojiTpH ^Toyii^e ca aus; h
HanpasH xaK'HB Kaiexi» c bhhom' h nojoxH Ha oirpb, Fol. 1 02 d, ebenda.
Die Rnheetätte der Gläubigen heLßt ipoiHTepb, PariB, Fol 173: MHca sa
coyn^ee b' i^HMHTepi; in lüa. Vrb. I, Fol. 185d ebenso (b' miMHTepH).
3. Auch die Nomenklatur mehrerer Gegenstände des Eirchengerätes
ist ans unseren Denkmälern belegbar. Der Kelch wird gewöhnlich Ka-
z£Xh 'genannt (vgl die oben ei-wähnte Rubrik) ; doch im I. Mis. Vrb.,
Fol. 90a, lesen wir no Tesa upiiM6Tb ^amoy h ap^eo rjieTL . noAOÖHiiMB
o6pa30Mi>. Zum Kelche gehört die Patene, aufweiche die Hostie (omTHt,
Mis. Vrb. I, Fol. 90 b) gelegt und mit einer Palla bedeckt wird. Die
Rubrik ebenda, Fol. 97d, schreibt vor: Bpxi» naTSHH nojioa^H TejiicHHKB
Majra. Der Kelch und die Hostie werden nicht unmittelbar auf den
Altar gestellt, derselbe wird vorher mit einem oder mehreren länglichen
Leintttchem (Tobalea, oy6poyci>) bedeckt und außerdem wird in der Mitte
desselben ein leinenes Gorporale (T^jcecbHHKL, Kopnopajii») aufgebreitet.
Vgl. Mis. I, Vrb., Fol. 91 c: h npocLTpoyri. eAant oyöpoycb na ojETapn;
npoc'rpH KoyMnopajib (sie!) a:aKaHb npxi» oy6poyca, ebenda, Fol. 97e.
Die np^AOJiTapLHHi^a (vgl. das Postscriptam vom J. 1457 in Vatik. 4) ist
wahrscheinlich ein Altarvorhang =Antipendium. Ein alter Gebrauch
ist es, den ganzen Kelch sammt den Opfei^aben mit dem Corporale zu
verhüllen [1. c. noKpHeTb KajrexB TliJ[ecHHKOMi>, Fol. 152 d); heutzutage
wird dazu ein kleines leinenes Quadrat (Palla, t^jccehkl Maatn) gebraucht.
Wein und Wasser werden zum Gottesdienste in Ampeln (Ampullae, aM-
^oyJ[H^H], der Weihrauch in der Weihrauchbüchse (Ka^H^LHincb) gebracht;
vgl. Mia. Vrb. I, Fol. 97 d: sahhb nanpasH Ka^iLs'HHKi» . a ABa nasHBTa
BcaKH cTai^HHi^oy H Bas^rnTa . a saheb aM'noyjm^oy c' BOAoy. Die in
der eben berührten Rubrik erwähnte cTajnmi^a kann nichts anderes sein
als eine Art von großen Kerzen (Intorticium) ; sonst werden die Kerzen
CB§n^6 genannt, außer diesen werden in der Kirche, besonders zum auf-
bewahren des ewigen Lichtes vor dem Tabernakel, eine oder mehrere
Lampen (KaHA^B) benutzt, Mis. Vrb. U, Fol. 94 c : h a& ropH oh' ah ksh-
fifiib (alibi KaHA^JH) aokji^ ce BasMe 3a H)Tpa ^acTHO ca CBHii^aMH h c
KaAHJiOMi». Der Bestandteil des Altars, das Kreuz, heißt in unaeren Denk-
mälern immer KpHSi» (BasMera -ti- xaKHa Kpnau» noKpseHB h cTasma
np€A' ojTpeMB H Bcnoexa).
4. Die liturgischen Gewänder im allgemeinen heißen pnan (cbhth)
572 Job. Väjb,
i^pLKBBBHHe oder napaMGHTb (napaneHTn), Mis. I, Yrb., Fol. 98b: noni»
oÖJi^^eHB b' pH3H ipcB^HHe; nm» otfii^eHi» b' KopHS^iieHH napaMeHTi»,
Fol. 100 a, ebenda. Besonders sind es aiaHHTa (cHaBii» luaHHToy nom»,
Mis. n, Fol. 1 0 1 b) fttr den Priester *) ; fnr den Diakon nnd Snbdiakon die
AaiMaTHKa, fOr die anderen Kleriker die KOTa; vgl. die oben erwähnte
Rubrik a'^kl o6jri^^6Hi> b' AaJMaTHKoy iura KOToy, Mis. Yrb. I, Fol. 98 d.
Die Mitra heiüt in dem Codex von Rbeims Kopoyna, Fol. 61b: kahxb
onTB noA* Kopoynoy Mnra cjoyKH.
5. Was endlich die Art nnd Weise der Liturgie selbst betrifft, sei
hier bemerkt, daß der litur^sohe Text bloß rezitiert (rjaro2H)Ti», p€-
KoyTB) oder gesungen wird (noiOTi>); jedoch von der Messe sagt man
MHCoy cJoysHTH, Vrb. Br. I, Fol. 33c: h onex' miB npmipaBHT ce cjoy-
SHTH MHCoy. Die eine wie die andere Art des Betons hat in unseren
Denkmälern bestimmte Regebi und Benennungen. Die einzelnen Melodien
heißen tohh (Mis. Vrb. I, Fol. 79 d: SHaMeHan' C6 non b TOHb ehi (in
Tono Eyangelii), und das Rezitieren selbst geschieht entweder clara
▼oce (Mis. Yrb. I, Fol. 98a: chc p'i^ bhcokhmb täc) oder yoco sab-
missa: Otfpam' ce p'^H jrax'KO, Fol. 97 d: p'ipiTe BsracpHoy (!) ne noion^e
na jaxKo ^'toml, Fol. 98b. Der oft wiederkehrende Ausdruck secreto
wird vielerlei verdolmetscht, z. B.: npiicioH ce oyMSHo rjeTb b tsh
MHTBB cHH) rT«, ebenda, Fol. 97d; Vrb. Br. I, Fol. 8c: mbOToii'
BsrjcHT' ; H Toy pipi . 0^6 naih . mj[I»komi>, Brev. Nov. I, FoL 115a.
Das wechselseitige Beten im Chor (altematim) wird mit ^p^A^ii^s ce
ausgedrückt (vgl. die oben erwähnte Rubrik, Mis. Vrb. I, Fol. 100 a), wo-
von ^tAi>HnKB, hebdomadarius, herkommt.
Von den liturgischen Handlungen berühre ich nur, daß die Formel
in forma crucis neben der wörtlichen Übersetzung (bb o6pa3b KpHxa)
öfters mit bloßem Instrumental (modi) übersetzt wird; so z. B. in dem
Taufritus : noÄOTSMTh KpHS^Moy Ha T^Me bl o6pa3' KpHxa, Paris, Fol. 180b;
noMaaiH ojiieMi» np'cH h njen^ KpnseML, ebenda; bjAh oAv, bb B^oy
Kpiub», Fol. 180; pasA^Lra BOAoy KpnxeMb, Fol. 179b; auch Ha Kpnxb:
*) Zum Ausdruck luaHirca verweise ich auf den Aufsatz Prof. Lavrov'a
in den akademischen HsBicTin III (1898), S. 532 ff., wo aus dem Grigorovic-
sehen Paroemienbuch schon xuaniTa nachgewiesen wird. Beachtenswert ist
das hier ganz nach griechischer Weise für r^ eintretende slavische h in iLxa-
BHTa. V. J.
Die Nomenklatur in den kroatifloh-glagolitiBchen litnrgischen BUohem. 573
xaxHe Ha SAoy Ha rphseb h rier CHe, Fol. 180. Vgl. Mis. I, Yrb.,
Fol. 99 o: npHjranH b' CBHii^oy 6jraoy TaM'^HB KpHxeML.
Als Abschluß dieser ans Mangel der nötigen Texte nnvollstftndigen
Abhandlung möge ein aus den glagolitischen Denkmälern zusammen-
geatellter Namenelenchus dienen , in welchem diejenigen Ausdrücke, zu
denen ich in den ftlteren Handschriften keinen Beleg finden konnte , mit
einem * versehen sind (Ende des XV. und XVL Jahrb.); jene mit **
registrierten sind diejenigen, die erst in den Büchern des XYII. und
XYIIL Jahrb. Torkommen.
Elenchus.
Abbas.
Absolutio.
Adventus.
Alba.
Allelnia.
Altare.
Altematim.
Amen.
Ampulla.
Aniversariadies; aniversarium.
Annunciatio b. Mariae.
Annus ; a. bissextOis.
Antipendium.
Antiphona.
Apostolus.
Arehiepiscopus.
Aqua benedieta.
Artieulus (fidei).
Ascensio DominL -
Aspergo.
Aspersorium.
Assumptio b. Mariae.
Baptisma.
Benedictio.
B. agni Paschalis.
B. anuli.
B. aquae in yirgilia Epitaniae; die
Dominico.
Abstl, OnaxL.
IIpiiiii&crBHe, npHsncTBOi upam&czHc.
*Az6h, **BiJUk pna.
Axiuoyi.
Odnap&, **3Cp&TB&HXKL.
H^ijiemfi c«.
ÄMeHK.
AMnoyjuiaa, CBCoyx&m.
OtfxoffLHH abhl; roAm«.
EjiaroBtmeHH6, KiaroBiiiiaHie 6. MapH«.
üiTo; npicToyiu.
^IIpixoJiTapBHHiia.
AHTHnoHa, AsTHnoHL, Ahth*oh&.
AnOCTOJKB.
ApxiÖHCKoyiiL.
BoAa 6xaxH>cxoBJ[6Ha.
*H.iaHL (q.i<Hi) B%pH.
B8H6C«HH6 rOCnOAH« ; *KpHX«BO.
ORponuTs, IIOKpoaHTH.
♦♦Kponnoio.
BB9HeC«HHe, nptCTaBJ['6HU6 6. M.
KpLmsHH«, Kpm«Hi6, KpLoii.
E.xarocAOBHTs, EjiaroGJiOBiieHa«, *Eiaro-
(MOB&, 3HaM6HaTH, 3HaMeHaHa«, -na-
BaHH6.
EdiaroaioBHTH arnma Ha UacKoy (na
BcKptmeHB« rocnoxLB*6)| *Ha BasaiiB.
£. npCT8HB.
E. BOAoy Ha 6«H*aHHH> ; BcaKoy HextzB).
574
Job. YajB,
B. casei et ovoram.
B. ad commeetibile qaodounqae.
B. domoB (yel loci).
B. fructunin.
B. leguminnm.
B. mensae.
B. naTis novae.
B. panis et fmctaum.
B. Balis et avenae.
B. uvaram.
B. ad tondendoB ei^illoB.
BenedictuB (Ganticam).
Biblia.
Breviariom.
Bolla.
Bona.
Caeremoniae.
Calendarimn.
Galigae (et pedulea).
Calix.
Gampannlla.
Gandelabmm.
Ganon (MisBae).
GanonicuB.
Ganticnm.
GapellanuB.
Gapitalani.
GasoB (papaliBi epiBcop.) ; c. reBervatus
Papae.
Gelebrare (MiBBam); in PontificalibiiB.
Gella.
GcellariiiB.
GhriBma.
Gingolom.
GlauBora.
GlericuB.
Goemeterinm.
Goenobita.
Golleeta.
Golor (paramentomm).
Gommendatio animae.
Gommemoratio.
*Ej[aroc20BB CLBpixoy BcaK6 mme.
£jiarocxoBHTHxpaicB,*&KarocjioBB Roymc
(HJH Mtcra).
KiarocjiOBMTH otomii, ifULsa.
£. co^HBo, *6. BapHHoy.
*£j[arocjiOBB CTOja, **6. TpancsH.
*RxarocjiOBi höbe« luaBH.
*£jiarocjiOBHTH some h KpoyzL, ^^Ejiaro-
CJOBB Kpoyza.
EjiaroaEOBHTH coji& h boÖb.
£. rpo8AB.
MOJIBTBa nocTpHmH BJiaCK.
EjiarocJioBj[^6HB; II%chb SazapniHa.
EpBBHijTB, EpBBtJIB, **HaCOCJIOBB.
Eoyjia.
**MomBaa.
HaBH^av.
KajisHBAapB, KoJCAapB.
KonHTiia a 6h^b<.
KaJiQXB, Hama.
*3B0HBItB.
ÜBimSHICB.
TaHHa, **npaBHJio (loica).
*KaHOHBKB.
n%CHB, RaHTHRa.
KanuanB, IIoApoyxBHKRB.
KanüToy^B, ^^r^uBma.
*Ka8B (naiiHHB, 6HCRoyiLn>); r. msb nart
npHcioHTB. [sey.
GxoyjRHTH BCRCoy; c. mooy noxa Kopoy-
Foynuma (RAmsua).
Kiio^apB, ROHOÖapB.
KpHSMa.
♦*IIoicB.
SaKJKOlIB.
Ab^rb, KK«prB, SB^aRaHB.
IXHMsrepB.
IIiHO($KTB.
Vide Oratio.
♦♦iXBtTB.
IIptnopoy^eHi«, Hanopoyveax« M,ojwn.
BBonoMcscTfm«, BBcnoMfHoyvB«, ButtXH
MHHaHRe.
Die Nomenklatur in den kroatifich-glagolitischen litorgischen Büchern. 575
Commune (Sanctorum) ; de Commnni.
Oommunale (über).
Commnnio (antiphona).
Communio (fidelium).
Communio (sacramentalis).
Completorium.
Gonfessarius.
Confeeeio.
Confirmatio.
Congregatio.
Contritio ; contritUB.
Gorporale.
Gotta.
Gmz.
Guculla.
Curia.
CjcluB «pactamm.
Dalmatica.
Decanus.
Deeolatio s. loannis.
Dedicatio (consecratio ecclesiae).
Degrsdare.
DiaconuB.
DioecesiB.
Directoriom (Ordo Officii).
BiBciplina.
Doctor (eccleaiae).
Dominica.
D. Paknamm.
D. PaBBioniB.
D. PentecoBtes.
D. in QnadrageBxma.
D. Quinquageatma.
D. BesurectioniB.
D. SeptogeBima; a Septuageflima.
D. SeiagaBiflia.
KoMoyHB, OiimHHa, 3((opi,**Onm<e; o6b-
niHHBHB.
*36opBnB, ♦KoMoyHB.
n^CHBy **iIpH^em6HH6.
IIpHApOy3K6HH6 (b^PBHHXB).
EpamBHBKBj npE^6IIt6HH6.
KoyMnj^Ta, KoyMn.iiTB, ^IlaBeqepHiraa,
'''*noBe?6pHe.
*GnOBiABHHKB, '^IIonB OTB HCnOB^AH.
*GnaBfkKhj ^HcnoB^AB.
KpHBMa, ^KpHBMaHBS.
GxoAB, CzoAHme.
GBKpoymeHHe; CBKpoymsHB.
(EoyMnopajB), TlxecBHVRB.
Koia.
KpHXCB.
KoyKoyja.
/(BOpB.
**KoJO snaRTB.
/lajiMaTHKa.
Ojcinenue täabe Hsana Kp.
KpBmeHHS, CB6m6HS6.
IIOHHBHTH.
j!(BtKOHL, Ab^rb; Jl. eBaHhuBCRH, Ha-
RaHB 6BaHh6JBCKX.
EHCRoynni.
CBRaSB (0«HIlEi).
*JluinHn.iHHa (^enuiiuiHHa), HaKasaHHe,
xeneHse nuiÖaMH.
jl^ORToypB, Haoy^iTSjai Oy^EieJcs.
HeAi^'t.
H. HBiTBHa.
H. MoyRJi.
H. ÜeTeROCTBHa.
H. nocTa.
H. Ha MsconoycTB, llftTAeoaTBar **nex«-
ceTBHHiia.
H. BBCRpBC6HHi vlde Pascha.
H. GeAMBAecsTBBa, ll€ffmßEM9 ajcxoyt,
**OeAMBffec«TBHn]|a ; otb uojmnaA
ajituoyil.
H. np%AB MeconoycTOMB; H. III«cxBXff^
ceTBHa, **IIIecTBXeceTBHHiia.
576
Job. VajB,
Ecdesia.
Epacta.
Epiphania; (ab Epifania nBqne ad
Cinerea).
EpiscopatoB.
EpiBcopiiB.
EpiBtola.
Eremita.
Evangeliam.
Excommonicatio (e. maior, e. minor).
Ezcomunico.
Exeqniae.
ExorcifimiiB.
Exorcizo.
Extrema Unctio.
Facultas.
Feria; feriaüB.
F. secnnda.
F. tertia.
F. qoarta (Cinerom).
F. qninta.
F. sexta.
FeBtom ; f. fori.
F. duplex (d. maiiiB, miniu).
F. Bemidnplex.
F. Bimplex.
Forma (Sacramentomm).
Genoflecto.
Gloria (hymnos).
Gradaale.
Gratianim actio.
GratiaB ago.
HabitoB (YeBtiB monachi).
HebdomaB; h. maior.
HebdomadarinB.
Hora (oanonioa).
HoBtia.
Kp&RH, **XpaM&.
GnaKTa.
€iui*aHHi, €*H*aHHi, Kpm«H'e rocnoxE«;
*IIp£KpBcza ; (m«coü =3 Mecoixxa).
EHCRoyncTBO.
EscRoyiu, €iuicK0SL.
BoHCTOJIHi.
P«MKTa.
6BaHh«jm.
n. Maji06.
üpOKJieTH, OTJKOy^ETB 8aKJI6TB0y.
**3aAoymBHH.
SauiHaHaa, 3HaHeHaKn«, -HaaaHH«.
3aR.SHHaxfl, SHaifSHaiH, -HasaTH.
Yide Ünctio.
AonoymsHHe.
$epil%, IIpOCTH ABHB ; ^«pMaXBCKL.
BLTopv, OyTops, BBTopaKB, OyropaK,
BxopHHKB.
GpiAa (üeatfJi&Hima).
HeXBpLTH, ^«TBpTBKB.
IleTH, IISTBKB.
EyiarLABBB, IIpaBAHjiKB, GBeTBUB ; E. ta-
nOBixaHE, VBCIBEB, ^HCIHBB.
AoyDJieRCB,AoyiLXB; Bema^MBsa; **/(bo-
cxpoysB, ♦*Coyroy(jB.
C« MHÄoyn-MKCB , ♦♦üojioyÄBOcrpoyKB,
♦♦üojoycoyroyÖB.
MajiH ödiarffBHB, **IIpociH.
TBopB, *$opMa ($oypMa).
noRJioHHTH c« Ha KOJc^sa ; üptK^ioann
ROJiiHa.
GjtaBa (nicHB aHh&XBCRa).
ntcHB, **(jTevLeYLEiA, "^^OroyiUHKB.
*3azBiki*6Ha6; ^XBaiRBBSAanae.
'^3axBajiHTE, zBajioy BBSAaTS.
*A6htb.
CexMEua; c. B«ja.
^piABHHRB, H«A%'HHRB.
FoffHHa, Oypa, **^acB ; pl. BpiMraa.
0CTH% (OniTHi), ]KpBTBa.
Die NomenkUtnr in den kroatiBch-glsgolitiBchen litnrgiBchen Bttohern. 577
Hnmerale.
**Harj[aBBHHK&.
Hymnns.
HMHa, Hmihi.
Incenso.
ÜOKUHTH.
Indnlgentiae.
OrnoycTiKB.
Innooentes; festom Ss. Innocentanm.
MjtLaAimH; cb. MjiaMaui&*
Interdietnm.
*npHnoBiXB, **OnoBiXB.
Intorticiam.
GradiLHima.
IntroitOB.
nicHB, ♦♦ÜpHCTOyEB.
InYitatorinm (yerstanden $üb in vita-
EHTaxopat (BHraToprt), **3a90Bb,
toriom).
Itinerariam.
**HaiIOyTHBKB.
Inbilenm.
KMutH (H)Ö«jaa).
Lampas.
KaHAHJIb (KftHAtJIL].
Landes.
MaxoTHHa, '''^GLiaBoaiOBBa, XBaju.
Lectica.
♦Oäpb.
Lectio.
JleEKHt, ^TeHHe.
Leotor.
^Tiub, **M^iiTaTejiB.
Lintenm.
Poy^HURB.
Litania, -ae.
JI6T6HI« plnr.
Magieter.
MsniTpB.
Magnificat (Ganticnm).
Be JH^UTB ; nicHB 6. MapH«.
ManipnloB.
*HapoyiiBHHRB.
Martyr.
Moy^eHHKB, Moy^eHHi(a.
Hartyrologinm.
KajieHxapB, **Moy^eHHKOCJKOBB.
Materia.
TBapB, *MaTepB%.
Matrimonium (Sacramentnm).
MaTpHMOHHH, ^«HETBa.
Matntinnm.
Kh-pn'*.
Matntinale (liber).
MaTOTHHajB.
Mensnra.
MHproyRB.
Minister; M. provinciaüs, generalis.
*MHHHCTapB| GioyauiTejiB, M.«HepajB;
npOBHHBQHiJB.
Ministrans.
%iRaHB, GdEoyra i^pkbbhh, GioyxB6«-
HHKB.
Missa.
MBmi, MBma, MHca.
M. Defhnctomm.
M. 3a MpxBH, sa oyMpmea.
M. votiya.
*M. oÖiTHat.
M. pro sponso et sponsa.
M. OTB MaTpHMOHBi, *8a XtHHXa H H6-
BicToy. '
M. pro coneordia.
M. Sa CBpe3KA8HH6 (cp««Hi6) ÖpaTHS.
M. pro congregatione.
M. 3a 36opHme.
M. pro incolis loci.
M. 8a CTaHOBHTBCTBO MtCTa.
M. pro synodo annna episcopomm.
M. 8a AiTBHo CKoyiLs*«HHe ÖHOKoym.
M. tempore belli.
M. BB Bp^Me öopeHHi (pBBaHe); **6pau.
▲xchiT fikr slikTiaobe Pliilologi«. lliX.
37
578
Jos. Vajs,
M. tempore famis.
M. tempore pestis.
M. ad poBtalandam continentiam.
M. ad postnlandam humilitatem, pln-
yiam, Berenitatem.
M. ad repellendas tempestatee.
M. ad repellendas malas cogitationes.
M. contra paganos.
M. contra persecntores et male
agentes.
M. pro constitato in carcere.
M. pro petitione lacrymaram.
M. pro publice poenitentiboB.
M. pro qaacunqae necessitate.
M. pro quaconque tribnlatione.
HiBsale.
MiBsam legere, dicere.
Mitra.
MonachuB.
MonaBterimn.
Kativitas Domini.
Nona (hora can.)
Oocnrentia festomm.
Octava ; infra Octavam.
Offertoriom.
Officinm (canonicum). .
Oratio (Gollecta).
Ordinatio (GonBtitatio).
Ordino.
Ordo (Sacramentnm yel 0. regnlariom).
Ordo (Miasae).
Palinm.
Palla.
Papa.
Paramenta (vcBtCB litorgicae).
ParaBceye.
ParochoB (plebanna).
PaBcha.
PaBBio (cantoB).
Patena.
Patriarcha.
M. sa HeiuoAiio Bptice CKBOst rjiaA&.
H. erxa ^JiOBiuH (zioah6), ckoth (cRon)
iipoyT&.
M. CRBOBi CL(jiaXH6B16 RIhTK,
M. npocHTH ojuEÄ^iKEi, x&acxa, Baxpa.
M. Ha orrousHHe rpaAa (Toyv«).
M. oinoyAHTH aiH« mhcjch.
M. npoTH(B07} noraHoscL.
H. 3a pBBft^e, npoTu(Boy) 8.uimb.
H. 8a npaiT&i'a coyma bb oy3H.
M. sa npomaEH« cjtBSB.
H. sa OHoro rh BcnoBtiaerB rpixx cbo«.
M. 8a Roy roxi norpiöoy.
M. 8a Rorepoy .iKMk) CRpLÖB.
HBoaxB.
Yide Celebrare.
KopoyHa.
Mhhzb, Mhhidbxib.
MaHacTspB, MoicxHpB.
Po»:abctbo, PoncTBoFocnoAR^e,
HoHa, **A«BeTH ?acB.
*npHR.soyv«HBe.
ORTRBa, OxTBÖa, **OcMHHa, **OGifBQa;
Mezxoy ÜKiaBoy, vpicB OaiaBoy.
niCHB, ♦♦0#ap., ♦♦npKHOCB.
0«HXiaH, Cjoyx6a, ^heb.
OpauHt (OrpaERi), MojRTBa.
Hap6XB6a.
Ha PttAB craBRTH, sapcARTH.
*P6AB (CB6TH) ; P. nOROpBHRZl.
^HB MRCH. ^
Kana.
Ti^ecBHHRB MaxR, **IIajia.
nana.
üapaMeHTB, PrSH RpBRBBBHae, (^STH
npBRBBBHR«.
üapacReBhHt.
ÜJiOBaHB.
Ilacxa, nacRa, ^BaaaHB.
IlacHOHB, MoyRa.
IlaTeHa (IlartBa).
üaTpHtpXB.
Die Nomenklatur in den kroatifich-glagolitiachen liturgischen Büchern. 579
PatrinüB.
Patronus (in Officio).
Pentecostes.
Planeta.
PoenltenB.
Poenitentia (Saoramentam); poeni-
tentialis; cfir. PsalmaB.
Pontifex (0mnmuB).
PortariüB.
PoBteonunnnio.
Praefatio.
Praelatos.
PraepoBitoa.
PrecoB (in Officio).
ProBbyter (vide SacerdoB).
Prima (hora canon.).
ProceBsio.
ProfeBBio fidei.
PrologOB.
Propheta.
Prophetia (Lectio).
PBalmnB, pBalmi poenitentiaLes.
PBalteriom.
Porificatio b. Mariae.
Porificatoriam.
QnadrageBima.
QnadragesimallB.
Qnataor tempora; q. tempornm.
Begnla.
RegolariB m., f.
BeBponanm, BcBponBorinm ; Bespon-
Bor. breve.
SogationcB, B. dies.
Babrica.
Sabbatom.
SacerdoB (vide PreBbjrter).
S. Baecnlaris.
Sacramentam.
SanctiBBimam (EnchariBtia).
KoyMB, Coyr-iB^
**3aiUHTHHKB, THTOyJL.
neraRocTH, *AoyxoBH.
UsaHHTa.
nOKOpLHHKL, -HUa.
IIoKopeHHs; nOKOpLHB.
^BejHEH ApxHepiii,
BpaTapL.
no ÖpaniBHmH (opaiixi), **IIonpne-
npo«aiui£, nponaixHi, **IIpixBCX0BMe*
OiapiHmHHa upbkbbbhk; *npuaxB.
IIpHnoymB, npenoyncB.
npocB6z.
IIp03BHT«pB, IIonL.
npHMa, ♦*npLBH qacB.
*^po^«c]I$, *06xoÄB.
*npo*ecB ; vide Symbolom.
üpaiorB.
üpopoKB.
HreHHe, **IIap«MH£.
ücajiBMB; *ncajiBiui noKopBHH, ^nc. sa
noRopoy.
ÜCaJiTHpB (CajiTirpB), IIcaZMHCTB.
O^HmeHEs 6. KapH«.
*Oy6poycB^B, **Hhctbjbhhkb.
KopHSHa, *^eTHpaxec«THjma.
*Kopa8HBHB, **qrrapHA«c«TBHH^BHB.
KaarpH ; KBaTpBHB, xeacnopBHB.
♦P«royjia.
*KoÄoyÄ»pB, ^Roxoyxpma, P«äobbhhkb,
^parapB.
PemnoHB, Otb^tb ; PemnoHB KpaTBu.
**IIpoc6BHK Aue (ÜpomBÖBHi).
Poy6pHKa, *CKa8B, **iipbicbhb cxasB,
**«[pBBi[8Hima.
CkKSora, Goytfora.
HepiV, noiIB, PSXOBBHHKB, ^GBfmeHXXB.
nonB *CB£X0BBHa.
TaHHa, GB<T6a, CB<m8HRe,*IIocB«iKuni(e.
TkÄO 6oacH«; T. XpCTOBo.
37*
580 Job. Yaji, Die KomMÜdaftor bt dts kroftt-glagolü litaxgiioli« Mcban.
SaÜBfactio; b. imponere.
IIoKopa; n. bikxbcte.
Scala.
GKajuk.
Secreta.
HaxB npaHomsEHeia (opaiurt), ^Taasat.
Seoretariom, aacriBtia.
**FwiBMHh.
Sepnltnra.
norp«6i.
Seqnentia.
in<xB«imt, **noGiijuBHal^ ^'Kiciffb-
HHiMk, **nocjrixiaMiia.
Sexta (hora oanon.).
GeRcxa, JilaRCTa, GcKiiiTa^^^IIIccxE VBCk.
SpoüBiiB; -a.
^eHHXB, HeB^cra.
Statio (featiyltas).
Groem« oy- ; **OiotHH«, **(>nuiBOBa.
Stola.
«inmia.
SnbdiaoomiB.
UOABAHtROHS.
Snifragia (Precee).
IIOMOmH CB6THXL.
SoBpeiiBio.
*C&xpBKaHM« (Goyxp&xaan), **06o7-
CTaBJI[6HH«.
Tabnla, tabella.
Ta6^ TfttUma.
TempiiB t PaBohale.
Otl nacKX ao nsrnocia ; **Bpta« II»-
CZ0BBH06.
TempiiB t ab Epifania ad CfBeraa.
Mscoixxa (Mttcobiha).
Tertia (hora canon.].
Tspna, ♦♦TpBTH ^a<».
Thoribuliun.
KanLELHEKL.
Tituliu; Bine titalo.
TüToyjn ; 6€9 Tiroyju.
Tobalea (mappa).
Oy6poyoa.
TonuB; t evangeliL
TOHL ; T. SBaHfaUBi.
TractUB.
TpaxxL, "^"^Bxi^BXKB, **Bj[$KOiiat.
Tanica.
GoyRHa.
Unetio extraema.
IIo&iiffiH^a iiauuue, MasL cb. oüii«m,
*OyjiHtHEa.
YelniD.
B«jioyMB, Oy6poyc&, *Poytf&iiB.
VersoB, yerBicnluB.
Otbxl.
VeBperae.
B«EepH*i.
VicariiiB.
*BHKapHH, *HBMtCT&HlX&.
Vidua.
BBAOia.
Vigilia.
BshiuHt^ HaB«^«pB0, HaB«vcpM.
Virgo.
ÄiBa.
Prag, 2. Min 1908.
Jos. Vajs.
Kritischer Anzeiger«
Dr. Job. Ear&sek: Slavische Uteratiirgeseluchte. '^)
IIL Öechischer Teil
(Mit TOTangehender allgemeiner <) Beeprechimg des ganzen Bnches.)
In immittelbarem Anschloß an die bereits erschienenen Besprechungen
des slovenischen nnd des serbokroatischen Teiles folgt hier dieser Aufsatz, der
sich znr Aufgabe gemacht hat, die 6echischen Bestandteile in der »Slavischen
Literaturgeschichte« Kariseks einer gerechten Kritik zu unterziehen und die
solchen Partien anhaftenden Mängel nach Möglichkeit zu berichtigen. Bevor
jedoch das Einzelbild der 6echischen Literatur besprochen werden soll, ist es
wohl angezeigt, über den — in vorhergehenden Spezialrezensionen begreif-
licherweise nicht berührten — Gesamtrahmen (nämlich Komposition d. h. An-
ordnung und Verwertung des Stoffes) der Kariuekschen Arbeit auch einiges
vorauszuschicken.
Meine Besprechung gilt folglich einer »slavischen Literaturgeschichte«.
Ja, können wir überhaupt von einer »slavischen Literatur« sprechen? Gewiß,
denn eine solche hat es gegeben; und eigentlich nein, denn eine solche gibt es
längst nicht mehr: £s verhält sich damit genau so, wie mit einer »slavischen
Sprache«. Wie haben wir das nun zu verstehen? Für den ältesten Zeitraum
muß man tatsächlich den unzweifelhaften Bestand eines einheitlichen Schrift-
tums in altkirchenslavischer Sprache widerspruchslos anerkennen ; das weite
Band dieser — unter dem Hauche byzantinischer Kultur entsprossenen —
Literatur umschlang wirklich alle slavischen Stämme. Trotz alledem bewegten
sich die Slaven im Grunde bereits von jeher auf zwei streng voneinander ge-
schiedenen Bahnen; im Gegensatz zu den — im großen und ganzen von An&ng
an der byzantinischen Bildung huldigenden — Südostslaven beugten sich die
Nordwestslaven (und zum Teil auch Sttdslaven) von Anbeginn an unter dem
Joche römischer Ctesittung, welcher Umstand selbstverständlich ebenfalls in
den Schriftwerken beider Gruppen sehr bald beredten Widerhall fand. Aller-
*) Vgl. Archiv XXIX, 140 ff.
>) Diese Bezension hat nach dem ursprünglichen Plan an der Spitie sämt-
licher Spezialkritiken über die Kar&seksche Schrift stehen sollen.
582 EritiBcher Anzeiger.
dings bildeten anderseits die Literaturen der Süd- nnd Ostslaven miteinander
bis tief in die Nenzeit hinein ein unzertrennbares Ganzes; auch bei den Nord-
westslaven ging es natürlich nicht ohne Wechselbeziehungen ab, wovon schon
die — durch Befruchtung seitens der 6echischen Literatur ins Leben gerufenen
— altpolnischen Schriftdenkmäler lautes Zeugnis ablegen ; eine gewisse Ver-
mittlerrolle zwischen diesen im römischen und jenen im byzantinischen Kultor-
lager stehenden Volksgenossen fiel eiaem Teile der Südslaven (den westlichen
Serbokroaten und den Slovenen) zu, dem es an Berührungspunkten im Schrift-
tum (zurBeformationszeit) ebenfalls nicht mangelt usw. Mit der gegen Ende dea
achtzehnten Jahrhunderts stattgefundenen nationalen Wiedergeburt gerieten
alle slavischen Literaturen ohne Unterschied nach und nach in das Fahrwasser
des alle Volkseigentümlichkeiten eindämmenden Westeuropäertums, und den-
noch begegnen wir bei den Slaven auch da stellenweise gegenseitigen Einflüssen
auf literarischem Boden (vgl. z.B. den 6echisohen Einfluß auf denDlyrismus!).
Auf welche Weise ging nun die Wissenschaft diesem verwickelten Problem
zu Leibe, wie suchte sie dieser schwierigen Aufgabe Herr zu werden? Einer
wahrhaft systematischen Behandlung hat diesen Gegenstand in seiner Gesamt-
heit bisher eigentlich bloß A. N. Pypin als erster und letzter (im Verein mit
W. Spasowicz für den polnischen Teil) unterzogen in seinem berühmten Werke,
das jedoch wohl erst in seiner gänzlich umgestalteten und sehr stark vermehrten
zweiten Auflage zur vollen Entfaltung gelangen konnte^. Welchen methodi-
schen Weg schlägt nun Pypin in seiner Arbeit ein? Schon der Titel seines
Werkes in beiden Auflagen spricht von »slavischen Literaturen« ; damit stimmt
natürlich auch der Text vollkommen überein, der (in der zweiten Auflage) —
abgesehen von den zwei allgemein gehaltenen Abschnitten zu Anfang und zu
Ende des Buches — eine Reihe gänzlich selbständiger und durchaus unab-
hängiger Literaturgeschichten der einzelnen slavischen Volksstämme (mit Aus-
nahme der Großrussen] — natürlich unter stetigem Hinweis auf die mit
peinlichster Gewissenhaftigkeit registrierten jeweiligen Wechselbeziehungen
zwischen den Schwesterliteraturen — in ihrer Gesamtheit mechanisch neben-
einander stellt^. Pypin war in seiner Nebeneinanderstellung slavischer Lite-
^) In erster Auflage erschien das Buch nur russisch und führte den Titel:
»Obzor istorii slavjanskich literatur« (S.-Peterburgl865). Die zweite Auflage
kam in zwei Bänden unter dem geänderten Titel : »Istorija slavjanskich lite-
ratur« (S.-Peterburg 1879, 1881) heraus; sie erschien auch Öechisch (»Historie
literatur slovansb^ch . . . preloiil A. Kotik« V Praze 1880, 1882), deutsch (»Ge-
schichte der slavischen Literaturen . . . übertragen von T. Pech« Leipzig 1880,
1883/1884) und französisch (»Histoire des litt^ratures slaves. Traduit . . . par
E.Denis« Paris 1881 [nur Band 1]); zum Unterschiede von der ersten Auflage
erhielt die zweite keinen großrussischen Teil, der erst nach Jahren als selb-
ständiges Werk in vier Bänden (nur russisch) herausgegeben wurde: »Istorija
russkoj literatury« (S.-Peterburg 1898, 1899).
3) Zum Zweck einer Vergleichung des Gesamtplanes im Pypinschen Werke
mit demjenigen im Earäsekschen Buche wird hier der Grundriß der »Geschichte
der slavischen Literaturen« (nach der — von Pypin mit einem eigenen Vor-
wort ausgestatteten — deutschen Übersetzung) angeführt: »Einleitung. (l.Etii-
EarAsek, SlaviBcheLiteratorgesohichte, angez. von Sataar. 583
ratorea von der l&agst erfolgten Zerklttftang des Blaviflchen Schrifttams aas-
gegangen. Den geraden Gegensatz za Pypin bildet non Ear&eek, der sich
wieder den tatsächlichen Bestand der einstigen Einheit in der slavischen Ute-
jatar zam Ansgangsponkte seines — ftlnfandzwanzig Jahre nach Pypins om-
f angreichem and streng wissenschaftlich geschriebenem Werke veröffentlichten
jond für die weitesten Schichten dentscher Leserwelt bestimmten — Kompen-
diams wählte *}. Ihm schwebte der Gedanke vor, die gesamten Schriftdenkmäler
nographie nad Statistik. 2. Die slavischen Dialekte. 3. Die Geschichte des
alavischen Volksstammes and die Frage der nationalen Einheit. 4. Christen-
thnm, Alphabet and Schriftsprache.) Erstes Kapitel : Die Balgaren. (1. Die alte
Zeit. 2. Die Zeit des türkischen Joches and der Beginn der Wiederbelebnng.
3. Die balgarische Volkspoesie.) Zweites Kapitel: Die Sttdslaven. I. Die Serbo-
Kroaten. (1. Das eigentliche Serbien in seiner alten and mittlem Periode.
"2. Ragasa [Dabrovnik] and das serbisch-kroatische Kttetenland. 3. Die eigent-
lich kroatische Literatur. 4. Die neae serbische Literatar. 5. Die »illyrische«
Bewegang. 6. Die serbische Volkspoesie.) 11. Die Slovenen. Drittes Kapitel:
Der rassische Yolksstamm. Die partiellen Literataren der rassischen Sprache.
I. Die Südrassen. IL Die Volkspoesie. III. Die galizischen Rassinen. Viertes
Kapitel: Der polnische Volksstamm. (1. Die alte Periode bis znr Mitte des
16. Jahrhunderts [der Reformation]. 2. Das goldene oder dassische Zeitalter
der Literatar [1548 — 1606]. 3. Die jesaitisch-maccaronische Periode [1606 —
1764]. 4. Die Periode des Königs Poniatowski [1764—1796] and die Zeiten
nach der Theilang bis zam Auftreten der polnischen Romantik [1795—1822].
A. Die letzten ruhigen Jahre vor der Katastrophe. B. Die politische Literatur des
vierjährigenReichstüftgs. C. Die Übergangszeit nach der dritten Theilung. 5. Die
Periode Mickiewicz' [1 822— 1 863]. A. Die Romantik. Die Vorgänger und Zeit-
genossen Hickiewicz\ Die Thätigkeit des letztem. B. Die Spaltung der Lite-
ratar in eine Emigrantenliteratur und in eine einheimische [ 1 830 — 1848]. G. Die
letzten Ausläufer der polnischen Romantik auf dem heimatlichen Boden
{1848 — 1863]. Die schlesischen Polen. — Die preußischen Mazuren. — Die Ka-
snben.) Fünftes Kapitel: Der 6echi8che Volksstamm. I. Die Öechen. (1. Die
alte Periode. 2. Die hussitische Bewegung und das »goldene Zeitalter« der
^echischen Literatur. 3. Die Periode des Verfalls. 4. Die Wiederbelebung der
Literatur und des Volksthums.) II. Die Slovaken. m. Die Volkspoesie bei den
Rechen, Hährem und Slovaken. Sechstes Kapitel: Das Baltische Slaventhum.
— Die Lausitzer Serben oder Wenden. Siebentes Kapitel: Die Renaissance.«
*) Zum erstenmal wendet die bekannte »Sammlung Gesehen« — mit zu-
meist gediegenen wissenschaftlichen Beiträgen bei geschmackvoller Aus-
Btattong und staunenswerter Billigkeit — hiermit (Nr. 277 u. 278) ihr Augen-
merk dem gesamten Slaventum zu (vorher kamen bloß die Russen in Betracht:
Nr. 4, Russische Geschichte, Nr. 66, Rassische Grammatik, Nr. 67, Russisches
Lesebuch, Nr. 68, Rassisch-Deutsches Gresprächsbuch, Nr. 166, Russische Lite-
ratargeschichte). Diese Literaturgeschichte kommt naturgemäß erst nach
vielen andern an die Reihe: nach der deutschen in Nr. 31, 134 u. 135, 161, der
römischen in Nr. 52, der englischen in Nr. 69, der g^echischen in Nr. 70, der
italienischen in Nr. 125, der orientalischen in Nr. 162 u. 163, der spanischen in
Nr. 167 u. 168, der portugiesischen in Nr. 213 und der nordischen in Nr. 254.
Auch der Sprachwissenschaft wurde hier schon gedacht, und zwar der indo-
germanischen in Nr. 59, der romanischen in Nr. 128 u. 250 und der germanischen
584 Kritiseher Anseiger.
der Slayen za einem mOglicbst organischen Ganzen zn yerfichmelzen, und auf
eben das Ziel steuert sein Bestreben los, die HaiiptstrGmiingen dee gansen
Sehrifttams auf Schritt and Tritt — - nnter bestftndiger V ergleichong der räiz^-
nen Literatiirgebiete miteinander — stnfenweise zn v^olgen und ihre wesent-
lichsten Charakterzüge samt den ▼erschiedenen Unregelmäßigkeiten znsammeA-
hftngend in Form kleinerer Abschnitte darzustellen ; sein synchromstisches Ver-
fahren wendet nun Kar&sek nach einem Vierteljahihundert tatenloser Zwisdien-
zeit auf diesen seither bedeutend angeschwollenen Sto£f an, dessen abermaliger
— auf der Höhe der Zeit in jeder Hinsicht wirklich steh^ider ^ BewSUigaii^
▼iele Schwierigkeiten im Wege stehen, um so mehr als auch an die Behandlung^
eines derartigen Materials ein immer höherer Maßstab angelegt wird, denn be-
kanntlich gerade wieder in letzter Zeit sind die seitens der literarhistorischen
Methodik gestellten Anforderungen erheblich gestiegen; leider wurde dem
Werte dieser vergleichenden slavischen Literaturgeschidite schon von Yom-
herein ein schwerer Schlag versetzt durch ein Machtwort des Verlegers, dem
zufolge das Buch vom russischen Schrifttum — gleich der zweiten Auflage de»
Pypinschen Werkes — absieht. (So bekam sogar das Bild der für diese Auf-
Aussungsweise so hochwichtigen altkirchenslavischen Literatur eine starke
Lttcke.]^) In der Theorie würen also nach den obigen Ausführungen beide
konträren Methoden eigentlich gleich berechtigt. Was sagt jedoch die Präzis
dazu? Bringt die neue Auffassung wirklich mehr Licht in den dargestellten
Gegenstand, als dies bis jetzt der Fall war ? Darauf sollen die folgenden Zeilen
Antwort geben.
An der Spitze des Buches steht ein »Literaturverzeichnis«, welches
jedoch in der Behandlung des gebotenen Materials keine Folgerichti^eit zeigt:
Phne jeden triftigen Grund stehen hier die Vornamen der Verfasser bald in
4er Originalsprache, bald in deutscher Übersetzung, bald werden sie voll aus-
geschrieben, bald abgekürzt (meistens nur mit den Anfangsbuchstaben), bald
gänzlich weggelassen; die Zunamen erhalten bald den ihnen gebührenden
(Doktor-) Titel, bald keinen, piese Begellosigkeit wiederholt sich überall im
Text und nicht weniger in den beiden Begistem, wo unter den zumeist vor-
namenlosen Autoren z. B. einerseits Bau Matija, Cemin, Gundiüid Ivan, Hijek
V&dav, Eon&6 MikulÄä, Ranjina Dinko, Szymonowtcz Szymon, Sümanov Ivan,
Vojnoviö Ivo, Vraz Stanko usw. in Register I oder Ilijö Jovo, Mil^etiö Ivan,
Nömcovi, Podlipsk& usw. in Register II und anderseits Blaeewski Martin,
Öemy Johann, Häjek v. Häjek, Harant v. Poliic, Hieronymus [aus Prag], Jei^&bek
Franz, Eol&r Georg, Lobkovic Johann, Martinius v. Dra&ov, Nikolaus [T&bor],
in Nr. 238, aber bezüglich einer slavischen Sprachwissenschaft haben wir uns
wahrscheinlich noch für lange Zeit mit Geduld zu wappnen.
^ Der russischen Literatur wurde bekanntlich schon früher (1902) vor der
KarÄsekschen Schrift (1906) ein eigenes Bändchen der >Sammlung Göscfaenc
von einem andern Verfassec zu teil: »Geschichte der russischen Literatur von
G. Polonskij.« -— Vielleicht ist die »Erfindung« einer »slavischen Literatur-
geschichte« überhaupt auf den laienhaften Buchhändler zurückzuführen, was
jedoch Ear&seks Verdienst der Initiative keineswegs schmälern soll.
Kar&sek, SlaviBche Literaturgescfaichte, angez. Yon Sutnar. 5g5
Pafanotiö Jakob, P. Jnniiis, Prefat y. Vlkanov, Preiss Gabriele, Sizt von Otters-
d<wf, Wocel, Zierotin, Zrinyi Peter, Z. NikohtuB ubv. in Begister I oder Earisek
Georg T. LtoyIo, Kvapil f^ranz, Maciejowski Wenzel, Mrfttik Wilhehn, Njegofi
Nikolaus L, Peter 11. Njegoi [anter Peter !], Preisa G., Proch&zka Ernst usw. in Re-
gister n nebeneinander stehen<^.] Die Bflebertitel selbst werden in der Begd
deutsch ohne Angabe der Drackorte angeführt (Bestandteile Ton Sammdwerken
gewöhnlich auch ohne Bezeichnung der letztem). Sowohl die Vornamen der
VerüasBer als anch die Bttchertitel hätten nach meinem Dafürhalten womöglich
in der Originalspracfae angeführt werden sollen, wie dies in allen großen Biblio-
graphien schon längst gang und gäbe ist, nnter Umständen mit der Übersetzung
in EJammem, da die Übersetzung wegen ihres naturgemäßen Schwankens den
Wert eines Zitats mehr oder weniger immer beeintrtichtigt. Die somit ohne-
hixi nicht einwandfreien bibliographischen Angaben widersprechen mitunter
sogar der Wahrheit; außerdem wimmelt es duin nach allen Seiten hin von
Lücken, denn auf keinen Fall hätten hier — schon der Vollständigkeit halber
— die Werke von P. J. Safank, Talvj (T. A. L. Eobinson), V. Grigoroviö, A.
Mickiewicz, G. Krek (über alle slavischen Literaturen) fehlen dürfen, was man
auch immer jetzt von ihnen halten mag'O; so kann auch die Übersicht über die
Verfasser einzelner Monographien am Schlüsse des »Literaturverzeichnisses«
keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen, da sie eine Reihe hervorragender
Literarhistoriker der Gegenwart vermissen läßt 8).
^ Die Serben Radi6evi6 und Milutinoviö kommen in demselben Register II
zweimal vor, das eine Mal als Branko Radi6evi<S (unter Branko! auch Vuk
Earadiiö unter Vuk in beiden Registern!) und als Öubro Öojkovid (Milutinoviö)
und das andre Mal als Radi6evid Branko und als Milutinoviö Sarajlija.
'^ Dasselbe gilt u. a. von den Arbeiten folgender Schriftsteller: H. Biegel-
eisen (polnisches Schrifttum), P. J. SafaiPik (Literatur der Sttdslaven), ^.P.Simiö
(Literatur der Serben), 0. Ohonovskij (ruthenisches Schrifttum). Von &. Surmin
wird zwar »Die Geschichte der kroatischen und serbischen Literatur (kroatisch)«
genannt, aber nicht das Buch »Hrvatski preporod« (Zagreb 1903, 19U4); von
demselben Verfasser wird außerdem der im »Ottuv slovnik nau6n^« (dil 13,
1898, 421—503, nicht »Heft 2hl, 282«, weil die Lieferungen in gebundenen
Exemplaren nicht erkennbar) abgedruckte Beitrag »Die Südslaven« (eigentlich
>Jihoslovaii6«. »Ddjiny literatury srbsko-chorvatsk^«) erwähnt, gewiß mit
Recht, aber man hätte dann auch den ebendaselbst erschienenen und diesem
Artikel unmittelbar vorangehenden (403—421) Beitrag M. Murkos »Dejinjslo-
vinsk^ literatury« keineswegs übersehen sollen. Von P. Chmielowski werden
wohl die Werke »Umriß der neuesten polnischen Literatur . . . (polnisch)« und
»Das polnische Drama der neuesten Zeit (polnisch)« aufgezählt, aber nicht die
mindestens ebenso wichtigen Bücher: »Nasi powie^ciopisarze . . .« (Krakow
1887), »Historya literatury polskiej . . .« (Warszawa 1899, 1900, in 6 Bänden),
»Najnowsze pr^dy w poezyi naszej« (Lwöw 1901: Wiedza i iycie. Rok IL
Tom 6) und »Dzieje kr^tyki literackiej w Polsce« (Warszawa 1902). Von W.
Feldmans angeführter Schrift »Das polnische Schrifttum in den letzten zwanzig
Jahren (polnisch)« (in 2 Bänden) ist jetzt bereits eine dritte Auflage unter
dem Titel »Piimiennictwo polskie 1880^1904 . . .« (Lwöw 1905, in 4 Bänden)
erschienen.
9) Angesichts der hier bloß angedeuteten Dürftigkeit dieser bibliogra-
586 Kritischer Anzeiger.
Aaf das »Literatarverzeichnis« folgt noch ein eigener Abschnitt betitdt
»Über die Ansspraohe«, der leider ebenfalls dem gegenwärtigen Stande der
Forschungen nicht Bechnong trägt^). Allein lobend hervorzuheben ist die
Tatsache, daß Kar&sek zur Umschreibung der cyrillischen Lettern sich im all-
gemeinen folgerichtig der —in ihren Hauptzügen jetzt schon so ziemlich durch-
gedrungenen — 6echischen diakritischen Zeichen bediente^.
Nun geht EarAsek zur eigentlichen Darstellung des Gegenstandes über,
wovon hier natürlich bloß ein dürres Gerippe gegeben werden kann : Nach
einer völkergeschichtlichen Vorrede (§ 1, »Einleitung. Historische Skizze«)
widmet der Verfasser sein Augenmerk in erster Reihe dem altkirchenslavischen
Schrifttum (§ 2, »Die älteste slavische Literatur. Cyrill und Method«) samt
seiner Weiterentwicklung auf bulgarischem Boden (§ 3, »Entwicklung der
kirchenslavischen Literatur bei den Bulgaren«) und auf serbischem Grebiete
(§ 4, »Altserbische Literatur«) sowie dem Bogomilismus (§ 5, »Die Bogomileu«).
Hierauf werden wir mit der »alten kroatischen Literatur« bekannt (§ 6). Nach
einer jetzt folgenden Einleitang über den Einfluß des lateinischen Schrifttums
auf die nordwestslavischen Literaturen im allgemeinen (§ 7, »Die nordwest-
slavischen Literaturen im Verhältnisse zu der lateinischen«) kommt Karisek
auf den Verlauf derselben einzeln zu sprechen, wobei wir uns zunächst mit dem
alt&echischen Schrifttum (§ 8, »Älteste &echische Literatur«) und nach einem
— der Befruchtung der slavischen Literaturen durch die Bibel zugedachten —
Abstecher (§ 9, »Die Bibel«) auch mit dem ganzen mittel^echischen Schrifttum
in einem Zuge vertraut machen (§ 10, »Johannes Hus [1369 — I415]c, § 11,
»HussitismuB und das 15. Jahrhundert in Böhmen«, § 12, »Peter Chelöick]^«,
§ 13, »Die böhmische [mährische] Brüdergemeinde«, »Das 16. Jahrhundert in
der 6echischen Literatur«, § 14, »Das goldene Zeitalter«, § 15, »Johann Arnos
Eomensky [ComeniuB 1592—1670]«); dann ergreift die Literatur Polens das
Wort (§ 16, »Anfänge der polnischen Literatur«, § 17, »Hey von Naglowic«,
§ 18, » Jan Eochanowski [1530—1584]«, § 19, »PeterSka^a[1536— 1612]«, §20,
»Zeitgenossen und Epigonen Eochanowskis«). Hierauf kehren wir nochmals
zum serbo-kroatischen Küstenland (§21, »Die dalmatinische Literatur. Ragusa«,
phischen Angaben muß man mit unwillkürlichem Neid an M. Koch denken,
der in seiner bei demselben Verleger erschienenen »Geschichte der deutschen
Literatur« (Sammlung Groschen. Nr. 31. 6. Aufl. 190G) im Gegensatze zuK&risek
sogar jedem einzelnen Kapitel ein reichhaltiges und aufschlußreiches Begister
von Literaturangaben mitgeben konnte.
^ Gleich im Anfange heißt es z. B.: »Im 6echischen Alphabet und nach
ihm im kroatischen, slovenischen und lausitz-wendischen wurden die diakriti-
schen Zeichen angewendet . . .« Haben vielleicht die Polen in 6, L 6, ö, i, i,
i, \, t^ q keine diakritischen Zeichen? Später wird die Betonung im Cechischen
und im Polnischen erwähnt, die der andern Slaven mit Stillschweigen über-
gangen.
10) Dadurch sticht er sehr vorteilhaft von Polonskij ab, der in seiner
russischen Literaturgeschichte ganz willkürlich transkribiert z. B. Polonskij
neben Skabitschewsky, Weselowsky, Wolkonsky. Auch das »Laterator- Ver-
zeichnis« Polonskijs ist womöglich noch mangelhafter als das Kar&seksehe.
Ear^k, Slavisohe Literatnigeschichte, angez. yon Sutnar. 587
§ 22, >J.Fr. Gnndülid [1588—1638]«) zoTÜok. Nach einem hier anknUpfenden
Abschnitt Aber die >6echisohen, polnischen und kroatischen Schauspiele im
Hittelalter« (§ 23) beschSfdgen wir uns abermals mit den Polen (§ 24, >yerfall
der polnischen Literatur [1600—1750]«, § 25, »Die zweite Hälfte des 18. Jahr-
hunderts bei den Polen«, §26, >Sarmatismus. Niemcewicz«). Drei Kapitel
allgemeinen Charakters (§ 27, »Das Volkslied«, § 28, »Allgemeine Charakteristik
der slavischen Literaturen im 19. Jahrhundert«, § 29, »Die slavisohe Wieder-
geburt und ihre Ursachen«) beschließen nun den ersten Teil der Earasekschen
Schrift, welcher sich mit der »altem Literatur bis zur Wiedergeburt« beschäftigt.
Der zweite Teil der Earisekschen Arbeit behandelt nun das neunzehnte
Jahrhundert, wobei an erster Stelle die Nordwestslaven stehen, nämlich die
Polen (§1, »Renaissance der polnischen Literatur«, § 2, »Die Periode polnischer
Genies. Miokiewicz, Slowacki, Erasifiski«) und die Gechen (§ 3, »Wiedergeburt
des 6echischen Schrifttums«). Sodann wendet sich der Verfasser den Südslaven
zu, vor allem (eigentlich zum erstenmal) den Slovenen (§ 4, »Anßinge der slo-
venischen Literatur«), hierauf den Kroaten (§ 5, »Illyrismus«), abermals den
Slovenen (§ 6, »Slovenische Literatur nach Pre&ern«), ferner den Serben mit
ihrem ganzen Schrifttum (§ 7, »Serbische Literatur«, § 8, »Serbische Literatur
der Neuzeit«) sowie den Bulgaren ebenfalls mit ihrer gesamten Literatur (§ 9,
»Bulgarische Literatur«), worauf endlich der Best des kroatischen Schrifttums
zur Erörterung gelangt (§ 10, »Neue kroatische Literatur«). Nach den Sttdslaven
kommen die Nordwestslaven nochmals an die Reihe, und zwar wieder die
Öechen (§11, »Die veijüngte böhmische Literatur«, § 12, »Unerwartete Blüte-
zeit der ^echischen Literatur. Öech, Vrchlick^, Zeyer«, § 13, »Freunde und
Epigonen Vrchlickys«, § 14, »Öechische Prosa in den letzten Jahrzehnten«)
und die Polen (§ 15, »Polnische Literatur daheim nach dem Jahre 1830. Roman-
tismus«, § 16, »Neue polnische Prosa [Sienkiewicz, Prus]«, § 17, »Neueste pol-
nische Prosa«, § 18, »Neueste polnische Poesie«). Es folgt noch ein Kapitel
allgemeiner Natur über die letzte Phase der slavischen Literaturen (§ 19, »Sla-
visohe Moderne«). Hiermit schließt auch der zweite Teil und infolgedessen
das ganze Buch ab.
Mit Recht geht der eigentlichen Literaturgeschichte das Vorwort über
die ältesten Schicksale der Slaven aus vorliterarischer Zeit voraus; ebenfalls
mit Recht um&ßt der Abriß des altkirchenslavischen Schrifttums die frühesten
kirchlichen Denkmäler aller Slaven im allgemeinen und die altbulgarischen im
besondem, nur muß der Haupttitel »Die älteste slavisohe Literatur« — mit
Rücksicht auf den unkirohlichen Charakter des Bogomüentums — durch »Die
älteste kirchliche Literatur der Slaven« ersetzt werden und der Untertitel »Cyrill
und Method« dem Inhalt gemäß den Zusatz »und das Zeitalter Simeons« er-
balten. Nach diesem kirchlichen Schrifttum sollte gleich das Bogomilentum —
samt den mit ihm aufs engste verknüpften und fälschlich in § 3 erwähnten
Lügenbüchem — zur Besprechung gelangen, da die Anfänge dieser den Süd-
slaven (undRussen) gemeinsamen Erscheinung ebenfalls bulgarischen Ursprungs
auch schon in der ältesten Zeit wurzeln ^^). (In Klammem wird wegen der Voll«
^^] Warum blieb hier Priester Jerem^a unerwähnt?
n
588 Kritiscber Anxeig^r.
st&ndigkeit des 6«BamtbildeB ttberftU auch der — hier bekumtlieh fibeigaageneA
— nusiBchen Literatur gedacht werden.) Jetit wenden wir uns der ndttribal-
garischen und altBerbischen (samt der mittelBerbiachen) (and altmaejachea)
Literatur zu, die jedoch in ein Ejipitel — anter dem Namen etwa »Mittelbal-
gariaches and alt- (and mittel-) aerbiaches (and altnuaischee) Schrifttam« —
zoaammengefaßt werden maß, denn bd dem innigen gegenseitigen ZaBaBmeni-
hange der einzelnen Teile dieser Literatur ist eine strenge Trennung nadi Natio-
nalitäten darin schlechterdings undenkbar^. Mit Becht gilt unsre Anfineck-
samkeit hierauf der »alten kroatischen Literatur«, da diese — zum Unteracbiede
von dem seit jeher im kulturellen Banne des byzantinischen Südens stehenden
Übrigen sttdslavisohen (und ostslavischen d. h. rassischen) Schrifttam (ndt Aus-
schluß des slovenisohen) — frühzeitig dem geistigen Anstürme des rOmiadieB
(später romanisch-germanischen) Abendlandes eriag — gleich den nordwest-
slayischen Literaturen, zu denen hiermit eine Brücke geschlagen ist, aber daa
Kapitel kann richtig bloß »Alte Literatur des serbokroatischen Küstenlandes«
heißen^). Die Existenzberechtigung des nun folgenden Abschnittes über den
lateinischen Charakter der ältesten nordwestslavischen Literaturen ist wohl
als fraglich zu bezeichnen — in dieser Gestalt ohne Heranziehung der in § 6
behandelten serbokroatischen Literatur, welche bekanntlich in dieser Hinsicht
vielfach an ihre nordwestslavischen Schwestern erinnert; anderseits wieder
besitzt dieses Schrifttam (abgesehen von seinen Berührungspunkten mit dem
serbischen) solch ein eigenartiges Gepräge, daß jeder noch so gelinde Ver-
schmelzungsversuch dieser Literatur mit den nordwestslavischen ein Unding
wäre; unter solchen Umständen muß man dieses Ekapitel ganz fallen lassen,
wofür jedoch Verweisungen an passenden Stellen reichlichen Ersata bieten
können. Vollkommen überflüssig und in der Fassung auch übel angebracht
ist zweifelsohne der nächste Abschnitt über die Rolle der Bibel bei den Slaven
(meistens über die Einwirkung der J^echischenBibelübersetzungen auf die Bibel-
übersetzungen der andern Slaven), denn die hier aufgehäuften Tatsachen wären
gewiß verteilt — unter gegenseitigen Berufungen je nach Bedarf — im Rahmen
der einzelnen Literaturen viel mehr zur Geltung gekommen (darunter gehören
die lausitzisch-wendischen, slovenischen und kroatischen Werke bereits dem
Zeitalter der Reformation und der Gegenreformation an). Bezüglich des nnn
folgenden mittel6echisohen Schrifttums ist folgendes zu bemerken: Dieae
Literatur zerfällt von rechtswegen in zwei Perioden, die der Reformation (des
Hussitismus samt der spätem Brüderschaft) und des Humanismus und die der
Gegenreformation; diese Zahl war auch in unserm gedriingten Literaturbild
streng einzuhalten, denn jede gar zu große Zerstückelung des Stoffes (Zaweisong
^ Li § 4 fehlt unter anderm Danilo ü. ; die daselbst erwähnte Bosaniiea
gehört schon zu § 6.
^ Übrigens werden diesem Abschnitt fälschlicherweise Männer ans dem
siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert hinzagefügt, von denen P. ZriiyM
und Vitezovi<5 bereits dem eigentlich kroatischen Schrifttum der Reformations-
zeit angehören und Ka6i<S-Mio&i<S sogar schon den letzten Ausläufer der ragu-
sanischen (dalmatinischen) Literatur vorstellt
KarÄsek, Slavische Literatorgesohiehte, angez. von Sntnar. 589
ebener Kapitel sogar ehizelnen — wenn auch noch so wichtigen — Persönlich-
keüen, im ersten Teile des Bnches Öfters) hat natnrgemSß dessen Yerge-
waUignngen im Gefolge (dämm verwickelt sich bei solchen Gelegenheiten der
iBhalt der Abschnitte gern in Widersprüche mit der Überschrift); von den be-
sprochenen Bwei Zeitabschnitten darf hier vorlSufig nur der erste (§ 10 — 13,
14 ohne Schluß) zur Darstelhmg gelangen, wogegen der andre (§14 Schluß
und 15) erst später — bei Behandlung der übrigen Literaturen zur Zeit des
Yerfalles — an die Reihe kommen soll. Die Polen betreten den Schauplatz der
Literatur erst später unter starkem &echischen Einfluß, und rttcksichtlich der
mittelpolnischen Zeit gpilt etwas Ähnliches wie hinsichtlich der mittel6echischen :
Auch da haben wir es mit zwei Abschnitten zu tun, erstens dem des Humanis-
mus und der Beformation (dem »goldenen Zeitalter«, wie bei den Öechen, hier
jedoch nicht erwähnt) und zweitens dem der Gegenreformation, von denen
yorderiiand bloß der erste in Betracht kommt. (Mithin sind §§ 1 7 — 20 zu einem
€knzen zusammenzuziehen, schon wegen Tflgung der unnatürlichen Überschrift
des § 20 [ähnlich später in Band II § 1 3] und wegen Verbesserung der teilweise
gewaltsamen Reihenfolge der einzelnen Kapitel [§§ 18, 19, 20 fälschlich ftir
§§18, 20, 19] 14).) (Hier wäre wieder ein Kapitel dem mittelrussischen Schrift-
tum [bei den Groß- und Kleinrussen] einzuräumen, welches langsam dem by-
zantinischen Süden den Rücken kehrt und sich [nicht ohne polniachen Einfluß]
dem romanisch-germanischen Westen zuwendet) Ganz richtig erscheinen nach
den Nordwest- (und Ost-)slaven die — den westiichen (hier meist italienischen)
Strömungen huldigenden — Südslaven wieder auf dem Plan, aber natürlich
muß dieses Schrifttum der Übersichtiichkeit halber gleichfalls in einen einzigen
Paragraphen zusammengeschweißt werden. (Denn § 22 — mit der angehängten
unvollständigen Fortsetzung der ragusanischen Literatur trotz des keineswegpi
unklaren Titels — kann als Warnung vor dieser übermäßigen und zwecklosen
Zersplitterung des Stoffes dienen.) *') Dafür unbarmherzig zu streichen ist der
nächste Abschnitt — über das Drama bei den äechen, Polen und Kroaten im
Hittelalter — als gänzlich überflüssig und verfehlt, denn durch die Loslösung
des Dramas von der Gesamtdarstellung der zuletzt besprochenen Literaturen
wurde diese lückenhaft und zerfahren, wogegen die ohne jeden zwingenden
Grund erfolgte Zusammenstellung (nur beim Drama) keinen Gewinn bringen
kann; es müssen also die einzelnen Bestandteile dieses unbedingt aufzulösenden
Kapitels den betreffenden Literaturen wieder einverleibt werden. Statt dessen
ist jedoch ein allgemeiner Abschnitt über die Reformation und Gegenrefor-
mation bei den Süd- und Nordwestslaven einzuschalten, welcher nebenbei in
zwanglosester Weise den Übergang von den zuletzt behandelten Südslaven zu
den noch zu besprechenden Nordwestslaven vermittelt; an der Spitze dieses
unerläßlichen Paragraphen müssen die beiden südslavischen Schwesterlitera-
^*) Auch sonst gibt es Mängel : So wurde S. F. Klonowicz in § 20 gänzlich
übergangen, Orzecho wski nur in § 18 flüchtig erwähnt, wogegen andre in § 20
z. B. Paprocki sicher überschätzt wurden.
^) Vermissen wird man besonders in § 22 die gar nicht erwähnten
J. Buni<$-yu6i6eviö, J. &ordiö und M. A. Reljkoviö.
590 Kritischer Anzeiger,
tnren — die der Slovenen und die der eigentlichen Kroaten — stehen, welche
nämlich erst von der Reformation ins Leben gerufen wurden (hier ist auch
eine Verweisung auf die damaligen Ostslaven d. h. Elleinrussen wUnachena-
wert); dann hätte man das größtenteils bereits bekannte Schrifttum der Nord-
westslaven aus diesem Zeitraum zu streifen, welches wegen Beichhaltigrkeit
und Kompliziertheit (Verquickung mit dem Humanismus) einer besondem Dar-
stellung bedurfte, und zwar die Literatur auf ^echischem Boden, wo sich die
Reformation am frühesten (mehr als ein Jahrhundert vor der deutschen) mit
einer eigenen Blüte von seltener Farbenpracht gemeldet hat, und die Literatur
auf polnischem Gebiete, wo die Reformation nur seichte Wurzeln geschlagen
hat; voll und ganz kommen demnach von den Nordwestslaven eigentlich bloß
die Lausitzer Serben und die Slovaken in Betracht, die Lausitzer Serben, deren
Schrifttum auch erst seit der Reformation sich zu regen beginnt, und die Slo-
vaken, deren Literatur ihre schüchternen Gehversuche (einstweilen am GSngel-
bande der öechischen Sprache) sogar erst der Gegenreformation verdankt
Weiter ist zu bemerken, daß erst nach dem jetzt folgenden Kiedeigange des
polnischen Schrifttums auch des Verfalles der 6echischen Literatur gedacht
werden sollte, der etwas später eintritt und auch später schließt Das Schrift-
tum der Polen in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts ist bereits
ein Kind der Auf klärungszeit und somit — trotz des herannahenden politischen
Zusammenbruches — samt dem »Sarmatismus« ein Kettenglied der slavischea
Wiederbelebung, unter deren Banner das neunzehnte Jahrhundert steht (Diese
Partie gehört daher schon dem zweiten Band unsres Buches an, wo die beiden
Kapitel zu einem — der Aufklärungszeit samt dem [hier wenig berührten]
Pseudoklassizismus gewidmeten — Paragraphen zu verschmelzen sind.) End-
lich gilt über die drei allgemein gehaltenen Schlußkapitel des ersten Teiles
folgendes: Der Abschnitt über das Volkslied bei den Slaven (hauptsächlich
Südslaven) hätte wohl schon das gesamte Gebiet der slavischen Volkspoesie
umfassen sollen, wenn auch dabei noch (trotz der unanfechtbaren Fortschritte
der neuem Forschung) mit bedeutenden Schwierigkeiten zu kämpfen wäre; da
jedoch das Verständnis für die volkstümlichen Dichtungen untrennbar mit der
— erst im zweiten Bande zu besprechenden — Wiedergeburt zusammenhängt,
so wird auch die Darstellung der slavischen Volkspoesie (schon wegen der
Verschwommenheit der Grenzen ihrer Entstehungszeit) nur in den Rahmen der
slavischen Wiederbelebung einzufassen sein. Der nächste Paragraph mit dem
Überblick über die slavischen Literaturen des neunzehnten Jiüirhunderts ist
eigentlich ein zweckloser Ballast, aber der Verfasser schuf dieses Kapitel offen-
bar bloß deshalb, um wenigstens hier das Gesamtbild des »slavischen Schrift-
tums« ungeschmälert in seiner ganzen Größe geben zu können, was ihm ander-
wärts versagt blieb, da bekanntlich die Großrussen (und somit mehr oder
weniger auch die Kleinrussen) von vornherein aus dem Kreise seiner Betrach-
tungen gestrichen waren (am Ende des ersten Teiles hätte der Abschnitt über-
dies vielleicht gute Dienste als Brücke zum zweiten Teile leisten können,
dessen Hauptlinien dort vorgezeichnet werden); allein diese Gesamtübersicht
haftet leider zumeist — auch für den knapp zugemessenen Raum — viel zu
viel an der Oberfläche, so daß damit jenes Ziel lange nicht eixeicht wurde; sehr
Karjj^Bek, Slavische LiteratorgeBchichte, angez. von Sutnar. 591
stiefmütterlich bedacht wurden vor allem die •— nnr da (gleich den Groß- nnd
Kleinnusen) auftauchenden — Slovaken und Lausitzer Serben; ein großes
Unrecht widerfährt ebenfalls dem gesamten slavischen Drama der Neuzeit, das
ein für allemal bloß hier flüchtig zur Besprechung gelangt. Bezüglich des
letzten Abschnittes über die Wiedergeburt wurde bereits gesagt, daß er als
Einleitung zum zweiten Teile schon an dessen Spitze gehört (folglich sind die
Worte »bis zur Wiedergeburt« im Untertitel des ersten Teiles jetzt exklusive
zu verstehen); allerdings wird der zweite Band zum Nachteil des ersten durch
die Zuweisung der ausgeschlossenen vier Kapitel bedeutend anwachsen, aber
das muß man schon — im Hinblick auf die Unnatürlichkeit der bisherigen An-
ordnung und den unwissenschaftlichen Charakter solcher EinwSnde — wohl
oder übel mit in den Kauf nehmen.
Das neunzehnte Jahrhundert wird durch eine Erscheinung eröffnet, die
sämtlichen Slaven gemeinsam ist, nämlich durch die nationale Wiedergeburt,
und durch ein ebenso allgemein auftretendes Phänomen der »Moderne«
wird es geschlossen; das Westeuropäertum reißt nämlich ün neunzehnten
Jahrhundert die Schranken zweier einander bisher fremden Kulturwelten
in den slavischen Literaturen allmählich siegreich nieder, so daß die —
eigenttich erst im neunzehnten Jahrhundert wiedererwachten — Slaven am
Ausgange desselben Jahrhunderts um die achtziger Jahre herum bereits
voUzählig an der reichgedeckten Tafel westeuropäischer Gesittung sitzen
und zum großen Teil auch gehörig zulangen. Innerhalb der oben gesteck-
ten zwei Marksteine zerfallen die slavischen Literaturen des verflossenen
Jahrhunderts noch in zwei ungleich große Perioden, deren Grenzscheide etwa
die vierziger Jahre bilden dürften (meistens hat das Revolutionsjahr 1848 die
tiefe Furche gezogen). Da femer nur eine — in vollste Übereinstimmung mit
den Sichtungen des Weltschrifttums gebrachte — Anordnung des Stoffes auf
festem Boden steht, was in diesem zweiten Teil — bei dem durchgehends west-
europäischen Gesamtcharakter der hier in Betracht kommenden Literaturen —
um so mehr Gültigkeit hat, so ergabt sich nun aus alledem — nach gebühren-
der Berücksichtigung der chronologischen Reihenfolge der Literaturen sowie
der Zusammengehörigkeit der einzelnen Sprachgruppen und nach Maßgabe
der Größe des betre£fenden Schrifttums — ungefähr folgender Grundriß des
zweiten Bandes: (1.) Wiedergeburt (samt der in diesem Zeitabschnitt eifrig
studierten Volksdichtung). Aufklärung und Romantik. (Ostslaven. 2. Groß-
ruBsen [mit zwei Kapiteln] a. [Achtzehntes Jahrhundert] Aufklärung [Pseudo-
klaasizismus], b. [Neunzehntes Jahrhundert samt den vierziger Jahren] Roman-
tik. 3. ELleinrussen [Ende des achtzehnten Jahrhunderts und das neunzehnte
bis in die viendger Jahre].) Nordwestslaven. (4.) Polen (mit zwei Kapiteln)
a. (Rest des achtzehnten Jahrhunderts und das neunzehnte bis zu den zwanziger
Jahren) Aufklärung (Pseudoklassizismus), b. (Der nächste Zeitraum bis 1848)
Romantik (Erste Hälfte ^), (5.) Öechen (mit zwei Kapiteln) a. (Ende des acht-
zehnten Jahrhunderts und die ersten zwei Jahrzehnte des neunzehnten) Auf-
klärung (Pseudoklassizismus), b. (Der nächste Zeitabschnitt bis 1848) Romantik
^) YieUeicht: »Einzug der Romantik.«
592 KriÜBcher Anzeiger.
(Erste HSlfte^)). (6.) Slovaken (Ende des achteehnten Jahrhunderts and das
neunzehnte bis 1848). (7.) Lansitzer Serben (Der Zeitraum bis 1848). Sild-
slaven. (8.) Sloyenen (Ende des achtzehnten Jahrhunderts und das neun-
zehnte bis 1848). (9.) Kroaten (Dreißiger nnd vierziger Jahre des neun-
zehnten Jahrhunderts) lUyrismos = Romantik. (10.) Serben (Das aohtxehnte
Jahrhundert und das neunzehnte bis in die vierziger Jahre). (11.) Bulgaren
(Seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts : Wegen der mangelhaften jetzigen
Entwicldung dieses einst eratklaasigen Schrifttums überhaupt nur einmal und
deshalb in der Mitte gleichsam als ObergangsgUed von der ersten zu der zweiten
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts). Romantik (Zweite HSlfte^''): Etwa Ms
zu den achtziger Jahren). (12.) Serben. (13.) Elroaten. (14.) Slovenen. Nord-
westslaven. (15.) Öechen. (16.) Slovaken. (17.) Lausitzer Serben. (18.) Polen.
(Ostslaven. Realismus. 19. Großmssen. 20. ELleinrussen.) (21.) Moderne (Re-
alismus [Naturalismus, Positivismus usw.: ausschließlich der Ostslaven] und
Dekadentismus [DiUetantismus, Impressionismus, Indifferentismus, Symbolis-
mus, Synthetismus usw.]: üngefitihr seit den achtziger Jahren mit Ausnahme
vielleicht nur der Bulgaren und der Lausitzer Serben). (Übrigens muß gleich
gesagt werden, daß die nun vorgeschlagenen Titel der einzelnen Ej^pitel selbst-
verständlich keineswegs den gesamten Inhalt des in Rede stehenden Zeitab-
schnitts erschöpfen wollen, sie wollen vielmehr nur dem vorherrschenden Gha-
rakterzug desselben Rechnung tragen.) Aus dem Obigen folgt, daß eine Reihe
von Änderungen im zweiten Teile der EarÄsekschen Arbeit unbedingt vorzn*
nehmen ist, wenn ich auch hier — mit Rücksicht auf den vielfach noch immer
brach liegenden Stoff aus diesem Zeiträume — nicht gar zu strenge richten
müchte: § 1 und 2 sind (samt einem Teil des § 15: dem »einheimischen« Scbriit-
tum bis 184S) zu einem Kapitel zusammenzuschmelzen; § 3 wird in zwei Stücke
zerfallen; § 7 und 9 kommen zweifellos vor § 6; femer sind §§11—14 und § 15
(Rest) mit 16 — 18 zusammenzufassen, wodurch wir jedem gewaltsamen Titel
(vgl. z. B. § 1 1 und 12!) und aller mechanischen Einteilung des Materials (etwa
in »neue« und »neueste« »Poesie« und »Prosa«, vgl. z.B. §§ 16, 17 und 18!) ent-
rinnen werden, freilich ist zugleich aus diesen und den vorhergehenden Ab-
schnitten grundsätzlich die (mit Unrecht darin berührte) Moderne für § 19 (bis-
her nur Polen, Öechen und Slovenen !) auszuscheiden, d. h. nicht bloß die ge-
samte D6cadence (in unserm Buch mitunter schon früher, nicht nur in § 10, an
verschiedensten Orten verstreut), sondern (bei den Nordwest- und Sttdslavea)
schon der Realismus, denn man kann im Interesse der Übersichtlichkeit un*
möglich — um so weniger bei solch einer verhältnismäßig knappen Darstellnng
— für aUe zehn Jahre eine neue Periode schaffen.
In den vorangegangenen Zellen habe ich mich bemOht, durch Skizzieruag
und Wertung des Gerippes unsrer Schrift ihre gar nicht seltenen großem
Eompositionsfehler aufeuzeigen, und zu diesen Grundfehlern gesellen sich nun
auch in den Einzelheiten Irrtümer und Versehen in großer Füllet: Überhaupt
t7) Vielleicht: »Herrschaft der Romantik.«
^ S. z.B. in Band I auf Seite lOH »Dramaturgen« für »Dramatiker« und
auf Seite 116 Eolcov statt Erylov! Überdies soll hier des bekannten altrossi-
Karäsek, SlaviBche Literaturgeschichte, angez. von Sutnar. 593
trägt das Kariseksche Bach vielfach das Siegel der äußersten Subjektivität,
und zwar sowohl im guten als auch im schlechten Sinne dieses Wortes, so
daß der Verfasser hiermit vorläufig nur einem Bruchteile der an einen mo-
dernen Literarhistoriker gestellten Anforderungen entsprochen hat^^. Auf
Schritt und Tritt begegnet man Spuren von Flüchtigkeit, die an mancher Stelle
die lotste Feile gänzlich ausbleiben ließ, obwohl anderseits wieder anerkennend
auf den künstlerischen Schwung sowie die temperamentvolle Darstellung hin-
gewiesen werden muß, zu welcher sich diese Schrift oft emporschwingt. (Auch
von sprachlichen Härten^ ist das Buch ziemlich frei.) Allerdings treten an die
sehen Schriftdenkmals gedacht werden, welches in Band n auf Seite 39 als
»Lied vom Regiment des Igor«, auf Seite 75 schlechtweg als »Slovo« und auf
Seite 151 als »Bericht über die Expedition des Igor« angeführt wird.
^) Die Theorie der modernen Literaturgeschichte können wir getrost in
einem einzigen Satze zusammenfassen: Ein wahres literarhistorisches Werk
(sowie kunsthistorisches überhaupt) ist ein über Kunstwerke handelndes Kunst-
werk, das jedoch Zoll ftlr Zoll auf streng wissenschaftlicher Basis aufgebaut
werden muß; der Literarhistoriker soll jederzeit bei der Untersuchung sowie
bei der Darstellung seinem Stoffe zugleich mit kühlem Kopfe des Forschers
und mit warmem Herzen des Künstlers gegenüberstehen, indem er jeder noch
so bescheidenen Einzelheit das größte Verständnis entgegenbringt, ohne je-
doch die Hauptkonturen seiner Arbeit von Details überwuchern zu lassen,
und indem er Überall in objektivster Weise seine Person beiseite schiebt und
doch wieder überall in subjektivster Weise seine Fußstapfen zurückläßt; der
Literarhistoriker muß mit frostiger Ruhe rastlos in die tiefsten Schachtecken
der verborgensten Zusammenhänge seines Gegenstandes hinuntersteigen, aus-
gerüstet mit der schärfsten Grubenlampe der ästhetisch-psychologisch-sozio-
logischen Analyse sowie mit dem reichlichsten Nahrungsvorrat aus dem Welt-
Schrifttum, aus der Kulturgeschichte und aus der Sprachwissenschaft, und
ebenso muß er voll glühender Leidenschaft unverdrossen — mit der Wünschel-
rute der fruchtbarsten Synthese in der Hand — die steilsten Bergriesen der
Dichtkunst erklimmen, damit er in packenden und hinreißenden Worten
rückhaltloser Bewunderung den unvergänglichen Ruhm ihrer herrlichen Myste-
rien und ihrer heiligen Symbole verkünde. Wenn wir nun diese Theorie auf
den Geschichtsschreiber des gesamten sla vischen Schrifttums anwenden, so
wird sie wohl wegen der großen Reichhaltigkeit des Stoffes einiger Zusätze
bedürfen: Heutigen Tages kann man unmöglich noch verlangen, daß ein
solcher Literarhistoriker alle — auch die weniger wesentlichen — in sein G^e-
biet einschlagenden Erächeinungen aus erster Hand kennen soll ; darf er je«
doch in Bezug auf die nicht maßgebenden Schöpfungen sich der Arbeiten seiner
Vorgänger bemächtigen und sich mit gewissenhafter Verwertung dieser Mono-
graphien begnügen, so muß er dafür seine Kenntnis der hervorragendsten
Denkmäler unbedingt vor allem aus den Quellen selbst schöpfen, wenn er ein
Werk von wirklich bleibendem Werte hervorbringen will; voll und ganz zu
Worte zu gelangen hat die Individualität des Literarhistorikers bei der Auf-
&ssung des Materials und beim Entwürfe des GesamtbUdes, das die schönsten
Femsich ten eröffnen soll.
ao) Der Verfasser schreibt z. B. in Band I »Ragusäer« für »Ragusanert
sowie »ragusäisch« für »ragusanisch««
Areliiy Ar slavisclie PhUologie. XXDL 38
594 Eritisoher Anzeiger.
Stelle des edeln Geschmackes häufig schale Redensarten, die mit geistreieh-
taendem Schwulst den gähnenden Mangel an eigentlichem Verständnis und
Tief blick verdecken wollen; diese Leere wird auch mit billigem Flitterkram
von allerhand Nichtigkeiten aufgeputzt, den man mit ruhigem Gewissen als
Ballast über Bord hätte werfen künnen um so mehr, als ohnehin gar manche
Lücke sich bemerkbar macht Auch sonst wird nicht immer der hächate Ge-
Sichtspunkt gewählt, so besonders hinsichtlich der Ästhetik, die hier mitunter
den Predigermantel überwirft und mit rostigen Waffen der Inhaltsangaben (und
Übersetzungsproben} herumfuchtelt^^}. Derselben allgemeinen Quelle der oben
erwähnten Flüchtigkeit verdanken demnach ihren Ursprung die zumeist bereits
aufgezählten zahlreichen Willkürlichkeiten und Ungleichmäßigkeiten der Kom-
position samt den kleinem logischen Sprüngen der regen Phantasie, wobei eine
falsche Auffassung der Originalität erheblich mitgewirkt haben mag, denn
fremde Mithilfe wurde von Earäsek trotz der — die Kraft eines einzigen
Menschen übersteigenden — Anforderungen nach Möglichkeit verschmäht und
zurückgewiesen. (Und so kam es, daß unser Buch nur zu seinem Nachteil bei
Anordnung der ganzen Stoffpartien und bei Abschätzung der einzelnen Erschei-
nungen innerhalb derselben sich viel zu wenig an seine Vorgänger anschließt
und auch sonst in manchem Detail durch Nichtbenutzung der einschlägigen
Spezialschriften ganz überfiüsslgerweise noch immer altfränkischen Ansichten
der Menge huldigt.)
Nun hat bekanntlich neben der eben besprochenen Schattenseite der
Subjektivität auch ihre Lichtseite nicht geschwiegen, sondern tatkräftig
aufzutreten gewußt, indem sie den Verfasser bei Behandlung des umfang-
reichen Gresamtmaterials von der breiten Heerstraße des bisherigen (be-
quemem) Verfahrens abgelockt und auf den abschüssigen Gebirgssteig einer
neuen Methode geführt. Wohl muß man diese Darstellungsart als eine aus
iremdem Garten verpflanzte Blume bezeichnen , die von den Historikern der
Weltliteratur — meines Wissens von M. Carriere (1868), G.Brandes (1872) und
A. Stem (1882) — schon vor vielen Jahren gepflegt worden ist, aber auf jeden
Fall wandte Karasek dieses Verfahren zum erstenmal auf das gesamte Schrift-
tum der Slaven an (allerdings findet sich schon bei Pypin etwas Ähnliches
z. B. im letzten Kapitel über die Renaissance), welche Tat schon wegen ihrer
Kühnheit als unzweifelhafter Fortschritt anerkannt werden muß. Nichtsdesto-
weniger steckt diese Methode bei Karasek noch tief in den Windeln, wie daa
oben meine — der Klärung des vielfach noch gährenden Stoffes gewidmeten —
Fingerzeige hoffentlich zur Genüge dargetan haben. Oft kann sich der Ver-
fasser von den Fesseln des Herkommens noch nicht gänzlich lossagen, and
noch gar zu gern klebt er an Äußerlichkeiten, oft folgt der Verfasser dem
neuen Gedanken wieder sogar auf Irrwege, wo mitunter jeder feste Boden
unter seinen Füßen plötzlich schwindet. Der ganzen Arbeit fehlt es an einem
eisernen System (bei Einteilung des Stoffes dienen bald die Zeitperioden und
bald wieder die Gattungen der Dichtkunst [z. B. Drama in Band I und Poesie
-^) Letzteres auf südslavischem und polnischem Gebiete, wo Karasek als
Cache begreiflicherweise weniger zu Hause war.
RarAsek, Slavische Literatargeschichte, angez. von Sntnar. 595
und Prosa in Band II] als AaBgangspnnkt), was um so mehr zu bedauern ist, als
meistens ohnehin kein kräftiger Gresamtcharakter die einzelnen Literatarteile
zasammenhält, wiewohl anderseits schon eine bloße Feststellang des Nichtvor-
handenseins anhaltender and innigerer Wechselbeziehangen zwischen den
einzelnen Gliedern (mithin ein ganz and gar negatives Ergebnis) an and für
sich aach keine verachtenswerte Leistang wäre : Dieses viele Schwanken —
infolge der völligen Rtickgratlosigkeit des Baches, d. h. des Mangels an einem
einheitlichen Standpunkt — hat nun manchen Zag des darzustellenden Gegen-
standes eher verdunkelt als aufgehellt (vgl. die Behandlung des Dramas!), und
aus demselben Grund tritt überhaupt kein deutliches Gesamtbild an die Stelle
der klaren Einzelbilder Pypins, die ttberdies hier in dem Wust von Ver-
gleichen zumeist untergegangen sind; soll jedoch dieses neue Verfahren eine
feste Grundlage gewinnen, so kann das bekanntlich nur in der angedeuteten
Weise — unter strenger Umgehung jedes mechanischen Behelfes — durch
den engsten Anschluß an die Hauptströmungen des Weltschrifttums ge?
schehen , welche natürlich auch in diesem Falle den allerhöchsten Gesichts-
punkt vorstellen.
Endlich gelange ich nach einem — der allgemeinen Charakteristik des
Ear&sekschen Buches gewidmeten — ziemlich ausgiebigen Abstecher zum
eigentlichen Ziele meines Aufsatzes, zur 6echischen Literatur (29 + 58 b 87
Seiten — abgesehen von den gemeinsamen Kapiteln — gegen 168 -f- 186 = 354
Seiten im ganzen), an welcher das bezüglich der Einzelheiten oben Gresagte
reichlich belegt werden soll. Bei dieser Gelegenheit muß gleich bemerkt werden,
daß onsre Schrift des öftem auch in den nicht^echischen Abschnitten einen für
ein deutsches Handbuch etwas einseitigen 6echischen Standpunkt einnimmt
(So heißt es z. B. in Band I auf Seite 84 bei Besprechung polnischer Schrift-
denkmäler : >. . . Martin Bielski [hat] . . . das Gredicht »Maitraum« verfaßt . . .
Dieser »Maitraum« darf aber mit dem gleichbenannten böhmischen Gedichte
nicht verwechselt werden, das hundert Jahre früher wahrscheinlich von dem
Sohne des Königs Georg, dem Herzog von Münster [d. h. Münsterberg!], nach
einem deutschen Muster verfaßt worden ist«, und Ahnliches lesen wir in Band H
auf Seite 65 gelegentlich der kroatischen Literatur: »Stanko Vraz ist nicht
mit dem gleichlautenden Pseudonym eines 6echischen Beiseschriftstellers, der
die ganze Welt gesehen hat, zu verwechseln ; ans einer adligen Familie stammend
ist dieser ein würdiger Partner Holubs« [nebenbei muß gesagt werden, daß
der auch Deutschen als Afrikareisender wohlbekannte Holub bloß hier gestreift
wird]; hierher gehören gleichfalls die nur ausnahmsweise vorkommenden Bo-
hemismen, z. B. Band I Seite 118: »ein auf [statt: für] seine Zeit epochales
Werk«.) Bei diesem etwas einseitigen 6echischen Gesichtspunkt ist es um so
merkwürdiger, daß gerade rücksichtlich der Bezeichnung für die Öechen hier
meistens die größte Verwirrung herrscht (In beiden Bänden werden sehr oft
die geographischen Wörter »Böhme« und »böhmisch« fälschlich in ethno-
graphischem Sinne für »Öeche« und »^echisch« und umgekehrt die ethnogra-
phischen Ausdrücke »Öeche« und »&echisch< in geographischer Bedeutung
statt »Böhme« und »böhmisch« gebraucht: So heißt es in Band II auf Seite 137 :
». . . Klostermann ist nicht nur Kenner der böhmischen [= 6echischen], sondern
38*
596 Elritischer Anzeiger.
aach der deatschen Bevölkemng im Böhmerwaldgebiete . . .c; dagegen wird in
Band lauf Seite 63 ein »Tagebuch der 6echischen [= bOhmiBchen] GeBandtaehaft
[1464] zom franzöfliBchen KOnig« erwähnt, auf Seite 121 wird von der >6eclii-
Bchen [= böhmischen] »Kgl. Gelehrten Gesellschaft«« gesprochen [obwohl
Earäsek später in Band 11 auf Seite 33 selber sagt : »Die »Königliche Gelehrte
Gesellschaft« . . . war zn dieser Zeit die berühmteste Gesellschaft Mitteleuropas;
Öechen und Deutsche, durch das Streben, Aufklärung zu verbreiten, verbunden,
reichten sich hier friedlich die Hände •..«], ferner liest man auf Seite 124:
».. .Bei den Öechen [d.h. in Böhmen!] sind die [Volkslieder-] Sammlungen von
Erben, in Mähren jene von Barto6 und von SuSil [richtig: von Su&il und von
Bartofi; denn Barto& kam erst nach Sudil], in der Slovakei jene Kollirs be-
kannt . . .«, und schließlich ist auf Seite 168 vom »6echischen [« böhmischen]«
Museum und Adel die Bede.) Die fehlerhaften Einzelheiten treten überhaupt
auch in den ^echischen Bestandteilen so zahlreich auf, daß an eine Erschöpfung
dieser fast unversiegbaren Quelle gar nicht gedacht werden kann, obwohl doch
dieses Schrifttum dem Verfasser eigentlich am allernächsten gestanden ist;
diese Nichterschöpfung liegt übrigens bereits in der Natur der Sache, denn
eine Bezension hat sich ja mehr oder weniger immer mit Stichproben zu be-
gnügen, und da kommen meistens noch wegen Überfülle von Stoff bloß die
zweifellosen und allerauffalligsten Mängel der besprochenen Schrift in Betracht
Gleich im »Literaturverzeichnis« findet sich ein beredtes Beispiel fllr die
Minderwertigkeit der übersetzten Titelangaben in dem Zitat »Die Geschichte
der 6echiächen Literatur im »Gedenkblatt« der öechischen Akademie (6echisch}«.
(Wer soll denn ohne weitres wissen, daß das »GMenkblatt« in der Original-
sprache gerade »Pamä.tnik« heißt?) Als unwahr ist der Titel »Die cech. Lite-
ratur des XIX. Jahrhunderts bis zu den 50 er Jahren (6echisch)« zu bezeichnen,
da er bloß »Literatura 6e8k& devatenict^ho stoleti« lauten soll. (Die Publi-
kation wird bekanntlich auch die Moderne behandeln; erschienen ist von
diesem Werke nicht nur der angeführte Teil I und n [Laichteruv vybor nej-
lep^ich spisä pouön^ch, kniha XIX, li)02, kniha XXI, 1903], sondern auch
schon Teü m/1 [kniha XXVI, 1905].) Unzweifelhafte Lücken stellen endlich
die dort gänzlich fehlenden 6echischen Literaturgeschichten von J. Dobrovsky,
J. Jungmann, A. V. ^embera, E. Sabina, E. Tieftrunk, J. Jire6ek und F. Ba^-
kovsky dar; auch von J. V16ek hätte jedenfalls das Werk »Dejinj literatdry
slovenskej« (V Türe. Sv. Martine 1890) aus reifem Jahren verdient, neben der
Jugendarbeit »Die Literatur in der Slovakei (iechisch)« genannt zu werden;
außerdem wurden in dem zuletzt kommenden Verzeichnis der Autoren von
Monographien Männer wie L. Cech, J. Hanns, J. Jakubec, T. G. Masaryk, V.
Tille mit Stillschweigen übergangen. (Übrigens kommen in den Begistem die
zwei Gechen Cem^ und Stitny in doppelter Gestalt vor: als Bokyta und als
Thomas von Stitn^ [unter Thomas !] in Begister I, dagegen als Öemy [Bokyta]
und als Stitny in Begister II.)
Im folgenden Abschnitt »Über die Aussprache« wird mit Unrecht 6eoh.^
deutsch durch ie (s i) wiedergegeben, denn es heißt dort »Öechisch: i = ie
(soll heißen: je)«.
Nun gehen wir zum eigentlichen Text über, und gleich in der »Ältesten
Earäsek, Slavische Literaturgeschichte, angez. von Sutnar. 597
iechlBchen Literatur« liest man auf Seite 38: ». . . König Yladislay IL sachte
im Jahre 1080 ... am die päpstliche Genehmigang flir die slavische Liturgie in
Böhmen an, die er jedoch nicht erlangte.« (Es ist hier Yratislav 11. [1061 —
1092] gemeint, da Yladislay n. den böhmischen Thron mehr als ein halbes
Jahrhnndert später [1140—1173] bestieg.) Femer erfahren wir dort aaf
Seite 39: »Ins Böhmische warden damals übersetzt: der . . . »Streit der Seele
mit dem Körper«, »Der Streit zwischen Wein and Wasser«, »Alan«, in wel-
chem der Passus vorkommt, daß Jadas ein Deutscher yon Gebart war . . .«
(Was hat solch ein »ethnographischer« Aufschluß aus der Finsternis des
Mittelalters über Judas in unsrer so kurzgefaßten Literaturgeschichte zu
suchen? Die Stelle kommt ttbrigens in einem andern Denkmal vor, das
»Anselm« [nicht: »Alan«] genannt wird!) Auf Seite 41 begegnen wir ebenda-
selbst folgender Stelle: »In Böhmen wurde auch die Tierfabel behandelt Smil
FlaSka aus Pardubitz schrieb sogar ein Kunstgedicht »Der neue Bat« . . .«
(Flaska z Pardubic kann als Adliger deutsch nur Flaska von [nicht: aus] Par-
dubic heißen [vgl. z. B. die Wenzigsche Übersetzung dieses »Neuen Rates«!].)
Schließlich findet sich in demselben Paragraphen auf Seite 42 noch dieses:
»Durch ihren deutschen Ursprung besonders interessant sind die Helden
»Bruncvik und Stilfrid«, die zu der Ehre gelangten, böhmische Nationalhelden
zu werden . . . Die Bearbeitungen der Sagen wurden als weitverbreitete Volks-
bücher unzähligemal in Böhmen gedruckt . . .« (Bichtig ist nur die Reihen-
folge »Stilfrid und Bruncvik«, denn Bruncvik war der Sohn Stilfrids.) Im
Kapitel über Hus wird auf Seite 52 erzählt: »Hand in Hand mit der Ausge-
staltung und Reinigung der Sprache ging bei Hus auch die Verbesserung der
Rechtschreibung. Dort, wo man bisher bei der ungenügenden lateinischen
Schreibweise zwei bis drei Buchstaben für Mitlaute schrieb, führte er Punkte
ein. Allerdings drang diese Rechtschreibung nicht überall durch, well die
»böhmischen Brüder« ihre eigene Schreibweise hatten , aber in Einzelheiten
wurde sie z. B. auch von dem Polen Parkosz (im 16. Jahrhundert) für das z
angenommen. — Am Beginne des 19. Jahrh. wurde der Rechtschreibungs-
grundsatz des Hus maßgebend für die neue 6echische Orthographie; nur er-
scheint an Stelle des Punktes das Häkchen, welches auch die lateinisch
schreibenden Südslaven angenommen haben und dessen sich jetzt auch die
Ober-Lausitzwenden bedienen. Außerdem fand diese 6echische Schreibweise
Eingang in die vergleichende Sprachwissenschaft und dient zur Transkription
aus dem Sanskrit, für afrikanische Sprachen und in neuester Zeit auch für die
Aufstellung eines geeigneten albanischen Alphabetes.« (Diese Sätze bedürfen
dringend eines berichtigenden Nachtrages: Die Schreibweise der Brüder ist
im großen und ganzen die Orthographie des Hus, nur zum Teil verschlechtert
und zum Teil unwesentlich verändert; der Buchstabe 2 [neben 6, r und §] wurde
meines Wissens erst von S. Zaborowski [1518]^) übernommen, nicht von Par-
kosz, der bereits im fün&ehnten Jahrhundert [also nicht: im sechzehnten] ge-
^ Auch die Zaborowskischen Schriftzeichen d* und V sind ^echisches
Produkt, aber jungem Datums, wie wir aus der folgenden Anmerkung ersehen
werden.
598 Kritischer Anzeiger.
lebt hat; das Häkchen "" [samt dem Bögelchen' und Strich '] statt des Hasischent
Ponktes^} ist ja schon von den Brüdern in Umlanf gesetzt worden; die Serben
der Oberlansitz nahmen die 6echischen Schriftzeichen — gleich den mit latei-
nischen Lettern schreibenden Südslaven — bereits un die vierziger Jahre an
[bedienen sich ihrer demnach nicht erst jetzt, was nur von den niederiansitid'
sehen Serben gelten könnte]; übrigens dienen die 6echischen diakritischen
Zeichen auch znr Transkription der asiatischen und der amerikanischen [mithin
nicht bloß: der afrikanischen] Sprachen, z.B. znr Umschreibung der iranischen
Sprachen [also nicht nur: aus dem Sanskrit] usw., vor allem jedoch bekanntlich
zur Transkription des Kirchenslavischen und der mit cyrillischen Buchstaben
schreibenden sttdostslavischen Sprachen überhaupt.) Im folgendenParagraphen
»Hussitismus und das 15. Jahrhundert in Böhmen« wurde C. Tovacovsky
^) Das Häkchen ^ z. B. in c ist ein — im Laufe der Zeit offenbar aus
ästhetischen oder auch praktischen Gründen ein wenig umgestaltetes — i, das
seit dem fün^Kehnten Jahrhundert über den Konsonanten als Zeichen der Mou-
illierung übergeschrieben wird (zweifellos im Anschluß an die — nach dem
Muster der lateinischen Paläographie gebUdeten — deutschen ümlautzeichen
usw.); und zwar haben wir da von der — damals auch bei den Öechen üb-
lichen — gotischen Schrift auszugehen, der das Häkchen seine spitze Form
verdankt. Dasselbe gilt von dem übergeschriebenen Bögelein ' z. B. in d*,
welches aus einem gotischen j (etwa seit dem fünfzehnten Jahrhundert j = i)
hervorging; dieser Buchstabe j trat in Böhmen gleichzeitig auch in Gestalt
eines übergeschriebenen Striches ' z. B. in £ » i auf, der später bei den Polen
in gleicher Eigenschaft Aufnahme fand und bekanntlich bis heute verwendet
wird. (Im spanischen 8 dürften wir es jedoch mit keinem übergeschriebenen
[liegenden] i zu tun haben.) Allerdings muß man sich dabei Überall vor
Augen halten, daß der i-Punkt (sowie natürlich der j-Punkt) gleichfalls erst
ungefähr seit dem fünfzehnten Jahrhundert häufiger auftaucht; höchstwahr-
scheinlich deshalb faßte Hns — gleich im Eingang des fünfzehnten Jahr-
hunderts — diesen Punkt als Symbol des i (und y s= i) auf und bediente sich
dieses übergeschriebenen Zeichens statt des nachgeschriebenen i oder y z. 6. in
n B (einst) ni, ny = (jetzt) h, das ursprünglich in der alt6echischen (sodann
auch in der altpolnischen) Graphik als Erweichungszeichen gedient hatte.
Diese primitive Schreibweise der Oechen ist dann zu den Magyaren fiberge-
gangen, deren Graphik vor alters ebenfalls oft und viel ans der 6echi8chen
schöpfte. (Auf dieser ehemaligen urzuständlichen Stufe steht sie bekanntlich
im wesentlichen auch noch in der Gegenwart) Durch eine Ironie des Schick-
sals geriet nun der Kern dieses Glanzpunktes in der 6echischen Kulturge-
schichte in Vergessenheit und blieb seit mehr als drei Jahrhunderten für die
»Nation der Philologen« — selbst für die Forscher ersten Ranges darin — in
ein undurchdringliches Geheimnis gehüllt, was um so mehr zu bedauern war
als die iechischen diakritischen Zeichen die engen Grenzen ihrer ursprüng-
lichen Heimat schon längst überschritten und somit als internationales Gut
an Bedeutung ungemein gewonnen haben. (In dieses Bätsei der ^echischen
Graphik war vielleicht noch J. Blahoslav 1571 als letzter eingeweiht) Dies
alles unter anderm will ich mit Hilfe von Faksimiles ausführlich und über-
zeugend in einem eigenen Aufsatz darstellen, den eines der nächsten Hefte
dieser Zeitschrift bringen soll.
Karäsek, Slayische Literatnrgefichichte, angez. von Sutnar. 599
e Gimbnrka mit Unrecht übergangon. Im nächsten Kapitel Über ChMiekf lesen
vir auf Seite 56 folgendes: »Durch die Postille reiht er [Chel6ick^] sich Hos,
Bokyoana, Jakübek, also den ersten Theologen würdig an . . .< (Es darf nicht
▼erschwiegen werden, daß der Name der letzten zwei »ersten Theologen« bloß
hier auftritt) Femer stoßen wir ebendaselbst auf Seite 58 noch auf diese Be-
merkung: »Die sozialen Anschauungen Chel6ick^8 erregten in hohem Maße
das Interesse des Grafen Tolstoj, der »Das Netz des Glaubens« (1892—93)
schon aus den Aushängebogen las und von Chelcick^ als einem der ersten
Philosophen der Welt spricht« (Mit dankbarem Verständnis nimmt man ge-
wiß die Mitteilung entgegen, daß ein Tolstoj die Lehre Chel6ick^s so sehr zu
schätzen weiß. Aber muß uns im engen Rahmen dieser Arbeit unbedingt auch
berichtet werden, daß dem russischen Dichter von dem ^echischen Buche be-
reits die Aushängebogen zur Verfügung standen?) In dem — der »böhmischen
(mährischen) Brüdergemeinde« gewidmeten — folgenden Paragraphen sucht
man umsonst nach einer Würdigung des von der Brüderschaft eigentlich un-
trennbaren Humanismus, des lateinischen mit B. Hasiätejnsky z Lobkovic im
Vordergrund und des &echischen mit V. K. ze Vi&ehrd an der Spitze. Das nächste
Kapitel trägt — außer dem Nebentitel »Das goldene Zeitalter« — den Haupt*
titel »Das 16. Jahrhundert in der 6echischen Literatur«, der mit der Über-
schrift des Schlusses auf S. 67 »Verfall der 6echischen Literatur im 17. Jahr-
hundert« in Widerspruch steht (VüUig vergessen wurde hier Übrigens
S. Lomnick^ z Bud6e.) Weiter erfahren wir da auf Seite 63 : »Schon aus Mheren
Zeiten ist die Obersetzung der Reisebeschreibung von Marco Pauli (»Million«
über China und Ostasien) . . . bemerkenswert« (Offenbar ist hier der berühmte
Venezianer Marco Polo [im Index heißt er wiederum Marco Paolo] gemeint.)
Überdies begegnen wir ebendaselbst folgenden Mitteilungen auf Seite 63: »Im
1 7. Jahrhundert (in den dreißiger Jahren) machte sich Daniel Streyc (Vet-
terus), Lehrer der böhmischen [64] Sprache beim Sohne Friedrichs von der
Pfalz, nach Island auf, das er beschrieb. Die »Islandia« ist auch im deutschen
und polnischen Texte bekannt« und etwas später auf Seite 64 : »Über die
Türken und Eonstantinopel las man in Böhmen besonders gem. Diese Be-
schreibungen strotzten von Gefahren und Abenteuerlichkeiten. Um das Jahr
1500 ließ der Serbe Michael Eonstantinovid eine solche »Chronik« polnisch
niederschreiben (die Sprache ist mit serbischen Wörtern und Bohemismen ver-
mengt); aus dem Polnischen wurde sie ins Böhmische Übersetzt und als
»türkische Chronik« 1565 und 1581 herausgegeben. 1865 erst fand ihre Über-
tragung ins Serbische statt . . .« (Diese zwei Stellen wurden mit Absicht voll-
ständig wiedergegeben, um recht deutlich zu zeigen, wie das Buch Kariseks
mitunter von Nichtigkeiten — natürlich zu großem Nachteile der wichtigem
Erscheinungen — förmlich wimmelt Denn mit ähnlichen wunderlichen Ellein-
lichkeiten ist einem modemen Deutschen sicher blutwenig gedient Nebenbei
ist es doch selbstverständlich, daß ein um das Jahr 1500 entstandenes polni-
sches Denkmal serbischer Herkunft Serbismen und — bei der damaligen
&echischen Vorherrschaft in der polnischen Literatur — auch Bohemismen
aufweisen mußte.) Femer steht hier auf Seite 66 geschrieben: »Veleslavins
Sprache und Schreibweise galt lange als Muster; freilich wurde die Bedeutung
000 Kritischer Anzeiger.
dieses »goldenen« Zeitalters für die literatnr überschätzt Doch mnß zugegeben
werden, daß Veleslavin einen wichtigen Markstein in der eechischen Literatur
bildet; nicht umsonst ist sein Tod von 33 Dichtem beklagt worden.« (Zur
Steuer der Wahrheit ist hervorzuheben, daß diese 35 [nicht: 33] Dichter dem
Lager der lateinischen Humanisten angehörten.) Schließlich heißt es in dem-
selben Paragraphen auf Seite 67: »Auch große historische Werke entstanden,
wie das vom Grafen Martinic — vom Prager Fenstersturz bekannt — im katho-
lischen Sinne nnd das Werk des Paul Skala im protestantischen Geiste. IHe
»Respublica Bojema« von StrÄnsk^ verbreitete das Interesse für die Böhmen
auch in weiteren Kreisen nnd in der Fremde.« (Es ist richtig, daß Martinic
beim Prager Fenstersturz in Mitleidenschaft gezogen wurde; das g^lt jedoch
auch vom Grafen Y. Slavata z Chlumu a EoSumberka, der allein [also nicht:
Martinic] das erwähnte Werk verfaßte. Zudem war ausdrücklich zu bemerken,
daß das StrÄnsk^sche Buch ebenfalls im nichtkatholischen Sinne gehalten ist)
Im nächstfolgenden Artikel über Eomensk^ lesen wir auf Seite 68: »Sein
[Komensk^s] Ideal war, die Summe alles menschlichen Wissens zusammen-
zustellen, welches er in seinen pansophistischen Schrifiken niederlegte, die
gewissermaßen den Gipfelpunkt der Weltweisheit bildeten nnd seinen tole-
ranten Grundsätzen den Boden vorbereiteten . . .< (Der Verfasser meint wohl
die pansophischen [nicht: pansophistischen] Schriften Eomensk^s.) Auf Seite 69 ,
erfahren wir ebenda noch folgendes: »Unter den 6ecbischen Werken [Ko-
mensk^s] ragt besonders »Das Labyrinth der Welt« und »Das Paradies des
Herzens« hervor, in dem sich der Einfluß des protestantischen Predigers Johann
Valentin Andreae und der Schrift »Die Tiefe der Sicherheit« bemerkbar macht.«
(Was soll das heißen? »Das Labyrinth der Welt« und »Das Paradies des
Herzens« ist bekanntlich ein einziges Werk Komensk^s, und zwar aus dem
Jahre 1623, nnd »Die Tiefe der Sicherheit« ist ebenfalls Komensk^s eigenes
Buch, und zwar vom J ahre 1 625 . Liegt hier etwa der Einfluß eines jungem Werkes
auf ein älteres vor? Das ist wohl der Höhepunkt der Verwirrung! Wahrschein-
lich wollte der Verfasser folgendes sagen: »Unter den 6echischen Werken ragt
besonders »Das Labyrinth der Welt und das Paradies des Herzens«, in dem sich
der Einfluß des protestantischen Predigers Johann Valentin Andreae bemerkbar
macht, und die Schrift »Die Tiefe der Sicherheit« hervor.« Auf Seite 70 heißt
es überdies noch irrtümlich »Silva pansophia« statt »Silva pansophiae«.) (In
den »Anfängen der polnischen Literatur« findet sich auf Seite 73 auch die
Stelle vor: »Das älteste und bekannteste Denkmal ist das Lied »Die Gottes-
gebärerin«, welches eine fromme Überlieferung dem hl. Adalbert, einem
Böhmen, zuspricht . . .« [Bekanntiich wurde dem später heilig gesprochenen
böhmischen FUrstensohne Vojt^ch bei seiner Firmung durch den Magdeburger
Bischof Adalbert der Name dieses Bischofs als zweiter Name beigelegt, und so
kam es, daß sich die beiden Namen sozusagen decken. Trotzdem war es an-
gezeigt, den Eechischen Namen mindestens in der E^lammer beizufügen, damit
von vornherein jedem Mißverständnis vorgebeugt werde.]) In dem allgemeinen
Kapitel über die »6echischen, polnischen und kroatischen Schauspiele im
Mittelalter« begegnen wir auf Seite 99 dieser Stelle: >. . . Schon aus dem
14. Jahrhundert stammt ein Fragment ans dem »Quacksalber«, eine Szene ans
Kar&sek, Slavische Literaturgeschichte, angez. von Satnar. 601
einem Weihnachtsspiele; auch unter denDentschen in böhmischen Ländern
war diese Figur beliebt.« (Wir haben es da natürlich mit einem Osterspide
[keinem Weihnachtsspiele] zn tun, das nach einer lateinischen Vorlage ge-
sehrieben sein soll; bei dem internationalen Charakter dieses Osterspieles war
es wohl ganz überflüssig nachzutragen, daß auch die unter den 6echen lebenden
Deutschen dieses liebgewonnen haben.)
Im zweiten Band berichtet die »Wiedergeburt des 6eehischen Schrift*
tnms« auf Seite 33 folgendes: ». . . Sobald die Öechen fühlten, daß der Druck
von oben etwas nachgelassen hatte, schlug ihre Begeisterung für den Kaiser
und für die 6echische Sprache in heller Lohe empor — wie der Dampf
emporströmt, wenn das Ventil geöfhet wird.« (Dieser Satz mag als warnen-
des Beispiel der Ear&sekschen Vergleiche dienen, die nicht immer der All-
täglichkeit meilenweit aus dem Wege gehen und nicht überall dem edelsten
Geschmack huldigen.) Weiter lesen wir dort auf Seite 34 : >. . . Dobrovsk^
schrieb das klassische Werkchen »Böhmische Literaturgeschichte«, ver-
faßte ein Wörterbuch . . .« (Die zu Beginn erwähnte Schrift trug in
erster Auflage [1792] den Titel 'Geschichte der böhmischen Sprache und
Litteratur« [nicht: »Böhmische Literaturgeschichte«], in zweiter [erweiterter
und völlig umgearbeiteter] Ausgabe [1818] erhielt sie die Benennung »Ge-
schichte der böhmischen Sprache und altem Literatur« ; das hierauf angeführte
Wörterbuch ist deutsch-^echisch.) Auf Seite 36 machen wir uns ebenda mit
folgenden Ausführungen bekannt: ». . . es kamen talentierte Männer wie der
Pfarrer Puchmayer, dessen Gedichtchen und Fabeln sich fast 100 Jahre im
Andenken erhielten. Neben diesem traten auch Verseschmiede auf den Plan,
die sich gegenseitig als Horaz, Ovid, Pindar, Vergil bezeichneten, sich gegen-
seitig lasen und lobten und an allem Öechischen Freude hatten. Einzelne Ge-
dichte wurden mit wahrer Begeisterung in ganz Böhmen gelesen, abgeschrieben,
vorgetragen und entzündeten überall Funken vaterländischen Gefühls. Viele
dieser sonst unbedeutenden Dichter kannten auch die polnische Literatur;
gewöhnlich waren es Priester, die sich für die slavische Idee entflammten. Von
dauerndem Kunstwerke kann bei den Dichtungen und Prosaschriften dieser
Zeit wohl nicht die Bede sein, allein für die Entwicklung der Literatur waren
sie von großer Bedeutung.« (Über den Puchmajerschen [richtig für: Puch-
mayerschen] Dichterkreis werden hier so viel Worte verschwendet, aber der
pseudoklassischen Richtung ihrer Dichtungen wird mit keiner Silbe gedacht)
Gleich darauf wird uns mitgeteilt: »Eine erwähnenswerte Erscheinung bildet
in den 20 er Jahren General Zdiraz Pol4k, der in seiner Jugend ein großes Ge-
dicht über die »Erhabenheit der Natur« schrieb, in dem er nach dem Muster
englischer und der deutschen Dichter Haller und Chr. E. v. Kleist zum ersten
Male die Natur schilderte und verherrlichte; er ist Utilitarist; sein poetisches
Talent zeigt sich mehr in der Beschreibung Italiens . . .« (Der volle Name des
Dichters lautet [Mat^j] Milota Zdirad Poläk. Vor diesen Schriftsteller war auch
sein Meister zu setzen, der erst auf Seite 41 angeführte Jungmann, welcher
gleich seinem Anhänger bereits hart an der Grenze von Aufklärung und Bo-
mantik steht. Mit Unrecht wurde da überdies J. Nejedly gänzlich übergangen.)
Femer erfährt man in demselben Paragraphen auf Seite 37 : »Auch des ge-
602 Kritischer Anzeiger.
Bprochenen ccchischen Wortes, das von der Btlhne erklang, dürfen wir hier
nicht vergessen. Wenn die ^echischen Schauspiele zwar keine ktinsüerische
Bedeutung haben, erfüllten sie in jener Zeit immerhin ihren Zweck. Von den
deutschen Bühnenstücken erregten Eotzebue, Iffland großes Gefallen, doch
wurden auch Klassiker übersetzt. Für die Präger war schon dies von hoher
Bedeutung, daß überhaupt böhmisch gespielt wurde. Schauspieler und Zu-
schauer bildeten den Kern der cechischen Gresellschaft, die auch sonst für die
Literatur Sinn hatte. Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts behielt das Schauspiel
für die lSnd[38]liche Gesellschaft seine ungeheuere nationale Bedeutung bei.«
(Hier — am Schlüsse des Schrifttums aus der Auf klürungszeit — haben wir vor
uns die letzte Stelle, wo die Geschichte des 6echischen Dramas — im zweiten
Bande des Buches übrigens gegen den ursprünglichen Plan des Verfassers —
zusammenhängend dargestellt wird.) Auf Seite 40 begegnen wir ebenda
folgenden Worten: ». . . In anderen Literaturen wird die wissenschaftliche
von der schönen Literatur getrennt, allein in der 6echischen . . . Literatur
haben die Gelehrten als Träger neuer maßgebender Ideen, die das Schrifttum
befruchteten, als Redakteure [41] und Männer, die für die Wiedergeburt des
Volkes eine so hervorragende Bedeutung hatten, auch ihren wohlverdienten
Platz . . . < (Dieser Satz zeugt sicherlich von keinem weiten Gesichtskreis. Haben
etwa z. B. die deutschen Gelehrten Herder, Brüder Schlegel, Brüder Grimm usw.
die Literatur ihrer Nation nicht befruchtet? Ist aus diesem Grunde nicht auch
ihnen mit Fug und Recht ein Ehrenplatz in diesem Schrifttum gewiß? Außer-
dem vermißt man die Namen V. A. Svoboda und J. Linda bei der unmittelbar
vorhergehenden Beschreibung der > Entdeckungen« der Königinhofer und der
Grünberger Handschrift, die den Zeitabschnitt der Romantik eröffnen.) Später
auf Seite 42 lesen wir folgendes: >. . . Was sein Wirken und seinen Einfluß
anbelangt, steht der mährische Protestant Franz Palack^ unerreicht da. Auf
Wunsch des böhmischen Adels, mit dem er in guten Beziehungen stand, schrieb
er die Geschichte Böhmens, welche er bis zum Jahre 1526, dem Regierungs-
antritte der Habsburger, zusammenstellte. Die Urschrift ist deutsch verfaßt,
wurde aber von ihm selbst auch ins Böhmische übersetzt Hier enthüllte er
den Böhmen ihre Vergangenheit . . .« (Das Lebenswerk Palack^s trägt be-
kanntlich den Namen >D6jiny närodu 6esk6ho v Uechäch a v MoravS«, woraus
folgt, daß es auch den Mährem ebenso wie den Böhmen — nämlich dem Cechi-
schen Volksstamm in Böhmen und Mähren — den Spiegel der Vergangenheit
vorhält.) Femer heißt es: >. . . Er [Palack^] redigierte die »Zeitschrift des
Museums« . . .« (Da war es wohl am Platze hervorzuheben, daß diese Zeitschrift
anfangs in beiden Landessprachen herausgegeben wurde, und zwar in deutscher
Sprache als »Monatsschrift der Gesellschaft des vaterländischen Museums in
Böhmen« [nach dreijährigem Erscheinen wurde sie wegen Abonnentenmangels
in die Vierteljahrsschrift »Jahrbücher für Natur- und Länderkunde, Geschichte,
Kunst und Litteratur« umgewandelt, und nach weitem zwei Jahren ging sie
ganz ein] und in 6echischer Sprache als Quartalschrift »Öasopis spoleÖnosti
vlastensk^ho museum v Oechäch« [vom fünften Jahrgang an erhielt sie den
Titel »Oasopis öesk^ho museum«, und unter teilweise geändertem Namen er-
scheint sie bis heute].) Auf Seite 43 wird ebenda noch berichtet : >. . . Da er [Pa-
Karasek, Slavische Literaturgeschichte, angez. von Satnar. ^03
lack^] sich an den besten böhmischen Schriften gebildet hatte, verfügte er über
einen klaren, klassischen Stil . . .« (Als geborener MShrer hat sich Palack^
natOrlieh mit maßgebenden mährischen Schriftdenkmttlem womöglich noch
eingebender beschäftigt.) Außerdem haben wir es in demselben Kapitel mit
folgendem Satz auf Seite 45 zu tun : »Zu den Männern, die ihre slavische Be-
geisterung durch größtes Elend zu büßen hatten und dennoch unentwegt ihr
Ziel verfolgten, gehörte der erste wahrhaftige Dichter der Böhmen, Jaroslav
Öelakovsk^ . . .« (Der volle Name dieses Dichters lautet bekanntlich Frantü^ek
Ladislav [nicht: Jaroslav] Celakovsk^.) Daselbst erfahren wir weiter: >Öela-
kovsky übersetzte aus Goethe (»Geschwister«) und kleidete die »russischenc
and die »serbischen« Lieder in &echisohes Gewand, ohne dabei den Duft dieser
Poesie, ihr ursprüngliches Gepräge, ihren Stil zu verwischen, wie schon der
Titel »Widerhall« zeigt In seinen Balladen und Gedichten erkennt man den
Dichter von Gottes Gnaden; sie wurden auch in Musik gesetzt und erklangen
überall in Böhmen, wo das Nationalgefühl erwacht war. Lessings scharfsinnige
Epigramme regten ihn zu selbständigen witzigen Versen an, in denen er seine
urwüchsige Kraft bekundet und die Z9weilen bis an Sarkasmus streifen; so
schneidig vermochte nach ihm nur noch Karl Havli6ek die Feder zu führen,
der infolge seiner unbezwinglichen Opposition gegen das Bachische System
schließlich nach Brixen in Tirol verbannt wurde. Eine Frucht dieser Ver-
bannungwaren die »Tiroler Elegien«, die ebenso bekannt sind wie seine »Taufe
des heiligen Vladimir«. In jüngster Zeit hat Machar den beißenden Spott dieser
beiden Dichter geerbt. Öelakovsk^s bestes Werk ist seine Gedichtsammlung
»Centifolie«, ein Kranz poetischer Perlen, in denen sich das Leben von den
verschiedensten Gesichtspunkten aus spiegelt und in denen der »Westöstliche
Divan« eine merkliche Spur hinterlassen hat Celakovsk^ hat eine ungeheure
Menge slavischer [46] Sprichwörter gesammelt, in welchen man damals des
Volkes urwüchsige Weisheit erblickte.« (Ich führe absichtlich den ganzen
Absatz an, um einen recht anschaulichen Beleg für die bisweilen wirre Schreib-
art des Verfassers zu bieten, denn nur so nebenbei ein für allemal wird hier
ein Havli6ek Borovsk^ gestreift, der eigentlich [gemeinsam mit Pravda (Hlinka)
nnd Ndmcov&] diesen ganzen Zeitraum als einer seiner äußersten Ausläufer
wttrdig abschließt Zudem war gleich im Anfang z. B. ebenso die Übersetzung
der Herderschen »Blätter der Vorzeit« zu nennen. Dagegen gibt es meines
Wissens keinen »Widerhall serbischer Lieder«, sondern bloß einen »Wider-
hall russischer Lieder« und einen »Widerhall 6echischer Lieder«, von denen
der letztre gar nicht erwähnt wurde. Sind femer Balladen keine Gedichte?
Die Öelakovsk^schen Epigramme gehen ebenfalls zum großen Teil auf den
Herderschen Einfluß zurück, was namentlich von dem hier übergangenen klas-
sischen »Kviti« gilt Auch kann man schwerlich noch heutzutage behaupten,
daß die »Centifolie« den Gipfelpunkt der Dichtkunst Öelakovsk^s bedeutet
Gar nicht gemeldet wurde überdies die Öelakovsk^sche Sammlung »Slovan-
bU narodni pisnö«. Endlich muß überhaupt bemerkt werden, daß Celakovsky
erst nach KoMr zur Besprechung gelangen sollte.) Auf Seite 46 steht ebenda
folgendes geschrieben: »Als ein Meteor am slavischen Dichterhimmel flammte
nach den dreißiger Jahren Hynek M&cha auf, der nur allzu frühzeitig starb.
604 EritiBcher Anzeigten
Er war ein echter Romantiker, der alte Burgen, Kerker, Lona und Liebe be-
sang; geborstener Harfe Ton dnrchzitterte seine Poesie. Er ist der Vertreter
des 6echischen Byronismus, dabei ein glühender Verehrer der polnischen
Literatur, Grillparzers und Schillers.« (Diese wenigen — übrigens sehr allge-
mein und oberflächlich gehaltenen — Sätze sind alles, was hier über Karel Hynek
MÄcha gesagt wird, welcher in der vormärzlichen Zeit fast ganz yereinzelt da-
steht und daher nach meiner Ansicht mit Unrecht in diesem Paragraphen —
außerdem eingekeilt zwischen Öelakovsk}^ und Koll&r — erscheint, weil er
bereits dem folgenden Zeitabschnitt als dessen Herold angehört [samt seinen
beiden Verehrern Koubek und Nebesk^, von denen der eine hier auf Seite 41
bloß als Literarhistoriker ganz flüchtig berührt wird und der andre schon aui
Seite 30 gelegentlich des polnischen Schrifttums nur als Kenner Galiziens Be-
achtung findet]. Weit ausführlicher als hier in der eigentlichen Geschichte der
6echischen Literatur wird von diesem Dichter [und später auch yon KoUir]
schon in Band I in der >Slayi8chen Wiedergeburt und ihren Ursachen« er-
zählt, was auf jeden Fall zu vermeiden war; dort heißt es nämlich auf Seite 165 :
»Wie ein Blitz flammte der Byronismus in der iechischen Literatur auf. Eine
nachhaltige Wirkung übte er nicht aus; aber er erschien in dem früh ver-
storbenen Karl Hynek Micha (1810—1836) verkörpert, der in seinem »Mij«
selbst Byronische Szenerie in Anwendung brachte. Neue, große Gedanken,
die der junge Dichter aus der polnischen Literatur kennen gelernt hatte, durch-
glühten dessen Brust; er war zum Dichter [166] geboren, aber die damaligen
Schriftsteller und Kritiker verstanden den Aufschwung in seiner Poesie nicht;
die an böhmischer Scholle klebenden Altpatrioten konnten den kampflustigen
Romantiker nicht begreifen, der sichln den »Zigeunern« einen gar ungewöhn-
lichen Stoff gewählt hatte. — Micha wurde verkannt, vergessen; erst der Neu-
romantismus der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre würdigte seine Bedeutung.
Hierauf bildete sich ein Kultus der Persönlichkeit M&chas heraus . . .«) Un-
mittelbar hernach wird uns mitgeteüt: »Einen geradezu verblüffenden Erfolg
und eingreifenden Einfluß auf die Literatur wie kein anderer Dichter vor und
nach ihm erzielte Jan Kollar mit seiner philosophisoh-historisch-politisch-sla-
vischen Epopöe »SlÄvy dcera«( Tochter der Slavia), deren mächtig ergreifender
»Vorgesang« in den zwanziger Jahren alles bezauberte . . .« (Dem von Karisek
geschaffenen »schmückenden« Beiwort dieser Dichtung wird man mit Becht
Geschmacklosigkeit vorhalten; ebenso zweifellos hätte der Name der ver-
meintlichen Göttin SlÄva auch in der Übersetzung des Buchtitels unver-
ändert bleiben sollen.) Weiter lesen wir auf Seite 47: »Das Werk (»Slikvas
Tochter«], dem Dantes »Göttliche Komödie« zum Vorbüde gedient hatte,
zerfällt in einen Vorgesang in Hexametern und in fünf Gesänge, die aus
Sonettenzyklen bestehen. Wie Beatrice Dante, so führt BOlka, die Tochter
des Pastors in Lobda, den Dichter in jene Gefilde Deutschlands, die
einstens von Slaven bewohnt waren. Ein Rückblick auf das Leben der
Slaven in den ehemaligen Wohnstätten an der Elbe, Saale, Moldau, dem
Rheine und an der Donau — wonach die ersten drei Gesänge betitelt
sind — begeistert den Dichter zu einer wahren Verherrlichung der slavischen
Friedensliebe im Gegensatze zu den kampflustigen Deutschen. Milka geleitet
ELsraBek, Slavische Literatuigeschichte, angez. von Sutnar. 605
ihn in den slavischen Himmel Lethe, wo die Matter Slavia mit ihren Töchtern
thront Hier begrüßt er hervorragende slavische Geister, ja sogar Männer
fremder Völkerschaften, welche den Slaven gut gesinnt waren, so: Grimm,
Herder, Adelung, Schlözer, Goethe n. a. In den »Acheron« aber verbannt er
alle Feinde und verräterischen SOhne der Slavia.« (Der Yorgesang ist in
Distichen [nicht: Hexametern] abgefaßt. Die Pastorstochter trägt in der Dich-
tung als Tochter SlAvas den Namen Mina [nicht: Milka], aber den Führerdienst
durch die einstmals slavischen Länder versieht nicht sie, sondern Milek [der
alavisierte Amor] ; bei Karäsek ist Mina mit Milek zusammengeschmolzen zu
Milka. Die fünf Gesänge des Gedichtes heißen: L Saale, H. Elbe, Rhein, Mol-
dau, in. Donau, IV. Lethe, V . Acheron [vgl. damit oben die falsche Reihenfolge
Ear^seks!]; im slavischen Himmel thront Mutter Sl&va mit ihren Verehrern,
TOchtem und SOhnen, allein der Dichter wird mit diesem und der slavischen
HOlle Acheron nur mittelbar durch die Mitteilungen der diese Reiche durch-
schreitenden Mina bekannt. Über das andre Hauptwerk EoUärs erfahren wir
in Band I in der »Slavischen Wiedergeburt und ihren Ursachen« auf Seite 172;
»Koll&r gab seine Grundsätze im Jahre 1836 slovakisch und deutsch heraus;
er verlangte vom gebildeten Slaven die Kenntnis aller slavischen Sprachen,
Literaturen und deren Geschichte, gegenseitige Liebe, Eintracht und Nach-
sicht. All dies bezeichnet Kollar mit dem Namen > slavische Wechsel- oder
Gegenseitigkeit« [in Band II auf Seite 46 bloß: »slavische Wechselseitigkeit«]
. . .< Diese Schrift erschien in Buchform 1837 deutsch unter dem Titel »Ober
die literarische Wechselseitigkeit zwischen den verschiedenen Stämmen und
Mundarten der slavischen Nation«, nachdem sie weniger ausführlich bereits ein
Jahr vorher 6echisch [nicht: slovakisch] in einer Zeitschrift veröffentlicht
worden war; hat doch Karäsek selbst schon auf Seite 154 gelegentlich des
slovakischen Schrifttums in der »Allgemeinen Charakteristik der slavischen
Literaturen im 19. Jahrhundert« ausdrücklich betont, daß »die größten Söhne
der Slovakei, äafaHk und KoU&r«, »der 6echischen Schreibweise getreu«
»blieben«!) Endlich begegnen wir in demselben Artikel auf Seite 48 noch
folgenden Worten: »KoU&r wirkte trotz der schwierigen Verhältnisse uner-
schrocken als Führer der Slovaken in Pest; er verstand es, mit der Feder für
seine Überzeugung einzutreten, und woUte die Stellung der Slovaken nach
seinen Grundsätzen verbessern, denen er Ausdruck gab, als er im Jahre 1849
als Vertrauensmann der Regierung für slovakische Angelegenheiten nach Wien
berufen wurde.« (An dieser Stelle war selbstverständlich — wenigstens im
Hinblick auf den deutschen Leserkreis — zu bemerken, daß KoU&r in Wien um
dieselbe Zeit zum Universitätsprofessor der slavischen Altertumswissenschaft
ernannt und bald darauf zu Grabe getragen wurde. Auch sonst ist dieser Para-
graph überreich an Lücken: Es fehlen nämlich neben andern J. z Hvdzdy
[J. J. Marek], P. Chocholousek, J. J. Langer und F. J. Rube& gänzlich; Vocel
wird [als Wocel!] bereits in Band I unter den Polen auf Seite 120 bloß ver-
gleichungsweise herangezogen; Klicpera mit Tyl kommen gleichfalls nur in
Band I vor, und zwar in der »AUgemeinen Charakteristik der slavischen Lite-
raturen im 19. Jahrhundert« auf Seite 158 ausschließlich als Dramatiker
Ittbrigens soll es dort heißen: ». . . V&clav Kliment Klicpera und Josef Kajetin
606 EritiBoher Anzeiger.
Tyl . . .€ statt: >. . . Kajetan Tyl und Viclav (Wenzel) Elicpera . . .«, da Tyl
Elicperas Schüler war] nsw.) In der »Verjüngten böhmischen Literatur« steht
fast gleich im Anfang auf Seite 110 dieses: >In den fmchtlosen fünfziger
Jahren rag^ nur eine Sammlang von Gedichten heryor, der beliebte »Blomen-
Strauß« von Karl J.Erben (1811 — 1870) ; die im volkstümlichen Geiste geschrie-
benen Balladen Überraschten durch Kürze und Bündigkeit des Ausdruckes und
die dramatische Behandlung des Stoffes, wie z. B. das Gedicht >Das Brauthemd«,
welches denselben Stoff wie Bürgers »Lenore«, aber mit versöhnendem Aus-
gange zum Inhalte hat Erben, Archivar der Stadt Prag, war seinem Wesen nach
Geschichtschreiber und Slavophile, der Nestors Chronik und MSrchen in allen
slavischen Sprachen herausgab und die »Nationallieder« und Sprüche sammelte,
wodurch er der Vuk Earadiid der äechen geworden ist . . .« (An die Spitze
dieser Literaturepoche mit den Namen Hälek, Heyduk und Neruda im Vorder-
gründe wurde fleischlich — eigentlich gegen eine bessre Einsicht des Ver-
fassers [vgl. auf Seite 111 die Worte bezüglich des »zeitlichen Marksteines für
den Beginn des neuen Literatnrabschnittes« !] — Erben gestellt, der wohl
zweifellos noch im vormärzlichen Zeitraum seinen gebührenden Platz [etwa
nach Öelakovsky] innehat; das berührte Gedicht heißt »Die Brauthemden«
[nicht: »Das Brauthemd«]; übrigens war Erben Geschichtsschreiber natürlich
nur seinem Berufe [nicht seinem Wesen] nach.) Ferner begegnet man dort
noch auf Seite 111 folgenden Zeilen: »Die gediegenste und im Volke be-
kannteste Erscheinung, die zugleich den echt nationalen Stempel an sich trägt,
ist die Erzählung »Großmutter«, mit der Boiena N6mcova als erste Naturalistin
in der böhmischen Literatur auftrat. Sie entwirft darin ein vollständiges Bild
der Lebens- und Denkweise des böhmischen Landvolkes . . .« (Das Wort
»Naturalistin« ist selbstverständlich als »Darstellerin des Landlebens« und
nicht vielleicht im modernsten Sinn aufzufassen; nach meinem Dafürhalten
hängt jedoch auch Nömcova samt — ihrem geringem und hier gar nicht ge-
nannten Vorgänger in der Schilderung des Dorf lebens — F. Pravda [V. Hlinka]
noch mit allen Fasern ihres Wesens gleichwie Havli6ek mit der vormärs-
liehen Zeit zusammen. Zudem fehlt in diesem Kapitel Fri6, einer der Bahn-
brecher der neuen Richtung, obwohl doch in Band I auf Seite 152 gelegentlieh
der Kroaten in der »Allgemeinen Charakteristik der slavischen Literaturen im
19. Jahrhundert« vom »Kreise Fri6, Heyduk, HÄlek, Neruda« die Rede war.)
In der »Unerwarteten Blütezeit der 6echischen Literatur« lesen wir auf Seite 1 20 :
». . . Aus Überzeugung sind auch des Dichters [Öechs] politische Lieder her-
vorgegangen; wenn sie auch nicht den hohen Kunstwert der »Morgenlieder«
und »Neuen Lieder« haben, wurden durch sie Tausende aus ihrer Stumpfheit
aufgerüttelt Die »Lieder eines Sklaven« erzielten einen aufsehenerregenden
Erfolg, 28 Auflagen.« (Sind etwa die »Morgenlieder« und die »Neuen Lieder«
keine politischen Gedichtsammlungen? Die »Lieder eines Sklaven« haben bis
1 905 neunundzwanzig Auflagen erlebt, ja sie sind unter anderm 1 S97 in vollstän-
diger deutscher Übersetzung von J. Koutek zu Stuttgart erschienen.) Gleich
darauf erfahren wir folgendes : »Die böhmische Geschichte hat Gech in seinen
epischen Gedichten wiederholt verwertet Die » Adamiten« (ein Seitenstück zu
Hamerlings »König von Sion<), ein romantisches Epos, welches das Leben dieser
Earasek, Slavische LiteratnrgeBcliichte, angez. von Sutnar. 607
religiösen Sehwärmer darstellt, sicherten Öech gleich nach seinem Auftreten
einen ehrenhaften Platz in der iechischen Literator. Großartig nnd auf breiter
Grundlage beruhend ist das [121] Gedicht »Dagmar«, welches die Schicksale
der Tochter Ottokars darstellt, die mit dem dänischen Könige vermählt war.
Ihre Beise in die neue Heimat gibt dem Dichter Veranlassung zur Schilderung
des unglücklichen Geschickes der Obodriten, die einst die Insel Bügen be-
wohnten. »Vaclav z Michalovic« läßt uns einen Blick in die traurigste Periode
der 6echischen Geschichte werfen, in die Zeit nach der Schlacht auf dem
Weißen Berge. In »ilüka« feiert er diesen 6echischen Helden, während er in
>Boh&6 von Sion« und in anderen kleineren Gedichten seine Vorliebe für den
hussitischen Zeitraum bekundet« (Welcher Gesichtspunkt war denn bei An-
ordnung der eben besprochenen Dichtungen maßgebend? Man wird darin
weder einen Innern [ideellen] noch einen äußern [mechanischen] Zusammen-
hang entdecken. Nach der Erscheinungszeit wäre nur diese Beihenfolge zu-
lässig: »Adamiten« 1873, »^iika« 1879, »V&clav von Michalovic« 1880, »Dag-
mar« 1883, 1884, >BohÄc zu Sion« [Öechs einziges Drama !j 1898, 1899. Das-
selbe gilt unter anderm auch von einer spätem Stelle, wo die »Morgenlieder«
[1887] und die »Neuen Lieder« [188&] erst nach den »Gebeten zum Unbekannten«
[1896] folgen.) Weiter wird uns ebendaselbst auf Seite 122 mitgeteilt: ». . . Er
[Öech] bereicherte in »V&clav^ivsa« die iechische Literatur um eine Spezialität,
den dem Gechischen angemessenen Hexameter.« (Dieser Satz strotzt von Un-
richtigkeiten. Ist Cech etwa der Erfinder des quantitierenden Hexameters im
Gechischen, um den es sich da handelt? Weiß überdies Eariusek nicht, daß
die Fachliteratur über den 6echischen quantitierenden Hexameter schon längst
mit vollem Becht den Stab gebrochen hat? Warum wurde außerdem nicht
gesagt, daß in vollständiger deutscher Übersetzung ferner neben andern
Schriften auch die Dichtungen »Im Schatten der Linde« [Leipzig 1897 von
J. J. Gregory (Beh&k)] und »Himmelsschlüssel« [Wien 1 892 von Z. Fux-Jelensk^]
herausgekommen sind?) An diese Stelle schließt sich unmittelbar noch folgen-
des an: »Wenn wir von Neruda sagten, daß er die öffentliche Meinung in
Böhmen lenkte, so könnten wir Cech als den Sprecher des böhmischen Herzens
bezeichnen; er ist der auserlesene Mann, der im Namen seines Volkes das er-
lösende Wort sagt, wenn Schmerz und Schwermut dessen Herz bedrückt und
seine Pein sich zur Verzweiflung steigert So kann man von dem seltenen,
gesinnungstreuen Mann sagen: Tausende hat er veredelt und erhoben, nie-
manden verdorben.« (Die Ästhetik der zweiten Hälfte des allerletzten Satzes
läßt wohl an Bückschritt kaum noch etwas zu wünschen übrig. Zudem ist der
Dichter bereits in Band I auf Seite 149 in der »Allgemeinen Charakteristik der
slavischen Literaturen im 19. Jahrhundert« ähnlich gezeichnet worden : ». . .Der
Liebling der Lesewelt ist der Patriot und Epiker Svatopluk Öech, früher Bo-
mantiker, der letzte böhmische Byronist . . .« Ist Öech jetzt vielleicht kein Bo-
mantiker mehr?) In demselben Artikel lesen wir weiter auf Seite 123: »Er
[Vrchlick;^] wurde am 17. Februar 1853 auf dem Wege zwischen Laun und Schlau
geboren — einen ähnlichen Fall mit dem unbestimmten Geburtsort findet man
bei Mickiewicz und Thorwaldsen . . . « (Ähnliches schon auf Seite 1 4 gelegentlich
des polnischen Schrifttums: »Adam Mickiewicz . . . wurde . . . auf dem Wege in
608 Eritisoher Anzeiger.
der Nähe vonNowogrodek geboren, also ähnlich wie Vrchliclrf auf einer Reise;
mit diesem nnd mit Pn&kin bildet er das Trifolinm der größten slavischen
Dichter . . .« Beide Stellen sollen als Belege dafür dienen, wie sich Karisek
mitunter an Äußerlichkeiten klammert: Der — trotz seiner Allgemeinheit zu-
meist ziemlich instruktive — Abschnitt über Vrchlicky weiß demnach als den
einzigen Berührungspunkt zwischen dem 6echischen und dem polnischen
Dichterfürsten nur den Umstand anzuführen, daß beide auf einer Reise zur Welt
kamen.) Endlich erfahren wir ebenda bald darauf noch dieses: »Seit dem Jahre
1892, da Vrchlicky Ehrendoktor und Professor der modernen Literaturen an
der 6eehischen Universität geworden, wirkt er auch als Kritiker und Literar-
historiker . . .« (Sein erstes literarhistorisches Buch >BAsnick6 profily fran-
couzsk6< ist doch bereits 1887 erschienen! Unangeführt blieb übrigens unter
anderm die Mehrzahl deutscher Übersetzungen aus Vrchlick^.) Im nächsten
Kapitel »Freunde und Epigonen yrchlick;^sc heißt es auf Seite 131: »Gegen
die heimatliebenden Schwärmer, die gerne einen hochtrabenden Ton an-
schlagen und politische Lieder anstimmen, erhob sich der urwüchsige Dichter
Hachar, ein Wiener Öeche, der Sinn für die Forderungen des fünften Wabl-
kOrpers besitzt . . .« (Ist Machar etwa kein politischer Dichter? Kar&sek fügt
doch etwas später selbst ausdrücklich hinzu: »J. S. Machar [1864] ist der Ver-
treter des ReaUsmus sowohl in politischer als auch in psychologischer [wahr-
scheinlich = literarischer] Beziehung, obgleich manches Gedicht aus früherer
Zeit seine Neigung für den Romantismus verrät.« Übrigens gehören in diesem
Paragraphen neben Machar J. Kvapil, Boreck^ und Sova zweifelsohne schon
der Moderne an.) In der »Cechischen Prosa in den letzten Jahrzehnten« be-
gegnet man auf Seite 1 37 folgender Stelle : »Eine 6echiBche Besonderheit bildet
die klatschsüchtige Kleinstadt, in der sich die Bürger gegenseitig kennen,
abends beim Biere zusammenkommen, politisieren, bei Wahlen und in Ver-
einen Ränke schmieden, Karten spielen, während der weibliche Teil Neuig-
keiten sammelt und bei Kaffeegesellschaften oder Begegnungen zum besten
gibt, sich mit Strümpfestricken unterhält, [138] seufzt und sich nach Unbe-
stimmtem sehnt, aber immer und Überall alles beredet . . .« (Genau so sieht
sicherlich jede Kleinstadt zum mindesten in ganz Westeuropa aus; hat doch
z.B. bereits 1803 Kotzebue in den »Deutschen Kleinstädtern« sein Krähwinkel
als Sitz beschränkten Philistertums geschafften! Mit Unrecht übergangen
wurden gänzlich A. V. ämilovsk^ [Smilauer] und V. Kosmäk. Außerdem gibt
es da eine große Reihe von Namen, die nur in den Rahmen der Moderne ein-
gefaßt werden können. Auf die Schriftstellerinnen ist Karäsek im allgemeinen
nach alter Sitte schlecht zu sprechen : Über eine SvetU [Muiäkovä] wird nur
auf Seite 143 nebenbei bemerkt, daß bei ihr »der deutsche Einfluß merklich«
sei [eigentlich ist ihr Platz schon in § 11 !].) In der »Slavischen Moderne« lesen
wir auf Seite 185: »Die 6echi8che Moderne schloß sich an die Zeitschrift »Öeski
Modema« von Ernst Prochäzka an, der aus dem Französischen übersetzte und
selbständig kritisierte. In der Wirksamkeit der Modernen überwiegt jetzt
überhaupt die Kritik, wie dies am besten bei Georg ( Jif i) KarÄsek von Lvovie,
dem Führer dieser Bewegung, zu erkennen ist . . .« (Die Zeitschrift hieß
»Modemi revue« [nicht: »Ceskä Modema«]; die Moderne schloß sich jedoch
Earisek, Slavische Literatorgesehichtei angez. yon Sutnar. 609
nur teüweiBe dieser an. Viel za wenig Gewicht wird hier der Kritik beige-
metsea, die doch in dicBem Zeitabschnitte von Anfang an die Hauptrolle ge-
epielt hat, denn gar nicht erwähnt ist H. G. Schauer, der VorkSmpfer der mo-
dernen öechisehen Kritäi, F. X. Salda nsw.; auch die iechisohen Literarhisto-
riker fanden [im Gegenssize zu den polnischen] keine Beaohtong, obwohl so
▼iel Baum an manchen ephemeren Belletristen der letzten Jahre verschwendet
wurde; dasselbe gilt von den modernen 6echischcn Slavisten [selbst Gebauer
wird in Band I nur gelegentlich der lausitzisch-serbischen Literatur in der
»Allgemeinen Charakteristik der slavischen Literaturen im 19. Jahrhundertc
auf Seite 156 und in Band II bloß auf Seite 40 in der Darstellung des yormärz-
liehen Sdirifttums flüchtig b^ührt] und den iechischen Gelehrten der Neuzeit
im allgemeinen. Dafür ist der modernen Kritik auf Seite 186 ttberflttssiger-
weise dieser wohlgemeinte Bat zugedacht: »Den jungen ELritikem wäre zu
empfehlen, sich auch an slavischen und germanischen Literaturen zu bilden
und im böhmischen Geiste und in reiner Sprache zu schreiben, da der hSnfige
Gebrauch franzOsiseher Wörter der Klarheit des Ausdrucks und dem Ver-
ständnisse ihrer Schriften scliadet.€ Nur genannt wird Bi'ezina; von den
Frauen ist z. B. B. Vikovi-KunötickÄ totgeschwiegen.)
Zum Schlüsse dieses Abschnittes wird mir wohl noch gestattet werden,
zwei Bemerkungen allgemeiner Natur hier folgen zu lassen: Erstens will ich
ausdrücklich hervorheben, daß eine für deutsche Leser bestimmte Geschichte
slavischer Literaturen unbedingt alle wichtigern deutschen Übersetzungen
der darin behandelten Werke als unentbehrlichen praktischen Bebelf anzu-
führen hat. (Deshalb vermisse ich da sehr ungern hauptsächlich die E. Albert-
schen Anthologien, denen die Deutschen gewiß lebhaftes Interesse entgegen-
gebracht hätten: »Poesie aus Böhmen« [Wien 1893], »Neuere Poesie aus
Böhmen. Anthologie aus den Werken von Jaroslav Yrchlick^« [Wien 1893],
»Neueste Poesie aus Böhmen« [Wien 1895; 2 Bände, I. »Die der Weltliteratur
oonformen Biehtungen«, IL »Die nationalen Biohtnngen. Mit einem Anhange,
Volkslieder enthaltend«], »Der Blumenstrauß von Karl Jaromir Erben« [Wien
1900] und »Lyrisches und Verwandtes aus der böhmischen Literatur« [Wien
1900).) Zweitens muß ich hier im Zusammenhange nach vollbrachter Zerglie-
derung nochmals in Erinnerung bringen, wie wenig solch ein großes Mate-
rial — ohne gewissenhafte Benützung aller vorhandenen Einzelforschungen —
mit Erfolg bewältigt werden kann. (Hinsichtlich der ahen und mittlem
Periode hätte sich Kar&sek enger an V16eks gründliehes Buch anschließen
und bezüglich der neuen Epoche mehr an das bekannte groß angelegte
Sammelwerk halten sollen; namentlich in den letztern Kapiteln gibt es gar
manehes, was heftigen Widerspruch hervorrufen wird, aber wir sind einerseits
— nicht ohne Nachteil unsrer Unbefisngenheit — mit der dort besprochenen
Zeit melir oder weniger noch alle verkettet und besitzen anderseits [zum Unter-
schiede von den glücklichem Polen] noch immer fast keine großem (Gesamt-
danteUungen des nachmärzlichen Schrifttums [eine Ausnahme bildet z. B. M&r
chaifl verdienstvolle Schrift »0 6eski6m rom&nu novodob^m. äest pfedniüek«
(Praha 1902: Knihy pfo kaid^ho II)].)
Trotz seiner zahllosen Mängel hat nun das Kariseksohe Buch dennoch —
ArchlT fOr ilaTiflche Philologi«. XXIX. 39
610 Kritischer Anzeiger^
und zwar durch die neue Losnng der vergleichenden Methode — der alAyischen
Literarhistorik ein nenes Ziel gesteckt, dem hoffentlich mancher Znknnits-
forscher zustreben wird. Wird Karäsek selbst die Kraft finden, seinen Pfiid
nochmals von Anfang an zn gehen und von all den stellenweise hoch lagern-
den Schnttmassen gründlich zu säubern, wird er den Mnt aufbringen, sein
eigenes* Geisteskind mit keiner noch so bittem Diagnose zn verschonen nnd
nnter Umständen auch mit der Messerschneide von den Mißbildungen zu be-
freien? Das wUnsche ich dem Verfasser von ganzem Herzen und begrttße sein
Buch trotz der Fehler aufs wärmste — in der festen Zuversicht, daß es bei dem
gastfreundlichen Verleger bald zu einer — von dem Brandmal der Oberflächlich-
keit und den Schlacken der Hast gereinigten — zweiten Auflage^) kommen
wird, worin (unter ausgiebiger Verwertung des ihm in den Besprechungen
seiner Arbeit gebotenen Materials) neben dem Künstler (bis in die feinsten Ab-
tönungen hinein) ebenfalls der Gelehrte (von der hohen Warte der objektiven
Kritik] das Wort ergreifen soll — zur ungetrübten Freude der engem Fach-
genossen und nicht weniger der Laienweit, denn auch für den weitesten Leser-
kreis ist sowie für die Jugend nur das Beste gerade gut genug.
^) Dort sollen auch die Bussen nach Gebühr berücksichtigt werden.
Wien, im Oktober 1907. J, Sutnar.
Thxomhp OcToJHh : ÄocHxej 06paA0BBh y Xonony, CTy^cnja h3 Kyji-
TypHe H KHiHxeBHe ncTopirje. Höbe Ga^ 1907. 8<^. VII, 432 [k&.
MaT. Gpnc. 1 9 h 20].
Die Milieutheorie zeigt gerade bei ihren eifrigsten Anhängern ihre
schwächste Seite. So auch hier, wo der Verfasser einen Beitrag zur serbischen
Aufklärungsliteratur beabsichtigt nnd zu dem Zwecke eine bis ins kleinste
Detail eingehende Beschreibung, des Klosterlebens zu Opovo (Frui&ka gora}
liefert In Opovo weilte nämlich der junge Dositheus Obradovid, und die Studie
soll den Nachweis erbringen, daß Dositej Obradovid bereits hier jene
Erfahrung gewann, die ihn später veranlaßte, gegen das Mönch-
tum zu eifern. Obwohl dieser Grundgedanke des Verfassers von vornherein
annehmbar scheint, ist doch dagegen so manches einzuwenden.
Das geschichtliche Bild von Opovo — wie es Ostojid hier zeichnet —
stimmt nämlich durchaus nicht mit jenen Vorstellungen, die wir von Opovo
aus Dositheus' Schriften haben. Ostojid ging mit strengster Objektivität vor, er
sammelte glaubwürdige Quellen (Inschriften, Chronographen, Amtliche Akten
u. drgl.) und doch zeugt gegen ihn Obradovid selbst Obradovid urteilt über
Opovo wesentlich anders als Ostojid. Während nach den historischen Tat-
sachen Opovo eine verkommene und zuchtlose Herberge nichtswürdiger
MOnche war, erscheint uns dasselbe Opovo nach Dositheus' Darstellung um-
flossen von einem gewissen poetischen Schein, sympathisch und ehrbar. In
Obradovid' Selbstbiographie heißt es : mesto dostojno, da posvedeno budel
Ostojiö, Dosith. Obradoviö im EHoster Opovo, angez. von Prohaska. 61 1
mndroBti i u6enija i da se srpBkim nazoved Parnasom! (^ebot I, 81). Wohl
gilt diese Begeistenrng bloß der Lage des Ortes, aber auch von den MOnohen
spricht Dositheos im selben gefälligen Ton: »osim svi Fmükogoraca najpito-
miji, blagonakloni i blagoprijatni ; vesela obraza i pogleda, pristojno i 6iBto
oba6eni< (Ib. I, 83). Und vor Opovo setzt Dositheos das Beiwort »lfubuno€
(I, 78) und >m»7o€ (I, 89).
Der Verfasser legte sich diese Stellen Obradoviö' nicht vor, denn sie
widersprechen ja seiner Absicht, bereits in Opovo jenes Schandbild des
Hönchtnms zu entdecken, das Obradoviö in seinen späteren Werken im All-
gemeinen entwirft.
Wenn Dosithens aufrichtig über Opovo schrieb, dann ist nnr eine Er-
klärung möglich, und diese macht leider die ganze Milieustudie des Verfassers
bezüglich Obradoviö gegenstandslos.
Dosithens verließ Opovo blutjung (etwa 17 Jahre alt) und es blieb in sei-
nem (Gedächtnis bloß ein rosiges Erinnerungsbild der Jugend zurück. Dosi-
thens erinnert sich bloß mit Rührung und Wehmut der schönen Jugendtage zu
Opovo. Hier war es, wo er, der kleine wißbegierige ^ak, »so große< Bücher
(Heiligenlegenden) las, daß er sie kaum schleppen konnte: »£ vreme slatno
za navek izgubljeno! ^itija 6itati, take knjige velike; nigde toga na svetu
nejma! (I, 85). Ihm schwebt auch sein >dobri i razumni iguman« (I, 95) vor.
wie er ihn mit herben Worten aber gutem Herzen zurechtweist Und Dosithens
führt keinen anderen Grund an, Opovo verlassen zu haben, als einen großen
Wissensdurst: »2elja k u6eniju bila je naialni uzrok, da sam ja svu volju
izgubio u onom sremskom raju, to jest u FruSkoj gori u Opovu« (Ü, 7).
Obradoviö sah also Opovo bloß im goldigen Schimmer der ersten grünen-
den Jugend: >Siroto dete! bedna mladost, do smrti nepreialjena! No onda
ja sam tnislio ko sreSniji od tnene* (I, 85).
Offenbar Gfiheten sich seine Augen über das Mönchtum erst dann, als
er durch eine Erweiterung seines Wissens aus dem befangenen asketischen
Jugendwahn heraustrat und so auf einen Standpunkt gelangte, von dem aus
erst das MOnchtum anders aussah. Und das geschieht auf seinen Wande-
rungen besonders auf dem Athos (Sveta gora] und im Orient. Hier lautet auch
die Selbstbiographie über das Elosterleben viel kritischer.
Aber noch mehr als durch das wurde Obradoviö^ Kritik durch die herr-
schende Aufklärungsliteratur bestimmt Obradoviö geht immer gegen das
Münchtum im Allgemeinen vor und bewegt sich dabei in den aufkläreri-
schen Phrasen der Zeit
Der Verfasser hätte seine Studie in einer anderen Weise anlegen können.
Er hätte an der Hand der mönchischen Erziehung Obradoviö' gerade den
mönchischen Charakterzug seiner Schriften nachweisen können. Das ist
nämlich noch von Niemandem geschehen, und doch ist die eigentümliche
Mischung von mönchischer Askese und rationalistischer Aufklärung eine
individuelle Eigentümlichkeit des serbischen Aufklärers.
Die Studie Ostojiö' veranlaßt mich, gerade diesen mönchischen Cha-
rakter bei Obradoviö zu betonen.
In Dosithens' Schriften waltet trotz ihrer philosophischen Grundlage (des
39*
612 Kritischer Anzeiger.
RationaÜBmasl eine naive Einfalt und ein warmer Glaube. DositheuB glaubt
fest an die Glückseligkeit des aufgeklärten Menschen. Seine Begeisterung
ftir die Aufklärung und das Wissen gleicht einem Kult, einer Schwärmerei.
Wie ein mittelalterlicher Ritter durchzieht er ganz Europa auf der Suche nach
seinem Ideal, dem Wissen. Die Wißbegierde gleicht bei Dositheus einem
Wahn : Sta je 6ovek, kad ga kakva strast preuzme, kad kakyo meitan^e uma
tiieie mu mozak, podbuni srce i u6ini, da sva kry u njemu uzavriX (I, 74). Da-
mit ist Dositheus* Fanatismus hinreichend gekennzeichnet. Und der wurzelt
nicht nur in seiner Natur, sondern auch in jener mönchischen Ekstase, die
durch Heiligenlegenden und dergl. Lektüre bei ihm früh ausgelost wurde.
Durch Dositheus' Sprache dringt immer jener weinerlich-demütige
Ton eines Klosterbruders hindurch. Er schreibt oftmitTiünen: »Proliraju
o6i moje Blatko8rde6ne suze pripoznanstva i blagodamosti, kad god raz-
miSljam veliku milost nebesnog promisla« (T, 3).
Konstant fließt aus Dositheus' Feder eine gewisse rührende Dankbar-
keit; Dositheus bevorzugt Redewendungen mit hlago^ ft/Ia^o-potreban, blago-
poltL^no, blagorodstvo, blagopo&ivajnöi etc.) und eines seiner beliebten
Schlagworte ist hlagodeielj. Und besonders dieser Ausdruck (Mild- oder Wohl-
tätigkeit) kennzeichnet Obradoviö' BarfÜßertum : er lebt sein ganzes Leben
hindurch von milden Gaben wohltätiger Freunde.
Spezifisch mönchisch ist auch der vorwiegend moralisierende Ton
seiner Schriften. Die Tugend spielt zwar auch in der Aufklärungsliteratur
eine große Rolle (la vertu bei Marmontel u. a.), aber bei Dositheus ist sie
geradezu eine Vorschule zur Vollkommenheit und Heiligkeit Er selbst übt
und empfiehlt die Tugend, stellt sich aber dabei als Sünder hin. Und sein
Vorwort an den Leser wiederholt jene Wendung, die wir mit hundert An-
dachtsbüchem unserer mönchischen Literatur belegen können: Ako gdi bude
sto pogredeno molim i prosim vaäu dobrotu i &ovekoljublje, da oprostite sla-
bosti mojoj; sam je Bog bez pogredke i bez nedostatka (I, 15).
Auch sein Wortgebrauch ist nonnenhaft herzlich- süßlich. Er spricht
>s goreöim i punim Ijubavi srcem«, die Freundschaft ist ihm »süß« (1, 15), er
denkt »prostoseirde^no« (1, 13) und vergießt Tränen »slatkoserde^ne« (I, 3).
Wohl ist hier auch mit einer Einfllllung literarischer Sentimentalität
zu rechnen, aber gewiß fand sie in Dositheus einen von Haus aus »zu ihr
disponierten« Vertreter.
Zwischen ihm und einem anderen serbokroatischen Aufklärer der Zeit
Relkoviö, ist gerade hierin der Unterschied zu suchen. (Ich weiß nicht
in welcher Weise LJ. Dvomikovid beide auseinanderhielt, als er sie in
der Sarajever Na da verglich.) Der Offizier Relkoviö ist ein Aufklärer,
der sein Volk materiell uhdbürgerlich-sittlichfördert — Dositheus, der
Mönch, verfolgt eine vorwiegend ethische und allgemein mensch-
liche Tendenz.
Und so vertritt D. Obradoviö eine besondere Spezialität der Aufklärung,
einen gewissen humanen Rationalismus, der nicht zu verkennende mönchi-
seheZtlge verrät
Das sollte gegenüber der einseitig aufklärerischen Charakteristik immer
Dr. Cenov, Urheimat a. Ursprache der Bulgaren, angez. von Mladenov. 618
«n D. Obradoviö hervorgehoben werden. Diese zweiköpfige Erscheinung von
Mönch und Freigeist ist für den Beginn der neueren serbischen Literatur,
die unmittelbar aus dem Mittelalter (ohne das Zwischenglied der Renaissance-
poesie) in die neueste Zeit einspringt, von repräsentativer Bedeutung.
Man könnte den mönchischen Spuren bei Obradoviö vielleicht auch in
seiner Satzperiode nachgehen, die weder deutsch noch serbisch, sondern am
fihesten griechisch- kirchenslavisch ist. (Besonders die Nachstellung des
Yerbums.)
Ostojiö' Werk, das eine ganz andere Au%abe löst, als es dem Titel ent-
spricht, verliert dadurch gar nicht an seinem Wert. Das von ihm aufgerollte
Bild des serbischen ELlosterlebens im XVIII. Jahrh. ist neu und wird in der
serbokroatischen Kulturgeschichte immer alle Beachtung finden müssen.*]
Zagreb. D. I^ohaskti.
*) Zu dieser an feinen Bemerkungen reichen Anzeige, die den Bahmen
des zur Sprache gebrachten Buches verläßt und sich auf die allgemeine Cha-
rakteristik des Dositheus Obradoviö einläßt, möchte ich mir erlauben eine Be-
merkung zu machen. Ich glaube, der Bezensent legt zu viel Gewicht auf die
sehr subjektiv gehaltene, vielfach idealisierende und beschönigende Auto-
biographie des Dositheus. Der flüchtig gewordene Mönch hat sich erst mit
der Zeit zu einem romantischen Verehrer der Aufklärung ausgestaltet (in
•etwas ähnlich demEaramzin!) und als er sich entschloß, seine Autobiographie
zu schreiben, schwebte ihm mehr ein ideales, als wirkliches Bild der erlebten
Zustände vor, womit er seinem geliebten Volke eine angenehme, aber auch
nützliche Lektüre mit aufklärender Moral in die Hand geben wollte. Eine
solche Forschung aber, wie sie der Verfasser des angezeigten Buches lie-
ferte, war um so unentbehrlicher, da man erst jetzt auf Grund der objektiv
beleuchteten Zustände, die damals in den Klöstern der FruSkaGora herrschten,
recht und leicht begreift, was den jungen Mönch zum Entschluß, aus dem
Kloster zu fliehen, veranlaßte. Denn den innigsten Zusammenhang dieses
Entschlusses mit dem damaligen klösterlichen Milieu wird wohl auch der Herr
•Bezensent nicht in Abrede stellen wollen. Wenn Dositiieus selbst aussohließ-
lieh von seinem Wissensdurst spricht, so ist das seine spätere Motivierung.
V.J.
IIpaoTe^ecTBOTO h npaesHK'BTi Ha 6%j[rapHT%. HoTopmco-
«KHCOJIOrH^eCKH H3AnpBaHHH B'L31 OCHOSa Ha ITBpBOHCTO^HHipi OTh Prf^
TaH9oI](iHOB'B, üp^BO^aTB Ha ÜHOCTpaHaTa KopecnoHAeHioiH b'b
SoeHHOTo MHHHCTepcTBO. Co«Hfl 1907. 8^. 114-212 (Urheimat und
Ursprache der Bulgaren, HistoriBch-philologiBche UnteronohiuigeBi
auf OruDd der Urquellen von Dr. Ganco CänoY, Übersetzer der
ausländlBchen Eorrespondenz im Eriegsministerimn. Sofia 1907).
Wollte man diese »Untersnchungenc für ein wissensohaftliohes Weik
balteqL, so müßte man gleioh einen Rückschritt der bulgarisohen Gesohiofali-
und Sprachwissenschaft ankündigen. Denn niohts anderes ahi Rückschritt
614 Kritischer Anzeiger.
bedeutet das Erscheinen dieses Baches nach den Arbeiten eines Drinov oder
V
Matov, eines Mileti6 oder Si&manov. Die Theorie von der Slavinitilt der
Hannen ist schon längst vor dem Tode ihres balgarischen Verfechters —
Gavril ErBs^ovi&' begraben worden. Ganz anstichhaltig ist die »thrakische«
Theorie des sonst verdienstvollen 6in6ev, die neaerdings von einem groben
Dilettanten wie Nikola Jonkov-Wladikin wieder in Schatz genommen wurde.
Und wenn Herr Dr. Ginov nicht nar diese, sondern aach mehrere andere €^
spenster aaferwecken will, wenn er heate aas reinem Chaavinismns and nn-
genttgendem Stadiam jene ganz verfehlte, bei einem Bakovski doch verzeih-
liche Etymologie wieder zügellos betreiben will, so darf er keine Ansprüche auf
Wissenschaftlichkeit erheben. Wer überall die Größe des balgarischen Stam-
mes entdeckt, wer nicht nar die Hannen, sondern aach Skythen, Geten, l£aa-
sageten, ja alle anderen Volker, die bei alten Historikern als aaif der Balkan-
halbinsel wohnend erwähnt werden, für Slaven and speziell fUr Balgaren hält,
wer die Balgaren noch zar Zeit des Apostels Panlas am Thessalonik wohnen
läßt, der müßte seine kühnen Thesen mit starken Argumenten unterstützen.
Um das zu tun, führt Herr C6nov lange Zitate aus den »UrqueUen«, an und
durch das möglichst unkritische Kommentieren gelangt er immer zu den von
seinem sonderbaren Patriotismus heiß ersehnten Resultaten. Nur ein Beispiel
dafür. Nach einem in bulgarischer Übersetzung angeführten Zitat aus Priscus,
wo uns u. a. etwas über die Stickerei von Attilas Hausgesinde berichtet wird,
spricht unser Verfasser folgendermaßen : >Dieses Bild aus Attilas Haus zeigt
noch im geringsten nicht, daß die Hunnen ein asiatisches Volk waren. Hier
sehen wir echt slavischen Brauch und Sitte. Die Leinwandstickerei ist am
meisten unter den Slaven und insbesondere unter den Bulgaren verbreitet«
(40). Und damit gUubt er einen Beweis für seine Theorie erbracht zu haben.
Bei den sprachwissenschaftlichen Fragen verfährt er noch unkritischer.
Oberall stößt man auf etymologische monstra horrenda. So sind die bekann-
ten xaysff vßvyij der ältesten bulgarischen Inschriften echt slavische Wörter:
man müsse nur annehmen, daß sie für K'kHASk BfilHK*KlH stehen (U7).
Die Westgoten tragen echt slavischen resp. balgarischen Namen, wie auch die
Ostgoten: jene heißen »visäi goti« (>= die höchsten Goten!) und diese >0Btri
goti« (bs die scharfen Goten!) [145]. Im Namen des bulgarischen Garen Asön
stecken die nordgermanischen Äsen (142). Der Tarchan soll ein ganz gewöhn-
licher slavisch-bulgarischer Dragan sein (148). Was die unbekannten Worte
im Index der bulgarischen Fürsten (zuerst bei A. N. Popov, Obzor) anbelangt,
so »zeigen sie deutschen Charakter« (155): »somor altem« ist ein altengL
sumor altem, das soviel als >visoki I6ta« bedeutet« (156). Slav. K'kHASk
sei aber kein germanisches Element, weil es im Deutschen nicht dieselbe Be-
deutung habe wie im Slavischen (im Slav. bedeutet es auch »Priester«) und
weil anl. k im Deutsehen ein h geben würde (145 — 146). Herr Cinov erwartet
ein ahd. honung, da er das k im Slav. für uridg. hält! Die Gesetze der Laut-
verschiebung sind unserem Historiker, wie ersichtlich, ziemlich unklar. Und
überhaupt hat unser Verfasser einen unbegreiflichen Widerwillen gegen jede
Theorie von der gesetzmäßigen Entwicklung der Sprache und gegen jede ver-
gleichende Sprachforschung. Der Terminus »turko-tatarische Sprache«, mit
CroiBet van der Kop, De morte prolog^, angez. von Nehring. 615
dem man die Sprache der von der Wolga hergekommenen Bulgaren bezeich-
net, ist Herrn CinoT sehr nnrecht: diese Sprache müßte entweder türkisch,
oder tatarisch, oder — keines von beiden sein (137). Und noch eins : dem
Verfasser dieser historisch-philologischen Untersnchnngen sind alle altbnlga-
rischen DenkmiUer mit Ausnahme der Samnilschen Inschrift nnr Brachstücke
ans dem XII. n. XTII. Jahrb.! Und diese Bmchstttcke >beschreiben Kirchen-
sachen« (»opisvat 6erkoYni raboti«, S. 132)!
Sofia. S. Mladenov.
Anna Catbarina Groiset van der Eop, Altrassiscbe ÜbersetzüDgen
aus dem Polnischen. I. De morte prologns. Berliner Dissertation.
1907. 74 SS. in 8^ und drei photographische Blätter.
Die Verfasserin, eine Niederländerin ans dem Haag, hat in Berlin unter
der Leitung Brückners slavische Philologie studiert uod auf seine Weisung
auf ihren wissenschaftlichen Beisen in St Petersburg und Moskau mit ent-
gegenkommender Hilfe vieler russischer und polnischer Gelehrten sehr um-
fassende Kenntnisse der älteren rusBischen Kultur und Literatur sich an-
geeignet, die sie in einem auf breiter Grundlage anzulegenden Werke zu ver-
werten beabsichtigt, wie wir dies in einer sehr interessanten Einleitung lesen,
vor allem verspricht sie die Wechselbeziehungen zwischen den Russen und
Polen eingehend zu schUdem und die polnischen Einflüsse auf die russische
Literatur und überhaupt auf die russische Kultur zu prüfen und im einzelnen
nachzuweisen, z. T. mit anderen Ergebnissen als Sobolevskij in seinem
Werke: Die Übersetzungs-Literatnr des Moskowitischen Bußlands 1903 und
des Dorpater Brückner Europäisierung Rußlands 188S.
Unterdes erhalten wir die erste Studie eines anderen Werkes, nämlich
russische Obersetzungen aus dem Polnischen, insbesondere das mittelalter-
liche polnische Gedicht De morte prologus in russischen Übersetzungen, die
Verfasserin fand nämlich unter dem Beistände von russischen und polnischen
Gelehrten mehr als eine Übersetzung.
Bekanntlich befindet sich in der Kapitelbibliothek von Plock in einer
Handschrift aus dem XV. Jahrh. ein altpolnisches Gedicht De morte prologus,
das ich nach einer mir freundlichst überlassenen eigenhändigen Abschrift des
hochverdienten Direktors der Ossoliniana in Lemberg, Prof. Dr. K^tizynski,
in meinen Altpolnischen Sprachdenkmälern 1886 mitgeteilt habe und das aus
der nach Krakau zugesandten Handschrift Professor Jan von Bozwadowski
noch einmal abgedruckt hat in Materyaly i prace Komisyi j^ykowej Bd. I.
1903 1). Der Inhalt ist ein Dialog des Mönches Polykarpus mit dem Tode, der
ihm in seiner grausigen Gestalt nach der Andacht in der Eirche leibhaftig
erschienen war, über die unbeschränkte Macht desselben.
Daß das Original, ein lateinischer, vielleicht versifizierter Dialog, von
1) Ohne einen Kommentar für den Inhalt.
616 EritiBcher Anzeiger.
einem Mönche herrtUirte, ist mehr als wahrscheinlich, aber bis jetzt ist ame
solche Vorlage zn dem polnischen Gedichte nicht gefanden, nnr eines kann
achon jetzt gesagt werden, daß ein soLoher Dialog oder sagen wir eine Boleha
Erzählung von des Mönches Polykarp Begegnung und Gespräch mit dem Tode
über die Allmacht des letzteren ziemlich verbreitet gewesen sein muß. Prof.
Brückner hat über zwei solche lateinische Texte in München and eiiien in
St. Florian in Ober-Österreich im Archiv Bd. XI berichtet, und über eiaan
vierten werde ich weiter unten Nachricht geben. Auch die russischen Über-
setzungen, welche die Verfasserin bespricht, beweisen eine gewisse Verbrei-
tung der Erzählung von der genannten Begegnung, nur sind diese nicht ans
einem lateinischen Text hervorgegangen, sondern aus dem erwähnten pol-
nischen Gedicht.
Bassische Obersetzungen und Nachbildungen polnischer Erzählang«a
sind schon seit jeher Gegenstand des Studiums: Pypin hat im IL Bande der
Schriften der 11. Abteilung der Petersburger Aka'd. d. Wiss. 1857, in 06erk
literatumoj istorii starinnych povdstej i skazok russkich, diese wandernden
'Erzählungsstoffe behandelt; in dieser Zeitschrift ist bei gegebener Grelegen-
heit auf die eine oder andere polnische Vorlage zu rassischen Erztiilongen
hingewiesen worden, z. B. bei Besprechung der Ausgabe der Geschichte der
sieben Weisen; für die Erzählung 0 eud3 demjaki hatte Suchomlinor eine
polnische Vorlage, wenn auch wohl irrtümlich, vermutet; Nachweise polni-
soher Vorlagen für viele rassische Erzählungen hat Marko in seinem HabOi-
tationsvortrago: »Die ersten Schritte des russischen Komans« 1^97 nachge-
wiesen; die französischen Romane Melusine, Tristan und Isolt, die MageDone
sind bekanntlich aus dem Polnischen übersetzt usw. Die Verfasserin der in
Bede stehenden Dissertation hat diese polnisch-rassische Periode nicht als
Hintergrand vorausgeschickt, sie wird gewiß in ihrem größeren Wetke darauf
zurückkommen.
Der Inhalt der Untersuchung bietet vor allem das schreckliche BUd des
Todes und eine genaue Analyse des Grespräches. Eine Beihe von Bemerknn-
gen und Ähnlichkeiten knüpfen sich an einzelne Stellen der AosfÜhrangmi,
die interessanteste ist der Vergleich mit den Totentänzen, Wandgemälden in
Kirchen — freikünstlerische Schöpfungen bleiben außer Betracht, ferner mit
dem Ackersmann von Böhmen u. and. ; unter den Parallden vermisBen wir
eine Beihe von Streitgedichten, wie z. B. den Streit zwischen Leib and Beele,
von Bügengedichten oder Gedichten mit rügenden Ausfällen, deren grfiBere
Anzahl die mittelalterliche böhmische Poesie bietet, ich erinnere an die
derholt vorkommenden AusflUle gegen ungerechte Biehter, gegen
Bäcker, die kleines Brot backen usw.
Die russischen Obersetzungen — es sind ihrer drei: zwei Petersborger
und eine in einer Moskauer Handschrift — bilden den Schluß der interessanten
Untersuchungen. Nachdem die Ver&sserin darauf aufinerksam gemacht -iiat,
daß S. I. Dolgow zuerst auf die rassische Übersetzung des prologos de morte
in einem Moskauer Vortrage 1890 hingewiesen, bescl^eibt sie im al^vmeinen
die Handschriften, ihre Eigentümlichkeiten und das gegenseitige Verhältnis
zu einander und zu dem polnischen Original, wobei sie sich bei einzelnen nn-
Croiset van der Kop, De morte prolognS) angez. von Nehring. 617
beholfenen Obersetznngsversachen aufhält, so z. B. wznak wiedergegeben
durch na vznl&, szkaredna durch nelepa, iak, das vielleicht unverständlich
war (aus diaconus Schfller) durch zakon u. a. Das Ergebnis der Yergleichnngen
ist dies: daß der polnische Text in Bußland übersetzt wurde vor dem Ende
des XYI. Jahrb., daß zwischen der Mosk. Handschrift und Petersb. n eine
Abschrift gewesen sein muß, von der nur ein Fragment übrig geblieben, das
sich in P. n befindet, mit selbständig hinzugefügten Ermahnungen des Schrei-
bers an Väter und Brüder ; im übrigen wird das Verhältnis von P. I und P. II
kuiz besprochen.
Der polnische Text ist nach der Ausgabe von Prof. Bozwadowski abge-
druckt (mithin als die dritte Ausgabe), er steht links, ihm gegenüber steht
rechts die russische Übersetzung, unter dem Text stehen die notwendigsten
Bemerkungen : Wort- oder Formerklärungen, Korrekturen, Lesarten (es kom-
men vornehmlich die beiden Petersburger Handschriften in Betracht).
Der russische Text ist wohl richtig gelesen, dies ist bu sehen aus den
leserlichen photographischen Faksimiles, die event zur Sjmtrole dienen kfin-
iMn, vor allem für die Sorgfcilt der VerfiuBserin Zeugnis abgeben. Textkiitisch
w&re manches zu bemerken. Ich wähle zur Prüfung S. 55^-57 : v. .206 war zu
Terbessem: alem kofzy ne ruTzyla; v. 210 Stegom fzya//, zijnotham bysdsyla
ist richtig, die Korrektur oder Erklärung z fywotem unnötig; v. 218 maß es
heißen: pothem yvfzem . . . ftraczyla; v. 218 w them fzlamya kofczy ist riditig
za lesen: w tarn zfauni^ ko^ci, die Erklärung temu nicht nOtig; v. 225 tüiy
fthofztwacz soll wohl heißen mystrzowad; v. 226 vefodrzy ist richtig, wzdneö
in die Höhe heben, zadrzysz nog^ ist sinngemäß. — Bussische Seite: v. 207
jnÖBJUh ist richtig, ytSEAa bloß sinngemäß; pastenn am Bande übarflÜBsig.
S. 57 f pndiv d. h. z pndra zu korrigieren z pnzdra; v. 225 v oczemgnyejyv
ist mittelalterlieh richtig, w okamgnienin bloß sinngemäß.
Wir heißen die neue Hitarbeiterin willkommen, die sicheriich wedsr Zeit
noch Mühe nnd keine Opfer zu scheuen verspridit im Dienet der liebgewon-
«enen Wiasensehaft. IT. Ntihrmg.
Kleine Mitteilungen*
Jugendprozesstonen zu Ostern in Lubom im Kreise JRatibor und eine
Urkunde darüber aus dem Jahre 1672.
In dem 2-teii Heft des II. Bandes der in Oppeln von Wilpert heraiiB-
gegebenen Zeitschrift Oberschlesische Heimat vom J. 1906 gibt Herr Pfarrer
Gregor in Tworkaa interessante Mitteilungen ttber oberschlesische Oster-
gebräache, danmter Jagendprozessionen im Kreise Batibor. Indem ich auf
diesen Artikel hinweise, will ich mich auf die Jngendprozessionen in Labom
beschränken, weil über diese Ostemmzttge sich in dem Lnbomer PfamurchiT
eine Urkunde vom Jahre 1672 befindet, ans welcher sie genan zu erkennen
sind. Ich werde sie nach einer vom Herrn Pfarrer Gregor gemachten und mir
gütigst Überlassenen Abschrift hier weiter unten mitteilen.
Die Organisation der genannten Osterprozession geschieht am Oster-
sonntage nach dem Nachmittagsgottesdienst: im Freien kommen Jünglinge
und Jungfrauen unter dem Vorsitz des Gemeindevorstehers zusammen und
wählen einen Jugendvorstand und zwar einen foit pacholczy (Jünglingsschulze)
und zwei Wärter ströiowie, welche die Figuren des gekreuzigten und des
auferstandenen Christus zu tragen berechtigt sind, sowie 18 Beisitzer, praw-
nicy, lawnicy. Auch Mädchen werden gewählt, zmn Tragen von Elirchen-
bildem bestimmt. Die wählbaren Burschen und Mädchen müssen unbedingt
unbescholten, ihr Lebensalter im aUgemeinen das reife Jugendalter sein ; ihr
Amt ist die Beobachtung der traditionellen Ordnung und Sitte: es ist z. B.
unter Strafe von 50 Pfennigen den Burschen verboten, in der Zeit von Osten
zu Pfingsten in den Abendstunden herumzuschwärmen oder auch nur unter
vier Augen Mädchen anzureden.
Die junge Gesellschaft begibt sich nach geschlossener Beratung zum
Ortspfarrer, meldet ihm die gefaßten Beschlüsse, zieht auch zu anderen Be-
kannten hin, die sie durch ihren Besuch ehren will, und begrüßt sie im Namen
des Auferstandenen. Bald werden Fahnen und andere Gteräte besorgt und
dann an bestimmten Terminen, sonntäglich am Floriansfest den 4. Mai und
am ürbanstage d. 25. Mal, auch sonst die herkömmlichen Prozessionen unter-
nommen.
Ich lasse nunmehr die erwähnte Urkunde genau mit allen Zeichen,
Strichen, Fehlem, Streichungen und allen orthographischen Eigentümlich-
keiten folgen.
Kleine Mitteilungen. 619
leh habe im Archiv wiederholt Denkmäler der oberschlefliflohen Sprache
mitgeteilt: ein schlesisch-pohkisches Hochzeitagedicht; eine SchenkungB-
urknnde anBEreazbnrg ans dem XYI. Jahrb.; ein Nenjahrsgedicht; die jetzige
Urkunde ist nicht minder interesBant, als die frliher mitgeteilten.
Kiechay wBzystko b^ndzie na cze8<$ Boga wtroycy Bwi^ntey iedinymn, a
na ehwalym i) niepokalaney Pannie Maryi, iak te£ na wi^kBz^ ncziwoBÖ pa-
tronoe naezey Magdalenie Bwiyntey, i wszystkim Bwiyntym.
My lOodzincy wszyBcy iak BwoyBcy tak shiiebni temie Bpofiobym^ i
wBzyBtkiDzieweczki na tyn czas wdzedzinieLnbomi zastawai^ncy (bIc) w Rokn
1672 w Poniedziatek zmartwych powstaMa Zbawiciela naszego na mieyBce
pewne WBzyBcy Bpol:eczi&ie zeezüsmy bIq, a Bpoln^) (oto) Btaranie mieliBmy,
iakim BpoBobym, my GrzyBznicy z onymi Maryami z Grobn powBtalego JezoBa
l^aBaranBkiego Bznkad mielibysmy.
Toli iednak dosnawBzy w tym Effecie^) Dncha Bwiyntego nmyBlyli i
womS^ to niycsyli, iebyBmy nie tylk^) my ktorzy ieBzcze do woli Boiey zy-
jymy, ale tei i ci, ktorzi po nas na Btan^, i na tymie LabomBkim Gröncie
8poiecz£ie z Dzieweczkami zoBtawad b^nd^, pocz^nwszy od wtorkn Wielka-
noonegOi nie do zesla^ia Dncha Bwiyntego, w kazdi| niedziel^ i w ka£de
zaswiyncone'') Bwiynto, po pohid^in okolo Qminn LnbomBkiego, b wielkim
Naboiy^Btwym, roBmyBlai^nc Bobie (ono) Odknpiynie naBze, ktore eie ataio
przee emartwych powBtaiiie, od nmarlego Pana i Zbawiciela od prawiali.
Jak tei i zakaznjymy, gdzie ini tn potrzeba b^ndzie poniechaö, pod
naznaczon% koicieln^ Poknt^, wBzelakich nieshiBznych rzeczy. Czego ncho-
wey PaMe Boie i£by Bie przy takowych ProccByach takowe nierz^ndy znay-
dowaö miafy. A dla lepszego tego nwarowa^ raczey kaido rocz^ie dwnch
ströiöw ieby tego pilAie poBtrzygali obiyrano, a tak wBzycy na to poBwoliw-
8zy i JednotQ przyi^wBzy przy Upefaiey Gromadzie, ktora Bie Bwykla w dzien
Urbana Bwiyntego odprawiaö. Nayprzod nkioniwBzy bIq wyBOce nczonymn,
iego Mo6ci Xi^ndzn Fararzowi, i Dubz naBzych na tyn czas PaBtyrzowi Wie-
lebnynm Pann Laorentymn Bernakdowi^ B^awnego Btohi Baciborskiemn w
DnchowiynBtwie Seniorowi, a potym tei zacnymn Ürz^ndowi LnbomBkiemn
i caley Opcy^ n^izynie, ich oto pro8z%nc, by nam tego wiecznymi czasy od
prawiad przyBwolyli, a iak oni widz^ ii to rzecz do naboiynBtwa godna, nam
tego i wBzyBtkim po naB bynd^ncym Mlodzinc^ ^O) i Dzieweczkom takt^ Pro-
ceBy% dozwolyli, naB pilnie w tym napominai%nc, iebyamy nayprzod z Boga
a potym z Biebie Bamych poBmiywiBka poprzeetawBzy tego ^^) na potomne
czasy nie uczyniyli; a mai^nc od Bwych mianowanego iego MoBci Xi^ndza
Fararza iak tei od zacnego Uizyndn i caley Opcy Labomekie ^, pewne wy-
nanczynie i pozwolyli, a iebysmy tei ko^cielnych na tych ie proceeyach
Chorongwi nie pBuwali, podhig przemozynia ^^ nboBtwa naszego iedn^ par^
Ohorongwi s ktorymi na tych procesyach chodzid mamy sprawiylismy. To
tei iednak i to nwaiywszy sohle, ie iako cziowiek, tak tei i te Chorongwie
wieczne czasy trwaö nie mog^ Roka 1674 ^i) w tym ie wtorek Wielkanocny
Schack^ mai^c, Foita i tei cafy Urz^nd Mlodzinski miyndzy sob^ postano-
wiyli, ieby od datom tego rokn wiecznymi czasy w dzie^ wtorkn Wielka-
noenego takowa Schacka bywala, a kaidy Mlodzi^iec w przitomnoici Foita
£20 Kleine Mitteilungen.
i ci^ego Unyndn Mlodziöskiego, iedjn piyntok ^) a iedna kaida dzieweczka
po iednym grjiearn oddawi^a do BkninkiMlodzinakie^), ktora ei^ w koaeiele
chowac ma, takowe piMendae, wiela sie ioh wybiene cliowa6 nud^, a to dla
tego ieby po zniazozyfda tyoh Chorongwi, ktorech ^) my fpiawiyli, inoae asas
kupowad mieli) a wiecznymi ozasy aby takowe Choröngwie nie zginyiy, wazak
ie to zdobrem nmy^m nczyniwszy naypraod Wielebnych a Dostoynyeh loh
Mo6ciow Xi^ndzow Fararzow Lnbomskioh, ktorzi na Faiae Labomakie ^
mied ai do skonczynia i Bniny kosoiola Lubomskiego b^dti^ a potym tei i
wBzyBokiey Obce Lnbomskie, dla chwi^y Bozey nniazy^ie i modlitebnie pro-
aimy zeby wiecz^emi Czasy Pamiontka naeza i Gonatitatio ta nieginyia i ka-
ayrowana niebyia, ale raozey niechay Popoinie^} Ludaie wiynkflay na to
respeot maj^, ieby czym daley teym wiQcey Ghwaia Boga wezych poranoiaila
sie, a gdyby özasy na stafy zeby Modzierz i®) tak do Naboienatwa oai^bla i
niedbala by cie ^) ich osobliwie Ktorzi Boga naten ezas Mie^owai! b^d^ do
takowego naboienatwa mieli atego Im poprzeatac nie dopuidili oto ich pow-
tomie prosim, Rokn 1674 to Dzien Urbana 3 przitomnoBöi ^) üp^e Gromsdy
za po zwoleniem Jego Mosel XLarentego BernadaFabrynaa FarazaLubom-
akiego i cale oboe^ Labomikiego Foyta i ca^^ego nnendn i na rzondov
Mlodiinoöw i Dziew i wszystkie czeladzi iak Domowey tak cudze w daienie ^
-w Lnbomiflkiey takowey swienty ^) az sie im schwa loie a Duohwie ^) wi6cs-
nymi czaay wszak bez przezkaki gwaHownie ^ iednego kazdego Goapodana
Dolego ^) przy ^ StiJ:o sie Bokn i dnia nt snprawy a ^ na mleyscn CaJtej
opce niemaii^c aekretu ^) tego doz^daliamy ^) Jeg Moaei X by na mieyaöa na-
azem Sekreta Bwem 3^) to polwierdzie} ^) Raczyi to ieBt
dla
Johana Brndka.
1) d. h. ohwat^. *) czeohischer Einfluß. ') epoln.
«) Bollte heißen effekcie. ^) w&m. ^) wahncheinllch an lesen tyik.
'^ za&wi^oone. ^ wohl Bernatowi. ^) dat. zu obec die Gemeinde.
10) mlodzie^com. ^^) nämL po4miewi8ka. ^ czechische Deklination.
^3) podhig przemo^enia nach Vermögen. i*) wiederholte Beratong?
1^) pi^tak FünfgroschenBtück (50 pf.}. ^^'j czechiBche Deklination.
i'O heute kröre^my. ^ poboini. i^} miodziei, der Laut l
nach oberBchles. Weise vemaohläsBigt. ^) ci ich, d. h. ci z nich. >>) soll
heißen w przytomno6ci. ^) hier ein Komma zu setzen. ^ «oll heißen
w dziedzinie. ^) der Ortsheiligen von Lnbom Magdalana?
-^] acz (aö, 6ech. at'?) sie im Bchwaluje i döchowuje? ^ wohl praeakaiy^
gwi^townej. ^ unverständlich. ») supra gehOrt au nt, aber wy a
ist unerst&ndlich. ») sekret ist wohl Siegelring. ^ wir baten.
31) sekretem swym. ^ potwierdzid.
JF. Nehrmg.
EJeine Mitteiinngen. ' g21
Die vüio mortis des Polykarp in einer Prager Handschrift,
In dem CatalogoB eodioam m&noscriptomm latmonim der öATentliehen
und UniyenitSts-Bibliothek in Prag von Joseph TrohlÄ^ 1906 habe ich nnter
der Nummer 2671 die Notiz gefonden, daß in einerHandschrift vom Jahre 1414
fol. 193^^ — 199» ein Traktat visio Polyoarpi (visio mortis] sich befinde. Auf
meine Bitte hat der Herr Bibliothekar sehr bereitwillig einen Anszng mir zu-
geschickt, der zur Charakteristik des Inhalts der Erzählung ausreichen dürfte.
Der Traktat hebt mit der folgenden Einleitung an: Nota de morte, quod
quidam magister nomine Policarpus (sie) in ybemia deo multum supplicavit,
nt ei ostenderet mortem in aliqua disposicione Ita quod post longum precum
instanoia a domino meruit ezaudiri. Nam una die ei oranti post misfam cum
populuB abscesfisret de ecclesia, perseveraverat in oracione, appamit ei
ymago terribilis et lamentabilis cincta ad lumbos lintheo et omnes morbos
creatorarum in vase ferrea portans in oincto brachio et tota existens pallida
et in manibua tenens falcestrum horribile, coram se habens celum apertum et
retro se infemum et ad dextram purgatorium et ad partem sinistram lymbum
puerorum et monumenta totius mundi aperta.
Das prahlerische Selbstlob des Todes beginnt mit den Worten: Ego
snm mors que claudo omnia vivencia et finem eis impono deo volente et per-
mittente. Et non est qui se abscondat a meo dominio. Ego animalia silvestria
et domestica, aves, pisces et immunda seu yenenosa insecta que in aere et in
aquie et in terris et in igne et in omni loco habitant, ad meas scolas accipio.
Ego snm potens quod homini deo multum dilecto non paroo et nobili creature
dominor omnium (sie). Nam die mihi ubi sunt principes mundi gigantes no-
minati qui ante multa tempora faerunt sicud (sie) reges, barones, imperatores,
nee Mathusalem longevus, nee Salon (sie) sapientissimus, neo Absolon (sie)
pnlcher nee Samson fortis nee AUexander (sie) potens nee Virgilius nigro-
manticus nee Aristotiles (sie) nee Socrates nee aliqui ex philosophis potuit
scolas meas evadere ....
Weiter spricht der Tod: quia si dicis: non dominaberis, adhuc dico tibi:
qnia restant tibi anni quinque quibus vives»
Das Ende lautet: Ad hoc respondet magister: Gircumdederunt me ge-
mitns mortis, dolores infemi. Tunc dixit mors: Ulterius tecum loqui non pre-
Bumo, sed vitam tuam emenda.
Es ist offenbar, daß dieser Prager Text mit dem polnischen Gedicht nicht
unmittelbar zusammenhängt, aber er beweist jedenfalls eine allgemeine Zu-
aammengehdrigkeit mit den bis jetzt bekannten Erzählungen von Polykarp
und dem Tode, auch mit den zwei Münchener Visionen und dem Florianer
Text, überhaupt den mittelalterlichen Erzählungen desselben Inhalts: das
absoheuliohe Bild des Todes, die >Schule< desselben als die wiederkehrende
Stätte seines Waltens, das Erseheinen nach der Andacht, als die Kirche schon
leer geworden, der niederdrückende Eindruck von dem ekelhaften Toten-
gerippe mit der Sense, die Mahnung zur Besserang, welche amEttde stets
wiederkehrt, sind die gemeinsttnen Züge, welche duauf Undeuteii, daß die
bis jetzt bekannten Erzählungen aus einem Grundtext herrorgegangen sind.
622 Kleine Mitteilimgen.
der mOglicherweiBe, ja Bogar sehr wahrscheinlich während und infolge einer
schrecklichen Pest, vielleicht in der Zeit des schwarzen Todes im XIY. Jahzii.
in einem Kloster entstanden ist; man möge sich erinnern, daß damals unter
dem Eindruck des wütenden Todes anch die Sekte der Geißler entstanden ist
Bemerkenswert ist, daß der Prager Text aus dem Jahre 1414 stammt Ereüich
haben die einzelnen Texte, auch der Prager, ihre Besonderheiten.
W. N^hring,
CyjyHÄ&p — awlijvaQiov.
Dans le Bje6nik de Vuk ce mot est ainsi expliqu^ : die Rauchrohre am
Ofen. Dans une description de la maison villageoise en Ka£er (d6partement
de Bndnik, Serbie) nous lisons : »Y tomo je sHxy, Maio hshax orKnnxa, npopes
8« zoseae co6&6 nehs, a hshax OBora Apyrs, iiafta sa HSJtaxei&e xana as cy-
zyHxapa ox nehac (Dans le mur de la cuisine, un peu au-dessns du foyer,
se trouve une ouvertnre par laquelle s'effectue le chauffage du po^le de la
chambre; et au-dessus, une autre Ouvertüre plus petite, pour servir de sortie
& la fum6e provenant du tuyau du podle ^).
Nous avons pu apprendre qu'on donne encore au cyxynx&p la significft-
tion des conduits de la chaleur dans les fours des boulangers et qu'on appelle
ainsi toute ouverture pour la sortie de la fhmöe dans les maisons construitas
primitivement, saus chemin^es. N. Petroviö Po^hek «paHuycEo-cpncui se sert
du mot cyxyBAäp pour traduire ventüateur dans le sens de tuyau destin^, dans
les lieux d'aisance, k rSvacnation des gaz. Les mlundars ^taient autrefois en
ma^onnerie ou en terre cuite; 4 pr6sent on les construit en töle. Ha ont
habituellement une forme plus ou moins allong^e, et c'est pourquoi en Serbie
on donne en plaisantant le nom de sulundar au ch&peau de haute forme (Cy-
linder). Le hodja Mehmed Ramzi Deliö, originaire de Bosnie, me disait qu^en
Bosnie on parle suUnBr au lieu de nUündär,
Le Bje6nik de Vuk marque le mot cyxyHxap par un ast^risque, signe d'un
empmnt du turc. 6j. Popoviö TypcKO ■ ffpyre HCToqaHCRe pe^a y cpacBOMe
fesHKy, FxacHHK 59, 200 note seulement que le mot cyxyexap provient du
persan. Hodja Mehmed Ramzi Deliö m^assure que le mot cyjrysxap n^est pas
turc et que le mot qyHaR (de signification presque identique) provient du tnre.
En verit^ actuellement le mot ^ynaR commence i remplacer le mot cyjryxxap.
Si Ton envisage seulement un paragraphe de Synopsis minor (Liber jn-
ridicus alphabeticus): T^ xoiv^ tolxtp ffojkfjyac riyovy CfoXrjvaqta ivovy
xfixoiAvTai, la loi qui provient des Basilique LVIII, 2, 192), on peut<voir que
le mot suUnür^ stUündSr n^est pas turc. Chez Sophocle Greek Lexicon for the
roman and byzantin periods nous trouvons aaXr^v (pipe), ctfoX^yioyy ffwXijya-
qioy a kind of hollow arrow, aiaXrjvoBi^rjs (like a ofaXT^y) et ifmXrjynxo^
grooved, hollowed out.
i) ^p. J. UBHJHfa, HaccAa cpucRHZ seMaiba, ni, 756.
^ Zach. V. Lingenthal, Jus graeco-romanum n, p. 240.
Beigrade. SU Novahmc.
Kleine Mitteüiuigeii. 623
Eine glagolitische Inschrift,
In Dnga bei Moiöenice in Istrien, wo ich den vergangenen Herbst
weilte, kam ich znflUlig zur alten Kirche in St Peter in Gonya Draga. €ron\ja
Draga wird zum Unterschiede von der am Meere gelegenen Ortschaft Draga
jene Bergschlacht genannt, die sich von Draga ans gegen den Honte maggiore
ausbreitet Diese Schlucht ist an den unteren Abhängen bebaut und mit ein-
seinen Wohnhäusern besetzt Am unteren Ende von Gomja Draga, etwa
V4 Stunde Weges abseits von der nach Moiöenica führenden Reichsstraße,
steht die genannte StPeterskirche. Sie gehOrt zur Pfarre Mo&öenice und es
wird darin zuweilen auch Gottesdienst gehalten, namentlich wird alljährlich
Im Sommer das Patrociniumfest unter großer Beteiligung der Anwohnerschaft
daselbst gefeiert. Die Kirche ist ein einfacher Bau, vier weißgetfinchte Mauern
mit einem flachen Plafond, einem gewöhnlichen Dache und einem Mauerturme
mit zwei kleinen Glocken. Vor der Kirche ist eine Vorhalle, deren Dach auf
Säulen ruhend sich an die E^irche anschließt Unter dieser Vorhalle befindet
sich an der rechten Seite der Kirchentür ein runder steinerner Weihbrunn-
kessel, der in die Kirchenmauer von außen eingemauert ist In die äußere
Rundung dieses Weihbrunnkessels ist folgende zweizeilige glagolitische In-
schrift eingemeißelt:
^. M^'^^
Kompetente Beurteiler, Msg. Dr. Buliö in Spalato, Hofrat Dr. Jagid, er-
blicken in den vier ersten glagolitischen Schriftzeichen (^ ? n! y.) die Jahres-
zahl 1573, die folgenden zusammenhängenden Buchstaben ergeben das Wort
decembra. Es ist somit in der ersten Zeile die Datierung enthalten. Die Deu-
tung der zweiten Zeile (r.a.cr.) ist unbestimmt Die Ligatur (er.) kann als
crkey gelesen werden; hierbei wird man annehmen müssen, daß die beiden
▼orangehenden Schriftzeichen eine nähere Bezeichnung der ELirche enthalten.
Vielleicht könnte man die zweite Zeile mit Bücksicht auf den Namenspatron
der Kirche als sv. apostola crkev deuten. — Was auch der Sinn der zweiten
Zeile sein mag, die erste Zeile bekundet die Zeit der Entstehung der Inschrift.
Die Tatsache, daß um das Jahr 1573 die glagolitische Schrift in der oben ge-
nannten Gegend im Gebrauche war, dürfte immerhin ftlr die Leser des Archivs
Ton einigem Interesse sein, weshalb ich mir die Sache mitzuteilen erlaubt h abe
Laibach, im Dezember 1 907 . Jos, äuman^
Hofirat ond Landesichnliiifpektor L R.
624 Kleine Mitteilungen.
Ein Beitrag zur Biographie Arsenius* IV. Jovanovic.
In der alten serbischen Kirche in Mostar befindet sich ein anf Holz ge-
maltes Bild des Fürsten Lazar mit der Inschrift, die wir unten mitteilan.
Die Inschrift ist von Interesse, weil sie uns etwas neaes über die frühere Lauf-
bahn des Patriarchen Araenins* IV. Jovanoviö berichtet, von welcher nns fast
gar nichts bekannt ist. Man weiß von ihm, daß er im Jahre 1737 nach Belgrad
kam, daß er 1741 durch ein Diplom der Ejtiserin Maria Theresia beatätigi
wurde al6 aotuale super universo clero ac natione rasciana in regnis et pro-
vinciis Nostris haereditariis caput ecclesiasticum, und daß er im Jahre 1748
starb, und zwar, wie in dem Werke »Gp6H y YrapcRoj« (aus dem Französischen
übersetat und mit Berichtigungen ergänzt durch Dr. St Pavloviö, Neusatz I,
S. 136) steht: am 6/17. Jttnner, und bei dem unten zu zitierenden Jak&i6 am
19. Jänner (»EpaHROBo Koio«, 1899, S. 1079). Nähere Angaben über das frühere
Leben fehlen auch in der umfangreichen Monographie des Prof. Milutin Jak-
siö: Über Arsenius Jovanoviö äakab«ata (erschienen in Karlowitz, zuerst in
»EpaHKOBo KojEo<r, und dann separat abgedruckt 1899). Seine Darstellung be-
ginnt erst mit dem Jahre 1736 und umfaßt die Tätigkeit Arsenius^ in Ungarn«
welche eng geknüpft ist an die Geschichte des serbischen Volkes im österrei-
chischen Staate.
Die Inschrift hiutet: H30epa}KfHU BCAHKariV KMA3A G$pa-
CKarw, cTarw AaaapA, koh bi^ ISSO''^ roA^ c xSpfi^KH OyA-
TaNo IIuifpaTOU'k Na Kocosouik noaio EpaHk HUlSA'k, r^^ h
nOA^MHAlik UV'HfHHHkCKY'IO KOHHHHY'. 6rWHC€ T*KA0 EHk 3a
ivcBHA*KTiAkCTBOBaHif npaBOH OipBCKarw HapoA^ Kt^pki
HCTA*KHH0 l^lLAOC H A^ AHfCk COA'P^HTli H nOHHBAfT'k OHOC
B'k UHTkip*K fifpAHHKlk Blk /AHTpOnOAlTCKOH OpfUCKOH
6nap)fHi: xirnkjcirw CEpaaa nipB*kc 1746 CAarocAOBCHYiu'k
BAasKiHonoHHfiiuaro üaTpiapxa h ^px'finKna I. flpcfHlA Iw-
aMHOBUHa MfTBiprarui, 6rA4 bubuiih a^^^hckia obh-
T(AH flpi^HuaHApYTib. ÜOTOU^k CnKn'k BcpiuasKYH, a Ha«-
nocAlLAH fIpX'icnK'k H M'iTponOAiTik r. JfivaHHik riwprUfBHMa
HSAAH'h, HHHUM&C TOrOSKf flp^fMIKfld 9p)fHA'(M^H'k IwCH^
KwaHNOBHHlK llIaKaEKHA'K CBOHMlk HXCAHB(NYfU*k \-CTpOHTH
H OHOU^SKf UHTUplO Blk HOAkSS ynOTpiBACHlC A^P^B^'T»
COHSBOAHA*k 1773. Wie man aus der Inschrift sieht, war Areeniui andi
Archimandrit des Klosters Deiani in Altserbien; eine biographieche Notia,
welche bis jetzt ganz unbekannt war.
Dem Arsenius wird vorgeworfen, daß er wenig VerstündniB für die kul-
turelle Entwicklung des Volkes zeigte; daß er wenig Interesse dem Schul-
Kleine Mitteilmigen. 025
wesen entgegenbrachte, daß er in seiner Diplomatie ein wenig zu primitiv,
manchmal zu orientalisch war. Das ist selbstverstHndlieh Mangel an einer
höheren Knltor, welcher fibrigens leicht zu verstehen ist Er stammt ans sol-
chen Gegenden, in welchen das knltorelle Niveau der Priester nicht hoher
war, als das des klassischen Popen Miöo im »Gorski Yyenac«.
Wie das betreffende Bild nach Mostargekommen ist, wußte mir niemand
zu sagen. Es ist sonst sehr rein und sorgfältig gemacht, natürlich mit der
Tendenz den FOrsten mehr als einen Heiligen darzustellen.
Vladimir Caroviö,
Zur Etymologie von asl. aite.
Ältere Versuche verzeichnet Vondr&k, Slav. Gramm, n, S. 491 f. Er
selbst meint, daß sieh die verschiedenen Reflexe in den einzelnen slavischen
Sprachen zunächst auf ein urslavisohes aSe am besten zurflckftthren lassen.
Neben dem aSe gab es im Urslavischen noch ein aü. Durch Kontamination
konnte aus aU und aie ein aUe^ ai6e und dann im Altkirchenslavischen und
Bulgarischen aiU entstanden sein, r- Ich möchte lieber von der indoeurop.
Form f^ a-ie ausgehen, nämlich von *öd•q^e (Brmgmann, Kurze Vgl. Gr.
S. 615), woraus asl. o«-^« ai-^e ai-te hervorgehen mußte. Aie läßt sich da-
neben durch neuerliche Zusammensetzung der beiden Elemente, die ja auch
jedes für sich in hypothetischer Bedeutung vorkommen, auf slavischem Boden
erkliren (vgl. auch a-ie), A. Mmid.
Eine kroatische Privaturkunde (Pfandbrief) vom J. 1663.
Jas Ivan Korenika aliter Ferlian y ia Catharina Bruchek valuiemo po
ovom nafsem otvorenom lifztu, kako mi buduchj vu teskom vremenu k na-
vlafztito vu gladnom letu tesko nascu dechiczu hranechj, vzemsi na fze terh
vze nafce rodbine blisnie y dalechne, koieh bi fze dole napifzano dugovanie
koiem gode modusem dofztoialo nekoie nafce dve fzinokoske na dva kofzcza,
iednu na pogorischu, drugu vu hrechiniu inter foenilia Lucae Korenika aliter
FoerUan et Matthiae Bruchek, omnino y pofsione Yukomerleh Campo et cottu
Zagrab : exiften^ za dva vugerfzka dnkata y za dvaifzet novacz, Plemenitem
Mattheiu y Jurku Petranichem dodofzmo y zalofizmo, da derse mirovno y
ladaiu dokUm mi alj nafsa decza rechene peneze nym ali nyhovomu odvetku
povememo, y to vzigdar pervo Jurieva; k tomn vzezmo na nas vfzu Evictiu,
toieto ako by e fto vu tom zalosnom kupu bantuval. Zverhu koiega vzega y
dazmo ovo nafse pifzmo za prifznoga vremena tverdnoftj y mirovnostj radj.
actum die 1 mar. 1663.
Diese Urkunde verpfändet zwei Wiesen gegen eine geliehene Summe
von zwei ungarischen Dukaten und zwanzig Münzen, ausgestellt ist sie vom
(adeligen) Ivan Korenika aliter Ferljan und Katharina Bruchek (Bru6ek) an die
adeligen Brttder Matthaeus und Georgine (Jurko) Petranich (Petranid) am
1. März 1663 im Bereich der adeligen Gemeinde Turopolje, wo noch jetzt das
ArokiT Ar tUTiMh« PUlolofi». XXIX. 40
g26 Kleine Mitteflnngen.
Dorf Vnkomeriö besteht. BeachtenBwert ist daa Wort hreüf^'e, das in dieeer
Form im akad. Wörterbnch nicht eingetragen ist, aber offenbar mit hre^'^ In
der Bedeutung sich deckt, d. h. etirpinm copia bedeutet, wie es bei StoUi
heißt Es stellt sich darnach heraus, daß der Ausdruck hrek mit seinen Ablei-
tungen, wozu hreSif^'e gehOrt, nicht bloß in den südlichen Gegenden des
serbokroatischen Sprachgebietes, sondern vormals auch im Norden Kroatiens
(also an der Save) bekannt gewesen sein muß und zuletzt sich wenigstens als
Flurbenennung erhalten hat Das Wort hreütifB ist so gebildet von hrek in
der Bedeutung eines Feldes, wo es viele hrek gibt, wie von krt (Maulwurf) das
Wort krtmj'e existiert, das ich als Benennung eines Feldes kenne, wo ein
Acker meiner Eltern lag. Etwas zweifelhaft ist mir dagegen das Wort pri/z-
noguj offenbar wird eher prifaznoga^ d. h. prüasfioga (futuri) zu lesen sein, da
der Ausdruck primi in der Bedeutung »immerwährend« kaum damals dort be-
kannt gewesen sein wird. F. «T.
Poia.
Novakoviö sprach in seinem Aufsatze über noma jaaHqapcKa im Archiv f.
slav. Philologie (XXVm, H. 1, S. 158 und 159) die Vermutung ans, daß noma
orientaliBchen Ursprungs sei und hat sich darin nicht getauscht Dies nach-
zuweisen ist der Zweck der folgenden Zeilen. Schon Miklosich hatte in seiner
Abhandlung: Die türkischen Elemente in den Südost- und osteuropSischen
Sprachen (Wien 1884) II, 43 serbo-kroat poia mit tttrkisch p6i zusammen-
gestellt Dabei ist aber eine lautliche Schwierigkeit ganz übersehen. Ein sln-
visches poia^ neben dem die Wörterbücher eine wenn auch seltenere Form poie
verzeichnen, deutet auf eines jener zahlreichen türkischen Substantiva mit dem
Suffix -a bzw. -0 (in einigen Fällen -d) hin. Es ist hierbei für unsere Frage
selbstverständlich gleichgültig, ob die mit dem genannten Suffix gebfldeten
Worte ihre Heimat in Persien oder in Arabien haben, denn sie sind eben ent
durch Vermittlung der Türken in die südslavischen Sprachen eingedrungen
und heimisch geworden. Belege fttr die Regel, daß die türkische Endung -a
bzw. -« erhalten bleibt und daß umgekehrt serbo-kroatisches -a auf die ent-
sprechende Endung des entlehnten Wortes zurückgeht, bietet jedes Wörter-
buch, vor allem aber Miklosichs Zusammenstellung. So wird ja das türkische
Mga zu serbo-kroat hodiay das türkische tolama zu dolama, vulgärtüik. haxna
oder hazne (arab. iazine) zu haitiOj türkisch d^äy ein ursprünglich persisches
Wort, zu diba usw. Nur ganz selten finden sich dagegen Beispiele, wo das
türkische Stammwort durch den Zusatz des Suffixes -a erweitert ist Der Grund
für eine solche Erweiterung wird häufig in der femininen Gestalt oder Bedeu-
tung des einheimischen Synonymons gesucht werden müssen. Nicht immer
liegt freilich der Fall so klar, wie in serbo-kroat kaduna »vornehme, türkische
Dame«, das aus dem türkischen kädj^ abzuleiten ist Hier hat die Bedeutung
die Suffixerweiterung veranlaßt und durch das angehängte -a dem Worte femi-
nine Gestalt verliehen, ähnlich wie sie in deutschen Dialekten den Gesohlechts-
wechsel von »das Fräulein« zu »die Fräulein« hervorgerufen hat Anden
Kleine Mitteilungen. 627
steht ee mit dem serbo-kroat 69f6kt^ welches in der Gegend Ton Skntari für
BMunUa »Meerisohe« gebranoht wird; dieses ist ans dem italienischen e^/afo
in das Slavische Übergegangen, während das tttrkisehe JUfdl ans griechisch
xitpüXo£ entlehnt ist Serbo-kroat hena »Dummkopf, dnrnm« gehOrt freilich
zu türkisch him (ygl. Yonssonf Dictionnaire Tnrc-Fran^^ de la langne nsn-
elle, Oonstantinople 1890), nicht etwa sn dem schrifttttrkischen hun >damm<,
wie bisher behauptet worden ist Hier wird aber wohl eine Angleichnng an
das häufigere hudala vorliegen, oder vielmehr wird sich nach dem Vokativ
budaio ein beno gebildet haben, das dann seinerseits einen Nominativ bena er-
zengte. Scheidet man nun Bildungen wie «fupa, wo neben türkischem hip auch
Xupa vorliegt, und den Plural kubure »Sattelpistolen« neben dem lautgesetz-
lichen sg. kubur »Sattelpistole« aus, femer yo^omi, tilrkischy^d^ii, das wie tuda
als Ei^nsung zemlfa fordert, so bleiben noch karfmza, beÜka und belenzuka.
Falls nun karpusa nicht durch gpriechische VennitÜung nach Serbien kam, ob-
wohl ngriech. *€tQnovCi pl. xa^novCia dies nahelegt, könnte man an Einfloß
des synonymen serbo-kroatischen Itib&niea denken; auch die andere Melonen-
art dinja ist ja Femininum. Auf beiika »Wiege« haben wohl koUjevka, iika und
zipka gewirkt, während belenzuka^ das übrigens nur im Plural vorzukommen
scheint, narukviea und grivna neben sich hatte. Das türkische Stammwort ist
byUizyJty beläzyM — auch belezik kommt vor — und bedeutet Ring, Arm-
band usw. Daß wir es in diesen Fällen mit serbo-kroatischen Weiterbildungen
zn tun haben, beweisen auch die regelrechten bulgarischen Formen Kapnysi,
6emaK'& und öejoaBKi; die beiden letzten finde ich freilich nur bei Miklosich
verzeichnet Gegenüber bulgarischem vexeHK'L steht nun auch serbo-kroatisch
ißlenka. Es ist hier allerdings zweifelhaft, ob der Einfluß eines einheimischen
Synonymons vorliegt, denn perfantca, das man am ehesten heranziehen könnte,
entspricht seiner Bedeutung nach nicht genau. Vielleicht hat der ungewöhn-
liche Wortausgang -enk den Anstoß zur Weiterbildung nach dem Muster der
Feminina gvozdenka, zelenka usw. gegeben. Jedenfalls haben wir also poia
entweder auf ein türkisches pSia zurückzuführen oder müssen eine serbo-
kroatische Weiterbildung aus p6i annehmen. Gegen diese letzte Erklärung
sprechen aber die FäUe, wo sicher türkisch p6i entlehnt ist, nämlich die Kom-
posita iarpoi »eine Art Frauenmütze« und öeUpoi (6eUpui) »eine Mütze«. Wenn
andrerseits dem türkischen pdpüi ein serbo-kroatisches papuia entspricht, so
beweist das für eine serbo-kroatische Weiterbildung gar nichts, denn sein
6 macht griechischen Ursprung nanovxa (pl. nanovxaia) sicher. Nun ist aber,
was bisher übersehen worden ist, das gesuchte und erwartete türkische |>^/a
tatsächlich vorhanden. Bedhonse (A Turkish and English Lexicon, Gonstan-
tiaopel 1890) verzeichnet auf S. 459 seines monumentalen Wörterbuchs püie
»a enrtain or veil« und ebenso hat Zenker (Dictionnaire Turc-Arabe-Persan,
Leipzig 1866) auf S. 220 puh »Bedeckung, Schleier, Gattin«. Lautlich ist gegen
die Gleichsetzung yonpoia loitpuiB nichts einzuwenden; denn das ü persi-
scher Wörter wird in der Aussprache des Volkes häufig zu geschlossenem d,
wie ja auch Bedhouse neben pui mit der Bezeichnung vulg^ die Form p6i
bucht Ebenso wechselt schon in der türkischen Aussprache das Sufifix -« mit
-a (htmiU vulgär hamla »Last«, hame vulg. Koana usw.), wird aber im Slavi-
40»
628 Kleine Mitteüangen.
sehen ganz gewOhnlioh -0, wie hagie serbo-kroat. baüa und viele andere Bei-
spiele zeigen. Die Lautlehre wird also gegen ein Zurückführen z,Ji£puie bsw.
p^a nichts einzuwenden haben. Aber anch die Bedentong stimmt zu der
slavisehen durchaus. Schon Novakoviö hatte richtig erkannt, daß von einem
Worte aaszugehen ist, welches allgemein etwa mit *ehäle< zu überseteen wäre.
Aus dem schleierartigen poia {puSe) lassen sich nun ohne weiteres die gefor-
derten Bedeutungen »1. florenes Halstuch {kao cma maramay sto ae nosi na
vratu) 2. eine Art Turban« ableiten. Wenn im Persischen das Wort auch noch
die Bedeutung »Gattin« haben kann (Zenker 1. 1.), so ist das eine in der Welt
des Islams leichtverständliche Metapher. Ebenso wird ja perde »Schleier« als
dichterischer Ausdruck für Keuschheit gebraucht, M^i^perde ist geradezu die
keusche Gattin. Auf keinen Fall darf man nun aber das homonyme serbo-
kroatische poki »Priestersfrau« ebenfalls aus türkischer Entlehnung erklSren
wollen. Denn einmal ist ptde in der Bedeutung Gattin nur für das Persische,
nicht auch für das Türkische gesichert, und dann heißt das sUvische Wort
eben nur die Frau eines Popen. Die einwandfreie Erkl&rung poia aus *popia
ist denn auch längst gegeben worden, vgl. HoBaRosHh, GpncKa rpaaiaxiKaS,
EeorpM 1902, § 220. Die Nebenform poie gen. poieia wird wohl erst auf sUvi-
schem Boden entstanden sein.
Es bleibt nun noch übrig, dem Ursprünge des türkischen Wortes weiter
nachzugehen. Der Weg führt über Stambul nach der Heimat Firdusis. Neben
püie und dem in der Komposition so häufigen pSi (püi) Hegt das persische
Verbum püHdan »bedecken, verhüllen«, und auch anderen iranischen Dialekten
st der Stamm des Wortes nicht fremd. Das kurdische pöi, piUt »schwarz-
seidener Turban« läßt sich nicht davon trennen, und das a^hanische pSiäk
»Kleidung« und p6ilai »verhüllt« gehören ebenfalls dazu. Weiter wird man
aber wohl nicht kommen, da eine sichere Etymologie im Kreise der ariaeben
Sprachen bis jetzt nicht gefunden ist. Geldners Deutung wenigstens (KZ. 25,401)
ist nicht überzeugend.
Wie steht es nun mit bulgarisch nomi, rumänisch po^? Hier hat schon
Miklosich richtig als Grundwort türkisch bzw. persisch püi [pSi) aufgesteDt
Die Stambuler Aussprache scheint übrigens püi zu sein, wenn wir dem in
dieser Beziehung zuverlässigen Abigean (Sndarjak bataran ta6keren-hayer§n,
Konstantinopel 1 892, S. 1 35) folgen. Dies mag nebenbei bemerkt werden. Zwar
findet sich nun jx^/ gewöhnlich nur in Zusammensetzungen, wozu man das oben
angeführte iCellepoi usw. vergleichen mag. Aber Zenker (s. v.) kennt es auch
als selbständiges Substantivum in der Bedeutung: Art Turban, gewöhnlich
aus schwarzem oder rotem Seidenstoffe. Dazu stimmt für das RumäniBche die
Übersetzung von Saineanu (Elemente Tnrce^tX !n Limba Romanä, Buoure^
1885, s. V.) »un fei de turban de m&tase« und das neugriechische nocl »Tcrban«,
welches Legrand notiert Es muß aber wohl auch dieses Wort, wahrscheinlich
schon im Türkischen, nicht auf die Bedeutung Turban allein eingeschritaikt
gewesen sein, denn es wird im Bulgarischen in weiterem Sinne ähnlich wie
poia gebraucht. Belege dafür aus der Volksliteratur finden sich bei Duvemois
(iliDBepHya, cioBspi Öairapcxaro ASMKa no naM)iTmiRair& HapoiHOX ciOBecHocn,
HocKBa 1889, s. v.), nach dessen Werk ich zitieren muß, da mir die Originale
Kleine Mitteüimgett. 629
nicht zngSnglich sind. Wenn es dort S. 1820 heißt: »toa iop6«A3KH o6uqa xa
zo/u ch noAnereHH K&seBpH h Aa ca ciKse ci AHnHCKaHCRH noini: »Dieser Tschor^
bsdzy pflegt in ausgetretenen Schnhen einherzngehen and sich in ein Leipziger
Taschentach sn schn&ozen«, so ist damit die Bedentang Taschentnch, die
übrigens Markov (EurapcKO-^pescRH Pi^HBRi», üjiobahbi 1898) allein anführt,
gesichert Das adjektivische AJinHCKa&cKH fehlt zwar in den balgarischen
Wörterbüchern, wird aber wohl zn dem bei Karadschitsch angeführten serbi-
schen junxcKa > 1 . Leipzig, 2. eine Art Tach« gehören. Ist die Dentang richtig,
Bo liefert sie zugleich einen Beleg für die Wichtigkeit der Leipziger Messe für
die sttdslavische Welt. Daneben hat ja der Tuchhandel Venedigs eine Spur
in der BexeHHqRa voza hinterlassen. Aber auch als »Tragtuch« erscheint nomi
in dem folgenden Beispiel: 6a6a EoauiJiBKa hoch ajLes'B nom'ifc ci ciKaKBs
oBomH . . : »die alte BoiUica trägt ein rotes Tragtuch mit allerhand Obst«. An
einer anderen von DuTcmois angeführten Stelle wieder wird nomi mit dem
Worte K'Bpna gleichgesetzt, das ebenfalls Taschentuch, Handtuch usw. be-
deutet. In der bnlgarischen Volkssprache heißt also nomi ganz allgemein ein
Stück Tuch, welches zu irgend einem Gebrauche, z. B. als Taschentuch oder
Tragtuch dient, und es mag erwähnt werden, daß beiDuyemois die Bedeutung
Turban überhaupt nicht belegt ist. Dieser Umstand macht es gerade nicht
wahrscheinlich, daß pöi in der Bedeutung Turban vom Bulgarischen entlehnt
wurde und dann erst allmählich den Sinn »Tuch« erhielt, sondern legt es nahe,
schon für das Türkische die allgemeinere Bedeutung anzusetzen. Weiter läßt
sich hier freilich nicht eher kommen, als bis umfassendere Aufzeichnungen des
provinzial-tttrkischen Wortschatzes vorliegen.
Das Ergebnis ist also folgendes. Für serbo-kroatisoh poia ist von tür-
kisch p4ie (vulgär p6ia) auszugehen, während das Stammwort für die rumä-
nische, neugriechische und bulgarische Entlehnung türkisch pöi ist. Aber auch
die türkischen Worte sind Fremdlinge im Osmanenreiche, und ihre Heimat
liegt in Persien. Über die heutige Verbreitung des slavischen Wortes läßt sich
bei der Dürftigkeit des Materiales keine Sicherheit gewinnen. Immerhin
scheint es nicht ganz ausgestorben zu sein. Während meiner heurigen Reise
in Bosnien habe ich wenigstens zwei Leute getroffen, die es kannten. Der
eine in Beg aus Travnik bezeichnete damit eine Art Tuch ^marafna*^ der an-
dere, ein Slavonier, der in Bosnien gedient hatte, wollte darunter ein Halstuch
verstehen.
Wiesbaden. Kapput.
Nekrologe.
t Jan Gebauer.
Durch den am 25.Mai 1901 erfolgten Tod des Professors der böhmischen
Sprache und Literatur an der Prager böhmischen Universität, Dr. J. Gebauer,
— er war am S.Oktober 1838 geboren — hat die slavische Philologie einen
ihrer hervorragen^ten Vertreter verloren, für die Erforschung der böhmi-
schen Sprache ist der Vertust in nächster Zeit geradezu unersetzlich. Gebauer
630 Kleine Mitteilangten.
hat sich von der beseheidenen Stafe eineB BealBcholprofeBBon durch Beinen
eisernen Fleiß, dnreh die zähe AuBdauer in der Veifolgong Beiner wissen-
Bchaftlichen Ziele bis znr höchsten Stufe eines achtunggebietenden Vertreters
des Faches an der Universität emporgeschwnngen nnd wissenschafüiche
Werke von danemdem Werte in einem Umfange geleistet, der ihn den be-
deutendsten Philologen neuerer Zeit würdig an die Seite stellt Nach den
vorbereitenden kleineren Leistungen, wie PHspevek k historii 6esk^ch samo-
hlÄsek (1870) und PHspivky k historii j^esk6ho pravopiBu(lS71), die er in
Sbomik vhdeekf Matice 6esk6 Teil 2 und 4, publizierte und nach einigen Bei-
tiügen, die er für Öasopis 6es. mus. und schon früher für Biegers Nau^ny
slovnik lieferte, trat er im Jahre 1874 als Redakteur des böhmisch-slavischen
Teils in die im Verein mit den klassischen Philologen, hauptsächlich Prot
Evi6ala, gegründeten »Listy filologick6 a paedagogickö« und schuf sich damit
ein Organ, in welchem sich seine der allseitigen Erforschung der böhmischen
Sprache auf sicherer Grundlage handschrifUicher Quellen gewidmeten Studien
viel freier, als es bis dahin der Fall war, bewegen konnten. In der Tat be-
gann jetzt eine sehr fruchtbare Zeit seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, von
welcher jeder Jah^ang der Zeitschrift verschiedene aus seiner Feder ge-
flossene Beiträge zur Erklärung der altböhmischen Sprache und ihrer Denk-
mäler lieferte. Es würde mich zu weit führen, wenn ich die Fülle dieser in
Listy filologick^ konzentrierten Arbeit, die jedem slavischen Philologen diese
Zeitschrift als wertvoll und geradezu unentbehrlich erscheinen ließ, einzeln
aufzählen sollte. Ich will nur erwähnen, daß das vollauf berechtigte Miß-
trauen, das Gebauer als genauer Sprachforscher den meisten bis dahin
herausgegebenen Texten bezüglich der Genauigkeit in der Wiedergabe aller
Eigentümlichkeiten einzelner Denkmäler entgegenbringen mußte, ihn veran-
laßte, sowohl in den Listy filol. zuverlässige Sprachproben aus verschiedenen
Denkmälern zum Abdruck zu bringen, als auch an der Herausgabe der >Pa-
m&tky star6 literatury 6esk6«, welche der Verein ,Matice 6esk&* beschlossen
hatte herauszugeben, sich zu beteiligen. Seine Publikationen (Nr.l: Nov&
rada 1876; Nr. 7: iAltki Wittenbersk:^ 1880) zeichnen sich durch die größte
Genauigkeit aus, was man nicht von idlen Ausgaben dieser Serie sagen kann.
Gebauer, der selbst jahrelang an Mittelschulen tätig war, gebührt auch
das große Verdienst, den Unterricht der böhmischen Sprache an diesen An-
stalten durch Abfassung guter Lehrbücher auf möglichst wissenschafüiche
Basis gestellt zu haben. Zu diesem Zwecke gab er eine Reihe von Schul-
büchern heraus: Uvedeni do mluvnice 1876, Hl&skoslovi jazyka 6esk6ho 1877,
später: Mluvnice fteska po äkoly stfedni a üstavy uiitelsk6 1890 (in zwei
Teilen] u. a. Jahrelang floß das Leben und die Lehrtätigkeit des Gelehrten in
ungestörter Ruhe dahin, mag auch seit seiner Anstellung an der Universität
der Gegensatz zwischen ihm und Hattala auf Schritt und Tritt für ihn sich
fühlbar gemacht haben. Dann kam im J. 1886 der allerdings längst schon er^
wartete Konflikt zum Ausbruch, als die Frage über die Echtheit oder Unedit-
heit der beiden hauptsächlichsten Denkmäler, die man bis dahin für wahre
Kleinodien der altböhmischen Dichtung hielt, von neuem unter energischer
Beteiligung Gebauers aufgerollt wurde. Kvi6ala, der sich Hattala anschloß,
Kleine HitteiluBgen. 631
trat von der Redaktion der Liety filologick6 a paedagogick6 snrttck, der Titel
der Zeitschrift ^tr^rde vereinfacht in Listy filologick^ (von Band 1 4 angefimgen)
und (srebaner stand von nnn an an der Spitse der Listy. Das dauerte so bis
snm Z7^^ Band, beim 33t«» Band (1906) sehe ich seinen Namen nicht mehr.
Kieht so sehr die Last der Jahre als die großen Arbeiten, die er noch zu voll-
enden wünschte, mögen ihm diesen Rücktritt diktiert haben. Ich habe im
J. 1886 in dieser Zeitschrift (Band IX, S. 335 — 344) auseinandergesetzt, in wel-
cher Weise der Kampf nm die Königinhofer nnd Grünberger Handschrift zu
jener Zeit von nenem entbrannte, and ohne die Rolle eines Propheten spielen
zu wollen, hatte ich richtig vorausgesagt, daß der Hauptgegner Gebauers, der
eitle Hattala, sein Versprechen, die angefochtene Echtheit wieder herzustellen,
nicht erfüllen werde. In der Tat ist sein oft wiederholtes Versprechen nicht
in ErftUlung gegangen, obwohl ihm ein recht respektables Alter beschieden
war; allein eins vermochte er doch zuwege zubringen: die Verteidiger der
Echtheit, mit Hattala und Kvi6ala an der Spitze, überschatteten die Gegner,
vor allem Gebaner, mit allerlei Verunglimpfungen, die sich durch eine Reihe
von Jahren fortsetzten und dem verstorbenen Gelehrten gewiß so manche
bittere Stunde bereiteten. Man muß übrigens gerecht sein und der Psychologie
der Massen Rechnung tragen. Ich habe schon in dem oben erwähnten Auf-
satz hervorgehoben, daß Gebauer selbst anfänglich viel zu zaghaft vorging,
daß er selbst länger als es gut war, an der Echtheit der KOnig. Handschrift
festhielt und auch bei seinem ersten Auftreten gegen die Echtheit, statt sich
auf rein philologische Gründe zu stützen, hinter die chemische Analyse sich
verkrochen hatte. Außerdem vergaß man nicht, daß einige Jahre vorher er
selbst ein notorisch unechtes Machwerk Hanka's, das Fragment des Johannes-
evangeliums, gegen Dobrovsk;^ in Schutz genommen hatte (1881). unter sol-
chen Umständen kann es nicht Wunder nehmen, wenn die breiten Schichten
der Intelligenz für seine neue Überzeugung nicht gleich zu haben waren. Denn
wenn ein Mann vom Fach mehr als ein Dezennium brauchte, um von seinem
früheren Glauben abzukommen, um von Paulus zum Sanlus zu werden, so
muß man ruhig durch einen etwas längeren Zeitraum die allmähliche Ein-
wirkung so subtiler Gründe, wie es die philologischen sind, abwarten und den
endgiltigen Sieg nicht überstürzen. Das übersahen die jüngsten Bekämpfer
der Echtheit Endlich und letzlich konnte aber Gebauer doch mit dem Erfolg
seiner Aktion ganz zufrieden sein. Seit seiner Abhandlung im Archiv X.
496—^69 und XI. 1— 3l>, 161—188 und der böhmischen Bearbeitung derselben
in Pou6eni o paddlan;^ch rukopisich (1888) war die Streitfrage um die Echt-
heit so ziemlich allgemein als abgetan anzusehen, womit ich allerdings nicht
sagen will, daß jetzt schon alle Umstände betrefiiB des Zustandekommens die-
ser Fälschungen aufgeklärt sind.
Die nach der Unterbrechung von einigen Jahren wieder eingetretene
Ruhe, den Rest seines Lebens, widmete Gebauer jenen zwei großen Werken,
deren Ausbau ihm seit Jahren vorschwebte — das sind die historische
Grammatik und das altböhmische Wörterbuch. An beiden Werken
arbeitete er seit Dezennien zum TeUe durch eigene Sammlungen , zum Teile
durch KoUektaneen, die nach seinem wohldurchdachten Plane durch seine
632 Kleine Mitteilungen.
Schiller zuBtuide kamen. Als vorläufige Beiträge, gleichBam Bausteine anir
Anffiihnmg des großen Werkes, erschienen seit 1885 bald in Listy filologick^
bald in Pojednani kr&l. iesk^ spole^nosti naok verschiedene Abhandlnngen,
die sich aof einzelne Teile der altböhmischen Deklination und Konjugation be-
Bogen. Das waren Vorboten der historischen Grammatik, deren erster Band^
die Lautlehre enthaltend, endlich im J. 1894 im Verlage Tempsk^'s herausge-
geben wurde unter dem Titel : Historicka mluvnice jazyka 6esk6ho, ni^nal
Jan Gebauer. Dil I. HUskoslovi, lez.-8o Xn. 702; nach zwei Jahren folgte
der dritte Teil als Tvaroslovi (Formenlehre) in zwei Bänden: I. Skloftovsni
(Deklination), 1896. 637, IL äasov4ni (Konjugation), 189S. 508. So umfimg-
reich war das Werk angelegt, daß, wie man sieht, die Laut- und Formenlehre
zusammen über 1800 Seiten umfassen. Nach dem Plane fehlt der n.Baad (die
Wortbildungslehre) g^zlich, an dem IV. Bande (der Syntax) scheint er in
den letzten Jahren, so weit ihm von der Bearbeitung des altbOhmischen
Wörterbuchs Zeit übrig blieb, gearbeitet zu haben. Ob sich aus dem voihan-
denen Material wird etwas gewinnen lassen für diesen Teil der Grammatik, in
welchem der Verfasser, wie ich aus seinen mündlichen Andeutungen ent-
nehmen konnte, in manchen Punkten seine eigenen Wege wandeln zu woUen
ansagte — das ist mir unbekannt. Unter den erschienenen Vorarbeiten kann
man nur seine Abhandlung über die Negation (L. Fil. 1883) zur Syntax rech-
nen. Nach seiner [Schulsyntax zu urteilen, hätte er in seiner histor. Syntax
nicht die Methode Miklosichs befolgt, sondern die Lehre vom Satze jedenfalls
vorausgeschickt Übrigens bildet in seiner Syntax doch, aus dem Satze
herausgerissen, den zweiten Teil die sogenannte eigentliche Syntax : »Skladba«
(ve smyslu uiiim). Ich kann mich mit dieser Trennung oder Aussonderung
einzelner Wortkategorien aus dem Satze nicht einverstanden erklären. — Die
zweite Hauptaufgabe seines Lebens bildete das altbOhmische Wörterbuch, das
bis jetzt in 15 Heften fertig vorliegt und bis zum Buchstaben N (naliti) reicht;
der erste Band, die Buchstaben A bis J enthaltend, erschien 1903 unter dem
Titel: Slovnik staro6esk^, und umfaßt Vn u. 674 Seiten groß-lexikon-Format
Vom zweiten Band sind 472 Seiten erschienen, also etwa zwei Drittel des
ganzen Bandes (wahrscheinlich bis Ende des Buchstaben 0 berechnet). Wir
wollen und müssen hoffen, daß wenigstens für dieses Werk sich unter seinen
Schülern ein Bearbeiter finden wird, der nach dem gewiß vorhandenen Mate-
rial das Wörterbuch glücklich zu Ende führen wird. Über den Charakter des
Wörterbuches schrieb ich im Archiv Bd. XXTIL 530—535, kann aber nidit
umhin, auch jetzt offen zu erklären, daß ich in der historischen Grammatik
Gebauers eine größere Leistung erblicke, als im altböhm. Wörterbuch.
> Ich habe schon damals, als der erste, die Lautlehre enthaltende Band
der historischen Grammatik erschienen war, mit rückhaltsloser Verehrung für
die große Leistung des Freundes, auf einige schwache Seiten des Werkes hin-
gewiesen (Archiv XXVin. 585 ff.), die sich kurz so charakterisieren lassen, daß
der Verfasser unter dem Druck der seit Dezennien auf sein eigenes Thema
konzentrierten Aufmerksamkeit den inzwischen auf anderen Gebieten der
slavischen Grammatik gemachten Fortschritt nicht in ausreichendem Maße zu
verfolgen vermochte, und auch seine Schüler nach meiner Auffassung etwas
Kleine Mitteilimgeii. 633
einseitig nur ala Bohemisten in Ansprach nahm. In einem Lande, wo einst
DobroYslr^ und Safaiik wirkten, kOnnte man sich eine etwas andere Bichtnng
der grammatischen Stadien als wlinschenswert vorstellen, nach welcher die
böhmische Sprache zwar den Aasgangs- and Endpankt der Stadien bildet,
aber aar größeren Beleuchtang ihrer inneren Vorgänge anch die übrigen Sla-
▼inen, samal die älteste Schwester, — man gestatte mir den Ansdrack —
Hebammendienste leisten ! Eine derartige Gemeinsamkeit, ich kann mir nicht
helfen, ich maß es heraassagen, wirkt anfmantemd, erfrischend, erweitert den
GcBichtskreis, regt neae Gedanken an. An allem dem fühlt man beim anver-
geßUchen Gebaaer einen gewissen Mangel, der aber darch die großartige
Anffassang seiner speziellen Aafgabe reichlich ersetzt wird. Ich möchte ihn
in dieser Hinsicht and in vielen anderen glänzenden Eigenschaften mit DaniÖiö
vergleichen, soweit überhaapt Vergleiche zulässig sind. Seit dem Jahre 1871
pflegte ich mit dem Verstorbenen persönliche Frenndschaft, wir sahen ans oft
in Prag, einmal anch in Berlin, Aber 200 an mich gerichtete Briefe (denen
wohl eben so viele von mir aas entsprechen werden) geben beredten Ansdrack
onseres lebhaften Anstaasches von Gedanken, die sich immer im Kreise
wissenschaftlicher Fragen bewegten. Schwer war es in den letzten Jahren, ihn
für etwas zn gewinnen, wodarch er von seinen Hauptarbeiten sei es anch
noi ftlr kurze Zeit abgelenkt za werden fürchtete. Darum kostete es mich
keine geringe Mtthe ihn zu überreden, daß er ftlr die >Enc7klopädie der sla-
vischen Philologie« die Ausarbeitung einiger Beiträge übernahm. Sein hoff-
nuiigsvoUer Sohn, der im Wiener Institut für österr. Geschichte sehr fleißig
arbeitete und leider bald nach seinem Vater in der Blüte seiner Jahre starb,
hatte noch vor anderthalb Jahren mich gebeten, seinen Vater von dem ge-
gebenen Versprechen zu entbinden, weil es ihn beunruhige. Ich ging nicht
vollständig darauf ein, vielleicht habe ich dadurch das erreicht, daß er doch
wenigstens einen Beitrag (zur böhmischen Graphik) wirklich mir zugeschickt
hat, der in unserem großen Unternehmen als ein teuerer Nachlaß des Ver-
storbenen mit schuldiger Pietät behandelt werden soll. F. J,
t Alexander Eo£ubinskij.
Am 26. Mai starb Alex. Ko&ubinskij, pensionierter Professor der Sla-
vistik an der Universität zu Odessa. Im Jahre 1845 als Sohn eines bessarabi-
schen Popen geboren kam er 1863 an die Moskauer Universität und zog durch
sein Studium der slav. Sprachen die Aufinerksamkeit Boci^anskijs auf sich, für
dessen serbisches Lexikon er die Buchstaben A — D bearbeitete. Sein Interesse
für das Slaventum wurde hauptsächlich durch N. A. Popov geweckt Als
Hörer des IV. Kurses begann er für die MocrobcrIh BtxoMocTH zu schreiben und
schrieb unter anderem auch einen Artikel: >I>ie südslavische Universität«.
Während des slavischen Kongresses in Moskau besorgte er die Übersetzungen
der in slavischen Sprachen eingelaufenen Artikel. Als Supplent des zweiten
Odessaer Gymnasiums reiste er über Lemberg nach Wien, Prag und Berlin,
um die österreichische und preußische Gymhasialreform zu studieren, und legte
634 Kleine Mitteilniigeii.
darttbereinen gedrackten >Bericht< vor (1870). Auf Vorschlag GrigoroTi&s hielt
er als >AmtBvertreter eines Dozenten« im Jahre 1872 an der Odessaer Umyer-
sität seine Antrittsvorlesong. In den Jahren 1874—1876 bereiste er nach dem
Plane der ross. Slavisten aus den 40er Jahren den slavischen Westen und gab
darüber in vier >Berichten< Rechenschaft. Nach dem Tode Qrigorovi^s wnrde
er außerordentlicher nnd noch in demselben Jahre (1878) ordentlicher Professor
der slavischen Philologie zu Odessa.
Die Früchte seiner wissenschaftlichen Tätigkeit yerWenÜichte Koöa-
binskij in den seit 1878 unter seiner und des Prof. Jarofienko, später unter
seiner alleinigen Redaktion stehenden SanHCRa hmd. eoBopocc. yhhb., im B£.,
KMHII, AfslPh. usw. Er bezeichnete selbst die slavische Philologie als den
»Pionier, der den Weg des nationalen Bewußtseins Rußlands ebnete« und ließ
sich von diesem »neuen Element« manchmal so leiten, daß der (belehrte dem
Patrioten unterlag. Er gehörte zu jenen ersten Slavisten Rußlands, die alle
Gebiete der Slavistik zu umfassen trachteten. Wie manche andere Züge an
Grigorovi6 suchte er auch dessen Pathos nachzuahmen. Von der Sprach-
wissenschaft nahm er in späteren Jahren Abschied; hier fehlte ihm besonders
eine tüchtige Schule.
Seine erste philologische Arbeit »SsyRi A oTJiH^aTezLHSfl leprs cep6-
cicaro BORazisMa« (San. 1870 — 71) ist nur eine Reproduktion der Monographie
über sekundäre Vokalisation im Kroatischen oder Serbischen von Jägiö und
seine Antrittsvorlesung »CsafiHHCRlA Hapiqiü h cpaBESTe^iBHoe flsuROSBaide«
(3an. 1872) eine Reproduktion fremder Ansichten über das Wesen und die Auf-
gabe der neueren Sprachwissenschaft. Für die Dauer des russ. Supinums
stellte er einige Beiträge zusammen (^hjt. San. 1872, IV] und besprach ausführ-
lich die Leskiensche aksl. Grammatik (ibid. 1872, 1— III). Als Doktordisser-
tation schrieb er »Ki sonpocy o BsaHMHBizx OTHoineHiAX'& cjuaB^BCum Hapi^di«
(3an. 1872), eine der Svarabhaktiftage gewidmete Arbeit mit dem verunglück-
ten Grundgedanken, auf Grund der Verbindungen kons. + /, r -f- *&, & -f- kons,
zu beweisen, das Russische sei der älteste Repräsentant der slavischen Familie.
In der Anzeige der kleinrussischen Literaturgeschichte von ^itecki gab er der
subjektiven Meinung Ausdruck, in der südruss. Literatur habe sich das Alt-
kirchenslavische gegen Ende des XVI. Jahrh. zu einer neuen Literatursprache
mit nationalem Charakter umgeformt (:9CMHII. 1890, Nov.). Für das Polabische
lieferte er einige geringfügige Beiträge in den »Polabani« (San. 1879). In dem
Artikel »JIbtobckIu jisbiKX u aama crapKBa« (Moskau 1893) machte er den miß-
lungenen Versuch, das altruss. öbprodbcr'i mit Birka (Stadt unweit Upsala) und
das lit. Druski mit Truso-Drusen (Draunsee) in Zusammenhang zu bringen.
In einer ethnographischen Abhandlung »TeppHTOpijai xoacTopaqecROH
JIhtbu« (HMHU. 1879, Jänner) suchte er den litauischen Stamm weit nach
Süden ins Gouvernement Minsk zu schieben. Objektiv und mit Sachkenntnis
besprach Eo^ubinskij die Nationalität der macedonischen Slaven (OxeccRÜ
BtcTHHRi» 1890, No. 239, 242). Ein interessanter Beitrag sind seine »Ma^epiaAi
AJiii BTHorpa*iH Ooirrap'L H3'b apzHBa HoBOpocc. reHepas-ry6epHaTopa (San. Hvii.
Ca. 06m. HcT. h Apess. XV). Großes Ansehen bei seinen Landsleuten ver-
schaffte ihm sein Interesse für seine Vaterstadt Akkerman (üanaaapaua aax-
Kleine Mitteümigeii. 635
UMCM XV CTOiftcU m E&iropoxa . . . Oxecca 1889; Typa (Typaci>)-EiJi[ropox'&-
ÄKKepMaHi H ero HOBax . . . HaAiiHci or& 1454 roxa, Oxecca 1901). Sein Haupt-
gewicht anf dem Oebiete der Ethnographie flQlt ins Kapitel: Die Rneaen Un-
garnB (Hax-sa rpanmu [Orveru], als SA. erschienen Odessa, 1876 ; GiaBflHCRljt
pyKonncK neniTCKaro Mysoi, P$B. 1881, 1 ; /(o6pu£ nacrupB h xotfpa« HHBa, San.
1885; AyEaiicKoe Sajiicie, Tpyxu VII Apxeoi. citoa), wobei er das klein-
msBiflohe Element für die ältere Zeit in dem jetzt magyarischen nnd mm&ni-
sehen Sttden zu konstatieren und es mit der methodischen Nitra nnd dem
Digepergebiet als ethnographische Einheit darzustellen trachtete. Trotz der
gnten Dosis nationaler Eitelkeit bergen diese Sachen fleißig gesammeltes nnd
beachtenswertes Material.
Aus der slavischen Geschichte interessierte sich Ko6nbinsky insbeson-
dere ftir die Anfänge der mssophilen Idee bei den SUdslaven nnd die Kämpfe
der Öechen, deren großer Verehrer er war, nm die Freiheit des Gedankens. Znr
Erlangung des Kandidatentitels hat er »CHomeEia PoccIh npH Ileipi nepBOMi cb
wxHiMH ciaBüHaMH H pyiiyBaMHc (MocRBa 1872) geschrieben, eine mit jagend-
licher Begeisterung verfaßte Kompilation, die in einem großen Werke mit viel
neuem Material >rpM% AHxpiu HBaHOBH^x OcTepifaH'B h paaxiiTB TypniH. Hvh
HCTOpii BOCTo^Haro Bonpoca. BoHHa IIatx jri^n (1735—1739)« (Oxecca 1899) ihre
Fortsetzung fand. Der 6echischen 'Geschichte war seine Magisterdissertation
>£paTBji-noxo6oH h ^emcKie Kaxo.uiKH b'b Hawaii XVQ. Bisa (Oxecca 1873) ent-
nommen. Koj^ubinskij schlüpfte das zugängliche Material aus, hat aber jeden-
falls den fremden Einfluß zu wenig berücksichtigt, um den Umsturz in Böhmen
aus seiner Isoliertheit herauszureißen. Er kehrte zum Gegenstande in einer
begeisterten Bede gelegentlich des 300jährigen Geburtstages Komensk^s zu-
rück (ÜH'B Amoci KoMeHCRix . . . Oxecca 1893) und zog eine Parallele zwischen
Chelöick^ und Komensky, welche beiden schon mehr der Literaturgeschichte
angehören.
Zur Literaturgeschichte meldete sich Koiubinskij nur gelegentlich. So
besprach er unter Zugrundelegung der Literaturgeschichte yon Pypin die
Literaturgeschichten von Grigorovi6 und Gourriöre und Brandts Osman mit
sahlreicben Ergänzungen und Berichtigungen (Hctophkb JiKieparypu GiaBAHi,
:KMHn. 1880, Mai) und berichtete über die damaligen neuesten Erscheinungen
der österreichischen und der Donanslaven (KEHatnuA Mexo^H, P$B. 1880). Der
Idee nach verwandt sind »IIpaBxa aui3HH h npaBXa xBopvecTBa« zum Andenken
Puftkins (San. 1880) und »RomantickÄ my&lenka a skuteinost« zum Andenken
Koll&rs (Jan KoU&r 1792—1852, VeVidni 1893). Zur Bibliographie älterer
slavischen Literaturen lieferte Koinbinskij außer den Anmerkungen in den
»Berichten« und den »Slavischen Handschriften des Pester-Museums« und
außer der ausfUhrlichen Anzeige des Kot^jarevskischen »Bibliographischen
Versuches« in den »Htofh cxaBAHCKOH u pyccKOH «HJiojioriu (3aa. XXXIII) mit
erwähnenswerten Hinweisen auch die Beschreibung einer serbischen Evan-
gefienhandschrift aus Zeta vom Jahre 1436 (AfslPh. IX) und druckte die Ge-
schichte des bolg. Mönches Paisij ab (3an.HMn.0xecc.0<(m.HcT. ■ ApeB. T.XVI).
Seine Vermutung, daß die Suprasl. Handschrift ein cyrillisches Palimpsest sei
636 Kleine Mitteilnngeii.
(0 cynpac<BCKO& pyKonHCH, Has. oxx. p. hb. h cjob. 1897, kh. 4) beruhte auf ein«'
TSoBchimg.
Ko6abin8kyB Hauptstärke lieg^ in seinen Leistangen anf dem Gebiete
der Geschichte der slavisohen Philologie. Von seinen zahlreichen Nachrufen
(einige im SA. in »IlaMATH cocxyauiBneB^ 1876—1901«, Oxecca 1901) haben die
über GrigoroTi6, den er auch gegen Mnr8akevi6 verteidigte (P$B. 1880), größe-
ren Wert, nnd man maß nar bedauern, von seiner Feder keine ausfllhriiche
Biographie Grigoroyi6s erhalten zu haben, denn er kannte auf Grund ein-
gehender Studien die Epoche, in der sich sein Vorbild entwickelte und wirkte.
Dies zeigt sein schönstes Werk »AjtMiipaji'B lÜHinKOB'L h xaniuep'B rp. PyMSH-
nowh. Ha^iaiELHBie roxu pyccKaro cjiaBaHOBixiHifl« (Oxecca 1887—1888), worin
er mit meisterhafter Anschaulichkeit die Genesis der slavistischen Stadien in
Rußland schilderte. Er suchte zwar zu sehr auf Kosten Petersbugs Moskau
in den Vordergrund zu rücken, aber im großen und ganzen schildert seine
Feder mit Liebe die Verdienste, spart aber auch mit Hervorhebung von
Schattenseiten nicht Dem Werke wurde der Makarievsche Preis zuerkannt.
Sein Interesse für den Gegenstand blieb wach. In zwei Monographien »Fpa««
GaepaHCKlH e yHHBepcBTdTCRiu jciavh 1835 roxa« (BE. 1894, April) und »rpa*%
G. r. GrporaHOB'B . . .< (BE. 1896, Juli- Aug.) besprach er die Tätigkeit zweier
leitenden Männer jener Zeit und zur Korrespondenz Vostokovs gab er eine
notwendige Ergänzung (Hbb. ota. p. hs. h cjiob. 1 899, IV). Auch zu den wechsel-
seitigen Beziehungen Miklosichs und äafaHk gab er einen Beitrag (AfelPh. XXV)
und seine letzte, warm aber nicht überall verläßlich verfaßte Monographie
»n. H. IIIa«apHK'B. OqepK'B usi srhbhm pyccKou HayRH, nojBtRa TOMy Hasax'B«
(BE. 1906, Mai-Juni) ist der Erforschung des liebgewonnenen Gegenstandes
geweiht.
Ko6ubinskij neigte zu den Slavophilen, aber nicht mit ganzem Herzen,
wie schon sein Mitarbeiten im »Boten Europas« beweist Er betonte nicht mit
derUnnachgiebigkeit der Slavophilen die Orthodoxie, trug seine Kenntnis des
Öechischen bei jeder Gelegenheit zur Schau und bewährte in den Zeiten der
höchsten Reaktion seine Festigkeit Ein Gegner von Wien und Berlin, war er
doch ein großer Verehrer von Bismarck. Seine Beliebtheit unter den Kollegen
beweist der Umstand, daß er schon als pensionierter Professor zum Dekan ge-
wählt wurde. In der Geschichte der slavisohen Philologie hat er sich eben
durch seine Leistungen auf diesem Gebiete einen ehrenhaften Platz gesichert
Wien, im Oktober 1907. Dr. Fr. Eidril
Kleine Mitteilaiigeii. 637
Zur EntgegniiDg. *)
Herrn Utas zyn's Besprechung meines Buches (Geschichte derpohii-
Bchen Sprache 1906], oben S. 440 — 444, hätte ich nicht weiter beachtet, wenn
nicht Herr U. in seinem Schlnßpassns (pro domo, S. 443 f.), gegen eigenes
bessere Wissen die Tatsachen einfach gefälscht hätte. Bauend auf ein kurzes
Gedächtnis der Leser des Archivs, tischte er ihnen nämlich folgendes Ge-
Bchichtchen auf.
Ich hätte, erzählt er, im Archiv 1901 nur von einem eporadisehen ZatU-
toandel des ie-ia^ io im Polnischen gesprochen, Analogiebildungen und Ent-
lehnungen, die diesen aporadisehen Lautwandel stören, nicht zugegeben. Da-
gegen freut er sich, daß ich in meinem Buche (1906) jenen Standpunkt aufge-
geben habe, die »Regel« (also nicht mehr das sporadische) dieses Lautwandels
einräume und mit Analogien, die sie stören, selbst operiere. Zu dieser Ände-
rung meiner Ansichten hätte doch offenbar seine Abhandlung (Entpalatali-
sation, 1905] beigetragen, obwohl ich diese Abhandlung im Archiv herunter-
gesetzt hätte ; freilich nur in Worten wäre ich Gegner seiner Erklärungen, in
der Tat sehe das alles anders aus, d. h. machte ich mir seine Erklärungen zu-
nutzen. An dieser Erzählung des Herrn U i a s z y n ist kein einziges Wort wahr.
Die »Regel« des Lautwandels kannte ich, ehe Herr U. geboren war, aus
Miklosich, und ich bekannte mich zu ihr, wo es nötig war, vor aUem natürlich
in einer Geschichte der polnischen Sprache (1906), ohne daß ich dabei von
Herrn U. auch nur träumte; 1901 dagegen, in jenem Archivaufsatz, erwähnte
ich die Begel nicht, weil ich nicht von ihr handelte, sondern nur von den
Ausnahmen von ihr, und nur diese Ausnahmen [pomedadj trter^nsw.),
bezeichnete ich als sporadischen Lautwandel, niemals die Begel selbst Zu
bestreiten, daß siostrze^ czosaö^ ionie u. dgl., Analogiebildungen wären, ist mir
nie eingefallen, weil ich aus meinen eigenen Studien über polnische Sprach-
geschichte mit dem späten Auftauchen dieser Formen seit jeher vertraut bin.
Herr U. gab denn auch 1905, in seiner »Entpalatalisation«, der Wahrheit die
Ehre, indem er nur sprach von meinem Auftreten bezüglich der »abweichen-
den Formen« (S. 45, vgl. ebds. S. 19 von dem sporadischen Lautwandel, der
»die Ausnahmen des Entpalatalisierungsgesetzes nicht befriedigend er-
kläre«). Dagegen zwei Jahre später, 1907, ließ er mich, auf das kurze Ge-
dächtnis anderer bauend, schon die Regel oder das Gesetz selbst als sporadi-
schen Lautwandel 1901 bezeichnen, aber an dieser seiner Erfindung bin ich
völlig unbeteiligt
Ich stehe 1906 und 1908 genau auf demselben Standpunkte, wie 1901;
daß z. B. powiedaS ein Bohemismus wäre, diesen Unsinn glaubte ich Herrn U.
ebensowenig 1906, wie 1901, ebenso verhält es sich mit JPieskowa Skaia, uierf
u.a. Diese Formen, ebenso wie z. B. das zwoUna der Bogurodzica, sind weder
Entlehnungen (Bohemismen), noch Anlehnungen (Analogien); sie sind älter
oder ebenso alt wie paunadaöy piaekowa, marf, zwolona usw.; nur weil ich den
*) Vergl. S. 440. Zufällig verspätet daher ans Ende des Heftes gesetzt.
638 Kl«me Mitteilimgeii.
Gnmd der Erluütiiiig dieser Formen nicht sieher anzugeben weiß, will ich
mich, 1906 und 1908, genan wie 1901, »mit der Annahme sporadischen Laut-
wandels bentigen«, was doch keine »Hypothese« ist, wie U. fabelt, und nur mein
Nichtwissen umschreibt, etwa wie das Wort »Ausnahme«, und daran hat alle
Weisheit Herrn U/s nichts zu &ndem vermocht. Mit dem le-to, to- Wandel
▼erhielt es sich für mich, 1906 und 1901, genau ebenso wie mit den »Nasalen« :
Regel oder Gesetz ist Erhaltung der »Nasale«, aber sporadisch, d. h. ohne daß
ich es zu erklären weiß, kommt in echt polnischen, nicht ent- noch angelehn-
ten, Worten uffii^,q vor: das habe ich ebendort 1901 ausgefUhrt und doch
von keiner sporadischen Erhaltung der Nasale im Polnischen mir etwas trSu-
men lassen! Den Unsinn mit dem sporadischen Lautwandel m-m, to hat mir
ja erst Herr U. absichtlich unterstellt und alles weitere hat er sich aus seinen
Fingern gesogen. Soviel zur Steuer der Wahrheit
Ich benutze die Gelegenheit, um meinen Irrtum, Archiv XXIH (1901),
S. 239, zu berichtigen. Das Gesetz oder die Regel wirkt bekanntlich nicht bei
den einsilbigen Präpositionen, bez, pruz, przed, — Warum, ist nicht klar; es
kann an verschiedenes gedacht werden, daß z. B. das Nomen przod und die
Präposition przed darum auseinandergehen, weil der Lautwandel zuerst in den
mehrsilbigen Formen, przodu aus przedu, aufgetreten wäre, woran natürlich
die Pri&position gar nicht teilnehmen konnte (man beachte, daß, anders als im
Russischen, im Polnischen auch auslautendes e nie dem Wandel unterliegt).
Freilich ist auch sonst im Polnischen prze maßgebend gewesen, verdrängte
sogar überall das alte pro, konnte daher auch przez und przed förmlich halten;
przez wiederum hat bez frühe an sich gezogen, vgl. den Eigennamen Breadreu
d.i. hrzevdrzew im Lubiner Brüderbuch (am 1170), den Ortsnamen Brzezkcrzyi^
aus Bezeorisi 1136 usw. Auffallend bleibt an bez nur die Entpalatalisation
d. h. daß es nicht biez heißt, und nun glaubte ich biez doch noch nachweisen
zu können, z. B. im Namen Biesiekierski, aber das war grundfalsch, denn der
Name kommt von biesi kierz (Teufelsbnsch) her und hat nichts mit bez zu
schaffen. A, Britckner,
Sachregister.
Aoeent- and QiuuititStsfrageii, nrala-
vische, 419 ff.
Ae|m>tiBche Mlirehen, Grundlage enro-
puBoher, nam. rnBsischer, 461 ff.
Altpreußisoh, sein Wortschatz 432.
AltroBBisehe Texte, hiBtorische Unter-
sachnngen, zun HOhlenpaterik 282ff.;
die KompoBition der utesten Chro-
nik 291ff. ; Igorlied 299 ff. ; altniB-
BiBche ÜberBetznngen ana dem Pol-
niBohen, De morte dialogns 615 ff.,
ein netter lateiniacher Text dazn,
621 f.
BOhmiBche LiteratorgeBchichte, im
Werke Ear&Bek'B, 595 ff.; Einfluß
des dentBchen Theatere anf das böh-
mische, 105 f., speziell SchiUer auf
Sediy^ (ÜberBCtzung) 105 ff.; ygl.
Kr&snohorskÄ; Sybille; über Me-
trik, 8. Erben; historische Gramma-
tik und WOrterbnch, s. Gebaner.
Böser Bück 53 f.
Bognrodzica, neue Beitiüge, ernste
121 ff., komische (Szcznrat!) 128 f.
Bulgarien, Ursprache und Urheimat
613 f.
Diphthong eu im Slayischen, in iti,
481 ff.
DreikönigBlegende, die weißmssische,
aus einer polnischen Vorlage (ebenso
AlexiuB und die Muki) 131 f.
Entnasalierungsgesetz im Urslavi-
Bchen, kritische Bemerkungen da-
ge^n 1 ff. ; Widerlegung 11 ff., neue
Belege danlr 30 ff. ; Über § + b, z, ch,
41 ff. ; Schlnßfassung 47 ff.
Etymologien 1 ff., 11—46, 162—168,
477—480, 485--497, 622, 625, 626 ff.
Folklor, slavischer, neue BeitriEge:
weifirussische Mlirchen und Sagen,
Sammlungen des Federowski 445 ff.,
des BomanoY 454 ff.; ttber deren
Schlufiformeln 457; Monographie
ttber die Detva 458 ff.; Sagen vom
koszczej 461 ff.; vffl. Mythologie;
Vampyr; Böser BHck u. a.
Frankopan, sein litenurischer Nachlaß
in Wien 529 ff.; Übersetzung des
Moliöreschen Dandin 535 ff.; Text
545 ff.
Glagolitische Literatur des Küstenlan-
des, ihre Nomenklatur 550, im Calen-
danum 551 ff.; Missal 555 ff.; Bre-
vier 559 ff.; lUtual 564 ff.; Elenchus
(lexikaliBche Obersicht) 573 ff.
Grammatik, vergleichende der slavi-
sehen Sprachen, Lautlehre, Anzeigen
110—116 und 411—428; Stammbil-
dungslehre 1 1 6 ff. ; s. u. Diphthonge ;
Entnasalierung; in der diiuectologi-
Bchen Literatur; ein kleinrussischer
Grammatiker des XYU. Jahrb., Uüe-
wlcz, 1 54 ff.
Intensiva auf -sati 14.
Eleinrussisch, Analyse eines angeblich
mythologischen Volksliedes 97 ff.;
Beziehungen der Dumy zum sttdsla-
vischen Epos 221 ff.
Kr&Bnohorsk& Eliza, ihr Werk ; Pf^o-
tismus, wechselnde Stellung; Über-
setzungskunst 517 ff.
Lehnwörter, ihre Bedeutung, Folge-
rungen daraus. 431 f.
Literaturgeschicnte, vergleichende sla-
vische, Plan und Methode, bei Py-
piUy bei KarAaek, 581—594; einzel-
nes, s. Böhmisch, Altrussisch usw.
M^rim^e, s. Mystifikation.
Mickiewicz bei den Böhmen 524 ff.
Moliöre in einer slovenisch-kroatischen
Übersetzung des Frankopan 529 ff.
Mystifikation kroatischer Volkslieder
durch Prosper M6rim6e; einzelne
Motive (Vampyr u. a.) 49 ff.; die
historischen BaUaden (Fall Bosnieiis
u. a.) 56 ff.; die Gattin des Asanaga
64 ff.; Beilagen (Texte, Giorgi u. a.)
640
Sachregister.
79 iL — MyBtifikationeii in der My-
thologie, miwillkfirliohe, wie sie zu-
stande kommen (Analyse eines an-
geblich mythologischen Volksliedes)
y? ff.
Nekrologe, Gebauer 629 ff. ; Ko6ubin-
sky 633 ff.
Obradoviö Dosithej, seine MOnchs-
jugend, die Wirklichkeit und die
Idealisiemng, 611 ff.
Orthographie,böhmiBch-polnische (Hus
bis Zaborowski und Blahoslav), 597 f.
Osterprozessionen in Schlesien (Lu-
bom), Urkunde von 1672 darüber,
618 ff.
Philologie, zur Geschichte der slavi-
sehen (Werke und Beitrüge von Ko-
^ubinsk)) 636 ; 8. Nekrologe.
Polabisch, über die Stellung desselben,
169 ff.
Polnisch, s. Bog^odzica; Geschichte
der poln. Sprache, Anzeige, 440 ff.
und 637 f.
Prosodie und Metrik bei Erben, Schluß
der Untersuchung, Abdruck von
ZahofoYO loie 184 ff. ; falsche Wort-
betonunff 192 ff., Aufzählung 194 ff. ;
systematische Übersicht 202 ff., Ta-
belle 205; falsche Satzbetonung
206 ff; Erlkönig 212 f; Über die
Prinzipien 214 ff; Anhang 219 f.
Pui&kin In der böhmischen Literatur
526 ff.
Russisch, s. Altrussisch; über russ.
Lehnwörter 431.
Salomonsage, weißmssische, 455 f.
Serben, zur Kulturgeschichte, des Vol-
kes, I. seiner Schulen in Osterreich
(Jankoviö Yon Mirjevo) 1768—1778,
390 ff. ; n. seines Buchdruckes (Kurz-
böck u. a. aus derselben Zeit) 51 1 ff.
Serbokroatisch, Dialektologie. Der
Dialekt von Mostar 497 ff. ; die Gren-
zen des ikavischen und jekavischen
499 f. Der kaj-Dialekt von Virje in
der Podravina, allgemeines 305 ff.,
Karte des Sprachgebietes 313; Vo-
kalismus 313 ff.; Konsonantismus,
328 ff.; Betonungu. Quantität, 337ff.;
Deklination 363 ff.; Konjugation
371 ff.; Syntaktisches 377 f.; Lexi-
kalisches 379 ff.; Märchen aus Niseh
469 ff.
Serbokroatische Literaturgeschichte,
s. Obradovid; Anzeige von Karisek,
143 ff. ; Urkunde des KuHn ban, neue
Ausgabe 149 ff.; kroatische Mrat-
urkunde (Pfandbrief j von 1 663) 625 f. ;
eine glagolitische E^ircheninschrift
623.
Serbokroatische Lehnwörter 477 ff.,
außerdem besonders über suländir
622 und poSa 626 ff.
Zur Lebensgeschichte des Patri-
archen Arsenius IV. Jovanovid 624 f.
Slovaken, Stellnnff ihrer Sprache im
Kreise der slavischen 1 35 ; (reBchiehte
des Ostslovakischen, seine ethni-
schen Bestandteile, seine Dialekte
135 ff.; Volk und Sitten von Detva,
Monographie, 457 ff.
Slovenen, Literaturgeschichte bei Km-
räsek, Anzeige 14uff.; Spraohproben
in den Mundarten der Slaven von
Torre in Norditalien, Parallelen dam
473 f.; Volkstümliches aus Adle&i&i
in Unterkrain 475 f.
Sprachvergleichung und Uigeschiehte,
Anzeige von Scnraders w erk and
seinem slavischen Teil, 429 ff.
Suffix SUB und zuB 12 ff; hypocoristi-
sche Bildungen auf -ch 1 17 f. ; über
-ütL und anderes 118 f.
Sybilla, die weißrussische, ihre böh-
mische Vorlage 133 f.
V vor 0 im Urslavischen 161 ff.
Vampyrsaffen 49 ff.
Vieltörmineit des Slavischen in laut-
licher Hinsicht, bei der tort- und
ort-Gruppe, b und p fttr entlefantee
f, Wechsel von Media und Tenuia,
von ch (chw) und f (im Polnischen)
114 f., 119 f.
Visio Polycarpi in einer Prager Hds.
621 f.
Wladimir des Gr. Taufe 246 ff ; das
Jahr seines Regierungsantritts nnd
andere Daten 247 ff.; die Gründe
seines Schrittes 256 ff.; die Erobe-
rung Chersons 268 ff.; Resultate
280 f.
Vokalismus, zur Geschichte des alt-
slavischen, s. Entnasalierangige-
setz; der Reflex des indogermani-
schen Diphthongs eu im Urslavi-
Nftni6iir6^8tof.
641
«ehen, die Beliaa][>1iuig von Job.
Schmidt 48] ; dagegen Bezzenberger
482 n. a. ; Sammlnng aller Belege
485 ff.; A«»fall dee niiBilbiscfaeii ^
vor Blav. o ans fndogenn. 9, die Regel
161 f., die Belege 16:^ ff. Chronologie
lautlicher Prossease 1 1 ! ff. ; Rttckfule
112; tlber die LiqnidametathOse
114 f.; Intonation 421; Acc^ntV^
Schiebung 422 ff. ; zur Geschichte des
fi 415 ff.; Entpalatalisierung dejs
pOln. ie 637 f.
Wielandsage, wo entstanden^ 437.
Wiltinen, Vilkinen, 436 f.
Abigean 628.
Acohik 258.
Albert 60d.
Ampere 77.
Anna (Gemahlin Wladi-
mirs d. H.) 278 ff.
Arsenius IV. Joranovid
624.
Barac 283 ff.
BarwindMj 129.
Baudouin de Courtenay
16Ö ä.^ 473 iL
Bekker 55 f.
Belloc 66.
Bendl 528.
Bemeker 483 ff.
Bezzenberger 482.
Bistrom 216.
Blahoslay 598.
Bodjanakiil 633.
Brandt 42 f., 46.
Bmchnalski 125.
Brugmann 43, 483.
Brückner 1 10—135, 429—
440, 440 ff., 616, 637 f.
Bnino 253.
Calmet 50 ff.
Öech 606 f.
Öelakovsk;^ 214 ff., 603.
C^noy613f.
Chalanski) 436.
Chaipentier 1—10.
Gbanmette des-Foss^s 78.
Chmelensk^ 524.
Ghybi^ski 124.
Clemens, h., 253 f.
6oroviö497— 510, 624.
Crescente 531.
Croiaet v. d. Kop 615 f.
6ur&in67.
Czambela 135 ff. I
Namenregisteir.
Daükevi6 221 ff.
Doleial 517-529.
Dozon 67.
Dragomanov 98 f.
Driiö M. 144, 541.
Dllringsfeld 54.
Duvemois 628 f.
Dvomikoviö 612.
Eckstein 66.
Erben 184 ff., 606.
Erjavec 24.
Fancev 305—3.
Federowski 445 ff.
FeifaHk 218.
Fellbieger 406.
Fij^aek 124 f.
Fortis 60 ff.
Fortunatov 416, 418,421.
Frankopan 529—549.
Franko 97 — 105, 122,
238 ff., 282—304.
Gaj 145.
Galatoyskij 101.
Gartlic 534.
GavrUovid 469 ff.
Gebauer 30 ff., + 629 ff.
Gjalski 146.
diorgi 78 ff.
Gjorgjid 144.
Gfoethe 64 f., 217.
Golubinskij 128, 263.
Grafenauer 140 ff., 475 f.
Gregor 618 f.
Grigorovii 634 f.
Hanka 525, 631.
Hattala 630 f.
Heck 125.
Herder 60 ff.
Hirt 165, 421, 425.
Hradszky 135.
Hiyer 497.
Hub 598.
JagiöUOf., ]49f., 154ff.,
235 f., 282, 304, 41 1,476,
502,572,612,625,629—
633, 637.
Jahia 257.
Jankoviö von Miijeyo
403, 407 ff.
Iljinskijl49ff., 160— 169,
481—497.
Johansson 22.
Jokl 11—49.
Ivid 511—516.
Ka^iö 59 ff.
Eahiofqjskij 102.
Eamensky 396, 403.
KanizUö 144.
Kappus 626 ff.
Earisek 140 ff., 581—610.
Karsky 131 f.
Eatanöiö 144.
Eidri6 633—636.
Klaiö 479.
Koblischke 170 ff.
Ko6ubinsk« + 633—636.
KoUÄr 214ff., 604 f.
Komensk;^ 600.
Kostid 147.
Kostren^iö 529 ff.
Kozarac 146.
Er&1210ff.
Kranj6eyiö 146.
Kr&snohorski 517—529.
Eretschmer 1.
Eulin bau 149 ff.
EurzbOck 511 ff.
Evapfl 524.
Eyi6ala631.
Langer 215 f.
Lavrov 572.
ArcbiT Ar •Uvitek« PUlologi«. XXIX.
41
642
Nunenregiflter.
Lasareviö 147.
Lazarini 402.
Leskien 483.
Liddn 21 ff.
Ljnbi&a 147.
Löwenthal 32 ff.
Lncerna 64.
Laciufl 53,
Lnkjanenko 321 ff.
Micha 604.
M&chal 105 f., 215 f.
Machar 603, 608.
Martinof 154.
Masp^ro 462.
Matiö 49—96, 529—549.
Matzenaner 33 ff.
Medveck^ 458 ff.
Meillet 428 ff., 484.
Meii6ik 155.
M6rim6e 49—96.
Mickiewicz 524 f.
Mikkola 484.
Miklosich 35, 64 f., 149ff..
292, 626, 6:J6.
Milas 497 ff.
Miljokov 438.
Miron 100.
Mladenov 613 f.
Moliere 529 ff.
Mttllenhoff436.
Mnsiö 625.
Nebesk^ 524.
Nediö 147.
Nehrmg5, 122,615— 622.
Nejedl^ 124.
N6mcoy& 606.
Niederle 137.
Nitsch 169—183.
Kodier üO.
Novakovid 503, 508, 622,
626.
Oblak 367.
Obradovid 610 ff.
OBterman 635.
Osthoff 483 f.
OBtojid 610 ff.
Ottenthal 152.
Palack;^ 602.
Pama6i]ia 497.
Panekoucke 66.
Pastrnek 135—140.
Patzko 513.
Pedenien 5 ff., 165.
Peisker 439.
Perg:oiiö321.
Petretid 362 ff.
Petrovid 66.
Pol&k 601.
Polinski 124.
Polivka 445—474.
Popovid 541.
Poraezi^ski 411—428.
Potebnja 228.
Prefieren 142.
Prohaska 143 ff., 610 ff.
Pachmayer 601.
Puükin 526 ff.
Pypin582ff., 616.
Ra6ki 543.
Radivoj 58.
BedhouBe 627.
Reffel 277.
Rejkovid 144, 612.
Resetar 449—154, 498 ff.
Bomanov 454 ff.
Kosen 249 ff.
Bo8tafi6ski 433.
Bozwadowski 448, 497,
615.
Bamiancov 636.
Sachmatov 248 ff., 290,
427.
äafaHk 149, 636.
Sa^lj 475 f.
S6epkin 291.
Schüler 107 f.
Schmidt, Joh. 32, 480 f.
Schönbaoh 142.
Schrader 429 ff.
äediy^ 105 ff.
äiikov 636.
Skerlid 66.
Skok 477 ff.
Sobolevskij 154.
äolc 210 ff.
Solmsen 34, 161. i
Sorgo 62. I
Speranskij, Graf 636. {
Speranskij D. A. 461 ff.
Spiesz 105.
Spina 105—109.
Sreznevskij 149.
Srkolj 246—281.
Strekelj 478 f.
Stroganov 636.
dubert 106.
äoman 623.
Snmcov 227.
Snrmin 498, 501 t
Sntnar 184—220, 581 —
610.
Szcznrat 128 ff.
Terdakoved 221—246.
ThaUöczv 480.
Th&m 106.
Theophano 252.
Tomaschek 497.
Tomi^ek 526.
Trahlair 214, 621.
Uhlenbeck 44 ; 486 ff.
Ulaszyn 440—444, 637 f.
Usener 218.
üspenskij 259.
Uieyi6 154 ff.
Vajs 550—580.
Walde 5 ff., 42.
Vasüievskii 258 f.
Veselovskij 97 ff., 227.
436 ff.
Weitberg 278.
Vetter 62 f.
Wiedemann 35.
yi6ek 107, 609.
Vondrik 110 ff., 411 ff.,
485, 625.
Vramec 362 ff.
Vrchlick^ 209, 517, 608.
Vrievid 503.
Vnk 64, 497.
Vymacal 216.
Zgrablid 478.
^iteckij 225 f.
Zmorski 103.
Zubiydky 97.
Znpitza 5 ff., 497.
WortregiBter.
643
a£e 625.
^hati 111.
adte 625.
ankBas-aunim 430.
Baeuntins 480.
Basante 479 f.
basöktati 480.
bazlo 9, 29.
bez (biz-B) 486.
bez'B sine 444, 638.
blazn'b 5, 11.
bl^d^ 5.
bljnsti 485.
bljoitB 486.
Bosna 480.
BoBut 479 f.
brasati 40.
breskva 502.
br^dati 4, 45.
bqiich(o) 487.
brinzga 486.
bronkati 486.
brzoBt 433.
buditi 485.
6^Bti> 2, 41.
h^th 4.
chorB 169.
chot6ti 168.
chi^BtBki 4, 45.
chnla 167.
chvala 167.
chyoja 169.
chvoBto 169.
cnky 114.
6ab'b 487.
6a6ati 488.
endo 488 f.
6adL 111.
6im 488.
6iiti 488.
*djiira dyra etc. 489.
dno 489.
dT%g^3.
dr^äx 3, 44.
drjazg3.
drngyB 3, 45.
dnyki 434.
Dnnaj 449.
dnpa 489.
dzinplo etc. 489.
Wortregister.
fikmp 477.
frcäle 480.
gach 117.
g^gnin» 497.
gas 17.
g^Bt^ 31.
gQga 498.
gQBtwa 31.
glazx 5, 14.
gniuB'B 489 f.
gol-B 166.
gomolja 31.
gozd 169.
grasica 39.
g!ik496.
galiti 166.
haB 17.
haBÄk6.
haaati 17.
h&Btor 30.
haBtro& 17.
hmota 32.
homola 31.
hre^inje 626.
jaz'B 9, 29.
jQdro 46.
jezgra 4, 46.
kaleva 438.
kam7l20,425.
ka&a 164 f.
kim&taB 2.
klem&iöti 2, 42.
klQBii%ö 2, 42.
klimp8t& 2.
kljadny 490.
k»u6 490.
kljnka 490.
kljukati 491.
kgaBQ491.
kliiB491.
kotöno 263.
kop 162.
kopa 162 f.
koBzti 165.
kradaS.
krasBii'B 7, 20.
kr^n^ti 7.
kreBnaB 21.
krtmje 626.
knik491.
ka6a 488.
kupal63,487.
kor 496.
kväpaB 162.
kyka 488.
kypiti 162.
kiki» (k6ica) 488.
lach 19.
lazx 5, 15.
l^dina 5.
Ijab'L 491.
llndx 492.
yoljati 492.
Kap 492.
^iiBka 492.
hipa 492.
hiBka 492.
loBznia 492.
Ijuti. 492.
ma6kati 23.
machnut' 8, 22.
mazati 24 f.
maä6iuie 32.
medvidB 431.
moB^dzB 430.
Nadrovia 434, 437.
nagx 166.
iuyazn& 9, 28.
naprasno 6, 15.
njnohati 493.
ochobL 167.
oloYO 430.
oti424.
paoh 34.
pachaf 19.
pan 497.
paB 6, 19.
pichota 19.
pek(v)a 177.
penB 6, 19.
PQBtB 4, 46.
pjatnik 6, 19.
piQBati 3.
pyoBki 493.
pfinita 494.
pmta 494.
pnutb 7.
41»
&44.
Wöfto^gteter.
poi(a) 616 ff.
priLskvs 502.
praszczar 4U5 f.
prazga 9, 27.
pr^d^ 6.
prkölati 480.
prvskati 486.
pu, pnkati 493.
puzo 487.
rachat' 9, 28.
raohaba 118.
ritalj 478.
T^d-h 27.
ijucha 494.
nutet 495.
^uti 494.
rjntiti (rznciö) 494.
rokati 494.
niiiti 495.
ruti 494.
Tjkati 494.
I7ti495.
salazki 35.
BayraAka 32.
tzcz^k 496.
szoznr 496.
Bzczurk 496.
hhuü 495.
Bchwager 435.
Bljnzi 495.
strastb 9, 28.
fitrokalj 478.
kai 495.
iäjaU 495.
smandarB 622.
inplL 483.
Boraznyj 8, 26.
&nriii 496.
svekiirL 496.
Birebro 430.
tachnnty 38.
tasiti 6, 16.
taBzka36.
tazat' Bia 16.
tiffaii478.
tykvK 433.
nlij 10, 30 (nlazD]^).
nret, nraet 433.
vardati, vardüte 471B f.
yhtvh 3, 44.
v^ad 42.
w^z433.
winkBzne 433.
zapaaka 8, 25.
iegleÄ 433.
zled 150.
ivk-h 496.
inliti 166, 497.
iupa 497.
inpani (hpan) 497.
inp^tL 497.
iviti 497.
iuieU 496.
Dnek tob Brtittopf * flirtel in Ltipuf.
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